Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 28. Juni 2012 - L 13 R 1810/11

bei uns veröffentlicht am28.06.2012

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. März 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Die 1975 geborene Klägerin hat zwischen 1991 und 1994 den Beruf der Zahnarzthelferin erlernt und danach in diesem Beruf gearbeitet. Professor Dr. Ro. von der Augenklinik He. diagnostizierte im Rahmen einer Untersuchung am 25. Oktober 2000 bei der Klägerin einen Verdacht auf Morbus Stargardt. Aufgrund der Beeinträchtigung ihres Sehvermögens infolge der progredienten Augenerkrankung gab die Klägerin den erlernten Beruf zum 1. September 2001 auf. Bereits im Frühjahr 2001 beantragte sie berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation. In der Folgezeit bezog sie Leistungen der Agentur für Arbeit. Im April/Mai 2002 fand eine Berufsfindungs-/Arbeitserprobungsmaßnahme im Berufsförderungswerk He. statt. In ihrer ärztlichen Stellungnahme vom 7. Mai 2002 kam die dortige Sozialmedizinerin zum Ergebnis, in Anbetracht der behinderungsbedingten Einschränkungen bliebe für die Klägerin ausschließlich der kaufmännisch-verwaltende Bereich für eine Weiterbildung. Ab 14. Oktober 2002 bis einschließlich 29. August 2003 arbeitete die Klägerin als Aushilfe bei der Firma L. GmbH und Co. oHG in Bü. als Maschinenbedienerin. Sie nahm dann zum 1. September 2003 die von der Beklagten finanzierte Umschulungsmaßnahme zur Industriekauffrau im Berufsförderungswerk Schö. auf. Aufgrund auch sehbehinderungsbedingt schlechter Leistungen wurde die Umschulung dann in der Folgezeit auf das Ausbildungsprogramm „Büropraktikerin/Bürokauffrau im Verbundmodell“ reduziert. Nachdem die Klägerin auch hier lediglich ausreichende Leistungen erzielte, was nach Auffassung des Berufsförderungswerks Schö. im Zusammenhang mit ihrer starken Sehbehinderung stehe, erfolgte eine Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk Wü. mit dem Ziel, festzustellen, ob die Klägerin eine Maßnahme für Blinde oder Sehbehinderte benötige. Ausweislich der zusammenfassenden Empfehlung des Berufsförderungswerks Wü. vom 29. März 2004 ergab die Sehhilfenerprobung, dass die Belastbarkeit des Sehvermögens der Klägerin für eine sehbehindertengemäße Ausbildung bzw. Tätigkeit im Bürobereich nicht ausreiche. Hier wäre die Klägerin auf das blindheitsgemäße Arbeiten angewiesen. Es bedürfe daher zunächst eines Rehabilitationsvorbereitungslehrgangs, in welchem die Klägerin das sehbehindertengemäße Arbeiten erlernen und die Belastbarkeit des Sehvermögens steigern müsse. Sehbehindertengemäß sei aus heutiger Sicht der Beruf der Masseurin und medizinischen Bademeisterin bzw. Physiotherapeutin. Die Umschulungsmaßnahme wurde daraufhin vorzeitig am 2. April 2004 beendet. Der Facharzt für Arbeitsmedizin und Sportmedizin Dr. Ko. vom Berufsförderungswerk Schö. wies in einer arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 8. April 2004 ergänzend darauf hin, dass aus arbeitsmedizinischer Sicht weder Qualifizierungsmaßnahmen im kaufmännischen Bereich der vorliegenden Behinderung gerecht würden, noch aufgrund der fehlenden Muttersprachlichkeit der Klägerin eine eventuelle Qualifizierung für eine Tätigkeit in einem Callcenter oder ähnlichem möglich sei. Die Klägerin sei erst im Alter von 13 Jahren nach Deutschland übergesiedelt. Eine von der Klägerin begehrte und von der Beklagten schließlich bewilligte Fortbildungsmaßnahme zur Motopädin kam aufgrund der Schwangerschaft der Klägerin nicht zustande. In der Zeit von November 2004 bis März 2007 war die Klägerin geringfügig als Putzhilfe bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft beschäftigt; danach von April 2007 bis Januar 2008 bediente sie - gleichfalls in einem geringfügigen Umfang - das Telefon im Friseursalon ihres damaligen Lebensgefährten.
Am 13. Mai 2008 beantragte sie durch ihren damaligen Bevollmächtigten bei der Beklagten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Auf Grundlage beigezogener Befundberichte kam der von der Beklagten mit einer gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage beauftragte Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. Schl. in seinem Gutachten vom 29. September 2008 zur Diagnose einer Sehminderung für Nähe und Ferne auf dem Boden einer langsam fortschreitenden Netzhauterkrankung. Wie sich dem Bericht der Augenklinik He. von April 2008 entnehmen lasse, weise die Klägerin mit einem Visus von 0,1, einem bis auf ein kleines Zentralskotom erhaltenen Gesichtsfelds und sonst unauffälligem Befund durchaus noch ein relevantes Restsehvermögen auf, mit welchem die Orientierung im Raum und damit auch das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel problemlos möglich sei. Die Klägerin könne mit einer Leselupe mit sechsfacher Vergrößerung sicherlich nicht viele Seiten am Stück, wie beispielsweise ein Buch oder ein mehrseitiges Schriftstück rasch erfassen, aber kürzere Textpassagen oder Tabellen durchaus lesen. Für das häusliche Lesen habe sie ein zusätzliches Bildschirmlesegerät. Tätigkeiten, bei denen es nicht auf ein genaues Sehen und rasches Lesen ankomme, könnten von der Klägerin weiterhin in vollem zeitlichen Umfang ausgeführt werden, so dass sowohl Tätigkeiten im Landschaftsgartenbau als auch vielfältige Maschinenarbeiten bei gröberen Produktionsprozessen noch in Frage kämen. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2008 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab; es läge weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor. Den hiergegen am 6. November 2008 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2009 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 27. April 2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit welcher sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Das SG hat zunächst den behandelnden Augenarzt im Universitätsklinikum He. vernommen. Prof. Dr. Ro. hat in seiner Stellungnahme vom 17. November 2009 über eine erhebliche Funktionsverschlechterung der Augen gegenüber der Erstvorstellung am 25. Oktober 2000 berichtet. So habe die Sehschärfe am 25. Februar 2008 recht 0,1 und links 0,08 bei einem beidseitigen kleinen Zentralskotom von 5 bis 8 Grad betragen. Die Klägerin sei dennoch noch in der Lage, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit vollschichtig nachzugehen. Das SG hat weiterhin die Fachärztin für Augenkrankheiten, Dr. Be. mit der Erstattung eines augenärztlichen Gutachtens über die Klägerin beauftragt. In ihrem Gutachten vom 29. Juni 2010, beruhend u.a. auf einer Untersuchung am 27. Mai 2010 hat die Sachverständige bei der Klägerin folgende Befunde erhoben:
- Hochgradige Reduktion der Sehschärfe beider Augen,
- partieller Ausfall des zentralen Gesichtsfeldes beider Augen (Zentralskotom),
- Maculopathie: Zäpfchen-/Stäbchen-Dystrophie; Differenzialdiagnose Morbus Stargardt beider Augen,
- mäßig eingeschränkte Binokularfunktion und Stereopsis,
- erhöhte Blendempfindlichkeit,
- Nachtblindheit sowie
- Exophorie.
Die beidseitige hochgradige Sehbehinderung der Klägerin mit beidseitigem Zentralskotom bedeute - so die Sachverständige -, dass Schriften und Gegenstände nicht durch unmittelbares direktes Fixieren wahrgenommen werden könnten, sondern nur dadurch, dass ein wenig an ihnen vorbeigesehen werde. Die Augen müssten sich demnach auf ein suchendes Fixieren einstellen; dementsprechend sei der Lesevorgang bei der Klägerin stark verlangsamt und die Objekte im Raum würden bei direktem Fixieren nicht erkannt, unter Umständen schon gar nicht gesehen. Angesichts der hochgradigen Sehbehinderung der Klägerin gäbe es nur wenige Tätigkeiten, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als Erwerbstätigkeit angeboten würden. Als eine mögliche Tätigkeit erachte die Sachverständige beispielsweise die Arbeit in einem Callcenter. Diese könnte auch in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche ausgeübt werden. Durch das suchende Fixieren sei aber die Ermüdbarkeit der Klägerin deutlich erhöht. Sollte eine Tätigkeit mit zeitlich überwiegender Sehbeanspruchung ausgeübt werden, wären sicher betriebsunübliche Pausen, etwa 10 bis 15 Min. alle 2 Std. angezeigt. Die von der Beklagten vorgeschlagenen Verweisungstätigkeiten einer Helferin im Landschaftsgartenbau bzw. einer Maschinenarbeiterin bei gröberen Produktionsprozessen entsprächen nicht dem positiven Leistungsbild der Klägerin; erstere Tätigkeit scheitere daran, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, Unkraut von Nutzpflanzen zu unterscheiden, mit landwirtschaftlichen Maschinen umzugehen, sie zu bedienen usw., letztere Tätigkeit sei zu riskant. Eine derartige Tätigkeit sei wegen erhöhten Risikos für die Gesundheit nicht zumutbar. Die Beklagte hat sich dem augenärztlichen Gutachten in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 23. August 2010 (Dr. Ho.) weitestgehend angeschlossen. Einzig hat Dr. Ho. die 10- bis 15-minütigen Pausen als betriebsüblich angesehen. Die Tätigkeit in einem Callcenter sei zu empfehlen.
Mit Urteil vom 22. März 2011 auf die mündliche Verhandlung vom selben Tag hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2008 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Augenerkrankung der Klägerin stelle eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Die von der Beklagten benannten Tätigkeiten einer Helferin im Landschaftsgartenbau, einer Tätigkeit als Maschinenarbeiterin bei gröberen Produktionsprozessen aber auch die Tätigkeiten im Callcenter vermöge die Klägerin aufgrund dessen nicht auszuüben. Letztere Tätigkeit erfordere neben Redegewandtheit auch die zügige Eingabe von Bestellungen in den Computer, die Sachverhaltsprotokollierung und ggf. die Weiterleitung von Aufträgen zur Vorgangsbearbeitung. Vor diesem Hintergrund sei die Kammer der Auffassung, dass diese Tätigkeit nicht dem positiven Leistungsbild der Klägerin entspreche.
Gegen das der Beklagten am 11. April 2011 zugestellte Urteil hat diese am 3. Mai 2011 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung ist vorgetragen worden, aus dem Urteil des SG ergebe sich nicht wann die volle Erwerbsminderung eingetreten sein soll. Im Übrigen sei die Klägerin mit dem festgestellten Leistungsvermögen trotz der Augenerkrankung durchaus in der Lage Tätigkeiten zu verrichten. Hierzu hat Dr. Schl. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 28. April 2011 ausgeführt, dass es als Helferin im Landschaftsgartenbau eine Vielzahl von Tätigkeiten gebe, für die es mit dem Augenbefund keine Einschränkungen gebe. Auch sei bei weitem nicht jede Maschine per se gefährlich, weshalb der Ausschluss von jeglicher Maschinenarbeit durch die Sachverständige Dr. Be. von einer fehlenden Vertrautheit dieser mit der Arbeitswelt in Produktionsbetrieben zeuge. Beispielhaft seien hier Pressen genannt, die nur dann in Funktion zu setzen seien, wenn über eine Beidhandbedienung sichergestellt sei, dass sich die Hände definitiv nicht mehr im Arbeitsbereich befinden. Im Übrigen wäre durch eine blindenspezifische Grundausbildung mit Erlernen der Brailleschrift eine Möglichkeit gegeben, Blindentätigkeiten suffizient auszuüben. Damit bestünde auch die Möglichkeit die Erwerbsfähigkeit wieder zu bessern. Die Beklagte hat weiterhin eine sozialmedizinische Stellungnahme von Frau Dr. L. vom 5. September 2011 vorgelegt, wonach die Klägerin zwar als hochgradig sehbehindert einzustufen sei. Es bestünden indes zahlreiche Anhaltspunkte für den beruflichen Einsatz sowohl hochgradig sehbehinderter wie auch blinder Menschen; hierzu bedürfe es natürlich einer speziellen Förderung und einer speziellen Ausgestaltung am Arbeitsplatz und natürlich auch eines gewissen Entgegenkommens seitens des Arbeitgebers bezüglich der speziellen Bedürfnisse eines hochgradig sehbehinderten oder blinden Menschen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat zunächst aktuelle sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Der behandelnde Augenarzt Dr. Fa. hat in seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 2011 Übereinstimmung mit dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Be. auch im Hinblick auf die berufliche Leistungsfähigkeit erklärt. Prof. Dr. Ro. hat in seiner Stellungnahme vom 11. Oktober 2011 ausgeführt, es sei innerhalb der letzten Jahre bei der Klägerin nochmals zu einer erheblichen Verschlechterung des Sehschärfe gekommen; so habe diese am 21. Juni 2011 an beiden Augen nur noch 0,08 betragen. Ohne weitere rehabilitative Maßnahmen sei eine Erwerbstätigkeit deshalb grundsätzlich nicht vorstellbar. Die Beklagte hat hierzu eine ergänzende sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. Schl. vom 17. November 2011 vorgelegt; dieser hat ausgeführt, es gehe bei der Klägerin nicht um eine vollblinde Person. Vielmehr sei bei der Klägerin lediglich das zentrale Sehen betroffen, das periphere Sehen sei aber intakt. Gerade Letzteres sei entscheidend für die Bewegungsfähigkeit im Straßenraum. Ein genereller Ausschluss aller Maschinenarbeiten verkenne die Differenziertheit der mit Maschinen verbundenen konkreten Gefährdung. Der Senat hat weiterhin am 5. August 2011 eine nichtöffentliche Sitzung zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt.
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Wegen der näheren Einzelheiten des Erörterungstermins sowie der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Rentenakte sowie die Rehaakte der Beklagten, die Klageakte des SG sowie die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist indes unbegründet.
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Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2008 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zusteht. Das SG hat ebenso zutreffend die Anspruchsvoraussetzungen der von der Klägerin im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet gegen die Bescheide der Beklagten vom 28. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2009 geltend gemachten Erwerbsminderungsrente gem. § 43 SGB VI im einzelnen dargelegt. Der Senat verweist auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG und sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
17 
Zwar ist die Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der bestehenden Gesundheitsstörungen noch im Stande, leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Dies entnimmt der Senat der Leistungseinschätzung der Sachverständigen Dr. Be. in ihrem schlüssigen und nachvollziehbarem Gutachten vom 29. Juni 2010; die dortige Leistungseinschätzung findet ausweislich deren Stellungnahmen im erstinstanzlichen und im Berufungsverfahren auch die Zustimmung der behandelnden Ärzte der Klägerin, Dr. Fa. sowie Prof. Dr. Ro.. Die Klägerin ist aber infolge einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung nicht mehr dazu in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im zeitlichen Rahmen erwerbstätig zu sein.
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Zwar kann für den Regelfall davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (wenn auch mit qualitativen Einschränkungen) täglich mindestens 6 Stunden verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel noch möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, wie z.B. das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. zuletzt BSG vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris Rdnr. 31). Es besteht jedoch auch unter der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Rechtslage weiterhin die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O., juris Rdnr. 33). Denn Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 43 SGB VI setzt nicht nur voraus, dass der Versicherte in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine Tätigkeit zu verrichten, sondern darüber hinaus, dass er damit in der Lage ist „erwerbstätig“ zu sein, d.h. unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Während der „allgemeine Arbeitsmarkt“ in diesem Sinne jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt, umfasst und das Merkmal „allgemein“ lediglich den Arbeitsmarkt von Sonderbereichen, wie beispielsweise Werkstätten für Behinderte und anderen geschützten Einrichtungen abgrenzt, ist unter den „üblichen Bedingungen“ im Sinne des § 43 SGB VI das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, d.h. unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt (BSG a.a.O., Rdnr. 27 ff). Üblich sind dabei Bedingungen dann, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG a.a.O., juris Rdnr. 29).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin es dieser nicht mehr erlaubt, die o.g. Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Bei der Klägerin liegt zwischenzeitlich - zwischen den Beteiligten unstreitig - eine hochgradige Sehbehinderung auf beiden Augen infolge der im 25. Lebensjahr manifest gewordenen Maculopathie vor. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens von Dr. Be. fest. Danach beträgt die auf beiden Augen noch maximal erzielbare Sehschärfe 0,1 rechts und 0,16 links (Gutachten Dr. Be.) bzw. 0,08 beidseits (so von Prof. Dr. Ro. am 21. Juni 2011 gemessen), wobei selbst diese nur mehr geringe Sehschärfe nur durch intensiv suchendes Fixieren erzielt werden kann. Denn wie die Gesichtsfelduntersuchung durch die Sachverständige Dr. Be. gezeigt hat, fällt das zentrale Gesichtsfeld unmittelbar oberhalb des Fixierpunktes auf beiden Augen praktisch vollständig aus. Diese Einschränkung des Sehvermögens führt, wie von der Sachverständigen überzeugend dargestellt, dazu, dass Schriften und Gegenstände nicht mehr durch unmittelbares direktes Fixieren wahrgenommen werden können, sondern nur noch dadurch, dass an ihnen „vorbei“ gesehen wird. Erforderlich ist ein suchendes Fixieren durch die Augen; dementsprechend ist der Lesevorgang stark verlangsamt, Objekte im Raum werden bei direktem Fixieren nicht erkannt oder schon überhaupt nicht gesehen. Die vorgenannten einfachen industriellen Arbeiten wie z.B. als Packer, Sortierer oder Maschinenbediener erfordern aber regelmäßig den Umgang mit kleinen leichten Teilen und setzen auch bei einer Zeitlohnvergütung eine Grundschnelligkeit voraus, die die Klägerin aufgrund ihres hochgradig eingeschränkten Sehvermögens nicht mehr zu leisten im Stande ist (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Schleswig-Holstein vom 29. April 2008 - L 7 R 8/07 - juris Rdnr. 35). Das Bedienen von Maschinen geht für die Klägerin regelmäßig mit einem erhöhten Maß an Selbstgefährdung einher; auch die von der Beklagten in der Berufungsbegründung angeführten Maschinen mit einem nur geringen Gefährdungspotenzial infolge Umsetzung strengster Unfallverhütungsvorschriften - so solche überhaupt unter den „üblichen Bedingungen“ des Arbeitsmarktes im Sinne des § 43 SGB VI zur Verfügung stehen - sind infolge der regelmäßig gegebenen optischen Anzeigen für die Klägerin ungeeignet. Damit stellt die hochgradige beidseitige Sehbehinderung der Klägerin eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, die eine Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erfordert (vgl. auch BSG vom 19. April 1978 - 4 RJ 55/77 = SozR 2200 § 1246 Nr. 30 - juris Rdnr. 13; BSG, Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 - juris Rdnr. 37, wonach bereits Einäugigkeit eine solche schwere Einschränkung darstellt; noch weitergehend LSG Baden-Württemberg vom 26. März 2009 - L 6 R 3104/07 - Sozialgerichtsbarkeit.de, welches bei einer rechtsseitigen Einschränkung der Sehkraft auf 0,3 bzw. 0,2 und linksseitig „auf Fingerzählen“ bei Gesichtsfeldeinschränkung, Hornhauttrübung und stark herabgesetztem Dämmerungssehen sowie Skotom linksseitig von einem Erwerbsvermögen von weniger als 3 Stunden ausgeht).
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Weder konnte aber die Beklagte der Klägerin wenigstens eine konkrete zumutbare Verweisungstätigkeit mit ihrem typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen benennen, noch sind andere Tätigkeiten, die die Klägerin mit dem dargestellten Leistungsvermögen hätte verrichten können, ersichtlich. Die von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren benannten Verweisungstätigkeiten - Tätigkeiten im Landschaftsgartenbau bzw. Maschinenarbeiten mit gröberen Produktionsprozessen - entsprechen nicht dem positiven Leistungsbild der Klägerin. Diesbezüglich folgt der Senat zunächst der auch insoweit überzeugenden gutachterlichen Stellungnahme der Sachverständigen. Diese hat im Hinblick auf die Verweisungstätigkeit einer Helferin im Landschaftsgartenbau ausgeführt, die Klägerin sei schon nicht in der Lage, Unkraut von Nutzpflanzen zu unterscheiden sowie mit landwirtschaftlichen Maschinen umzugehen, sie zu bedienen, zu warten usw..
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Soweit die Beklagte in der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. Schl. vom 28. April 2011 entgegnet, der Klägerin sei als Helferin im Landschaftsgartenbau bzw. in der Landwirtschaft in Eierproduktionsbetrieben das Umstallen der Tiere sowie das Einsammeln der Eier und in der Milchwirtschaft der Umgang mit den Tieren einschließlich des Melkens möglich, sie könne auch in Pflanzenaufzuchtsbetrieben das Pikieren, das Umpflanzen usw. vornehmen, kann dies nicht überzeugen. Das Umstallen der Tiere sowie das Einsammeln von Eiern dürfte allenfalls einen Teilaspekt der Tätigkeit einer Helferin im Landschaftsgartenbau/Landwirtschaft darstellen; es handelt sich aber nicht um die typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmale der Tätigkeit (vgl. hierzu BSG vom 19. Oktober 2011 a.a.O., juris Rdnr. 37). Das Verpflanzen von zu dicht stehenden Sämlingen auf größere Abstände im Gartenbau (sog. Pikieren) kann wiederum - den Ausführungen der Sachverständigen folgend - von der Klägerin mit ihrem erheblich eingeschränkten Sehvermögen und insbesondere ihrem Verlust des zentralen Gesichtsfeldes allenfalls äußerst mühselig und sehr stark verlangsamt und damit nicht mehr zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes abverlangt werden. Die von der Sachverständigen zur Beschreibung des positiven Leistungsbildes angeführten erhöhten Gesundheitsrisiken für die Klägerin bei Umgang mit (gefährlichen) Maschinen dürften ohne weiteres auch auf den von der Beklagten angesonnenen Umgang mit Nutztieren zu übertragen sein; ungeachtet der Tatsache, dass das Melken von Tieren im Rahmen der Viehwirtschaft alleine wiederum nur Teilaspekt einer konkreten Verweisungstätigkeit, nicht aber eine solche selbst sein dürfte.
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Auch die von der Beklagten vorgeschlagene Tätigkeit als Maschinenbedienerin bei gröberen Produktionsprozessen stellt keine zumutbare Verweisungstätigkeit für die Klägerin dar. Selbst wenn man davon ausgeht, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen ausreichend Arbeitsplätze an Maschinen zur Verfügung stehen, deren Handhabung ohne besondere Gefährdung vonstatten geht, so ist zum einen zu beachten, dass die Steuerung und Kontrolle von Arbeitsabläufen mit Hilfe von Maschinen in aller Regel über optische Anzeigen erfolgt, die nur bedingt durch akustische oder taktil erfassbare Hinweise ersetzt bzw. allenfalls ergänzt werden können. Darüber hinaus fehlt es - wie bereits ausgeführt - der Klägerin infolge der hochgradigen Sehbehinderung an der auch im Zeitlohn vorausgesetzten Grundschnelligkeit. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass ausweislich des Berichts des Berufsförderungswerks Wü. vom 29. März 2004 die Klägerin bei stressenden Bedingungen mit Leistungseinbußen reagiert. Im Zusammenhang mit dem ohnedies durch das erforderliche, intensiv suchende Fixieren der Klägerin verlangsamte Arbeitstempo kann hier nicht mehr von einer Beschäftigung der Klägerin zu den auf dem Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen gesprochen werden.
