Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Nov. 2015 - L 11 KR 5308/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.11.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.
(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.
(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.
(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.
(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.
(5) (weggefallen)
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt
- 1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, - 3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen, - 4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe, - 5.
Krankenhausbehandlung, - 6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie
- 1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, - 2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
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Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit einer Silikonfingerprothese für den Zeigefinger ihrer rechten Hand.
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Der 1966 geborenen Klägerin wurde das Endglied des Zeigefingers der rechten Hand amputiert. Am 2.2.2011 beantragte sie bei der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einer individuell angefertigten Silikonfingerprothese unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung sowie eines Kostenvoranschlags eines Sanitätshauses in Höhe von 3513,77 Euro und Fotografien ihrer Hand. Sie trug vor, sie arbeite mit Kundenkontakt am Flughafenschalter und fühle sich in der Öffentlichkeit starrenden Blicken ausgesetzt. Beim Musizieren, beim Modellbau sowie bei der Bedienung der Tastatur und der Maus ihres Computers am Arbeitsplatz und zu Hause beeinträchtige sie das fehlende Fingerglied, und die Silikonprothese biete ihr einen erheblichen Funktionsgewinn. Zudem sei es ohne den Schutz durch eine Fingerprothese äußerst schmerzhaft, wenn der Finger beim Greifen an Gegenstände stoße.
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Nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin durch den Verlust des Zeigefingerendgliedes nicht wesentlich beeinträchtigt sei, und die Fingerepithese funktionell weitgehend unbedeutend bleibe. Im Vordergrund stehe der kosmetische Aspekt, der eine Kostenzusage nicht rechtfertigen könne. Eine evtl Druckschmerzhaftigkeit könne durch eine Schutzkappe oder Verbandmaterial vermindert werden (Bescheid vom 11.4.2011, Widerspruchsbescheid vom 1.9.2011).
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 5.12.2012); das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 24.1.2014): Körperersatzstücke wie Fingerprothesen seien auf den unmittelbaren Ausgleich der Behinderung durch den Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallene Funktionen gerichtet. Bei der Fingerprothese gehe es um das Grundbedürfnis einer möglichst sicheren Greif-, Halte- und Führungsfunktion der Hand. Auch im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs hätten die Krankenkassen aber nicht für solche Innovationen aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile bewirkten und sich auf einen besseren Komfort oder eine bessere Optik beschränkten. Einen wesentlichen Gebrauchsvorteil habe die Klägerin weder vorgetragen noch sei dies den Unterlagen zu entnehmen.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Sie begehre eine Naturalfingerprothese mit der weitestgehend individuellen Anpassung an die gesunde Hand und mit der besten Griffigkeit. Denn es sei ein möglichst weitgehender Behinderungsausgleich geschuldet, der sowohl die Erhaltung der Vollständigkeit und Unversehrtheit des Körpers an sich umfasse, als auch die Vermeidung einer Stigmatisierung. Darüber hinaus biete ihr die Fingerprothese im gesamten täglichen Leben Gebrauchsvorteile, weil die im Wesentlichen durch Daumen und Zeigefinger gestaltete Greiffunktion der Hand durch die Verkürzung des Zeigefingers erheblich eingeschränkt werde.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2012 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Naturalfingerprothese zu übernehmen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, der Klägerin stehe generell kein Anspruch auf eine Fingerprothese zu, auch nicht auf eine weniger hochwertige Ausführung im Sinne einer Basisversorgung. Es handele sich bei den Fingerprothesen, die grundsätzlich aus Silikon hergestellt würden, immer um steife Fingerstücke, die auf den Amputationsstumpf aufgesetzt würden. Dadurch komme es zu keinem wesentlichen Funktionsgewinn. Manche Tätigkeiten seien mit einem steifen künstlichen Fingergelenk weniger gut durchführbar, als ohne diese Prothese. Gerade eine verbesserte Feinmotorik sei mit der Prothese wegen der fehlenden Nerven nicht erreichbar. In der Amputationsstelle seien dagegen noch Nerven vorhanden.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet, die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Klägerin mit einer Fingerprothese zu versorgen.
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1. Rechtsgrundlage des ungeachtet des auf Kostenübernahme lautenden Antrags der Sache nach geltend gemachten Sachleistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 Buchst a GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 - zweisitziges Elektrofahrzeug; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 40 - Unterschenkel-Sportprothese; BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31 - Treppensteighilfe). Nicht entscheidend für den Versorgungsanspruch ist, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, RdNr 20; vgl zum Ganzen auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, jeweils mwN).
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2. Der Hilfsmittelbegriff wird seit dem Inkrafttreten des SGB IX (durch Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046) zum 1.7.2001 für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1 SGB IX) durch § 31 Abs 1 SGB IX einheitlich definiert. Danach versteht der Gesetzgeber unter Hilfsmitteln Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel. Erfasst werden alle Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um (1.) einer drohenden Behinderung vorzubeugen, (2.) den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder (3.) eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Da sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe gemäß § 7 Satz 2 SGB IX nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen richten, ergibt sich der Rechtsanspruch der Versicherten weiterhin aus § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Bei der Definition des Hilfsmittelbegriffs in der medizinischen Rehabilitation hat sich der Gesetzgeber an der Rechtsprechung des BSG zum Hilfsmittelbegriff in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) orientiert. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV war bei der Hilfsmittelversorgung aber mit der Einführung des SGB IX nicht beabsichtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, jeweils mwN).
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Die begehrte Fingerprothese gehört zu den Körperersatzstücken. Unerheblich ist, ob dieses Fingerendgliedersatzstück als "Prothese" oder als "Epithese" bezeichnet wird, denn diese Begriffe sind nicht eindeutig voneinander abgrenzbar. In der Regel werden unter "Prothesen" Körperersatzstücke aller Art verstanden (vgl zB Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl 2014), während mit dem Begriff der "Epithesen" - abgeleitet von dem griechischen Wort für "Herauflegen" - individuell modellierte Ersatzstücke aus Kunststoff, Silikonen, Gelatine ua zur Deckung von Oberflächendefekten, insbesondere im Gesicht bezeichnet werden (vgl zB Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl 2014; nach Zetkin/Schaldach, Lexikon der Medizin, 16. Aufl 1998, handelt es sich bei Epithesen um Kunststoffprothesen zum Ausgleich von Oberflächendefekten, welche äußerlich aufgelegt, aufgeklebt oder mit knöchern verankerten Stiften fixiert werden). Jedenfalls soweit damit - wie hier- ein fehlendes Körperstück ersetzt wird, kann auch mit dem Begriff der Epithese ein Körperersatzstück bezeichnet werden.
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Da Körperersatzstücke bereits im Wortlaut des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V und des § 31 Abs 1 SGB IX ausdrücklich aufgeführt sind, erübrigen sich bezüglich der begehrten Fingerendgliedprothese weitere Ausführungen zur Hilfsmitteleigenschaft oder eine Abgrenzung von den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens.
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3. Ein Anspruchsausschluss nach § 34 Abs 4 Satz 1 SGB V greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift (idF durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.12.1991, BGBl I 2325) kann das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. In der auf Grund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13.12.1989 (BGBl I 2237), die in der Fassung der Verordnung vom 17.1.1995 (BGBl I 44) gilt, sind Fingerprothesen oder Fingerepithesen nicht erfasst.
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4. Der Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel gegen die GKV setzt darüber hinaus das Vorliegen der Voraussetzungen einer der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sowie in § 31 Abs 1 SGB IX teleologisch differenzierten Versorgungsvarianten voraus; dh das Hilfsmittel muss der Vorbeugung einer drohenden Behinderung, der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung oder dem Ausgleich einer Behinderung dienen.
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Die von der Klägerin begehrte Fingerprothese dient keinem dieser Zwecke. Die Variante "Abwendung einer drohenden Behinderung" kommt nach der Sachlage ohnehin nicht in Betracht. Das Hilfsmittel dient auch weder dem Ausgleich einer Behinderung (dazu a)) noch der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung (dazu b)). Aus diesen Gründen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine weniger hochwertige Fingerprothese (dazu c)).
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a) Als Körperersatzstück soll die Fingerprothese im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs eingesetzt werden, in dem die GKV die Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion zu bewirken hat (dazu aa)). Das Fehlen des Zeigefingerendgliedes stellt aber allenfalls eine ganz geringfügige Behinderung (zum Begriff der Behinderung siehe bb)) der Klägerin dar. Soweit überhaupt Handfunktionen beeinträchtigt sind, können diese durch die begehrte Fingerprothese nicht in einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden Weise ausgeglichen werden (dazu cc)). Eine Behinderung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus der äußerlichen Wirkung des fehlenden Fingergliedes, da hier keine teilhaberechtlich relevante erhebliche oder außergewöhnliche Auffälligkeit vorliegt (dazu dd)).
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aa) Hinsichtlich der Bestimmung eines Hilfsmittels zum Ausgleich einer Behinderung iS des § 33 Abs 1 Satz 1 dritte Variante SGB V wird zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich unterschieden. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich dient das Hilfsmittel unmittelbar dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, während im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird. Diese Differenzierung ist notwendig, weil unter Einbeziehung einer historischen Betrachtung unzweifelhaft ist, dass der Ausfall einer Körperfunktion den Krankheitsbegriff in der GKV erfüllt, und es daher zum Aufgabenbereich der GKV gehört, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen soweit wie möglich wiederherzustellen oder zu verbessern. Beim mittelbaren Behinderungsausgleich geht es demgegenüber darum, einem behinderten Menschen, dessen Beeinträchtigung durch medizinische Leistungen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung zu erleichtern. Dabei liegt es auf der Hand, dass es nicht Aufgabe der GKV ist, jegliche Behinderungsfolgen in allen Lebensbereichen auszugleichen. So ist es beispielsweise Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme, einen Ausgleich für spezielle berufliche Anforderungen zu schaffen. Es kann auch nicht Aufgabe der GKV sein, alle Auswirkungen der Behinderung etwa im Hinblick auf spezielle Sport- oder Freizeitinteressen durch Hilfsmittel auszugleichen. Auch nach dem der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewidmeten SGB IX ist die GKV nur für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie für unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, nicht aber für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständig (§ 6 Abs 1 Nr 1, § 5 SGB IX). Um hier den Aufgabenbereich der GKV abzugrenzen, ist ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich von der Krankenkasse nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12 - Lichtsignalanlage; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, jeweils mwN). Zu Wertungswidersprüchen führt die Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich nicht, da die durch den unmittelbaren Behinderungsausgleich bewirkte Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion bereits als solche ein Grundbedürfnis darstellt. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich kommt daher der Frage nach der Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens erst dann Bedeutung zu, wenn es nicht um die erstmalige Behebung eines Funktionsdefizits geht und auch nicht um die reine Ersatzbeschaffung, sondern um die Versorgung eines für den Behinderungsausgleich bereits ausreichend ausgestatteten Versicherten mit einem zweiten Hilfsmittel gleicher Art als Zweitausstattung, als Ausstattung für einen speziellen Zweck in Abgrenzung zur Ausstattung für das tägliche Leben oder mit einem technisch weiterentwickelten Hilfsmittel. Dabei kommt es auf den Umfang der mit dem neuen Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (zB computergestütztes statt mechanisches Kniegelenksystem). Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26; BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 16 ff - Rauchwarnmelder; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, jeweils mwN); anderenfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 - C-Leg; BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 16 bis 20 - Rauchwarnmelder; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, mwN).
