Landgericht Rostock Beschluss, 17. Dez. 2014 - 13 Qs 227/14 (72)

published on 17/12/2014 00:00
Landgericht Rostock Beschluss, 17. Dez. 2014 - 13 Qs 227/14 (72)
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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 18.11.2014 wird der Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 21.10.2014, Az. 25 Cs 649/13, aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

I.

1

Dem Beschwerdeverfahren liegt ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht Rostock wegen gemeinschaftlicher Hehlerei zu Grunde. Am 20.11.2013 hatte das Amtsgericht Rostock gegen den Angeklagten, einem polnischen Staatsbürger, einen entsprechenden Strafbefehl erlassen, der diesem gemäß richterlicher Verfügung vom selben Tag mit zuvor zu erstellender Übersetzung in die polnische Sprache mit internationalem Rückschein zugestellt werden sollte. Die Akte enthält einen dieser Verfügung entsprechenden,Ab-Vermerk" der Geschäftsstelle vom 11.01.2014. Ein Rückschein gelangte in der Folge nicht zur Akte, stattdessen kam der an den Angeklagten übersendete Briefumschlag nebst Anschreiben in polnischer Sprache am 18.02.2014 mit diversen Stempeln in polnischer Sprache und Datumsangaben zum Amtsgericht zurück. Ungeachtet dessen verfügte das Gericht am 25.02.2014 für den Fall, dass der Rückschein nicht binnen weiterer drei Wochen zur Akte gelangen sollte, die erneute Zustellung des Strafbefehls an den Angeklagten mit internationalem Rückschein. Diese Verfügung wurde am 28.03.2014 ausgeführt. Am 12.05.20.14 kam auch der diesbezügliche Briefumschlag mit diversen Stempeln in polnischer Sprache und Datumsangaben zum Amtsgericht zurück. Ein Rückschein gelangte in der Folge ebenfalls nicht zur Akte. Ein sodann folgender richterlicher Vermerk vom 10.07.2014 hat folgenden Inhalt:

2

"1. Vermerk:

3

In diesem Verfahren wurden bereits 2 Zustellversuche an U unternommen. Sofern beim 1. Versuch bereits ordnungsgemäß zugestellt wurde, kommt es auf das Ergebnis einer 2. Zustellung nicht an. So ist der Fall hier.

4

Unterzeichner hat heute die Zustellungsumschläge Bl. 145 und 149 dem vereidigten Dolmetscher Herrn B. vorgelegt. Nach seinen Angaben wurde versucht, die Sendung (Bl. 145) erstmals am 17.01.2014 zuzustellen. Da dies aber nicht persönlich erfolgen konnte, sei der Empfänger über den Zustellversuch informiert und in Kenntnis gesetzt worden, dass er die Sendung innerhalb einer Frist im Postamt abholen könne. Nach Verstreichen der Frist am 27.01.2014 sei die Sendung am 01.02.2014 an den Absender zurückgegangen, da sie nicht abgefordert worden sei.

5

Danach kann davon ausgegangen werden, dass eine ordnungsgemäße Zustellung am 17.01.2014 erfolgt ist und die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt hat. Ein Einspruch ist nicht eingegangen. Der Strafbefehl gegen den Angeklagten U ist somit seit dem 01.02.2014 rechtskräftig. [...]"

6

Mit Verfügung vom 18.07.2014 wurde die Strafvollstreckung eingeleitet und dem Angeklagten eine Kostenrechnung nebst Zahlungsaufforderung mittels einfachen Briefs übersandt.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.08.2014 legte der Angeklagte u.a. gegen den Strafbefehl vom 20.11.2013 Einspruch ein und beantragte vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie Pflichtverteidigerbeiordnung. Der Angeklagte begründete seinen Einspruch sowie seinen Wiedereinsetzungsantrag am 11.09.2014 im Wesentlichen damit, dass nicht belegt und überprüft werden könne, ob tatsächlich eine Übersetzung des Strafbefehls in die polnische Sprache an ihn erfolgt sei. Zudem sei Wiedereinsetzung zu gewähren, weil das gewählte Verfahren nicht der gesetzlichen Vorschrift über eine wirksame Zustellung entspräche.

8

Mit dem im Tenor genannten Beschluss wies das Amtsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf den Einspruch des Angeklagten als unzulässig. Der Angeklagte habe zumindest fahrlässig gehandelt, indem er den Brief mit dem Strafbefehl nicht bei der Post abholte, obwohl er entsprechend benachrichtigt worden sei. Der Einspruch vom 17.08.2014 sei verfristet. Der Angeklagte sei am 17.01.2014 über die Niederlegung der Sendung benachrichtigt worden, mit Ablauf der Abholungsfrist am 28.01.2014 habe die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen.

9

Dieser Beschluss, der keine Entscheidung über den Beiordnungsantrag enthält, wurde dem Verteidiger am 17.11.2014 zugestellt.

10

Der Angeklagte legte am 18.11.2014 gegen vorgenannten Beschluss die gegenständliche sofortige Beschwerde ein. Weil eine wirksame Zustellung des Strafbefehlsantrages bislang nicht erfolgt sei, sei dem Wiedereinsetzungsantrag wie auch dem Beiordnungsantrag zu entsprechen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Schriftstücke, Vermerke und Verfügungen sowie den genannten Beschluss verwiesen.

II.

12

Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur tenorierten Aufhebung des Beschlusses vom 21.10.2014.

13

Der Einspruch vom 17.08.2014 gegen den Strafbefehl vom 22.11.2013 ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Rostock nicht verfristet.

