Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 21. Feb. 2011 - L 2 SO 379/11 ER-B

21.02.2011

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung der beantragten einstweiligen Anordnung im Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf einstweilige Anordnung ist zulässig; insbesondere ist sie gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG statthaft. Die Beschwerde der Antragsstellerin ist jedoch unbegründet.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines persönlichen Budgets in Höhe von 1.070 EUR monatlich für drei Jahre ab 15.09.2010 im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Diesen Betrag hält die Antragstellerin, die an beidseitiger an Taubheit grenzender Innenohrschwerhörigkeit leidet, im Wesentlichen für die Inanspruchnahme eines Schriftdolmetschers für die 3-jährige Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin für erforderlich. Diese weiterführende Ausbildung an der Privaten T. Akademie für Verhaltenstherapie (TAVT) - deren Kosten sie im Übrigen selbst trägt - schließt sie an ihr zum Sommersemester 2008 erfolgreich abgeschlossenes Psychologiestudium mit anschließender Promotion an um sich selbständig zu machen, nachdem ihre Bemühungen um eine Anstellung als Dipl. Psychologin bisher ergebnislos verlaufen sind. Der Antragsgegner verwehrt der Antragstellerin diese Leistung, da er den Eingliederungshilfebedarf durch die gewährte Hochschulhilfe mit dem Abschluss Dipl. Psychologin bereits als erfüllt ansieht und einen Hilfeanspruch für eine Zusatzausbildung bzw. ein Aufbaustudium verneint.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. Beschlüsse Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa Beschlüsse Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht Stuttgart (SG) den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt, weil weder ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) noch ein Anordnungsanspruch - der sich nach §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 EinglHV richtet - glaubhaft gemacht wurde. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird gem. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen und die Entscheidung aus denselben Gründen zurückgewiesen.
Der Senat vermag auch nach dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin nicht zu erkennen, dass ein Anordnungsgrund als glaubhaft gemacht zu betrachten ist. Sofern die Antragstellerin zur Begründung der Eilbedürftigkeit auf den Lehrplan der TAVT abstellt und die Durchführung von Gruppenseminaren sowie Gruppensupervisionen bereits im ersten Ausbildungsjahr für erforderlich hält, sieht der Lehrplan andererseits unter 3.1. ebenso ein Psychiatriepraktikum von wenigstens 1200 Stunden vor, dass nach Möglichkeit zu Beginn der Ausbildung in Vollzeit oder Teilzeit abzuleisten ist. Dies hätte die Antragstellerin demnach vorziehen können und damit den Bedarf für den Schriftdolmetscher hinauszögern können. Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Ausbildung zur Psychotherapeutin nicht um eine unaufschiebbare Maßnahme handelte und die Antragstellerin mit dem Abschluss des Ausbildungsvertrages die Notlage selbst geschaffen hat. Da es sich um eine weiterqualifizierende Ausbildung nach einem abgeschlossenen Studium handelt (siehe unten), die jederzeit aufgenommen werden kann, ist es nicht nachvollziehbar, warum es der Antragstellerin nicht zuzumuten sein soll, - anders als bei einer Schulausbildung, bei der der Verlust eines oder gar mehrerer Schuljahre nicht zumutbar ist - den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Die ohne Zusage der Eingliederungshilfe eingegangene vertragliche Verpflichtung zur Zahlung der Semestergebühren rechtfertigt dies jedenfalls nicht.
Auch hält der Senat einen Anordnungsanspruch nicht für glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat nach der hier gebotenen summarischen Prüfung keinen Anspruch auf die Förderung der Zusatzausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin durch Leistungen der Eingliederungshilfe. Selbst wenn die Antragstellerin nicht die Förderung der Ausbildung als solcher - deren Kosten trägt sie selber - begehrt, sondern nur den Ausgleich durch die behinderungsbedingten Mehrkosten für einen Schriftdolmetscher, steht ihr ein solcher Anspruch nach §§ 53, 54 SGB XII nicht zu. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin die ihr zustehenden Leistungen durch die Gewährung von Eingliederungshilfe zur Erlangung des Hochschulabschlusses als Dipl. Psychologin erhalten hat. Damit hat die Antragstellerin den angemessenen Beruf erlangt, für den vor der Bewilligung von Eingliederungshilfe geprüft worden war, ob er für die Antragstellerin geeignet ist und ob die Chance auf Eingliederung in den Arbeitsmarkt besteht. Die Aufgabe der Eingliederungshilfe, den finanziell bedürftigen Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern und ihm (vor allem) die Ausübung eines angemessenen Berufs zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.1995 - 5 C 28/95 über juris) ist damit von Seiten des Sozialhilfeträgers durch die Ermöglichung des Hochschulstudiums bis zum Abschluss erreicht worden.