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bb) Allein aus dem Umstand, dass durch die Fingerprothese unmittelbar ein fehlendes Körperglied ersetzt wird und es daher um einen unmittelbaren Ausgleich einer körperlichen Beeinträchtigung geht, ergibt sich aber noch nicht, dass die Klägerin wegen des fehlenden Fingerendgliedes "behindert" ist. Vielmehr wird der Begriff der Behinderung in § 2 Abs 1 SGB IX ausdrücklich gesetzlich definiert und diese Begriffsdefinition gilt gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 und § 31 SGB IX auch für das SGB V und damit für die Krankenkassen. Nach § 2 Abs 1 SGB IX sind Menschen teilhaberechtlich behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist(Satz 1). Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist (Satz 2). Dabei entspricht der erste Teil der Definition der "Behinderung" iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX, also die dauerhaft regelwidrige Körperfunktion bzw das Funktionsdefizit, dem herkömmlichen rein medizinischen Behinderungsbegriff, während der zweite Teil der Definition, also die Teilhabebeeinträchtigung als Folge des Funktionsdefizits, die durch das SGB IX erfolgte Erweiterung des herkömmlichen Behinderungsbegriffs darstellt(vgl dazu auch Löbner, Der gesetzliche Behinderungsbegriff im Wandel der Zeit, Behindertenrecht 2015, 1 ff; vgl zum Ganzen auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4). Der Betonung der Teilhabebeeinträchtigung auch unter dem Gesichtspunkt, dass sich eine (körperliche, seelische oder geistige) Abweichung von der Regel insbesondere deshalb für die Betroffenen nachteilig auswirkt, weil die Umwelt im Hinblick auf die Bedürfnisse von Menschen ohne diese Abweichung gestaltet wird, kommt mit Rücksicht auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und dem sich aus Art 1 Abs 2 UN-BRK ergebenden Begriff der Behinderung besondere Bedeutung zu. Danach zählen zu den Menschen mit Behinderungen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. An diesem Begriff orientiert sich auch die Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH Urteil vom 18.12.2014 - C-354/13 - RdNr 59 - zur Kündigung wegen Adipositas). Danach wird Behinderung nicht als ein fest definiertes Konzept verstanden, sondern ist dynamisch und von den jeweiligen Wechselbeziehungen mit umweltbezogenen und personenbedingten Kontextfaktoren abhängig (Präambel lit. e) und Art 1 Abs 2 UN-BRK). Der Behinderungsbegriff entwickelt sich somit fortlaufend weiter und passt sich an die jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen an. Daher ist jeweils im konkreten Einzelfall zu überprüfen, ob eine Beeinträchtigung der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe vorliegt. Schließlich ist zwar die Regelwidrigkeit und die Funktionsstörung nach medizinischen Maßstäben zu beurteilen, die Beeinträchtigung der Teilhabe kann jedoch auch nach soziologischen und pädagogischen Maßstäben bestimmt werden (vgl hierzu auch Papadopoulou, Anmerkung zu EuGH Urteil vom 18.12.2014 - C 354/13, Forum B, Beitrag B9-2015 unter www.reha-recht.de, 10.7.2015).
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cc) Durch das Fehlen des Zeigefingerendgliedes werden die Handfunktionen der Klägerin allenfalls geringfügig beeinträchtigt. Soweit dies bereits zu einer Teilhabebeeinträchtigung führt, kann diese jedenfalls nicht durch die begehrte Fingerprothese in einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden Weise ausgeglichen werden.
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Regelmäßig tritt durch das Fehlen des Zeigefingerendgliedes allenfalls eine ganz geringe Funktionsbeeinträchtigung der Greif- und Haltefunktion der Hand ein. Diese bleibt bei der Feststellung des Grades einer Behinderung (vgl § 69 Abs 1 SGB IX iVm der Rechtsverordnung nach § 30 Abs 16 Bundesversorgungsgesetz - BVG) sowie bei der Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen nach dem BVG (vgl § 30 Abs 1 BVG iVm der Rechtsverordnung nach § 30 Abs 16 BVG) unberücksichtigt. Nach § 30 Abs 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Nach der Anlage zu § 2 der Rechtsverordnung, die nach § 30 Abs 16 BVG für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen wurde(Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 - VersMedV), werden der GdS und der Grad der Behinderung (GdB) nach gleichen Grundsätzen bemessen. Beide Begriffe haben die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt. GdS und GdB sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens (Teil A 2. der Anlage zu § 2 VersMedV). Anhaltswerte für den GdS und den GdB enthält die in Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV aufgeführte GdS-Tabelle. Danach führt der Verlust des Zeigefingers, Mittelfingers, Ringfingers oder Kleinfingers, auch mit Teilen des dazugehörigen Mittelhandknochens zu einem GdS/GdB von 10, der Verlust eines Daumens zu dem GdS/GdB von 25, aber der Verlust des Daumenendgliedes zu einem GdS/GdB von 0 (vgl unter 18.13 Schäden der oberen Gliedmaßen Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV). Führt schon der Verlust des Daumenendgliedes nicht zu einem GdS/GdB, kann der Verlust des Zeigefingerendgliedes allenfalls mit ganz geringen Funktionsbeeinträchtigungen verbunden sein. Denn der Daumen hat die wichtigste Funktion unter den Fingern, weshalb sein Verlust zu einem erheblich höheren GdS/GdB führt als der Verlust eines anderen Fingers.
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Die Klägerin wird durch das Fehlen des Zeigefingerendgliedes auch nicht in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehindert. Auch wenn sie durch die Verkürzung des Zeigefingers möglicherweise die von ihr angegebenen filigranen Greifbewegungen beim Musizieren, beim Modellbauen oder bei der Bedienung einer Computer-Tastatur oder der Maus nicht so uneingeschränkt und geschickt ausführen kann wie mit einem unversehrten Zeigefinger, so kann die begehrte Fingerprothese diese allenfalls minimale Funktions- und Teilhabebeeinträchtigung weder ausgleichen noch verringern. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den insoweit überzeugenden Ausführungen im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung gefolgt ist und hierzu kein weiteres Gutachten eingeholt hat. Denn es ist nachvollziehbar, dass eine unbewegliche Fingerendgliedprothese bei den von der Klägerin angegebenen filigranen Greifbewegungen beim Musizieren, beim Modellbauen und bei der Bedienung einer Computer-Tastatur oder der Maus keine Gebrauchsvorteile bietet, die über die Nutzung einer entsprechend angefertigten Schutzkappe hinausgehen.
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Das gleiche gilt für die von der Klägerin angegebenen Schmerzen beim Anstoßen des betroffenen Fingers an Gegenständen. Mit Empfindungsstörungen an den Fingern, besonders an Daumen und Zeigefinger, kann sogar eine wesentliche Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Hand verbunden sein, und Fingerstümpfe im Mittel- und Endgelenk können eine schmerzhafte Narbenbildung und ungünstige Weichteildeckung zeigen (vgl unter 18.13 Schäden der oberen Gliedmaßen Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV). Doch stellt die begehrte Fingerprothese keine dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende Versorgungsmöglichkeit zur Abwendung oder Verringerung von Schmerzen im Fingerstumpf dar. Denn ein Schutz vor Schmerzen beim Anstoßen an Gegenständen kann wirtschaftlicher durch eine Schutzkappe erreicht werden.
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dd) Die Klägerin wird in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auch nicht durch eine erhebliche oder außergewöhnliche äußerliche Auffälligkeit beeinträchtigt. Eine solche teilhaberechtlich relevante äußerliche Auffälligkeit liegt erst dann vor, wenn der Betroffene aufgrund seines Erscheinungsbildes zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird, er sich nicht mehr frei und unbefangen unter Mitmenschen bewegen kann und daher sein Rückzug aus dem Leben in der Gesellschaft droht (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke).
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Der Verlust des Zeigefingerendgliedes ist nach den Feststellungen des LSG bei der Klägerin jedoch weder eine erhebliche noch eine außergewöhnliche Auffälligkeit. Die Klägerin wird schon deshalb nicht zum Objekt besonderer Beachtung anderer, weil die Abweichung vom Normalzustand nur bei einem Blick auf die betroffene Hand sichtbar wird, die Abweichung dort nur das letzte Glied eines Fingers betrifft und es letztlich lediglich um eine Verkürzung, nicht um eine besondere Wunde oder außergewöhnliche Verwachsung oder sonstige Anomalie geht. Der Verlust dieses Fingerendgliedes kann allenfalls die Wirkung einer kleineren ästhetischen Unregelmäßigkeit entfalten, deren Beseitigung bzw Kaschierung als kosmetische Maßnahme ohne Krankheitswert in die Eigenverantwortung des Betroffenen fällt. Das freie und unbefangene Bewegen unter Mitmenschen wird dadurch nicht eingeschränkt. Ein Anspruch gegen die Krankenkasse auf die Herstellung eines völlig unversehrten Körperbildes kann dadurch nicht ausgelöst werden.
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Insoweit ergeben sich zwischen Männern und Frauen keine Unterschiede. Während ein haarloser Kopf in der Öffentlichkeit unterschiedliche Reaktionen hervorruft, je nachdem ob ein Mann oder eine Frau betroffen ist (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke), löst der Verlust eines Fingergliedes nicht generell nach Geschlecht unterscheidbare Reaktionen aus. Beim Haarverlust beruht dies darauf, dass dieser bei Männern - im Gegensatz zu Frauen - ab einem bestimmten Alter ein natürlicher Vorgang ist. Bezüglich des Verlustes eines Fingergliedes bestehen solche von der Natur vorgegebenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht. Entscheidend für die Reaktionen der Öffentlichkeit auf den Verlust eines Fingergliedes sind daher in erster Linie Form, Ausmaß und Aussehen der Anomalie im Handbereich, nicht das Geschlecht des Betroffenen.
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Der Umstand, dass die Klägerin den Verlust ihres Zeigefinderendgliedes offenbar als psychische Belastung empfindet, kann nicht den Anspruch auf die Versorgung mit einer Fingerprothese auslösen; denn es kommt auf die Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Beseitigung einer objektiv eingetretenen entstellenden Wirkung an (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke, mwN; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14). Selbst ein Zustand mit Krankheitswert würde die Krankenkasse lediglich zu medizinisch notwendigen Behandlungsmaßnahmen verpflichten und nicht dazu, jede vom Versicherten gewünschte, von ihm für optimal gehaltene Maßnahme zur Heilung oder Linderung des krankhaften Zustands zu gewähren. Daran hat auch das am 1.7.2001 in Kraft getretene SGB IX nichts geändert, denn in Bezug auf die Zuständigkeit des Leistungsträgers und die Leistungsvoraussetzungen verweist § 7 Satz 2 SGB IX ausdrücklich auf die speziellen Leistungsgesetze, hier also das SGB V(BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 RdNr 8). Danach sind die Ansprüche des Versicherten auf diejenigen Maßnahmen begrenzt, die nach objektiven Maßstäben als ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich anzusehen sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs 1 SGB V).
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b) Ein Anspruch kommt auch nicht zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung in Betracht. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nur dann Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zum Anspruch auf Krankenbehandlung gehört auch die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V). Den Krankheiten gleichgestellt sind in weitgehendem Umfang Behinderungen (vgl § 2 Abs 1 SGB IX, § 33 SGB V). Das Gesetz macht keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Krankheiten im engeren Sinne, bei denen die Betonung auf dem regelmäßig nur vorübergehenden Charakter einer als überwindbar angesehenen Gesundheitsbeeinträchtigung liegt, und Behinderungen, die als weitgehend unabänderlich vor allem unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für eine dauerhaft regelwidrige Körperfunktion die Leistungspflicht begründen können (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 RdNr 6).
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Unter einer Krankheit iS des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V wird allgemein ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand verstanden, der ärztlicher Heilbehandlung bedarf oder - zugleich oder allein - den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr vgl zuletzt BSG Urteil vom 22.4.2015 - B 3 KR 3/14 R - Juris, mwN; sowie zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 4; BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 38). Da aber nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit auch Krankheitswert zukommt, hat die Rechtsprechung diese Grundvoraussetzung dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke mwN; sowie BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11 - zu Brustangleichungsoperationen; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 6 - zu kosmetischen Brustvergrößerungen; BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4, RdNr 16 - zu Feuermalen der Haut; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f - zu einer Hodenprothese; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 zur Dauerpigmentierung bei fehlenden Augenbrauen und Wimpern). Der Gesetzgeber selbst hat bewusst davon abgesehen, den Begriff der Krankheit im Gesetz zu definieren, da sein Inhalt ständigen Änderungen unterliegt. Stattdessen hat er in der Gesetzbegründung Bezug genommen auf die herrschende Rechtsprechung und Praxis (Begründung des Entwurfs zum Gesundheits-Reformgesetz, BT-Drucks 11/2237, S 170). Trotz der vom Gesetzgeber angenommenen ständigen Änderungen des Krankheitsbegriffs ist aber die grundlegende Begriffsdefinition gleich geblieben. Die Anpassung an die fortschreitende medizinische Entwicklung erfolgt in der Regel im Rahmen der einzelnen Begriffsmerkmale. Die Ausweitung der therapeutischen Möglichkeiten schlägt sich insbesondere in dem Begriffsmerkmal der "Behandlungsbedürftigkeit" nieder (Fahlbusch in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 27 RdNr 31 und 42 mwN).
