Landgericht Hechingen Urteil, 15. Okt. 2004 - 2 O 285/02

bei uns veröffentlicht am15.10.2004

Tenor

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.000,- EUR zuzüglich Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszins seit 18.7.2002 zu zahlen.

b) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden, sowie sämtlichen schon entstandenen und künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch das Schadensereignis vom 25.2.1994 in der Kreisklinik H noch entstehen wird, soweit diese Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

c) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streithelfer trägt die Kosten der Streithilfe.

d) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 53.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Klagantrag Ziffer 1: 40.000,- EUR,

Klagantrag Ziffer 2: 10.000,- EUR

Tatbestand

 
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Fehlbehandlung einer Schulterdystokie geltend, die bei ihrer Geburt am 25.2.1994 aufgetreten ist.
Der Beklagte ist niedergelassener Frauenarzt und Belegarzt der vom Streithelfer betriebenen Kreisklinik H.
Die Klägerin ist das dritte Kind ihrer 1963 geborenen Mutter M.S. Ihre beiden 1982 und 1987 geborenen älteren Geschwister waren mit einem Geburtsgewicht von 4000 bzw. 4050 g komplikationslos und spontan zur Welt gekommen. Die Schwangerschaft mit der Klägerin war vom Beklagten betreut worden und verlief ebenfalls komplikationslos. Als Geburtstermin war der 27.2.1994 errechnet.
Am 25.2.1994 wurde die Mutter der Klägerin um 15.30 Uhr in der Kreisklinik H stationär aufgenommen. Ein externes CTG zeigte Wehen alle vier Minuten an. Die vaginale Untersuchung durch die Hebamme, die Zeugin K., um 16.10 Uhr ergab eine Eröffnung des Muttermundes auf 4 cm. Die Fruchtblase war noch nicht eröffnet. Der Kopf des Kindes war im Bereich des Beckeneingangs ("- 3"). Nach dieser Untersuchung konnte die Mutter spazieren gehen. Der Beklagte wurde informiert.
Um 18.45 Uhr erfolgte eine weitere vaginale Untersuchung durch die Zeugin K. Der Muttermund hatte sich nun auf 6 cm eröffnet. Es wurde ein internes CTG angelegt, wobei es zum Blasensprung kam und klares Fruchtwasser abging. Ferner wurde eine Braunüle in die Vene eingebracht und eine Infusion mit dem Wehenhormon Oxytocin ("Syntho") eingeleitet.
Als sich kurz danach eine Verlangsamung des kindlichen Herzschlags anzeigte, wurde die Infusion kurz unterbrochen und nach Erholung der Herztöne etwa um 19.06 Uhr wieder aufgenommen. Ab 19.24 Uhr kam es zu drei Presswehen die um 19.29 Uhr zur Kopfgeburt führten.
In einem vom Beklagten noch am 25.2.1994 diktierten Beiblatt zum Geburtsbericht wird folgender Ablauf vermerkt:
... nach rascher unauffälliger Eröffnungsphase wird der Kopf des Neugeborenen aus SL mit 3 Presswehen geboren. Dann Eintritt einer schweren Schulterdystokie → Schulter im Geburtskanal verkeilt. Vagina und Weichteile ausreichend weit. Unter wechselnden Traktionen (Fr. W, Sr. H, Dr. H) gelingt es nicht, den Körper zu entwickeln.
(Tel. Konsil Prof. B)
10 
Sofortige Verständigung Dr. Z/Anästhesie und Kinderarzt Dr. A.
11 
In Maskennarkose gelingt es dann schließlich, die Axilla mit 1 Finger zu fassen und den Körper zu extrahieren. (19.40) ca. 4-5 '.
12 
Das schlaffe neugeborene Mädchen (5.200 g, 57 cm, KU 37 cm) wird in der Reha-Einheit rasch und erfolgreich reanimiert (Dr. Z). Anforderung des Verlegungsdienstes KiKl Tü, Dr. G. - Intubation und Legen einer Infusion, 3 ml Natriumcarbonat iv (Dr. Z, Dr. A, Frau Dr. B, Hr. P) Nach weiterer Versorgung durch Frau Dr. G/Tü Verlegung des Kindes mit Kindernotarztwagen in die KiKl Tü Apgar 1 min 0, 2 min 3, 5 min 7, 10 min 8 (unauffällige Nachgeburtsperiode, kl. Dammriss mit EK versorgt.) ..."
13 
Im Geburtsbericht ist vermerkt, dass der Mutter der Klägerin eine Maskennarkose verabreicht wurde. Das Anästhesieprotokoll ist aber in der Klinik nicht mehr auffindbar.
14 
Als Folge der Geburtskomplikation erlitt die Klägerin eine geburtstraumatische linksseitige Armplexusparese, ein Horner-Syndrom mit Lidspaltendifferenz, Pupillendifferenz und Ptosis (herabhängendes Oberlid). Eine klinisch-neurologische Untersuchung im O-Hospital, Stuttgart, vom 24.5.1995 ergab einen fehlenden linksseitigen Patellar- und Bizepssehnenreflex, einen Schulterschiefstand, sowie eine Atrophie der linken Schulter-, Arm- und Handmuskulatur mäßigen Ausmaßes im Bereich des Oberarms, deutlicher im Bereich des Unterarms und damit einhergehend eine nach distal abnehmende Innervation der Muskulatur, ferner klinisch einen vermehrten Beugetonus der Hand mit kaum aktiver Streckfunktion.
15 
Eine Untersuchung in der Universitätskinderklinik T. vom 11.7.2003 bestätigt diesen Befund (vgl. Bl. 105-107 d.A.). Es wurde ein vermindertes Wachstum des gesamten linken Armes und der Hand mit deutlichen Kontrakturen in allen Gelenken und eingeschränkter aktiver Motorik festgestellt. Dadurch ist die Hand nur sehr gering und als Hilfshand einsetzbar. Die Klägerin kommt zwar in Alltagstätigkeiten (z.B. an- und ausziehen) sehr gut zurecht, hat aber Einschränkungen u.a. beim Sport und Fahrradfahren. Folgeprobleme an der Wirbelsäule liegen noch nicht vor. Sie ist jedoch auf ständige Krankengymnastik angewiesen.
16 
Die Eltern der Klägerin wandten sich im Jahr 1999 an die Gutachterkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg, als sie feststellten, dass die ihnen angeratenen krankengymnastischen Behandlungen, die die Klägerin seit der Geburt erhalten hatte, zu keiner Besserung am linken Arm geführt hatten. Gegenüber der Gutachterkommission gab der Beklagte zum Geburtsverlauf an, nach Entwicklung des Kopfes sei eine schwere Schulterdystokie mit Verkeilung der Schulter hinter der Symphyse eingetreten. Es sei weder ihm, noch den beiden anwesenden Hebammen gelungen, den Körper des Kindes zu extrahieren, obwohl der Geburtskanal weit genug war. Erst in Kurznarkose der Mutter sei ihm die Extraktion "unter großer Mühe" gelungen.
