Landgericht Stendal Beschluss, 16. Aug. 2013 - 25 T 133/13

ECLI:ECLI:DE:LGSTEND:2013:0816.25T133.13.0A
bei uns veröffentlicht am16.08.2013

Tenor

1. Die sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und des Gläubigerausschusses gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 16. Juli 2013 – 7 IN …/12 – werden verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Masse zur Last.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Bildung einer Sonderinsolvenzmasse.

2

Das Amtsgericht hat einen Sonderinsolvenzverwalter eingesetzt und mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.7.2013 angeordnet, dass eine Sondermasse in Höhe von 30.000,00 € zum Zwecke der Begleichung der vom Sonderinsolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten gebildet werde. Zugleich hat es die unter Selbstverwaltung stehende Schuldnerin angewiesen, den Betrag an den Sonderinsolvenzverwalter auszukehren. Hiergegen wenden sich sowohl die Schuldnerin als auch der Gläubigerausschuss mit weitgehend wortgleichen Erinnerungen zum Amtsgericht sowie sofortigen Beschwerden zum Landgericht.

II.

3

Die sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und des Gläubigerausschusses waren ohne Prüfung in der Sache als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht statthaft sind. Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nämlich nach § 6 Abs. 1 InsO nur in solchen Fällen einem Rechtsmittel, in denen das Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die Bildung einer separierten Insolvenzmasse für den Sonderverwalter ist – wie die Sonderverwaltung selbst – gesetzlich nicht vorgesehen. Daher gibt es auch keine Vorschrift, die besagt, dass ein Beschluss über die Bildung einer Sonderinsolvenzmasse anfechtbar sei. Ist diese Entscheidung – wie hier – durch einen Rechtspfleger getroffen worden, steht allerdings nach § 11 Abs. 2 RpflG die Erinnerung zum Abteilungsrichter offen.

4

Die Beschwerdeführer weisen zu Recht darauf hin, dass es sich bei dem angefochtenen Beschluss lediglich um einen Annex zur Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters handelt, der dessen rechtliches Schicksal teilt. Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 17.6.2013 (25 T 23/13) ausführlich begründet, weshalb die Einrichtung einer Sonderinsolvenzverwaltung mit der sofortigen Beschwerde nicht anfechtbar ist. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn man wegen bloßes Annexes – hier: die Bildung einer eigenen Masse für den Sonderinsolvenzverwalter – eine sofortige Beschwerde zulassen wollte, während die Bestellung des Verwalters selbst mit diesem Rechtsmittel nicht anfechtbar ist.

5

Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels folgt auch nicht aus einer "offenkundigen und greifbaren Gesetzeswidrigkeit". Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2002 mit der von ihm zuvor entwickelten Rechtsfigur der "außerordentlichen Beschwerde" gebrochen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung mittelbar bestätigt (vgl. Zöller, ZPO, 27. Aufl., Vor § 567 Rn 6 bis 8). Ungeachtet dessen ist der Beschluss des Rechtspflegers nicht "offenkundig und greifbar gesetzwidrig". Ebenso wie das Institut der Sonderinsolvenzverwaltung allgemein anerkannt ist (vgl. Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl., § 56 Rn 153 ff.), ist auch die Bildung einer Sonderinsolvenzmasse denkbar. Ohne dem Abteilungsrichter vorgreifen zu wollen, der über die Erinnerung gegen die Bildung einer Sonderinsolvenzmasse zu entscheiden hat, liegt jedenfalls kein evidenter Rechtsbruch vor. Die Bildung einer Sonderinsolvenzmasse kommt nach §§ 4 InsO, analog 938 Abs. 2 ZPO in Betracht (vgl. Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, Rn 316, 317). Die Bildung einer Sonderinsolvenzmasse ist ein Weg, um zu gewährleisten, dass der Sonderinsolvenzverwalter seine Aufgaben in finanzieller Unabhängigkeit durchführen kann, ohne in einen Konflikt mit dem Insolvenzverwalter bzw. Sachverwalter zu geraten, der unter Umständen andere Interessen verfolgt. Die Bildung einer separierten Masse wird auch im ersten Entwurf der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 11.1.1994 vorausgesetzt. Darin hieß es (Hervorhebung durch die Kammer):

6

"§ 12 Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters

7

(1) Die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters, der bestellt wird, soweit der Insolvenzverwalter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen seine Aufgaben nicht wahrnehmen kann, wird vom Insolvenzgericht unter Berücksichtigung des Umfangs und der Dauer der Tätigkeit nach billigem Ermessen bestimmt.

