Landgericht Kaiserslautern Beschluss, 05. Nov. 2012 - 1 T 207/12

ECLI:ECLI:DE:LGKAISE:2012:1105.1T207.12.0A
bei uns veröffentlicht am05.11.2012

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 30.10.2012, Az.: 1 XIV 221/12, wird zurückgewiesen.

II. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist tunesischer oder lybischer Staatsbürger.

2

Zu einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 2011 reiste er mit der Kopie eines schweizerischen Ausweises für Asylsuchende in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Mit Zuweisungsentscheidung vom 07.09.2011 der Landesdirektion Chemnitz wurde er der Stadt Leipzig zugewiesen und hatte sich bei der Ausländerbehörde zu melden. Er wurde verpflichtet, sich unverzüglich zu einem Wohnheim in Leipzig zu begeben (Blatt 37 d. Anlagenbandes).

3

Italien erteilte am 02.12.2011 seine Zustimmung zur Übernahme des Asylverfahrens. Mit Bescheid vom 23.02.2012 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an.

4

Das Amtsgericht Leipzig ordnete mit Beschluss vom 03.05.2012 Sicherungshaft bis 16.05.2012 an (Blatt 49 ff. d. Anlagenbandes). Ein Abschiebeversuch am 15.05.2012 scheiterte daran, dass der Betroffene abgebrochene Löffelstiele verschluckt hatte, um seine Abschiebung zu verhindern (Blatt 52 ff. d. Anlagenbandes). Die Sicherungshaft wurde mit Beschluss vom 31.05.2012 bis 29.06.2012 verlängert (Blatt 61 ff. d. Anlagenbandes). Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos (Blatt 64 ff. d. Anlagenbandes). Eine Rechtsbeschwerde ist beim BGH noch anhängig.

5

Eilanträge zum Verwaltungsgericht Leipzig gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 VwGO hatten ebenfalls keinen Erfolg (Blatt 55 ff. d. Anlagenbandes).

6

Die Abschiebung nach Italien wurde schließlich am 21.06.2012 vollzogen.

7

Am 29.10.2012 wurde der Betroffene in dem ICE 9559 von Paris nach Frankfurt am Main ohne Identitätspapiere und ohne gültigen Fahrschein angetroffen und von der Bundespolizei in Kaiserslautern festgenommen.

8

Auf Antrag der Landesdirektion Sachsen vom 30.10.2012 (Blatt 1 ff. d. A.) und nach Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom selben Tag Abschiebehaft bis längstens 22.01.2013 sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Zur Begründung stellt es im Wesentlichen darauf ab, dass der Betroffene wieder nach Italien abzuschieben sei. Da er mittellos sei, bedürfe die Ausreise der Überwachung. Nach Mitteilung der Ausländerbehörde sei mit der Abschiebung innerhalb von 3 Monaten zu rechnen. Ein Haftgrund liege darin, dass der Betroffene aufgrund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig sei. Außerdem bestehe der begründete Verdacht, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wolle. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Leipzig liege vor (Blatt 7 ff. d. A.).

9

Der Betroffene hat sogleich nach Verkündung des Beschlusses zu Protokoll des Amtsgerichts Beschwerde hiergegen eingelegt. Er habe in Deutschland Asyl beantragen wollen und wolle nach Frankreich abgeschoben werden. Er wolle nicht ins Gefängnis (Blatt 15 d. A.).

10

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30.10.2012 (Blatt 16 d. A.) nicht abgeholfen und die Sache mit Verfügung vom selben Tag (Blatt 17 d. A.) dem Landgericht zur Entscheidung zugeleitet. Der Betroffene sei nicht nur mittellos, sondern auch nicht im Besitz von gültigen Papieren. Seine Ausreisewilligkeit sei nicht glaubwürdig. Er sei auch gewahrsamsfähig.

11

Die Kammer hat mit Beschluss vom 31.10.2012 Rechtsanwalt S. zum Verfahrenspfleger des Betroffenen bestellt und den Betroffenen durch ein beauftragtes Mitglied der Kammer am 02.11.2012 angehört. Zum Ergebnis der Anhörung wird auf das Protokoll Blatt 33 ff. d. A. verwiesen. Außerdem hat die Kammer weitere Auszüge aus der Ausländerakte beigezogen.

II.

12

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.