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Aber auch die von der Sachverständigen Dr. Be. als Verweisungstätigkeit vorgeschlagenen einfachen Büroarbeiten sowie die Tätigkeit in einem Callcenter stellen keine zumutbare Verweisungstätigkeiten dar. So hat die Sehhilfenerprobung im Rahmen der Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk Wü. im Frühjahr 2004 - also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin noch über ein deutlich besseres Sehvermögen verfügt hat - ergeben, dass die Belastbarkeit des Sehvermögens der Klägerin für eine Tätigkeit im Bürobereich nicht ausreicht. Insoweit wäre die Klägerin auf das blindheitsgemäße Arbeiten angewiesen; die entsprechenden Kenntnisse liegen bei der Klägerin indes nicht vor. Bezüglich einer möglichen Tätigkeit in einem Callcenter hat bereits das SG zutreffend ausgeführt, dass sich diese nicht im Telefonieren erschöpft, sondern neben Redegewandtheit auch die zügige Eingabe von Bestellungen in den Computer, die Sachverhaltsprotokollierung und ggf. die Weiterleitung von Aufträgen zur Vorgangsbearbeitung erfordert. Hierzu ist die Klägerin aber aus den bereits genannten Gründen nicht imstande; wie das SG in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, kann auch das der Klägerin zur Verfügung stehende vergrößernde Bildschirmlesegerät aufgrund seiner mangelnden Transportfähigkeit, wie auch der fehlenden Eignung zum Einsatz bei PC-Monitoren keine Abhilfe schaffen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen, welche sich der erkennende Senat zu eigen macht. Im Übrigen hat bereits 2004 der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. Ko. im Rahmen der berufsfördernden Maßnahme im Berufsförderungswerk Schö. in seiner arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 8. April 2004 ausgeführt, dass aufgrund der fehlenden Muttersprachlichkeit der Klägerin eine eventuelle Qualifizierung für eine Tätigkeit in einem Callcenter oder ähnlichem nicht möglich sei. Diese Aussage steht zwar in Widerspruch zu der von der Sachverständigen Dr. Be. festgehaltenen „Eloquenz“ der Klägerin; insoweit kommt allerdings der von Dr. Ko. getroffenen Aussage vor dem Hintergrund einer stattgehabten längerfristigen Arbeitserprobung wie auch einer fachspezifischen Einschätzung der Vorzug zu. Letztlich dürfte die Beschäftigung in einem Callcenter auch mit der bereits beschriebenen, erheblichen Stressempfindlichkeit der Klägerin in Konflikt treten.
24 
Zwar zutreffend verweist die Beklagte im Übrigen auf das weite Feld der Blinden und Sehbehinderten mittlerweile offenstehenden Berufsbilder. Beispielhaft sei hier auf das vom Berufsförderungswerk Düren auf seiner Homepage (www.bfw-dueren.de) dargestellte Ausbildungsangebot verwiesen. Voraussetzung der Ausübung all dieser Tätigkeiten ist jedoch eine blindentechnische Grundausbildung, die insbesondere auch die Beherrschung der Blindenschrift umfasst. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Im Übrigen können Tätigkeiten, die zu ihrer Ausübung einer blindentechnischen Grundausbildung und regelmäßig auch einer Unterstützung durch technische Zusatzgeräte bedürfen, nicht mehr als Erwerbstätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes angesehen werden (so auch LSG Baden-Württemberg vom 13. Juni 2006 - L 11 R 5778/04 - Sozialgerichtsbarkeit.de). So hat die Beklagte in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 5. September 2011 selbst ausgeführt, dass es für den beruflichen Einsatz sowohl hochgradig sehbehinderter wie auch blinder Menschen neben einer speziellen Förderung auch einer speziellen Ausgestaltung am Arbeitsplatz, insbesondere mit Hilfen im technischen Bereich bedarf; zusätzlich sei auch ein Entgegenkommen seitens des Arbeitgebers in Form der Rücksichtnahme auf die speziellen Bedürfnisse eines hochgradig sehbehinderten bzw. blinden Menschen erforderlich. Diese Anforderungen können aber nicht mehr unter der vorstehend gegebenen Definition der „üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes“ subsumiert werden. Aber auch die Ausübung einer konkreten Verweisungstätigkeit muss unter den betriebsüblichen Arbeitsbedingungen möglich sein, um Erwerbsunfähigkeit ausschließen zu können (vgl. BSG vom 28. August 1991, 13/5 RJ 47/90 = SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8 - juris Rdnr. 26).
25 
Zu Recht hat das SG im Übrigen in Ansehung von § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI von einer Befristung der Erwerbsminderungsrente abgesehen. Nach dieser Vorschrift werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausnahmsweise unbefristet geleistet, wenn (1) unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann und (2) der Anspruch nicht von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist. Bei der Augenerkrankung der Klägerin handelt es sich um eine progrediente Gesundheitsstörung mit Dauercharakter, weshalb ausgeschlossen ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Der Vortrag der Beklagten hierzu in der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. Schl. vom 28. April 2011, wonach zukünftig im Zuge einer blindenspezifischen Grundausbildung eine Möglichkeit geschaffen werden könnte, die Blindentätigkeit suffizient auszuüben und damit die Möglichkeit zur Erwerbsfähigkeit wieder bestünde, geht fehl. Wie bereits ausgeführt, fallen Blindentätigkeiten nicht mehr unter die „üblichen Bedingungen“ im Sinne des § 43 SGB VI als diejenigen Bedingungen, unter welchen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt. Die weitere Voraussetzung in § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI stellt klar, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit zu leisten sind, wenn der Rentenanspruch nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand, sondern auch darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (BSG vom 10. Dezember 2003 - B 5 RJ 64/02 R = SozR 4-2600 § 44 Nr. 1 - juris Rdnr. 34). Die Unfähigkeit der Klägerin, durch Arbeit Einkommen zu erzielen, beruht indes nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem Fehlen von Verweisungstätigkeiten, die die Klägerin mit ihrem körperlichen Leistungsvermögen unter Berücksichtigung ihrer hochgradigen Sehbehinderung noch verrichten könnte (BSG a.a.O.).
26 
Ausgehend von einem spätestens am 25. Februar 2008 eingetretenen Leistungsfall - spätestens zu diesem Zeitpunkt lagen ausweislich der sachverständigen Zeugenaussage von Prof. Dr. Ro. vom 17. November 2009 die im Gutachten von Dr. Be. später bestätigten maximal erzielbaren Sehschärfen von knapp 0,1 und damit die hochgradige Sehbehinderung vor - begegnet der vom SG gewählte Rentenbeginn vom Kalendermonat an, in welchem die Rente beantragt worden ist (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI), keinen Bedenken.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei berücksichtigte der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens, dass die Beklagte in beiden Instanzen unterlegen ist.
28 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
15 
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist indes unbegründet.
16 
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2008 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zusteht. Das SG hat ebenso zutreffend die Anspruchsvoraussetzungen der von der Klägerin im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet gegen die Bescheide der Beklagten vom 28. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2009 geltend gemachten Erwerbsminderungsrente gem. § 43 SGB VI im einzelnen dargelegt. Der Senat verweist auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG und sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
17 
Zwar ist die Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der bestehenden Gesundheitsstörungen noch im Stande, leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Dies entnimmt der Senat der Leistungseinschätzung der Sachverständigen Dr. Be. in ihrem schlüssigen und nachvollziehbarem Gutachten vom 29. Juni 2010; die dortige Leistungseinschätzung findet ausweislich deren Stellungnahmen im erstinstanzlichen und im Berufungsverfahren auch die Zustimmung der behandelnden Ärzte der Klägerin, Dr. Fa. sowie Prof. Dr. Ro.. Die Klägerin ist aber infolge einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung nicht mehr dazu in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im zeitlichen Rahmen erwerbstätig zu sein.
18 
Zwar kann für den Regelfall davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (wenn auch mit qualitativen Einschränkungen) täglich mindestens 6 Stunden verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel noch möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, wie z.B. das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. zuletzt BSG vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris Rdnr. 31). Es besteht jedoch auch unter der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Rechtslage weiterhin die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O., juris Rdnr. 33). Denn Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 43 SGB VI setzt nicht nur voraus, dass der Versicherte in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine Tätigkeit zu verrichten, sondern darüber hinaus, dass er damit in der Lage ist „erwerbstätig“ zu sein, d.h. unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Während der „allgemeine Arbeitsmarkt“ in diesem Sinne jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt, umfasst und das Merkmal „allgemein“ lediglich den Arbeitsmarkt von Sonderbereichen, wie beispielsweise Werkstätten für Behinderte und anderen geschützten Einrichtungen abgrenzt, ist unter den „üblichen Bedingungen“ im Sinne des § 43 SGB VI das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, d.h. unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt (BSG a.a.O., Rdnr. 27 ff). Üblich sind dabei Bedingungen dann, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG a.a.O., juris Rdnr. 29).
19 
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin es dieser nicht mehr erlaubt, die o.g. Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Bei der Klägerin liegt zwischenzeitlich - zwischen den Beteiligten unstreitig - eine hochgradige Sehbehinderung auf beiden Augen infolge der im 25. Lebensjahr manifest gewordenen Maculopathie vor. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens von Dr. Be. fest. Danach beträgt die auf beiden Augen noch maximal erzielbare Sehschärfe 0,1 rechts und 0,16 links (Gutachten Dr. Be.) bzw. 0,08 beidseits (so von Prof. Dr. Ro. am 21. Juni 2011 gemessen), wobei selbst diese nur mehr geringe Sehschärfe nur durch intensiv suchendes Fixieren erzielt werden kann. Denn wie die Gesichtsfelduntersuchung durch die Sachverständige Dr. Be. gezeigt hat, fällt das zentrale Gesichtsfeld unmittelbar oberhalb des Fixierpunktes auf beiden Augen praktisch vollständig aus. Diese Einschränkung des Sehvermögens führt, wie von der Sachverständigen überzeugend dargestellt, dazu, dass Schriften und Gegenstände nicht mehr durch unmittelbares direktes Fixieren wahrgenommen werden können, sondern nur noch dadurch, dass an ihnen „vorbei“ gesehen wird. Erforderlich ist ein suchendes Fixieren durch die Augen; dementsprechend ist der Lesevorgang stark verlangsamt, Objekte im Raum werden bei direktem Fixieren nicht erkannt oder schon überhaupt nicht gesehen. Die vorgenannten einfachen industriellen Arbeiten wie z.B. als Packer, Sortierer oder Maschinenbediener erfordern aber regelmäßig den Umgang mit kleinen leichten Teilen und setzen auch bei einer Zeitlohnvergütung eine Grundschnelligkeit voraus, die die Klägerin aufgrund ihres hochgradig eingeschränkten Sehvermögens nicht mehr zu leisten im Stande ist (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Schleswig-Holstein vom 29. April 2008 - L 7 R 8/07 - juris Rdnr. 35). Das Bedienen von Maschinen geht für die Klägerin regelmäßig mit einem erhöhten Maß an Selbstgefährdung einher; auch die von der Beklagten in der Berufungsbegründung angeführten Maschinen mit einem nur geringen Gefährdungspotenzial infolge Umsetzung strengster Unfallverhütungsvorschriften - so solche überhaupt unter den „üblichen Bedingungen“ des Arbeitsmarktes im Sinne des § 43 SGB VI zur Verfügung stehen - sind infolge der regelmäßig gegebenen optischen Anzeigen für die Klägerin ungeeignet. Damit stellt die hochgradige beidseitige Sehbehinderung der Klägerin eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, die eine Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erfordert (vgl. auch BSG vom 19. April 1978 - 4 RJ 55/77 = SozR 2200 § 1246 Nr. 30 - juris Rdnr. 13; BSG, Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 - juris Rdnr. 37, wonach bereits Einäugigkeit eine solche schwere Einschränkung darstellt; noch weitergehend LSG Baden-Württemberg vom 26. März 2009 - L 6 R 3104/07 - Sozialgerichtsbarkeit.de, welches bei einer rechtsseitigen Einschränkung der Sehkraft auf 0,3 bzw. 0,2 und linksseitig „auf Fingerzählen“ bei Gesichtsfeldeinschränkung, Hornhauttrübung und stark herabgesetztem Dämmerungssehen sowie Skotom linksseitig von einem Erwerbsvermögen von weniger als 3 Stunden ausgeht).
20 
Weder konnte aber die Beklagte der Klägerin wenigstens eine konkrete zumutbare Verweisungstätigkeit mit ihrem typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen benennen, noch sind andere Tätigkeiten, die die Klägerin mit dem dargestellten Leistungsvermögen hätte verrichten können, ersichtlich. Die von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren benannten Verweisungstätigkeiten - Tätigkeiten im Landschaftsgartenbau bzw. Maschinenarbeiten mit gröberen Produktionsprozessen - entsprechen nicht dem positiven Leistungsbild der Klägerin. Diesbezüglich folgt der Senat zunächst der auch insoweit überzeugenden gutachterlichen Stellungnahme der Sachverständigen. Diese hat im Hinblick auf die Verweisungstätigkeit einer Helferin im Landschaftsgartenbau ausgeführt, die Klägerin sei schon nicht in der Lage, Unkraut von Nutzpflanzen zu unterscheiden sowie mit landwirtschaftlichen Maschinen umzugehen, sie zu bedienen, zu warten usw..
21 
Soweit die Beklagte in der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. Schl. vom 28. April 2011 entgegnet, der Klägerin sei als Helferin im Landschaftsgartenbau bzw. in der Landwirtschaft in Eierproduktionsbetrieben das Umstallen der Tiere sowie das Einsammeln der Eier und in der Milchwirtschaft der Umgang mit den Tieren einschließlich des Melkens möglich, sie könne auch in Pflanzenaufzuchtsbetrieben das Pikieren, das Umpflanzen usw. vornehmen, kann dies nicht überzeugen. Das Umstallen der Tiere sowie das Einsammeln von Eiern dürfte allenfalls einen Teilaspekt der Tätigkeit einer Helferin im Landschaftsgartenbau/Landwirtschaft darstellen; es handelt sich aber nicht um die typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmale der Tätigkeit (vgl. hierzu BSG vom 19. Oktober 2011 a.a.O., juris Rdnr. 37). Das Verpflanzen von zu dicht stehenden Sämlingen auf größere Abstände im Gartenbau (sog. Pikieren) kann wiederum - den Ausführungen der Sachverständigen folgend - von der Klägerin mit ihrem erheblich eingeschränkten Sehvermögen und insbesondere ihrem Verlust des zentralen Gesichtsfeldes allenfalls äußerst mühselig und sehr stark verlangsamt und damit nicht mehr zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes abverlangt werden. Die von der Sachverständigen zur Beschreibung des positiven Leistungsbildes angeführten erhöhten Gesundheitsrisiken für die Klägerin bei Umgang mit (gefährlichen) Maschinen dürften ohne weiteres auch auf den von der Beklagten angesonnenen Umgang mit Nutztieren zu übertragen sein; ungeachtet der Tatsache, dass das Melken von Tieren im Rahmen der Viehwirtschaft alleine wiederum nur Teilaspekt einer konkreten Verweisungstätigkeit, nicht aber eine solche selbst sein dürfte.
22 
Auch die von der Beklagten vorgeschlagene Tätigkeit als Maschinenbedienerin bei gröberen Produktionsprozessen stellt keine zumutbare Verweisungstätigkeit für die Klägerin dar. Selbst wenn man davon ausgeht, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen ausreichend Arbeitsplätze an Maschinen zur Verfügung stehen, deren Handhabung ohne besondere Gefährdung vonstatten geht, so ist zum einen zu beachten, dass die Steuerung und Kontrolle von Arbeitsabläufen mit Hilfe von Maschinen in aller Regel über optische Anzeigen erfolgt, die nur bedingt durch akustische oder taktil erfassbare Hinweise ersetzt bzw. allenfalls ergänzt werden können. Darüber hinaus fehlt es - wie bereits ausgeführt - der Klägerin infolge der hochgradigen Sehbehinderung an der auch im Zeitlohn vorausgesetzten Grundschnelligkeit. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass ausweislich des Berichts des Berufsförderungswerks Wü. vom 29. März 2004 die Klägerin bei stressenden Bedingungen mit Leistungseinbußen reagiert. Im Zusammenhang mit dem ohnedies durch das erforderliche, intensiv suchende Fixieren der Klägerin verlangsamte Arbeitstempo kann hier nicht mehr von einer Beschäftigung der Klägerin zu den auf dem Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen gesprochen werden.
23 
Aber auch die von der Sachverständigen Dr. Be. als Verweisungstätigkeit vorgeschlagenen einfachen Büroarbeiten sowie die Tätigkeit in einem Callcenter stellen keine zumutbare Verweisungstätigkeiten dar. So hat die Sehhilfenerprobung im Rahmen der Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk Wü. im Frühjahr 2004 - also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin noch über ein deutlich besseres Sehvermögen verfügt hat - ergeben, dass die Belastbarkeit des Sehvermögens der Klägerin für eine Tätigkeit im Bürobereich nicht ausreicht. Insoweit wäre die Klägerin auf das blindheitsgemäße Arbeiten angewiesen; die entsprechenden Kenntnisse liegen bei der Klägerin indes nicht vor. Bezüglich einer möglichen Tätigkeit in einem Callcenter hat bereits das SG zutreffend ausgeführt, dass sich diese nicht im Telefonieren erschöpft, sondern neben Redegewandtheit auch die zügige Eingabe von Bestellungen in den Computer, die Sachverhaltsprotokollierung und ggf. die Weiterleitung von Aufträgen zur Vorgangsbearbeitung erfordert. Hierzu ist die Klägerin aber aus den bereits genannten Gründen nicht imstande; wie das SG in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, kann auch das der Klägerin zur Verfügung stehende vergrößernde Bildschirmlesegerät aufgrund seiner mangelnden Transportfähigkeit, wie auch der fehlenden Eignung zum Einsatz bei PC-Monitoren keine Abhilfe schaffen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen, welche sich der erkennende Senat zu eigen macht. Im Übrigen hat bereits 2004 der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. Ko. im Rahmen der berufsfördernden Maßnahme im Berufsförderungswerk Schö. in seiner arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 8. April 2004 ausgeführt, dass aufgrund der fehlenden Muttersprachlichkeit der Klägerin eine eventuelle Qualifizierung für eine Tätigkeit in einem Callcenter oder ähnlichem nicht möglich sei. Diese Aussage steht zwar in Widerspruch zu der von der Sachverständigen Dr. Be. festgehaltenen „Eloquenz“ der Klägerin; insoweit kommt allerdings der von Dr. Ko. getroffenen Aussage vor dem Hintergrund einer stattgehabten längerfristigen Arbeitserprobung wie auch einer fachspezifischen Einschätzung der Vorzug zu. Letztlich dürfte die Beschäftigung in einem Callcenter auch mit der bereits beschriebenen, erheblichen Stressempfindlichkeit der Klägerin in Konflikt treten.
24 
Zwar zutreffend verweist die Beklagte im Übrigen auf das weite Feld der Blinden und Sehbehinderten mittlerweile offenstehenden Berufsbilder. Beispielhaft sei hier auf das vom Berufsförderungswerk Düren auf seiner Homepage (www.bfw-dueren.de) dargestellte Ausbildungsangebot verwiesen. Voraussetzung der Ausübung all dieser Tätigkeiten ist jedoch eine blindentechnische Grundausbildung, die insbesondere auch die Beherrschung der Blindenschrift umfasst. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Im Übrigen können Tätigkeiten, die zu ihrer Ausübung einer blindentechnischen Grundausbildung und regelmäßig auch einer Unterstützung durch technische Zusatzgeräte bedürfen, nicht mehr als Erwerbstätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes angesehen werden (so auch LSG Baden-Württemberg vom 13. Juni 2006 - L 11 R 5778/04 - Sozialgerichtsbarkeit.de). So hat die Beklagte in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 5. September 2011 selbst ausgeführt, dass es für den beruflichen Einsatz sowohl hochgradig sehbehinderter wie auch blinder Menschen neben einer speziellen Förderung auch einer speziellen Ausgestaltung am Arbeitsplatz, insbesondere mit Hilfen im technischen Bereich bedarf; zusätzlich sei auch ein Entgegenkommen seitens des Arbeitgebers in Form der Rücksichtnahme auf die speziellen Bedürfnisse eines hochgradig sehbehinderten bzw. blinden Menschen erforderlich. Diese Anforderungen können aber nicht mehr unter der vorstehend gegebenen Definition der „üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes“ subsumiert werden. Aber auch die Ausübung einer konkreten Verweisungstätigkeit muss unter den betriebsüblichen Arbeitsbedingungen möglich sein, um Erwerbsunfähigkeit ausschließen zu können (vgl. BSG vom 28. August 1991, 13/5 RJ 47/90 = SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8 - juris Rdnr. 26).
25 
Zu Recht hat das SG im Übrigen in Ansehung von § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI von einer Befristung der Erwerbsminderungsrente abgesehen. Nach dieser Vorschrift werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausnahmsweise unbefristet geleistet, wenn (1) unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann und (2) der Anspruch nicht von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist. Bei der Augenerkrankung der Klägerin handelt es sich um eine progrediente Gesundheitsstörung mit Dauercharakter, weshalb ausgeschlossen ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Der Vortrag der Beklagten hierzu in der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. Schl. vom 28. April 2011, wonach zukünftig im Zuge einer blindenspezifischen Grundausbildung eine Möglichkeit geschaffen werden könnte, die Blindentätigkeit suffizient auszuüben und damit die Möglichkeit zur Erwerbsfähigkeit wieder bestünde, geht fehl. Wie bereits ausgeführt, fallen Blindentätigkeiten nicht mehr unter die „üblichen Bedingungen“ im Sinne des § 43 SGB VI als diejenigen Bedingungen, unter welchen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt. Die weitere Voraussetzung in § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI stellt klar, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit zu leisten sind, wenn der Rentenanspruch nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand, sondern auch darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (BSG vom 10. Dezember 2003 - B 5 RJ 64/02 R = SozR 4-2600 § 44 Nr. 1 - juris Rdnr. 34). Die Unfähigkeit der Klägerin, durch Arbeit Einkommen zu erzielen, beruht indes nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem Fehlen von Verweisungstätigkeiten, die die Klägerin mit ihrem körperlichen Leistungsvermögen unter Berücksichtigung ihrer hochgradigen Sehbehinderung noch verrichten könnte (BSG a.a.O.).
26 
Ausgehend von einem spätestens am 25. Februar 2008 eingetretenen Leistungsfall - spätestens zu diesem Zeitpunkt lagen ausweislich der sachverständigen Zeugenaussage von Prof. Dr. Ro. vom 17. November 2009 die im Gutachten von Dr. Be. später bestätigten maximal erzielbaren Sehschärfen von knapp 0,1 und damit die hochgradige Sehbehinderung vor - begegnet der vom SG gewählte Rentenbeginn vom Kalendermonat an, in welchem die Rente beantragt worden ist (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI), keinen Bedenken.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei berücksichtigte der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens, dass die Beklagte in beiden Instanzen unterlegen ist.
28 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 99 Beginn