17 
Auf Anforderung der Kommission verfertigte der Beklagte gemeinsam mit den beiden Hebammen, den Zeuginnen K. und W am 12.3.2000 eine weitere schriftliche Schilderung des Geburtsverlaufs (Bl. 54/55 d.A.), u.a. mit folgenden Konkretisierungen:
18 
..."Es handelte sich um einen hohen Schultergeradstand. Zuerst wurde versucht, die Schulter durch Überdrehen des Kopfes bei gleichzeitigem Anziehen der Oberschenkel freizubekommen. Verständigung des Anästhesisten... und des Pädiaters... Masken-Narkose Beginn ca. 19.35 Uhr. Manuell wird die Schulterpartie hochgeschoben und in den schrägen Durchmesser gedrückt. Durch die vollständige Entspannung der Patientin gelingt es so, die Schulter freizubekommen und die Axilla zu fassen. Danach normale Entwicklung des Körpers unter zusätzlichem Kristellern von oben. Kind geboren um 19.40 Uhr ..."
19 
Die Gutachterkommission kam daraufhin in ihrem Gutachten vom 13.11.2001 (K 3 zu Bl. 12 d.A.) zu dem Ergebnis, es sei zu beanstanden, dass das ursprüngliche Geburtsprotokoll unzureichend erstellt wurde. Insbesondere hätte dokumentiert werden müssen, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder einen tiefen Querstand gehandelt habe, ferner fehlten die Abfolge der durchgeführten Manöver und einzelnen Schritte zur Behebung der Dystokie sowie die entsprechenden Zeiten. Die vom Beklagten nachgereichte Dokumentation sei nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt erstellt worden. Mangels weiterer Erkenntnismöglichkeiten könne seine Einlassung aber nicht widerlegt werden, sodass eine Feststellung, der Geburtsschaden sei durch fehlerhafte, verzögerte oder unterlassene Maßnahmen verursacht worden, nicht getroffen werden könne.
20 
Die Klägerin ist der Auffassung, wegen der unzureichenden Dokumentation obliege dem Beklagten der Beweis, dass die Schulterentwicklung nach der Dystokie medizinisch ordnungsgemäß erfolgt sei und der eingetretene Geburtsschaden nicht auf ein ärztliches Fehlverhalten zurückzuführen sei. Diesen Beweis könne er nicht erbringen. Aufgrund der spärlichen Dokumentation sei nicht feststellbar, wie lange der Depressionszustand, dem sie während der Geburt ausgesetzt gewesen sei, angedauert habe und sei nicht auszuschließen, dass die schwere Asphyxie durch fehlerhafte Maßnahmen verursacht oder verspätet diagnostiziert und behandelt wurde. Auch spreche die Dokumentation dafür, dass der Anästhesist verspätet hinzugezogen worden sei. Schließlich sei ihre Mutter nicht über die bestehende und sich hier aufdrängende Behandlungsalternative einer Schnittentbindung aufgeklärt worden.
21 
Da somit von einem schuldhaften Behandlungsfehler des Beklagten auszugehen sei, habe sie Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 20.000,- EUR. Nachdem das OLG Stuttgart (VersR 1999,582 und Bl. 143 ff. d.A.) in einem vergleichbaren Fall ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen habe, müsste jedoch ein angemessenes Schmerzensgeld deutlich über dem geforderten Mindestbetrag liegen. Sie müsse ihr Leben lang mit den Einschränkungen am linken Arm leben, die sich sowohl in ihrem privaten Lebensbereich als auch bei ihrem beruflichen Fortkommen durch eine Einschränkung in der Berufswahl und der Erwerbsfähigkeit auswirken würden. Das Hornersyndrom führe zu einer dauernden Entstellung des Gesichts.
22 
Da nach Art der vorliegenden Gesundheitsschäden auch mit weiteren künftigen materiellen und immateriellen Schadensfolgen zu rechnen sei, sei ihr Feststellungsbegehren gerechtfertigt. Dies gelte auch für bereits eingetretene Schadensfolgen, da die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei.
23 
Die Klägerin hat dem Landkreis als Träger der Kreisklinik H den Streit verkündet, da nicht auszuschließen sei, dass ihr Gesundheitsschaden auch durch Einrichtung, Organisation oder Personal der Klinik verursacht worden sein könnte.
24 
Die Klägerin beantragt:
25 
1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 20.000,- EUR zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 18.7.2002 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
26 
2.) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden, sowie sämtlichen schon entstandenen und künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch das Schadensereignis vom 25.2.1994 in der Kreisklinik H noch entstehen wird, soweit diese Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
27 
Der Beklagte und der Streithelfer beantragen, die Klage abzuweisen.
28 
Der Beklagte bestreitet, dass bei der Geburt der Klägerin Fehler unterlaufen seien, die zu den von der Klägerin erlittenen Schäden geführt haben.
29 
Für eine Schnittentbindung habe keine Veranlassung bestanden, nachdem die Mutter der Klägerin bereits zwei Kinder mit einem Gewicht von 4.000 und 4.050 g geboren hatte und der Geburtsvorgang mit einer unauffälligen Eröffnungsphase mit der Geburt des Kopfes begonnen gehabt habe und erst dann durch die stecken gebliebene Schulter überraschend zum Stillstand gekommen sei.
30 
Es habe sich um einen hohen Schultergeradstand gehandelt. Es sei weder ihm noch den beiden erfahrenen Hebammen gelungen, den Körper der Klägerin zu extrahieren. Er habe versucht, die Schulter durch Überdrehen des Kopfes bei gleichzeitigem Anziehen der Oberschenkel der Mutter freizubekommen ("Mc Roberts Manöver"). Als dies nicht gelungen sei, habe er sofort den diensthabenden Anästhesisten und den Kinderarzt hinzugezogen, die unverzüglich gekommen seien. Insbesondere der Anästhesist habe bereits um 19.35 Uhr mit der Maskennarkose begonnen. Durch die dadurch bewirkte vollständige Entspannung der Mutter sei es ihm gelungen, die Schulterpartie der Klägerin freizubekommen und die Axilla zu fassen ("Woods Methode"). Unter zusätzlichem Druck oberhalb des Schambeins ("Kristellern") sei die Klägerin dann um 19.40 Uhr geboren worden.