14

Der Strafbefehl ist dem Angeklagten weder infolge der Verfügung vom 22.11.2013 noch infolge der Verfügung vom 25.02.2014 wirksam zugestellt worden.

15

Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die polnischen Angaben auf dem Briefumschlag Bl. 145 bzw. Bl. 149 d. A. tatsächlich belegen, dass es Zustellversuche an den Angeklagten gegeben hat, er diese sodann aber durch Nichtabholung die Zustellung vereitelt hat. Eine wirksame Zustellung an ihn ist jedenfalls auch nicht infolge der Fiktion gemäß § 179 S. 3 ZPO erfolgt.

16

Gemäß § 37 StPO gelten für das Zustellungsverfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend. Nach § 175 ZPO kann ein Schriftstück grundsätzlich auch durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden, wobei zum Nachweis der Zustellung der Rückschein genügt. Die gewählte Zustellungsart (Einschreiben mit internationalem Rückschein) ist demnach grundsätzlich auch bei einem polnischen Staatsbürger mit Wohnsitz ebendort nicht zu beanstanden, Anlage III zu Anhang II RIVAST.

17

Bei einer Zustellung gemäß § 175 StPO durch Einschreiben mit Rückschein ist die Zustellung ausgeführt mit Übergabe an den Adressaten oder Bevollmächtigten oder einen Ersatzempfänger wie einen Familienangehörigen oder eine in Wohnung oder Geschäft regelmäßig beschäftigte Person (Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, Kommentar, 35. Auflage 2014, § 175 Rn. 4).

18

Dies ist vorliegend sicher nicht erfolgt.

19

Ob der Angeklagte durch die polnische Post tatsächlich entsprechend der Angaben aus dem Vermerk vom 10.07.2014 über die Niederlegung des Strafbefehlsbriefes bei der Post informiert worden ist, kann allerdings genauso wie die Frage, ob dem Brief eine polnische Übersetzung des Strafbefehls beigefügt worden war, dahinstehen, denn die Verweigerung der Entgegennahme durch Nichtabholung der Sendung in der gesetzten Frist führt nicht zur Fiktion der Zustellung. Wird das Schriftstück trotz Benachrichtigung nicht abgeholt, führt dies zur Rücksendung des Briefes als unzustellbar. Trotz Annahmeverweigerung kommt die Zustellfiktion des § 179 S. 3 ZPO im Fall der Zustellung gemäß § 175 ZPO nicht in Betracht, die Norm ist bei einer Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein grundsätzlich nicht anwendbar (Hüßtege a.a.O. m.w. N.).

20

Da der Strafbefehl auch in der Folge aufgrund des zweiten Zustellversuchs entsprechend der o.a. Erörterungen nicht wirksam zugestellt wurde, war die Einspruchsfrist jedenfalls am 17.08.2014 noch nicht abgelaufen. Der Einspruch war nicht verfristet und hätte nicht als unzulässig verworfen werden dürfen, ohne dass es einer Entscheidung über den vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag bedarf.

21

Die Kostenentscheidung ergeht analog § 467 Abs. 1 StPO.

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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der z

(1) Ein Schriftstück kann den in § 173 Absatz 2 Genannten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. (2) Eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis kann auch durch Telekopie erfolgen. Die Übermittlung soll mit dem Hinweis „Zustellung gegen Empfang

Annotations

Wird die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks unberechtigt verweigert, so ist das Schriftstück in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum zurückzulassen. Hat der Zustellungsadressat keine Wohnung oder ist kein Geschäftsraum vorhanden, ist das zuzustellende Schriftstück zurückzusenden. Mit der Annahmeverweigerung gilt das Schriftstück als zugestellt.

(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

(3) Ist einem Prozessbeteiligten gemäß § 187 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung des Urteils zur Verfügung zu stellen, so ist das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. Die Zustellung an die übrigen Prozessbeteiligten erfolgt in diesen Fällen gleichzeitig mit der Zustellung nach Satz 1.

(1) Ein Schriftstück kann den in § 173 Absatz 2 Genannten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden.

(2) Eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis kann auch durch Telekopie erfolgen. Die Übermittlung soll mit dem Hinweis „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ eingeleitet werden und die absendende Stelle, den Namen und die Anschrift des Zustellungsadressaten sowie den Namen des Justizbediensteten erkennen lassen, der das Dokument zur Übermittlung aufgegeben hat.

(3) Die Zustellung nach den Absätzen 1 und 2 wird durch das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis nachgewiesen.

(4) Das Empfangsbekenntnis muss schriftlich, durch Telekopie oder als elektronisches Dokument (§ 130a) an das Gericht gesandt werden.

Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.

Wird die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks unberechtigt verweigert, so ist das Schriftstück in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum zurückzulassen. Hat der Zustellungsadressat keine Wohnung oder ist kein Geschäftsraum vorhanden, ist das zuzustellende Schriftstück zurückzusenden. Mit der Annahmeverweigerung gilt das Schriftstück als zugestellt.

(1) Ein Schriftstück kann den in § 173 Absatz 2 Genannten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden.

(2) Eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis kann auch durch Telekopie erfolgen. Die Übermittlung soll mit dem Hinweis „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ eingeleitet werden und die absendende Stelle, den Namen und die Anschrift des Zustellungsadressaten sowie den Namen des Justizbediensteten erkennen lassen, der das Dokument zur Übermittlung aufgegeben hat.

(3) Die Zustellung nach den Absätzen 1 und 2 wird durch das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis nachgewiesen.

(4) Das Empfangsbekenntnis muss schriftlich, durch Telekopie oder als elektronisches Dokument (§ 130a) an das Gericht gesandt werden.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.