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist das Ziel der Eingliederungshilfe nicht erst mit der Qualifizierung zur Psychologischen Psychotherapeutin erreicht. Nicht erst die Erlangung dieser Befähigung, die die Antragstellerin nun anstrebt, ist als „angemessener Beruf“ iS des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII anzusehen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist dieser Beruf aufbauend auf dem Psychologiestudium über die Erlangung der Approbation durch eine Zusatzausbildung zu erlangen. Es handelt sich damit um eine berufliche Weiterqualifizierung, zu der sich die Antragstellerin nach erfolgloser Bewerbung als Dipl. Psychologin in der Wirtschaft entschlossen hat. Grundsätzlich kann zwar auch eine Zweitausbildung oder ein Studium als Maßnahme der Eingliederungshilfe in Betracht kommen (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII § 54 Rn. 47). Auch hat die höchstrichterliche Rechtsprechung des BVerwG die bereits erlangte berufliche Qualifikation auch nicht zum alleinigen Maßstab für die Verneinung eines Anspruchs auf Eingliederungshilfe genommen (vgl. BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 15). Zu berücksichtigen ist vorliegend jedoch, dass die Antragstellerin mit dem Hochschulabschluss zur Dipl. Psychologin bereits den nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII gesetzlich vorgesehenen höchsten Bildungsabschluss durch Eingliederungshilfe gefördert erlangt hat. Von daher ist ihre bisherige Ausbildung nicht mit den in der Literatur und der Rechtsprechung herangezogenen Fällen, in denen es immer um die Höherqualifizierung bis einschließlich zum Hochschulstudium ging (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.08.2010 - L 20 SO 289/10 B; BVerwG, Urteil vom 19.10.1995 - 5 C 28/95), vergleichbar. Gemessen an dem Ziel, das die Antragstellerin mit der Weiterqualifizierung verfolgt, hat der Senat Zweifel, dass der Antragstellerin mit dem als Psychologische Psychotherapeutin erworbenen Berufsabschluss durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch Therapie für Gehörlose die vermeintlich aussichtslose Eingliederung in den Arbeitsmarkt als Dipl. Psychologin dann gelingt, nachdem die Antragstellerin bisher nicht hat feststellen können, dass eine Tätigkeit in dem Berufsfeld der Psychologie trotz Behinderung erfolgreich ausgeübt werden kann (anders in dem vom LSG NRW entschiedenen Fall, aaO). Nicht nachvollziehbar ist auch, warum die selbständige Tätigkeit nur durch den einen Beruf der Psychologischen Psychotherapeutin gelingen soll und nicht als Dipl. Psychologin generell, womit der Antragstellerin bereits ein weites Betätigungsfeld eröffnet ist.
Da das vorrangige Ziel der Antragstellerin die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist, ist ihr der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) entgegen zu halten.Bereits das BVerwG hat zu den inhaltsgleichen Vorgängervorschriften der §§ 39 ff BSHG entschieden, dass Sozialhilfe als Hilfe in gegenwärtiger Not in dem gegliederten Sozialleistungssystem der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich als letzte soziale Sicherung fungiert. Ihre Garantiefunktion wird nicht aktualisiert, wenn der Hilfebedürftige die im Einzelfall erforderliche Hilfe von einem Träger vorrangiger Sozialleistung erhält. Maßgeblich ist, dass die Hilfeleistung nach dem Recht des Trägers der vorrangigen Sozialleistung im ganzen so ausgestaltet ist, dass der Bedarf des Hilfebedürftigen angemessen (ausreichend) abgedeckt und deshalb für ein Eingreifen der Sozialhilfe kein Raum ist. Das gilt für das Verhältnis zwischen sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfe und für berufsfördernde Leistungen der Rehabilitation der Arbeitsverwaltung (BVerwG Urteil vom 23.11.1995 - 5 C 13/94 nach juris). Die Eingliederung von Hochschulabsolventen in den Arbeitsmarkt ist zuvorderst Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeit, deren Leistungen vorrangig sind. Selbst wenn die Antragstellerin sich nach ihrem Vortrag bisher auf 300 Stellen erfolglos beworben hat und dabei ihre Gehörlosigkeit als Hinderungsgrund im Fokus gestanden haben sollte, ist hiermit noch nichts über eine Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit, deren vorrangiges Ziel die Arbeitsvermittlung und damit die Integration in den Arbeitsmarkt auch von behinderten Menschen ist, ausgesagt. Dass bisher Leistungen nach dem Siebten Abschnitt des SGB III - Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben - bisher überhaupt ins Auge gefasst wurden, ist nicht ersichtlich. Zudem lässt der zeitliche Ablauf Zweifel am Beleg für eine dauerhafte Erfolglosigkeit der Eingliederung aufkommen. Die Antragstellerin hat ihr Studium zum Sommersemester 2008 abgeschlossen und dann promoviert. Von daher ergeben sich Zweifel, dass die Antragstellerin sich bereits seit 2008 vergeblich um eine Anstellung bemüht.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§177 SGG).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86b