31 
Sofort danach sei die schwer asphyktische Klägerin vom Anästhesisten und vom Kinderarzt reanimiert und in die Betreuung durch den Kindernotdienst der Universitätskinderklinik T. übergeben worden.
32 
Zwar sei in der Dokumentation der Geburtsverlauf nicht in allen Einzelheiten festgehalten worden. Der zeitliche Ablauf und die wesentlichen Maßnahmen seien aber ersichtlich. Aus der Art der Darstellung in dem unmittelbar nach der Geburt von ihm geschriebenen Beiblatt sei erkennbar, dass es sich um einen hohen Schultergeradstand gehandelt habe. Bei einem tiefen Schulterquerstand wären eher mütterliche Verletzungen zu erwarten gewesen. Im Übrigen seien aber auch seine präzisierenden Angaben gegenüber der Gutachterkommission, insbesondere die Durchführung des Mc Roberts Manövers, zutreffend.
33 
Eine Feststellungsklage sei i.ü. nur bezüglich künftig zu erwartender Schäden der Klägerin zulässig.
34 
Der Streithelfer schließt sich dem Vortrag des Beklagten an und verweist darauf, dass die beiden Hebammen auf Weisung des Beklagten tätig geworden seien. Organisatorische Mängel der Klinik seien nicht ersichtlich. Der Anästhesist sei im Haus gewesen und unverzüglich erschienen, nachdem er vom Beklagten angefordert worden war.
35 
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat die Behandlungsunterlagen des Beklagten im Original beigezogen (s. Hülle Bl. 45 d.A.). In der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2002 wurden die Zeugen Dr. med. Z, W und H K. vernommen. Wegen ihrer Aussagen wird auf das Protokoll Bl. 71 ff. d.A. verwiesen. Sodann wurde durch Beweisbeschluss vom 29.11.2002 (Bl. 79-81 d.A.) ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. Kr. von der Universitätsfrauenklinik U. eingeholt (Bl. 109 ff. d.A.) und der Sachverständige nach schriftlichen Ergänzungen vom 30.8.2003 (Bl. 134a) und 5.3.2004 (Bl. 162 ff.) in der mündlichen Verhandlung vom 23.7.2004 persönlich gehört (vgl. Protokoll Bl. 204 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

 
I.)
36 
Die Klage ist zulässig. Dies gilt hinsichtlich des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) insbesondere auch für den Feststellungsantrag Ziffer 2 soweit er sich auch auf den bisher entstandenen materiellen Schaden bezieht. Die Klägerin ist wegen ihrer Beeinträchtigungen weiterhin in ärztlicher und krankengymnastischer Behandlung. Die Schadensentwicklung ist deshalb noch nicht abgeschlossen. Es ist anerkannt, dass unter diesen Voraussetzungen eine insgesamt erhobene Feststellungsklage zulässig ist (Zöller-Greger, 24. Aufl., Rn 7a zu § 256 ZPO mwN.).
II.)
37 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte haftet der Klägerin für die bei ihr beim Geburtsvorgang eingetretene Armplexuslähmung und das Hornersyndrom gem. §§ 823, 847 BGB aF. i.V.m. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB.
38 
Es ist zwar nicht positiv feststellbar, dass dem Beklagten bei der geburtlichen Entwicklung der Klägerin Fehler unterlaufen sind. Wegen der mangelhaften Dokumentation obliegt es aber dem Beklagten nachzuweisen, dass sein Vorgehen kunstgerecht und unverschuldet oder jedenfalls nicht kausal war. Diesen Nachweis kann er nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbringen.
39 
1.) Aus den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. Kr. ergibt sich im Einklang mit den Anforderungen an die Dokumentation einer Schulterdystokie, die in der Medizin und ihr folgend in der Rechtsprechung gestellt werden (vgl. OLG Stuttgart VersR 1999, 582 mwN., OLG Düsseldorf VersR 2003, 114, LG Rottweil, Urteil vom 27.11.2003, Az.: 2 O 537/01, jeweils für Vorfälle aus dem Jahr 1994 und früher), dass zunächst festgehalten werden muss, um welche Art der Schulterdystokie es sich handelt (hoher Schultergeradstand/tiefer Schulterquerstand) und dass sodann die ergriffenen Maßnahmen chronologisch unter Angabe der Uhrzeiten der relevanten Maßnahmen und unter Nennung der hieran beteiligten Personen zu schildern sind.
40 
Für das Vorgehen nach der Diagnose einer Schulterdystokie in Gestalt eines hohen Schultergeradstandes ist ferner als Ablaufschema anerkannt und vom Sachverständigen dargelegt, dass zunächst ein angelegter Wehentropf abgestellt werden muss, um zu verhindern, dass die an der Symphyse verkeilte Schulter des Kindes durch weitere Wehentätigkeit weiterer Druckbelastung ausgesetzt wird. Stattdessen ist eine medikamentöse Wehenhemmung zu verabreichen. Aus demselben Grund ist ein kräftiger Zug am kindlichen Kopf ebenso zu vermeiden, wie Druckmaßnahmen auf den Fundus ("sog. Kristellern"). Sodann ist mit äußeren Handgriffen zu versuchen, die Dystokie zu lösen. Dazu kommen in Betracht, das sog. Mc-Roberts Manöver, bei dem durch Überstrecken und anschließendes maximales Beugen der mütterlichen Beine im Hüftgelenk versucht wird, die kindliche Schulter von der Symphyse zu lösen. Sodann kann durch Druck oberhalb der Symphyse versucht werden, die Schulter in das Becken hineinzudrücken. Ferner kann man versuchen, das Köpfchen äußerlich zu überdrehen, um die Drehbewegung auf den Körper zu übertragen (Martius-Methode).
41 
Spätestens wenn diese äußeren Handgriffe versagen, müssen innere Manöver folgen, für die in der Regel ein Dammschnitt gelegt werden muss, um den Eingang zu erleichtern. Außerdem ist ein Anästhesist und ein Pädiater hinzuziehen. Mit dem sog. Manöver nach Woods versucht der Gynäkologe, mit der Hand die vordere Schulter des Kindes zu lösen, was sowohl von der Brust wie von der Rückenseite her geschehen kann. Gelingt dies nicht, muss versucht werden, den in der Sakralhöhle liegenden hinteren Arm zu lösen, wobei sich das Risiko für kindliche Oberarm- und Schlüsselbeinfrakturen deutlich erhöht.
42 
(Weitere nächste Schritte, wie das Zurückschieben des Kindes und Durchführung einer Schnittentbindung oder ein Durchtrennen der Schambeinfuge, sind für den vorliegenden Fall irrelevant.)
