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Die gemäß §§ 143, 151 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG, da die Berufung Leistungen für mehr als ein Jahr umfasst. Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weshalb das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.
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Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (BGBl I 2000, 1827) und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554). Denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden gemäß § 302b SGB VI keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt.
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Versicherte haben gemäß § 43 Abs 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß § 43 Abs 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGBVI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGBVI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
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Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger noch in der Lage, eine leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit in verschiedenen Körperhaltungen überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Gutachten des Dr. Sch., aber auch aus den Ermittlungen im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren, hier insbesondere den Gutachten des Dr. C. und Dr. B. und den von Prof. Dr. H. erhobenen Befunden. Der Kläger ist danach noch in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in verschiedenen Körperhaltungen überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Eine Toilette sollte erreichbar sein. Vermeiden muss der Kläger Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Tätigkeiten in Nachtschicht, mit vermehrtem Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, mit vermehrten Erschütterungen und Vibrationen, mit erhöhter Unfallgefahr und Tätigkeiten, die eine uneingeschränkte Gang- und Standsicherheit voraussetzen.
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Die Belastbarkeit des Klägers ist aufgrund von Gesundheitsstörungen im internistischen Bereich eingeschränkt. Der Kläger leidet insbesondere an einer chronischen Pankreatitis mit erhöhter Stuhlfrequenz (aber ohne Kachexie), daneben auch an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II, einem intermittierenden Vorhofflimmern und einer bekannten chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung. Bezüglich der chronischen Pankreatitis hat der Kläger gegenüber Dr. Sch. explizit eine Stuhlinkontinenz, definiert als Unvermögen der willkürlichen Stuhlzurückhaltung, und Koliken verneint. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. Sch. und der ergänzenden Stellungnahme vom 17. September 2010. Der Kläger hat lediglich angegeben, bei Stuhldrang immer direkt zur Toilette gehen zu müssen. Damit wird jedoch keine Stuhlinkontinenz beschrieben. Die bloße Behauptung des Klägers, gegenüber Dr. Sch. wie auch gegenüber den erstinstanzlich tätigen Ärzten, insbesondere zB Dr. B., nicht etwa eine Inkontinenz verneint zu haben, sondern diese gerade beschrieben zu haben, ist nicht glaubhaft. Denn Dr. B., der den Kläger zweimal untersucht hat, hat ebenfalls eine Stuhlinkontinenz gerade nicht feststellen können. Gegenüber Dr. B. hat der Kläger ausdrücklich angegeben, den Stuhl in der Regel halten zu können und innerhalb von 24 Stunden an zehn Darmentleerungen zu leiden. Dass die Gutachter die Angaben des Klägers aufgrund der Sprachschwierigkeiten missverstanden haben könnten, ist nicht ersichtlich. Denn keiner der bisherigen Gutachter hat bei der Begutachtung Anhaltspunkte für eine nicht ausreichende Kommunikationsfähigkeit des Klägers in deutscher Sprache gefunden, sämtliche Begutachtungen wurden ohne Dolmetscher durchgeführt. Zur Einschaltung eines Dolmetschers hat auch kein Anlass bestanden, da zB der frühere Hausarzt des Klägers, Dr. N., im Befundbericht vom 26. Juni 2006 die Verständigungsmöglichkeit mit dem Kläger in deutscher Sprache ausdrücklich bejaht hat. Des Weiteren ergibt sich aus der Begutachtungssituation bei Dr. Sch. die Richtigkeit der vom Gutachter wiedergegebenen Angaben des Klägers. Denn Dr. Sch. hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich für eine Stuhlinkontinenz auch in der Gutachtenssituation kein Anhalt ergeben hat und eine solche auch pathophysiologisch nicht ausreichend erklärbar wäre, da eine Sphinkterschwäche nicht nachgewiesen ist. Die vom Kläger noch durchgeführten Aktivitäten wie zB regelmäßige Fahrten mit der Ehefrau von W. nach Freiburg (auch wenn der Kläger dort in einem Café wartet) und eine Reise nach Italien sprechen ebenfalls gegen eine Stuhlinkontinenz. Schließlich finden sich bezüglich einer Stuhlinkontinenz keinerlei Hinweise in den vorliegenden Arztbriefen und sachverständigen Zeugenauskünften. Die chronische Pankreatitis hat deshalb zur Überzeugung des Senats beim Kläger lediglich eine erhöhte Stuhlfrequenz zur Folge, jedoch keine Stuhlinkontinenz. Ob der Kläger deshalb an sog Fettstühlen leidet und eine „ölige Flüssigkeit“ ausscheidet, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist nicht nachgewiesen, dass dieses Ausscheiden unkontrollierbar erfolgt. Gegen das Auftreten massiver Fettstühle und eine Malabsorption im Darmtrakt spricht im Übrigen, dass der Kläger nicht an Kachexie leidet und die Serumeiweißelektrophorese, die Dr. Sch. durchgeführt hat, unauffällig war. Des Weiteren leidet der Kläger an mittellebhaften Darmgeräuschen, einem geblähten Bauch und vermehrtem Abgang von Winden. Auswirkungen der chronischen Pankreatitis auf das berufliche Leistungsvermögen ergeben sich dadurch, dass eine Toilette in erreichbarer Nähe sein sollte. Eine zeitliche Leistungseinschränkung ergibt sich jedoch nicht.