(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungskla

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 172


(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. (2) Pro

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 2 Nachrang der Sozialhilfe


(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozia

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 142


(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 06. Sept. 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B

bei uns veröffentlicht am 06.09.2007

Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2007 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 11.
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Landessozialgericht NRW Urteil, 27. März 2014 - L 9 SO 497/11

bei uns veröffentlicht am 27.03.2014

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.07.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 ve

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(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2007 geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 11. Mai 2007 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis 31. Januar 2008 vorläufig höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung einer monatlichen Kaltmiete von 290,00 Euro zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe

 
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig und in dem aus dem Tenor ergebenden Umfang auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da es dem Antragsteller ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 ). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht NVw Z 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung , 2. Auflage, § 123 Rdnrn. 79, 96, 100; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, Rdnrn. 15, 25). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und vom 17. August 2005 - a.a.O.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 62 ).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweilige Anordnung, die der Antragsteller erst ab Rechtshängigkeit des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens erstrebt (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B - ), sind vorliegend erfüllt. Zwar erscheint der vom Antragsteller beim SG im Klageverfahren S 14 AS 2040/07 zulässig eingelegte Hauptsacherechtsbehelf gegenwärtig weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet; in Anbetracht der besonderen Dringlichkeit der Sache sowie der Komplexität der Sach- und Rechtslage ist dem Senat eine abschließende Prüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes indes nicht möglich. Allerdings ist ein Anordnungsgrund vorliegend gegeben, denn der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er nicht über anrechenbares Einkommen und Vermögen im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 11, 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) verfügt, er vielmehr zur Bedarfsdeckung darauf angewiesen ist, dass der Antragsgegner die Kosten der Unterkunft in voller Höhe übernimmt. Die deshalb unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG bei einem offenen Verfahrensausgang vorzunehmende Güter- und Folgenabwägung fällt hier zugunsten des Antragstellers aus.
Als Rechtsgrundlage für die vom Antragsteller begehrten Leistungen für Unterkunft ist die Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 ) heranzuziehen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Die vorgenannte Frist dürfte in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bereits abgelaufen sein, nachdem der Antragsgegner den Antragsteller zuletzt im Bescheid vom 8. September 2006 zur Kostensenkung aufgefordert hatte (vgl. hierzu Bundessozialgericht SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 29; BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - Rdnr. 24 ). Allerdings vermag der Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären, ob die Kosten der Unterkunft für die vom Antragsteller bewohnte Wohnung in S. angemessen oder unangemessen sind.