13

Der Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er von der zuständigen Behörde gestellt (dazu Ziff. 1). Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig (dazu Ziff. 2.), es bestehen ein Abschiebehafterfordernis (dazu Ziff. 3.) und ein Haftgrund (dazu Ziff. 4.), der Betroffene hat nicht glaubhaft gemacht, sich der Abschiebung nicht entziehen zu wollen (dazu Ziff. 5.), und es sind keine Abschiebehindernisse (dazu Ziff. 6.) ersichtlich. Auch ist die Haftanordnung dem Grunde und der Dauer nach verhältnismäßig (dazu Ziff. 7.). Das Einvernehmen der von der Abschiebung betroffenen Staatsanwaltschaften liegt vor (dazu Ziff. 8.). Maßgebend ist, dass die Haftvoraussetzungen in der Person des Betroffenen vorliegen (dazu Ziff. 9.).

14

Im Einzelnen gilt Folgendes:

15

1. Die Antragstellerin ist für den Antrag auf Abschiebehaft sachlich gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsAAZuVO und örtlich gemäß § 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 a) VwVfG zuständig.

16

Örtlich zuständig ist in einer Angelegenheit wie vorliegend die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Dieser lag hier im Bezirk der Antragstellerin.

17

Für die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts ist die Legaldefinition des § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I maßgebend. Es kommt auf den letzten legalen Aufenthalt an (KG InfAuslR 2007, 17 ff., juris Rn. 11 ff.). Der Betroffene war vorliegend aufgrund asylverfahrensrechtlicher Aufenthaltsbeschränkung verpflichtet, sich an den ihm zugewiesenen Aufenthaltsort, also nach Leipzig, zu begeben. Diese Aufenthaltsbeschränkung gilt für abgelehnte Asylbewerber – wie hier den Betroffenen –, die nach einer Abschiebung unerlaubt wieder eingereist sind, gemäß § 71 Abs. 7 AsylVfG fort, solange keine andere Entscheidung ergeht (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.02.2006, Az.: 2 M 217/05, juris Rn. 12). Der zugewiesene Aufenthaltsort gilt als der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen (vgl. KG InfAuslR 2007, 17 ff., juris LS und Rn. 14), jedenfalls war Leipzig der gewöhnliche Aufenthalt i. S. d. § 3 VwVfG, den der Betroffene zuletzt hatte.

18

2. Der Betroffene ist gemäß §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, da er in das Bundesgebiet ohne Pass bzw. Passersatz und den gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel eingereist ist und eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde.

19

Die gegenüber der Bundespolizei erfolgte Berufung auf Asyl steht der Ausreisepflicht nicht entgegen. Es handelt sich dabei um einen Asylfolgeantrag i. S. d. § 71 Abs. 1 AsylVfG, also um einen Antrag, den der Betroffene nach unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Asylantrags vom 05.08.2011 gestellt hat. Gemäß § 71 Abs. 8 AsylVfG steht ein Folgeantrag der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt. D. h. die Haftanordnung ist so lange nicht gehindert, bis das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge positiv über den Antrag entschieden hat. Das ist bislang nicht der Fall und im Übrigen nach Lage der Dinge auch nicht zu erwarten.

20

Der Betroffene ist demnach vollziehbar ausreisepflichtig.

21

3. Es besteht des Weiteren ein Abschiebungshafterfordernis gemäß § 58 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4, 5 AufenthG, weil eine Überwachung der Ausreise erforderlich ist: Der Betroffene ist mittellos und besitzt keinen Pass oder Passersatz.

22

4. Hier liegt nicht nur der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vor, weil der Betroffene aufgrund der unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist.

23

Auch der Haftgrund gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG ist gegeben. Der Betroffene wurde am 21.06.2012 nach Italien abgeschoben, nachdem er sich erfolglos gegen die Anordnung der Abschiebung gewehrt hatte. Dennoch ist er am 29.10.2012 erneut ohne Pass, mittellos und ohne gültigen Fahrschein über Frankreich in das Bundesgebiet eingereist. Er gibt selbst an, in anderen europäischen Staaten nicht gut behandelt worden zu sein, so dass er wieder nach Deutschland gewollt habe; er wolle hier leben. Vor seiner Abschiebung im Juni 2012 hatte er einen Abschiebungsversuch vereitelt, indem er metallische Gegenstände verschluckt hat. Über seine Identität hat er entweder die Kammer oder bislang sämtliche Behörden und Gerichte getäuscht. Bereits diese Umstände lassen den Schluss zu, dass er sich der Abschiebung entziehen wird. Darauf, dass nach der von der Bundespolizei gestellten Strafanzeige vom 30.10.2012 der Betroffene sich auf dem Weg vom Amtsgericht zum Revier auffällig umgesehen und versucht haben soll, auf seine Laufrichtung Einfluss zu nehmen, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.