(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, i

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 102 Befristung und Tod


(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden. (2) Renten wegen vermind

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Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2011 - B 13 R 78/09 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufgehoben.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 29. Apr. 2008 - L 7 R 8/07

bei uns veröffentlicht am 29.04.2008

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. November 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird ni

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

2

Der 1964 geborene Kläger ist gelernter Instandhaltungsmechaniker und war zuletzt von 1997 bis 2004 als LKW-Fahrer beschäftigt. Im Januar 2004 kam es zu einem Arbeitsunfall, der ua die Amputation seines linken Unterarms zur Folge hatte. Im März 2004 erlitt er einen Herzinfarkt. Der Kläger erhält Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalls.

3

Den im August 2004 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab, weil weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege (Bescheid vom 17.8.2005). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.1.2007). Das SG Gotha hat die Beklagte verurteilt, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet vom 1.2.2005 bis zum 31.1.2009 zu gewähren (Urteil vom 4.3.2008). Das Leistungsvermögen des Klägers sei auf leichte Arbeiten begrenzt, die er grundsätzlich sechs bis acht Stunden täglich mit Einschränkungen verrichten könne. Es liege jedoch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung mit der Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit vor, da er die linke Hand nach Amputation des Unterarms allenfalls als Beihand einsetzen könne. Für solche leistungseingeschränkten Versicherten sei der allgemeine Arbeitsmarkt nicht als offen anzusehen. Die von der Beklagten benannten leichten Montier-, Sortier-, Verpacker- oder Kontrolleurtätigkeiten könne der Kläger nicht ausüben, weil es sich um bimanuelle Tätigkeiten handele. Auch eine Tätigkeit als Pförtner oder Telefonist scheide aus, da der Kläger dem damit verbundenen Zeitdruck nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nicht gewachsen sei.

4

Das LSG hat das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.9.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nach den Feststellungen des vom SG gehörten Sachverständigen noch in der Lage, eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten. Die linksseitige Unterarmamputation sowie die Schmerzsymptomatik im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule erforderten allerdings eine Begrenzung auf körperlich leichte Arbeiten. Wegen der orthopädischen Leiden und der Schmerzzustände im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule seien Tätigkeiten mit längeren Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, häufigem Klettern oder Gehen auf unebenen Böden, Tätigkeiten mit Absturzgefahr auf Leitern und Gerüsten sowie lang anhaltende Vibrationen und Erschütterungen nicht zuzumuten. Die koronare Herzerkrankung und der arterielle Hypertonus erlaubten keine Nachtschichten und Überstunden, keine Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für Mensch und Technik, besondere geistige und seelische Beanspruchung sowie auch taktgebundene Arbeiten oder Arbeiten unter Zeitdruck. Der Zugang zu alkoholischen Getränken sollte während der Arbeitszeit wegen der Alkoholerkrankung nicht ermöglicht werden. Tätigkeiten mit besonderen manuellen Anforderungen bzw bimanuelle Tätigkeiten seien dem Kläger ebenfalls nicht möglich. Diese qualitativen Einschränkungen stünden einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen nicht entgegen. Insbesondere könne der Kläger eine zumutbare Wegstrecke zurücklegen.

5

Dem Kläger sei eine konkrete Verweisungstätigkeit nicht zu benennen. Dabei sei schon fraglich, ob eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Die - zu dem vor dem 1.1.2001 geltenden Recht - ergangene Rechtsprechung zur Prüfung und Feststellung von Rentenansprüchen wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Falle der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung könne auf das aktuelle Recht nicht übertragen werden. Bereits der Wortlaut "übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" schließe eine konkrete, dh individualisierte Betrachtungsweise aus. Die Gesetzesbegründung sei in sich widersprüchlich, wenn dort auf die Entscheidung des Großen Senats (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) verwiesen werde, wonach mit "konkreter Betrachtungsweise" - dann aber anders als das BSG - arbeitsmarktbedingte Erwerbsminderungsrenten gemeint seien. Unter dem "allgemeinen Arbeitsmarkt" verstehe die Gesetzesbegründung "jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe". Hingegen erfasse die Rechtsprechung des BSG damit nur körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten (Hinweis auf das Senatsurteil vom 23.5.2006 - B 13 RJ 38/05 R - BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9). Zudem habe der Gesetzgeber eine spezielle zeitliche Komponente eingeführt (sechs Stunden und mehr). Auch dies verbiete eine Fortgeltung der Rechtsprechung zur Summierung. Der Gesetzgeber habe vielmehr den gesamten Komplex der Benennung von Verweisungstätigkeiten einschränken bzw abschaffen wollen.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 43 SGB VI. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass es auf die bei ihm vorliegende schwere spezifische Leistungseinschränkung nicht ankomme. Auch die aktuelle Rechtslage erfordere eine individuelle Betrachtung mit der Folge, dass bei Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen Erwerbsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nur gegeben sei, wenn eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden könne. Daran fehle es hier.

7

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. März 2008 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie meint, § 43 SGB VI in der seit 2001 geltenden Fassung enthalte nicht nur neue Begrifflichkeiten, sondern auch neue Beurteilungsmaßstäbe. Bei den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts handele es sich um objektive Maßstäbe. Solange ein Versicherter vollschichtig, ohne betriebsunübliche Pausen und ohne infolge einer ekelerregenden Krankheit für andere Betriebsangehörige unzumutbar zu sein, irgendeine Arbeit des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichten und den Weg zum Arbeitsplatz zurücklegen könne, sei er nicht erwerbsgemindert. Selbst wenn die konkrete Betrachtungsweise bei Versicherten mit einer Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung beibehalten werde, ändere dies hier im Ergebnis nichts. Das Fehlen des linken Unterarms müsse nicht zwangsläufig eine schwere spezifische Leistungsbehinderung sein, etwa wenn eine Prothese getragen und der Arm noch zur Unterstützung verwendet werde. Tätigkeiten eines Nebenpförtners könnten durchaus auch an außerhalb eines Betriebs stehende Personen vermittelt werden.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Halbs 1 SGG).

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision hat im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung hat.

12

1. Der Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002 (BGBl I 754). Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs 1 Satz 1 bzw Abs 2 Satz 1, jeweils Nr 2 und 3) haben danach Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Abs 1 Satz 1 Nr 1), bzw auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 Satz 1 Nr 1). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 1 Satz 2). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 2 Satz 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs 3).

13

2. Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine Tätigkeit zu verrichten. Nicht entschieden werden kann unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen indes, ob der Kläger in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch erwerbstätig zu sein, und ob ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss. Das LSG hat dies offengelassen, da eine Benennung von Verweisungstätigkeiten nach § 43 SGB VI idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit(RRErwerbG) vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) - § 43 SGB VI nF - generell nicht mehr erforderlich sei.

14

Die Ansicht des LSG hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Grundsätze, die das BSG zur Erwerbsunfähigkeit nach der vor Inkrafttreten des RRErwerbG geltenden Rechtslage herausgearbeitet hat (hierzu a), sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 1.1.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (hierzu b). Eine Änderung der insoweit maßgeblichen Rechtslage lässt sich weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung oder sonstigen Erwägungen begründen (hierzu c). Der im vorliegenden Fall geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hängt daher davon ab, ob der Kläger noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts im zeitlichen Rahmen erwerbstätig sein kann (hierzu d), bzw ob bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, so dass ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist (hierzu e). Entsprechende Feststellungen wird das LSG daher nachzuholen haben (hierzu f).

15

a) Nach der zu § 44 SGB VI aF ergangenen Rechtsprechung des BSG war die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit bei Versicherten mit einem, wenn auch mit qualitativen Einschränkungen vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag(BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 mwN). Bereits nach den §§ 1246 und 1247 RVO knüpfte der Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an ein Herabsinken der Fähigkeit des Versicherten an, auf dem Arbeitsmarkt ein Einkommen zu erzielen. Die RVO differenzierte zwischen Renten wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit: Während der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO ua davon abhängig war, ob dem Versicherten eine ihm nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen noch mögliche Berufstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnte, setzte der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 1247 Abs 2 RVO voraus, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben konnte. Diese Struktur wurde in den §§ 43 und 44, jeweils aF, SGB VI inhaltlich unverändert übernommen(vgl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" im Sozialrecht, 2009, S 81 mwN). Das Leistungsvermögen und dessen Umsetzungsfähigkeit war an den individuellen Verhältnissen des Versicherten und den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarkts zu messen (BSG stRspr, vgl nur BSGE 80, 24, 31 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 f; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18 und Nr 9 RdNr 18 ff; SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 22 ff, Nr 14 S 41 ff, Nr 17 S 58 ff und Nr 21 S 72 ff).

16

Die Ablehnung einer Rente mangels Minderung der Erwerbsfähigkeit setzte danach regelmäßig die konkrete Benennung zumindest einer Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) voraus, die die den Rentenfall begründende Minderung der Erwerbsfähigkeit ausschloss, weil der Versicherte diese Tätigkeit noch ausüben konnte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24). Zu benennen war eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229 und Nr 74 S 234; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229). Die Angabe einzelner Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale war hingegen nicht ausreichend (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 S 130 f mwN; Senatsurteil vom 27.3.2007 - B 13 R 63/06 R - Juris RdNr 30). Andererseits war aber auch nicht die Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes erforderlich (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324). Die zu benennende Tätigkeit musste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich in ausreichendem Umfang vorkommen (BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28), dh es mussten grundsätzlich mehr als 300 Stellen (besetzt oder offen) vorhanden sein (BSGE 78, 207, 222 f = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 34 f; BSG Urteil vom 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - Juris RdNr 24, 33; vom 26.4.2007 - B 4 R 5/06 R - Juris RdNr 18).