Der Antragsteller hat ausweislich des zum 1. Juli 2003 abgeschlossenen Mietvertrags für seine möblierte Zwei-Zimmerwohnung (Wohnfläche ca. 45 m²) eine monatliche Kaltmiete von 290,00 Euro zu entrichten; diese Aufwendungen wären vom Antragsgegner nur dann in voller Höhe zu übernehmen, wenn sie angemessen wären. Dies steht derzeit jedoch noch nicht fest. Maßgeblich für die Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen ist die Wohnungsgröße, der Wohnstandard sowie das örtliche Mietniveau (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnrn. 19 ff.; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnrn. 24 ff.). Hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnungsgröße ist typisierend auf die Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 19; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 24; so auch die ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 27. Dezember 2005 - L 7 SO 5376/05 ER-B -; Urteil vom 21. September 2006 - L 7 SO 380/06 - Breithaupt 2007, 62; Beschluss vom 27. September 2006 - L 7 AS 4739/06 ER-B - ZFSH/SGB 2007, 31). Bezüglich des Wohnungsstandards als weiteren Faktors im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist darauf abzustellen, ob die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist; die Wohnung muss daher im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen liegen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2007 a.a.O. Rdnr. 20). Den räumlichen Vergleichsmaßstab bildet insoweit regelmäßig der Wohnort des Hilfebedürftigen, der sich jedoch nicht stets mit dem kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der „Gemeinde“ decken muss, sodass im Einzelfall - je nach den örtlichen Verhältnissen - insbesondere bei Kleinst-Gemeinden ohne eigenen Wohnungsmarkt - eine Zusammenfassung in größere Vergleichsgebiete, bei größeren Städten u.U. sogar eine Unterteilung in mehrere kleinere Gebiete geboten sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - a.a.O. Rdnr. 21; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 24). Da sich der Wohnstandard nach dem konkreten Wohnort richtet, kann dem Hilfebedürftigen ein Umzug in eine andere Wohngemeinde mit niedrigerem Mietniveau regelmäßig nicht abverlangt werden, zumal ihm eine Aufgabe seines sozialen Umfeldes grundsätzlich nicht zuzumuten ist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 26). Bei der Angemessenheitsprüfung abzustellen ist zudem nicht isoliert auf die einzelnen Faktoren Wohnungsgröße, Ausstattungsstandards und Quadratmeterpreis; die angemessene Höhe der Unterkunftskosten bestimmt sich vielmehr aus dem Produkt der - abstrakt zu ermittelnden - personenzahlabhängigen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. Senatsurteil vom 21. September 2006 a.a.O.; Senatsbeschlüsse vom 27. Dezember 2005 und 27. September 2006 a.a.O.; ferner Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 51; unklar BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 20). Da der Hilfebedürftige indessen einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfes hat, hat sich die Angemessenheitsprüfung schließlich auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger eine andere kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 22; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 25; ferner schon Senatsbeschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER- B - und vom 27. Dezember 2005 a.a.O.).