24

5. Es fehlt an einer Glaubhaftmachung gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG, dass der Betroffene sich der Zurückschiebung nicht entziehen will. Das hat er nicht einmal schlüssig dargelegt.

25

6. Der Anordnung der Haft steht auch nicht das Abschiebungshindernis des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG entgegen. Danach ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Das heißt, bei lediglich vorhandenen Zweifeln an der Unmöglichkeit der Abschiebung in diesem Zeitraum hat Haft zu ergehen (vgl. OLG Zweibrücken NVwZ-Beilage 2002, 46 f.; vgl. OLG Karlsruhe NVwZ-Beilage 1995, 5 f.).

26

a) Derzeit steht nicht fest, dass Frankreich oder Italien den Betroffenen nach einem Wiederaufnahmeersuchen nicht zurücknehmen werden.

27

b) Sonstige Abschiebungshindernisse sind nicht anzunehmen:

28

aa) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene Vater des Kindes einer deutschen Staatsangehörigen ist.

29

Der Betroffene hat zwar erklärt, er habe in Leipzig eine Freundin namens S. gehabt; er habe gehört, dass diese nun schwanger sei. Jedoch konnte er bereits weder angeben, wo die Frau wohnt, noch wie ihr Vorname lautet. Außerdem waren die Angaben zu der Dauer, in der er mit ihr zusammen gewesen sein soll, widersprüchlich; beim Amtsgericht hat er sechs Monate behauptet, bei der Anhörung am 02.11.2012 drei Monate. Von der Schwangerschaft weiß er nach seinen Angaben nur vom Hörensagen und auch nicht, ob das Kind schon entbunden wurde. Die Schwangerschaft fiel ihm auf die Frage, warum er wieder nach Deutschland gekommen sei, zudem erst auffällig spät ein. Er gibt selbst ungefragt an, dass er gehört habe, eine Chance auf ein Bleiberecht in Deutschland zu haben, wenn eine Deutsche von ihm schwanger sei. In der Gesamtschau der genannten Umstände ist die Kammer überzeugt, dass die Schwangerschaft einer Deutschen mit einem von ihm gezeugten Kind eine bloße Schutzbehauptung ist.

30

bb) Ebenso ist von der Haftfähigkeit des Betroffenen auszugehen. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass der Betroffene derzeit nicht ernsthaft krank und auch nicht akut suizidgefährdet ist.

31

Der Betroffene wurde eigenen Angaben zufolge und bestätigt vom Dolmetscher nach der Festnahme im Westpfalzklinikum vorgeführt und untersucht. Die uneingeschränkte Gewahrsamsfähigkeit des Betroffenen wurde am 29.10.2012 ärztlich festgestellt und bescheinigt (Blatt 11 d. A.).

32

Der Betroffene hatte vor seiner ersten Abschiebung – nach seinen Angaben und fachärztlicher Feststellung – metallische Gegenstände geschluckt. Unter dem 16.05.2012 führte der Facharzt für Chirurgie H. (Krankenhaus der JVA Leipzig) hierzu aus, die Fremdkörper seien der Größe nach auf natürlichem Weg abgangsfähig und stellten nach seiner klinischen Erfahrung keine gesundheitliche Gefährdung dar. Die bisherige Verlaufsbeobachtung der klinischen Situation des Betroffenen habe keinen Anhalt für das Auftreten von somatischen Komplikationen aufgrund der verschluckten Fremdkörper ergeben. Vorgebrachte abdominale Beschwerden hätten sich wiederholt als simuliert herausgestellt. Die als harmlos einzuschätzenden Fremdkörper stellten keine Gefährdung hinsichtlich des Vollzugs der Abschiebung dar (siehe Blatt 52 d. A.).

33

Nicht nur vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass der Betroffene mit allen Mitteln versucht, sich der Abschiebung zu entziehen bzw. diese zumindest hinauszuzögern, ohne sich dabei ernsthaft krank machen oder gar umbringen zu wollen und ohne wirklich ernsthaft krank zu sein. Denn der Betroffene hat sich in massiv auffälliger Weise in Widersprüche verstrickt. Dies gilt nicht nur für seine Angaben zur Person und zu Frau S., sondern auch zu dem „Cousin“ in Leipzig und zu den Gründen, warum er ungeachtet der Abschiebung nach Italien wieder nach Deutschland gekommen sei. Erst auf zweimalige Nachfrage und schließlich auf Vorhalt, dass er beim Amtsgericht noch einen anderen Grund angegeben habe, fiel ihm offenbar die dortige Version wieder ein. Er hat die Erfahrung gemacht, mit gesundheitlichen Einwänden Verfahrensverzögerungen herbeiführen zu können. Die Kammer ist vor diesem Hintergrund überzeugt, dass es sich auch bei den behaupteten Beschwerden um reine Schutzbehauptungen handelt.

