Landgericht Mannheim Urteil, 11. Nov. 2014 - 2 O 240/13

bei uns veröffentlicht am11.11.2014

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrags.

Tatbestand

 
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch und begehrt die Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht der Beklagten.
Grundlage der Klage ist das deutsche Patent DE 109 06 093, das eine Tragstruktur-Element-Anordnung eines Raumtragwerks zum Gegenstand hat (nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 14.02.1998 angemeldet. Der Hinweis auf seine Erteilung wurde am 05.07.2012 veröffentlicht. Patentinhaberin ist die W... Bereits mit der Patentanmeldung wurde der Klägerin durch die W… eine ausschließliche Lizenz eingeräumt, überdies wurden ihr sämtliche Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche abgetreten (Anlage K3).
Das Klagepatent ist Gegenstand einer Nichtigkeitsklage der Beklagten vom 26.02.2014 (Anlagenkonvolut B 12).
Der Anspruch 1 des Klagepatents, auf den die vorliegende Klage gestützt ist, lautet wie folgt:
Tragstruktur-Element-Anordnung eines Raumtragwerkes, insbesondere einer Tribüne, eines Podiums oder Gerüstes, das unter Zuhilfenahme von Stielen (21) und wenigstens einen Anschlusskopf (40) aufweisenden stabförmigen Verbindungselementen (35) verwindungssteif ausgebildet ist, mit folgenden Merkmalen:
- der aus Temperguss-Werkstoff bestehende Anschlusskopf (40) ist mit einem Anschluss-Teil (50) und einem Anlage-Teil (80) gestaltet,
- der Anschluss-Teil (50) ist fest mit einem Stabelement (35) verschweißt,
- das Stabelement (35) ist als ein Rundrohr (38) ausgebildet, das einen Außendurchmesser (39), einen Innendurchmesser (89) und eine Wanddicke (29) aufweist,
- der Anlage-Teil (80) hat Anlageflächen (84, 85) aufweisende Anlage-Wandteile (51, 52) zur Anlage an den Stielen (21),
- der Anschlusskopf (40) weist einen oberen Kopfteil (44) und einen unteren Kopfteil (45) auf, die einteilig gestaltet sind,
- zwischen dem oberen Kopfteil (44) und dem unteren Kopfteil (45) ist ein bis zum Anschluss-Teil (50) reichender, zur Anlageseite und den Vertikal-Außen-Flächen (72.1, 72.2; 73.1, 73.2) offener Schlitz (60) zum Aufstecken auf eine auf dem Stiel (21) angebrachte Lochscheibe (30) ausgebildet,
- im oberen Kopfteil (44) ist eine obere Keilöffnung (152) und im unteren Kopfteil (45) ist eine untere Keilöffnung (137) ausgebildet, für einen durch die Keilöffnungen (152, 137) und die Lochscheibe (30) steckbaren, dem Verspannen der zu verbindenden Tragstruktur-Elemente dienenden Keil (41),
- der Anschlusskopf (40) ist in Umfangsrichtung mit Seiten-Wandteilen (46.1, 46.2; 47.1, 47.2) und nach oben und unten mit Wandteilen (122, 127, 128, 129, 141, 171) begrenzt, deren die Kräfte übertragende Werkstoff-Bereiche Nutzräume (200) freilassend ausgebildet sind,
- die Seitenwandteile (46.1, 46.2; 47.1, 47.2) sind mit Vertikal-Außen-Flächen (72.1, 72.2; 73.1, 73.2) gebildet, die einen den achten Teil eines Vollkreises einnehmenden Keilwinkel (79) einschließen,
- der Anlage-Teil (80) des Anschlusskopfes (40) weist ein mit den Anlageflächen (84, 85) der Anlage-Wandteile (51, 52), mit den Schlitz (60) begrenzenden Schlitzflächen (61.1, 61.2; 62.1, 62.2; 63.1, 63.2) und mit den den Keilwinkel (79) einschließenden Vertikal-Außenflächen (72.1, 72.2; 73.1, 73.2) gebildeten äußeren Wandflächen begrenztes Volumen auf,
- das durch das Verhältnis des mit den äußeren Wandflächen und mit einer inneren gedachten Fläche zwischen dem Anschluss-Teil (50) und dem Anlage-Teil (80) begrenzten Volumens und der Masse des Anlage-Teils (80) des Anschlusskopfes (40) gebildete spezifische Volumen des Anschlusskopfes (40) mindestens das 1,2-fache, vorzugsweise das 1,3 bis 2,0-fache, des spezifischen Volumens des aus Vollmaterial bestehenden Anlage-Teils des Anschlusskopfes beträgt,
- die Abstände (65 bzw. 75) des oberen Endes (67) der oberen Anlagefläche (84) und des unteren Endes (88) der unteren Anlagefläche (85) von der den Schlitz (60) in Höhe der Hälfte der Schlitzbreite (68) schneidenden Horizontal-Ebene (90) sind gleich groß,
- der Anschluss-Teil (50) weist eine mit dem Innenraum des Rundrohrs (38) und mit dem Keil-Aufnahmeraum (200) in Verbindung stehende Öffnung (245) auf, deren Öffnungskanten (246, 251) einen kleinsten Öffnungsdurchmesser (250, 252) aufspannen, der wenigstens 60%, vorzugsweise 65% bis 85% des Innendurchmessers (89) des Rundrohres (38) beträgt,
- die Öffnung (245) ist in einem senkrecht zu der Rohrachse (54) des Rundrohrs (38) verlaufenden Schnitt betrachtet mit geraden Öffnungskanten (246.1, 246.2, 246.3, 246.4) und mit teilkreissegmentförmigen Öffnungskanten (251.1, 251.2, 251.3, 251.4) begrenzt.
Wegen des weiteren Inhalts der Klagepatentschrift, insbesondere wegen der Beschreibung und der zugehörigen Figuren, wird auf Anlage K1 Bezug genommen.
Die Beklagte bietet in Deutschland, insbesondere über das Internet unter www.r…de, ein Modulgerüst-System unter der Bezeichnung „R…“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) an. Wegen der näheren Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform wird auf die Anlagen K6 - K9 sowie die in die Klageschrift eingefügten Lichtbilder und Zeichnungen (dort S. 16 ff.) Bezug genommen.
Daneben bietet die Beklagte auch einzelne Baugerüstteile an, von denen einige jeweils einen speziell gestalteten, fest mit einem Rundrohr verschweißten Anschlusskopf aufweisen. Eine Auflistung der konkreten Einzelteile findet sich auf Seite 29 der Klageschrift.
10 
Die nähere Ausgestaltung der Anschlussköpfe des Gerüstsystems und seiner Einzelteile ist aus den Lichtbildern in Anlage K14 sowie dem als Anlage B9 vorgelegten Exemplar eines Anschlusskopfes ersichtlich.
11 
Die Klägerin trägt vor, das Klagepatent werde durch die angegriffene Ausführungsform unmittelbar wortsinngemäß verletzt. Insbesondere seien die Anschlussköpfe des angegriffenen Modulgerüstsystems aus einem Temperguss-Werkstoff im Sinne des Klagepatentanspruchs 1 gefertigt. Unter einem Temperguss-Werkstoff verstehe das Klagepatent jeden Werkstoff, der einem „tempering“ im Sinne einer Hitzebehandlung unterzogen worden sei, mithin auch einen getemperten Stahlguss.
12 
Jedenfalls sei Stahlguss zumindest ein äquivalentes Austauschmittel zu dem im Patentanspruch benannten Temperguss-Werkstoff.
13 
Auch die übrigen Merkmale des Anspruchs 1 würden von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
14 
Das Anbieten und der Vertrieb von Einzelteilen für das angegriffene Ringscaff-Gerüstsystem in Deutschland stellten überdies eine mittelbare Verletzung des Klagepatents dar.
15 
Die Klägerin beantragt:
16 
I. Die Beklagte wird verurteilt,
17 
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Vertretungsberechtigten der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
18 
Tragstruktur-Element-Anordnungen eines Raumtragwerkes, insbesondere einer Tribüne, eines Podiums oder Gerüstes, das unter Zuhilfenahme von Stielen und wenigstens einen Anschlusskopf aufweisenden stabförmigen Verbindungselementen verbindungssteif ausgebildet ist,
19 
in Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, die folgende Merkmale aufweisen:
20 
- der aus Temperguss-Werkstoff bestehende Anschlusskopf ist mit einem An schluss-Teil und einem Anlage-Teil gestaltet,
- der Anschluss-Teil ist fest mit einem Stabelement verschweißt,
- das Stabelement ist als ein Rundrohr ausgebildet, das einen Außendurchmesser, einen Innendurchmesser und eine Wanddicke aufweist,
- der Anlage-Teil hat Anlageflächen aufweisende Anlage-Wandteile zur Anlage an den Stielen,
- der Anschlusskopf weist einen oberen Kopfteil und einen unteren Kopfteil auf, die einteilig gestaltet sind,
- zwischen dem oberen Kopfteil und dem unteren Kopfteil ist ein bis zum Anschluss-Teil reichender, zur Anlageseite und den Vertikal-Außen-Flächen offener Schlitz zum Aufstecken auf eine auf dem Stiel angebrachte Lochscheibe ausgebildet,
- im oberen Kopfteil ist eine obere Keilöffnung und im unteren Kopfteil ist eine untere Keilöffnung ausgebildet, für einen durch die Keilöffnungen und die Lochscheibe steckbaren, dem Verspannen der zu verbindenden Tragstruktur-Elemente dienenden Keil,
- der Anschlusskopf ist in Umfangsrichtung mit Seiten-Wandteilen und nach oben und unten mit Wandteilen begrenzt, deren die Kräfte übertragende Werkstoff-Bereiche Nutzräume freilassend ausgebildet sind,
- die Seitenwandteile sind mit Vertikal-Außen-Flächen gebildet, die einen den achten Teil eines Vollkreises einnehmenden Keilwinkel einschließen,
- der Anlage-Teil des Anschlusskopfes weist ein mit den Anlageflächen der Anlage-Wandteile, mit den Schlitz begrenzenden Schlitzflächen und mit den den Keilwinkel einschließenden Vertikal- Außenflächen gebildeten äußeren Wandflächen begrenztes Volumen auf,
- das durch das Verhältnis des mit den äußeren Wandflächen und mit einer inneren gedachten Fläche zwischen dem Anschluss-Teil und dem Anlage-Teil begrenzten Volumens und der Masse des Anlage- Teils des Anschlusskopfes gebildete spezifische Volumen des Anschlusskopfes beträgt mindestens das 1,2-fache, vorzugsweise das 1,3 bis 2,0-fache, des spezifischen Volumens des aus Vollmaterial bestehenden Anlage-Teils des Anschlusskopfes,
- die Abstände des oberen Endes der oberen Anlagefläche und des unteren Endes der unteren Anlagefläche von der den Schlitz in Höhe der Hälfte der Schlitzbreite schneidenden Horizontal-Ebene sind gleich groß,
- der Anschluss-Teil weist eine mit dem Innenraum des Rundrohrs und mit dem Keil-Aufnahmeraum in Verbindung stehende Öffnung auf, deren Öffnungskanten einen kleinsten Öffnungsdurchmesser aufspannen, der wenigstens 60%, vorzugsweise 65% bis 85%, des Innendurchmessers des Rundrohres beträgt,
- die Öffnung ist in einem senkrecht zu der Rohrachse des Rundrohrs verlaufenden Schnitt betrachtet mit geraden Öffnungskanten und mit teilkreissegmentförmigen Öffnungskanten begrenzt;
21 
2. der Klägerin für die Zeit seit dem 06.08.2012 Auskunft zu erteilen über die Herkunft und den Vertriebsweg der Erzeugnisse gemäß obiger Ziffer I.1. (nachfolgend: „Erzeugnisse“), und zwar unter Angabe
22 
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren,
c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
23 
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
24 
3. der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die Erzeugnisse in Deutschland seit dem 20.09.1999 benutzt hat und zwar unter Angabe