43 
Der Sachverständige weist zwar darauf hin, dass sich bisher keines dieser Manöver und deren Abfolge als überlegen gezeigt habe, dass aber das geschilderte Vorgehen logisch ist und insbesondere versucht, mit möglichst wenig invasiven Maßnahmen zum Ziel zu gelangen. Dies hat Eingang gefunden in die Empfehlungen zur Schulterdystokie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe aus dem Jahr 2000, war aber auch schon wesentlich früher Standard, wie etwa die oben zitierten Entscheidungen der OLG Stuttgart und Düsseldorf zeigen.
44 
2.) Bezogen auf diese Maßnahmen enthält das Geburtsprotokoll in Verbindung mit dem vom Beklagten nach der Geburt diktierten "Beiblatt" keine Hinweise auf die Art der Schulterdystokie. Die "wechselnden Traktionen" sind nicht näher definiert. Weitere äußere Manöver (z.B. Mc-Roberts) werden nicht genannt. Auch das innere Manöver ist nicht im Sinne der oben genannten verschiedenen Möglichkeiten näher beschrieben.
45 
Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, ob das Vorgehen des Beklagten sachgerecht war. Darauf hat schon die Gutachterkommission in ihrem Gutachten vom 13.11.2001 hingewiesen und kam zu dem Ergebnis, ein Behandlungsfehler des Beklagten könne "nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden".
46 
3.) Im Zivilprozess stellt sich diese Frage aber aus Beweislastgründen anders. Da die Dokumentation, die zeitnah in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung zu erfolgen hat und nicht beliebig nachholbar ist (Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 2. Aufl., § 59 Rn 12), hier erhebliche Lücken aufweist, wird der Klägerin der Nachweis eines fehlerhaften Verhaltens unbillig erschwert. Ihr ist deshalb zumindest eine Beweiserleichterung zuzubilligen, die dazu führt, dass ein Behandlungsfehler als erwiesen gilt, wenn dieser ernsthaft in Betracht kommt (OLG Saarbrücken VersR 1988, 916 mwN., OLG Köln VersR 1994, 1424). Im Übrigen wird vermutet, dass eine dokumentationspflichtige aber nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht getroffen worden ist (BGH NJW 1988,2949). Der Dokumentationsmangel ist sodann auch für den Nachweis des Kausalzusammenhangs von Bedeutung, wenn der aufgrund der unterlassenen oder fehlerhaften Dokumentation indizierte Behandlungsfehler als "grob" anzusehen wäre (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, Seite 268 mwN.).
47 
a) Nach diesen Grundsätzen kann ein Behandlungsfehler des Beschuldigten nicht ausgeschlossen werden.
48 
Es ergibt sich aus den zahlreichen in der Rechtsprechung ausgeurteilten Sachverhalten und wird auch vom Sachverständigen bestätigt, dass bei einer Schulterdystokie z.B. ein kräftiges Ziehen am Kopf des Kindes oder Druck auf den Fundus vermieden werden muss und dass überstürzte Extraktionsversuche häufig zu einer Armplexuslähmung führen. Damit kommt angesichts der Verletzung der Klägerin ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten oder der unter seiner Aufsicht tätigen Hebammen in Betracht.
49 
aa) Insbesondere ist unklar, in welcher Weise die im Beiblatt zum Geburtsbericht beschriebenen "wechselnden Traktionen" stattgefunden haben. Der Sachverständige hat dargelegt, dass es regelgerecht ist, wenn nach der Geburt des Kopfes zunächst einmal die Hebamme feststellt, dass die Geburt nicht weitergeht. Wieso dann aber - entsprechend dem Protokoll - noch die zweite Hebamme vor dem Beklagten an den Traktionen beteiligt war, konnte der Sachverständige nicht erklären. Zwar wird in den genannten Leitlinien (vgl. K 4) ebenfalls der Begriff "Traktion" verwendet, aber ausdrücklich von "vorsichtiger" Traktion gesprochen, wie dies auch der Sachverständige erläutert hat. Ob diese Bedingung gewahrt wurde, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sich alle drei Beteiligten bei den Traktionen versucht haben, kann auch ein Hinweis darauf sein, dass forciert versucht wurde, auf diesem Wege zum Erfolg zu gelangen und dabei die Traktionen nicht vorsichtig genug durchgeführt wurden, zumal hier die Übergänge nach den einleuchtenden Darlegungen des Sachverständigen fließend sind.
50 
bb) Ferner ist nicht ersichtlich und kann auch vom Beklagten nicht behauptet werden, dass alsbald nach Feststellung der Dystokie der Wehentropf abgeschaltet wurde. In dem vorgelegten CTG ist vermerkt, dass die Infusion nach 19.00 Uhr wegen einer Verlangsamung des kindlichen Herzschlags kurzfristig abgestellt, dann aber wieder in Gang gesetzt wurde, ohne dass eine Beendigung dokumentiert wäre. Wehenhemmende Mittel sind offenbar nicht verabreicht worden. Der Sachverständige wies zwar darauf hin, dass man angesichts des raschen weiteren Geburtsverlaufs nicht angeben kann, ob das Belassen des Tropfes in dieser Phase überhaupt noch eine Wehe ausgelöst hat. Aussagen dazu sind aber nicht möglich, sodass sich auch keine Erkenntnisse zugunsten des Beklagten ableiten lassen.
51 
cc) Dass vor dem invasiven Vorgehen das Mc-Roberts-Manöver versucht wurde, ist nicht dokumentiert, sodass zunächst davon auszugehen ist, dass dies nicht der Fall war.
52 
3.) Unter diesen Umständen wäre es Sache des Beklagten, nachzuweisen, dass die Geburtsschädigung der Klägerin trotz sachgerechten Vorgehens eingetreten ist. Diese Überzeugung konnte er der Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit vermitteln.
53 
a) Der Beklagte hat sich erstmals im Zusammenhang mit dem von den Eltern der Klägerin im Jahr 1999 in Gang gesetzten Verfahren vor der Gutachterkommission zu den Vorgängen bei der Geburt geäußert.
54 
In seiner ersten Stellungnahme gab er zwar nunmehr an, es sei eine "Verkeilung der Schulter hinter der Symphyse" eingetreten, was für einen "hohen Schultergeradstand" spricht, schilderte aber trotz Kenntnis, dass gegen ihn Vorwürfe erhoben worden waren, das weitere Vorgehen nur pauschal dahin, dass es weder ihm, noch den beiden anwesenden Hebammen gelungen sei, den Körper des Kindes zu extrahieren, obwohl der Geburtskanal weit genug gewesen sei. Erst mit Hilfe der Kurznarkose sei ihm unter großer Mühe die Extraktion des Kindes gelungen. Diese Extraktion habe so rasch wie möglich erfolgen müssen, um cerebrale Schäden oder gar den Tod des Kindes zu verhindern.