34

7. Die Haftanordnung ist auch bis 22.01.2013 erforderlich und angemessen im engeren Sinne.

35

a) Der Umstand, dass der Betroffene erst im Juni 2012 nach Italien abgeschoben wurde, spricht dafür, dass der Asylfolgeantrag nicht positiv beschieden, sondern ein weiteres Wiederaufnahmeersuchen nach dem Dubliner Übereinkommen an Italien gerichtet wird. Die Entscheidungsfrist ist sodann abzuwarten. Anschließend muss ein Flug für den Betroffenen gebucht werden. Infolge des Versuchs im Mai 2012, die Abschiebung zu verhindern, ist nachvollziehbar sowohl eine Sicherheitsbegleitung des Betroffenen erforderlich als auch eine ärztliche Begleitung. Diese muss ebenfalls jeweils noch organisiert werden. Im Hinblick auf die Weihnachtsfeiertage und Neujahr kann es zu weiteren Verzögerungen kommen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Haftanordnung bis 22.01.2013 angemessen.

36

b) Sonstige Gründe, welche die Anordnung der Zurückschiebungshaft bis dahin als unverhältnismäßig erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.

37

aa) Aufgrund der dargelegten Gefahr, dass der Betroffene sich der Zurückschiebung entziehen wird, kommen Meldeauflagen oder die Unterbringung in einem Asylbewerberwohnheim nicht als mildere, gleich geeignete Mittel zur Sicherung der Zurückschiebung in Betracht.

38

bb) Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist nicht ersichtlich.

39

8. Schließlich scheitert eine Abschiebung nicht an § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, da die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern und die Staatsanwaltschaft Leipzig auf Anfrage ihr Einvernehmen hiermit erklärt haben.

40

9. Der Umstand, dass die Identität des Betroffenen nicht zweifelsfrei geklärt ist, steht einer Abschiebung nicht entgegen.

41

Der Betroffene gibt zwar an, dass er nicht der tunesische Staatsangehörige A.Z. sei, sondern der lybische Staatsangehörige S. B. Er hat jedoch auch erklärt, dass er sich bislang in Deutschland als A.Z. ausgegeben und erstmals bei der Anhörung am 02.11.2012 seine wahre Identität preisgegeben habe. Auch die Angaben zu seiner Abschiebung nach Italien und zu seinem Aufenthalt im Wohnheim in Leipzig lassen keinen Zweifel daran, dass die oben genannten Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebehaft in seiner Person vorliegen.

42

10. Vorliegend erübrigte sich die Vorlage der vollständigen Verwaltungsakte gemäß § 417 Abs. 2 S. 3 FamFG.

43

Von der grundsätzlich notwendigen Vorlage der Ausländerakte kann abgesehen werden, wenn sich der festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (BGH, Beschluss vom 17.06.2010, Az.: V ZB 127/10, S.9; BGH InfAuslR 2010, 246, 248 f.).

44

So liegt der Fall hier. Die wesentlichen Auszüge aus der Verwaltungsakte waren dem Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft beigefügt bzw. wurden teilweise noch der Kammer auf Anforderung übersandt. Der Betroffene hat nichts vorgebracht, wozu die Ausländerakte weitere Erkenntnisse erwarten ließe.

45

11. Die Anhörung des Betroffenen durch die Berichterstatterin als beauftragtes Mitglied der Kammer genügte, da es aufgrund des vorliegenden amtsgerichtlichen Anhörungsprotokolls sowie der übrigen aktenkundigen Informationen ausreichend erschien, wenn der Kammer – wie geschehen – der durch die Berichterstatterin gewonnene Eindruck vermittelt wird.

46

12. Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten; die Kostenfolge ergibt sich aus dem Gesetz.

47

Die Festsetzung des Gegenstandswerts basiert auf §§ 128c Abs. 2, 30 Abs. 2 S. 1 KostO.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 127/10 vom 17. Juni 2010 in der Freiheitsentziehungssache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmid

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

(1) Örtlich zuständig ist

1.
in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;
2.
in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3.
in anderen Angelegenheiten, die
a)
eine natürliche Person betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte,
b)
eine juristische Person oder eine Vereinigung betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die juristische Person oder die Vereinigung ihren Sitz hat oder zuletzt hatte;
4.
in Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, die Behörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.