25 
a. der Herstellungsmengen und -zeiten,
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, - zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, - zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
26 
wobei
27 
- der Beklagten vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch seine Einschaltung entstandenen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- und die Angaben zu e) erst für die Zeit ab dem 06.08.2012 zu machen sind;
28 
4. alle in ihrem Eigentum und/oder unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen Erzeugnisse auf Kosten der Beklagten zu vernichten oder nach Ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu bezeichnenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
29 
5. die unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse zurückzurufen, wobei diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit ihrer Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, ernsthaft aufgefordert werden, gegen Rückzahlung des bereits gezahlten Kaufpreises und Erstattung der Kosten für die Rückgabe, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben.
30 
II. Es wird festgestellt,
31 
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Handlungen gemäß obiger Ziffer I.1. eine angemessene Entschädigung zu bezahlen, soweit diese in der Zeit ab 20.09.1999 bis 05.08.2012 begangen worden sind;
32 
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter I.1. bezeichneten und seit dem 06.08.2012 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
33 
III. Die Beklagte wird verurteilt,
34 
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Vertretungsberechtigten der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
35 
Gerüstbauteile, die Rundrohre mit zumindest einseitig angeschweißten Anschlussköpfen (,‚Keilköpfen“) aufweisen, für Tragstruktur-Element-Anordnungen eines Raumtragwerkes gemäß obiger Ziffer I.1. in Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
36 
Hilfsweise:
37 
Gerüstbauteile, die Rundrohre mit zumindest einseitig angeschweißten Anschlussköpfen („Keilköpfen“) aufweisen, für Tragstruktur-Element-Anordnungen eines Raumtragwerkes gemäß obiger Ziffer I.1. in Deutschland anzubieten und/oder zu liefern, ohne
38 
a. im Falle des Anbietens im Angebot darauf hinzuweisen, dass die Gerüstbauteile nicht ohne Zustimmung der Klägerin mit einer Tragstruktur-Element-Anordnung eines Raumtragwerks gemäß obiger Ziffer I.1. verwendet werden dürfen;
b. im Fall der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Klägerin zu zahlenden Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung pro Gerüstbauteil von EUR 5.500,00 die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Gerüstbauteile nicht ohne Zustimmung der Klägerin für Tragstruktur-Element-Anordnungen eines Raumtragwerks gemäß obiger Ziffer I.1. zu verwenden;
39 
2. der Klägerin für die Zeit seit dem 06.08.2012 Auskunft zu erteilen über die Herkunft und den Vertriebsweg der Gerüstbauteile gemäß obiger Ziffer III.1 (nachfolgend: „Mittel“), insbesondere unter Angabe
40 
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Mittel
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren
c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Mittel, sowie über die Preise, die für die betreffenden Mittel bezahlt wurden,
41 
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
42 
3. der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die Mittel in Deutschland seit dem 06.08.2012 benutzt hat und zwar unter Angabe
43 
a. der Herstellungsmengen und -zeiten,
b. der Menge der erhaltenen oder bestellten Mittel sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
d. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten den Mitteln unmittelbar zugeordnet werden.
44 
wobei
45 
der Beklagten vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch seine Einschaltung entstandenen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
46 
IV. Es wird festgestellt,
dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter III.1. bezeichneten und seit dem 06.08.2012 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
47 
V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwalts- und Patentanwaltskosten in Höhe von EUR 18.599,22 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.09.2013 zu bezahlen.
48 
Die Beklagte beantragt,
49 
die Klage abzuweisen,
50 
hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der von der Beklagten gegen das Klagepatent vor dem Bundespatentgericht erhobenen und dort unter dem Aktenzeichen 7 Ni 68/14 geführten Nichtigkeitsklage auszusetzen.
51 
Die Beklagte trägt vor, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Insbesondere bestünden die Anschlussköpfe der angegriffenen Ausführungsform nicht aus einem Temperguss-Werkstoff. Bei dem in der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Stahlguss handele es sich auch nicht um ein äquivalentes Austauschmittel.
52 
Des Weiteren fehle es an der Verwirklichung fünf weiterer Merkmale des Anspruchs 1.
53 
Schließlich werde das Klagepatent auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten hin vernichtet werden, so dass der vorliegende Verletzungsrechtsstreit jedenfalls auszusetzen sei.
54 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
A.
55 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
56 
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a, 140b, 141a PatG, 242, 259 BGB, PatG jew. i.V.m. Art. 64 EPÜ, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜbkG.
57 
Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen den Klagepatentanspruch 1 weder unmittelbar (II. 1.) noch mittelbar (II. 2.).
I.
58 
Das Klagepatent betrifft eine Tragstruktur-Element-Anordnung eines Raumtragwerks, insbesondere eines Gerüsts.
59 
Im Stand der Technik waren für den Anschluss an vertikale Gerüststiele auf diesen befindliche Horizontalscheiben mit Durchtrittslöchern für Keile bekannt. Über diese Scheiben werden mit (horizontalen oder diagonalen) Stabelementen verbundene Anschlussköpfe gesteckt, wobei verschiedene Ausgestaltungen solcher Anschlussköpfe bereits bekannt waren, beispielsweise aus der DE-OS 39 34 857 [0002].
60 
Da über die Anschlussköpfe eines Gerüsts alle Kräfte des jeweiligen Verbindungselements in den Vertikalstab und die anderen Stäbe eingeleitet werden, kommt ihnen höchste Bedeutung für die Sicherheit der Benutzer zu [0005]. Weiterhin referiert das Klagepatent, dass an einen Anschlusskopf in besonderem Maße Forderungen nach Herstellungs- und Benutzungsoptimierung gestellt würden [0005].
61 
Das Klagepatent stellt sich die Aufgabe, die Anschlussköpfe von Verbindungselementen unter mehrerlei Bedingungen in Hinsicht auf Materialaufwand, Gewicht, Herstellungszeiten, Herstellungsaufwendungen und Einsatzaufwendungen auch bei unterschiedlichen Belastungen und hinsichtlich der bei Raumtragwerken auftretenden Beanspruchungsverhältnissen, Kraft- und Momentenübertragungsverhältnissen sowie Tragfunktionen von Verbindungselementen für die allermeisten Zwecke günstiger zu gestalten als bisherige Anschlussköpfe von Verbindungselementen [0005]. Dieses Ziel soll durch eine verbesserte Wand- bzw. Teil-Wand-Gestaltung des Nutzräume aufweisenden Anschlusskopfes erreicht werden [0006], [0021].
62 
Zur Lösung der vorgenannten Aufgabe lehrt das Klagepatent eine Tragstruktur-Element-Anordnung, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
63 
1. Tragstruktur-Element-Anordnung eines Raumtragwerkes, insbesondere einer Tribüne, eines Podiums oder Gerüstes,
2. das unter Zuhilfenahme von Stielen und wenigstens einen Anschlusskopf aufweisenden stabförmigen Verbindungselementen verwindungssteif ausgebildet ist,
3. der aus Temperguss-Werkstoff bestehende Anschlusskopf ist mit einem Anschluss-Teil und einem Anlage-Teil gestaltet,
4. der Anschluss-Teil ist fest mit einem Stabelement verschweißt,
5. das Stabelement ist als ein Rundrohr ausgebildet, das einen Außendurchmesser, einen Innendurchmesser und eine Wanddicke aufweist,
6. der Anlage-Teil hat Anlageflächen aufweisende Anlage-Wandteile zur Anlage an den Stielen,
7. der Anschlusskopf weist einen oberen Kopfteil und einen unteren Kopfteil auf, die einteilig gestaltet sind,
8. zwischen dem oberen Kopfteil und dem unteren Kopfteil ist ein bis zum Anschluss-Teil reichender, zur Anlageseite und den Vertikal-Außen-Flächen offener Schlitz zum Aufstecken auf eine auf dem Stiel angebrachte Lochscheibe ausgebildet,
9. im oberen Kopfteil ist eine obere Keilöffnung und im unteren Kopfteil ist eine untere Keilöffnung ausgebildet, für einen durch die Keilöffnungen und die Lochscheibe steckbaren, dem Verspannen der zu verbindenden Tragstruktur-Elemente dienenden Keil,
10. der Anschlusskopf ist in Umfangsrichtung mit Seiten-Wandteilen und nach oben und unten mit Wandteilen begrenzt, deren die Kräfte übertragende Werkstoff-Bereiche Nutzräume freilassend ausgebildet sind,
11. die Seitenwandteile sind mit Vertikal-Außen-Flächen gebildet, die einen den achten Teil eines Vollkreises einnehmenden Keilwinkel einschließen,
12. der Anlage-Teil des Anschlusskopfes weist ein mit den Anlageflächen der Anlage-Wandteile, mit den Schlitz begrenzenden Schlitzflächen und mit den den Keilwinkel einschließenden Vertikal-Außenflächen gebildeten äußeren Wandflächen begrenztes Volumen auf,
13. das durch das Verhältnis des mit den äußeren Wandflächen und mit einer inneren gedachten Fläche zwischen dem Anschluss-Teil und dem Anlage-Teil begrenzten Volumens und der Masse des Anlage-Teils des Anschlusskopfes gebildete spezifische Volumen des Anschlusskopfes beträgt mindestens das 1 ‚2-fache, vorzugsweise das 1,3 bis 2,0-fache, des spezifischen Volumens des aus Vollmaterial bestehenden Anlage-Teils des Anschlusskopfes,
14. die Abstände des oberen Endes der oberen Anlagefläche und des unteren Endes der unteren Anlagefläche von der den Schlitz in Höhe der Hälfte der Schlitzbreite schneidenden Horizontal-Ebene sind gleich groß,
15. der Anschluss-Teil weist eine mit dem Innenraum des Rundrohrs und mit dem Keil-Aufnahmeraum in Verbindung stehende Öffnung auf, deren Öffnungskanten einen kleinsten Öffnungsdurchmesser aufspannen, der wenigstens 60%, vorzugsweise 65% bis 85%, des Innendurchmessers des Rundrohres beträgt,