17

Abweichend von diesem Grundsatz war die Benennung einer Verweisungstätigkeit dann nicht erforderlich, wenn der Versicherte - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durfte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 mwN). Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durften bei der Prüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich alle Versicherten (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO S Aa4; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12 f; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18), bei der Prüfung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hingegen nur ungelernte Arbeiter bzw sog Angelernte unteren Ranges (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 72 f mwN). In diesen Fällen war regelmäßig davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubte, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ("Hilfsarbeiten") einerseits einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeiten beschreiben würde, entzogen, das Arbeitsfeld andererseits aber so heterogen war, dass mit einem Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten jedenfalls noch von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden konnte (BSGE 80, 24, 31 ff = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 ff).

18

Trotz der praktischen Schwierigkeiten war - im Sinne einer Rückausnahme - die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag: In diesen Fällen einer überdurchschnittlich starken Leistungsminderung bestanden - entgegen der oben skizzierten grundsätzlichen Annahme - ernsthafte Zweifel, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die dem Versicherten an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereithielt oder dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar war (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324 und Nr 136 S 434). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27).

19

b) Diese Maßstäbe haben - wie bereits der 5. Senat entschieden hat (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18)- auch für die seit dem 1.1.2001 geltende Rechtslage weiterhin Gültigkeit (vgl insoweit auch bereits die Senatsbeschlüsse vom 10.7.2002 - B 13 RJ 101/02 B - Juris RdNr 7 und vom 27.2.2003 - B 13 RJ 215/02 B - Juris RdNr 12). Durch das RRErwerbG wurden die oben skizzierten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht abgeschafft, sondern vielmehr für den Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nF übernommen: Erwerbsfähigkeit iS des § 43 Abs 3 SGB VI nF setzt nicht nur voraus, dass der Versicherte in der Lage ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine Tätigkeit zu verrichten", sondern darüber hinaus, dass er damit in der Lage ist, "erwerbstätig" zu sein, dh unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Das Tatbestandsmerkmal der Fähigkeit zur Ausübung einer "Erwerbstätigkeit" in § 43 Abs 3 SGB VI nF ist § 44 Abs 2 SGB VI aF entnommen. Das Tatbestandsmerkmal der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" knüpft an die - oben wiedergegebene - Rechtsprechung des BSG zu den §§ 1246 und 1247 RVO bzw den §§ 43 und 44 SGB VI aF und die dort verwendete Begrifflichkeit an.

20

c) Die vom LSG gegen eine Weitergeltung dieser Grundsätze nach § 43 SGB VI nF angeführten Argumente überzeugen nicht.

21

aa) Insbesondere steht der Wortlaut des Gesetzes einem Vergleich zwischen der individuellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherten und den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich vorkommenden Erwerbsmöglichkeiten bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht entgegen, sondern gebietet diesen. Denn die - von § 43 SGB VI nF nach dessen Wortlaut geforderte - Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts besteht nur, wenn die dem Versicherten noch möglichen Tätigkeiten überhaupt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt werden können. Auch die Gesetzesbegründung bringt dies klar zum Ausdruck, indem sie auf die Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 ("BSGE 80, 24, 34") Bezug nimmt und ausführt, maßgeblich für die Feststellung des Leistungsvermögens sei die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, dh in jeder nur denkbaren Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe, wobei allerdings nur Tätigkeiten in Betracht kämen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich seien. Damit werde sichergestellt, dass für die Feststellung des Leistungsvermögens solche Tätigkeiten nicht in Betracht zu ziehen seien, für die es für den zu beurteilenden Versicherten einen Arbeitsmarkt schlechthin nicht gebe. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente werde nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht (sog abstrakte Betrachtungsweise), sondern auch davon, ob er noch in der Lage sei, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarkts die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen (BT-Drucks 14/4230 S 25). In Bezug genommen werden durch diese Formulierung - entgegen der Ansicht des LSG - die Möglichkeiten der Erzielung eines Erwerbseinkommens auf dem Teilzeit- und dem Vollzeitarbeitsmarkt. Durch den Hinweis auf die Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) und die Übernahme der dort verwendeten Begrifflichkeit macht die Gesetzesbegründung darüber hinaus deutlich, dass keine Abkehr von der zitierten Rechtsprechung des BSG beabsichtigt war, sondern dass vielmehr an diese angeknüpft werden sollte.

22

bb) Wenn die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4230 S 23, 25) den der abstrakten Betrachtungsweise entgegengesetzten Begriff "konkrete Betrachtungsweise" in anderem Zusammenhang gebraucht, nämlich in Bezug auf sog "Arbeitsmarktrenten" bei teilweiser Erwerbsminderung, ändert dies hieran nichts. Jedenfalls kann daraus, dass der Gesetzgeber die sog "Arbeitsmarktrenten" beibehalten wollte, nicht geschlossen werden, dass er die konkrete Betrachtungsweise in Bezug auf die Fähigkeit eines Versicherten, mit seinem individuellen Leistungsvermögen eine Tätigkeit auszuüben, mit der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen erzielt werden kann, abschaffen wollte. Hierfür ergeben sich aus der Gesetzesbegründung ebenso wenige Anhaltspunkte wie für die Annahme des LSG, der Gesetzgeber habe "den gesamten Komplex der Benennung von Verweisungstätigkeiten einschränken bzw abschaffen" wollen.

23

Die Gesetzesbegründung benennt als Ausgangspunkt für die Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vielmehr zum einen, dass die Rentenversicherung bei einem beträchtlichen Teil der Versicherten nicht nur das Invaliditätsrisiko, sondern auch das Arbeitsmarktrisiko trage, und zum anderen, dass die Rente wegen Berufsunfähigkeit - wegen der dort typischen Bevorzugung von Versicherten mit besonderer Qualifikation in herausgehobenen Positionen - zunehmend in die Kritik geraten sei (BT-Drucks 14/4230 S 1). Ziel des Gesetzgebers war es damit, das durch die Arbeitslosenversicherung abzusichernde Arbeitsmarktrisiko von dem durch die Rentenversicherung abzusichernden Invaliditätsrisiko sachgerecht abzugrenzen (insbesondere auch durch Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit an die Rentenversicherung, vgl BT-Drucks 14/4230 S 1); weiteres Ziel war die Abschaffung der Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der Verzicht auf die Prüfung der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts, dh der fehlenden Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens auf dem konkret offenstehenden Arbeitsmarkt, gehörte - entgegen der Ansicht des LSG - nicht zu den in den Gesetzesmaterialien aufgeführten Zielen. Im Gegenteil legt die Gesetzesbegründung dar, dass eine Erwerbsminderungsrente, bei der (ohne Berücksichtigung der dem Versicherten verbliebenen Möglichkeit, auf dem [Teilzeit-]Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen) allein auf den Gesundheitszustand des Versicherten abgestellt werden sollte, nicht beabsichtigt war (so ausdrücklich BT-Drucks 14/4230 S 25).

24

cc) Eine Ungleichbehandlung von Versicherten mit unterschiedlicher fachlicher Qualifikation ist darin nicht zu sehen. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache, dass ein Versicherter nur auf diejenigen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden kann, die er mit seiner individuellen fachlichen Qualifikation auch ausüben kann, da ihm nur mit diesen Tätigkeiten die Erzielung eines Erwerbseinkommens möglich ist.

25

dd) Maßgeblich ist damit für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (auch) nach § 43 SGB VI nF, ob der jeweilige Versicherte mit seinem individuellen gesundheitlichen und beruflichen Leistungsvermögen Tätigkeiten ausüben kann, mit denen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen ist(so auch Mey, SGb 2007, 217 ff; Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" im Sozialrecht, 2009, S 84 ff; KomGRV, § 43 SGB VI Anm 1.3, 4, 7, Stand April 2008; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Kamprad in Hauck/Noftz, K § 43 SGB VI RdNr 31 ff, 41, Stand Juni 2011; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, 3. Aufl, § 43 SGB VI RdNr 81 ff, Stand September 2009; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, § 43 SGB VI Anm 2, Stand März 2008; Lange in Jahn, SGB für die Praxis, § 43 SGB VI RdNr 26 ff, Stand Februar 2008; Steiner, SGb 2011, 310 ff; 365 ff; Dünn, MedSach 2011, 131 f; aA Apidopoulos, SGb 2006, 720 ff).

26

d) Im vorliegenden Fall kommt es mithin darauf an, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs 1 Satz 2, Abs 3 Halbs 1 SGB VI). Dies setzt voraus, dass es solche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt gibt; nicht entscheidend ist hingegen, ob der Kläger eine konkrete Arbeitsstelle tatsächlich auch findet.

27

aa) Der "allgemeine Arbeitsmarkt" in diesem Sinne umfasst jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt (vgl BT-Drucks 14/4230, S 25). Das Merkmal "allgemein" grenzt den Arbeitsmarkt lediglich von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für Behinderte und andere geschützte Einrichtungen (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, aaO RdNr 85; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 35 f, Stand Juni 2011). Eine Beschränkung auf körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten erfolgt durch die Bezeichnung "allgemeiner Arbeitsmarkt" entgegen der Meinung des LSG hingegen nicht.

28

Eine solche Beschränkung galt auch bei der früheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht. Vielmehr waren bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit alle Versicherten unabhängig von ihrem Beruf auf alle geeigneten Tätigkeiten verweisbar (BSGE 80, 24, 27 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 20; BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO S Aa4; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18). Wenn Versicherte, die zu körperlich leichten oder mittelschweren Arbeiten noch vollschichtig in der Lage waren, "auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder -feld (das meint ungelernte Tätigkeiten)" verwiesen werden durften (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24), so deshalb, weil dies die Tätigkeiten waren, auf die jedenfalls alle Versicherten - unabhängig von ihrem Bildungsstand - verwiesen werden konnten. Ein grundsätzlicher Ausschluss der Verweisung eines qualifizierten Versicherten auf eine seiner beruflichen Qualifikation entsprechende Tätigkeit erfolgte hierdurch jedoch nicht. Deswegen geht auch der Hinweis des LSG auf das Senatsurteil vom 23.5.2006 (SozR 4-2600 § 43 Nr 9) fehl: Wenn dort Feststellungen zu "körperlich leichten und fachlich einfachen Arbeiten, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten werden" (aaO RdNr 24) gefordert wurden, bedeutet dies nicht, dass sich der allgemeine Arbeitsmarkt in solchen Tätigkeiten erschöpfen würde; vielmehr ging es in dieser Entscheidung um die Erwerbsfähigkeit einer ungelernten Versicherten, bei der lediglich eine Verweisung auf Tätigkeiten mit diesem Anforderungsprofil in Betracht kam.

29

bb) Unter den "üblichen Bedingungen" iS des § 43 SGB VI nF ist das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, dh unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt. Hierzu gehören sowohl rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften, als auch tatsächliche Umstände, wie zB die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz (vgl zB Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, aaO RdNr 86 ff, Stand September 2009). Üblich sind Bedingungen, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG SozR 4100 § 103 Nr 17 S 40, 42; SozR 2200 § 1247 Nr 43 S 86 f). Eine Einsatzfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ist insbesondere nicht mehr gegeben, wenn einer der in der Rechtsprechung des BSG anerkannten sog Katalogfälle einschlägig ist (vgl im Einzelnen BSGE 80, 24, 34 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28 f).

30

cc) Hieran ändert auch nichts, dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nach § 43 Abs 3 Halbs 2 SGB VI nF nicht zu berücksichtigen ist. Denn hiermit ist lediglich gemeint, dass konjunkturelle Schwankungen des Arbeitsmarkts unberücksichtigt zu bleiben haben. Wird eine bestimmte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber aus strukturellen Gründen nicht (mehr) nachgefragt, kann man mit ihr auch kein Erwerbseinkommen erzielen, mit ihr also nicht erwerbstätig sein iS des § 43 Abs 3 SGB VI.

31

dd) Für den Regelfall kann damit davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - täglich mindestens sechs Stunden verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen noch erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel noch möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in meist ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden (zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw - vgl BSGE 80, 24, 31 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 f).

32

Der Senat hält diese beispielhaft genannten Verrichtungen bzw Tätigkeiten nach wie vor für geeignet, um zu überprüfen, ob tatsächlich von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen werden kann. Er übersieht hierbei nicht, dass sich die Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seit Anfang der 1980iger Jahre (vgl hierzu BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 81 und Nr 90) verändert haben. Neue Arbeitsfelder, insbesondere im Dienstleistungsbereich und im Bereich der Informationstechnik mögen hinzugekommen sein; gleichwohl ist anhand der og Verrichtungen bzw Tätigkeiten eine Überprüfung, ob mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen ausreichende Erwerbsmöglichkeiten für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich vorhanden sind, jedenfalls auch für dort zu verrichtende ungelernte Tätigkeiten weiterhin möglich.

33

e) Es besteht jedoch dann die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26). Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die einer Konkretisierung schwer zugänglich sind (Senatsurteile vom 19.8.1997 - BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69; vom 20.8.1997 - SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f). Eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, dass immer dann, wenn "ernsthafte Zweifel" bestehen, ob der Versicherte "in einem Betrieb einsetzbar" ist (oder ein Katalogfall vorliegen könnte), die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht (so BSGE 80, 24, 39, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33, 27: "ernste Zweifel"; vgl schon BSG 4. Senat vom 30.11.1982 - SozR 2200 § 1246 Nr 104 LS; Senatsurteile vom 19.8.1997 - 13 RJ 55/96 - SozSich 1998, 112 - Juris RdNr 24; vom 20.8.1997 - BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 59; vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97 - Juris RdNr 20, vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73; vom 23.8.2001 - B 13 RJ 13/01 R - Juris RdNr 21; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43 und vom 10.12.2003 - BSG SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 11).

34

aa) Insofern richtet sich der hierbei anzustellende Prüfungs- und Begründungsaufwand nach den konkreten Umständen des Einzelfalls; insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss der Rentenversicherungsträger bzw das Tatsachengericht die Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen. Erforderlich ist eine Untersuchung, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (Senatsurteile vom 23.5.2006 - SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23; vom 19.8.1997 - BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 70; vom 20.8.1997 - BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61; vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97 - Juris RdNr 24 ff). Diesen aufgezeigten abstrakten Maßstäben ist allerdings Kritik entgegengesetzt worden im Hinblick auf die Praktikabilität dieser Rechtsprechung (Köbl in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskommentar zum SGB VI, § 43 RdNr 168, Stand Oktober 2006)und den damit verbundenen Begründungsaufwand für die Rentenversicherungsträger und die Instanzgerichte (Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 107).

35

bb) Aus diesem Grund weist der Senat erneut darauf hin, dass sich aus Zweckmäßigkeits- und aus Effektivitätsgründen die rentenrechtliche Prüfung in zwei Schritten anbietet:

36

(1) Bei Versicherten, die trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten können, ist die Einsatzfähigkeit des Versicherten in einem Betrieb nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen (noch kommt die Möglichkeit einer praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts in Betracht). Auf der ersten Prüfstufe ist daher festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw <vgl BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25>)erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. In diesem Fall genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (vgl BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; Senatsurteile vom 19.8.1997 - 13 RJ 29/95 - SozSich 1998, 111 - Juris RdNr 30; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 14.7.1999 - B 13 RJ 65/97 R - Juris RdNr 32; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; vom 10.12.2003 - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 23; sog "kleines Benennungsgebot": vgl Köbl, aaO RdNr 168; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Spiolek, SGb 1999, 509, 510; kritisch Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 42, Stand Juni 2011; aA wohl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108). Damit können "ernste Zweifel" an der oben beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

37

(2) Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gibt, die der Versicherte unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch ausfüllen kann und insofern "ernste Zweifel" an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, stellt sich die Prüfpflicht, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl Senatsurteile vom 20.8.1997 - SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 44). Verbleibt es bei den ernsten Zweifeln an der Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der individuellen Leistungseinschränkungen, ist mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zum Ausschluss der Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung erforderlich (vgl BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33).

38

f) Ob dem Kläger ein Verweisungsberuf benannt werden muss, kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entschieden werden. Sollte sich das LSG nicht davon überzeugen können, dass der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen noch bestimmte "Arbeitsfelder" ausfüllen bzw og "Tätigkeiten der Art nach" noch verrichten kann - um Zweifel an der betrieblichen Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuräumen -, wird das LSG das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu prüfen haben. Bejaht es die eine oder andere Alternative, wird es Feststellungen nachzuholen haben, ob dem Kläger ein konkreter Verweisungsberuf benannt werden kann, den er mit seinen individuellen gesundheitlichen Leistungseinschränkungen und seiner fachlichen Qualifikation noch ausüben kann. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, ob der Kläger den Bedingungen und Anforderungen, unter denen die entsprechende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Erzielung eines Erwerbseinkommens ausgeübt wird, noch gewachsen ist.

39

Das LSG wird abschließend über die gesamten Kosten des Rechtsstreits nach § 193 SGG zu befinden haben(BSG SozR 5870 § 2 Nr 62 S 201 f).

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. November 2006 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren hat.

2

Bei dem 1962 geborenen Kläger sind wegen eines Diabetes mellitus mit Folgeerkrankungen seit Februar 2004 ein Grad der Behinderung von 100 und u.a. das Merkzeichen „Bl“ (Blindheit) festgestellt worden. Er war von 1978 bis April 1990 überwiegend sozialversicherungspflichtig als Kraftfahrer beschäftigt. Anschließend war er bis zum 1. September 1990 arbeitslos. Danach war er in Deutschland zunächst nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund einer Mitteilung des dänischen Sozialversicherungsträgers (Formblatt E 205) vom 6. Mai 2004 berücksichtigte die Beklagte die Zeit vom 10. April 1995 bis zum 26. März 1997 als Pflichtbeitragszeit. Vom 27. März 1997 bis zum 15. Juli 2000 sind keine Zeiten im Versicherungskonto des Klägers gespeichert. Vom 16. Juli 2000 bis zum 19. Juli 2001 war er wieder in Deutschland als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt und anschließend arbeitsunfähig oder arbeitslos. Für die Zeit bis zum 6. Dezember 2004 sind aufgrund des Bezugs von Sozialleistungen Pflichtbeitragszeiten im Versicherungskonto des Klägers gespeichert. Seit dem 1. Mai 2003 bezieht der Kläger eine dänische Erwerbsminderungsrente.

3

Am 7. Januar 2003 beantragte der Kläger sowohl Arbeitslosengeld bei der Bundesanstalt für Arbeit als auch Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Die Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsamt E., zog den Kläger betreffende medizinische Unterlagen bei und veranlasste das Gutachten der Arbeitsamtsärztin K. vom 17. Februar 2003. Die Bundesanstalt für Arbeit bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld unter Bezugnahme auf die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Den Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2004 mit der Begründung ab, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfülle.