Feststehen muss jedoch in jedem Fall vor der Prüfung von Unterkunftsalternativen, dass die Aufwendungen für die vom Hilfebedürftigen angemietete Wohnung unangemessen hoch sind. Als aussagekräftige Erkenntnisquellen kommen insoweit örtliche Mietspiegel oder Mietdatenbanken (§§ 558c ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) in Betracht; fehlen derartige Erkenntnismöglichkeiten, werden die Grundsicherungsträger gehalten sein, für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene auf empirischer Basis tragfähige grundsicherungsrelevante Mietspiegel oder Tabellen zu erstellen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 23; Hess. Landessozialgericht , Urteil vom 12. März 2007 - L 9 AS 260/06 - ; Berlit jurisPR-SozR 5/2007 Anm. 1). Die bloß punktuelle oder sporadische Auswertung von Zeitungsanzeigen oder Internetangeboten reicht als Datenmaterial jedenfalls nicht aus; die Datenerhebung muss vielmehr vollständig und fortlaufend erfolgen, wobei auch Mietlisten kommunaler Wohnungsbauträger und für die Leistungsberechtigten erstellte Mietbescheinigungen einzubeziehen sein dürften (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 12. März 2007 a.a.O.). Die für die Bemessung des Wohngeldes bestimmten tabellarischen pauschalierten Höchstbeträge des § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) stellen dagegen keine valide Grundlage für die Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft dar; sie können allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden, wenn alle anderen Erkenntnismöglichkeiten erschöpft sind (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 24). Mögliche Unbilligkeiten der Pauschalierung werden bei einem Rückgriff auf derartige Tabellen freilich in den Blick zu nehmen und ggf. durch Zuschläge zu Gunsten des Hilfebedürftigen auszugleichen sein (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 2006 - L 13 AS 510/06 ER-B - ; Hess. LSG, Urteil vom 12. März 2007 - a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2007 - L 7 AS 494/05 - ).
Unter Beachtung der soeben dargestellten Grundsätze ist eine Erfolgsaussicht für das Begehren des Antragstellers im Hauptsacheverfahren weder offensichtlich zu bejahen noch zu verneinen. Zwar hält die vom Antragsteller seit 1. Juli 2003 angemietete Zwei-Zimmerwohnung die in Baden-Württemberg bei alleinstehenden Personen zu beachtende Wohnraum- und Wohnflächenbegrenzung von bis zu 45 m² ein (vgl. Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12. Februar 2002 in der Fassung der Verwaltungsvorschrift vom 22. Januar 2004 ). Zweifelhaft könnte allerdings sein, ob die für die Wohnung zu zahlende Kaltmiete je Quadratmeter - dies sind bei einer Kaltmiete von 290,00 Euro und einer Wohnfläche von 45 m² etwa 6,44 EUR - nach den beim Antragsteller zu berücksichtigenden Verhältnissen grundsicherungsrechtlich angemessen ist; dies lässt sich bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht eindeutig klären. Mietspiegel für S. oder den näheren Umkreis, z.B. A., existieren nicht, wobei ohnehin noch weiter aufzuklären wäre, ob die Ortschaften in der Umgebung von S. grundsicherungsrechtlich als Vergleichsmaßstab mit herangezogen werden könnten. Auch die von den Beteiligten im Verlauf des Verfahrens zu den Akten gereichten Wohnungsanzeigen sind nicht hinreichend aussagekräftig. Der Antragsgegner hat für S. mit den Schriftsätzen vom 20. Juni und 6. Juli 2007 überhaupt nur sechs Inserate aus dem Zeitraum August 2006 bis Mai 2007 vorgelegt, wobei bei drei der dort angebotenen Wohnungen die Wohnungsgröße nicht mitgeteilt war und zwei weitere Wohnungen nur Wohnflächen von 30 m² bzw. 27 m² aufwiesen; letztere Wohnungsgrößen begegnen aber nach Auffassung des Senats erheblichen Bedenken hinsichtlich der Untergrenze des dem Antragsteller zumutbaren Wohnraums (vgl. hierzu auch Hess. LSG, Urteil vom 12. März 2007 a.a.O.). Die des Weiteren mit diesen