16. die Öffnung ist in einem senkrecht zu der Rohrachse des Rundrohrs verlaufenden Schnitt betrachtet mit geraden Öffnungskanten und mit teilkreissegmentförmigen Öffnungskanten begrenzt.
II.
64 
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch (1.). Die einzelnen, mit den streitgegenständlichen Anschlussköpfen versehenen Bauteile sind auch keine zur Benutzung der patentgemäßen Erfindung geeigneten Mittel (2.).
65 
1. Bei dem angegriffenen Gerüst fehlt es jedenfalls an der Verwirklichung des Merkmals 3, weil die Anschlussköpfe der angegriffenen Ausführungsform nicht aus Temperguss-Werkstoff bestehen (lit. a., b.). Auch unter Äquivalenzgesichtspunkten scheidet eine Patentverletzung insoweit aus (lit. c.).
66 
a. Maßgeblich für die Auslegung eines Patents ist zunächst der Inhalt und damit der Wortlaut und Sinngehalt des jeweiligen Patentanspruchs, Beschreibung und Zeichnungen sind ergänzend heranzuziehen (Art. 69 Abs. 1, S. 1, 2 EPÜ). Soweit die Beschreibung zur Auslegung der Patentschrift herangezogen wird, ist der technische Sinn der in der Patentschrift verwendeten Worte und Begriffe entscheidend und nicht deren rein philologischer oder logisch-wissenschaftlicher Bedeutungsgehalt (BGHZ 150, 149, 156 - Schneidmesser I; BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube). Die Merkmale eines Patentanspruchs müssen deshalb aus der Patentschrift, die insoweit ihr eigenes Lexikon darstellt, selbst heraus ausgelegt werden (BGH, a.a.O. - Spannschraube; BGH GRUR 2005, 754 - werkstoffeinstückig). Die zur Erfassung des Sinngehalts eines Patentanspruchs vorgesehene Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2004, 1023, 1024 - Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung).
67 
Eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung des Klagepatents führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass - auch getemperter - Stahlguss kein Temperguss-Werkstoff im Sinne des Merkmals 3 ist.
68 
(1) Das allgemeine fachmännische Verständnis des Begriffs „Temperguss“ ist zwischen den Parteien unstreitig, was sich im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt hat. Die Klägerin hat insbesondere auch nicht die diesbezügliche inhaltliche Richtigkeit der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen von Dr.-Ing. W. S. (I…, Anlage B3) und von Dr. Ing. K.-C. F. (S… GmbH, Anlage B4) in Zweifel gezogen.
69 
Danach werden in der Werkstoffkunde Eisen-Kohlenstoff-Legierungen nach ihrem Kohlenstoffgehalt unterschieden zwischen Stahl/Stahlguss (Kohlenstoffgehalt unter 2,06 %) und sonstigen Eisenwerkstoffen (Kohlenstoffgehalt über 2,06 %). Die sonstigen Eisenwerkstoffe werden auch als Gusseisen oder Eisenguss bezeichnet.
70 
Unter Temperguss versteht der Fachmann einen Eisenguss, dem durch ein sogenanntes Tempern (engl. tempering), d.h. durch eine Hitzebehandlung, der Kohlenstoff soweit als möglich entzogen wird. Dabei wird das Eisenguss-Werkstück in einer oxidierenden Glühofenatmosphäre bei sehr hohen Temperaturen (1.050° C) und mit sehr langer Glühdauer (bis zu mehreren Tagen) erhitzt. Bei diesem auch als Lösungsglühen bezeichneten Vorgang wird dem Gussteil beginnend in den Randbereichen der Kohlenstoff entzogen, wodurch es an diesen Stellen zum rein ferritischen, schweißbaren Gefüge umgewandelt wird. An den Bereichen mit größerer Wanddicke zum Materialkern hin besteht das Temperguss-Werkstück aus einer Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit einem hohen Kohlenstoffanteil. Ziel dieses Temperns ist die Herstellung der bedingten Schweißeignung und die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften des Werkstoffs.
71 
Das vorstehend beschriebene Tempern findet bei Stahlguss nicht statt, weil Stahlguss von vorneherein einen Kohlenstoffgehalt von unter 2,06 % enthält und damit stets schweißbar ist.
72 
Soweit auch im Zusammenhang mit Stahlguss ein Tempern bekannt ist (vgl. Anlage K15), handelt es sich um einen anderen Vorgang als beim Tempern zur Herstellung von Temperguss (getemperter Eisenguss). Das Tempern von Stahlguss erfolgt mit einer anderen Temperatur (unter 700° C), einer anderen Temperaturführung (u.a. schnelleres Abkühlen) und zu einem anderen Zweck. Ziel des Temperns von Stahlguss ist nicht die Änderung der chemischen Zusammensetzung in Form der Reduktion des Kohlenstoffgehalts (und damit die Herstellung der Schweißeignung), sondern eine Änderung der Anordnung der Elemente im Material (Änderung des Werkstoffgefüges).
73 
Nach alledem handelt es sich nach fachmännischem Verständnis beim Temperguss um (getemperten) Eisenguss und nicht um Stahlguss, mag letzterer auch getempert worden sein.
74 
Dementsprechend sind Stahlguss einerseits und Temperguss andererseits auch in unterschiedlichen Normungsreihen geregelt. Die Normung von Temperguss erfolgt nach DIN EN 1562:2012 und DIN EN 1692:1982, während die Normung von Stahlguss nach DIN EN 10293:2005 und DIN EN 10310:2007 erfolgt. Auch in internationalen Regelungen wie derjenigen der ASTM (American Society for Testing and Materials) wird zwischen Temperguss (ASTM A47M-99) und Stahlguss (ASTM A27M-95) unterschieden. Schließlich unterscheiden auch die Zulassungsvoraussetzungen des Deutschen Instituts für Bautechnik zwischen Werkstoffen aus Stahlguss einerseits und Temperguss andererseits (vgl. Anlage B6).
75 
(2) Dem Klagepatent kann ein von dem vorstehend dargelegten allgemeinen Fachverständnis abweichender, auch Stahlguss umfassender Bedeutungsgehalt des Begriffs „Temperguss-Werkstoff“ nicht entnommen werden.
76 
Die Auffassung der Klägerin, unter Temperguss-Werkstoff im Sinne des Klagepatents sei jeder Eisenwerkstoff zu verstehen, der einer Hitzebehandlung unterzogen worden sei, teilt die Kammer nicht.
77 
Anspruch 1 lehrt gerade nicht die Verwendung eines getemperten Werkstoffs, sondern eines Temperguss-Werkstoffs. Während von der Formulierung „getemperter Werkstoff“ jeder getemperte, also hitzebehandelte Guss-Werkstoff - also auch „getemperter“ Stahlguss - umfasst sein mag, gilt dies für den fachmännisch nur auf getemperte Gusseisen-Werkstoffe bezogenen Terminus „Temperguss-Werkstoff“ gerade nicht.
78 
Soweit die Klägerin darauf abstellt, Anspruch 1 verwende nicht (nur) das Wort „Temperguss“, sondern spreche von „Temperguss-Werkstoff“, kann die Kammer den seitens der Klägerin hieraus gezogenen Schluss nicht nachvollziehen, wonach „Temperguss-Werkstoff“ - anders als „Temperguss“ - als Oberbegriff für alle getemperten Gusswerkstoffe (also für „Temperguss im engeren Sinne“ (ABl. 143) und für getemperten Stahlguss) zu begreifen sei. Wiederum gilt, dass Anspruch 1 nicht das Verb „tempern“ bzw. dessen Partizip „getempert“ verwendet (etwa: „getemperter Guss-Werkstoff“), sondern das fachmännisch belegte Substantiv „Temperguss“. Dementsprechend handelt es sich beim „Temperguss-Werkstoff“ eben nicht um jeden getemperten Guss-Werkstoff, sondern um einen Werkstoff aus Temperguss, also aus getempertem Gusseisen.
79 
Im Zusammenhang mit ihrer Argumentation, die Beschreibung enthalte keine Stelle, die für ein im Einklang mit dem allgemeinen Fachverständnis stehendes Verständnis des Begriffs „Temperguss-Werkstoff“ spräche, verkennt die Klägerin den Inhalt der BGH-Entscheidung Spannschraube (GRUR 1999, 909).Danach kann sich zwar ein vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch abweichendes Begriffsverständnis aus der Patentschrift ergeben. Sofern dies jedoch nicht der Fall ist, bleibt es beim allgemeinen (Fach-)Verständnis.
80 
Für das von der Klägerin vertretene, vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch abweichende Verständnis des Begriffs „Temperguss-Werkstoff“ finden sich in der Klagepatentschrift (Ansprüche, Beschreibung, Zeichnungen) keine Anhaltspunkte im Sinne der Spannschraube-Entscheidung.
81 
Die gesamte Beschreibung befasst sich lediglich in ihrem Abschnitt [0002] näher mit Temperguss. Dieser Abschnitt weist darauf hin, dass unter Berücksichtigung von Einsatzzweck und Herstellung zweckmäßigerweise Temperguss-Köpfe verwendet werden, die zum Verschweißen mit Stahlrohren geeignet sind. Diese Beschreibungsstelle steht im Zusammenhang mit der im Patentanspruch getroffenen Auswahlentscheidung zugunsten von Temperguss (näher dazu unter c. (2) ii.). Ihr lässt sich indes kein vom allgemeinen (Fach-)Verständnis des Begriffs Temperguss-Werkstoff abweichendes Verständnis entnehmen.
82 
Schließlich ist noch zu erwähnen, dass die Klägerin selbst mehrfach darauf hingewiesen hat, dass es sich bei Temperguss und Stahlguss um alternative Werkstoffe handelt (vgl. etwa ABl. 97, 99, 101, 102, 143), wobei sie die - im Einzelnen zwischen den Parteien zum Teil streitigen - Unterschiede zwischen Stahlgussköpfen und Tempergussköpfen (Kosten, Zähigkeit, Gefahr von Lunkern, Maßgenauigkeit, Oberflächengüte, Tragfähigkeit) herausgearbeitet hat (vgl. etwa ABl. 99 f.).
83 
Nach alledem ist unter „Temperguss-Werkstoff“ im Sinne des Merkmals 3 ein Werkstoff aus getempertem Eisenguss zu verstehen, während (auch hitzebehandelter/getemperter) Stahlguss nicht in den wortsinngemäßen Schutzbereich des Klagepatents fällt.
84 
b. Bei Zugrundelegung der vorstehenden Auslegung verwirklichen die Anschlussköpfe der angegriffenen Ausführungsform das Merkmal 3 des Anspruchs 1 nicht, weil sie nicht aus Temperguss, sondern aus Stahlguss (der US-amerikanischen Spezifikation ASTM A27 Gr 70-40) bestehen.
85 
Sofern die Klägerin darauf abstellt, auch der Stahlguss ASTM A27 Gr 70-40 werde ausweislich der ASTM-Standardspezifikation für „Steel Casting“ (Anlage K 15) einer Hitzebehandlung bzw. einem Tempern unterzogen, so ändert dies nach dem vorstehend unter lit. a. Gesagten nichts daran, dass es sich nicht um Temperguss im Sinne des Klagepatents (also getemperten Eisenguss) handelt.
86 
c. Die angegriffene Ausführungsform macht auch nicht unmittelbar äquivalent Gebrauch von Anspruch 1.
87 
Liegt eine wortsinngemäße Benutzung der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung durch die angegriffene Ausführungsform nicht vor, müssen für die Annahme einer äquivalenten Verwirklichung der erfinderischen Lehre nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs drei Kriterien erfüllt sein, damit die betreffende Ausführung trotz ihrer Abweichung vom Sinngehalt des geprüften Patentanspruchs von dessen Schutzbereich erfasst wird (vgl. BGHZ 150, 149 - Schneidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 - Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 523 - Custodiol I; GRUR 2002, 527 - Custodiol II; BGHZ 171, 120 - Kettenradanordnung; BGH GRUR 2014, 852 - Begrenzungsanschlag). Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein (BGH, GRUR 2011, 313, Tz. 35 - Crimpwerkzeug IV).