4

Am 7. Dezember 2004 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und fügte dem Antrag einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 14. Dezember 2004 bei. Die Beklagte zog zahlreiche Arztbriefe des Klinikums P. bei, die sich auf die stationären Behandlungen des Klägers im Oktober 2001, im Juni/Juli 2004 sowie im Februar 2005 bezogen. Weitere den Kläger betreffende medizinische Unterlagen einschließlich des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens der Frau K. vom 17. Februar 2003 sowie eines Arztbriefes des Klinikums E. vom 5. Juli 2002 über die Behandlung des Klägers in der Zeit vom 15. Juni 2002 bis zum 7. Juli 2002 lagen der Beklagten aufgrund eines vorangegangenen Verfahrens um die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe vor.

5

Mit Bescheid vom 15. März 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfülle. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe eine volle Erwerbsminderung seit dem 15. Juni 2002. In den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt der Erwerbsminderung seien nur zwei Jahre und damit nicht die erforderlichen drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt.

6

Zur Begründung des dagegen am 30. März 2005 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass er nicht bereits im Jahr 2002 voll erwerbsgemindert gewesen sei. Blindheit sei erst im März 2004 festgestellt worden und das Arbeitsamt habe Leistungen bis Dezember 2004 gezahlt. Dazu nahm der Kläger Bezug auf einen Bescheid des Kreises S. vom 18. Juni 2004 über die Gewährung von Blindengeld ab dem 1. Juli 2004 sowie einen Bescheid des Landesamtes für soziale Dienste Schleswig-Holstein vom 31. März 2004 über die Feststellung eines GdB von 100 und die Zuerkennung u.a. des Merkzeichens „Bl“ mit Wirkung für die Zeit ab dem 9. Februar 2004 sowie einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit E., vom 2. Dezember 2004 über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung vom 7. Dezember 2004.

7

Nach Einholung einer Stellungnahme ihres ärztlichen Prüfdienstes vom 13. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2005 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass der Kläger bereits im Jahr 2002 voll erwerbsgemindert gewesen sei und dass deshalb die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Am 17. Februar 2003 habe die Agentur für Arbeit E. eine ärztliche Begutachtung durchgeführt. Dabei sei ein aufgehobenes Leistungsvermögen bei Zuckerkrankheit mit Folgeerscheinungen festgestellt worden. Es habe ein Geschwür am linken Großzeh im Rahmen der Zuckerkrankheit bestanden. Damit seien die Beweglichkeit und die Gehfähigkeit eingeschränkt. Festes Schuhwerk habe nicht getragen werden können. Der Ulcus habe sich im Zustand der Granulation befunden. Daneben habe eine extreme Einschränkung des Sehvermögens im Rahmen der Zuckerkrankheit vorgelegen, wobei auf dem rechten Auge fast gar kein Sehvermögen mehr bestanden habe und das linke Auge habe sich deutlich verschlechtert. Daneben habe eine Dupuytren'sche Kontraktur beidseits bestanden. Mit der rechten Hand habe der Kläger nur noch schlecht zugreifen können. Es habe eine endgradige Beugehemmung der Finger 2 bis 5 und eine Beugung des Fingers 5 in fast 90 Grad-Position bestanden. Der linke Kleinfinger sei in extremer Beugestellung fixiert. Zusätzlich sei die Schulterbeweglichkeit rechts endgradig eingeschränkt. Spätestens mit dem Datum der arbeitsamtsärztlichen Untersuchung liege ein aufgehobenes Leistungsvermögen vor, wahrscheinlich sogar bereits seit der stationären Aufnahme wegen des Ulcus am 15. Juni 2002.

8

Dagegen hat sich der Kläger mit der am 23. Juni 2005 bei dem Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage gewandt und zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

1. den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2005 aufzuheben,

11

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung seit dem 1. Dezember 2004 zu gewähren.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Sie hat sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.

15

Das Sozialgericht hat einen Befund- und Behandlungsbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 12. September 2005 mit weiteren Arztbriefen sowie einen Befund- und Behandlungsbericht des Augenarztes Dr. D. vom 22. September 2005 eingeholt. Ferner hat das Sozialgericht das medizinische Gutachten des Arztes für innere Medizin B. vom 7. November 2006 eingeholt und in der mündlichen Verhandlung am 23. November 2006 den Verwaltungsbeamten L. als berufskundigen Sachverständigen gehört.

16

Mit Urteil vom 23. November 2006 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 1. Dezember 2004 zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die volle Erwerbsminderung des Klägers nicht in der Zeit vor dem 2. Juni 2003 eingetreten sei, sondern erst mit der vollständigen Erblindung im März 2004. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten, intermittierend auch mittelschwere Tätigkeiten, sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten an laufenden Maschinen, ohne Arbeiten auf unebenem Grund und unter Berücksichtigung einer vorliegenden Einäugigkeit. In der Zeit davor habe auch noch keine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit aufgrund der Durchblutungsstörungen im Bereich der Füße bestanden. Vielmehr sei es zu einer langsamen Abheilung der Entzündung in der linken Großzehe gekommen und nach Versorgung mit einem so genannten Vorfußentlastungsschuh sei der Kläger noch in der Lage gewesen, eine Viertelstunde bis zu 20 Minuten zu laufen. Diese Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung seien - wie der medizinische Sachverständige B. bestätigt habe - unter Berücksichtigung der vorhandenen Befundberichte absolut glaubhaft. Die stark eingeschränkte Sehfähigkeit des Klägers habe in der Zeit vor März 2004 nicht zu einer vollen Erwerbsminderung geführt, sondern lediglich zum Vorliegen der genannten qualitativen Einschränkungen. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger noch in der Lage gewesen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten in Gestalt der Bedienung von Stanzen in der Metallindustrie zu verrichten. Dabei handele es sich um eine leichte Tätigkeit, die auch noch mit den beim Kläger vorliegenden qualitativen Einschränkungen einschließlich der Einäugigkeit verrichtet werden könnten.

17

Gegen das ihr am 29. Dezember 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 12. Januar 2007 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Der Kläger erfülle die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nur, wenn der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung nach dem 1. Juni 2003 eingetreten wäre. Der Leistungsfall sei jedoch bereits im Juni 2002 und nicht - wie das Sozialgericht angenommen habe - erst im März 2004 eingetreten. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass der Kläger bereits vor März 2004 an beiden Händen wegen Dupuytren’scher Kontraktur habe operiert werden müssen, die schlecht geheilt seien und die Belastbarkeit für jede manuelle Tätigkeit für einen längeren Zeitraum verhindert habe. Wesentlich für die sozialmedizinische Festlegung des Eintritts des Leistungsfalls bereits im Juni 2002 seien die wiederholten operativen Eingriffe im Bereich der Vorfüße mit Nekrosen und schlechter Heilungstendenz nach Amputation im Rahmen einer diabetischen Mikroangiopathie. Schließlich sei in der Urteilsbegründung nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger am 17. Februar 2003 durch die Agentur für Arbeit E. sozialmedizinisch untersucht worden sei. Nach der dortigen Einschätzung habe zum damaligen Zeitpunkt im Hinblick auf die Zuckerkrankheit und die Folgeerkrankungen (Ulcus am linken Fuß, Sehminderung) keinerlei Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt mehr bestanden. Der Kläger habe damals bereits angegeben, seit der deutlichen Sehverschlechterung nicht mehr selbst Auto fahren und öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr alleine benutzen zu können. Zu Fuß könne er lediglich kurze Entfernungen in ihm bekannter Umgebung bewältigen. Aufgrund des Geschwürs am linken Großzeh sei das Tragen festen Schuhwerks nicht empfohlen worden, um die Abheilung des granulierenden Ulcus nicht zu gefährden. Der Kläger sei seit Mitte des Jahres 2001 durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Vom Eintritt des Leistungsfalles sei danach bereits zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme im Juni 2002 und nicht erst im März 2004 auszugehen.

18

Die Beklagte beantragt,

19

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er bezieht sich im Wesentlichen auf den Inhalt der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten sowie die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils.

23

Der Senat hat den Befund- und Behandlungsbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 20. Februar 2007, eine Auskunft des Augenarztes Dr. D. vom 28. August 2008 sowie ein Gutachten des Arztes für innere Krankheiten und Psychiatrie Dr. T. (Eingang am 21. April 2008) eingeholt. Wegen des Inhalts des Gutachtens wird auf Bl. 163-160 der Gerichtsakte verwiesen. In der mündlichen Verhandlung am 29. April 2008 hat Dr. T. sein Gutachten erläutert. Außerdem hat der Senat den Verwaltungsbeamten Kb. als berufskundigen Sachverständigen gehört.

24

Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Landesamtes für soziale Dienste haben dem Senat vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten, mit denen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist, sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Rente, weil er die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt. Er hat in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht wenigstens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit.

26

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

27

1. voll erwerbsgemindert sind,

28

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

29

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

30

Der Kläger ist zwar voll erwerbsgemindert und er hat auch vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt. In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung hat er jedoch nicht drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit.

31

Der Kläger hat in der Zeit vom 27. März 1997 bis zum 15. Juli 2000 keine Pflichtbeiträge und auch keine anderen Zeiten, die den Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI verlängern könnten. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Kläger in dieser Zeit keine Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches ausgeübt hat und dass deshalb gemäß § 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) auch keine Versicherungspflicht im Sinne des deutschen Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden konnte. Zwar sind Versicherungszeiten, die in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union zurückgelegt worden sind, gemäß Art. 45 Abs. 1 EWGV 1408/71 so zu berücksichtigen, als ob es sich um nach deutschem Recht zurückgelegte Zeiten handeln würde. Nach der vorliegenden Mitteilung des dänischen Sozialversicherungsträgers hat der Kläger jedoch auch in Dänemark in der Zeit nach dem 26. März 1997 keine rentenrechtlichen Zeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt, obwohl er nach der vorliegenden Bescheinigung der Dansk Transport Ka. A/S vom 27. August 2001 und seinen Angaben in seinem Schreiben vom 26. November 2001 auch noch bis zum 10. September 1999 als Kraftfahrer tätig war. Der Kläger hat in Dänemark unter dem 26. März 1997 eine „Erklärung über Kranken- und Rentenversicherung“ unterschrieben, nach der er „die Bedingungen für eine Sozialversicherung in Dänemark nicht erfüllt“. Mit Schreiben vom 26. November 2001 hat der Kläger dazu gegenüber der Beklagten erklärt, dass er eine private Rentenversicherung abgeschlossen habe, die er inzwischen auf seine getrennt lebende Frau übertragen habe. Die Mitteilung des dänischen Sozialversicherungsträgers zu den Zeiten der rentenversicherten Beschäftigung (E 205) ist für den deutschen Rentenversicherungsträger grundsätzlich verbindlich (vgl. BSG, Urt. v. 25. Februar 1992 - 4 RA 28/91, SozR 3-6050 Art. 46 Nr. 5 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Fallgestaltung vorliegen würde, bei der die Bescheinigung (E 205) ausnahmsweise nicht als verbindlich zu Grunde zu legen wäre (zur Berücksichtigung französischer Beitragstrimester in der deutschen Rentenversicherung vgl. BSG, Urt. v. 23. April 1990 - 5 RJ 58/89, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 4), liegen nicht vor. Da der Kläger nach dem 26. März 1997 zwar in Dänemark erwerbstätig war, aber eine versicherungspflichtige Beschäftigung erst wieder zum 16. Juli 2000 aufgenommen hat, ist die Zeit vom 27. März 1997 bis zum 15. Juli 2000 weder mit Pflichtbeitragszeiten noch mit anderen Zeiten, die gem. § 43 Abs. 4 SGB VI eine Verlängerung des Zeitraums von fünf Jahren zur Folge hätten, belegt. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt er auch nicht aufgrund der Übergangsregelung des § 241 Abs. 2 SGB VI, weil nicht jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Ein Fall der vorzeitigen Wartezeiterfüllung, in dem die Pflichtbeitragszeit von drei Jahren ausnahmsweise nicht erforderlich wäre (§ 43 Abs. 5 i.V.m. § 53 SGB VI), liegt ebenfalls nicht vor. Aus diesem Grunde werden die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nur bei einem Eintritt der Erwerbsminderung ab dem 2. Juni 2003 erfüllt.

32

Die (volle) Erwerbsminderung ist bei dem Kläger jedoch bereits vor dem 2. Juni 2003 eingetreten. Zwar verfügte der Kläger bis zum 1. Juni 2003 noch über ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr. Ein solches Leistungsvermögen steht im Grundsatz der Annahme einer vollen Erwerbsminderung entgegen, ohne dass es auf die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ankäme. Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Abweichend von diesem Grundsatz ist jedoch die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. BSG, Beschl. v. 19. Dezember 1996 - GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24). Als eine solche schwere Einschränkung ist in der Rechtsprechung u.a. die Einarmigkeit oder die Einäugigkeit angesehen worden (vgl. BSG, Beschl. vom 19. Dezember 1996, a.a.O.; BSG, Urt. v.19. April 1978 - 4 RJ 55/77, SozR 2200 § 1246 Nr. 30).

33

Bei dem Kläger lag bereits in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 Einäugigkeit vor. Darüber hinaus war das Sehvermögen auf dem anderen Auge auf ein Zehntel (0,1) reduziert. Aus dieser Einschränkung des Sehvermögens resultierte bereits für die Zeit bis zum 1. Juni 2003 eine mangelhafte Lesbarkeit von Bedrucktem, Probleme bei optischen Tätigkeitskontrollen, Schwierigkeiten bei der Aufnahme sozialer Kontakte, eine beschränkte Orientierungs- und Lesefähigkeit sowie eine aufgehobene Fähigkeit, am motorisierten Straßenverkehr teilzunehmen. Darüber hinaus war der Kläger aufgrund eines Zustands nach operativer Behandlung Dupuytren'scher Kontrakturen an beiden Händen nicht mehr in der Lage, feinmotorische Arbeiten mit den Händen zu verrichten. Wegen eines am 1. Juni 2003 bereits seit mehr als sechs Monaten bestehenden Geschwürs am linken Großzehenballen konnte der Kläger Tätigkeiten nur noch überwiegend im Sitzen verrichten. Druckbelastungen sowie Nässe und Schmutz waren wegen des bestehenden Geschwürs auch zur Vermeidung von Wundinfektionen auszuschließen. Darüber hinaus waren Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck, Tätigkeiten mit Nacht- und Wechselschicht sowie mit Anforderungen an die Gehfähigkeit ausgeschlossen.

34

Mit diesen Feststellungen zum Leistungsvermögen des Klägers in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 bezieht sich der Senat auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. T.. Der Sachverständige hat den Kläger am 7. April 2008 untersucht und die aktenkundigen medizinischen Unterlagen erkennbar vollständig ausgewertet. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten der Frau K. vom 17. Februar 2003 zu, das nach einer Untersuchung des Klägers erstattet worden war. Bereits zu diesem Zeitpunkt war bei dem Kläger auf dem rechten Auge fast kein Sehvermögen mehr festgestellt worden und auf dem linken Auge ein Sehvermögen von unter 30 %. In dem Gutachten wird ausgeführt, dass der Kläger bereits nicht mehr selbst Auto fahre und auch keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr alleine benutze. Zu Fuß könne er nur noch kurze Entfernungen in ihm bekannter Umgebung bewältigen. Das Geschwür am linken Großzeh sei in Abheilung begriffen. Es bestehe aber noch eine deutliche Schwellung des linken Vorfußes. Die Beweglichkeit und Gehfähigkeit sei eingeschränkt und dem Kläger sei festes Schuhwerk nicht zu empfehlen, um die Abheilung des Ulcus nicht zu gefährden. Außerdem wurde bei der Untersuchung festgestellt, dass der Kläger mit der rechten Hand nur noch schlecht zugreifen könne bei endgradiger Beugehemmung der Finger II bis IV und Beugung des Fingers V in fast 90 Grad-Position. Der linke Kleinfinger sei in extremer Beugestellung fixiert. Völlig frei beweglich seien nur noch die Finger I bis IV der linken Hand. Aus dem Befundbericht des Augenarztes Dr. D. vom 22. September 2005 sowie dem vom Kläger in dem Verwaltungsverfahren um die Feststellung des Grades der Behinderung beim Landesamt für soziale Dienste vorgelegten Attest dieses Arztes vom 28. April 2003 geht hervor, dass sich das Sehvermögen in der Folgezeit noch weiter verschlechtert hat. So hat Dr. D. die Sehschärfe für April 2003 wie folgt bezeichnet: Rechts: kein Lichtschein bzw. weniger als 0,05 und links: 0,1.

35

Mit dem genannten Leistungsvermögen war dem Kläger der Arbeitsmarkt bereits vor dem 2. Juni 2003 verschlossen; er war auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein und damit voll erwerbsgemindert i.S.d. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Einfache Aufgaben in Verbindung mit Publikum wie z.B. als Pförtner, Wächter oder als Kassierer setzen die Fähigkeit voraus, sicher zu kommunizieren und sich schnell auf sich verändernde Situationen einzustellen. Dazu gehört auch, Personen und deren Reaktionen sicher zu erkennen und gleichzeitig das Umfeld, das zum Verantwortungsbereich gehört, im Blickfeld zu behalten. Wegen seines eingeschränkten Sehvermögens konnte der Kläger diesen Anforderungen bereits vor dem 2. Juni 2003 nicht mehr entsprechen. Einfache leichte industrielle Arbeiten z.B. als Packer, Sortierer oder Maschinenbediener erfordern den Umgang mit kleinen leichten Teilen. Sie setzen Handgeschicklichkeit voraus. Auch im Zeitlohn wird eine Grundschnelligkeit erwartet, die den Kläger wegen seines eingeschränkten Sehvermögens und der eingeschränkten Beweglichkeit der Hände bereits vor dem 2. Juni 2003 überfordert hätten. Durch den Ausschluss von Arbeiten mit besonderem Zeitdruck wird diese Problematik noch verstärkt. Auch andere Tätigkeiten, die der Kläger mit dem dargestellten Leistungsvermögen vor dem 2. Juni 2003 noch hätte verrichten können, sind nicht ersichtlich.

36

Mit den Feststellungen zu den Arbeiten, die der Kläger mit dem vorliegenden Leistungsvermögen noch verrichten konnte, folgt der Senat dem in der mündlichen Verhandlung erstatteten schlüssigen und überzeugenden Gutachten des berufskundigen Sachverständigen Kb.. Dagegen folgt der Senat nicht der Beurteilung des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen L., der davon ausgegangen war, dass der Kläger noch in der Lage sei, bestimmte Maschinenbedienertätigkeiten (Stanze in der Metallindustrie) zu verrichten. Der Sachverständige L. hat bei seiner Beurteilung nicht berücksichtigt, dass das Sehvermögen des Klägers nicht nur durch die Blindheit auf dem einen Auge und damit bezogen auf das räumliche Sehen eingeschränkt war, sondern dass darüber hinaus das Sehvermögen auf dem anderen Auge bereits vor dem 2. Juni 2003 ganz erheblich reduziert war. Darüber hinaus hat der Sachverständige L. in seinem Gutachten nicht die beim Kläger vorliegenden Einschränkungen der Handfunktion und den Ausschluss von Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck berücksichtigt. Der Sachverständige L. hat sich dabei auf die - unvollständige - Darstellung der qualitativen Einschränkungen in dem im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten des Internisten B. bezogen.