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Der insulinpflichtige Diabetes mellitus ist seit Beginn der Insulintherapie zunächst gut eingestellt gewesen (Auskunft Dr. R. vom 11. September 2008) und auch jetzt noch ausreichend eingestellt (Gutachten des Dr. Sch.), weshalb sich hieraus ebenfalls keine zeitliche Leistungseinschränkung ergibt. Aus den vom Kläger vorgelegten Diabetes-Tagebüchern lassen sich keine weiteren Funktionsstörungen entnehmen. Dr. Sch. hat diese schon bei der Erstbegutachtung ausgewertet und weist auch in der ergänzenden Stellungnahme nachvollziehbar darauf hin, dass entscheidend die Hypoglykämien sind und solche von Blutzuckerwerten von <40 mg/dl dargestellt werden und bei Werten >40 mg/dl entscheidend ist, ob Symptome der Unterzuckerung vorliegen. Mit den immer über 40 mg/dl angegebenen Blutzuckerwerten ergeben sich aber aus den Tagebüchern keine Hypoglykämien. Selbst Dr. R. hat in der Auskunft vom 11. September 2008 eine sechsstündige Tätigkeit für möglich erachtet. Allerdings sollte nach Ansicht des Dr. Sch. eine Nachtschichttätigkeit vermieden werden.
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Das intermittierende Vorhofflimmern und die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung ziehen keine Leistungseinschränkungen nach sich, insbesondere zeigt sich die Lungenerkrankung ohne pulmonale Dekompensationszeichen (Gutachten des Dr. C. und des Dr. Sch.). Eine Dyspnoe hat sich auch bei der Untersuchung durch Dr. B. nicht vorgelegen. Wegen der Marcumarisierung muss der Kläger Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr meiden.
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Auf orthopädischem Fachgebiet leidet der Kläger nach den Gutachten des Dr. B. und des Dr. Sch. an einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom ohne sensomotorische Ausfälle. Deshalb sind dem Kläger Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Tätigkeiten mit vermehrten Erschütterungen und Vibrationen nicht mehr möglich. Befunde oder Funktionseinschränkungen, die auch eine zeitliche Leistungseinschränkung begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
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Schließlich leidet der Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet an anamnestisch depressiven Episoden mit situationsgebundenen Ängsten, Verdacht auf Spannungskopfschmerzen und einer sensiblen und beinbetonten Polyneuropathie. Der psychopathologische Befund bei der Untersuchung durch Dr. Sch. war unauffällig, ebenso lag eine depressive Stimmungslage nicht vor. Dies entspricht auch den von Prof. Dr. H. erhobenen Befunden. Für eine manifeste, floride psychische Erkrankung ergibt sich daher insgesamt beim Kläger kein Anhalt. Dafür spricht auch, dass Dr. Sch. das vom Kläger eingenommene Antidepressivum im Blut nicht nachweisen konnte, obwohl der Kläger angegeben hatte, es am Vorabend eingenommen zu haben. Nach Erhalt des Gutachtens hat der Kläger erklärt, das Medikament auf Anraten seines Arztes auch am Vorabend nicht eingenommen zu haben. Dahinstehen kann, ob diese Angabe als Schutzbehauptung zu werten ist, auch wenn auffällig ist, dass der behandelnde Arzt damit ein Absetzphänomen riskiert hätte und es sich bei dem vom Kläger eingenommenen Medikament um ein nicht-sedierendes Antidepressivum handelt (Stellungnahme Dr. Sch.). Das kann jedoch dahinstehen, da allein der unauffällige psychische Befund, den nicht nur Dr. Sch., sondern auch schon Prof. Dr. H. erhoben hat, gegen eine solche Erkrankung spricht. Im Einzelnen hat die Befunderhebung durch Dr. Sch. keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung des Klägers ergeben. Eine depressive Stimmung hat nicht vorgelegen. Das Durchhaltevermögen war während der Begutachtung nicht eingeschränkt, die kognitiven Funktionen erhalten. Der Kläger hat sich geistig gut flexibel gezeigt und ist in der Lage, seinen Tagesablauf zu strukturieren. Es bestehen keine Einschränkungen des Zeitmanagements, auch liegen keine Störungen der sozialen Kompetenzen und der Alltagskompetenzen vor. Deshalb sind keine (Funktions-) Einschränkungen der Belastbarkeit des Klägers ersichtlich und eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründbar. Der Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens durch Prof. Dr. H. ist daher nicht zu folgen. Denn ein psychiatrischer Befund, der eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnte, konnte gerade nicht festgestellt werden. Im Übrigen hat selbst schon Prof. Dr. H. darauf hingewiesen, dass das psychische Bild keine weitere Leistungseinschränkung nach sich zieht, ohne dies bei seiner Leistungsbeurteilung zu berücksichtigen.