88 
Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2011, 313, Tz. 35 m.w.N. - Crimpwerkzeug IV.). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, a.a.O.).
89 
Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGH, Urteile vom 29.11.1988 - X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator und vom 12.03.2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 Schneidmesser I; BGH GRUR 2007, 1059, 1062 - Zerfallszeitmessgerät).
90 
Schließlich muss sich aus dem Klageantrag ergeben, welche Ausführungen der Kläger als Verletzungsform angreift. Die Ausführung ist im Hinblick auf die Vorgaben des Patentanspruchs zu beschreiben. Soll eine Ausführungsform als vom erteilten Klagepatent erfasst angegriffen werden, die eine vom Wortsinn abweichende Gestalt aufweist, muss sich aus dem Antrag ergeben, in welcher tatsächlichen Gestaltung sich die Abweichung von den Vorgaben des Patentanspruchs verkörpern soll (BGHZ 184, 49, Tz. 31 - Kettenradanordnung II).
91 
(1) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so fehlt es schon an einem ordnungsgemäßen Antrag der Klägerin. Auch wenn die Klägerin vorrangig der Auffassung ist, Stahlguss sei eine wortsinngemäße Verwirklichung des in Merkmal 3 gelehrten Temperguss-Werkstoffs, so hätte sie doch einen ihrer hilfsweisen Argumentation der äquivalenten Verwirklichung des Merkmals Temperguss-Werkstoff durch Stahlguss entsprechenden Antrag stellen müssen, in dem das geltend gemachte Austauschmittel (Stahlguss statt Temperguss-Werkstoff) Niederschlag findet. Demgegenüber ist für die wortsinngemäße und die hilfsweise geltend gemachte äquivalente Verletzung derselbe Antrag gestellt, dessen Wortlaut - wie allgemein üblich - (nur) den Wortlaut des Patentanspruchs widerspiegelt.
92 
(2) Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das nicht dem Wortsinn nach erfüllte Merkmal 3 indes auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.
93 
i. Dabei kann die Kammer die Bedenken im Hinblick auf die Gleichwirkung von Stahlguss und Temperguss dahinstehen lassen. Insoweit mag der Hinweis darauf genügen, dass die Klägerin selbst die aus ihrer Sicht vorhandenen Nachteile von Stahlguss (Gefahr von Lunkern) gegenüber Temperguss (getempertem Eisenguss) hervorhebt (ABl. 97, 103, 105) und damit die Gleichwirkung der beiden Werkstoffe selbst infrage stellt. Auch den seitens der Beklagten gegen eine Gleichwirkung ins Feld geführten weiteren (streitigen) Umständen (Unterschiede im Hinblick auf Material- und Verarbeitungskosten, mechanische Eigenschaften, Fehleranfälligkeit, Leistungsfähigkeit) braucht hier nicht weiter nachgegangen werden.
94 
ii. Es fehlt jedenfalls an der Gleichwertigkeit von Stahlguss als Austauschmittel für einen Temperguss-Werkstoff.
95 
Trifft der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen nach der Rechtsprechung des BGH die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung im Einklang stehen (BGH, GRUR 2011, 701, 705 - Okklusionsvorrichtung).
96 
Dies gilt zunächst dann, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung herbeigeführt werden kann, während im Patentanspruch jedoch nur eine dieser Möglichkeiten aufgenommen worden ist. In diesen Fällen begründet die Benutzung einer der übrigen Möglichkeiten regelmäßig keine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln (BGH, GRUR 2011, 701, 705 - Okklusionsvorrichtung; BGH, GRUR 2012, 45, 47 - Diglycidverbindung). Die Patentschrift lässt dann nämlich erkennen, dass der Anmelder das von der angegriffenen Ausführungsform benutzte naheliegende Austauschmittel als gleichwirkende Lösungsmöglichkeit für die der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe erkannt, ungeachtet dessen aber einen Patentanspruch formuliert hat, der dieses Ersatzmittel nicht erfasst.
97 
In der Entscheidung Diglycidverbindung (a.a.O., Rn. 44) hat der BGH unter Bezugnahme auf seine zuvor ergangene Entscheidung Okklusionsvorrichtung formuliert, dass eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen ist, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte.
98 
Demnach kommt die Anwendung des Verzichtsgedankens also grundsätzlich nicht nur in Betracht, wenn das Austauschmittel ausdrücklich in der Patentschrift genannt ist, ohne Eingang in den Patentanspruch gefunden zu haben, sondern auch (bereits) dann, wenn der Anmelder das in der Patentschrift gar nicht erwähnte, für den Fachmann gleichwohl auffindbare Austauschmittel nicht in den Anspruch aufgenommen hat.
99 
Davon kann freilich nicht schon bei jedem beliebigen Hinweis der Patentschrift auf das nicht ausdrücklich genannte Ersatzmittel ausgegangen werden. Ebenso wenig kann bereits jedes (sehr) Naheliegen der abgewandelten Lösung die Annahme rechtfertigen, der Anmelder habe durch eine das naheliegende Ersatzmittel nicht erfassende Anspruchsformulierung auf einen Patentschutz für dieses Austauschmittel verzichtet. Schließlich ist es tatbestandliche Voraussetzung jeglicher Äquivalenzüberlegung, dass der Wortlaut des Patentanspruchs unzureichend formuliert ist, weil er ein bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichtes Austauschmittel nicht erfasst, das der Fachmann in (ggf. auch sehr) naheliegender Weise als technisch gleichwirkendes Substitut zur Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre auffinden konnte (vgl. Kühnen, GRUR 2013, 1086, 1088).
100 
Es muss vielmehr außer Frage stehen, dass der Anmelder das gleichwirkende und naheliegende - gleichwohl nicht expressis verbis in der Patentschrift genannte - Austauschmittel als Lösungsmöglichkeit für das erfindungsgemäße Problem bei der Anspruchsformulierung tatsächlich gesehen hat.
101 
Ob dies in Fällen angenommen werden könnte, in denen das in der angegriffenen Ausführungsform vorhandene Ersatzmittel in der Patentschrift unberücksichtigt geblieben ist, sich für den Fachmann aber gleichwohl als technisch evident darstellt (ablehnend: OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185 - WC-Sitzgelenk; Kühnen, a.a.O.), kann hier offen bleiben.
102 
Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich um ein im Klagepatent zwar nicht benanntes, aber - erstens - evidentes Austauschmittel, dessen Kenntnis - zweitens - seitens des Anmelders durch die Benennung der Offenlegungsschrift DE 39 34 857 als Stand der Technik im Abschnitt [0002] dokumentiert ist.
103 
Dem Fachmann war im Prioritätszeitpunkt bekannt, dass Anschlussköpfe aus verschiedenen Werkstoffen gefertigt werden können, namentlich aus Temperguss, Stahlguss und geschmiedetem Stahl (vgl. nur die Anlagen K4a, K27, K28 und K29). Die Klägerin selbst hat vorgetragen, sie habe bereits 1997, also vor der Anmeldung des Klagepatents, die Verwendung von Stahlgussteilen wegen ihres Kostenvorteils in Erwägung gezogen (ABl. 105).
104 
Nach dem Klagepatent sollen die Anschlussköpfe - nach Auffassung der Klägerin auch aus guten Gründen - gleichwohl nur aus Temperguss (getempertem Eisenguss) gefertigt werden, vgl. oben II.1. a.
105 
Dass es sich bei Temperguss und Stahlguss um dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt geläufige Werkstoffalternativen - und bei der Benennung nur von Temperguss im Klagepatent um eine Auswahlentscheidung gegen Stahlguss - handelte, ergibt sich jedenfalls mittelbar auch aus der Patentschrift selbst.
106 
In ihrem den Temperguss behandelnden Abschnitt [0002] nimmt die Beschreibung ausdrücklich auf die Druckschrift DE 39 34 857 Bezug.
107 
Die DE 39 34 857 mit dem Titel „Anschlusskopf für Gerüst“ lehrt in ihrem Anspruch 1 (Spalte 5, Zeilen 68 f.) ausdrücklich drei Werkstoffalternativen für Anschlussköpfe: „Die Anschlussköpfe bestehen aus Stahlguß, Temperguß oder geschmiedetem Stahl“. Durch den Verweis auf die DE 39 34 857 (im Übrigen die einzige von der Beschreibung überhaupt in Bezug genommene Druckschrift) gibt der Anmelder zu erkennen, dass er die Verwendung (auch) von Stahlguss für Anschlussköpfe gesehen und sie dennoch bewusst nicht in den Patentschutz einbezogen hat. Unterstrichen wird diese Einschätzung durch den Hinweis in Abschnitt [0002] der Beschreibung, wonach (gerade) Temperguss-Köpfe zweckmäßigerweise verwendet werden.
108 
In einem solchen Fall ist die ausdrückliche Darstellung des - für den Fachmann ohnehin auf der Hand liegenden - Austauschmittels in der als Stand der Technik in Bezug genommenen Druckschrift nach Auffassung der Kammer nicht anders zu behandeln als die ausdrückliche Erwähnung des Austauschmittels in der Beschreibung des Klagepatents selbst.
109 
Diese Behandlung des Stands der Technik in der Klagepatentschrift zeigt, dass der Anmelder den Offenbarungsgehalt des Stands der Technik auch gedanklich erfasst und insbesondere das naheliegende Austauschmittel Stahlguss als Lösungsmöglichkeit für die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe erkannt hatte. Ungeachtet dessen hat er einen Patentanspruch formuliert, der dieses Ersatzmittel nicht erfasst. Wegen der erforderlichen Rechtssicherheit für Dritte, die gleichwertig neben dem Aspekt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung steht (vgl. BGH, GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser), muss der Patentinhaber diesen auf einen Verzicht hindeutenden objektiven Erklärungsgehalt der Patentschrift gegen sich gelten lassen. Wollte man nunmehr die Ausführung der Anschlussköpfe in Stahlguss als äquivalentes Mittel zum Temperguss-Werkstoff ansehen, so würde man diese den Stahlguss ausschließende Entscheidung des Anmelders übergehen und in ihr Gegenteil verkehren.
110 
2. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen Anspruch 1 des Klagepatents auch nicht mittelbar (Art. 64 Abs. 1, 3 EPÜ, §§ 10, 139 PatG). Sie sind keine zur Benutzung der patentierten Erfindung geeigneten Mittel, weil ihre Anschlussköpfe entgegen Merkmal 3 nicht aus Temperguss-Werkstoff bestehen. Im Hinblick auf eine mittelbare äquivalente Patentverletzung fehlt es wiederum an einem hierauf zugeschnittenen Antrag, sie liegt aber aus den vorstehend unter 1.c. dargelegten Gründen auch nicht vor.
B.
111 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