55 
b) Zu einer detaillierteren Schilderung des Beklagten kam es erst mit seinem Schreiben an die Gutachterkommission vom 12.3.2000, nachdem er in einem Gespräch mit den beiden Hebammen anhand der Krankenunterlagen versucht hatte, das damalige Geschehen zu rekonstruieren.
56 
Hier wird erstmals ein Vorgehen entsprechend dem Mc-Roberts-Manöver geschildert und - nachdem dieses nicht zum Erfolg führte - das unter der inzwischen verabreichten Narkose erfolgte manuelle Hochschieben der Schulterpartie, durch das es gelungen sei, diese in den schrägen Durchmesser zu drücken, die Schulter frei zu bekommen und die Axilla des Kindes zu fassen.
57 
Dementsprechend haben dann beide Hebammen am 15.11.2002 als Zeugen vor der Kammer angegeben, es seien die Manöver nach Mc-Roberts durchgeführt worden.
58 
Die Zeugin W ergänzte, dass, als dies erfolglos war, nach der Woods-Methode vorgegangen worden sei. Sie bezog ihre Sicherheit hinsichtlich dieser Tatsachen jedoch daraus, dass es sich bei diesen Maßnahmen um das "standardmäßige Vorgehen" handle. Die dokumentierten "Traktionen" beschrieb die Zeugin als "Ziehen am Kopf des Kindes".
59 
Die Zeugin K. räumte ein, dass sie sich nicht mehr in allen Einzelheiten an den Geburtsvorgang erinnere, die Ausführungen im Schreiben vom 12.3.2000 beruhten jedoch auf ihren "präsenten Erinnerungen".
60 
Unter diesen Umständen bleiben bei der Kammer erhebliche Zweifel, wie weit die sechs Jahre nach dem Geschehen in einer "Gemeinschaftsarbeit" zwischen dem Beklagten und den beiden Hebammen verfasste Darstellung zuverlässig ist, auch wenn damit keineswegs unterstellt werden soll, die Schilderung sei wissentlich geschönt worden. Diesen Angaben kann nach so langer Zeit kein entscheidender Beweiswert beigemessen werden (OLG Stuttgart aaO.).
61 
c) Auch mit Hilfe des Sachverständigen konnte keine ausreichende Aufklärung der Vorgänge mehr erfolgen.
62 
Nach seiner Darstellung ergibt sich zwar aus den Gesamtumständen, dass es sich entsprechend der Darstellung des Beklagten um einen sog. hohen Schultergeradstand gehandelt hat, sodass das gebotene weitere schulmäßige Vorgehen bestimmbar ist. Auch der zeitliche Ablauf lässt sich mit Hilfe der sich aus dem CTG ergebenden Uhrzeiten und den Angaben des Beklagten im Krankenblatt, wonach es ca. 4 bis 5 Minuten gedauert hat, bis ihm die vollständige Geburt des Kindes um 19.40 Uhr gelungen war, hinlänglich genau eingrenzen. Der Sachverständige kommt damit zu dem Ergebnis, dass das zeitliche Geburtsmanagement, insbesondere auch die Hinzuziehung des Anästhesisten und die Verabreichung der Narkose ohne ersichtliche Zeitverzögerung erfolgte. Auch die Tatsache, dass die Klägerin sich nach der Geburt schnell erholte (Apgar nach 5 Minuten> 5) und keine cerebralen Schäden davongetragen hat, spricht für das rasche Vorgehen. Der Verzicht auf einen Dammschnitt war im konkreten Fall vertretbar, nachdem festgestellt worden war, dass Vagina und Weichteile ausreichend weit waren und der innere Eingriff möglich war und nur zu einem leichten Dammriss geführt hat.
63 
Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass davon auszugehen ist, dass der Wehentropf nicht abgestellt wurde, dass unklar ist, welche Manipulationen der Beklagte und die Hebammen bei den vermerkten "wechselnden Traktionen" vorgenommen haben, dass zweifelhaft bleibt, ob das externe Manöver nach Mc-Roberts versucht wurde und wie der Beklagte vorgegangen ist, um - wie im Beiblatt zum Geburtsprotokoll vermerkt - die Axilla zu fassen zu bekommen. Vielmehr lässt dies die ernsthafte Möglichkeit offen, dass angesichts der hoch dramatischen und in der Praxis eher selten vorkommenden Situation der Schulterdystokie in einzelnen Phasen doch zu hastig, überstürzt oder sonst wie fehlerhaft vorgegangen und dadurch der Geburtsschaden ausgelöst wurde.
64 
d) Auf Grund dieser spärlichen Dokumentation sind entscheidende Punkte des Geburtsmanagements auch nicht wenigstens in groben Zügen nachvollziehbar, sodass unterstellt werden muss, dass das Vorgehen in erheblichem Ausmaß hinter den elementaren Behandlungsregeln zurückgeblieben ist. Unter diesen Umständen lässt die Beweisbehinderung der Klägerin es als billig erscheinen, ihr auch im Hinblick auf die Frage der Kausalität Beweiserleichterungen zugute kommen zu lassen (OLG Stuttgart aaO.; OLG Köln VersR 1994, 1424, LG Rottweil aaO.). Da bei der gegebenen Beweislage in Betracht kommende fehlerhafte Manipulationen in Verbindung mit der weiteren Verabreichung wehenfördernder Mittel in hohem Maße geeignet sind, den bei der Klägerin entstandenen Geburtsschaden auszulösen, ist zulasten des Beklagten davon auszugehen, dass hier solche Fehler zum Schaden geführt haben.
65 
Mit dem OLG Stuttgart (aaO.) weist die Kammer darauf hin, dass damit das anerkennenswerte Bemühen des Beklagten, den Geburtsvorgang und die eingetretene lebensbedrohliche Situation für die Klägerin rasch zu beenden, ebenso wenig verkannt wird, wie die Tatsache, dass es ihm erfreulicherweise gelungen ist, das Kind lebend und ohne cerebrale Schäden zur Welt zu bringen. Bei der Feststellung der Haftung geht es nicht "um eine Sanktion für grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer auch subjektiv gesteigerten Vorwerfbarkeit der festgestellten Versäumnisse" (aaO.), sondern um einen Ausgleich dafür, dass die Beweissituation der Patientin durch die mangelhafte Dokumentation derart verschlechtert worden ist, dass ihr der volle Nachweis der Kausalität für den Gesundheitsschaden nicht zugemutet werden kann.
III.)
