Landgericht Siegen Urteil, 20. Mai 2015 - 1 S 97/13


Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 05. September 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Olpe - 25 C 331/13 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, den auf dem Grundstück Attendorn, Milstenauer Straße 12 an das vorhandene Holzlager errichteten Anbau/Carport (3 m x 6 m bzw. 18 m²/ hinter dem ersten Carport) zu beseitigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 1.500,00 Euro festgesetzt.
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1 S 97/13 25 C 331/13Amtsgericht Olpe |
Verkündet am 20.05.2014 SchrammJustizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
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Landgericht Siegen IM NAMEN DES VOLKES Urteil |
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In dem Rechtsstreit
3pp.
4hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Siegen auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2014durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Mühlhoff, den Richter am Landgericht Vowinckel und die Richterin Roeskefür Recht erkannt:
5Auf die Berufung des Klägers wird das am 05. September 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Olpe – 25 C 331/13 – abgeändert.
6Die Beklagte wird verurteilt, den auf dem Grundstück Attendorn, Milstenauerstraße 12 an das vorhandene Holzlager errichteten Anbau/Carport (3 m x 6 m bzw. 18 m²/ hinter dem ersten Carport) zu beseitigen.
7Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
8Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
9Der Streitwert wird auf 1.500 Euro festgesetzt.
10Gründe
11Die Berufung ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten den Rückbau des Carports gemäß §§ 1037, 1053, 1004 BGB verlangen.
12Nach § 1037 Abs. 1 BGB ist der Nießbraucher nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern. Mit diesem Verbot soll sichergestellt werden, dass dem Eigentümer die Substanz der Sache so, wie sie bei Begründung des Nießbrauchs war, unverändert erhalten bleibt (dazu und zum Folgenden KG, DNotZ 1992, 675, 676). Die Regelung zielt mithin auf den Schutz des jeweiligen Eigentümers vor den Folgen einer Umgestaltung oder wesentlichen Veränderung der nießbrauchsbelasteten Sache ab. Dementsprechend ist dem Nießbraucher selbst dann eine Umgestaltung oder wesentliche Veränderung untersagt, wenn dadurch die Sache wertvoller oder einträglicher wird. Nur wenn die Substanz der Sache in ihrem Gesamtcharakter nicht berührt wird, sind Umgestaltungen und Veränderungen dem jeweiligen Eigentümer zumutbar und deshalb dem Nießbraucher gestattet. § 1037 Abs. 1 BGB gewährleistet die Erhaltung der Sache in ihrer körperlichen Beschaffenheit (Frank in Staudinger, BGB – Neubearbeitung 2009, § 1037 Rn. 1). Der Umfang der zulässigen Befugnisse des Nießbrauchers wird sich vielfach nach den Umständen des Einzelfalles richten und eine Abwägung der Interessen des Eigentümers an der Substanzerhaltung gegen die des Nießbrauchers auf wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Sache erfordern (Frank, a.a.O, Rn. 2). Zulässig sind danach auch ohne eine Gestattung des Eigentümers Maßnahmen geringeren Umfangs, die der wirtschaftlichen Bestimmung der Sache dienen (Pohlmann in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 1037 Rn. 5).
13Die Anwendung der soeben dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Beklagte zur Beseitigung des Carports verpflichtet ist. Wie die im Rechtsstreit vorgelegten Bilder zeigen, haben die baulichen Maßnahmen nicht nur unbedeutende Eingriffe in die Substanz mit sich gebracht. Zwar mögen sich die fraglichen Maßnahmen nicht als Umbau eines bestehenden Gebäudes darstellen. Es ist aber jedenfalls eine neue Anlage errichtet worden. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei dem Carport um ein „Gebäude“ handelt.Im Rahmen der Gesamtbetrachtung kommt hinzu, dass die Anlage baurechtswidrig war. Aus diesem Grund hat die zuständige Untere Bauaufsichtsbehörde bereits Maßnahmen angekündigt, sofern die Anlage nicht freiwillig beseitigt wird. Ein Interesse des Eigentümers an einer solchen Anlage kann grundsätzlich nicht angenommen werden.Auf der anderen Seite ist ein schützenswertes Interesse der Beklagten bzw. ihres Mieters an der Errichtung des Carports nicht ersichtlich, zumal in dem betreffenden Bereich bereits Grenzgaragen und ein Carport vorhanden sind, die gemäß dem Bescheid des Kreises Olpe vom 25.10.2013 insgesamt eine Länge von 9 Metern haben.
14Unerheblich ist, ob der Carport nach der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vollständig beseitigt worden ist; im – entscheidenden – Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls war dies noch nicht der Fall. Es kommt auch nicht darauf an, ob sich die zum Schluss verbliebenen Reste des Carports noch als baurechtswidrig darstellten; der ursprünglich entstandene Anspruch auf Beseitigung der Anlage erstreckt sich auf das gesamte errichtete Objekt.
15In dem Umstand, dass – gemäß dem Schriftsatz der Beklagten vom 08.05.2014 – zwischenzeitlich auch der Dreiecksbalken wieder montiert worden sein soll, sieht die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß § 156 ZPO keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Ein sofortiges Anerkenntnis hat die Beklagte nicht abgegeben.Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO.
17Dr. Mühlhoff Vowinckel Roeske

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(1) Der Nießbraucher ist nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern.
(2) Der Nießbraucher eines Grundstücks darf neue Anlagen zur Gewinnung von Steinen, Kies, Sand, Lehm, Ton, Mergel, Torf und sonstigen Bodenbestandteilen errichten, sofern nicht die wirtschaftliche Bestimmung des Grundstücks dadurch wesentlich verändert wird.
Macht der Nießbraucher einen Gebrauch von der Sache, zu dem er nicht befugt ist, und setzt er den Gebrauch ungeachtet einer Abmahnung des Eigentümers fort, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Der Nießbraucher ist nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern.
(2) Der Nießbraucher eines Grundstücks darf neue Anlagen zur Gewinnung von Steinen, Kies, Sand, Lehm, Ton, Mergel, Torf und sonstigen Bodenbestandteilen errichten, sofern nicht die wirtschaftliche Bestimmung des Grundstücks dadurch wesentlich verändert wird.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.