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Funktionsstörungen aufgrund der Spannungskopfschmerzen werden nicht geschildert. Schließlich zieht die Polyneuropathie keine signifikanten motorischen Ausfälle nach sich, die Wegefähigkeit zu Fuß ist nicht eingeschränkt. Allerdings sind wegen der Polyneuropathie Tätigkeiten mit vermehrtem Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten, die eine uneingeschränkte Gang- und Standsicherheit voraussetzen, nicht vertretbar.
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Die von Dr. C. diagnostizierte inkomplette Peronäus-Läsion und die Prostatahyperplasie ziehen ebenfalls keine Funktionsstörungen nach sich. Insbesondere wirkt sich die inkomplette Peronäus-Läsion wie schon die Polyneuropathie nicht wesentlich auf das Gehvermögen des Klägers aus.
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Der Beurteilung der behandelnden Ärzte kann nicht gefolgt werden. Herr Na. verweist auf immer wieder auftretende Dekompensationen bzw eine Verstärkung der depressiven Entwicklung, beides war aber gerade in den Begutachtungssituationen nicht nachweisbar, insbesondere keine depressive Herabgestimmtheit. Deshalb liegt auch die von Dr. K. als leistungsmindernd erwähnte Depression nicht vor. Dr. K. hat im Übrigen nur allgemein auf „die diabetische Stoffwechsellage, die kardialen Befunde und insbesondere auch die Auswirkung der schweren Depression“ hingewiesen und damit keine konkreten Befunde benannt, die ein Abweichen von den Einschätzungen des Dr. B. und Dr. Sch. begründen könnten. Herr D. hat seine Leistungseinschätzung ebenfalls nicht mit Funktionseinschränkungen begründet. Die von ihm erwähnten Befunde (Hyper- und Hypoglykämien mit einem Blutzucker zwischen 40 und 300 mg/dl mit Unwohlsein, Bewegungseinschränkung der HWS, Panikzustände) sind zum Teil ungenau und begründen jedenfalls keine zeitliche Leistungseinschränkung, was sich aus der nachfolgenden Begutachtung durch Dr. Sch. ergibt.
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Der für den Kläger noch in Betracht kommende Arbeitsmarkt ist auch nicht verschlossen. Denn der Kläger kann unter betriebsüblichen Bedingungen erwerbstätig sein. Der Umstand, dass er mehrmals täglich eine Toilette aufsuchen können muss, führt nicht dazu, dass er nur noch unter betriebsunüblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn die Notwendigkeit von kurzen Pausen, um die Toilette aufzusuchen, ist noch im Rahmen der persönlichen Verteilzeiten möglich, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (zuletzt Urteil vom 20. April 2010, Aktenzeichen L 11 R 267/09). Dies gilt auch, wenn der Kläger - wie von ihm behauptet - an einem sog Stuhldrang leidet, also an einem schwer zu kontrollierbaren Drang, auf die Toilette zu müssen.