66 
1.) Zur Abgeltung der der Klägerin entstandenen körperlichen Schäden und Beeinträchtigungen hält die Kammer gem. § 847 aF. BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,- EUR für angemessen und orientiert sich dabei u.a. an den Entscheidungen des OLG Stuttgart aaO., das im Jahr 1997 für ähnliche Körperschäden ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen hat und dem Urteil des LG Rottweil (aaO.), das unter Hinweis auf Entscheidungen der OLG Hamm und Frankfurt zu einem Schmerzensgeldbetrag von 50.000,- EUR kam.
67 
Die Klägerin hat sich zur Darlegung ihrer Beeinträchtigungen im Wesentlichen auf das Attest der Universitätskinderklinik T. vom 15.7.2003 (Bl. 105 d.A.) gestützt. Auch im Gutachten der Gutachterkommission wird ein Attest des O-Hospitals Stuttgart vom 24.5.1995 wiedergegeben, das den damaligen Zustand festhält. Die sich aus diesen Unterlagen ergebenden und im Tatbestand wiedergegebenen Tatsachen sind unstreitig.
68 
Demnach ist die Klägerin dadurch, dass der linke Arm ein vermindertes Wachstum aufweist, in der Motorik stark beschränkt ist und die Hand nur noch im Sinne einer Hilfshand eingesetzt werden kann, dauerhaft und erheblich in ihrem Alltagsleben, in der Schule, bei sportlicher Betätigung, z.B. beim Fahrradfahren, sowie in ihrer künftigen Berufswahl beeinträchtigt. Sie wird darauf angewiesen sein, in regelmäßiger krankengymnastischer Behandlung zu bleiben, um ihren Status nicht zu verschlechtern, insbesondere auch Beschwerden etwa im Bereich der Wirbelsäule zu vermeiden. Das Horner-Syndrom mit der Lidlähmung hat eine Entstellung im Gesicht zur Folge, die für ein heranwachsendes Mädchen im gesellschaftlichen Bereich nachteilig und belastend ist.
69 
Andererseits ist festzustellen, dass sich die Klägerin Techniken angeeignet hat, um sich im Alltag alleine zurechtzufinden, etwa beim An- und Auskleiden. Dabei mag auch von Vorteil sein, dass sich die Schädigung auf den linken Arm bezieht. Folgeschäden etwa an der Wirbelsäule liegen bisher nicht vor. Nach Darstellung der Eltern hat die jetzt 10-jährige bisher keine psychischen Probleme. Ihre schulischen Leistungen sind gut.
70 
Unter diesen Umständen hält die Kammer ein Schmerzensgeld von 40.000,- EUR als angemessen, aber auch ausreichend.
71 
2.) Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet. Schon die Tatsache, dass die Klägerin sich auch weiterhin in ärztliche und insbesondere regelmäßige krankengymnastische Behandlung begeben muss, macht offensichtlich, dass mit weiteren künftigen materiellen aber auch immateriellen Schäden zu rechnen ist.
IV.)
72 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Gründe

 
I.)
36 
Die Klage ist zulässig. Dies gilt hinsichtlich des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) insbesondere auch für den Feststellungsantrag Ziffer 2 soweit er sich auch auf den bisher entstandenen materiellen Schaden bezieht. Die Klägerin ist wegen ihrer Beeinträchtigungen weiterhin in ärztlicher und krankengymnastischer Behandlung. Die Schadensentwicklung ist deshalb noch nicht abgeschlossen. Es ist anerkannt, dass unter diesen Voraussetzungen eine insgesamt erhobene Feststellungsklage zulässig ist (Zöller-Greger, 24. Aufl., Rn 7a zu § 256 ZPO mwN.).
II.)
37 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte haftet der Klägerin für die bei ihr beim Geburtsvorgang eingetretene Armplexuslähmung und das Hornersyndrom gem. §§ 823, 847 BGB aF. i.V.m. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB.
38 
Es ist zwar nicht positiv feststellbar, dass dem Beklagten bei der geburtlichen Entwicklung der Klägerin Fehler unterlaufen sind. Wegen der mangelhaften Dokumentation obliegt es aber dem Beklagten nachzuweisen, dass sein Vorgehen kunstgerecht und unverschuldet oder jedenfalls nicht kausal war. Diesen Nachweis kann er nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbringen.
39 
1.) Aus den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. Kr. ergibt sich im Einklang mit den Anforderungen an die Dokumentation einer Schulterdystokie, die in der Medizin und ihr folgend in der Rechtsprechung gestellt werden (vgl. OLG Stuttgart VersR 1999, 582 mwN., OLG Düsseldorf VersR 2003, 114, LG Rottweil, Urteil vom 27.11.2003, Az.: 2 O 537/01, jeweils für Vorfälle aus dem Jahr 1994 und früher), dass zunächst festgehalten werden muss, um welche Art der Schulterdystokie es sich handelt (hoher Schultergeradstand/tiefer Schulterquerstand) und dass sodann die ergriffenen Maßnahmen chronologisch unter Angabe der Uhrzeiten der relevanten Maßnahmen und unter Nennung der hieran beteiligten Personen zu schildern sind.
40 
Für das Vorgehen nach der Diagnose einer Schulterdystokie in Gestalt eines hohen Schultergeradstandes ist ferner als Ablaufschema anerkannt und vom Sachverständigen dargelegt, dass zunächst ein angelegter Wehentropf abgestellt werden muss, um zu verhindern, dass die an der Symphyse verkeilte Schulter des Kindes durch weitere Wehentätigkeit weiterer Druckbelastung ausgesetzt wird. Stattdessen ist eine medikamentöse Wehenhemmung zu verabreichen. Aus demselben Grund ist ein kräftiger Zug am kindlichen Kopf ebenso zu vermeiden, wie Druckmaßnahmen auf den Fundus ("sog. Kristellern"). Sodann ist mit äußeren Handgriffen zu versuchen, die Dystokie zu lösen. Dazu kommen in Betracht, das sog. Mc-Roberts Manöver, bei dem durch Überstrecken und anschließendes maximales Beugen der mütterlichen Beine im Hüftgelenk versucht wird, die kindliche Schulter von der Symphyse zu lösen. Sodann kann durch Druck oberhalb der Symphyse versucht werden, die Schulter in das Becken hineinzudrücken. Ferner kann man versuchen, das Köpfchen äußerlich zu überdrehen, um die Drehbewegung auf den Körper zu übertragen (Martius-Methode).
41 
Spätestens wenn diese äußeren Handgriffe versagen, müssen innere Manöver folgen, für die in der Regel ein Dammschnitt gelegt werden muss, um den Eingang zu erleichtern. Außerdem ist ein Anästhesist und ein Pädiater hinzuziehen. Mit dem sog. Manöver nach Woods versucht der Gynäkologe, mit der Hand die vordere Schulter des Kindes zu lösen, was sowohl von der Brust wie von der Rückenseite her geschehen kann. Gelingt dies nicht, muss versucht werden, den in der Sakralhöhle liegenden hinteren Arm zu lösen, wobei sich das Risiko für kindliche Oberarm- und Schlüsselbeinfrakturen deutlich erhöht.