8

(2) Die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters, der eine Sondermasse verwaltet, wird nach dem Wert dieser Sondermasse berechnet.

9

(3) Auslagen sind einzeln abzuführen und zu belegen."

10

Diese Regelung ist zwar nicht Gesetz geworden. Dies beruht jedoch allein darauf, dass die entsprechende Vorschrift über die Sonderinsolvenzverwaltung in § 77 des Regierungsentwurfes für die Insolvenzordnung vom Rechtsausschuss mit der Begründung gestrichen worden ist, dass das Institut der Sonderinsolvenzverwaltung in der Rechtspraxis anerkannt sei und daher keiner besonderen gesetzlichen Regelung bedürfe (vgl. BT-Drucks 12/2443, S. 162).

11

Schließlich überzeugen die Versuche der Beschwerdeführer nicht, aus Art. 19 Abs. 4 GG eine Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde herzuleiten. Die Verfassung gewährt lediglich "Rechtschutz durch den Richter, nicht jedoch Rechtschutz gegen den Richter". Von Verfassung wegen gibt es also keinen Anspruch auf ein Rechtsmittelverfahren; es genügt, dass ein Richter im Rahmen eines Rechtsbehelfs mit der Sache befasst wird, was hier durch die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RpflG gewährleistet ist.

12

Die sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und des Gläubigerausschusses waren zu verwerfen und nicht lediglich dem Abteilungsrichter vorzulegen. Durch die gleichzeitige Einlegung von Erinnerung und sofortiger Beschwerde haben die Schuldnerin und der Gläubigerausschuss nicht lediglich einen einheitlichen Anfechtungswillen zum Ausdruck gebracht, über den einheitlich zu entscheiden wäre. Dagegen spricht, dass sie bewusst unterschiedliche Rechtsbehelfe (Erinnerung, sofortige Beschwerde) eingelegt haben, ohne ein Rangverhältnis zu bestimmen und sich mit ihren sofortigen Beschwerden entgegen § 6 Abs. 1 S. 2 InsO direkt an das Landgericht gewendet haben.

III.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 InsO, 97 ZPO.

14

Die Rechtsbeschwerde war nach § 574 ZPO nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

15

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 GKG.


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Rechtspflegergesetz - RPflG 1969 | § 11 Rechtsbehelfe


(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. (2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Recht

Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

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Landgericht Stendal Beschluss, 17. Juni 2013 - 25 T 23/13

bei uns veröffentlicht am 17.06.2013

Tenor 1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss es Amtsgerichts Stendal vom 19. Oktober 2012 – 7 IN 164/12 – wird verworfen. 2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. 3. Die Rechtsbeschwerde

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(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss es Amtsgerichts Stendal vom 19. Oktober 2012 – 7 IN 164/12 – wird verworfen.

2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

1

Die Schuldnerin wendet sich gegen die Anordnung einer Sonderinsolvenzverwaltung.

2

Das Amtsgericht Stendal hat mit Beschluss vom 14.06.2012 über das Vermögen der Schuldnerin ein Verfahren nach § 270 b InsO eingeleitet und einen vorläufigen Sachwalter bestellt. Die Schuldnerin hat mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters und nach gerichtlicher Ermächtigung durch Beschluss vom 21.06.2012 ein Massedarlehen in Höhe von 2 Mio. Euro aufgenommen. Der Darlehensgeber hat den Bestand des Darlehens daran gebunden, dass der vorläufige Sachwalter mit dem Eröffnungsbeschluss zum endgültigen Sachwalter bestimmt werde, ohne dass dies dem Gericht bei der Ermächtigung bekannt war (sog. Change-of-Control-Klausel). Später hat die Schuldnerin das Massedarlehen mit Kenntnis des vorläufigen Sachwalters, aber ohne Ermächtigung des Gerichts um 1 Mio. Euro erhöht.