Schriftsätzen allein eingereichte Mietbescheinigung vom 1. September 2004 für eine seit März 2000 vermietete Wohnung in S. dürfte, was das aktuelle Mietniveau in diesem Ort oder etwaigen Vergleichsgebieten betrifft, möglicherweise ohnehin überholt sein. Die mit Schriftsätzen des Antragsgegners vom 30. und 31. August 2007 übersandten insgesamt weiteren acht Anzeigen über für angemessen erachteten Wohnraum aus dem Zeitraum von August 2006 bis Juni 2007 (zwei Unterkünfte dürften zudem jeweils zweimal inseriert worden sein) beziehen sich nur auf A. (drei Wohnungen) und R. (eine Wohnung); bei einem Angebot ist der Wohnort überhaupt nicht ersichtlich. Darüber hinaus dürfte sich - soweit die Wohnungsgröße in den Annoncen überhaupt mitgeteilt ist (was für das Wohnungsangebot in R. fehlt) - lediglich eine Wohnung („A. und B. Bote“ vom 16. Dezember 2006) in dem Antragsteller zumutbaren Wohnflächenbereich bewegen; auch die mit dem Schriftsatz vom 31. August 2007 eingereichte Mietbescheinigung für eine Wohnung in A. vom 29. Mai 2006 betrifft eine Wohnung mit einer wohl nicht berücksichtigungsfähigen Wohnfläche von lediglich 32,66 m², die zuvor mit Schriftsatz vom 30. August 2007 für Kappelrodeck übermittelte Mietbescheinigung vom 29. Mai 2006 dagegen eine Wohnung mit 50 m². Die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 22. August 2007 vorgelegten insgesamt acht Wohnungsanzeigen sind ebenfalls nicht aufschlussreich; sie beziehen sich auf Wohnungen, die entweder zu groß sind oder in Wohnorten liegen, die als Vergleichsgebiete von vornherein ausscheiden dürften (z.B. B.-B. und B.). Ferner dürfte der IVD-Preisspiegel 2007 für Immobilien in Baden-Württemberg (abrufbar unter www.ivd-sued.net) für die Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten - wie der Antragsteller zu Recht angeführt hat - schon deswegen keine genügenden Anhaltspunkte liefern, weil darin lediglich die Preisspannen für Wohnungen mit einer Fläche von 60 bis 100 m² aufgelistet sind, derartige Wohnungen aber, was gerichtsbekannt ist, in aller Regel geringere Quadratmetermieten aufweisen als die für den Antragsteller allein in Betracht kommenden kleineren Wohnungen. Eigene Internet-Recherchen des Senats (www.immobilienscout24.de; www.my-next-home.de, ivd.immonet.de) am 5. September 2007 sind sowohl für S. als auch für A. mit Bezug auf Mietangebote für Wohnraum mit einer Wohnfläche zwischen 35 und 45 m² ergebnislos geblieben.
Soweit sich der Antragsgegner hinsichtlich des von ihm für S. für angemessen erachteten Quadratmeterpreises von 4,29 Euro für die Kaltmiete auf Umfragen bei der Wohngeldstelle des Landratsamts O. -Kreis beruft und von den dort für S. (offenbar 21 Wohnungen) ermittelten Mietpreisen pro m² noch zusätzlich 0,70 Euro in Abzug bringt, sind diese Angaben nicht zureichend und deshalb für den Senat gleichfalls nicht hilfreich. Bereits das SG hat in seinem unter den Beteiligten des hiesigen Verfahrens ergangenen rechtskräftigen Urteil vom 20. Juni 2006 (S 9 AS 5198/05) - ebenso wie im Übrigen schon das LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 23. Mai 2006 a.a.O. - beanstandet, dass die von dem Antragsgegner angewandte Methode zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten keine verlässlichen Schlüsse auf das aktuelle Niveau der Zugangsmieten zulässt, weil weder zwischen Wohnungen verschiedener Größe unterschieden wird noch der Zeitpunkt der Datenerhebung erkennbar ist und ferner die Schätzungsgrundlagen für den Abschlag von 0,70 Euro nicht nachvollziehbar sind. Auf all das ist der Antragsgegner während des vorliegenden Verfahrens indessen zu keinem Zeitpunkt eingegangen. Wäre andererseits die Angemessenheitsgrenze für die Kosten der Unterkunft mangels valider Erkenntnismöglichkeiten in Anlehnung an die rechte Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG zuzüglich eines Zuschlages von 10% zu bilden (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2007 a.a.O.), so läge die Miete für die vom Antragsteller bewohnte Wohnung unter Berücksichtigung der sowohl für den O. -Kreis als auch die Stadt A. maßgeblichen Mietenstufe 2 (vgl. Wohngeldverordnung vom 19. Oktober 2001 ) mit 290,00 Euro gegenüber 308,00 Euro sogar noch unter dieser Grenze.