42 
(Weitere nächste Schritte, wie das Zurückschieben des Kindes und Durchführung einer Schnittentbindung oder ein Durchtrennen der Schambeinfuge, sind für den vorliegenden Fall irrelevant.)
43 
Der Sachverständige weist zwar darauf hin, dass sich bisher keines dieser Manöver und deren Abfolge als überlegen gezeigt habe, dass aber das geschilderte Vorgehen logisch ist und insbesondere versucht, mit möglichst wenig invasiven Maßnahmen zum Ziel zu gelangen. Dies hat Eingang gefunden in die Empfehlungen zur Schulterdystokie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe aus dem Jahr 2000, war aber auch schon wesentlich früher Standard, wie etwa die oben zitierten Entscheidungen der OLG Stuttgart und Düsseldorf zeigen.
44 
2.) Bezogen auf diese Maßnahmen enthält das Geburtsprotokoll in Verbindung mit dem vom Beklagten nach der Geburt diktierten "Beiblatt" keine Hinweise auf die Art der Schulterdystokie. Die "wechselnden Traktionen" sind nicht näher definiert. Weitere äußere Manöver (z.B. Mc-Roberts) werden nicht genannt. Auch das innere Manöver ist nicht im Sinne der oben genannten verschiedenen Möglichkeiten näher beschrieben.
45 
Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, ob das Vorgehen des Beklagten sachgerecht war. Darauf hat schon die Gutachterkommission in ihrem Gutachten vom 13.11.2001 hingewiesen und kam zu dem Ergebnis, ein Behandlungsfehler des Beklagten könne "nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden".
46 
3.) Im Zivilprozess stellt sich diese Frage aber aus Beweislastgründen anders. Da die Dokumentation, die zeitnah in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung zu erfolgen hat und nicht beliebig nachholbar ist (Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 2. Aufl., § 59 Rn 12), hier erhebliche Lücken aufweist, wird der Klägerin der Nachweis eines fehlerhaften Verhaltens unbillig erschwert. Ihr ist deshalb zumindest eine Beweiserleichterung zuzubilligen, die dazu führt, dass ein Behandlungsfehler als erwiesen gilt, wenn dieser ernsthaft in Betracht kommt (OLG Saarbrücken VersR 1988, 916 mwN., OLG Köln VersR 1994, 1424). Im Übrigen wird vermutet, dass eine dokumentationspflichtige aber nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht getroffen worden ist (BGH NJW 1988,2949). Der Dokumentationsmangel ist sodann auch für den Nachweis des Kausalzusammenhangs von Bedeutung, wenn der aufgrund der unterlassenen oder fehlerhaften Dokumentation indizierte Behandlungsfehler als "grob" anzusehen wäre (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, Seite 268 mwN.).
47 
a) Nach diesen Grundsätzen kann ein Behandlungsfehler des Beschuldigten nicht ausgeschlossen werden.
48 
Es ergibt sich aus den zahlreichen in der Rechtsprechung ausgeurteilten Sachverhalten und wird auch vom Sachverständigen bestätigt, dass bei einer Schulterdystokie z.B. ein kräftiges Ziehen am Kopf des Kindes oder Druck auf den Fundus vermieden werden muss und dass überstürzte Extraktionsversuche häufig zu einer Armplexuslähmung führen. Damit kommt angesichts der Verletzung der Klägerin ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten oder der unter seiner Aufsicht tätigen Hebammen in Betracht.
49 
aa) Insbesondere ist unklar, in welcher Weise die im Beiblatt zum Geburtsbericht beschriebenen "wechselnden Traktionen" stattgefunden haben. Der Sachverständige hat dargelegt, dass es regelgerecht ist, wenn nach der Geburt des Kopfes zunächst einmal die Hebamme feststellt, dass die Geburt nicht weitergeht. Wieso dann aber - entsprechend dem Protokoll - noch die zweite Hebamme vor dem Beklagten an den Traktionen beteiligt war, konnte der Sachverständige nicht erklären. Zwar wird in den genannten Leitlinien (vgl. K 4) ebenfalls der Begriff "Traktion" verwendet, aber ausdrücklich von "vorsichtiger" Traktion gesprochen, wie dies auch der Sachverständige erläutert hat. Ob diese Bedingung gewahrt wurde, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sich alle drei Beteiligten bei den Traktionen versucht haben, kann auch ein Hinweis darauf sein, dass forciert versucht wurde, auf diesem Wege zum Erfolg zu gelangen und dabei die Traktionen nicht vorsichtig genug durchgeführt wurden, zumal hier die Übergänge nach den einleuchtenden Darlegungen des Sachverständigen fließend sind.
50 
bb) Ferner ist nicht ersichtlich und kann auch vom Beklagten nicht behauptet werden, dass alsbald nach Feststellung der Dystokie der Wehentropf abgeschaltet wurde. In dem vorgelegten CTG ist vermerkt, dass die Infusion nach 19.00 Uhr wegen einer Verlangsamung des kindlichen Herzschlags kurzfristig abgestellt, dann aber wieder in Gang gesetzt wurde, ohne dass eine Beendigung dokumentiert wäre. Wehenhemmende Mittel sind offenbar nicht verabreicht worden. Der Sachverständige wies zwar darauf hin, dass man angesichts des raschen weiteren Geburtsverlaufs nicht angeben kann, ob das Belassen des Tropfes in dieser Phase überhaupt noch eine Wehe ausgelöst hat. Aussagen dazu sind aber nicht möglich, sodass sich auch keine Erkenntnisse zugunsten des Beklagten ableiten lassen.
51 
cc) Dass vor dem invasiven Vorgehen das Mc-Roberts-Manöver versucht wurde, ist nicht dokumentiert, sodass zunächst davon auszugehen ist, dass dies nicht der Fall war.
52 
3.) Unter diesen Umständen wäre es Sache des Beklagten, nachzuweisen, dass die Geburtsschädigung der Klägerin trotz sachgerechten Vorgehens eingetreten ist. Diese Überzeugung konnte er der Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit vermitteln.
53 
a) Der Beklagte hat sich erstmals im Zusammenhang mit dem von den Eltern der Klägerin im Jahr 1999 in Gang gesetzten Verfahren vor der Gutachterkommission zu den Vorgängen bei der Geburt geäußert.