3

Das Amtsgericht eröffnete mit Beschluss vom 31.08.2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Dabei ordnete es eine Eigenverwaltung an, bestellte jedoch einen anderen Sachwalter, weil es die Unabhängigkeit des vorläufigen Sachwalters von der Schuldnerin als nicht gewährleistet betrachtete. Der Darlehensgeber hat das Massedarlehen am 03.09.2012 gekündigt. Daraufhin beantragte der neue Sachwalter die Erweiterung seines Aufgabenkreises, um Ansprüche gegen die Geschäftsführung der Schuldnerin, den vorläufigen Sachwalter und die Darlehensgeberin zu prüfen und ggf. geltend zu machen. Das Amtsgericht ernannte – nach Anhörung der Beteiligten – mit Beschluss vom 19.10.2012 den Beteiligten zu 2. als Sonderverwalter. Sein Aufgabenbereich besteht in der Prüfung und ggf. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Schuldnerin gegen den vorläufigen Sachwalter, die Geschäftsführer und die Darlehensgeberin wegen einer möglicherweise pflichtwidrigen Personenbindung des Darlehens und wegen der Darlehensaufstockung. Zur Begründung führte das Amtsgericht im Wesentlichen aus, dass der neue Sachwalter, der zwischenzeitlich durch den Beteiligten zu 1. in seinem Amt abgelöst worden ist, die genannten Aufgaben nicht sachgemäß erfüllen könne. Er befinde sich nämlich in einer Interessenkollision, da er seine Aufsichtspflichten gegenüber der eigenverwaltenden Schuldnerin nur kooperativ wahrnehmen könne. Dies sei jedoch unmöglich, wenn er zugleich Ansprüche gegen die Geschäftsführung durchsetzen müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich die Schuldnerin zunächst mit ihrem als „sofortige Beschwerde“ bezeichneten Rechtsbehelf vom 23.10.2012, den sie – nach Hinweis des Gerichts – als Erinnerung bewertet wissen wollte. Der Abteilungsrichter des Amtsgerichts hat diese Erinnerung – nach Nachholung von Verfahrenshandlungen – mit Beschluss vom 21.12.2012 als unzulässig verworfen.

4

Mit Schreiben vom 21.01.2013 hat die Schuldnerin nun mit einer im Wesentlichen wortgleichen „sofortigen Beschwerde“, die auch als solche gewertet werden soll, den Beschluss des Amtsgerichts Stendal – Rechtspfleger – vom 19.10.2012 zur Überprüfung durch die Kammer gestellt.

B.

5

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen die Anordnung einer Sonderinsolvenzverwaltung ist ohne Prüfung in der Sache als unzulässig zu verwerfen, da sie weder statthaft (dazu I.) noch fristgemäß eingelegt worden ist (dazu II.). Hilfsweise wird die Verwerfung des Rechtsmittels auch darauf gestützt, dass die Schuldnerin nicht beschwert ist (dazu III.).

I.

6

Der Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 19.10.2012 ist mit der sofortigen Beschwerde nicht anfechtbar. Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nach § 6 InsO nur dann einem Rechtsmittel, wenn das Gesetz die sofortige Beschwerde ausdrücklich vorsieht (sog. Enumerationsprinzip).

7

Die Sonderinsolvenzverwaltung ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Dass sie zulässig ist, entspricht jedoch einhelliger Auffassung (vgl. BGH, ZiP 2006, 36; LG Frankfurt/O., ZInsO 1999, 45). Sie setzt voraus, dass der Verwalter tatsächlich oder rechtlich verhindert ist, sein Amt auszuüben. Auf die Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters sind die Vorschriften über den Verwalter in §§ 56 ff. InsO entsprechend anzuwenden.

