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| Auf Antrag der Gläubigerin (As. 1) hat das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 05.01.2004 die Zwangsversteigerung angeordnet (As. 19). Mit Beschluss vom 16.03.2004 (As. 93/95) wurde der Verkehrswert des im Rubrum näher bezeichneten Grundstücks für die Wohnungseigentumseinheit Blatt 7564 auf 81.000,- EUR und für die Teileigentumseinheit Blatt 7614 auf 9.000,- EUR und für beide Einheiten zusammen auf 90.000,- EUR festgesetzt. |
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| Im ersten Zwangsversteigerungstermin am 24.01.2005 war für die betreibende Gläubigerin Frau L. unter Vorlage einer Originalvollmacht anwesend. Frau L. gab ein Bargebot in Höhe von 2.000,- EUR ab. Weitere Gebote wurden nicht abgegeben (As. 199). Dieses Gebot wurde durch dreimaligen Aufruf verkündet. Um 15:08 Uhr verkündete das Gericht den Schluss der Versteigerung. Mit Beschluss vom 24.01.2005 (As. 191, 193) wurde der Zuschlag gem. § 85 a Abs. 1 ZVG versagt, weil das Gebot die Hälfte des Grundstückswertes nicht erreicht. |
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| In dem weiteren Zwangsversteigerungstermin am 25.07.2005 (vgl. Protokoll As. 247-261) gab die Firma M. ein Bargebot von 37.000,- EUR ab. Die für die betreibende Gläubigerin anwesende Frau S. bewilligte die einstweilige Einstellung des Verfahrens nach § 30 ZVG. Das Vollstreckungsgericht versagte hierauf den Zuschlag (As. 277). |
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| Im Versteigerungstermin vom 15.05.2006 (vgl. Protokoll As. 359-371) wurden bis zum Einstellungsantrag keine Gebote abgegeben. Die für die Gläubigerin anwesende Frau M. bewilligte die Einstellung des Verfahrens nach § 30 ZVG. |
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| Im Versteigerungstermin am 25.09.2006 wurde, nachdem mehrere Gebote abgegeben worden waren, Meistbietende Frau K. mit einem Bargebot von 31.000,- EUR. Das Vollstreckungsgericht bestimmte Termin zur Entscheidung über den Zuschlag am gleichen Tag um 16.45 Uhr. Der Meistbietenden wurde das Grundstück zugeschlagen, wobei wegen der Einzelheiten auf As. 479-483 Bezug genommen wird. Der Beschluss wurde dem Schuldner am 04.10.2006 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 09.10.2006 (As. 529) legte der Schuldner Beschwerde ein und wies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes „wegen den Scheingeboten von Bankvertretern im Versteigerungstermin ohne konkrete Kaufabsicht“ und hier auf das angebliche Scheingebot der Frau L. hin. Sein Vermögen werde verschleudert. Durch die Veröffentlichung auf die nicht mehr bestehenden Wertgrenzen würden professionelle gewerbliche Ersteigerer überregional herbeigelockt. |
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| Mit Beschluss vom 10.10.2006 (As. 533-537) hat das Vollstreckungsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes lasse sich in Verfahren, die erst nach der Entscheidung des BGH eingegangen seien, problemlos umsetzen. Da die Zuschlagsversagung bereits vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfolgt sei, führe dies im vorliegenden Verfahren zu erheblichen Schwierigkeiten. Es lasse sich aus heutiger Sicht nicht mehr feststellen, ob bei dem Gebot der Gläubigervertreterin am 24.01.2005 keine Erwerbsabsicht vorlag. Das Gericht könne deshalb auch nicht durch bloße Vermutung eine fehlende Erwerbsabsicht und damit ein unwirksames Scheingebot unterstellen. Nach Überzeugung des Vollstreckungsgerichts könne der rechtskräftige Zuschlagsversagungsbeschluss vom 24.01.2005 nicht außer Kraft gesetzt werden. |
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| Die Kammer hat die Beteiligten angehört. Die Gläubigerin hat vorgetragen, das Eigengebot der Vertreterin Frau L. habe darauf abgezielt, das Interesse für einen weiteren Termin zu erhöhen. In einem Zeitungsinserat sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Grenzen nach §§ 85 a und 74 a ZVG nicht mehr bestehen würden. Dadurch würde, weil eine Konkurrenzsituation entstehen würde, meistens ein höherer Preis erzielt. Das Ergebnis von 38 % des Verkehrswertes sei das maximal Mögliche gewesen. |
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| Die Kammer hat mit Beschluss vom 19.01.2007 das Verfahren übernommen. |
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| Die Kammer geht von der Rechtsmäßigkeit des Verfahrens aus, weil es der Rechtsprechung des BGH (NJW 2006,1355 = RPfleger 2006,144 = WM 2006,237 = NZM 2006,194) in diesem Fall nicht folgt. |