Gründe

 
A.
55 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
56 
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a, 140b, 141a PatG, 242, 259 BGB, PatG jew. i.V.m. Art. 64 EPÜ, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜbkG.
57 
Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen den Klagepatentanspruch 1 weder unmittelbar (II. 1.) noch mittelbar (II. 2.).
I.
58 
Das Klagepatent betrifft eine Tragstruktur-Element-Anordnung eines Raumtragwerks, insbesondere eines Gerüsts.
59 
Im Stand der Technik waren für den Anschluss an vertikale Gerüststiele auf diesen befindliche Horizontalscheiben mit Durchtrittslöchern für Keile bekannt. Über diese Scheiben werden mit (horizontalen oder diagonalen) Stabelementen verbundene Anschlussköpfe gesteckt, wobei verschiedene Ausgestaltungen solcher Anschlussköpfe bereits bekannt waren, beispielsweise aus der DE-OS 39 34 857 [0002].
60 
Da über die Anschlussköpfe eines Gerüsts alle Kräfte des jeweiligen Verbindungselements in den Vertikalstab und die anderen Stäbe eingeleitet werden, kommt ihnen höchste Bedeutung für die Sicherheit der Benutzer zu [0005]. Weiterhin referiert das Klagepatent, dass an einen Anschlusskopf in besonderem Maße Forderungen nach Herstellungs- und Benutzungsoptimierung gestellt würden [0005].
61 
Das Klagepatent stellt sich die Aufgabe, die Anschlussköpfe von Verbindungselementen unter mehrerlei Bedingungen in Hinsicht auf Materialaufwand, Gewicht, Herstellungszeiten, Herstellungsaufwendungen und Einsatzaufwendungen auch bei unterschiedlichen Belastungen und hinsichtlich der bei Raumtragwerken auftretenden Beanspruchungsverhältnissen, Kraft- und Momentenübertragungsverhältnissen sowie Tragfunktionen von Verbindungselementen für die allermeisten Zwecke günstiger zu gestalten als bisherige Anschlussköpfe von Verbindungselementen [0005]. Dieses Ziel soll durch eine verbesserte Wand- bzw. Teil-Wand-Gestaltung des Nutzräume aufweisenden Anschlusskopfes erreicht werden [0006], [0021].
62 
Zur Lösung der vorgenannten Aufgabe lehrt das Klagepatent eine Tragstruktur-Element-Anordnung, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
63 
1. Tragstruktur-Element-Anordnung eines Raumtragwerkes, insbesondere einer Tribüne, eines Podiums oder Gerüstes,
2. das unter Zuhilfenahme von Stielen und wenigstens einen Anschlusskopf aufweisenden stabförmigen Verbindungselementen verwindungssteif ausgebildet ist,
3. der aus Temperguss-Werkstoff bestehende Anschlusskopf ist mit einem Anschluss-Teil und einem Anlage-Teil gestaltet,
4. der Anschluss-Teil ist fest mit einem Stabelement verschweißt,
5. das Stabelement ist als ein Rundrohr ausgebildet, das einen Außendurchmesser, einen Innendurchmesser und eine Wanddicke aufweist,
6. der Anlage-Teil hat Anlageflächen aufweisende Anlage-Wandteile zur Anlage an den Stielen,
7. der Anschlusskopf weist einen oberen Kopfteil und einen unteren Kopfteil auf, die einteilig gestaltet sind,
8. zwischen dem oberen Kopfteil und dem unteren Kopfteil ist ein bis zum Anschluss-Teil reichender, zur Anlageseite und den Vertikal-Außen-Flächen offener Schlitz zum Aufstecken auf eine auf dem Stiel angebrachte Lochscheibe ausgebildet,
9. im oberen Kopfteil ist eine obere Keilöffnung und im unteren Kopfteil ist eine untere Keilöffnung ausgebildet, für einen durch die Keilöffnungen und die Lochscheibe steckbaren, dem Verspannen der zu verbindenden Tragstruktur-Elemente dienenden Keil,
10. der Anschlusskopf ist in Umfangsrichtung mit Seiten-Wandteilen und nach oben und unten mit Wandteilen begrenzt, deren die Kräfte übertragende Werkstoff-Bereiche Nutzräume freilassend ausgebildet sind,
11. die Seitenwandteile sind mit Vertikal-Außen-Flächen gebildet, die einen den achten Teil eines Vollkreises einnehmenden Keilwinkel einschließen,
12. der Anlage-Teil des Anschlusskopfes weist ein mit den Anlageflächen der Anlage-Wandteile, mit den Schlitz begrenzenden Schlitzflächen und mit den den Keilwinkel einschließenden Vertikal-Außenflächen gebildeten äußeren Wandflächen begrenztes Volumen auf,
13. das durch das Verhältnis des mit den äußeren Wandflächen und mit einer inneren gedachten Fläche zwischen dem Anschluss-Teil und dem Anlage-Teil begrenzten Volumens und der Masse des Anlage-Teils des Anschlusskopfes gebildete spezifische Volumen des Anschlusskopfes beträgt mindestens das 1 ‚2-fache, vorzugsweise das 1,3 bis 2,0-fache, des spezifischen Volumens des aus Vollmaterial bestehenden Anlage-Teils des Anschlusskopfes,
14. die Abstände des oberen Endes der oberen Anlagefläche und des unteren Endes der unteren Anlagefläche von der den Schlitz in Höhe der Hälfte der Schlitzbreite schneidenden Horizontal-Ebene sind gleich groß,
15. der Anschluss-Teil weist eine mit dem Innenraum des Rundrohrs und mit dem Keil-Aufnahmeraum in Verbindung stehende Öffnung auf, deren Öffnungskanten einen kleinsten Öffnungsdurchmesser aufspannen, der wenigstens 60%, vorzugsweise 65% bis 85%, des Innendurchmessers des Rundrohres beträgt,
16. die Öffnung ist in einem senkrecht zu der Rohrachse des Rundrohrs verlaufenden Schnitt betrachtet mit geraden Öffnungskanten und mit teilkreissegmentförmigen Öffnungskanten begrenzt.
II.
64 
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch (1.). Die einzelnen, mit den streitgegenständlichen Anschlussköpfen versehenen Bauteile sind auch keine zur Benutzung der patentgemäßen Erfindung geeigneten Mittel (2.).
65 
1. Bei dem angegriffenen Gerüst fehlt es jedenfalls an der Verwirklichung des Merkmals 3, weil die Anschlussköpfe der angegriffenen Ausführungsform nicht aus Temperguss-Werkstoff bestehen (lit. a., b.). Auch unter Äquivalenzgesichtspunkten scheidet eine Patentverletzung insoweit aus (lit. c.).
66 
a. Maßgeblich für die Auslegung eines Patents ist zunächst der Inhalt und damit der Wortlaut und Sinngehalt des jeweiligen Patentanspruchs, Beschreibung und Zeichnungen sind ergänzend heranzuziehen (Art. 69 Abs. 1, S. 1, 2 EPÜ). Soweit die Beschreibung zur Auslegung der Patentschrift herangezogen wird, ist der technische Sinn der in der Patentschrift verwendeten Worte und Begriffe entscheidend und nicht deren rein philologischer oder logisch-wissenschaftlicher Bedeutungsgehalt (BGHZ 150, 149, 156 - Schneidmesser I; BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube). Die Merkmale eines Patentanspruchs müssen deshalb aus der Patentschrift, die insoweit ihr eigenes Lexikon darstellt, selbst heraus ausgelegt werden (BGH, a.a.O. - Spannschraube; BGH GRUR 2005, 754 - werkstoffeinstückig). Die zur Erfassung des Sinngehalts eines Patentanspruchs vorgesehene Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2004, 1023, 1024 - Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung).
67 
Eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung des Klagepatents führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass - auch getemperter - Stahlguss kein Temperguss-Werkstoff im Sinne des Merkmals 3 ist.
68 
(1) Das allgemeine fachmännische Verständnis des Begriffs „Temperguss“ ist zwischen den Parteien unstreitig, was sich im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt hat. Die Klägerin hat insbesondere auch nicht die diesbezügliche inhaltliche Richtigkeit der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen von Dr.-Ing. W. S. (I…, Anlage B3) und von Dr. Ing. K.-C. F. (S… GmbH, Anlage B4) in Zweifel gezogen.
69 
Danach werden in der Werkstoffkunde Eisen-Kohlenstoff-Legierungen nach ihrem Kohlenstoffgehalt unterschieden zwischen Stahl/Stahlguss (Kohlenstoffgehalt unter 2,06 %) und sonstigen Eisenwerkstoffen (Kohlenstoffgehalt über 2,06 %). Die sonstigen Eisenwerkstoffe werden auch als Gusseisen oder Eisenguss bezeichnet.
70 
Unter Temperguss versteht der Fachmann einen Eisenguss, dem durch ein sogenanntes Tempern (engl. tempering), d.h. durch eine Hitzebehandlung, der Kohlenstoff soweit als möglich entzogen wird. Dabei wird das Eisenguss-Werkstück in einer oxidierenden Glühofenatmosphäre bei sehr hohen Temperaturen (1.050° C) und mit sehr langer Glühdauer (bis zu mehreren Tagen) erhitzt. Bei diesem auch als Lösungsglühen bezeichneten Vorgang wird dem Gussteil beginnend in den Randbereichen der Kohlenstoff entzogen, wodurch es an diesen Stellen zum rein ferritischen, schweißbaren Gefüge umgewandelt wird. An den Bereichen mit größerer Wanddicke zum Materialkern hin besteht das Temperguss-Werkstück aus einer Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit einem hohen Kohlenstoffanteil. Ziel dieses Temperns ist die Herstellung der bedingten Schweißeignung und die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften des Werkstoffs.
