Landgericht München I Beschluss, 25. Juli 2016 - 1 T 10029/16
Gericht
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts München
2. Die Auswahl des Sachverständigen und die Entscheidung über die Einholung eines geeigneten Kostenvorschusses für den Sachverständigen obliegt dem Amtsgericht.
3. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 15.6.2016, bei Gericht eingegangen am 15.6.2016, gegen den Beschluss des Amtsgerichts München
Die Voraussetzungen für die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 II ZPO sind gegeben.
Gemäß § 485 II Satz 1 ZPO kann eine Partei, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen u. a. beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Sache, die Ursache eines Sachschadens oder Sachmangels und/oder der Aufwand für die Beseitigung eines Sachschadens oder Sachmangels festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist gemäß § 485 II Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des „rechtlichen Interesses“ ist dabei weit zu fassen. Insbesondere ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- und Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Dementsprechend kann ein rechtliches Interesse dann verneint werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist. Dabei kann es sich nur um völlig eindeutige Fälle handeln, in denen evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann (BGH, Beschluss vom 16.09.2004, Az: III ZB 33/04, juris Rn. 5). Das kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden. Der Antragsteller behauptet hier Mängel am Balkongeländer, einem Fensterrahmen, einem Brandschutzglas und dem Bereich zwischen Fensterbänken und Laibungen in Folge von Fassadensanierungsarbeiten und Malerung der Balkonbrüstungen. Soweit es sich um Sondereigentum handelt, kommt ein Anspruch aus § 14 Nr. 4 WEG in Betracht. Soweit es sich um Gemeinschaftseigentum handelt, ist es gemeinschaftliche Aufgabe der Wohnungseigentümer, gemäß § 21 III, V Nr. 2 WEG für eine ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung zu sorgen. Vor einer Entscheidung hierüber haben die Eigentümer freilich zunächst zu klären, ob ein Schaden und Sanierungsbedarf überhaupt besteht. Ohne Vorbefassung der Eigentümergemeinschaft kann der einzelne Eigentümer daher nicht unmittelbar gerichtlich vorgehen, um zum Beispiel einen Beschluss der Gemeinschaft ersetzen zu lassen. Das selbstständige Beweisverfahren stellt aber kein solches unmittelbares gerichtliches Geltendmachen eines Anspruchs dar, für welches mangels Vorbefassung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Es kann deshalb dahinstehen, ob mit dem Beschluss zu TOP 9a der Eigentümerversammlung vom 29.6.2016 eine hinreichende und vergebliche Vorbefassung zur Beauftragung eines Sachverständigen mit der Mangelfeststellung und -ursachenklärung vorliegen würde.
Denn das selbstständige Beweisverfahren führt nicht zu einer die Entscheidungsautonomonie der Eigentümer übergehenden gerichtlichen Entscheidung. Das Beweisverfahren dient lediglich der Beweissicherung und etwaigen Streitvermeidung.
Die Erholung eines Sachverständigengutachtens zu den von Antragstellerseite behaupteten Schäden kann durchaus dazu dienen, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Insbesondere kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass bei Feststellung der Schäden durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen die Eigentümer entsprechend reagieren. Ebenso erscheint es naheliegend, dass dann, wenn der Sachverständige die vom Antragsteller behaupteten Mängel und/oder Ursachen nicht bestätigen kann, der Antragsteller von der Einleitung weiterer rechtlicher Schritte und einer etwaigen Klageerhebung absehen wird.
Den Antragsgegnern entsteht durch die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens auch kein erheblicher Nachteil. Eine Belastung mit Kosten durch das selbstständige Beweisverfahren können sie gegebenenfalls mit einem Antrag nach § 494 a ZPO abwenden. Sie müssten eine Belastung mit Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens dann fürchten, wenn sie tatsächlich erforderliche Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen - und ggfs vorgelagerte Schadens- und Ursachenklärung - zumindest fahrlässig nicht durchgeführt haben bzw. nicht durchführen. In diesem Fall wäre es aber auch nicht unbillig, dass sie mit Kosten belastet werden.
II.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 I ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 I Satz 1 Nr. 2, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erforderlich ist. Es ging um eine reine Einzelfallentscheidung.
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Annotations
(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,
- 1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und - 2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,
- 1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und - 2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.
(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.