37

Dem Kläger war darüber hinaus bereits in der Zeit vor dem 2. Juni 2003 der Arbeitsmarkt verschlossen, weil er nicht in der Lage war, den Weg zu einer Arbeitsstelle zurückzulegen. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 21. März 2006 - B 5 RJ 51/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 8, m.w.N.). Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, stellt bei dem anzuwendenden generalisierenden Maßstab eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögen als verschlossen anzusehen ist. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz inne hat, der in zumutbarer Entfernung liegt oder mit einem vorhandenen Kraftfahrzeug erreichbar ist oder wenn ihm ein entsprechender Arbeitsplatz angeboten wird. Die Zurücklegung einer Fußstrecke von viermal 500 m war dem Kläger bereits in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten. Der Kläger hat dagegen eingewandt, dass er in dieser Zeit tatsächlich noch derartige Wegstrecken zurückgelegt habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der dort vernommene Sachverständige B. erklärt, dass er diese Angaben des Klägers für nachvollziehbar halte. Auch der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. T. hält diese Angaben des Klägers für nachvollziehbar. Dabei hat der Sachverständige Dr. T. berücksichtigt, dass die durch den Diabetes ausgelöste Schädigung der Nerven ein reduziertes Schmerzempfinden zur Folge hat, sodass nicht auszuschließen ist, dass der Kläger trotz der bereits am 1. Juni 2003 bestehenden gravierenden Schädigung (die schließlich im Juni des Folgejahres eine Amputation des Vorfußes erforderlich machte) Wegstrecken von mehr als 500 m zu Fuß zurückgelegt hat. Allerdings hat der Sachverständige Dr. T. in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Zurücklegung derartiger Wegstrecken angesichts der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörung am Fuß zu einer weiteren Schädigung führen kann und dass die Zurücklegung dieser Wegstrecke dem Kläger keinesfalls viermal täglich zugemutet werden konnte. Einer Zurücklegung dieser Wegstrecken stand neben der erforderlichen Vermeidung von Druckbelastungen auch der Ausschluss von Nässe und Schmutz zur Vermeidung von Wundinfektionen entgegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 nicht in der Lage war, normales Schuhwerk zu tragen. Dies geht aus dem o.g. arbeitsamtsärztlichen Gutachten der Frau K. hervor und wird durch den Befund- und Behandlungsbericht des den Kläger behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 20. Februar 2007 bestätigt. Danach wurde dem Kläger im Februar 2003 ein Postoperationsschuh links wegen des diabetischen Fußes nach tiefer Fistelung verordnet. Erst am 16. Juni 2003 erfolgte die Verordnung eines Vorfußentlastungsschuhs bei diabetischem Fuß. Die Erkrankung am linken Fuß des Klägers, die seine Wegefähigkeit aufgehoben hat, bestand mindestens seit der Aufnahme in das Krankenhaus E. am 15. Juni 2002, bei der ein tiefer Infekt am linken Fuß nach Entgleisung des Diabetes mellitus diagnostiziert worden war, und damit für einen Zeitraum von deutlich mehr als sechs Monaten. Damit bestand die Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens bereits am 1. Juni 2003 „auf nicht absehbare Zeit“ (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 43 Rdz. 25 m.w.N.). Aufgrund der Einschränkung des Sehvermögens war der Kläger auch nicht in der Lage, einen Arbeitsplatz mit dem eigenen Kraftfahrzeug zu erreichen. Dazu bezieht sich der Senat auf die überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. T. in der mündlichen Verhandlung am 29. April 2008. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung bei der Unterschreitung einer Sehschärfe von 0,2 auf einem Auge eine Sehschärfe von wenigstens 0,6 auf dem anderen Auge verlangt wird (siehe § 12 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr -Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) mit dem Verweis auf Anlage 6 „Anforderungen an das Sehvermögen“). Diese Anforderungen unterschritt der Kläger bereits in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 deutlich.

38

Da der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung nach der Aufgabe der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung im Juli 2001 vor dem 2. Juni 2003 eingetreten ist, hat der Kläger jedenfalls nicht mehr als 35 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung. Die gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI mindestens erforderlichen 36 Kalendermonate (drei Jahre) mit Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung erreicht er damit nicht. Damit erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

40

Die Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 SGG liegen nicht vor.


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.

(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.

(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.

(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.

(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.

(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.

(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

2

Der 1964 geborene Kläger ist gelernter Instandhaltungsmechaniker und war zuletzt von 1997 bis 2004 als LKW-Fahrer beschäftigt. Im Januar 2004 kam es zu einem Arbeitsunfall, der ua die Amputation seines linken Unterarms zur Folge hatte. Im März 2004 erlitt er einen Herzinfarkt. Der Kläger erhält Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalls.

3

Den im August 2004 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab, weil weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege (Bescheid vom 17.8.2005). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.1.2007). Das SG Gotha hat die Beklagte verurteilt, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet vom 1.2.2005 bis zum 31.1.2009 zu gewähren (Urteil vom 4.3.2008). Das Leistungsvermögen des Klägers sei auf leichte Arbeiten begrenzt, die er grundsätzlich sechs bis acht Stunden täglich mit Einschränkungen verrichten könne. Es liege jedoch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung mit der Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit vor, da er die linke Hand nach Amputation des Unterarms allenfalls als Beihand einsetzen könne. Für solche leistungseingeschränkten Versicherten sei der allgemeine Arbeitsmarkt nicht als offen anzusehen. Die von der Beklagten benannten leichten Montier-, Sortier-, Verpacker- oder Kontrolleurtätigkeiten könne der Kläger nicht ausüben, weil es sich um bimanuelle Tätigkeiten handele. Auch eine Tätigkeit als Pförtner oder Telefonist scheide aus, da der Kläger dem damit verbundenen Zeitdruck nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nicht gewachsen sei.

4

Das LSG hat das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.9.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nach den Feststellungen des vom SG gehörten Sachverständigen noch in der Lage, eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten. Die linksseitige Unterarmamputation sowie die Schmerzsymptomatik im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule erforderten allerdings eine Begrenzung auf körperlich leichte Arbeiten. Wegen der orthopädischen Leiden und der Schmerzzustände im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule seien Tätigkeiten mit längeren Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, häufigem Klettern oder Gehen auf unebenen Böden, Tätigkeiten mit Absturzgefahr auf Leitern und Gerüsten sowie lang anhaltende Vibrationen und Erschütterungen nicht zuzumuten. Die koronare Herzerkrankung und der arterielle Hypertonus erlaubten keine Nachtschichten und Überstunden, keine Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für Mensch und Technik, besondere geistige und seelische Beanspruchung sowie auch taktgebundene Arbeiten oder Arbeiten unter Zeitdruck. Der Zugang zu alkoholischen Getränken sollte während der Arbeitszeit wegen der Alkoholerkrankung nicht ermöglicht werden. Tätigkeiten mit besonderen manuellen Anforderungen bzw bimanuelle Tätigkeiten seien dem Kläger ebenfalls nicht möglich. Diese qualitativen Einschränkungen stünden einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen nicht entgegen. Insbesondere könne der Kläger eine zumutbare Wegstrecke zurücklegen.

5

Dem Kläger sei eine konkrete Verweisungstätigkeit nicht zu benennen. Dabei sei schon fraglich, ob eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Die - zu dem vor dem 1.1.2001 geltenden Recht - ergangene Rechtsprechung zur Prüfung und Feststellung von Rentenansprüchen wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Falle der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung könne auf das aktuelle Recht nicht übertragen werden. Bereits der Wortlaut "übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" schließe eine konkrete, dh individualisierte Betrachtungsweise aus. Die Gesetzesbegründung sei in sich widersprüchlich, wenn dort auf die Entscheidung des Großen Senats (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) verwiesen werde, wonach mit "konkreter Betrachtungsweise" - dann aber anders als das BSG - arbeitsmarktbedingte Erwerbsminderungsrenten gemeint seien. Unter dem "allgemeinen Arbeitsmarkt" verstehe die Gesetzesbegründung "jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe". Hingegen erfasse die Rechtsprechung des BSG damit nur körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten (Hinweis auf das Senatsurteil vom 23.5.2006 - B 13 RJ 38/05 R - BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9). Zudem habe der Gesetzgeber eine spezielle zeitliche Komponente eingeführt (sechs Stunden und mehr). Auch dies verbiete eine Fortgeltung der Rechtsprechung zur Summierung. Der Gesetzgeber habe vielmehr den gesamten Komplex der Benennung von Verweisungstätigkeiten einschränken bzw abschaffen wollen.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 43 SGB VI. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass es auf die bei ihm vorliegende schwere spezifische Leistungseinschränkung nicht ankomme. Auch die aktuelle Rechtslage erfordere eine individuelle Betrachtung mit der Folge, dass bei Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen Erwerbsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nur gegeben sei, wenn eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden könne. Daran fehle es hier.

7

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. März 2008 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie meint, § 43 SGB VI in der seit 2001 geltenden Fassung enthalte nicht nur neue Begrifflichkeiten, sondern auch neue Beurteilungsmaßstäbe. Bei den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts handele es sich um objektive Maßstäbe. Solange ein Versicherter vollschichtig, ohne betriebsunübliche Pausen und ohne infolge einer ekelerregenden Krankheit für andere Betriebsangehörige unzumutbar zu sein, irgendeine Arbeit des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichten und den Weg zum Arbeitsplatz zurücklegen könne, sei er nicht erwerbsgemindert. Selbst wenn die konkrete Betrachtungsweise bei Versicherten mit einer Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung beibehalten werde, ändere dies hier im Ergebnis nichts. Das Fehlen des linken Unterarms müsse nicht zwangsläufig eine schwere spezifische Leistungsbehinderung sein, etwa wenn eine Prothese getragen und der Arm noch zur Unterstützung verwendet werde. Tätigkeiten eines Nebenpförtners könnten durchaus auch an außerhalb eines Betriebs stehende Personen vermittelt werden.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Halbs 1 SGG).

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision hat im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung hat.

12

1. Der Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002 (BGBl I 754). Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs 1 Satz 1 bzw Abs 2 Satz 1, jeweils Nr 2 und 3) haben danach Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Abs 1 Satz 1 Nr 1), bzw auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 Satz 1 Nr 1). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 1 Satz 2). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 2 Satz 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs 3).

13

2. Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine Tätigkeit zu verrichten. Nicht entschieden werden kann unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen indes, ob der Kläger in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch erwerbstätig zu sein, und ob ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss. Das LSG hat dies offengelassen, da eine Benennung von Verweisungstätigkeiten nach § 43 SGB VI idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit(RRErwerbG) vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) - § 43 SGB VI nF - generell nicht mehr erforderlich sei.

14

Die Ansicht des LSG hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Grundsätze, die das BSG zur Erwerbsunfähigkeit nach der vor Inkrafttreten des RRErwerbG geltenden Rechtslage herausgearbeitet hat (hierzu a), sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 1.1.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (hierzu b). Eine Änderung der insoweit maßgeblichen Rechtslage lässt sich weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung oder sonstigen Erwägungen begründen (hierzu c). Der im vorliegenden Fall geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hängt daher davon ab, ob der Kläger noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts im zeitlichen Rahmen erwerbstätig sein kann (hierzu d), bzw ob bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, so dass ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist (hierzu e). Entsprechende Feststellungen wird das LSG daher nachzuholen haben (hierzu f).

15

a) Nach der zu § 44 SGB VI aF ergangenen Rechtsprechung des BSG war die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit bei Versicherten mit einem, wenn auch mit qualitativen Einschränkungen vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag(BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 mwN). Bereits nach den §§ 1246 und 1247 RVO knüpfte der Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an ein Herabsinken der Fähigkeit des Versicherten an, auf dem Arbeitsmarkt ein Einkommen zu erzielen. Die RVO differenzierte zwischen Renten wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit: Während der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO ua davon abhängig war, ob dem Versicherten eine ihm nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen noch mögliche Berufstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnte, setzte der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 1247 Abs 2 RVO voraus, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben konnte. Diese Struktur wurde in den §§ 43 und 44, jeweils aF, SGB VI inhaltlich unverändert übernommen(vgl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" im Sozialrecht, 2009, S 81 mwN). Das Leistungsvermögen und dessen Umsetzungsfähigkeit war an den individuellen Verhältnissen des Versicherten und den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarkts zu messen (BSG stRspr, vgl nur BSGE 80, 24, 31 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 f; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18 und Nr 9 RdNr 18 ff; SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 22 ff, Nr 14 S 41 ff, Nr 17 S 58 ff und Nr 21 S 72 ff).

16

Die Ablehnung einer Rente mangels Minderung der Erwerbsfähigkeit setzte danach regelmäßig die konkrete Benennung zumindest einer Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) voraus, die die den Rentenfall begründende Minderung der Erwerbsfähigkeit ausschloss, weil der Versicherte diese Tätigkeit noch ausüben konnte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24). Zu benennen war eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229 und Nr 74 S 234; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229). Die Angabe einzelner Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale war hingegen nicht ausreichend (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 S 130 f mwN; Senatsurteil vom 27.3.2007 - B 13 R 63/06 R - Juris RdNr 30). Andererseits war aber auch nicht die Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes erforderlich (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324). Die zu benennende Tätigkeit musste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich in ausreichendem Umfang vorkommen (BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28), dh es mussten grundsätzlich mehr als 300 Stellen (besetzt oder offen) vorhanden sein (BSGE 78, 207, 222 f = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 34 f; BSG Urteil vom 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - Juris RdNr 24, 33; vom 26.4.2007 - B 4 R 5/06 R - Juris RdNr 18).

17

Abweichend von diesem Grundsatz war die Benennung einer Verweisungstätigkeit dann nicht erforderlich, wenn der Versicherte - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durfte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 mwN). Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durften bei der Prüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich alle Versicherten (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO S Aa4; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12 f; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18), bei der Prüfung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hingegen nur ungelernte Arbeiter bzw sog Angelernte unteren Ranges (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 72 f mwN). In diesen Fällen war regelmäßig davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubte, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ("Hilfsarbeiten") einerseits einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeiten beschreiben würde, entzogen, das Arbeitsfeld andererseits aber so heterogen war, dass mit einem Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten jedenfalls noch von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden konnte (BSGE 80, 24, 31 ff = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 ff).

18

Trotz der praktischen Schwierigkeiten war - im Sinne einer Rückausnahme - die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag: In diesen Fällen einer überdurchschnittlich starken Leistungsminderung bestanden - entgegen der oben skizzierten grundsätzlichen Annahme - ernsthafte Zweifel, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die dem Versicherten an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereithielt oder dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar war (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324 und Nr 136 S 434). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27).

19

b) Diese Maßstäbe haben - wie bereits der 5. Senat entschieden hat (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18)- auch für die seit dem 1.1.2001 geltende Rechtslage weiterhin Gültigkeit (vgl insoweit auch bereits die Senatsbeschlüsse vom 10.7.2002 - B 13 RJ 101/02 B - Juris RdNr 7 und vom 27.2.2003 - B 13 RJ 215/02 B - Juris RdNr 12). Durch das RRErwerbG wurden die oben skizzierten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht abgeschafft, sondern vielmehr für den Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nF übernommen: Erwerbsfähigkeit iS des § 43 Abs 3 SGB VI nF setzt nicht nur voraus, dass der Versicherte in der Lage ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine Tätigkeit zu verrichten", sondern darüber hinaus, dass er damit in der Lage ist, "erwerbstätig" zu sein, dh unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Das Tatbestandsmerkmal der Fähigkeit zur Ausübung einer "Erwerbstätigkeit" in § 43 Abs 3 SGB VI nF ist § 44 Abs 2 SGB VI aF entnommen. Das Tatbestandsmerkmal der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" knüpft an die - oben wiedergegebene - Rechtsprechung des BSG zu den §§ 1246 und 1247 RVO bzw den §§ 43 und 44 SGB VI aF und die dort verwendete Begrifflichkeit an.

20

c) Die vom LSG gegen eine Weitergeltung dieser Grundsätze nach § 43 SGB VI nF angeführten Argumente überzeugen nicht.

21

aa) Insbesondere steht der Wortlaut des Gesetzes einem Vergleich zwischen der individuellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherten und den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich vorkommenden Erwerbsmöglichkeiten bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht entgegen, sondern gebietet diesen. Denn die - von § 43 SGB VI nF nach dessen Wortlaut geforderte - Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts besteht nur, wenn die dem Versicherten noch möglichen Tätigkeiten überhaupt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt werden können. Auch die Gesetzesbegründung bringt dies klar zum Ausdruck, indem sie auf die Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 ("BSGE 80, 24, 34") Bezug nimmt und ausführt, maßgeblich für die Feststellung des Leistungsvermögens sei die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, dh in jeder nur denkbaren Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe, wobei allerdings nur Tätigkeiten in Betracht kämen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich seien. Damit werde sichergestellt, dass für die Feststellung des Leistungsvermögens solche Tätigkeiten nicht in Betracht zu ziehen seien, für die es für den zu beurteilenden Versicherten einen Arbeitsmarkt schlechthin nicht gebe. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente werde nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht (sog abstrakte Betrachtungsweise), sondern auch davon, ob er noch in der Lage sei, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarkts die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen (BT-Drucks 14/4230 S 25). In Bezug genommen werden durch diese Formulierung - entgegen der Ansicht des LSG - die Möglichkeiten der Erzielung eines Erwerbseinkommens auf dem Teilzeit- und dem Vollzeitarbeitsmarkt. Durch den Hinweis auf die Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) und die Übernahme der dort verwendeten Begrifflichkeit macht die Gesetzesbegründung darüber hinaus deutlich, dass keine Abkehr von der zitierten Rechtsprechung des BSG beabsichtigt war, sondern dass vielmehr an diese angeknüpft werden sollte.

22

bb) Wenn die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4230 S 23, 25) den der abstrakten Betrachtungsweise entgegengesetzten Begriff "konkrete Betrachtungsweise" in anderem Zusammenhang gebraucht, nämlich in Bezug auf sog "Arbeitsmarktrenten" bei teilweiser Erwerbsminderung, ändert dies hieran nichts. Jedenfalls kann daraus, dass der Gesetzgeber die sog "Arbeitsmarktrenten" beibehalten wollte, nicht geschlossen werden, dass er die konkrete Betrachtungsweise in Bezug auf die Fähigkeit eines Versicherten, mit seinem individuellen Leistungsvermögen eine Tätigkeit auszuüben, mit der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen erzielt werden kann, abschaffen wollte. Hierfür ergeben sich aus der Gesetzesbegründung ebenso wenige Anhaltspunkte wie für die Annahme des LSG, der Gesetzgeber habe "den gesamten Komplex der Benennung von Verweisungstätigkeiten einschränken bzw abschaffen" wollen.