71 
Das vorstehend beschriebene Tempern findet bei Stahlguss nicht statt, weil Stahlguss von vorneherein einen Kohlenstoffgehalt von unter 2,06 % enthält und damit stets schweißbar ist.
72 
Soweit auch im Zusammenhang mit Stahlguss ein Tempern bekannt ist (vgl. Anlage K15), handelt es sich um einen anderen Vorgang als beim Tempern zur Herstellung von Temperguss (getemperter Eisenguss). Das Tempern von Stahlguss erfolgt mit einer anderen Temperatur (unter 700° C), einer anderen Temperaturführung (u.a. schnelleres Abkühlen) und zu einem anderen Zweck. Ziel des Temperns von Stahlguss ist nicht die Änderung der chemischen Zusammensetzung in Form der Reduktion des Kohlenstoffgehalts (und damit die Herstellung der Schweißeignung), sondern eine Änderung der Anordnung der Elemente im Material (Änderung des Werkstoffgefüges).
73 
Nach alledem handelt es sich nach fachmännischem Verständnis beim Temperguss um (getemperten) Eisenguss und nicht um Stahlguss, mag letzterer auch getempert worden sein.
74 
Dementsprechend sind Stahlguss einerseits und Temperguss andererseits auch in unterschiedlichen Normungsreihen geregelt. Die Normung von Temperguss erfolgt nach DIN EN 1562:2012 und DIN EN 1692:1982, während die Normung von Stahlguss nach DIN EN 10293:2005 und DIN EN 10310:2007 erfolgt. Auch in internationalen Regelungen wie derjenigen der ASTM (American Society for Testing and Materials) wird zwischen Temperguss (ASTM A47M-99) und Stahlguss (ASTM A27M-95) unterschieden. Schließlich unterscheiden auch die Zulassungsvoraussetzungen des Deutschen Instituts für Bautechnik zwischen Werkstoffen aus Stahlguss einerseits und Temperguss andererseits (vgl. Anlage B6).
75 
(2) Dem Klagepatent kann ein von dem vorstehend dargelegten allgemeinen Fachverständnis abweichender, auch Stahlguss umfassender Bedeutungsgehalt des Begriffs „Temperguss-Werkstoff“ nicht entnommen werden.
76 
Die Auffassung der Klägerin, unter Temperguss-Werkstoff im Sinne des Klagepatents sei jeder Eisenwerkstoff zu verstehen, der einer Hitzebehandlung unterzogen worden sei, teilt die Kammer nicht.
77 
Anspruch 1 lehrt gerade nicht die Verwendung eines getemperten Werkstoffs, sondern eines Temperguss-Werkstoffs. Während von der Formulierung „getemperter Werkstoff“ jeder getemperte, also hitzebehandelte Guss-Werkstoff - also auch „getemperter“ Stahlguss - umfasst sein mag, gilt dies für den fachmännisch nur auf getemperte Gusseisen-Werkstoffe bezogenen Terminus „Temperguss-Werkstoff“ gerade nicht.
78 
Soweit die Klägerin darauf abstellt, Anspruch 1 verwende nicht (nur) das Wort „Temperguss“, sondern spreche von „Temperguss-Werkstoff“, kann die Kammer den seitens der Klägerin hieraus gezogenen Schluss nicht nachvollziehen, wonach „Temperguss-Werkstoff“ - anders als „Temperguss“ - als Oberbegriff für alle getemperten Gusswerkstoffe (also für „Temperguss im engeren Sinne“ (ABl. 143) und für getemperten Stahlguss) zu begreifen sei. Wiederum gilt, dass Anspruch 1 nicht das Verb „tempern“ bzw. dessen Partizip „getempert“ verwendet (etwa: „getemperter Guss-Werkstoff“), sondern das fachmännisch belegte Substantiv „Temperguss“. Dementsprechend handelt es sich beim „Temperguss-Werkstoff“ eben nicht um jeden getemperten Guss-Werkstoff, sondern um einen Werkstoff aus Temperguss, also aus getempertem Gusseisen.
79 
Im Zusammenhang mit ihrer Argumentation, die Beschreibung enthalte keine Stelle, die für ein im Einklang mit dem allgemeinen Fachverständnis stehendes Verständnis des Begriffs „Temperguss-Werkstoff“ spräche, verkennt die Klägerin den Inhalt der BGH-Entscheidung Spannschraube (GRUR 1999, 909).Danach kann sich zwar ein vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch abweichendes Begriffsverständnis aus der Patentschrift ergeben. Sofern dies jedoch nicht der Fall ist, bleibt es beim allgemeinen (Fach-)Verständnis.
80 
Für das von der Klägerin vertretene, vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch abweichende Verständnis des Begriffs „Temperguss-Werkstoff“ finden sich in der Klagepatentschrift (Ansprüche, Beschreibung, Zeichnungen) keine Anhaltspunkte im Sinne der Spannschraube-Entscheidung.
81 
Die gesamte Beschreibung befasst sich lediglich in ihrem Abschnitt [0002] näher mit Temperguss. Dieser Abschnitt weist darauf hin, dass unter Berücksichtigung von Einsatzzweck und Herstellung zweckmäßigerweise Temperguss-Köpfe verwendet werden, die zum Verschweißen mit Stahlrohren geeignet sind. Diese Beschreibungsstelle steht im Zusammenhang mit der im Patentanspruch getroffenen Auswahlentscheidung zugunsten von Temperguss (näher dazu unter c. (2) ii.). Ihr lässt sich indes kein vom allgemeinen (Fach-)Verständnis des Begriffs Temperguss-Werkstoff abweichendes Verständnis entnehmen.
82 
Schließlich ist noch zu erwähnen, dass die Klägerin selbst mehrfach darauf hingewiesen hat, dass es sich bei Temperguss und Stahlguss um alternative Werkstoffe handelt (vgl. etwa ABl. 97, 99, 101, 102, 143), wobei sie die - im Einzelnen zwischen den Parteien zum Teil streitigen - Unterschiede zwischen Stahlgussköpfen und Tempergussköpfen (Kosten, Zähigkeit, Gefahr von Lunkern, Maßgenauigkeit, Oberflächengüte, Tragfähigkeit) herausgearbeitet hat (vgl. etwa ABl. 99 f.).
83 
Nach alledem ist unter „Temperguss-Werkstoff“ im Sinne des Merkmals 3 ein Werkstoff aus getempertem Eisenguss zu verstehen, während (auch hitzebehandelter/getemperter) Stahlguss nicht in den wortsinngemäßen Schutzbereich des Klagepatents fällt.
84 
b. Bei Zugrundelegung der vorstehenden Auslegung verwirklichen die Anschlussköpfe der angegriffenen Ausführungsform das Merkmal 3 des Anspruchs 1 nicht, weil sie nicht aus Temperguss, sondern aus Stahlguss (der US-amerikanischen Spezifikation ASTM A27 Gr 70-40) bestehen.
85 
Sofern die Klägerin darauf abstellt, auch der Stahlguss ASTM A27 Gr 70-40 werde ausweislich der ASTM-Standardspezifikation für „Steel Casting“ (Anlage K 15) einer Hitzebehandlung bzw. einem Tempern unterzogen, so ändert dies nach dem vorstehend unter lit. a. Gesagten nichts daran, dass es sich nicht um Temperguss im Sinne des Klagepatents (also getemperten Eisenguss) handelt.
86 
c. Die angegriffene Ausführungsform macht auch nicht unmittelbar äquivalent Gebrauch von Anspruch 1.
87 
Liegt eine wortsinngemäße Benutzung der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung durch die angegriffene Ausführungsform nicht vor, müssen für die Annahme einer äquivalenten Verwirklichung der erfinderischen Lehre nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs drei Kriterien erfüllt sein, damit die betreffende Ausführung trotz ihrer Abweichung vom Sinngehalt des geprüften Patentanspruchs von dessen Schutzbereich erfasst wird (vgl. BGHZ 150, 149 - Schneidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 - Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 523 - Custodiol I; GRUR 2002, 527 - Custodiol II; BGHZ 171, 120 - Kettenradanordnung; BGH GRUR 2014, 852 - Begrenzungsanschlag). Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein (BGH, GRUR 2011, 313, Tz. 35 - Crimpwerkzeug IV).
88 
Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2011, 313, Tz. 35 m.w.N. - Crimpwerkzeug IV.). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, a.a.O.).
89 
Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGH, Urteile vom 29.11.1988 - X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator und vom 12.03.2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 Schneidmesser I; BGH GRUR 2007, 1059, 1062 - Zerfallszeitmessgerät).
90 
Schließlich muss sich aus dem Klageantrag ergeben, welche Ausführungen der Kläger als Verletzungsform angreift. Die Ausführung ist im Hinblick auf die Vorgaben des Patentanspruchs zu beschreiben. Soll eine Ausführungsform als vom erteilten Klagepatent erfasst angegriffen werden, die eine vom Wortsinn abweichende Gestalt aufweist, muss sich aus dem Antrag ergeben, in welcher tatsächlichen Gestaltung sich die Abweichung von den Vorgaben des Patentanspruchs verkörpern soll (BGHZ 184, 49, Tz. 31 - Kettenradanordnung II).
91 
(1) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so fehlt es schon an einem ordnungsgemäßen Antrag der Klägerin. Auch wenn die Klägerin vorrangig der Auffassung ist, Stahlguss sei eine wortsinngemäße Verwirklichung des in Merkmal 3 gelehrten Temperguss-Werkstoffs, so hätte sie doch einen ihrer hilfsweisen Argumentation der äquivalenten Verwirklichung des Merkmals Temperguss-Werkstoff durch Stahlguss entsprechenden Antrag stellen müssen, in dem das geltend gemachte Austauschmittel (Stahlguss statt Temperguss-Werkstoff) Niederschlag findet. Demgegenüber ist für die wortsinngemäße und die hilfsweise geltend gemachte äquivalente Verletzung derselbe Antrag gestellt, dessen Wortlaut - wie allgemein üblich - (nur) den Wortlaut des Patentanspruchs widerspiegelt.