10 
Nach allem lässt sich beim gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht feststellen, ob der Antragsteller in einer unangemessen teuren Wohnung wohnt. Deshalb bedarf es keines weiteren Eingehens darauf, ob der Vorhalt des Antragsgegners zutrifft, dass der Antragsteller bislang keine ausreichenden Bemühungen um eine Kostensenkung unternommen hat; dies wäre vielmehr erst zu prüfen, wenn die Unangemessenheit der Unterkunftskosten feststünde. Unerörtert bleiben kann derzeit ferner die Frage, wie die Kosten der Unterkunft bei möblierten Wohnungen zu behandeln sind (vgl. hierzu Berlit NDV 2006, 5, 14 f.; Sozialgericht Fulda, Beschluss vom 11. November 2005 - S 7 SO 40/05 ER - ).
11 
Dem vorstehend beschriebenen Aufklärungsbedarf kann der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht nachkommen. Es ist deshalb eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, die hier zu Gunsten des Antragstellers den Ausschlag gibt. Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Hauptsacherechtsbehelf aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Hauptsachebehelf dagegen erfolglos bliebe (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 2006 a.a.O.). Im Rahmen dieser Abwägung vorrangig zu berücksichtigen ist, dass mit den Leistungen für Unterkunft das grundgesetzlich garantierte menschenwürdige Dasein sichergestellt werden soll. Würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, hätte aber der Hauptsacherechtsbehelf Erfolg, so wären dem Antragsteller Aufwendungen für die Unterkunft von monatlich nahezu 100,00 Euro vorenthalten worden; bei dieser Größenordnung kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass eine Rechtsverletzung nur in Randbereichen drohe. Würde die einstweilige Anordnung dagegen erlassen, während der Hauptsacherechtsbehelf erfolglos bliebe, hätte der Antragsteller zwar Leistungen erhalten, die ihm nicht zustünden. Der Nachteil bestünde alsdann für den Antragsgegner ggf. darin, dass der Antragsteller seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht nachkommen könnte und die Forderung damit uneinbringlich wäre. Diese etwaig zu befürchtenden Folgen haben indes angesichts der hier tangierten grundrechtlichen Belange des Antragstellers zurückzustehen und fallen deshalb weniger ins Gewicht.
12 
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war deshalb stattzugeben. Allerdings hat der Senat von dem ihm nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 der Zivilprozessordnung zustehenden freien Ermessen dahingehend Gebrauch gemacht, dass er den Zeitraum der einstweiligen Anordnung auf die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum 31. Januar 2008 begrenzt hat. Die zeitliche Begrenzung zum Endtermin berücksichtigt, dass die dem Antragsteller mit Bescheid vom 22. Januar 2007 bewilligten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zum vorgenannten Datum zeitlich befristet sind. Bis dahin dürfte insbesondere auch dem Antragsgegner genügend Zeit verbleiben, ggf. seinen bisherigen Standpunkt mit Blick auf zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse zu überprüfen.
13 
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6); dabei hat der Senat mit Blick auf das ganz überwiegende Obsiegen des Antragstellers eine Kostenquotelung nicht für angemessen erachtet.
14 
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.