23

Die Gesetzesbegründung benennt als Ausgangspunkt für die Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vielmehr zum einen, dass die Rentenversicherung bei einem beträchtlichen Teil der Versicherten nicht nur das Invaliditätsrisiko, sondern auch das Arbeitsmarktrisiko trage, und zum anderen, dass die Rente wegen Berufsunfähigkeit - wegen der dort typischen Bevorzugung von Versicherten mit besonderer Qualifikation in herausgehobenen Positionen - zunehmend in die Kritik geraten sei (BT-Drucks 14/4230 S 1). Ziel des Gesetzgebers war es damit, das durch die Arbeitslosenversicherung abzusichernde Arbeitsmarktrisiko von dem durch die Rentenversicherung abzusichernden Invaliditätsrisiko sachgerecht abzugrenzen (insbesondere auch durch Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit an die Rentenversicherung, vgl BT-Drucks 14/4230 S 1); weiteres Ziel war die Abschaffung der Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der Verzicht auf die Prüfung der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts, dh der fehlenden Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens auf dem konkret offenstehenden Arbeitsmarkt, gehörte - entgegen der Ansicht des LSG - nicht zu den in den Gesetzesmaterialien aufgeführten Zielen. Im Gegenteil legt die Gesetzesbegründung dar, dass eine Erwerbsminderungsrente, bei der (ohne Berücksichtigung der dem Versicherten verbliebenen Möglichkeit, auf dem [Teilzeit-]Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen) allein auf den Gesundheitszustand des Versicherten abgestellt werden sollte, nicht beabsichtigt war (so ausdrücklich BT-Drucks 14/4230 S 25).

24

cc) Eine Ungleichbehandlung von Versicherten mit unterschiedlicher fachlicher Qualifikation ist darin nicht zu sehen. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache, dass ein Versicherter nur auf diejenigen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden kann, die er mit seiner individuellen fachlichen Qualifikation auch ausüben kann, da ihm nur mit diesen Tätigkeiten die Erzielung eines Erwerbseinkommens möglich ist.

25

dd) Maßgeblich ist damit für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (auch) nach § 43 SGB VI nF, ob der jeweilige Versicherte mit seinem individuellen gesundheitlichen und beruflichen Leistungsvermögen Tätigkeiten ausüben kann, mit denen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen ist(so auch Mey, SGb 2007, 217 ff; Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" im Sozialrecht, 2009, S 84 ff; KomGRV, § 43 SGB VI Anm 1.3, 4, 7, Stand April 2008; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Kamprad in Hauck/Noftz, K § 43 SGB VI RdNr 31 ff, 41, Stand Juni 2011; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, 3. Aufl, § 43 SGB VI RdNr 81 ff, Stand September 2009; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, § 43 SGB VI Anm 2, Stand März 2008; Lange in Jahn, SGB für die Praxis, § 43 SGB VI RdNr 26 ff, Stand Februar 2008; Steiner, SGb 2011, 310 ff; 365 ff; Dünn, MedSach 2011, 131 f; aA Apidopoulos, SGb 2006, 720 ff).

26

d) Im vorliegenden Fall kommt es mithin darauf an, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs 1 Satz 2, Abs 3 Halbs 1 SGB VI). Dies setzt voraus, dass es solche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt gibt; nicht entscheidend ist hingegen, ob der Kläger eine konkrete Arbeitsstelle tatsächlich auch findet.

27

aa) Der "allgemeine Arbeitsmarkt" in diesem Sinne umfasst jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt (vgl BT-Drucks 14/4230, S 25). Das Merkmal "allgemein" grenzt den Arbeitsmarkt lediglich von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für Behinderte und andere geschützte Einrichtungen (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, aaO RdNr 85; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 35 f, Stand Juni 2011). Eine Beschränkung auf körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten erfolgt durch die Bezeichnung "allgemeiner Arbeitsmarkt" entgegen der Meinung des LSG hingegen nicht.

28

Eine solche Beschränkung galt auch bei der früheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht. Vielmehr waren bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit alle Versicherten unabhängig von ihrem Beruf auf alle geeigneten Tätigkeiten verweisbar (BSGE 80, 24, 27 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 20; BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO S Aa4; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18). Wenn Versicherte, die zu körperlich leichten oder mittelschweren Arbeiten noch vollschichtig in der Lage waren, "auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder -feld (das meint ungelernte Tätigkeiten)" verwiesen werden durften (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24), so deshalb, weil dies die Tätigkeiten waren, auf die jedenfalls alle Versicherten - unabhängig von ihrem Bildungsstand - verwiesen werden konnten. Ein grundsätzlicher Ausschluss der Verweisung eines qualifizierten Versicherten auf eine seiner beruflichen Qualifikation entsprechende Tätigkeit erfolgte hierdurch jedoch nicht. Deswegen geht auch der Hinweis des LSG auf das Senatsurteil vom 23.5.2006 (SozR 4-2600 § 43 Nr 9) fehl: Wenn dort Feststellungen zu "körperlich leichten und fachlich einfachen Arbeiten, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten werden" (aaO RdNr 24) gefordert wurden, bedeutet dies nicht, dass sich der allgemeine Arbeitsmarkt in solchen Tätigkeiten erschöpfen würde; vielmehr ging es in dieser Entscheidung um die Erwerbsfähigkeit einer ungelernten Versicherten, bei der lediglich eine Verweisung auf Tätigkeiten mit diesem Anforderungsprofil in Betracht kam.

29

bb) Unter den "üblichen Bedingungen" iS des § 43 SGB VI nF ist das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, dh unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt. Hierzu gehören sowohl rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften, als auch tatsächliche Umstände, wie zB die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz (vgl zB Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, aaO RdNr 86 ff, Stand September 2009). Üblich sind Bedingungen, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG SozR 4100 § 103 Nr 17 S 40, 42; SozR 2200 § 1247 Nr 43 S 86 f). Eine Einsatzfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ist insbesondere nicht mehr gegeben, wenn einer der in der Rechtsprechung des BSG anerkannten sog Katalogfälle einschlägig ist (vgl im Einzelnen BSGE 80, 24, 34 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28 f).

30

cc) Hieran ändert auch nichts, dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nach § 43 Abs 3 Halbs 2 SGB VI nF nicht zu berücksichtigen ist. Denn hiermit ist lediglich gemeint, dass konjunkturelle Schwankungen des Arbeitsmarkts unberücksichtigt zu bleiben haben. Wird eine bestimmte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber aus strukturellen Gründen nicht (mehr) nachgefragt, kann man mit ihr auch kein Erwerbseinkommen erzielen, mit ihr also nicht erwerbstätig sein iS des § 43 Abs 3 SGB VI.

31

dd) Für den Regelfall kann damit davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - täglich mindestens sechs Stunden verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen noch erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel noch möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in meist ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden (zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw - vgl BSGE 80, 24, 31 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 f).

32

Der Senat hält diese beispielhaft genannten Verrichtungen bzw Tätigkeiten nach wie vor für geeignet, um zu überprüfen, ob tatsächlich von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen werden kann. Er übersieht hierbei nicht, dass sich die Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seit Anfang der 1980iger Jahre (vgl hierzu BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 81 und Nr 90) verändert haben. Neue Arbeitsfelder, insbesondere im Dienstleistungsbereich und im Bereich der Informationstechnik mögen hinzugekommen sein; gleichwohl ist anhand der og Verrichtungen bzw Tätigkeiten eine Überprüfung, ob mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen ausreichende Erwerbsmöglichkeiten für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich vorhanden sind, jedenfalls auch für dort zu verrichtende ungelernte Tätigkeiten weiterhin möglich.

33

e) Es besteht jedoch dann die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26). Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die einer Konkretisierung schwer zugänglich sind (Senatsurteile vom 19.8.1997 - BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69; vom 20.8.1997 - SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f). Eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, dass immer dann, wenn "ernsthafte Zweifel" bestehen, ob der Versicherte "in einem Betrieb einsetzbar" ist (oder ein Katalogfall vorliegen könnte), die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht (so BSGE 80, 24, 39, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33, 27: "ernste Zweifel"; vgl schon BSG 4. Senat vom 30.11.1982 - SozR 2200 § 1246 Nr 104 LS; Senatsurteile vom 19.8.1997 - 13 RJ 55/96 - SozSich 1998, 112 - Juris RdNr 24; vom 20.8.1997 - BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 59; vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97 - Juris RdNr 20, vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73; vom 23.8.2001 - B 13 RJ 13/01 R - Juris RdNr 21; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43 und vom 10.12.2003 - BSG SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 11).

34

aa) Insofern richtet sich der hierbei anzustellende Prüfungs- und Begründungsaufwand nach den konkreten Umständen des Einzelfalls; insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss der Rentenversicherungsträger bzw das Tatsachengericht die Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen. Erforderlich ist eine Untersuchung, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (Senatsurteile vom 23.5.2006 - SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23; vom 19.8.1997 - BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 70; vom 20.8.1997 - BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61; vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97 - Juris RdNr 24 ff). Diesen aufgezeigten abstrakten Maßstäben ist allerdings Kritik entgegengesetzt worden im Hinblick auf die Praktikabilität dieser Rechtsprechung (Köbl in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskommentar zum SGB VI, § 43 RdNr 168, Stand Oktober 2006)und den damit verbundenen Begründungsaufwand für die Rentenversicherungsträger und die Instanzgerichte (Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 107).

35

bb) Aus diesem Grund weist der Senat erneut darauf hin, dass sich aus Zweckmäßigkeits- und aus Effektivitätsgründen die rentenrechtliche Prüfung in zwei Schritten anbietet:

36

(1) Bei Versicherten, die trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten können, ist die Einsatzfähigkeit des Versicherten in einem Betrieb nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen (noch kommt die Möglichkeit einer praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts in Betracht). Auf der ersten Prüfstufe ist daher festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw <vgl BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25>)erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. In diesem Fall genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (vgl BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; Senatsurteile vom 19.8.1997 - 13 RJ 29/95 - SozSich 1998, 111 - Juris RdNr 30; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 14.7.1999 - B 13 RJ 65/97 R - Juris RdNr 32; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; vom 10.12.2003 - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 23; sog "kleines Benennungsgebot": vgl Köbl, aaO RdNr 168; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Spiolek, SGb 1999, 509, 510; kritisch Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 42, Stand Juni 2011; aA wohl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108). Damit können "ernste Zweifel" an der oben beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

37

(2) Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gibt, die der Versicherte unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch ausfüllen kann und insofern "ernste Zweifel" an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, stellt sich die Prüfpflicht, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl Senatsurteile vom 20.8.1997 - SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 44). Verbleibt es bei den ernsten Zweifeln an der Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der individuellen Leistungseinschränkungen, ist mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zum Ausschluss der Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung erforderlich (vgl BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33).

38

f) Ob dem Kläger ein Verweisungsberuf benannt werden muss, kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entschieden werden. Sollte sich das LSG nicht davon überzeugen können, dass der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen noch bestimmte "Arbeitsfelder" ausfüllen bzw og "Tätigkeiten der Art nach" noch verrichten kann - um Zweifel an der betrieblichen Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuräumen -, wird das LSG das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu prüfen haben. Bejaht es die eine oder andere Alternative, wird es Feststellungen nachzuholen haben, ob dem Kläger ein konkreter Verweisungsberuf benannt werden kann, den er mit seinen individuellen gesundheitlichen Leistungseinschränkungen und seiner fachlichen Qualifikation noch ausüben kann. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, ob der Kläger den Bedingungen und Anforderungen, unter denen die entsprechende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Erzielung eines Erwerbseinkommens ausgeübt wird, noch gewachsen ist.

39

Das LSG wird abschließend über die gesamten Kosten des Rechtsstreits nach § 193 SGG zu befinden haben(BSG SozR 5870 § 2 Nr 62 S 201 f).

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. November 2006 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren hat.

2

Bei dem 1962 geborenen Kläger sind wegen eines Diabetes mellitus mit Folgeerkrankungen seit Februar 2004 ein Grad der Behinderung von 100 und u.a. das Merkzeichen „Bl“ (Blindheit) festgestellt worden. Er war von 1978 bis April 1990 überwiegend sozialversicherungspflichtig als Kraftfahrer beschäftigt. Anschließend war er bis zum 1. September 1990 arbeitslos. Danach war er in Deutschland zunächst nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund einer Mitteilung des dänischen Sozialversicherungsträgers (Formblatt E 205) vom 6. Mai 2004 berücksichtigte die Beklagte die Zeit vom 10. April 1995 bis zum 26. März 1997 als Pflichtbeitragszeit. Vom 27. März 1997 bis zum 15. Juli 2000 sind keine Zeiten im Versicherungskonto des Klägers gespeichert. Vom 16. Juli 2000 bis zum 19. Juli 2001 war er wieder in Deutschland als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt und anschließend arbeitsunfähig oder arbeitslos. Für die Zeit bis zum 6. Dezember 2004 sind aufgrund des Bezugs von Sozialleistungen Pflichtbeitragszeiten im Versicherungskonto des Klägers gespeichert. Seit dem 1. Mai 2003 bezieht der Kläger eine dänische Erwerbsminderungsrente.

3

Am 7. Januar 2003 beantragte der Kläger sowohl Arbeitslosengeld bei der Bundesanstalt für Arbeit als auch Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Die Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsamt E., zog den Kläger betreffende medizinische Unterlagen bei und veranlasste das Gutachten der Arbeitsamtsärztin K. vom 17. Februar 2003. Die Bundesanstalt für Arbeit bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld unter Bezugnahme auf die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Den Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2004 mit der Begründung ab, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfülle.

4

Am 7. Dezember 2004 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und fügte dem Antrag einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 14. Dezember 2004 bei. Die Beklagte zog zahlreiche Arztbriefe des Klinikums P. bei, die sich auf die stationären Behandlungen des Klägers im Oktober 2001, im Juni/Juli 2004 sowie im Februar 2005 bezogen. Weitere den Kläger betreffende medizinische Unterlagen einschließlich des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens der Frau K. vom 17. Februar 2003 sowie eines Arztbriefes des Klinikums E. vom 5. Juli 2002 über die Behandlung des Klägers in der Zeit vom 15. Juni 2002 bis zum 7. Juli 2002 lagen der Beklagten aufgrund eines vorangegangenen Verfahrens um die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe vor.

5

Mit Bescheid vom 15. März 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfülle. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe eine volle Erwerbsminderung seit dem 15. Juni 2002. In den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt der Erwerbsminderung seien nur zwei Jahre und damit nicht die erforderlichen drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt.

6

Zur Begründung des dagegen am 30. März 2005 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass er nicht bereits im Jahr 2002 voll erwerbsgemindert gewesen sei. Blindheit sei erst im März 2004 festgestellt worden und das Arbeitsamt habe Leistungen bis Dezember 2004 gezahlt. Dazu nahm der Kläger Bezug auf einen Bescheid des Kreises S. vom 18. Juni 2004 über die Gewährung von Blindengeld ab dem 1. Juli 2004 sowie einen Bescheid des Landesamtes für soziale Dienste Schleswig-Holstein vom 31. März 2004 über die Feststellung eines GdB von 100 und die Zuerkennung u.a. des Merkzeichens „Bl“ mit Wirkung für die Zeit ab dem 9. Februar 2004 sowie einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit E., vom 2. Dezember 2004 über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung vom 7. Dezember 2004.

7

Nach Einholung einer Stellungnahme ihres ärztlichen Prüfdienstes vom 13. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2005 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass der Kläger bereits im Jahr 2002 voll erwerbsgemindert gewesen sei und dass deshalb die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Am 17. Februar 2003 habe die Agentur für Arbeit E. eine ärztliche Begutachtung durchgeführt. Dabei sei ein aufgehobenes Leistungsvermögen bei Zuckerkrankheit mit Folgeerscheinungen festgestellt worden. Es habe ein Geschwür am linken Großzeh im Rahmen der Zuckerkrankheit bestanden. Damit seien die Beweglichkeit und die Gehfähigkeit eingeschränkt. Festes Schuhwerk habe nicht getragen werden können. Der Ulcus habe sich im Zustand der Granulation befunden. Daneben habe eine extreme Einschränkung des Sehvermögens im Rahmen der Zuckerkrankheit vorgelegen, wobei auf dem rechten Auge fast gar kein Sehvermögen mehr bestanden habe und das linke Auge habe sich deutlich verschlechtert. Daneben habe eine Dupuytren'sche Kontraktur beidseits bestanden. Mit der rechten Hand habe der Kläger nur noch schlecht zugreifen können. Es habe eine endgradige Beugehemmung der Finger 2 bis 5 und eine Beugung des Fingers 5 in fast 90 Grad-Position bestanden. Der linke Kleinfinger sei in extremer Beugestellung fixiert. Zusätzlich sei die Schulterbeweglichkeit rechts endgradig eingeschränkt. Spätestens mit dem Datum der arbeitsamtsärztlichen Untersuchung liege ein aufgehobenes Leistungsvermögen vor, wahrscheinlich sogar bereits seit der stationären Aufnahme wegen des Ulcus am 15. Juni 2002.

8

Dagegen hat sich der Kläger mit der am 23. Juni 2005 bei dem Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage gewandt und zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

1. den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2005 aufzuheben,

11

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung seit dem 1. Dezember 2004 zu gewähren.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Sie hat sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.

15

Das Sozialgericht hat einen Befund- und Behandlungsbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 12. September 2005 mit weiteren Arztbriefen sowie einen Befund- und Behandlungsbericht des Augenarztes Dr. D. vom 22. September 2005 eingeholt. Ferner hat das Sozialgericht das medizinische Gutachten des Arztes für innere Medizin B. vom 7. November 2006 eingeholt und in der mündlichen Verhandlung am 23. November 2006 den Verwaltungsbeamten L. als berufskundigen Sachverständigen gehört.