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Der krankenversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff ist enger als der Krankheitsbegriff im allgemein-medizinischen Sinne, der jede "Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen bzw objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen" bzw "eine definierbare Einheit typischer ätiologisch, morphologisch, symptomatisch oder nosologisch beschreibbarer Erscheinungen, die als eine bestimmte Erkrankung verstanden werden" umfasst. Bei dem medizinischen Krankheitsbegriff kommt es insbesondere auf Behandlungsbedürftigkeit bzw Arbeitsunfähigkeit nicht an. Ebenfalls nicht maßgeblich für das Krankenversicherungsrecht ist der weite sozialpolitische Krankheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation, die den Gegenbegriff der Gesundheit definiert als "Zustand völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlempfindens" (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke; Fahlbusch, aaO, § 27 RdNr 34).
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Das Fehlen des Zeigefingerendgliedes kann schon deshalb nicht als behandlungsbedürftige Krankheit bewertet werden, weil es - wie ausgeführt - nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Körperfunktionen führt und zudem weder die Fingerprothese noch ein anderes Mittel der Krankenbehandlung der Klägerin das verlorene Zeigefingerendglied wieder zu beschaffen oder die insoweit geringfügig beeinträchtigte Körperfunktion auszugleichen vermag. Zur Behandlung möglicherweise beim Anstoßen an Gegenständen auftretender Schmerzen, denen danach Krankheitswert zukommen kann, reicht eine entsprechend angefertigte Schutzkappe aus. Auch bei der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung ist das nach § 12 Abs 1 SGB V für alle Leistungen der GKV geltende Wirtschaftlichkeitsgebot zu berücksichtigen. Wie bereits zur Behinderung dargelegt, zeigt das Fehlen des Zeigefingerendgliedes bei der Klägerin auch keine entstellende Wirkung und ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht krankheitswertig.
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c) Ohne entsprechende Gebrauchsvorteile und ohne den Ausgleich einer Teilhabebeeinträchtigung bewirken zu können, überschreitet die begehrte Fingerprothese die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung.Die letztlich auf einen bloß besseren Komfort und vor allem eine bessere Optik beschränkten Vorteile der Fingerendgliedprothese lösen auch dann keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus, wenn durch das Hilfsmittel unmittelbar ein fehlendes Körperteil ersetzt wird. Nach dem Wortlaut des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sowie des § 31 Abs 1 SGB IX fallen auch Körperersatzstücke nicht ohne Weiteres in die Leistungspflicht der Krankenversicherung, sondern nur unter den Voraussetzungen einer der drei teleologisch differenzierten Versorgungsvarianten: zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung oder zum Ausgleich einer Behinderung. Der Leistungsanspruch ergibt sich - soweit ausnahmsweise mit dem fehlenden Körperglied keine Funktionsbeeinträchtigung verbunden ist - nicht bereits zur Wiederherstellung der vollständigen körperlichen Integrität bzw eines vollständigen, unversehrten Körpers.
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Liegt - wie hier - allenfalls eine unwesentliche Funktionsbeeinträchtigung vor und kann die Funktion durch das begehrte Hilfsmittel nicht weiter verbessert oder ausgeglichen werden, kann das Hilfsmittel nicht zum Behinderungsausgleich oder zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung erforderlich sein. Deshalb ist auch eine weniger hochwertige Fingerprothese nicht vom Versorgungsanspruch umfasst, solange damit kein funktioneller Nachteilsausgleich verbunden ist, weil die Prothese keine wesentlichen Gebrauchsvorteile, sondern lediglich einen besseren Komfort und eine bessere Optik als beispielsweise eine Schutzkappe bietet. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass ihr Begehren hilfsweise auch eine solche Schutzkappe umfassen sollte. Dies hätte die Klägerin deutlicher zum Ausdruck bringen und hierzu insbesondere ihre Empfindungsstörungen genauer darlegen und ggf seitens der Beklagten genauer prüfen lassen müssen. Es ist ihr allerdings nicht verwehrt, dies in einem neuen Verfahren noch zu tun. Sollte sich eine Schutzkappe als erforderlich erweisen, könnte die Klägerin auch von der Möglichkeit nach § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V Gebrauch machen und die Fingerprothese als höherwertiges Hilfsmittel wählen, wenn sie die damit verbundenen Mehrkosten selbst trägt und die Fingerendgliedprothese im Hinblick auf die Schmerzempfindlichkeit denselben Schutz bietet, wie eine Schutzkappe.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt
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Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, - 3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen, - 4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe, - 5.
Krankenhausbehandlung, - 6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie
- 1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, - 2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. November 2009 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin auf Kosten der beklagten Krankenkasse (KK) eine operative Behandlung zu gewähren ist, mit der sie weitere Körpermerkmale des männlichen Geschlechts erhält.
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Die 1973 geborene Klägerin leidet unter einer Störung der Geschlechtsidentität (ICD-10-Code: F 64.8) in Form einer sog Zisidentität, bei der von dem/der Betroffenen eine Anpassung an das andere (hier: männliche) Geschlecht unter Beibehaltung beidgeschlechtlicher körperlicher Merkmale angestrebt wird. Seit 1997 wird sie deswegen psychotherapeutisch behandelt. Die Beklagte gewährte ihr eine die Mammae reduzierende Operation; seit 2000 wird - ebenfalls zu Lasten der Beklagten - eine geschlechtsangleichende Hormontherapie mit Testosteron durchgeführt, die zu einer Klitorisvergrößerung führt. Dem im Februar 2006 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung einer subkutanen Mastektomie (Re-Modellierung einer männlichen Brust mit Mamillenverkleinerung und Drüsen-/Fettentfernung) gab die Beklagte statt. Sie lehnte aber nach Einholung von Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK; Gutachten vom 29.8.2006 und 13.7.2007 - Dr. P. sowie vom 19.12.2006 - Dr. M.) die ebenfalls begehrte operative Angleichung im Genitalbereich (Ablösung der Klitoris von der Scheide und deren Vergrößerung, so dass ein Minipenis entsteht, sowie dauerhafte Verdickung der Schamlippen) ab (Bescheid vom 5.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 4.10.2007).
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Die auf die Übernahme der Kosten für eine stationär durchzuführende geschlechtsangleichende Operation in Form einer Klitorisvergrößerung mit Schamlippenimplantaten gerichtete Klage hat das SG abgewiesen: Ein Anspruch der Klägerin scheitere daran, dass keine körperliche "Krankheit" im Sinne des § 27 Abs 1 SGB V bestehe, deren operative Behandlung in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) falle. Eine nach "objektiven" Kriterien festzustellende Abweichung des Aussehens der Klägerin von der Norm liege nicht vor; vielmehr begehre sie aus psychischen Motiven heraus eine Operation am gesunden (Frauen-) Körper, indem sie diesem Geschlechtsmerkmale hinzufügen wolle, die einem männlichen Körper eigen seien. Die Geschlechtsidentitätsstörung in der Form einer Zisidentität sei kein Fall der Transsexualität, wie sie dem "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen" (vom 10.9.1980, BGBl I 1654, Transsexuellengesetz - TSG) zu Grunde liege. Der erstrebte operative Zustand würde die Klägerin in einen regelwidrigen neuen Zustand versetzen, weil dem Menschsein naturgemäß entweder weibliche oder männliche Geschlechtsmerkmale eigen seien. Zu der Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs 1 SGB V seien grundsätzlich nur solche Maßnahmen zu zählen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzten. Dies sei hier die Beseitigung/Linderung der psychischen Belastung. Eine aus psychischen Motiven verlangte Operation am gesunden Körper sei nur wie bei der Transsexualität (im Sinne des TSG) im Ausnahmefall zulässig. Auch wenn ein vergleichbarer krankhafter Leidensdruck bei der Klägerin gegeben sei, fehle es am Nachweis der Zweckmäßigkeit des operativen Eingriffs, nämlich der wahrscheinlichen Heilung oder zumindest Linderung durch die begehrten operativen Maßnahmen. Auch sei ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte nicht aus dem Verfassungsrecht, etwa aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, abzuleiten (Urteil vom 10.11.2009).
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Mit ihrer Sprungrevision rügt die Klägerin die Verletzung von § 27 Abs 1 SGB V und macht Verfahrensfehler geltend. Zisidentität sei eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs 1 SGB V und die operative Behandlung zur Annäherung an die Zweigeschlechtlichkeit vom Leistungsumfang der GKV gedeckt. Sie sei eine besondere Form der Transsexualität; für den Krankheitsbegriff des SGB V sei das TSG ohne Bedeutung. Eine Krankheit bestehe bei Transsexualität einschließlich der Zisidentität, wenn ein regelwidriger Zustand im Sinne der Gebrochenheit des geschlechtsspezifischen Identitätsbewusstseins vorliege und zusätzlich im Einzelfall ein schwerer Leidensdruck existiere, der eine medizinische Behandlung erfordere. Der Fall der geschlechtsangleichenden Operation sei nicht vergleichbar mit dem Wunsch nach einem operativen Eingriff in einen für sich genommen nicht behandlungsbedürftigen Körperzustand zum Zwecke der Behebung oder Linderung einer psychischen Störung (BSGE 82, 158 = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 - Hodenprothese; BSGE 72, 96 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 - Beinverlängerung). Transsexuelle Menschen einschließlich derer mit Zisidentität hätten keine gestörte Psyche, sondern ein von der Mehrheit der Menschen abweichendes geschlechtsspezifisches Identitätsbewusstsein. Mit dem Hinweis auf die Herstellung eines regelwidrigen Zustandes könne die begehrte Operation nicht abgelehnt werden. Auch bei der "totalen" Geschlechtsumwandlung im Falle der Transsexualität stelle sich das umoperierte Geschlecht - trotz der optisch eindeutigen Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter - als regelwidrig dar. Die Behandlungsbedürftigkeit sei entgegen den SG-Feststellungen gegeben, weil der Leidensdruck einer medizinischen Behandlung bedürfe. Ausreichend sei insofern eine Linderung der Beschwerden. Das SG nehme zu Unrecht an, dass bei psychischen Störungen die Behandlung grundsätzlich auf die Mittel der Psychiatrie und Psychotherapie beschränkt sei und verneine ohne Begründung die Zweckmäßigkeit einer Operation. Mit den Stellungnahmen der Ärzte Dr. S. und Dr. S., aus denen sich die Notwendigkeit des begehrten operativen Eingriffs aus dem festgestellten erheblichen Leidensdruck und zur Vermeidung der Nebenwirkungen der Hormontherapie ergebe, setze sich das SG nicht auseinander. Auf die MDK-Gutachten habe sich das SG nicht stützen dürfen, zumal sie - die Klägerin - dagegen Einwände vorgebracht habe; vielmehr habe es den Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens weiter aufklären müssen. Die mangelnde Auseinandersetzung des SG mit diesen Einwänden stelle einen Verfahrensfehler dar.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2007 zu verurteilen, ihr eine Operation in Form einer Klitorisvergrößerung mit Korrektur im Hautfaltenbereich der Klitoris und Schamlippenimplantate zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Sprungrevision der von Zisidentität - einer Störung der Geschlechtsidentität - betroffenen Klägerin ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen die ablehnenden Bescheide der beklagten KK abgewiesen und die Gewährung einer operativen Vergrößerung der Klitoris und die Versorgung mit Schamlippenimplantaten als Naturalleistung der Beklagten abgelehnt.