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Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nach § 6 Abs 2 Satz 1 Arbeitsstätten-verordnung (ArbStättV) Toilettenräume bereitzustellen hat. Nach Nr 4.1 Abs 1 Satz 2 der Anlage zur ArbStättV müssen sich diese Toilettenräume sowohl in der Nähe der Arbeitsplätze als auch in der Nähe von Pausen- und Bereitschaftsräumen, Wasch- und Umkleideräumen befinden. Nach Nr. 3 der Arbeitsstättenrichtlinie 37/1 (vgl § 7 Abs 4 ArbStättV) sind die Toilettenräume bzw die Toiletten unabhängig von Nr 2 der Vorschrift innerhalb einer Arbeitsstätte so zu verteilen, dass sie von ständigen Arbeitsplätzen nicht mehr als 100 m und, sofern keine Fahrtreppen vorhanden sind, höchstens eine Geschoßhöhe entfernt sind, der Weg von ständigen Arbeitsplätzen in Gebäuden zu Toiletten soll nicht durchs Freie führen. Nach § 4 ArbZG steht Beschäftigten mit einer Tätigkeit von mehr als sechs Stunden täglich eine Ruhepause von 30 Minuten bzw zweimal 15 Minuten zu. Neben den betriebsüblichen Pausen werden den Arbeitnehmern in gewissem Umfang auch noch so genannte Verteilzeiten zugestanden für zB den Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten beziehungsweise Aufräumen des Arbeitsplatzes, den Gang zur Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte usw (vgl Landessozialgericht Bayern, Urteil vom 23. Juli 2009, L 14 R 311/06, juris, Rn 87). Im Übrigen ist zu beachten, dass Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden bspw im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen gelten (vgl Senatsurteil, Urteil vom 20. März 2007, L 11 R 684/06, mit weiteren Nachweisen, juris).
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Das Erfordernis des häufigen und ggf dringenden Toilettenbesuchs steht somit einer Arbeitstätigkeit nicht entgegen. Das gilt auch für die Notwendigkeit, den Blutzucker zu messen und sich Insulin zu spritzen. Dr. R. hat ausgeführt, dass sich der Kläger vor jeder Hauptmahlzeit den Blutzucker messen und Insulin injizieren muss. Im Wesentlichen kann der Kläger diesen Anforderungen außerhalb der üblichen Arbeitszeit nachkommen. Die bei einer Insulintherapie notwendigen Pausen zur Messung des Zuckers und zur Nahrungsaufnahme können im Übrigen in den üblichen Arbeitsalltag integriert werden (vgl Urteil des Senats vom 20. März 2007, aaO).
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Schließlich ist die Gehfähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt. Erkrankungen, die die Wegstrecke beschränken, liegen nicht vor, die Polyneuropathie wirkt sich diesbezüglich nicht aus. Aufgrund seines häufigen Stuhldrangs ist der Kläger bezüglich der Wegefähigkeit ebenfalls nicht eingeschränkt. Dies ergibt sich schon aus dem von Dr. Sch. erhobenen Alltagsaktivitäten und der Tatsache, dass der Kläger in der Lage war, die Strecke von W. nach Mannheim zur Begutachtung bei Dr. Sch. allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen.
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Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
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Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben gemäß § 240 Abs 1 SGB VI in den ab 1. Januar 2001 geltenden Fassungen (zuletzt durch Art 1 Nr 61 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes) bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist gemäß § 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
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Deshalb besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann, wenn der bisherige Beruf (Hauptberuf) nicht mehr ausgeübt werden kann, sondern erst, wenn der Versicherte nicht auf eine zumutbare andere Tätigkeit verwiesen werden kann. Das Gesetz verlangt dazu einen zumutbaren beruflichen Abstieg. Um bestimmen zu können, auf welche Berufe der Versicherte verweisbar ist, hat die Rechtsprechung des BSG ein sogenanntes Mehrstufenschema entwickelt, das die Angestellten- und Arbeiterberufe in mehrere, durch unterschiedliche „Leitberufe“ charakterisierte Gruppen untergliedert. Hiernach sind sowohl für gewerbliche als auch für Angestellten-Berufe mittlerweile sechs Stufen zu unterscheiden (zuletzt BSG, Beschluss vom 27. August 2009, B 13 R 85/09 B, juris). Die erste Stufe bilden dabei ungelernte Berufe, auf der zweiten Stufe folgen Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Angelernte). Grundsätzlich darf im Rahmen des Mehrstufenschemas der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der gleichen oder jeweils nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden (BSG, Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82, SozR 2200 § 1246 Nr 107; zuletzt BSG, Beschluss vom 27. August 2009, B 13 RJ 85/09 B, aaO). Dabei zerfällt die Stufe der Angelernten in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93, SozR 3-2200 § 1246 Nr 45). Eine konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist grundsätzlich (Ausnahmen: sog Unüblichkeitsfälle oder Seltenheitsfälle) nur dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein sog einfacher Angelernter (Stufe 2, aber Ausbildung bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 5/04 R, juris).
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Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich somit nach der Wertigkeit des Hauptberufs. Dieser bestimmt sich in der Regel nach der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist. Der Kläger hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Pizzabäcker, Bedienung und Aushilfe im Gastronomiebereich beschäftigt. Deshalb ist auch der Senat, wie schon das SG, davon überzeugt, dass der Kläger lediglich als einfacher Angelernter einzustufen ist und ihm damit kein Verweisungsberuf benannt werden muss.
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