16

Mit Urteil vom 23. November 2006 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 1. Dezember 2004 zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die volle Erwerbsminderung des Klägers nicht in der Zeit vor dem 2. Juni 2003 eingetreten sei, sondern erst mit der vollständigen Erblindung im März 2004. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten, intermittierend auch mittelschwere Tätigkeiten, sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten an laufenden Maschinen, ohne Arbeiten auf unebenem Grund und unter Berücksichtigung einer vorliegenden Einäugigkeit. In der Zeit davor habe auch noch keine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit aufgrund der Durchblutungsstörungen im Bereich der Füße bestanden. Vielmehr sei es zu einer langsamen Abheilung der Entzündung in der linken Großzehe gekommen und nach Versorgung mit einem so genannten Vorfußentlastungsschuh sei der Kläger noch in der Lage gewesen, eine Viertelstunde bis zu 20 Minuten zu laufen. Diese Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung seien - wie der medizinische Sachverständige B. bestätigt habe - unter Berücksichtigung der vorhandenen Befundberichte absolut glaubhaft. Die stark eingeschränkte Sehfähigkeit des Klägers habe in der Zeit vor März 2004 nicht zu einer vollen Erwerbsminderung geführt, sondern lediglich zum Vorliegen der genannten qualitativen Einschränkungen. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger noch in der Lage gewesen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten in Gestalt der Bedienung von Stanzen in der Metallindustrie zu verrichten. Dabei handele es sich um eine leichte Tätigkeit, die auch noch mit den beim Kläger vorliegenden qualitativen Einschränkungen einschließlich der Einäugigkeit verrichtet werden könnten.

17

Gegen das ihr am 29. Dezember 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 12. Januar 2007 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Der Kläger erfülle die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nur, wenn der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung nach dem 1. Juni 2003 eingetreten wäre. Der Leistungsfall sei jedoch bereits im Juni 2002 und nicht - wie das Sozialgericht angenommen habe - erst im März 2004 eingetreten. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass der Kläger bereits vor März 2004 an beiden Händen wegen Dupuytren’scher Kontraktur habe operiert werden müssen, die schlecht geheilt seien und die Belastbarkeit für jede manuelle Tätigkeit für einen längeren Zeitraum verhindert habe. Wesentlich für die sozialmedizinische Festlegung des Eintritts des Leistungsfalls bereits im Juni 2002 seien die wiederholten operativen Eingriffe im Bereich der Vorfüße mit Nekrosen und schlechter Heilungstendenz nach Amputation im Rahmen einer diabetischen Mikroangiopathie. Schließlich sei in der Urteilsbegründung nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger am 17. Februar 2003 durch die Agentur für Arbeit E. sozialmedizinisch untersucht worden sei. Nach der dortigen Einschätzung habe zum damaligen Zeitpunkt im Hinblick auf die Zuckerkrankheit und die Folgeerkrankungen (Ulcus am linken Fuß, Sehminderung) keinerlei Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt mehr bestanden. Der Kläger habe damals bereits angegeben, seit der deutlichen Sehverschlechterung nicht mehr selbst Auto fahren und öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr alleine benutzen zu können. Zu Fuß könne er lediglich kurze Entfernungen in ihm bekannter Umgebung bewältigen. Aufgrund des Geschwürs am linken Großzeh sei das Tragen festen Schuhwerks nicht empfohlen worden, um die Abheilung des granulierenden Ulcus nicht zu gefährden. Der Kläger sei seit Mitte des Jahres 2001 durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Vom Eintritt des Leistungsfalles sei danach bereits zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme im Juni 2002 und nicht erst im März 2004 auszugehen.

18

Die Beklagte beantragt,

19

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er bezieht sich im Wesentlichen auf den Inhalt der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten sowie die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils.

23

Der Senat hat den Befund- und Behandlungsbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 20. Februar 2007, eine Auskunft des Augenarztes Dr. D. vom 28. August 2008 sowie ein Gutachten des Arztes für innere Krankheiten und Psychiatrie Dr. T. (Eingang am 21. April 2008) eingeholt. Wegen des Inhalts des Gutachtens wird auf Bl. 163-160 der Gerichtsakte verwiesen. In der mündlichen Verhandlung am 29. April 2008 hat Dr. T. sein Gutachten erläutert. Außerdem hat der Senat den Verwaltungsbeamten Kb. als berufskundigen Sachverständigen gehört.

24

Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Landesamtes für soziale Dienste haben dem Senat vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten, mit denen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist, sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Rente, weil er die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt. Er hat in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht wenigstens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit.

26

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

27

1. voll erwerbsgemindert sind,

28

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

29

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

30

Der Kläger ist zwar voll erwerbsgemindert und er hat auch vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt. In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung hat er jedoch nicht drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit.

31

Der Kläger hat in der Zeit vom 27. März 1997 bis zum 15. Juli 2000 keine Pflichtbeiträge und auch keine anderen Zeiten, die den Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI verlängern könnten. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Kläger in dieser Zeit keine Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches ausgeübt hat und dass deshalb gemäß § 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) auch keine Versicherungspflicht im Sinne des deutschen Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden konnte. Zwar sind Versicherungszeiten, die in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union zurückgelegt worden sind, gemäß Art. 45 Abs. 1 EWGV 1408/71 so zu berücksichtigen, als ob es sich um nach deutschem Recht zurückgelegte Zeiten handeln würde. Nach der vorliegenden Mitteilung des dänischen Sozialversicherungsträgers hat der Kläger jedoch auch in Dänemark in der Zeit nach dem 26. März 1997 keine rentenrechtlichen Zeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt, obwohl er nach der vorliegenden Bescheinigung der Dansk Transport Ka. A/S vom 27. August 2001 und seinen Angaben in seinem Schreiben vom 26. November 2001 auch noch bis zum 10. September 1999 als Kraftfahrer tätig war. Der Kläger hat in Dänemark unter dem 26. März 1997 eine „Erklärung über Kranken- und Rentenversicherung“ unterschrieben, nach der er „die Bedingungen für eine Sozialversicherung in Dänemark nicht erfüllt“. Mit Schreiben vom 26. November 2001 hat der Kläger dazu gegenüber der Beklagten erklärt, dass er eine private Rentenversicherung abgeschlossen habe, die er inzwischen auf seine getrennt lebende Frau übertragen habe. Die Mitteilung des dänischen Sozialversicherungsträgers zu den Zeiten der rentenversicherten Beschäftigung (E 205) ist für den deutschen Rentenversicherungsträger grundsätzlich verbindlich (vgl. BSG, Urt. v. 25. Februar 1992 - 4 RA 28/91, SozR 3-6050 Art. 46 Nr. 5 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Fallgestaltung vorliegen würde, bei der die Bescheinigung (E 205) ausnahmsweise nicht als verbindlich zu Grunde zu legen wäre (zur Berücksichtigung französischer Beitragstrimester in der deutschen Rentenversicherung vgl. BSG, Urt. v. 23. April 1990 - 5 RJ 58/89, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 4), liegen nicht vor. Da der Kläger nach dem 26. März 1997 zwar in Dänemark erwerbstätig war, aber eine versicherungspflichtige Beschäftigung erst wieder zum 16. Juli 2000 aufgenommen hat, ist die Zeit vom 27. März 1997 bis zum 15. Juli 2000 weder mit Pflichtbeitragszeiten noch mit anderen Zeiten, die gem. § 43 Abs. 4 SGB VI eine Verlängerung des Zeitraums von fünf Jahren zur Folge hätten, belegt. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt er auch nicht aufgrund der Übergangsregelung des § 241 Abs. 2 SGB VI, weil nicht jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Ein Fall der vorzeitigen Wartezeiterfüllung, in dem die Pflichtbeitragszeit von drei Jahren ausnahmsweise nicht erforderlich wäre (§ 43 Abs. 5 i.V.m. § 53 SGB VI), liegt ebenfalls nicht vor. Aus diesem Grunde werden die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nur bei einem Eintritt der Erwerbsminderung ab dem 2. Juni 2003 erfüllt.

32

Die (volle) Erwerbsminderung ist bei dem Kläger jedoch bereits vor dem 2. Juni 2003 eingetreten. Zwar verfügte der Kläger bis zum 1. Juni 2003 noch über ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr. Ein solches Leistungsvermögen steht im Grundsatz der Annahme einer vollen Erwerbsminderung entgegen, ohne dass es auf die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ankäme. Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Abweichend von diesem Grundsatz ist jedoch die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. BSG, Beschl. v. 19. Dezember 1996 - GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24). Als eine solche schwere Einschränkung ist in der Rechtsprechung u.a. die Einarmigkeit oder die Einäugigkeit angesehen worden (vgl. BSG, Beschl. vom 19. Dezember 1996, a.a.O.; BSG, Urt. v.19. April 1978 - 4 RJ 55/77, SozR 2200 § 1246 Nr. 30).

33

Bei dem Kläger lag bereits in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 Einäugigkeit vor. Darüber hinaus war das Sehvermögen auf dem anderen Auge auf ein Zehntel (0,1) reduziert. Aus dieser Einschränkung des Sehvermögens resultierte bereits für die Zeit bis zum 1. Juni 2003 eine mangelhafte Lesbarkeit von Bedrucktem, Probleme bei optischen Tätigkeitskontrollen, Schwierigkeiten bei der Aufnahme sozialer Kontakte, eine beschränkte Orientierungs- und Lesefähigkeit sowie eine aufgehobene Fähigkeit, am motorisierten Straßenverkehr teilzunehmen. Darüber hinaus war der Kläger aufgrund eines Zustands nach operativer Behandlung Dupuytren'scher Kontrakturen an beiden Händen nicht mehr in der Lage, feinmotorische Arbeiten mit den Händen zu verrichten. Wegen eines am 1. Juni 2003 bereits seit mehr als sechs Monaten bestehenden Geschwürs am linken Großzehenballen konnte der Kläger Tätigkeiten nur noch überwiegend im Sitzen verrichten. Druckbelastungen sowie Nässe und Schmutz waren wegen des bestehenden Geschwürs auch zur Vermeidung von Wundinfektionen auszuschließen. Darüber hinaus waren Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck, Tätigkeiten mit Nacht- und Wechselschicht sowie mit Anforderungen an die Gehfähigkeit ausgeschlossen.

34

Mit diesen Feststellungen zum Leistungsvermögen des Klägers in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 bezieht sich der Senat auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. T.. Der Sachverständige hat den Kläger am 7. April 2008 untersucht und die aktenkundigen medizinischen Unterlagen erkennbar vollständig ausgewertet. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten der Frau K. vom 17. Februar 2003 zu, das nach einer Untersuchung des Klägers erstattet worden war. Bereits zu diesem Zeitpunkt war bei dem Kläger auf dem rechten Auge fast kein Sehvermögen mehr festgestellt worden und auf dem linken Auge ein Sehvermögen von unter 30 %. In dem Gutachten wird ausgeführt, dass der Kläger bereits nicht mehr selbst Auto fahre und auch keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr alleine benutze. Zu Fuß könne er nur noch kurze Entfernungen in ihm bekannter Umgebung bewältigen. Das Geschwür am linken Großzeh sei in Abheilung begriffen. Es bestehe aber noch eine deutliche Schwellung des linken Vorfußes. Die Beweglichkeit und Gehfähigkeit sei eingeschränkt und dem Kläger sei festes Schuhwerk nicht zu empfehlen, um die Abheilung des Ulcus nicht zu gefährden. Außerdem wurde bei der Untersuchung festgestellt, dass der Kläger mit der rechten Hand nur noch schlecht zugreifen könne bei endgradiger Beugehemmung der Finger II bis IV und Beugung des Fingers V in fast 90 Grad-Position. Der linke Kleinfinger sei in extremer Beugestellung fixiert. Völlig frei beweglich seien nur noch die Finger I bis IV der linken Hand. Aus dem Befundbericht des Augenarztes Dr. D. vom 22. September 2005 sowie dem vom Kläger in dem Verwaltungsverfahren um die Feststellung des Grades der Behinderung beim Landesamt für soziale Dienste vorgelegten Attest dieses Arztes vom 28. April 2003 geht hervor, dass sich das Sehvermögen in der Folgezeit noch weiter verschlechtert hat. So hat Dr. D. die Sehschärfe für April 2003 wie folgt bezeichnet: Rechts: kein Lichtschein bzw. weniger als 0,05 und links: 0,1.

35

Mit dem genannten Leistungsvermögen war dem Kläger der Arbeitsmarkt bereits vor dem 2. Juni 2003 verschlossen; er war auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein und damit voll erwerbsgemindert i.S.d. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Einfache Aufgaben in Verbindung mit Publikum wie z.B. als Pförtner, Wächter oder als Kassierer setzen die Fähigkeit voraus, sicher zu kommunizieren und sich schnell auf sich verändernde Situationen einzustellen. Dazu gehört auch, Personen und deren Reaktionen sicher zu erkennen und gleichzeitig das Umfeld, das zum Verantwortungsbereich gehört, im Blickfeld zu behalten. Wegen seines eingeschränkten Sehvermögens konnte der Kläger diesen Anforderungen bereits vor dem 2. Juni 2003 nicht mehr entsprechen. Einfache leichte industrielle Arbeiten z.B. als Packer, Sortierer oder Maschinenbediener erfordern den Umgang mit kleinen leichten Teilen. Sie setzen Handgeschicklichkeit voraus. Auch im Zeitlohn wird eine Grundschnelligkeit erwartet, die den Kläger wegen seines eingeschränkten Sehvermögens und der eingeschränkten Beweglichkeit der Hände bereits vor dem 2. Juni 2003 überfordert hätten. Durch den Ausschluss von Arbeiten mit besonderem Zeitdruck wird diese Problematik noch verstärkt. Auch andere Tätigkeiten, die der Kläger mit dem dargestellten Leistungsvermögen vor dem 2. Juni 2003 noch hätte verrichten können, sind nicht ersichtlich.

36

Mit den Feststellungen zu den Arbeiten, die der Kläger mit dem vorliegenden Leistungsvermögen noch verrichten konnte, folgt der Senat dem in der mündlichen Verhandlung erstatteten schlüssigen und überzeugenden Gutachten des berufskundigen Sachverständigen Kb.. Dagegen folgt der Senat nicht der Beurteilung des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen L., der davon ausgegangen war, dass der Kläger noch in der Lage sei, bestimmte Maschinenbedienertätigkeiten (Stanze in der Metallindustrie) zu verrichten. Der Sachverständige L. hat bei seiner Beurteilung nicht berücksichtigt, dass das Sehvermögen des Klägers nicht nur durch die Blindheit auf dem einen Auge und damit bezogen auf das räumliche Sehen eingeschränkt war, sondern dass darüber hinaus das Sehvermögen auf dem anderen Auge bereits vor dem 2. Juni 2003 ganz erheblich reduziert war. Darüber hinaus hat der Sachverständige L. in seinem Gutachten nicht die beim Kläger vorliegenden Einschränkungen der Handfunktion und den Ausschluss von Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck berücksichtigt. Der Sachverständige L. hat sich dabei auf die - unvollständige - Darstellung der qualitativen Einschränkungen in dem im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten des Internisten B. bezogen.

37

Dem Kläger war darüber hinaus bereits in der Zeit vor dem 2. Juni 2003 der Arbeitsmarkt verschlossen, weil er nicht in der Lage war, den Weg zu einer Arbeitsstelle zurückzulegen. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 21. März 2006 - B 5 RJ 51/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 8, m.w.N.). Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, stellt bei dem anzuwendenden generalisierenden Maßstab eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögen als verschlossen anzusehen ist. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz inne hat, der in zumutbarer Entfernung liegt oder mit einem vorhandenen Kraftfahrzeug erreichbar ist oder wenn ihm ein entsprechender Arbeitsplatz angeboten wird. Die Zurücklegung einer Fußstrecke von viermal 500 m war dem Kläger bereits in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten. Der Kläger hat dagegen eingewandt, dass er in dieser Zeit tatsächlich noch derartige Wegstrecken zurückgelegt habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der dort vernommene Sachverständige B. erklärt, dass er diese Angaben des Klägers für nachvollziehbar halte. Auch der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. T. hält diese Angaben des Klägers für nachvollziehbar. Dabei hat der Sachverständige Dr. T. berücksichtigt, dass die durch den Diabetes ausgelöste Schädigung der Nerven ein reduziertes Schmerzempfinden zur Folge hat, sodass nicht auszuschließen ist, dass der Kläger trotz der bereits am 1. Juni 2003 bestehenden gravierenden Schädigung (die schließlich im Juni des Folgejahres eine Amputation des Vorfußes erforderlich machte) Wegstrecken von mehr als 500 m zu Fuß zurückgelegt hat. Allerdings hat der Sachverständige Dr. T. in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Zurücklegung derartiger Wegstrecken angesichts der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörung am Fuß zu einer weiteren Schädigung führen kann und dass die Zurücklegung dieser Wegstrecke dem Kläger keinesfalls viermal täglich zugemutet werden konnte. Einer Zurücklegung dieser Wegstrecken stand neben der erforderlichen Vermeidung von Druckbelastungen auch der Ausschluss von Nässe und Schmutz zur Vermeidung von Wundinfektionen entgegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 nicht in der Lage war, normales Schuhwerk zu tragen. Dies geht aus dem o.g. arbeitsamtsärztlichen Gutachten der Frau K. hervor und wird durch den Befund- und Behandlungsbericht des den Kläger behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 20. Februar 2007 bestätigt. Danach wurde dem Kläger im Februar 2003 ein Postoperationsschuh links wegen des diabetischen Fußes nach tiefer Fistelung verordnet. Erst am 16. Juni 2003 erfolgte die Verordnung eines Vorfußentlastungsschuhs bei diabetischem Fuß. Die Erkrankung am linken Fuß des Klägers, die seine Wegefähigkeit aufgehoben hat, bestand mindestens seit der Aufnahme in das Krankenhaus E. am 15. Juni 2002, bei der ein tiefer Infekt am linken Fuß nach Entgleisung des Diabetes mellitus diagnostiziert worden war, und damit für einen Zeitraum von deutlich mehr als sechs Monaten. Damit bestand die Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens bereits am 1. Juni 2003 „auf nicht absehbare Zeit“ (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 43 Rdz. 25 m.w.N.). Aufgrund der Einschränkung des Sehvermögens war der Kläger auch nicht in der Lage, einen Arbeitsplatz mit dem eigenen Kraftfahrzeug zu erreichen. Dazu bezieht sich der Senat auf die überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. T. in der mündlichen Verhandlung am 29. April 2008. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung bei der Unterschreitung einer Sehschärfe von 0,2 auf einem Auge eine Sehschärfe von wenigstens 0,6 auf dem anderen Auge verlangt wird (siehe § 12 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr -Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) mit dem Verweis auf Anlage 6 „Anforderungen an das Sehvermögen“). Diese Anforderungen unterschritt der Kläger bereits in der Zeit bis zum 1. Juni 2003 deutlich.

38

Da der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung nach der Aufgabe der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung im Juli 2001 vor dem 2. Juni 2003 eingetreten ist, hat der Kläger jedenfalls nicht mehr als 35 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung. Die gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI mindestens erforderlichen 36 Kalendermonate (drei Jahre) mit Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung erreicht er damit nicht. Damit erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

40

Die Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 SGG liegen nicht vor.


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.

(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.

(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.

(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.

(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.

(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.

(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.