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Entweder sind die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht erfüllt oder seine Rechtsfolge umfasst nicht das erstrebte Begehren der Klägerin. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin überhaupt an einer behandlungsbedürftigen Krankheit leidet, sei es in Form einer körperlichen oder einer geistigen Regelwidrigkeit. Fehlt es hieran, besteht schon deshalb kein Anspruch der Klägerin (dazu 1.). Leidet die Klägerin an einer geistigen Regelwidrigkeit, die ärztlicher Behandlung bedarf, kann sie die begehrte Naturalleistung nicht beanspruchen, weil sie dann grundsätzlich nur psychische Behandlung verlangen kann und es um keinen Ausnahmefall geht, in dem dennoch ein Eingriff in den gesunden Körper zu beanspruchen ist (dazu 2.). Leidet die Klägerin schließlich an einer behandlungsbedürftigen körperlichen Regelwidrigkeit, scheitert ein Anspruch daran, dass § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V das erstrebte Behandlungsziel "Herstellung eines körperlichen Zustandes mit beidgeschlechtlichen Merkmalen" nicht erfasst(dazu 3.).
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1. Falls bei der Klägerin keine behandlungsbedürftige Regelwidrigkeit besteht, scheiden Ansprüche auf Krankenbehandlung von vornherein schon mangels vorliegender "Krankheit" aus. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nämlich nur dann Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Unter einer "Krankheit" im Rechtssinne versteht die Rechtsprechung des BSG einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, vgl zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 RdNr 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 4; BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 38; BSGE 72, 96, 98 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 S 64, jeweils mwN). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (stRspr, vgl zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 6; BSGE 93, 94, 102 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4 S 29; zu einer Hodenprothese BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 253 f).
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Dass die Klägerin an keiner "Krankheit" in Form eines behandlungsbedürftigen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes leidet, kann der Fall sein, weil jedenfalls zu Beginn der Behandlung der Zisidentität - vor der bereits teilweise erfolgten Vornahme von Veränderungen am Körper - keine körperliche Anomalie in Form der Beeinträchtigung von Körperfunktionen oder einer Entstellung bestand. Die Klägerin befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer regelhaften körperlichen Verfassung einer Frau. Dies entnimmt der Senat den Feststellungen des SG, an die er gebunden ist (§§ 163, 161 Abs 4 SGG). Eine "Entstellung" oder mit der begehrten Operation zu behandelnde Funktionsbeeinträchtigung hat das SG nicht bindend festgestellt.
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2. Wenn die Zisidentität der Klägerin - alternativ unterstellt - als psychische Erkrankung (und nicht als physische Erkrankung, dazu 3.) einzustufen ist, kann sie die begehrte Naturalleistung nicht beanspruchen, weil sie dann grundsätzlich nur psychische Behandlung verlangen kann (dazu a) und es um keinen Ausnahmefall geht, in dem Krankenbehandlung dennoch einen Eingriff in den gesunden Körper umfasst (dazu b).
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a) Die Rechtsprechung des BSG verneint die Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl nur BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen. Daran hält der Senat fest.
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Allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3, § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN)und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt. Eine Rechtfertigung für Operationen am gesunden Körper zur Behebung von psychischen Störungen hat der Senat vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose in ständiger Rechtsprechung verneint (zusammenfassend: BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 18 mwN). Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie oder Psychotherapie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 - Cabaseril, LS und RdNr 19). Der damit aufgestellte Grundsatz wäre nur dann zu überprüfen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe wesentlich geändert hätte. Für eine solche Annahme besteht jedoch kein Anlass (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 9).
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b) Eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen kommt de lege lata in dem hier betroffenen Bereich nur im Falle einer besonders tief greifenden Form der Transsexualität in Betracht. So hat der 3. Senat des BSG - noch unter Geltung der RVO - die Leistungspflicht einer KK für eine geschlechtsangleichende Operation bejaht (BSGE 62, 83 = SozR 2200 § 182 Nr 106). Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die damals verwertet wurden, handelt es sich bei der Transsexualität um eine komplexe, die gesamte Persönlichkeit erfassende tief greifende Störung mit sowohl seelischen als auch körperlichen Beeinträchtigungen. Der Gesetzgeber hat durch Schaffung des TSG bestätigt, dass der Befund der Transsexualität eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Auch unter Geltung des SGB V ist eine solche Ausnahme mit den in der Rechtsprechung entwickelten Grenzen anzuerkennen (noch offengelassen: BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3<1. Senat>, RdNr 11). Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen nicht dazu, dass Betroffene Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer möglichst großen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen haben (vgl bereits BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl auch § 8 Abs 1 Nr 4 TSG; zur Ablehnung einer Mamma-Augmentationsplastik bei einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen trotz einziger Möglichkeit, die psychische Erkrankung einschließlich ihrer körperlichen Begleiterscheinungen zu beheben: Sächsisches LSG, Urteil vom 3.2.1999 - L 1 KR 31/98 - juris RdNr 37; vgl auch Bayerisches LSG vom 30.10.2003 - L 4 KR 203/01 - zu einer besonderen Penisplastik zur Ermöglichung des Urinierens im Stehen bei Frau-zu-Mann-Transsexualität).
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Voraussetzung für eine an die Wertungen des TSG anknüpfende Behandlungsbedürftigkeit ist allerdings stets, dass das Ziel der Krankenbehandlung zumindest auf die Annäherung an einen regelhaften Zustand - also dem körperlichen Zustand einer Frau bzw eines Mannes - gerichtet ist. Weitergehende Rechte lassen sich auch nicht aus dem TSG ableiten. Das Begehren der Klägerin zielt aber gerade nicht auf die Annäherung an einen regelhaften Zustand (dazu 3.).
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Der erkennende Senat sieht sich aufgrund der bestehenden Gesetzeslage (§ 31 SGB I) daran gehindert, der Klägerin im Wege richterlicher Rechtsfortbildung Ansprüche zuzuerkennen, die über den vom TSG gezogenen Rahmen hinausgehen. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit dürfen die dort erkennbar gezogenen Grenzen nicht überschreiten. Der Gesetzgeber hat nämlich im Bereich des Umgangs mit Störungen der Geschlechtsidentität in Staat und Gesellschaft, einer atypischen, gleichwohl aber hochsensiblen Materie, mit den Wertungen des TSG auch für das SGB V zu erkennen gegeben, inwieweit er bereit ist, betroffenen Personen auf Kosten der GKV Leistungsansprüche einzuräumen.
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3. Auch wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass sie an einer behandlungsbedürftigen körperlichen Regelwidrigkeit leidet (dazu a), scheitert ein Anspruch daran, dass § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V das erstrebte Behandlungsziel "Herstellung eines körperlichen Zustandes mit beidgeschlechtlichen Merkmalen" nicht erfasst(dazu b).
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a) Als behandlungsbedürftige körperliche Erkrankungen der Klägerin kommen - ausgehend von den festzustellenden Funktionsbeeinträchtigungen oder Entstellungen - die Folgen der bereits durchgeführten Hormontherapie in Betracht. Von einer hieraus resultierenden Entstellung ist hinsichtlich ihrer Geschlechtsorgane nach der aufgezeigten Rechtsprechung nicht auszugehen (vgl zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 6; BSGE 93, 94, 102 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4 S 29; zu einer Hodenprothese BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 253 f). Ansatzpunkte könnten der physische Zustand ihrer Geschlechtsorgane im Falle von - hier allerdings nicht festgestellten - Funktionsstörungen und die mit der Hormontherapie ggf verbundenen durch die begehrte operative Behandlung als mittelbare Folge möglicherweise entfallenden negativen Nebenwirkungen (Haarausfall etc) sein.
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b) Das von der Klägerin erstrebte Behandlungsziel im körperlichen Bereich ist indes nicht von § 27 Abs 1 SGB V gedeckt. Bei - im dargelegten Umfang unterstellt - regelwidrigem physischen Zustand aufgrund der Hormontherapie begehrt sie nicht, diese dann bestehende körperliche Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder die Krankheitsbeschwerden zu lindern. Vielmehr will sie gerade durch die gewünschte operative Behandlung einen Zustand schaffen, der sich weitergehend von der am Leitbild des gesunden Menschen ausgerichteten Regel entfernt. Denn sie möchte mit der begehrten operativen Behandlung neben ihren noch vorhandenen weiblichen Körpermerkmalen zusätzlich diejenigen des männlichen Geschlechts erhalten. Sie verfolgt mit der Behandlung nicht das Ziel, eine Regelwidrigkeit zu beseitigen oder - so weit wie möglich - einen regelhaften Körperzustand herzustellen. Die streitige Behandlung soll einen nach den Wünschen der Klägerin ausgerichteten körperlichen Zustand zwischen den beiden menschlichen Geschlechtstypen und nicht einen möglichst annähernd regelgerechten Zustand - etwa den eines männlichen Körpers - schaffen. Die erstrebte plastische chirurgische Herausbildung eines Minipenis bei gleichzeitiger Erhaltung und Vergrößerung der vorhandenen Schamlippen entspricht weder dem regelgerechten Zustand einer Frau noch demjenigen eines Mannes. Der Umstand, dass es Menschen mit beidgeschlechtlichen Merkmalen bisweilen bereits von Geburt an gibt, spricht - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht für eine Regelhaftigkeit eines solchen angestrebten Zustandes. Solche Fälle können Anlass für Ansprüche auf Krankenbehandlung sein, die darauf gerichtet ist, den betroffenen Versicherten einem geschlechtlichen Regeltypus anzugleichen, nicht aber darauf, den Zustand des Beidgeschlechtlichen zu vertiefen. Das wäre weder eine Heilung noch eine Verhütung einer Verschlimmerung.
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Etwas anderes lässt sich - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch nicht daraus ableiten, dass § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V neben dem Ziel der Heilung und der Verhütung der Verschlimmerung der Krankheit auch die Linderung der Krankheitsbeschwerden nennt. Zu den Krankheitsbeschwerden sind nicht nur Schmerzen zu rechnen, die vom Patienten empfunden werden, sondern auch andere krankheitsbedingte Beeinträchtigungen des körperlichen, geistigen und seelischen Zustandes, die für den Patienten eine Belastung und Bürde bedeuten, auch wenn sie von ihm (krankheitsbedingt) nicht bewusst wahrgenommen werden (vgl BSG USK 80211; zur Berücksichtigung von Behinderungen vgl etwa BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 RdNr 6 und 8 - Dauerpigmentierung von Gesichtspartien). Das Ziel, Beschwerden zu lindern, trägt den Grenzen der Möglichkeiten Rechnung, zu heilen und Verschlimmerungen zu verhüten. Der Ausgangspunkt - die Beschwerden - beleuchtet die Nähe zur Psyche, den Empfindungen. Deshalb kann das Behandlungsziel der Beschwerdelinderung nicht dazu eingesetzt werden, um Grenzen zu verschieben, die bei der Behandlung psychischer Krankheiten durch Eingriffe in intakte Organsysteme gezogen sind.
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Wie bereits oben dargelegt, kommt schließlich nicht in Betracht, die von § 27 Abs 1 SGB V gezogenen Grenzen nach den subjektiven Vorstellungen der Betroffenen auszuweiten. Das betrifft nicht nur die Voraussetzungen der Norm, sondern auch ihre Rechtsfolgen. Orientiert am objektiven Krankheitsbegriff muss spiegelbildlich auch das Ziel der von einer KK geschuldeten Krankenbehandlung die Herstellung eines regelhaften Zustandes im beschriebenen Sinne sein. Ausschlaggebend sind demnach nicht subjektive Vorstellungen, sondern ein verallgemeinernder, sich an einer gewissen Typik und Variationsbreite ausrichtender regelhafter Maßstab. Auch die Art und der Umfang einer Operation im Falle der Transsexualität, die eine möglichst große Annäherung an das andere Geschlecht anstrebt, richtet sich dementsprechend nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Betroffenen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.
(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.