(2) Sind nach Absatz 1 mehrere Behörden zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Sie kann in den Fällen, in denen eine gleiche Angelegenheit sich auf mehrere Betriebsstätten eines Betriebs oder Unternehmens bezieht, eine der nach Absatz 1 Nr. 2 zuständigen Behörden als gemeinsame zuständige Behörde bestimmen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten zur einheitlichen Entscheidung geboten ist. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, so treffen die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.

(3) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.

(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 127/10
vom
17. Juni 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Dr. Ackermann beigeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 16. Dezember 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 10. Dezember 2009 und der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 16. Dezember 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, soweit die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 15. Dezember 2009 angeordnet worden ist. Im Übrigen wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist staatenlos. Er reiste am 7. Dezember 2009 gemeinsam mit E. B. , die der Betroffene nach seinen Angaben in Kasachstan kirchlich geheiratet hat, und deren im Jahre 1993 geborenen Sohn, mit dem Zug von den Niederlanden über Frankreich kommend nach Deutschland ein und meldete sich bei der Bundespolizei in Kaiserslautern. Diese beantragte die Anordnung der Sicherungshaft zur Rückschiebung des Betroffenen und seiner Begleiter in die Niederlande, die von dem Amtsgericht am 8. Dezember 2009 angeordnet und von dem Landgericht am 9. Dezember 2009 aufgehoben wurde.
2
Auf den von der Beteiligten zu 2 gestellten Antrag vom 10. Dezember 2009 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom gleichen Tag gegen den Betroffenen Sicherungshaft bis längstens 9. März 2010 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet und diesen Beschluss dem Betroffenen in der sich anschließenden Anhörung eröffnet. Der Beschwerde des Betroffenen hat es nicht abgeholfen. Das Landgericht hat den Betroffenen durch ein Mitglied der Kammer als beauftragten Richter persönlich angehört und die Beschwerde mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 zurückgewiesen. Dagegen hat der Betroffene am 11. Januar 2010 Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 17. Februar 2010 hat das Amtsgericht die Sicherungshaft mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Der Betroffene beantragt festzustellen, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2009 und des Landgerichts vom 16. Dezember 2009 ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

3
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei mangels Aufenthaltstitels unerlaubt eingereist. Zudem bestehe der Verdacht, dass er sich der Zurückschiebung entziehen werde. Der Betroffene selbst sei mit einem auf einen Dritten ausgestellten Ausweis in die Niederlande eingereist. E. B. habe ihren russischen Reisepass in den Niederlanden vernichtet. Da der Betroffene nicht in die Niederlande zurückkehren wolle, weil ihm dort die Abschiebung nach Russland drohe, lasse auch die freiwillige Vorsprache des Betroffenen bei der Bundespolizei eine Entziehungsabsicht nicht entfallen. Abschiebungshindernisse bestünden nicht. Eine Zurückschiebung in die Niederlande binnen drei Monaten sei nicht ausgeschlossen.

III.