92 
(2) Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das nicht dem Wortsinn nach erfüllte Merkmal 3 indes auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.
93 
i. Dabei kann die Kammer die Bedenken im Hinblick auf die Gleichwirkung von Stahlguss und Temperguss dahinstehen lassen. Insoweit mag der Hinweis darauf genügen, dass die Klägerin selbst die aus ihrer Sicht vorhandenen Nachteile von Stahlguss (Gefahr von Lunkern) gegenüber Temperguss (getempertem Eisenguss) hervorhebt (ABl. 97, 103, 105) und damit die Gleichwirkung der beiden Werkstoffe selbst infrage stellt. Auch den seitens der Beklagten gegen eine Gleichwirkung ins Feld geführten weiteren (streitigen) Umständen (Unterschiede im Hinblick auf Material- und Verarbeitungskosten, mechanische Eigenschaften, Fehleranfälligkeit, Leistungsfähigkeit) braucht hier nicht weiter nachgegangen werden.
94 
ii. Es fehlt jedenfalls an der Gleichwertigkeit von Stahlguss als Austauschmittel für einen Temperguss-Werkstoff.
95 
Trifft der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen nach der Rechtsprechung des BGH die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung im Einklang stehen (BGH, GRUR 2011, 701, 705 - Okklusionsvorrichtung).
96 
Dies gilt zunächst dann, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung herbeigeführt werden kann, während im Patentanspruch jedoch nur eine dieser Möglichkeiten aufgenommen worden ist. In diesen Fällen begründet die Benutzung einer der übrigen Möglichkeiten regelmäßig keine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln (BGH, GRUR 2011, 701, 705 - Okklusionsvorrichtung; BGH, GRUR 2012, 45, 47 - Diglycidverbindung). Die Patentschrift lässt dann nämlich erkennen, dass der Anmelder das von der angegriffenen Ausführungsform benutzte naheliegende Austauschmittel als gleichwirkende Lösungsmöglichkeit für die der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe erkannt, ungeachtet dessen aber einen Patentanspruch formuliert hat, der dieses Ersatzmittel nicht erfasst.
97 
In der Entscheidung Diglycidverbindung (a.a.O., Rn. 44) hat der BGH unter Bezugnahme auf seine zuvor ergangene Entscheidung Okklusionsvorrichtung formuliert, dass eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen ist, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte.
98 
Demnach kommt die Anwendung des Verzichtsgedankens also grundsätzlich nicht nur in Betracht, wenn das Austauschmittel ausdrücklich in der Patentschrift genannt ist, ohne Eingang in den Patentanspruch gefunden zu haben, sondern auch (bereits) dann, wenn der Anmelder das in der Patentschrift gar nicht erwähnte, für den Fachmann gleichwohl auffindbare Austauschmittel nicht in den Anspruch aufgenommen hat.
99 
Davon kann freilich nicht schon bei jedem beliebigen Hinweis der Patentschrift auf das nicht ausdrücklich genannte Ersatzmittel ausgegangen werden. Ebenso wenig kann bereits jedes (sehr) Naheliegen der abgewandelten Lösung die Annahme rechtfertigen, der Anmelder habe durch eine das naheliegende Ersatzmittel nicht erfassende Anspruchsformulierung auf einen Patentschutz für dieses Austauschmittel verzichtet. Schließlich ist es tatbestandliche Voraussetzung jeglicher Äquivalenzüberlegung, dass der Wortlaut des Patentanspruchs unzureichend formuliert ist, weil er ein bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichtes Austauschmittel nicht erfasst, das der Fachmann in (ggf. auch sehr) naheliegender Weise als technisch gleichwirkendes Substitut zur Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre auffinden konnte (vgl. Kühnen, GRUR 2013, 1086, 1088).
100 
Es muss vielmehr außer Frage stehen, dass der Anmelder das gleichwirkende und naheliegende - gleichwohl nicht expressis verbis in der Patentschrift genannte - Austauschmittel als Lösungsmöglichkeit für das erfindungsgemäße Problem bei der Anspruchsformulierung tatsächlich gesehen hat.
101 
Ob dies in Fällen angenommen werden könnte, in denen das in der angegriffenen Ausführungsform vorhandene Ersatzmittel in der Patentschrift unberücksichtigt geblieben ist, sich für den Fachmann aber gleichwohl als technisch evident darstellt (ablehnend: OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185 - WC-Sitzgelenk; Kühnen, a.a.O.), kann hier offen bleiben.
102 
Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich um ein im Klagepatent zwar nicht benanntes, aber - erstens - evidentes Austauschmittel, dessen Kenntnis - zweitens - seitens des Anmelders durch die Benennung der Offenlegungsschrift DE 39 34 857 als Stand der Technik im Abschnitt [0002] dokumentiert ist.
103 
Dem Fachmann war im Prioritätszeitpunkt bekannt, dass Anschlussköpfe aus verschiedenen Werkstoffen gefertigt werden können, namentlich aus Temperguss, Stahlguss und geschmiedetem Stahl (vgl. nur die Anlagen K4a, K27, K28 und K29). Die Klägerin selbst hat vorgetragen, sie habe bereits 1997, also vor der Anmeldung des Klagepatents, die Verwendung von Stahlgussteilen wegen ihres Kostenvorteils in Erwägung gezogen (ABl. 105).
104 
Nach dem Klagepatent sollen die Anschlussköpfe - nach Auffassung der Klägerin auch aus guten Gründen - gleichwohl nur aus Temperguss (getempertem Eisenguss) gefertigt werden, vgl. oben II.1. a.
105 
Dass es sich bei Temperguss und Stahlguss um dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt geläufige Werkstoffalternativen - und bei der Benennung nur von Temperguss im Klagepatent um eine Auswahlentscheidung gegen Stahlguss - handelte, ergibt sich jedenfalls mittelbar auch aus der Patentschrift selbst.
106 
In ihrem den Temperguss behandelnden Abschnitt [0002] nimmt die Beschreibung ausdrücklich auf die Druckschrift DE 39 34 857 Bezug.
107 
Die DE 39 34 857 mit dem Titel „Anschlusskopf für Gerüst“ lehrt in ihrem Anspruch 1 (Spalte 5, Zeilen 68 f.) ausdrücklich drei Werkstoffalternativen für Anschlussköpfe: „Die Anschlussköpfe bestehen aus Stahlguß, Temperguß oder geschmiedetem Stahl“. Durch den Verweis auf die DE 39 34 857 (im Übrigen die einzige von der Beschreibung überhaupt in Bezug genommene Druckschrift) gibt der Anmelder zu erkennen, dass er die Verwendung (auch) von Stahlguss für Anschlussköpfe gesehen und sie dennoch bewusst nicht in den Patentschutz einbezogen hat. Unterstrichen wird diese Einschätzung durch den Hinweis in Abschnitt [0002] der Beschreibung, wonach (gerade) Temperguss-Köpfe zweckmäßigerweise verwendet werden.
108 
In einem solchen Fall ist die ausdrückliche Darstellung des - für den Fachmann ohnehin auf der Hand liegenden - Austauschmittels in der als Stand der Technik in Bezug genommenen Druckschrift nach Auffassung der Kammer nicht anders zu behandeln als die ausdrückliche Erwähnung des Austauschmittels in der Beschreibung des Klagepatents selbst.
109 
Diese Behandlung des Stands der Technik in der Klagepatentschrift zeigt, dass der Anmelder den Offenbarungsgehalt des Stands der Technik auch gedanklich erfasst und insbesondere das naheliegende Austauschmittel Stahlguss als Lösungsmöglichkeit für die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe erkannt hatte. Ungeachtet dessen hat er einen Patentanspruch formuliert, der dieses Ersatzmittel nicht erfasst. Wegen der erforderlichen Rechtssicherheit für Dritte, die gleichwertig neben dem Aspekt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung steht (vgl. BGH, GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser), muss der Patentinhaber diesen auf einen Verzicht hindeutenden objektiven Erklärungsgehalt der Patentschrift gegen sich gelten lassen. Wollte man nunmehr die Ausführung der Anschlussköpfe in Stahlguss als äquivalentes Mittel zum Temperguss-Werkstoff ansehen, so würde man diese den Stahlguss ausschließende Entscheidung des Anmelders übergehen und in ihr Gegenteil verkehren.
110 
2. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen Anspruch 1 des Klagepatents auch nicht mittelbar (Art. 64 Abs. 1, 3 EPÜ, §§ 10, 139 PatG). Sie sind keine zur Benutzung der patentierten Erfindung geeigneten Mittel, weil ihre Anschlussköpfe entgegen Merkmal 3 nicht aus Temperguss-Werkstoff bestehen. Im Hinblick auf eine mittelbare äquivalente Patentverletzung fehlt es wiederum an einem hierauf zugeschnittenen Antrag, sie liegt aber aus den vorstehend unter 1.c. dargelegten Gründen auch nicht vor.
B.
111 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Patentgesetz - PatG | § 139