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| Nach § 79 ZVG ist das Gericht an eine Entscheidung, die es im Verlaufe des Zwangsversteigerungsverfahrens getroffen hat, nicht gebunden. Das Vollstreckungsgericht hat daher bei der Entscheidung über den Zuschlag als Schlußentscheidung des Verfahrens zur Grundstücksveräußerung mit Versteigerung nochmals sein ganzes Verfahren zu überprüfen, ob es ordnungsgemäß war (insoweit zutreffend LG Dessau Rpfleger 2006, 557; Stöber ZVG 18. Aufl § 79 Anm 4.1). Es ist daher auch noch vom Beschwerdegericht zu überprüfen, ob im Termin vom 24.01.2005 ein wirksames Gebot abgegeben wurde. |
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| Der BGH (NJW 2006,1355 ) hat entschieden, dass |
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| „Gebote, die unter der Hälfte des Grundstückswerts liegen, nicht allein aus diesem Grund unwirksam sind. Sie können nicht nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückgewiesen werden. Auf solche in dem ersten Verhandlungstermin abgegebenen Gebote kann jedoch der Zuschlag nicht erteilt werden; er ist zwingend zu versagen ( § 85 a Abs. 1 ZVG ). Erst wenn in einem weiteren Versteigerungstermin ein unter dem Mindestgebot nach § 85 a Abs. 1 ZVG liegendes Meistgebot abgegeben wird, kann der Zuschlag nicht erneut allein deshalb versagt werden, weil das Gebot nicht die Hälfte des Grundstückswerts erreicht ( § 85 a Abs. 2 Satz 2 ZVG ). |
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| Ein unter dem Mindestgebot liegendes Gebot ist auch nicht unwirksam, wenn es der an dem Erwerb des Grundstücks interessierte Bieter in der ausschließlichen Absicht abgibt, einen weiteren Versteigerungstermin zu erreichen, um dann den Zuschlag auf sein weiter unter dem Mindestgebot liegendes Gebot zu erhalten ( OLG Koblenz Rpfleger 1999, 407 ). Ein Bieter, der ein wirksames Gebot abgibt, ist nicht verpflichtet, sein Interesse an einem möglichst preiswerten Erwerb des Grundstücks hinter das gegenteilige Interesse des Schuldners zurücktreten zu lassen (Hornung, Rpfleger 2000, 363, 365). |
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| Schließlich ist die Abgabe eines solchen auf den Erwerb des Grundstücks gerichteten Gebots nicht rechtsmissbräuchlich. Der Bieter nimmt lediglich die von dem Gesetz ( § 85 a Abs. 1 und 2 ZVG ) eröffnete Möglichkeit wahr, das Grundstück nach einer Versagung des Zuschlags in einem weiteren Versteigerungstermin für weniger als die Hälfte des Grundstückswerts ersteigern zu können. |
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| Das alles gilt jedoch nicht, wenn der Bieter von vornherein nicht an dem Erwerb des Grundstücks interessiert ist. In diesem Fall ist sein Gebot unwirksam. |
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| Das Gebot in der Zwangsversteigerung ist eine auf den Erwerb des Grundstücks durch staatlichen Hoheitsakt (Zuschlag) gegenüber dem Vollstreckungsgericht abzugebende Willenserklärung (Dassler/Schiffhauer, ZVG, 11. Aufl., § 71 Anm. 1; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 71 Rdn. 2). Danach sind solche Gebote, mit denen der Bieter nicht die Erteilung des Zuschlags - auch nicht in einem weiteren Versteigerungstermin für weniger als die Hälfte des Verkehrswerts - erreichen will, sondern in Wahrheit andere Zwecke verfolgt, keine Gebote im Sinne der Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes. Auf sie kann der Zuschlag weder erteilt noch kann er versagt werden. Sie sind vielmehr nach § 71 Abs. 1 ZVG wegen Unwirksamkeit zurückzuweisen.“ |
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| Würde man dieser Rechtsprechung des BGH (aaO) folgen, wäre der Zuschlag zu versagen und folglich der Beschwerde stattzugeben. |
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| Die Kammer geht davon aus, dass die Terminsvertreterin Frau L. das Gebot allein aus dem Grund abgab, um die Grenzen der §§ 85 a und 74a ZVG zu beseitigen, um damit zu erreichen, dass in einem weiteren Termin jedes Gebot akzeptiert ist, wie die Gläubigerin auf die Anfrage der Kammer selbst vorgetragen hat. Die Kammer ist davon überzeugt, dass Frau L. das Grundstück nicht erwerben wollte. |
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| Die Indizien, die der Bundesgerichtshof herausgearbeitet hat, um von einem unwirksames Gebot ausgehen zu können, sind gegeben. Zum Einen war Frau L. als Vertreter der Gläubigerin erschienen; in dieser Funktion geben Mitarbeiter von Kreditinstituten in der Regel keine eigenen Gebote ab, die ernsthaft auf den Erwerb des Grundstücks durch Zuschlag gerichtet sind, zumal hier die geringe Höhe des Gebots dem wirtschaftlichen Interesse der Gläubigerin an der bestmöglichen Verwertung des Grundstücks widersprach. Frau L. nahm an den weiteren Terminen nicht teil. Zum Anderen gaben Mitarbeiter der Gläubigerin in den weiteren Terminen kein Gebot ab. Da auch kein anderer Bieter geboten hat, legt diese Verhaltensweise nach Ansicht des BGH die Annahme nahe, dass die Gläubigerin den Zuschlag nicht einmal zu einem weit unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegenden Gebot (vgl. BGH, Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB 27/04, Rpfleger 2005, 151 : 12 % des Verkehrswerts) erhalten wollte. |