(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.
(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.
(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.
(5) (weggefallen)
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt
- 1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, - 3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen, - 4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe, - 5.
Krankenhausbehandlung, - 6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie
- 1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, - 2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
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Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit einer Silikonfingerprothese für den Zeigefinger ihrer rechten Hand.
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Der 1966 geborenen Klägerin wurde das Endglied des Zeigefingers der rechten Hand amputiert. Am 2.2.2011 beantragte sie bei der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einer individuell angefertigten Silikonfingerprothese unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung sowie eines Kostenvoranschlags eines Sanitätshauses in Höhe von 3513,77 Euro und Fotografien ihrer Hand. Sie trug vor, sie arbeite mit Kundenkontakt am Flughafenschalter und fühle sich in der Öffentlichkeit starrenden Blicken ausgesetzt. Beim Musizieren, beim Modellbau sowie bei der Bedienung der Tastatur und der Maus ihres Computers am Arbeitsplatz und zu Hause beeinträchtige sie das fehlende Fingerglied, und die Silikonprothese biete ihr einen erheblichen Funktionsgewinn. Zudem sei es ohne den Schutz durch eine Fingerprothese äußerst schmerzhaft, wenn der Finger beim Greifen an Gegenstände stoße.
- 3
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Nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin durch den Verlust des Zeigefingerendgliedes nicht wesentlich beeinträchtigt sei, und die Fingerepithese funktionell weitgehend unbedeutend bleibe. Im Vordergrund stehe der kosmetische Aspekt, der eine Kostenzusage nicht rechtfertigen könne. Eine evtl Druckschmerzhaftigkeit könne durch eine Schutzkappe oder Verbandmaterial vermindert werden (Bescheid vom 11.4.2011, Widerspruchsbescheid vom 1.9.2011).
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 5.12.2012); das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 24.1.2014): Körperersatzstücke wie Fingerprothesen seien auf den unmittelbaren Ausgleich der Behinderung durch den Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallene Funktionen gerichtet. Bei der Fingerprothese gehe es um das Grundbedürfnis einer möglichst sicheren Greif-, Halte- und Führungsfunktion der Hand. Auch im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs hätten die Krankenkassen aber nicht für solche Innovationen aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile bewirkten und sich auf einen besseren Komfort oder eine bessere Optik beschränkten. Einen wesentlichen Gebrauchsvorteil habe die Klägerin weder vorgetragen noch sei dies den Unterlagen zu entnehmen.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Sie begehre eine Naturalfingerprothese mit der weitestgehend individuellen Anpassung an die gesunde Hand und mit der besten Griffigkeit. Denn es sei ein möglichst weitgehender Behinderungsausgleich geschuldet, der sowohl die Erhaltung der Vollständigkeit und Unversehrtheit des Körpers an sich umfasse, als auch die Vermeidung einer Stigmatisierung. Darüber hinaus biete ihr die Fingerprothese im gesamten täglichen Leben Gebrauchsvorteile, weil die im Wesentlichen durch Daumen und Zeigefinger gestaltete Greiffunktion der Hand durch die Verkürzung des Zeigefingers erheblich eingeschränkt werde.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2012 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Naturalfingerprothese zu übernehmen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, der Klägerin stehe generell kein Anspruch auf eine Fingerprothese zu, auch nicht auf eine weniger hochwertige Ausführung im Sinne einer Basisversorgung. Es handele sich bei den Fingerprothesen, die grundsätzlich aus Silikon hergestellt würden, immer um steife Fingerstücke, die auf den Amputationsstumpf aufgesetzt würden. Dadurch komme es zu keinem wesentlichen Funktionsgewinn. Manche Tätigkeiten seien mit einem steifen künstlichen Fingergelenk weniger gut durchführbar, als ohne diese Prothese. Gerade eine verbesserte Feinmotorik sei mit der Prothese wegen der fehlenden Nerven nicht erreichbar. In der Amputationsstelle seien dagegen noch Nerven vorhanden.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet, die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Klägerin mit einer Fingerprothese zu versorgen.
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1. Rechtsgrundlage des ungeachtet des auf Kostenübernahme lautenden Antrags der Sache nach geltend gemachten Sachleistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 Buchst a GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 - zweisitziges Elektrofahrzeug; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 40 - Unterschenkel-Sportprothese; BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31 - Treppensteighilfe). Nicht entscheidend für den Versorgungsanspruch ist, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, RdNr 20; vgl zum Ganzen auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, jeweils mwN).
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2. Der Hilfsmittelbegriff wird seit dem Inkrafttreten des SGB IX (durch Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046) zum 1.7.2001 für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1 SGB IX) durch § 31 Abs 1 SGB IX einheitlich definiert. Danach versteht der Gesetzgeber unter Hilfsmitteln Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel. Erfasst werden alle Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um (1.) einer drohenden Behinderung vorzubeugen, (2.) den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder (3.) eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Da sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe gemäß § 7 Satz 2 SGB IX nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen richten, ergibt sich der Rechtsanspruch der Versicherten weiterhin aus § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Bei der Definition des Hilfsmittelbegriffs in der medizinischen Rehabilitation hat sich der Gesetzgeber an der Rechtsprechung des BSG zum Hilfsmittelbegriff in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) orientiert. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV war bei der Hilfsmittelversorgung aber mit der Einführung des SGB IX nicht beabsichtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, jeweils mwN).
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Die begehrte Fingerprothese gehört zu den Körperersatzstücken. Unerheblich ist, ob dieses Fingerendgliedersatzstück als "Prothese" oder als "Epithese" bezeichnet wird, denn diese Begriffe sind nicht eindeutig voneinander abgrenzbar. In der Regel werden unter "Prothesen" Körperersatzstücke aller Art verstanden (vgl zB Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl 2014), während mit dem Begriff der "Epithesen" - abgeleitet von dem griechischen Wort für "Herauflegen" - individuell modellierte Ersatzstücke aus Kunststoff, Silikonen, Gelatine ua zur Deckung von Oberflächendefekten, insbesondere im Gesicht bezeichnet werden (vgl zB Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl 2014; nach Zetkin/Schaldach, Lexikon der Medizin, 16. Aufl 1998, handelt es sich bei Epithesen um Kunststoffprothesen zum Ausgleich von Oberflächendefekten, welche äußerlich aufgelegt, aufgeklebt oder mit knöchern verankerten Stiften fixiert werden). Jedenfalls soweit damit - wie hier- ein fehlendes Körperstück ersetzt wird, kann auch mit dem Begriff der Epithese ein Körperersatzstück bezeichnet werden.
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Da Körperersatzstücke bereits im Wortlaut des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V und des § 31 Abs 1 SGB IX ausdrücklich aufgeführt sind, erübrigen sich bezüglich der begehrten Fingerendgliedprothese weitere Ausführungen zur Hilfsmitteleigenschaft oder eine Abgrenzung von den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens.
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3. Ein Anspruchsausschluss nach § 34 Abs 4 Satz 1 SGB V greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift (idF durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.12.1991, BGBl I 2325) kann das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. In der auf Grund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13.12.1989 (BGBl I 2237), die in der Fassung der Verordnung vom 17.1.1995 (BGBl I 44) gilt, sind Fingerprothesen oder Fingerepithesen nicht erfasst.
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4. Der Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel gegen die GKV setzt darüber hinaus das Vorliegen der Voraussetzungen einer der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sowie in § 31 Abs 1 SGB IX teleologisch differenzierten Versorgungsvarianten voraus; dh das Hilfsmittel muss der Vorbeugung einer drohenden Behinderung, der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung oder dem Ausgleich einer Behinderung dienen.
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Die von der Klägerin begehrte Fingerprothese dient keinem dieser Zwecke. Die Variante "Abwendung einer drohenden Behinderung" kommt nach der Sachlage ohnehin nicht in Betracht. Das Hilfsmittel dient auch weder dem Ausgleich einer Behinderung (dazu a)) noch der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung (dazu b)). Aus diesen Gründen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine weniger hochwertige Fingerprothese (dazu c)).
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a) Als Körperersatzstück soll die Fingerprothese im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs eingesetzt werden, in dem die GKV die Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion zu bewirken hat (dazu aa)). Das Fehlen des Zeigefingerendgliedes stellt aber allenfalls eine ganz geringfügige Behinderung (zum Begriff der Behinderung siehe bb)) der Klägerin dar. Soweit überhaupt Handfunktionen beeinträchtigt sind, können diese durch die begehrte Fingerprothese nicht in einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden Weise ausgeglichen werden (dazu cc)). Eine Behinderung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus der äußerlichen Wirkung des fehlenden Fingergliedes, da hier keine teilhaberechtlich relevante erhebliche oder außergewöhnliche Auffälligkeit vorliegt (dazu dd)).
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aa) Hinsichtlich der Bestimmung eines Hilfsmittels zum Ausgleich einer Behinderung iS des § 33 Abs 1 Satz 1 dritte Variante SGB V wird zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich unterschieden. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich dient das Hilfsmittel unmittelbar dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, während im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird. Diese Differenzierung ist notwendig, weil unter Einbeziehung einer historischen Betrachtung unzweifelhaft ist, dass der Ausfall einer Körperfunktion den Krankheitsbegriff in der GKV erfüllt, und es daher zum Aufgabenbereich der GKV gehört, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen soweit wie möglich wiederherzustellen oder zu verbessern. Beim mittelbaren Behinderungsausgleich geht es demgegenüber darum, einem behinderten Menschen, dessen Beeinträchtigung durch medizinische Leistungen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung zu erleichtern. Dabei liegt es auf der Hand, dass es nicht Aufgabe der GKV ist, jegliche Behinderungsfolgen in allen Lebensbereichen auszugleichen. So ist es beispielsweise Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme, einen Ausgleich für spezielle berufliche Anforderungen zu schaffen. Es kann auch nicht Aufgabe der GKV sein, alle Auswirkungen der Behinderung etwa im Hinblick auf spezielle Sport- oder Freizeitinteressen durch Hilfsmittel auszugleichen. Auch nach dem der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewidmeten SGB IX ist die GKV nur für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie für unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, nicht aber für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständig (§ 6 Abs 1 Nr 1, § 5 SGB IX). Um hier den Aufgabenbereich der GKV abzugrenzen, ist ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich von der Krankenkasse nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12 - Lichtsignalanlage; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, jeweils mwN). Zu Wertungswidersprüchen führt die Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich nicht, da die durch den unmittelbaren Behinderungsausgleich bewirkte Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion bereits als solche ein Grundbedürfnis darstellt. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich kommt daher der Frage nach der Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens erst dann Bedeutung zu, wenn es nicht um die erstmalige Behebung eines Funktionsdefizits geht und auch nicht um die reine Ersatzbeschaffung, sondern um die Versorgung eines für den Behinderungsausgleich bereits ausreichend ausgestatteten Versicherten mit einem zweiten Hilfsmittel gleicher Art als Zweitausstattung, als Ausstattung für einen speziellen Zweck in Abgrenzung zur Ausstattung für das tägliche Leben oder mit einem technisch weiterentwickelten Hilfsmittel. Dabei kommt es auf den Umfang der mit dem neuen Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (zB computergestütztes statt mechanisches Kniegelenksystem). Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26; BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 16 ff - Rauchwarnmelder; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, jeweils mwN); anderenfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 - C-Leg; BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 16 bis 20 - Rauchwarnmelder; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4, mwN).