4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
5
1. Die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht und die Bestätigung dieser Anordnung durch das Landgericht haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Das ist in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 FamFG (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, InfAuslR 2010, 249, 250; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, juris Rdn. 9) festzustellen, weil der Betroffene ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).
6
a) Der Anordnung der hier zu prüfenden zweiten Sicherungshaft lag allerdings ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Er war anders als der erste von der Beteiligten zu 2 als örtlich und sachlich zuständiger Behörde gestellt.
7
b) Die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen aber deshalb in seinen Rechten verletzt, weil die persönliche Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht vor, sondern erst nach der Haftanordnung durchgeführt wurde.
8
aa) Die Anhörung des Betroffenen vor der Anordnung der Sicherungshaft ist in § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwingend vorgeschrieben. Sie kann nicht, wie im vorliegenden Fall, danach erfolgen. Das Gesetz sieht, anders als § 68 FamFG im Rechtsmittelverfahren (dazu Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246, 247), die Möglichkeit, von der vorherigen Anhörung abzusehen, nur in dem hier nicht gegebenen Fall des § 420 Abs. 2 FamFG vor. Das entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Der Empfehlung der Ausschüsse , eine solche Möglichkeit zumindest dann zuzulassen, wenn die Anhörung den Zweck der Haftanordnung gefährden würde (in BT-Drucks 16/9733 S. 154), ist das Plenum des Bundestags nämlich nicht gefolgt. Es hat diese Ergänzung auf Antrag eines Abgeordneten vielmehr gestrichen und den Gesetzentwurf ohne diese Ergänzung beschlossen (BT-Drucks 16/9831 mit Plenarprotokoll 16/173 S. 18482 A). Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die vorherige Anhörung des Betroffenen eine Verfahrensgarantie ist, die Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfG InfAuslR 2009, 205, 208; 1996, 198, 200). Die vorherige Anhörung des Betroffenen war hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil er vor der zwei Tage zuvor angeordneten ersten Sicherungshaft persönlich angehört worden war. Die Anhörung ist für jede Haftanordnung durch das Amtsgericht vorgeschrieben und wird durch die Anhörung bei einer früheren Haftanordnung weder entbehrlich noch durch sie ersetzt.
9
bb) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur vorherigen Anhörung drückt der gleichwohl angeordneten Sicherungshaft den Makel einer rechtswidrigen Frei- heitsentziehung auf, der durch Nachholung der Maßnahme rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, Rdn. 12, juris; BVerfG InfAuslR 1996, aaO S. 201). Dieser Fehler ist nicht heilbar. Deshalb kommt es bei der späteren Überprüfung der Haftanordnung im Rahmen von § 62 FamFG weder auf eine Nachholung der Anhörung noch darauf an, ob die Freiheitsentziehung in der Sache zu Recht angeordnet worden war (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris Rdn. 12; BVerfG InfAuslR 2009, 164; 2006, 462, 464).
10
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Fortdauer der Sicherungshaft über den 15. Dezember 2009 hinaus hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht in allen Punkten stand.
11
a) Das Verfahren des Beschwergerichts ist allerdings nicht zu beanstanden.
12
aa) Es hat den Betroffenen erneut persönlich angehört. Es ist, anders als die Rechtsbeschwerde meint, auch nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht diese Anhörung einem Mitglied der Kammer als beauftragtem Richter übertragen hat.
13
(1) Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist die Anhörung des Betroffenen Aufgabe "des Gerichts". Wie diese Aufgabe innerhalb eines aus mehreren Richtern zusammengesetzten Spruchkörpers wahrzunehmen ist, bestimmt sich nach den Vorschriften über die Sachaufklärung (§ 26 FamFG) und hier nach den Vorschriften über die Beweisaufnahme in den §§ 29, 30 FamFG. Danach erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise in geeigneter Form, wozu auch die Befassung eines Mitgliedes des Spruchskörpers als beauftragten Richters gehört. Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Anhörung des Betroffenen als Fall einer im Sinne von § 30 Abs. 2 FamFG vor- geschriebenen förmlichen Beweisaufnahme ansieht. Eine förmliche Beweisaufnahme hätte gemäß § 30 Abs. 1 FamFG nach den Regeln der Zivilprozessordnung stattzufinden. Diese erlauben aber sowohl die Vernehmung von Zeugen als auch die Vernehmung von Parteien durch den beauftragten Richter (§ 375 ZPO und § 451 i.V.m. § 375 ZPO). Voraussetzung ist allerdings, soweit hier einschlägig, dass dies zur Vereinfachung der Verhandlung zweckmäßig erscheint und dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß gewürdigt werden kann (§ 375 Abs. 1a ZPO).
14