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| Die Kammer schließt sich jedoch der Meinung des LG Detmold (Rpfleger 2006, 491; aA LG Bonn Beschluss vom 13.11.2006 - 6 T 196/06; LG Dessau Rpfleger 2006,557) und nicht der Meinung des BGH (aaO) an. |
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| Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss – V ZB 98/05 – vom 24.11.2005 (NJW 2006, S. 1355) sich auf den Standpunkt gestellt hat, dass all dies nicht gelten solle, wenn der Bieter von vornherein nicht an dem Erwerb des Versteigerungsobjektes interessiert sei, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Denn ob ein Bieter Erwerbsabsichten hat oder nicht, ist für das Vollstreckungsgericht im ersten Versteigerungstermin praktisch gar nicht feststellbar (ebenso Hintzen, Rechtspfleger 2006, S. 145, S. 146; so auch Groß Rpfleger 2007,91). Das Vollstreckungsgericht hat in seinem Nichtabhilfebeschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass eine nachträgliche Ermittlung unmöglich ist. Es ist auch unklar, ob ein Erwerber seine Motive offenlegen muss, aus denen er ein Gebot abgibt. |
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| Auch wenn ein Bieter ein solches Gebot allein in der Absicht abgibt, einen weiteren Versteigerungstermin zu erreichen, in dem das Grundstück dann für weniger als die Hälfte seines Verkehrswertes ersteigert werden kann, liegt kein Scheinangebot vor. Der Bieter handelt damit keineswegs rechtsmissbräuchlich, macht er doch von einer ihm durch das Gesetz eröffneten Möglichkeit Gebrauch. Sein Gebot ist auch kein Scheingebot, da er es abgibt, um die von ihm gewünschten Rechtsfolgen nach § 85 a Abs. 1 und 2 ZVG eintreten zu lassen. Hasselblatt (NJW 2006, 1320,1322; so auch Groß Rpfleger 2007,91,92) weist zutreffend darauf hin, dass sonst jedes § 85a-Gebot ein Scheingebot und damit der Zuschlag in jedem Fall zu versagen wäre. Nach dem ZVG liegt aber kein Scheingebot vor, da das Gesetz diesen Schein als Gesetzesfolge gerade vorgibt. Diese Folge wird von jedem Bietinteressenten ernsthaft verfolgt; der Bieter handelt nicht nur zum Schein. Im ersten Termin kann der Rechtsfolgewillen des unterhalb des hälftigen Verkehrswertes Bietenden sich allein auf die verfahrensrechtliche Fernwirkung des § 85 Abs.3 ZVG erstrecken (Groß aaO). |
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| Die Unterscheidung des BGH leuchtet auch insoweit nicht ein, als der Gläubigervertreter im Falle eines privaten Eigengebots anders behandelt wird als ein dritter Bieter, welcher dasselbe Ziel verfolgt (vgl. eingehend Ditmar/Weis BKR 2006,120). |
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| Niemand kann zudem in einem Versteigerungstermin angehalten werden, seine tatsächlichen Absichten offen zu legen. Die Beteiligten haben keinen Anspruch darauf, dass die wirkliche Interessenlage offenbar wird (vgl. OLG Koblenz, Rechtspfleger 1999, S. 407 408; Stöber, ZVG, 18. Aufl., Anm. 2.9 zu § 71). |
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| Soweit der Beschwerdeführer eine Vermögensverschleuderung rügt, ist dies unzutreffend. Es fanden 4 Termine statt. Höhere Gebote wurden nicht abgegeben. Dies zeigt, dass am Markt kein höherer Preis zu erzielen ist. Im Hinblick auf eine Schuldentilgung müsste der Schuldner auch Interesse haben, dass möglichst viele Bieter von dem Termin erfahren. Nicht geschützt ist das Interesse des Gläubigers, dass, wie der Schuldner dies meint, kein Bieter erscheint und damit die Versteigerung weiter verzögert wird. |
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| Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. |
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| Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat er allerdings nicht zu erstatten (BVerfG NJW-RR 2005, 936). Die Kammer hat davon abgesehen, nach § 99 Abs. 1 ZVG ausdrücklich die betreibende Gläubigerin und die Ersteherin als Beschwerdegegner am Verfahren zu beteiligen. Ihnen wurde „nur“ rechtliches Gehör gewährt. |
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| Der Beschwerdewert entspricht dem vermögensrechtlichen Interesse des Beschwerdeführers. Zu berücksichtigen war dabei der Verkehrswert des Grundbesitzes von 90.000 EUR und der angestrebte zeitliche Aufschub bei der Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses. Die Kammer schätzt den Wert deshalb auf 10.000 EUR. |
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| Die Rechtsbeschwerde war nach § 574 ZPO zuzulassen, weil die Kammer von der Entscheidung des BGH NJW 2006, 1355 abweicht. |
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