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bb) Allein aus dem Umstand, dass durch die Fingerprothese unmittelbar ein fehlendes Körperglied ersetzt wird und es daher um einen unmittelbaren Ausgleich einer körperlichen Beeinträchtigung geht, ergibt sich aber noch nicht, dass die Klägerin wegen des fehlenden Fingerendgliedes "behindert" ist. Vielmehr wird der Begriff der Behinderung in § 2 Abs 1 SGB IX ausdrücklich gesetzlich definiert und diese Begriffsdefinition gilt gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 und § 31 SGB IX auch für das SGB V und damit für die Krankenkassen. Nach § 2 Abs 1 SGB IX sind Menschen teilhaberechtlich behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist(Satz 1). Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist (Satz 2). Dabei entspricht der erste Teil der Definition der "Behinderung" iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX, also die dauerhaft regelwidrige Körperfunktion bzw das Funktionsdefizit, dem herkömmlichen rein medizinischen Behinderungsbegriff, während der zweite Teil der Definition, also die Teilhabebeeinträchtigung als Folge des Funktionsdefizits, die durch das SGB IX erfolgte Erweiterung des herkömmlichen Behinderungsbegriffs darstellt(vgl dazu auch Löbner, Der gesetzliche Behinderungsbegriff im Wandel der Zeit, Behindertenrecht 2015, 1 ff; vgl zum Ganzen auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke; BSG Urteil vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - CGMS, vorgesehen für SozR 4). Der Betonung der Teilhabebeeinträchtigung auch unter dem Gesichtspunkt, dass sich eine (körperliche, seelische oder geistige) Abweichung von der Regel insbesondere deshalb für die Betroffenen nachteilig auswirkt, weil die Umwelt im Hinblick auf die Bedürfnisse von Menschen ohne diese Abweichung gestaltet wird, kommt mit Rücksicht auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und dem sich aus Art 1 Abs 2 UN-BRK ergebenden Begriff der Behinderung besondere Bedeutung zu. Danach zählen zu den Menschen mit Behinderungen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. An diesem Begriff orientiert sich auch die Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH Urteil vom 18.12.2014 - C-354/13 - RdNr 59 - zur Kündigung wegen Adipositas). Danach wird Behinderung nicht als ein fest definiertes Konzept verstanden, sondern ist dynamisch und von den jeweiligen Wechselbeziehungen mit umweltbezogenen und personenbedingten Kontextfaktoren abhängig (Präambel lit. e) und Art 1 Abs 2 UN-BRK). Der Behinderungsbegriff entwickelt sich somit fortlaufend weiter und passt sich an die jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen an. Daher ist jeweils im konkreten Einzelfall zu überprüfen, ob eine Beeinträchtigung der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe vorliegt. Schließlich ist zwar die Regelwidrigkeit und die Funktionsstörung nach medizinischen Maßstäben zu beurteilen, die Beeinträchtigung der Teilhabe kann jedoch auch nach soziologischen und pädagogischen Maßstäben bestimmt werden (vgl hierzu auch Papadopoulou, Anmerkung zu EuGH Urteil vom 18.12.2014 - C 354/13, Forum B, Beitrag B9-2015 unter www.reha-recht.de, 10.7.2015).
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cc) Durch das Fehlen des Zeigefingerendgliedes werden die Handfunktionen der Klägerin allenfalls geringfügig beeinträchtigt. Soweit dies bereits zu einer Teilhabebeeinträchtigung führt, kann diese jedenfalls nicht durch die begehrte Fingerprothese in einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden Weise ausgeglichen werden.
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Regelmäßig tritt durch das Fehlen des Zeigefingerendgliedes allenfalls eine ganz geringe Funktionsbeeinträchtigung der Greif- und Haltefunktion der Hand ein. Diese bleibt bei der Feststellung des Grades einer Behinderung (vgl § 69 Abs 1 SGB IX iVm der Rechtsverordnung nach § 30 Abs 16 Bundesversorgungsgesetz - BVG) sowie bei der Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen nach dem BVG (vgl § 30 Abs 1 BVG iVm der Rechtsverordnung nach § 30 Abs 16 BVG) unberücksichtigt. Nach § 30 Abs 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Nach der Anlage zu § 2 der Rechtsverordnung, die nach § 30 Abs 16 BVG für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen wurde(Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 - VersMedV), werden der GdS und der Grad der Behinderung (GdB) nach gleichen Grundsätzen bemessen. Beide Begriffe haben die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt. GdS und GdB sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens (Teil A 2. der Anlage zu § 2 VersMedV). Anhaltswerte für den GdS und den GdB enthält die in Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV aufgeführte GdS-Tabelle. Danach führt der Verlust des Zeigefingers, Mittelfingers, Ringfingers oder Kleinfingers, auch mit Teilen des dazugehörigen Mittelhandknochens zu einem GdS/GdB von 10, der Verlust eines Daumens zu dem GdS/GdB von 25, aber der Verlust des Daumenendgliedes zu einem GdS/GdB von 0 (vgl unter 18.13 Schäden der oberen Gliedmaßen Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV). Führt schon der Verlust des Daumenendgliedes nicht zu einem GdS/GdB, kann der Verlust des Zeigefingerendgliedes allenfalls mit ganz geringen Funktionsbeeinträchtigungen verbunden sein. Denn der Daumen hat die wichtigste Funktion unter den Fingern, weshalb sein Verlust zu einem erheblich höheren GdS/GdB führt als der Verlust eines anderen Fingers.
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Die Klägerin wird durch das Fehlen des Zeigefingerendgliedes auch nicht in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehindert. Auch wenn sie durch die Verkürzung des Zeigefingers möglicherweise die von ihr angegebenen filigranen Greifbewegungen beim Musizieren, beim Modellbauen oder bei der Bedienung einer Computer-Tastatur oder der Maus nicht so uneingeschränkt und geschickt ausführen kann wie mit einem unversehrten Zeigefinger, so kann die begehrte Fingerprothese diese allenfalls minimale Funktions- und Teilhabebeeinträchtigung weder ausgleichen noch verringern. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den insoweit überzeugenden Ausführungen im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung gefolgt ist und hierzu kein weiteres Gutachten eingeholt hat. Denn es ist nachvollziehbar, dass eine unbewegliche Fingerendgliedprothese bei den von der Klägerin angegebenen filigranen Greifbewegungen beim Musizieren, beim Modellbauen und bei der Bedienung einer Computer-Tastatur oder der Maus keine Gebrauchsvorteile bietet, die über die Nutzung einer entsprechend angefertigten Schutzkappe hinausgehen.
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Das gleiche gilt für die von der Klägerin angegebenen Schmerzen beim Anstoßen des betroffenen Fingers an Gegenständen. Mit Empfindungsstörungen an den Fingern, besonders an Daumen und Zeigefinger, kann sogar eine wesentliche Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Hand verbunden sein, und Fingerstümpfe im Mittel- und Endgelenk können eine schmerzhafte Narbenbildung und ungünstige Weichteildeckung zeigen (vgl unter 18.13 Schäden der oberen Gliedmaßen Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV). Doch stellt die begehrte Fingerprothese keine dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende Versorgungsmöglichkeit zur Abwendung oder Verringerung von Schmerzen im Fingerstumpf dar. Denn ein Schutz vor Schmerzen beim Anstoßen an Gegenständen kann wirtschaftlicher durch eine Schutzkappe erreicht werden.
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dd) Die Klägerin wird in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auch nicht durch eine erhebliche oder außergewöhnliche äußerliche Auffälligkeit beeinträchtigt. Eine solche teilhaberechtlich relevante äußerliche Auffälligkeit liegt erst dann vor, wenn der Betroffene aufgrund seines Erscheinungsbildes zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird, er sich nicht mehr frei und unbefangen unter Mitmenschen bewegen kann und daher sein Rückzug aus dem Leben in der Gesellschaft droht (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke).
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Der Verlust des Zeigefingerendgliedes ist nach den Feststellungen des LSG bei der Klägerin jedoch weder eine erhebliche noch eine außergewöhnliche Auffälligkeit. Die Klägerin wird schon deshalb nicht zum Objekt besonderer Beachtung anderer, weil die Abweichung vom Normalzustand nur bei einem Blick auf die betroffene Hand sichtbar wird, die Abweichung dort nur das letzte Glied eines Fingers betrifft und es letztlich lediglich um eine Verkürzung, nicht um eine besondere Wunde oder außergewöhnliche Verwachsung oder sonstige Anomalie geht. Der Verlust dieses Fingerendgliedes kann allenfalls die Wirkung einer kleineren ästhetischen Unregelmäßigkeit entfalten, deren Beseitigung bzw Kaschierung als kosmetische Maßnahme ohne Krankheitswert in die Eigenverantwortung des Betroffenen fällt. Das freie und unbefangene Bewegen unter Mitmenschen wird dadurch nicht eingeschränkt. Ein Anspruch gegen die Krankenkasse auf die Herstellung eines völlig unversehrten Körperbildes kann dadurch nicht ausgelöst werden.
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Insoweit ergeben sich zwischen Männern und Frauen keine Unterschiede. Während ein haarloser Kopf in der Öffentlichkeit unterschiedliche Reaktionen hervorruft, je nachdem ob ein Mann oder eine Frau betroffen ist (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke), löst der Verlust eines Fingergliedes nicht generell nach Geschlecht unterscheidbare Reaktionen aus. Beim Haarverlust beruht dies darauf, dass dieser bei Männern - im Gegensatz zu Frauen - ab einem bestimmten Alter ein natürlicher Vorgang ist. Bezüglich des Verlustes eines Fingergliedes bestehen solche von der Natur vorgegebenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht. Entscheidend für die Reaktionen der Öffentlichkeit auf den Verlust eines Fingergliedes sind daher in erster Linie Form, Ausmaß und Aussehen der Anomalie im Handbereich, nicht das Geschlecht des Betroffenen.
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Der Umstand, dass die Klägerin den Verlust ihres Zeigefinderendgliedes offenbar als psychische Belastung empfindet, kann nicht den Anspruch auf die Versorgung mit einer Fingerprothese auslösen; denn es kommt auf die Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Beseitigung einer objektiv eingetretenen entstellenden Wirkung an (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke, mwN; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14). Selbst ein Zustand mit Krankheitswert würde die Krankenkasse lediglich zu medizinisch notwendigen Behandlungsmaßnahmen verpflichten und nicht dazu, jede vom Versicherten gewünschte, von ihm für optimal gehaltene Maßnahme zur Heilung oder Linderung des krankhaften Zustands zu gewähren. Daran hat auch das am 1.7.2001 in Kraft getretene SGB IX nichts geändert, denn in Bezug auf die Zuständigkeit des Leistungsträgers und die Leistungsvoraussetzungen verweist § 7 Satz 2 SGB IX ausdrücklich auf die speziellen Leistungsgesetze, hier also das SGB V(BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 RdNr 8). Danach sind die Ansprüche des Versicherten auf diejenigen Maßnahmen begrenzt, die nach objektiven Maßstäben als ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich anzusehen sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs 1 SGB V).
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b) Ein Anspruch kommt auch nicht zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung in Betracht. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nur dann Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zum Anspruch auf Krankenbehandlung gehört auch die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V). Den Krankheiten gleichgestellt sind in weitgehendem Umfang Behinderungen (vgl § 2 Abs 1 SGB IX, § 33 SGB V). Das Gesetz macht keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Krankheiten im engeren Sinne, bei denen die Betonung auf dem regelmäßig nur vorübergehenden Charakter einer als überwindbar angesehenen Gesundheitsbeeinträchtigung liegt, und Behinderungen, die als weitgehend unabänderlich vor allem unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für eine dauerhaft regelwidrige Körperfunktion die Leistungspflicht begründen können (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 RdNr 6).
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Unter einer Krankheit iS des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V wird allgemein ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand verstanden, der ärztlicher Heilbehandlung bedarf oder - zugleich oder allein - den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr vgl zuletzt BSG Urteil vom 22.4.2015 - B 3 KR 3/14 R - Juris, mwN; sowie zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 4; BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 38). Da aber nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit auch Krankheitswert zukommt, hat die Rechtsprechung diese Grundvoraussetzung dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke mwN; sowie BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11 - zu Brustangleichungsoperationen; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 6 - zu kosmetischen Brustvergrößerungen; BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4, RdNr 16 - zu Feuermalen der Haut; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f - zu einer Hodenprothese; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 zur Dauerpigmentierung bei fehlenden Augenbrauen und Wimpern). Der Gesetzgeber selbst hat bewusst davon abgesehen, den Begriff der Krankheit im Gesetz zu definieren, da sein Inhalt ständigen Änderungen unterliegt. Stattdessen hat er in der Gesetzbegründung Bezug genommen auf die herrschende Rechtsprechung und Praxis (Begründung des Entwurfs zum Gesundheits-Reformgesetz, BT-Drucks 11/2237, S 170). Trotz der vom Gesetzgeber angenommenen ständigen Änderungen des Krankheitsbegriffs ist aber die grundlegende Begriffsdefinition gleich geblieben. Die Anpassung an die fortschreitende medizinische Entwicklung erfolgt in der Regel im Rahmen der einzelnen Begriffsmerkmale. Die Ausweitung der therapeutischen Möglichkeiten schlägt sich insbesondere in dem Begriffsmerkmal der "Behandlungsbedürftigkeit" nieder (Fahlbusch in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 27 RdNr 31 und 42 mwN).