8

Die Bestellung eines Insolvenzverwalters ist für den Schuldner prinzipiell nicht anfechtbar (vgl. Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 56 Rn. 168). Denn § 56 InsO sieht eine Anfechtung dieser Entscheidung nicht vor. Die Bestellung eines Insolvenzverwalters lässt sich auf anderem Wege nur rückgängig machen, indem seine Entlassung aus wichtigem Grund verlangt wird. Eine solche Maßnahme kann nur der Verwalter selbst, der Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung beantragen, nicht aber der Schuldner. Er hat gegenüber einer ablehnenden Entscheidung des Insolvenzgerichts auch keine Beschwerdebefugnis.

9

Die vorangehenden Darstellungen lassen sich auf die Sonderinsolvenzverwaltung übertragen. Der Schuldner – im vorliegenden Fall also die Beschwerdeführerin – ist weder berechtigt, die Bestellung des Sonderverwalters anzufechten noch seine Entlassung zu veranlassen. Es entspricht daher einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung unstatthaft ist (vgl. BGH, NZI 2006, 474, 475; ZIP 2007, 548; ZVI 2004, 15, 17; ebenso Graeber-Pape, ZIP 2007, 991, 998; Lüke, ZIP 2004, 1693). Demgegenüber wird nur vereinzelt eine Anfechtbarkeit der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters durch den Schuldner angenommen, weil das Enumerationsprinzip in § 6 InsO teleologisch zu reduzieren und eine sofortige Beschwerde nach §§ 4 InsO; 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen sei (so Römermann/Preß, ZInsO 2012, 1923; Horstkotte, ZInsO 2012, 1930). Diesem Ansatz folgt die Kammer indes nicht. Sinn und Zweck der Beschränkung von Rechtsmitteln im Insolvenzverfahren ist die Förderung eines zügigen Verfahrensfortgangs (vgl. BT-Drucks. 12-2443, S. 110). Diesem Ziel liefe es aber zuwider, wenn gerade Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts durch Rechtsmittel verzögert werden könnten. Die Unstatthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich schließlich auch im Umkehrschluss aus §§ 58 Abs. 2 S. 3, 59 Abs. 2 InsO. In diesen Vorschriften wird deutlich, dass der Gesetzgeber den Beteiligten nur bei besonders schwerwiegenden Aufsichtsmaßnahmen, nämlich der Festsetzung von Zwangsgeld und der Entlassung des Verwalters eine Anfechtungsmöglichkeit einräumen wollte. In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass der Schuldner nicht zum Kreis der Beschwerdeberechtigten gehört. Daher wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn er gegen die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ein Rechtsmittel hätte. Vielmehr erschöpft sich sein Rechtsschutz gegen die Entscheidung des Rechtspflegers vom 19.10.2012 in der Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG, die der Abteilungsrichter des Amtsgerichts Stendal durch Beschluss vom 21.12.2012 bereits beschieden hat.

10

Eine Statthaftigkeit des Rechtsmittels folgt auch nicht aus einer von der Schuldnerin behaupteten „offenkundigen und greifbaren Gesetzeswidrigkeit“. Der BGH hat mit dieser von ihm entwickelten außerordentlichen Beschwerde in seinem Beschluss vom 07.03.2012 gebrochen (vgl. BGHZ 150, 133; siehe auch BGH, NJW 2004, 2224, 2225).

II.

11

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist auch unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Rechtsmittel dieser Art müssen nach § 4 InsO; 569 Abs. 1 ZPO binnen zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgen.

12

Im vorliegenden Fall erfolgte die Zustellung des Beschlusses durch Aufgabe zur Post nach §§ 4, 8 InsO; 184 ZPO. Danach wird der Zugang der Entscheidung bei der Schuldnerin drei Tage nach Übergabe des Dokumentes an die Post fingiert, wäre also am 22.10.2012 eingetreten. Tatsächlich muss die Schuldnerin den angefochtenen Beschluss auch erhalten haben, da ihre erste „Beschwerde“ auf den 23.10.2012 datiert. Die sofortige Beschwerde, über die die Kammer zu entscheiden hat, ist indes erst am 21.01.2013 eingegangen, also nach Ablauf von zwei Wochen. Weil die Beschwerdefrist für jeden Beteiligten selbständig läuft, wären etwaige – von der Schuldnerin beanstandete – Bekanntmachungsmängel gegenüber dem Gläubigerausschuss ohne Bedeutung. Daher ist nur der Vollständigkeit halber anzumerken, dass der Beschluss dem Bevollmächtigten des Gläubigerausschusses im Oktober 2012 durch Aufgabe zur Post zugestellt worden ist.