(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch

Patentgesetz - PatG | § 10


(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesent

Gesetz über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜbkG | § 1


(1) Artikel IV ist nur auf die nach seinem Inkrafttreten beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Patentanmeldungen und die darauf erteilten Patente anzuwenden. (2) Eine innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten von Artikel IV

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2002 - X ZR 168/00

bei uns veröffentlicht am 12.03.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 168/00 Verkündet am: 12. März 2002 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja Schneidmesser

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(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

(1) Artikel IV ist nur auf die nach seinem Inkrafttreten beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Patentanmeldungen und die darauf erteilten Patente anzuwenden.

(2) Eine innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 3 eingereichte Patentanmeldung kann nicht deshalb zurückgewiesen und ein darauf erteiltes Patent nicht deshalb für nichtig erklärt werden, weil die Erfindung innerhalb von sechs Monaten vor der Anmeldung beschrieben oder benutzt worden ist, wenn die Beschreibung oder Benutzung auf der Erfindung des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers beruht. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Beschreibung oder Benutzung der Erfindung durch den Anmelder oder seinen Rechtsnachfolger selbst erfolgt ist und erst nach dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 3 vorgenommen worden ist.

(3) Die vor dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 7 und Artikel VI entstandenen Wirkungen des zeitweiligen Schutzes bleiben von dem Inkrafttreten der genannten Bestimmungen unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.

(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

(1) Artikel IV ist nur auf die nach seinem Inkrafttreten beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Patentanmeldungen und die darauf erteilten Patente anzuwenden.

(2) Eine innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 3 eingereichte Patentanmeldung kann nicht deshalb zurückgewiesen und ein darauf erteiltes Patent nicht deshalb für nichtig erklärt werden, weil die Erfindung innerhalb von sechs Monaten vor der Anmeldung beschrieben oder benutzt worden ist, wenn die Beschreibung oder Benutzung auf der Erfindung des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers beruht. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Beschreibung oder Benutzung der Erfindung durch den Anmelder oder seinen Rechtsnachfolger selbst erfolgt ist und erst nach dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 3 vorgenommen worden ist.

(3) Die vor dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 7 und Artikel VI entstandenen Wirkungen des zeitweiligen Schutzes bleiben von dem Inkrafttreten der genannten Bestimmungen unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.

(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.