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Der krankenversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff ist enger als der Krankheitsbegriff im allgemein-medizinischen Sinne, der jede "Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen bzw objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen" bzw "eine definierbare Einheit typischer ätiologisch, morphologisch, symptomatisch oder nosologisch beschreibbarer Erscheinungen, die als eine bestimmte Erkrankung verstanden werden" umfasst. Bei dem medizinischen Krankheitsbegriff kommt es insbesondere auf Behandlungsbedürftigkeit bzw Arbeitsunfähigkeit nicht an. Ebenfalls nicht maßgeblich für das Krankenversicherungsrecht ist der weite sozialpolitische Krankheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation, die den Gegenbegriff der Gesundheit definiert als "Zustand völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlempfindens" (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 - Perücke; Fahlbusch, aaO, § 27 RdNr 34).
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Das Fehlen des Zeigefingerendgliedes kann schon deshalb nicht als behandlungsbedürftige Krankheit bewertet werden, weil es - wie ausgeführt - nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Körperfunktionen führt und zudem weder die Fingerprothese noch ein anderes Mittel der Krankenbehandlung der Klägerin das verlorene Zeigefingerendglied wieder zu beschaffen oder die insoweit geringfügig beeinträchtigte Körperfunktion auszugleichen vermag. Zur Behandlung möglicherweise beim Anstoßen an Gegenständen auftretender Schmerzen, denen danach Krankheitswert zukommen kann, reicht eine entsprechend angefertigte Schutzkappe aus. Auch bei der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung ist das nach § 12 Abs 1 SGB V für alle Leistungen der GKV geltende Wirtschaftlichkeitsgebot zu berücksichtigen. Wie bereits zur Behinderung dargelegt, zeigt das Fehlen des Zeigefingerendgliedes bei der Klägerin auch keine entstellende Wirkung und ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht krankheitswertig.
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c) Ohne entsprechende Gebrauchsvorteile und ohne den Ausgleich einer Teilhabebeeinträchtigung bewirken zu können, überschreitet die begehrte Fingerprothese die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung.Die letztlich auf einen bloß besseren Komfort und vor allem eine bessere Optik beschränkten Vorteile der Fingerendgliedprothese lösen auch dann keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus, wenn durch das Hilfsmittel unmittelbar ein fehlendes Körperteil ersetzt wird. Nach dem Wortlaut des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sowie des § 31 Abs 1 SGB IX fallen auch Körperersatzstücke nicht ohne Weiteres in die Leistungspflicht der Krankenversicherung, sondern nur unter den Voraussetzungen einer der drei teleologisch differenzierten Versorgungsvarianten: zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung oder zum Ausgleich einer Behinderung. Der Leistungsanspruch ergibt sich - soweit ausnahmsweise mit dem fehlenden Körperglied keine Funktionsbeeinträchtigung verbunden ist - nicht bereits zur Wiederherstellung der vollständigen körperlichen Integrität bzw eines vollständigen, unversehrten Körpers.
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Liegt - wie hier - allenfalls eine unwesentliche Funktionsbeeinträchtigung vor und kann die Funktion durch das begehrte Hilfsmittel nicht weiter verbessert oder ausgeglichen werden, kann das Hilfsmittel nicht zum Behinderungsausgleich oder zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung erforderlich sein. Deshalb ist auch eine weniger hochwertige Fingerprothese nicht vom Versorgungsanspruch umfasst, solange damit kein funktioneller Nachteilsausgleich verbunden ist, weil die Prothese keine wesentlichen Gebrauchsvorteile, sondern lediglich einen besseren Komfort und eine bessere Optik als beispielsweise eine Schutzkappe bietet. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass ihr Begehren hilfsweise auch eine solche Schutzkappe umfassen sollte. Dies hätte die Klägerin deutlicher zum Ausdruck bringen und hierzu insbesondere ihre Empfindungsstörungen genauer darlegen und ggf seitens der Beklagten genauer prüfen lassen müssen. Es ist ihr allerdings nicht verwehrt, dies in einem neuen Verfahren noch zu tun. Sollte sich eine Schutzkappe als erforderlich erweisen, könnte die Klägerin auch von der Möglichkeit nach § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V Gebrauch machen und die Fingerprothese als höherwertiges Hilfsmittel wählen, wenn sie die damit verbundenen Mehrkosten selbst trägt und die Fingerendgliedprothese im Hinblick auf die Schmerzempfindlichkeit denselben Schutz bietet, wie eine Schutzkappe.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt
- 1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, - 3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen, - 4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe, - 5.
Krankenhausbehandlung, - 6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie
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asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, - 2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. November 2009 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin auf Kosten der beklagten Krankenkasse (KK) eine operative Behandlung zu gewähren ist, mit der sie weitere Körpermerkmale des männlichen Geschlechts erhält.
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Die 1973 geborene Klägerin leidet unter einer Störung der Geschlechtsidentität (ICD-10-Code: F 64.8) in Form einer sog Zisidentität, bei der von dem/der Betroffenen eine Anpassung an das andere (hier: männliche) Geschlecht unter Beibehaltung beidgeschlechtlicher körperlicher Merkmale angestrebt wird. Seit 1997 wird sie deswegen psychotherapeutisch behandelt. Die Beklagte gewährte ihr eine die Mammae reduzierende Operation; seit 2000 wird - ebenfalls zu Lasten der Beklagten - eine geschlechtsangleichende Hormontherapie mit Testosteron durchgeführt, die zu einer Klitorisvergrößerung führt. Dem im Februar 2006 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung einer subkutanen Mastektomie (Re-Modellierung einer männlichen Brust mit Mamillenverkleinerung und Drüsen-/Fettentfernung) gab die Beklagte statt. Sie lehnte aber nach Einholung von Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK; Gutachten vom 29.8.2006 und 13.7.2007 - Dr. P. sowie vom 19.12.2006 - Dr. M.) die ebenfalls begehrte operative Angleichung im Genitalbereich (Ablösung der Klitoris von der Scheide und deren Vergrößerung, so dass ein Minipenis entsteht, sowie dauerhafte Verdickung der Schamlippen) ab (Bescheid vom 5.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 4.10.2007).
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Die auf die Übernahme der Kosten für eine stationär durchzuführende geschlechtsangleichende Operation in Form einer Klitorisvergrößerung mit Schamlippenimplantaten gerichtete Klage hat das SG abgewiesen: Ein Anspruch der Klägerin scheitere daran, dass keine körperliche "Krankheit" im Sinne des § 27 Abs 1 SGB V bestehe, deren operative Behandlung in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) falle. Eine nach "objektiven" Kriterien festzustellende Abweichung des Aussehens der Klägerin von der Norm liege nicht vor; vielmehr begehre sie aus psychischen Motiven heraus eine Operation am gesunden (Frauen-) Körper, indem sie diesem Geschlechtsmerkmale hinzufügen wolle, die einem männlichen Körper eigen seien. Die Geschlechtsidentitätsstörung in der Form einer Zisidentität sei kein Fall der Transsexualität, wie sie dem "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen" (vom 10.9.1980, BGBl I 1654, Transsexuellengesetz - TSG) zu Grunde liege. Der erstrebte operative Zustand würde die Klägerin in einen regelwidrigen neuen Zustand versetzen, weil dem Menschsein naturgemäß entweder weibliche oder männliche Geschlechtsmerkmale eigen seien. Zu der Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs 1 SGB V seien grundsätzlich nur solche Maßnahmen zu zählen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzten. Dies sei hier die Beseitigung/Linderung der psychischen Belastung. Eine aus psychischen Motiven verlangte Operation am gesunden Körper sei nur wie bei der Transsexualität (im Sinne des TSG) im Ausnahmefall zulässig. Auch wenn ein vergleichbarer krankhafter Leidensdruck bei der Klägerin gegeben sei, fehle es am Nachweis der Zweckmäßigkeit des operativen Eingriffs, nämlich der wahrscheinlichen Heilung oder zumindest Linderung durch die begehrten operativen Maßnahmen. Auch sei ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte nicht aus dem Verfassungsrecht, etwa aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, abzuleiten (Urteil vom 10.11.2009).
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Mit ihrer Sprungrevision rügt die Klägerin die Verletzung von § 27 Abs 1 SGB V und macht Verfahrensfehler geltend. Zisidentität sei eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs 1 SGB V und die operative Behandlung zur Annäherung an die Zweigeschlechtlichkeit vom Leistungsumfang der GKV gedeckt. Sie sei eine besondere Form der Transsexualität; für den Krankheitsbegriff des SGB V sei das TSG ohne Bedeutung. Eine Krankheit bestehe bei Transsexualität einschließlich der Zisidentität, wenn ein regelwidriger Zustand im Sinne der Gebrochenheit des geschlechtsspezifischen Identitätsbewusstseins vorliege und zusätzlich im Einzelfall ein schwerer Leidensdruck existiere, der eine medizinische Behandlung erfordere. Der Fall der geschlechtsangleichenden Operation sei nicht vergleichbar mit dem Wunsch nach einem operativen Eingriff in einen für sich genommen nicht behandlungsbedürftigen Körperzustand zum Zwecke der Behebung oder Linderung einer psychischen Störung (BSGE 82, 158 = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 - Hodenprothese; BSGE 72, 96 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 - Beinverlängerung). Transsexuelle Menschen einschließlich derer mit Zisidentität hätten keine gestörte Psyche, sondern ein von der Mehrheit der Menschen abweichendes geschlechtsspezifisches Identitätsbewusstsein. Mit dem Hinweis auf die Herstellung eines regelwidrigen Zustandes könne die begehrte Operation nicht abgelehnt werden. Auch bei der "totalen" Geschlechtsumwandlung im Falle der Transsexualität stelle sich das umoperierte Geschlecht - trotz der optisch eindeutigen Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter - als regelwidrig dar. Die Behandlungsbedürftigkeit sei entgegen den SG-Feststellungen gegeben, weil der Leidensdruck einer medizinischen Behandlung bedürfe. Ausreichend sei insofern eine Linderung der Beschwerden. Das SG nehme zu Unrecht an, dass bei psychischen Störungen die Behandlung grundsätzlich auf die Mittel der Psychiatrie und Psychotherapie beschränkt sei und verneine ohne Begründung die Zweckmäßigkeit einer Operation. Mit den Stellungnahmen der Ärzte Dr. S. und Dr. S., aus denen sich die Notwendigkeit des begehrten operativen Eingriffs aus dem festgestellten erheblichen Leidensdruck und zur Vermeidung der Nebenwirkungen der Hormontherapie ergebe, setze sich das SG nicht auseinander. Auf die MDK-Gutachten habe sich das SG nicht stützen dürfen, zumal sie - die Klägerin - dagegen Einwände vorgebracht habe; vielmehr habe es den Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens weiter aufklären müssen. Die mangelnde Auseinandersetzung des SG mit diesen Einwänden stelle einen Verfahrensfehler dar.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2007 zu verurteilen, ihr eine Operation in Form einer Klitorisvergrößerung mit Korrektur im Hautfaltenbereich der Klitoris und Schamlippenimplantate zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Sprungrevision der von Zisidentität - einer Störung der Geschlechtsidentität - betroffenen Klägerin ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen die ablehnenden Bescheide der beklagten KK abgewiesen und die Gewährung einer operativen Vergrößerung der Klitoris und die Versorgung mit Schamlippenimplantaten als Naturalleistung der Beklagten abgelehnt.