(2) Auch aus dem Sinn und Zweck der Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG ergeben sich keine strengeren Anforderungen (vgl. BVerfG InfAuslR 1996, 198, 201; BGH, Beschl. v. 11. Juli 1984, IV b ZB 73/83, NJW 1985, 1702, 1705 zu §§ 50a und b FGG; BayObLG FamRZ 1987, 412, 413 zu § 50b FGG; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Auflage, § 34 Rdn. 38; a.A. wohl Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, § 420, Rdn. 4). Die Anhörung soll zwar einerseits dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sein Anliegen selbst dem Gericht nahe zu bringen. Sie soll andererseits dem Gericht einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschaffen. Diese Ziele werden aber unter den Voraussetzungen des § 375 Abs. 1a ZPO auch erreicht, wenn die Anhörung nicht durch den gesamten Spruchkörper, sondern durch eines seiner Mitglieder erfolgt.
15
(3) Die Voraussetzungen des § 375 Abs. 1a ZPO lagen hier vor. Die Übertragung der Anhörung auf den beauftragten Richter diente der Vereinfachung. Nach dem Ergebnis der nachträglichen Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht und nach dem Beschwerdevorbringen war von vornherein anzunehmen , dass das Ergebnis der Anhörung durch die Kammer auch ohne unmittelbaren Eindruck von deren Verlauf sachgemäß würde gewürdigt werden können. Der tatsächliche Verlauf der Anhörung durch die beauftragte Richterin bestätigte diese Erwartung. Das Beschwerdegericht hat in seiner Entscheidung auch nur auf den Inhalt der Angaben des Betroffenen in der Anhörung abgestellt und nicht auf Gesichtspunkte, die nur mit einem unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Anhörung sachgemäß hätten gewürdigt werden können.
16
bb) Das Beschwerdegericht war entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht verpflichtet, E. B. und/oder deren Sohn an dem Verfahren zu beteiligen und anzuhören.
17
(1) Die Beteiligung des Lebenspartners des Betroffenen an dem Freiheitsentziehungsverfahren steht nach § 418 Abs. 3 Nr. 1 FamFG im Ermessen des Gerichts. Zwingende Gründe, die eine Beteiligung von E. B. geboten, waren nicht ersichtlich. Der Betroffene und E. B. , die sich gegen die gegen sie selbst verhängte Sicherungshaft gewandt hatte, waren in einer verbundenen Anhörung gemeinsam angehört worden. Dabei hatten sie ihre persönliche Verbindung zueinander dargestellt und eine im Wesentlichen übereinstimmende umfassende Schilderung des Sachverhalts gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass eine darüber hinausgehende förmliche Beteiligung von E. B. an dem Verfahren des Betroffenen zusätzliche Gesichtspunkte aufzeigen konnten, bestanden nicht.
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(2) Den Sohn von E. B. brauchte das Beschwerdegericht weder an dem Verfahren förmlich zu beteiligen noch anzuhören. Es war und ist nicht ersichtlich, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn die Anhörung auch des Sohnes von E. B. angesichts der ausführlichen und übereinstimmenden Ausführungen des Betroffenen und von E. B. hätte erwarten lassen können. Deshalb bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der Sohn von E. B. auch dann an dem Verfahren beteiligt wer- den könnte, wenn er, was offen geblieben ist, nicht das gemeinsame Kind des Betroffenen und von E. B. sein sollte. Unentschieden bleiben kann auch, ob seine Beteiligung wie nach früherem Recht (vgl. dazu: Sonnenfeld in Jansen, FGG, 3. Aufl., § 70d, Rdn. 6; Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 70d, Rdn. 4) daran scheitert, dass er noch minderjährig ist.
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cc) Das Beschwerdegericht war nicht verpflichtet, die Ausländerakten beizuziehen. Von der grundsätzlich notwendigen Vorlage der Ausländerakte nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG kann abgesehen werden, wenn sich der festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246, 248 f.). So liegt es hier. Die Beteiligte zu 2 hat in ihrem Antrag Bezug genommen auf die Unterlagen der Bundespolizei vom 8. Dezember 2009 durch Angabe des Aktenzeichens in dem zuvor geführten Verfahren. Das Beschwerdegericht hat die entsprechenden Akten beigezogen. Hieraus ergeben sich alle entscheidungsrelevanten Umstände.
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b) In der Sache ist die Anordnung der Fortdauer der Haft aber mit der gegebenen Begründung nicht zu rechtfertigen.
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aa) Der Betroffene war nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, weil er unerlaubt eingereist ist. Er führte keinen gültigen Pass bei sich und hatte auch nicht den nach § 14 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel. Dieser ergab sich nicht daraus, dass er mit E. B. um Aufnahme als Spätaussiedler nachsuchen wollte. Spätaussiedler müssen die Aufnahme in das Bundesgebiet nach § 26 BVFG grundsätzlich von ihrem Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten aus betreiben und dürfen erst einreisen , wenn ihnen ein Aufnahmebescheid nach § 27 BVFG erteilt worden ist.
Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Betroffene erwiesenermaßen die Anforderungen des § 4 BVFG erfüllt. Dann nämlich ist er nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG Deutscher und nach Art. 11 GG berechtigt, auch ohne Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet einzureisen (BVerwGE 122, 313, 316 f.). Ihm ist der Aufnahmebescheid dann nach § 27 Abs. 2 BVFG nachträglich zu erteilen. Liegen die Voraussetzungen des § 4 BVFG aber nicht erweislich vor, ist der Aufnahmebewerber nicht berechtigt, ohne Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet einzureisen und dort zu bleiben, bis ihm eine Bescheinigung nach § 15 BVFG erteilt ist (OVG Münster, Beschl. v. 21. Februar 2007, 2 A 4862/05, juris Rdn. 7). Dieser zweite Fall lag hier vor. Der Betroffene hat behauptet, er sei Deutscher. Nachweise darüber lagen und liegen nicht vor. In einer solchen Lage muss der Haftrichter von dem Grundsatz des § 26 BVFG ausgehen, wonach die Einreise nur erlaubt ist, wenn ein Aufnahmebescheid entweder nach § 27 Abs. 1 BVFG vor der Einreise oder nach § 27 Abs. 2 BVFG vor der Festnahme erteilt ist. Daran fehlt es hier.
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bb) Das Beschwerdegericht hat zu Recht auch einen Haftgrund angenommen.
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(1) Die Haftanordnung war auf Grund der unerlaubten Einreise schon nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gerechtfertigt. Es lag zudem der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vor. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts und dem zu berücksichtigenden unzweifelhaften Akteninhalt (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, juris Rdn. 18) beabsichtigt der Betroffene, sich der Abschiebung in die Niederlande zu entziehen. Er hat sich zwar von sich aus nach der Einreise bei der Bundespolizei gemeldet. Die freiwillige Meldung des Betroffenen bei den zuständigen Behörden kann ein Anzeichen dafür sein, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will (vgl. OLG Celle, InfAuslR 2002, 320; OLG Hamm, InfAuslR 2002, 478). Hier liegt es aber anders. Der Betroffene hat bei seiner Anhörung eindeutig erklärt, nicht in die Niederlande zurückkehren zu wollen, weil er von dort nach Russland abgeschoben werde. Deshalb ist zu befürchten, dass er einer entsprechenden Abschiebung nicht Folge leisten, sondern versuchen wird, sie zu verhindern.
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(2) Das Beschwerdegericht hat daher auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass Umstände im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG, die eine freiwillige Ausreise des Betroffenen glaubhaft hätten erscheinen lassen, aufgrund der festgestellten Entziehungsabsicht nicht vorgelegen haben.
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cc) Die gegebene Begründung trägt die Entscheidung des Beschwerdegerichts aber deshalb nicht, weil sich danach nicht beurteilen lässt, ob die Anordnung der Fortdauer der Haft noch verhältnismäßig war.
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(1) Die Anordnung der Sicherungshaft ist nur verhältnismäßig, wenn die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (BVerfG InfAuslR 2008, 358, 359). Deshalb durfte das Beschwerdegericht nicht bei der Feststellung der Haftgründe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 5 AufenthG stehen bleiben. Es musste vielmehr prüfen, ob die Wirkungen der Haft noch in einem angemessenen Verhältnis zu der angestrebten Abschiebung in die Niederlande standen (vgl. BVerfG InfAuslR 1994, 342, 344). Das ist zweifelhaft.
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(2) Die Haftanordnung führte nämlich dazu, dass der Betroffene weiterhin von E. B. und von ihrem minderjährigen Sohn getrennt blieb. Das ist zwar im Interesse der Durchsetzung der Ausreisepflicht grundsätzlich gerechtfertigt, wenn ein Haftgrund vorliegt. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass hierin ein Eingriff in das Recht auf den Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK liegt. Dafür ist es unerheblich, dass der Betroffene mit E. B. allenfalls kirchlich getraut ist. Denn auch faktische Beziehungen zwischen Erwachsenen genießen den Schutz des Art. 8 EMRK, wenn Elemente einer Abhängigkeit dargelegt werden, die über die üblichen gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (EGMR, Urt. v. 17. April 2003, 52853/99 - Yilmaz gegen Deutschland, NJW 2004, 2147, 2148 Rdn. 44). Solche Bindungen zu E. B. hat der Betroffene hier dargelegt. Dem Schutz, den er, wenn die Darlegungen zu seiner Beziehung zu E. B. zutreffen, auch nach Art. 8 EMRK genießt, wird die Anordnung von Sicherungshaft nur gerecht, wenn es keine andere Möglichkeit gibt und wenn die Abschiebung mit größtmöglicher Beschleunigung betrieben wird. Aus diesem Grund lässt Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 348/98) die Anordnung von Sicherungshaft bei Familien mit minderjährigen Kindern nur im äußersten Fall und für die kürzestmögliche angemessene Dauer zu. Das ist nicht erst nach Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie am 24. Dezember 2010, sondern nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit schon jetzt geboten.
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(3) Feststellungen dazu fehlen. Sie waren aber erforderlich und - mangels ausreichenden Vortrags im Antrag der Beteiligten zu 2 - nach § 26 FamFG von Amts wegen zu treffen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass sich die Fortdauer der Haft nach gebotener Sachaufklärung aus damaliger Sicht als verhältnismäßig erweist. Die Sache ist deshalb insoweit nicht entscheidungsreif und nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Kaiserslautern, Entscheidung vom 10.12.2009 - XIV 187/09.B -
LG Kaiserslautern, Entscheidung vom 16.12.2009 - 1 T 243/09 -