13

Die Schuldnerin kann sich nicht darauf berufen, sie habe die Beschwerdefrist bereits durch ihren ersten Rechtsbehelf vom 23.10.2012 gewahrt. Zwar wird die mehrmalige Einlegung desselben Rechtsmittels durch dieselbe Partei gegen dieselbe Entscheidung als Betätigung ihres einheitlichen Anfechtungsrechts gewertet, über das einheitlich – also nur einmal – zu entscheiden ist (vgl. BGHZ 24, 179; NJW 1993, 3.141). Allerdings liegen hier unterschiedliche Rechtsbehelfe vor. Die erste „sofortige Beschwerde“ hat die Schuldnerin auf gerichtlichen Hinweis in eine sofortige Erinnerung umgewidmet (vgl. ihr Schreiben vom 26.10.2012). Erst nachdem über die Erinnerung durch Beschluss des Abteilungsrichters vom 21.12.2012 beschieden worden war, hat die Schuldnerin die zweite sofortige Beschwerde eingelegt, die sie auch als solche gewertet wissen will (vgl. S. 2 der Beschwerdebegründung). Bei der nun vorliegenden Beschwerde vom 21.01.2013 handelt es sich also um ein von der ursprünglichen Erinnerung vom 23.10.2012 zu unterscheidendes eigenständiges Rechtsmittel, für das auch die Rechtsmittelfrist selbständig zu beurteilen ist.

III.

14

Die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde wird hilfsweise auch darauf gestützt, dass die Schuldnerin durch die angefochtene Entscheidung nicht in ihren Rechten beeinträchtigt ist. Die sog. Beschwer ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für alle Rechtsmittel (vgl. Zöller, ZPO, 27. Aufl., vor § 511 Rn. 10 ff.), die sich im vorliegenden Fall weder auf eine Beeinträchtigung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Schuldnerin (dazu 1.) noch auf ihre Kostenlast stützen lässt (dazu 2.).

15

1. Über das Vermögen der Schuldnerin ist die Eigenverwaltung angeordnet worden. Sie ist durch die angefochtene Entscheidung jedoch nicht beeinträchtigt. Der Sonderinsolvenzverwalter hat die Aufgabe, einen Gesamtschaden i. S. v. § 92 InsO geltend zu machen. Diese Aufgabe fiele – auch ohne die Sonderverwaltung – nach § 280 InsO allein dem Sachwalter zu. Durch den angefochtenen Beschluss wird diese Befugnis auf den Sonderverwalter verlagert. Der Beschluss des Amtsgerichts beschränkt daher allein die Befugnisse des Sachwalters. Das Recht der Eigenverwaltung ist hingegen nicht tangiert, weil es die Geltendmachung eines Gesamtschadens ohnehin nicht erfasst. Dies konzediert selbst die Beschwerdeführerin in ihrer Berufungsbegründung.

16

2. Durch die Sonderverwaltung entstehen weitere Kosten, welche die Haftungsmasse schmälert. Dieser Gesichtspunkt soll für eine Beschwerdebefugnis indes nicht reichen. Denn der Schuldner hat mit der Insolvenz den Anlass für das Verfahren gesetzt. Damit obliegen ihm sämtliche Kosten, die bei ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens anfallen. Darüber hinaus betrifft die Belastung der Haftungsmasse mit Kosten in erster Linie die Gläubigerinteressen, weil ihre Quoten geringer ausfallen (vgl. Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, Rn. 248).

C.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 Abs. 1 InsO; 97 ZPO.

18

Die Rechtsbeschwerde war nach § 574 ZPO nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Insbesondere zur Frage der Statthaftigkeit des Rechtsmittels liegt bereits eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vor.


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.