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Entweder sind die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht erfüllt oder seine Rechtsfolge umfasst nicht das erstrebte Begehren der Klägerin. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin überhaupt an einer behandlungsbedürftigen Krankheit leidet, sei es in Form einer körperlichen oder einer geistigen Regelwidrigkeit. Fehlt es hieran, besteht schon deshalb kein Anspruch der Klägerin (dazu 1.). Leidet die Klägerin an einer geistigen Regelwidrigkeit, die ärztlicher Behandlung bedarf, kann sie die begehrte Naturalleistung nicht beanspruchen, weil sie dann grundsätzlich nur psychische Behandlung verlangen kann und es um keinen Ausnahmefall geht, in dem dennoch ein Eingriff in den gesunden Körper zu beanspruchen ist (dazu 2.). Leidet die Klägerin schließlich an einer behandlungsbedürftigen körperlichen Regelwidrigkeit, scheitert ein Anspruch daran, dass § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V das erstrebte Behandlungsziel "Herstellung eines körperlichen Zustandes mit beidgeschlechtlichen Merkmalen" nicht erfasst(dazu 3.).
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1. Falls bei der Klägerin keine behandlungsbedürftige Regelwidrigkeit besteht, scheiden Ansprüche auf Krankenbehandlung von vornherein schon mangels vorliegender "Krankheit" aus. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nämlich nur dann Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Unter einer "Krankheit" im Rechtssinne versteht die Rechtsprechung des BSG einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, vgl zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 RdNr 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 4; BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 38; BSGE 72, 96, 98 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 S 64, jeweils mwN). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (stRspr, vgl zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 6; BSGE 93, 94, 102 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4 S 29; zu einer Hodenprothese BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 253 f).
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Dass die Klägerin an keiner "Krankheit" in Form eines behandlungsbedürftigen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes leidet, kann der Fall sein, weil jedenfalls zu Beginn der Behandlung der Zisidentität - vor der bereits teilweise erfolgten Vornahme von Veränderungen am Körper - keine körperliche Anomalie in Form der Beeinträchtigung von Körperfunktionen oder einer Entstellung bestand. Die Klägerin befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer regelhaften körperlichen Verfassung einer Frau. Dies entnimmt der Senat den Feststellungen des SG, an die er gebunden ist (§§ 163, 161 Abs 4 SGG). Eine "Entstellung" oder mit der begehrten Operation zu behandelnde Funktionsbeeinträchtigung hat das SG nicht bindend festgestellt.
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2. Wenn die Zisidentität der Klägerin - alternativ unterstellt - als psychische Erkrankung (und nicht als physische Erkrankung, dazu 3.) einzustufen ist, kann sie die begehrte Naturalleistung nicht beanspruchen, weil sie dann grundsätzlich nur psychische Behandlung verlangen kann (dazu a) und es um keinen Ausnahmefall geht, in dem Krankenbehandlung dennoch einen Eingriff in den gesunden Körper umfasst (dazu b).
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a) Die Rechtsprechung des BSG verneint die Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl nur BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen. Daran hält der Senat fest.
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Allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3, § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN)und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt. Eine Rechtfertigung für Operationen am gesunden Körper zur Behebung von psychischen Störungen hat der Senat vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose in ständiger Rechtsprechung verneint (zusammenfassend: BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 18 mwN). Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie oder Psychotherapie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 - Cabaseril, LS und RdNr 19). Der damit aufgestellte Grundsatz wäre nur dann zu überprüfen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe wesentlich geändert hätte. Für eine solche Annahme besteht jedoch kein Anlass (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 9).
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b) Eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen kommt de lege lata in dem hier betroffenen Bereich nur im Falle einer besonders tief greifenden Form der Transsexualität in Betracht. So hat der 3. Senat des BSG - noch unter Geltung der RVO - die Leistungspflicht einer KK für eine geschlechtsangleichende Operation bejaht (BSGE 62, 83 = SozR 2200 § 182 Nr 106). Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die damals verwertet wurden, handelt es sich bei der Transsexualität um eine komplexe, die gesamte Persönlichkeit erfassende tief greifende Störung mit sowohl seelischen als auch körperlichen Beeinträchtigungen. Der Gesetzgeber hat durch Schaffung des TSG bestätigt, dass der Befund der Transsexualität eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Auch unter Geltung des SGB V ist eine solche Ausnahme mit den in der Rechtsprechung entwickelten Grenzen anzuerkennen (noch offengelassen: BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3<1. Senat>, RdNr 11). Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen nicht dazu, dass Betroffene Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer möglichst großen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen haben (vgl bereits BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl auch § 8 Abs 1 Nr 4 TSG; zur Ablehnung einer Mamma-Augmentationsplastik bei einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen trotz einziger Möglichkeit, die psychische Erkrankung einschließlich ihrer körperlichen Begleiterscheinungen zu beheben: Sächsisches LSG, Urteil vom 3.2.1999 - L 1 KR 31/98 - juris RdNr 37; vgl auch Bayerisches LSG vom 30.10.2003 - L 4 KR 203/01 - zu einer besonderen Penisplastik zur Ermöglichung des Urinierens im Stehen bei Frau-zu-Mann-Transsexualität).
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Voraussetzung für eine an die Wertungen des TSG anknüpfende Behandlungsbedürftigkeit ist allerdings stets, dass das Ziel der Krankenbehandlung zumindest auf die Annäherung an einen regelhaften Zustand - also dem körperlichen Zustand einer Frau bzw eines Mannes - gerichtet ist. Weitergehende Rechte lassen sich auch nicht aus dem TSG ableiten. Das Begehren der Klägerin zielt aber gerade nicht auf die Annäherung an einen regelhaften Zustand (dazu 3.).
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Der erkennende Senat sieht sich aufgrund der bestehenden Gesetzeslage (§ 31 SGB I) daran gehindert, der Klägerin im Wege richterlicher Rechtsfortbildung Ansprüche zuzuerkennen, die über den vom TSG gezogenen Rahmen hinausgehen. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit dürfen die dort erkennbar gezogenen Grenzen nicht überschreiten. Der Gesetzgeber hat nämlich im Bereich des Umgangs mit Störungen der Geschlechtsidentität in Staat und Gesellschaft, einer atypischen, gleichwohl aber hochsensiblen Materie, mit den Wertungen des TSG auch für das SGB V zu erkennen gegeben, inwieweit er bereit ist, betroffenen Personen auf Kosten der GKV Leistungsansprüche einzuräumen.
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3. Auch wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass sie an einer behandlungsbedürftigen körperlichen Regelwidrigkeit leidet (dazu a), scheitert ein Anspruch daran, dass § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V das erstrebte Behandlungsziel "Herstellung eines körperlichen Zustandes mit beidgeschlechtlichen Merkmalen" nicht erfasst(dazu b).
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a) Als behandlungsbedürftige körperliche Erkrankungen der Klägerin kommen - ausgehend von den festzustellenden Funktionsbeeinträchtigungen oder Entstellungen - die Folgen der bereits durchgeführten Hormontherapie in Betracht. Von einer hieraus resultierenden Entstellung ist hinsichtlich ihrer Geschlechtsorgane nach der aufgezeigten Rechtsprechung nicht auszugehen (vgl zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 6; BSGE 93, 94, 102 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4 S 29; zu einer Hodenprothese BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 253 f). Ansatzpunkte könnten der physische Zustand ihrer Geschlechtsorgane im Falle von - hier allerdings nicht festgestellten - Funktionsstörungen und die mit der Hormontherapie ggf verbundenen durch die begehrte operative Behandlung als mittelbare Folge möglicherweise entfallenden negativen Nebenwirkungen (Haarausfall etc) sein.
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b) Das von der Klägerin erstrebte Behandlungsziel im körperlichen Bereich ist indes nicht von § 27 Abs 1 SGB V gedeckt. Bei - im dargelegten Umfang unterstellt - regelwidrigem physischen Zustand aufgrund der Hormontherapie begehrt sie nicht, diese dann bestehende körperliche Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder die Krankheitsbeschwerden zu lindern. Vielmehr will sie gerade durch die gewünschte operative Behandlung einen Zustand schaffen, der sich weitergehend von der am Leitbild des gesunden Menschen ausgerichteten Regel entfernt. Denn sie möchte mit der begehrten operativen Behandlung neben ihren noch vorhandenen weiblichen Körpermerkmalen zusätzlich diejenigen des männlichen Geschlechts erhalten. Sie verfolgt mit der Behandlung nicht das Ziel, eine Regelwidrigkeit zu beseitigen oder - so weit wie möglich - einen regelhaften Körperzustand herzustellen. Die streitige Behandlung soll einen nach den Wünschen der Klägerin ausgerichteten körperlichen Zustand zwischen den beiden menschlichen Geschlechtstypen und nicht einen möglichst annähernd regelgerechten Zustand - etwa den eines männlichen Körpers - schaffen. Die erstrebte plastische chirurgische Herausbildung eines Minipenis bei gleichzeitiger Erhaltung und Vergrößerung der vorhandenen Schamlippen entspricht weder dem regelgerechten Zustand einer Frau noch demjenigen eines Mannes. Der Umstand, dass es Menschen mit beidgeschlechtlichen Merkmalen bisweilen bereits von Geburt an gibt, spricht - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht für eine Regelhaftigkeit eines solchen angestrebten Zustandes. Solche Fälle können Anlass für Ansprüche auf Krankenbehandlung sein, die darauf gerichtet ist, den betroffenen Versicherten einem geschlechtlichen Regeltypus anzugleichen, nicht aber darauf, den Zustand des Beidgeschlechtlichen zu vertiefen. Das wäre weder eine Heilung noch eine Verhütung einer Verschlimmerung.
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Etwas anderes lässt sich - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch nicht daraus ableiten, dass § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V neben dem Ziel der Heilung und der Verhütung der Verschlimmerung der Krankheit auch die Linderung der Krankheitsbeschwerden nennt. Zu den Krankheitsbeschwerden sind nicht nur Schmerzen zu rechnen, die vom Patienten empfunden werden, sondern auch andere krankheitsbedingte Beeinträchtigungen des körperlichen, geistigen und seelischen Zustandes, die für den Patienten eine Belastung und Bürde bedeuten, auch wenn sie von ihm (krankheitsbedingt) nicht bewusst wahrgenommen werden (vgl BSG USK 80211; zur Berücksichtigung von Behinderungen vgl etwa BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 RdNr 6 und 8 - Dauerpigmentierung von Gesichtspartien). Das Ziel, Beschwerden zu lindern, trägt den Grenzen der Möglichkeiten Rechnung, zu heilen und Verschlimmerungen zu verhüten. Der Ausgangspunkt - die Beschwerden - beleuchtet die Nähe zur Psyche, den Empfindungen. Deshalb kann das Behandlungsziel der Beschwerdelinderung nicht dazu eingesetzt werden, um Grenzen zu verschieben, die bei der Behandlung psychischer Krankheiten durch Eingriffe in intakte Organsysteme gezogen sind.
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Wie bereits oben dargelegt, kommt schließlich nicht in Betracht, die von § 27 Abs 1 SGB V gezogenen Grenzen nach den subjektiven Vorstellungen der Betroffenen auszuweiten. Das betrifft nicht nur die Voraussetzungen der Norm, sondern auch ihre Rechtsfolgen. Orientiert am objektiven Krankheitsbegriff muss spiegelbildlich auch das Ziel der von einer KK geschuldeten Krankenbehandlung die Herstellung eines regelhaften Zustandes im beschriebenen Sinne sein. Ausschlaggebend sind demnach nicht subjektive Vorstellungen, sondern ein verallgemeinernder, sich an einer gewissen Typik und Variationsbreite ausrichtender regelhafter Maßstab. Auch die Art und der Umfang einer Operation im Falle der Transsexualität, die eine möglichst große Annäherung an das andere Geschlecht anstrebt, richtet sich dementsprechend nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Betroffenen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.