54 
In seiner ersten Stellungnahme gab er zwar nunmehr an, es sei eine "Verkeilung der Schulter hinter der Symphyse" eingetreten, was für einen "hohen Schultergeradstand" spricht, schilderte aber trotz Kenntnis, dass gegen ihn Vorwürfe erhoben worden waren, das weitere Vorgehen nur pauschal dahin, dass es weder ihm, noch den beiden anwesenden Hebammen gelungen sei, den Körper des Kindes zu extrahieren, obwohl der Geburtskanal weit genug gewesen sei. Erst mit Hilfe der Kurznarkose sei ihm unter großer Mühe die Extraktion des Kindes gelungen. Diese Extraktion habe so rasch wie möglich erfolgen müssen, um cerebrale Schäden oder gar den Tod des Kindes zu verhindern.
55 
b) Zu einer detaillierteren Schilderung des Beklagten kam es erst mit seinem Schreiben an die Gutachterkommission vom 12.3.2000, nachdem er in einem Gespräch mit den beiden Hebammen anhand der Krankenunterlagen versucht hatte, das damalige Geschehen zu rekonstruieren.
56 
Hier wird erstmals ein Vorgehen entsprechend dem Mc-Roberts-Manöver geschildert und - nachdem dieses nicht zum Erfolg führte - das unter der inzwischen verabreichten Narkose erfolgte manuelle Hochschieben der Schulterpartie, durch das es gelungen sei, diese in den schrägen Durchmesser zu drücken, die Schulter frei zu bekommen und die Axilla des Kindes zu fassen.
57 
Dementsprechend haben dann beide Hebammen am 15.11.2002 als Zeugen vor der Kammer angegeben, es seien die Manöver nach Mc-Roberts durchgeführt worden.
58 
Die Zeugin W ergänzte, dass, als dies erfolglos war, nach der Woods-Methode vorgegangen worden sei. Sie bezog ihre Sicherheit hinsichtlich dieser Tatsachen jedoch daraus, dass es sich bei diesen Maßnahmen um das "standardmäßige Vorgehen" handle. Die dokumentierten "Traktionen" beschrieb die Zeugin als "Ziehen am Kopf des Kindes".
59 
Die Zeugin K. räumte ein, dass sie sich nicht mehr in allen Einzelheiten an den Geburtsvorgang erinnere, die Ausführungen im Schreiben vom 12.3.2000 beruhten jedoch auf ihren "präsenten Erinnerungen".
60 
Unter diesen Umständen bleiben bei der Kammer erhebliche Zweifel, wie weit die sechs Jahre nach dem Geschehen in einer "Gemeinschaftsarbeit" zwischen dem Beklagten und den beiden Hebammen verfasste Darstellung zuverlässig ist, auch wenn damit keineswegs unterstellt werden soll, die Schilderung sei wissentlich geschönt worden. Diesen Angaben kann nach so langer Zeit kein entscheidender Beweiswert beigemessen werden (OLG Stuttgart aaO.).
61 
c) Auch mit Hilfe des Sachverständigen konnte keine ausreichende Aufklärung der Vorgänge mehr erfolgen.
62 
Nach seiner Darstellung ergibt sich zwar aus den Gesamtumständen, dass es sich entsprechend der Darstellung des Beklagten um einen sog. hohen Schultergeradstand gehandelt hat, sodass das gebotene weitere schulmäßige Vorgehen bestimmbar ist. Auch der zeitliche Ablauf lässt sich mit Hilfe der sich aus dem CTG ergebenden Uhrzeiten und den Angaben des Beklagten im Krankenblatt, wonach es ca. 4 bis 5 Minuten gedauert hat, bis ihm die vollständige Geburt des Kindes um 19.40 Uhr gelungen war, hinlänglich genau eingrenzen. Der Sachverständige kommt damit zu dem Ergebnis, dass das zeitliche Geburtsmanagement, insbesondere auch die Hinzuziehung des Anästhesisten und die Verabreichung der Narkose ohne ersichtliche Zeitverzögerung erfolgte. Auch die Tatsache, dass die Klägerin sich nach der Geburt schnell erholte (Apgar nach 5 Minuten> 5) und keine cerebralen Schäden davongetragen hat, spricht für das rasche Vorgehen. Der Verzicht auf einen Dammschnitt war im konkreten Fall vertretbar, nachdem festgestellt worden war, dass Vagina und Weichteile ausreichend weit waren und der innere Eingriff möglich war und nur zu einem leichten Dammriss geführt hat.
63 
Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass davon auszugehen ist, dass der Wehentropf nicht abgestellt wurde, dass unklar ist, welche Manipulationen der Beklagte und die Hebammen bei den vermerkten "wechselnden Traktionen" vorgenommen haben, dass zweifelhaft bleibt, ob das externe Manöver nach Mc-Roberts versucht wurde und wie der Beklagte vorgegangen ist, um - wie im Beiblatt zum Geburtsprotokoll vermerkt - die Axilla zu fassen zu bekommen. Vielmehr lässt dies die ernsthafte Möglichkeit offen, dass angesichts der hoch dramatischen und in der Praxis eher selten vorkommenden Situation der Schulterdystokie in einzelnen Phasen doch zu hastig, überstürzt oder sonst wie fehlerhaft vorgegangen und dadurch der Geburtsschaden ausgelöst wurde.
64 
d) Auf Grund dieser spärlichen Dokumentation sind entscheidende Punkte des Geburtsmanagements auch nicht wenigstens in groben Zügen nachvollziehbar, sodass unterstellt werden muss, dass das Vorgehen in erheblichem Ausmaß hinter den elementaren Behandlungsregeln zurückgeblieben ist. Unter diesen Umständen lässt die Beweisbehinderung der Klägerin es als billig erscheinen, ihr auch im Hinblick auf die Frage der Kausalität Beweiserleichterungen zugute kommen zu lassen (OLG Stuttgart aaO.; OLG Köln VersR 1994, 1424, LG Rottweil aaO.). Da bei der gegebenen Beweislage in Betracht kommende fehlerhafte Manipulationen in Verbindung mit der weiteren Verabreichung wehenfördernder Mittel in hohem Maße geeignet sind, den bei der Klägerin entstandenen Geburtsschaden auszulösen, ist zulasten des Beklagten davon auszugehen, dass hier solche Fehler zum Schaden geführt haben.
65 
Mit dem OLG Stuttgart (aaO.) weist die Kammer darauf hin, dass damit das anerkennenswerte Bemühen des Beklagten, den Geburtsvorgang und die eingetretene lebensbedrohliche Situation für die Klägerin rasch zu beenden, ebenso wenig verkannt wird, wie die Tatsache, dass es ihm erfreulicherweise gelungen ist, das Kind lebend und ohne cerebrale Schäden zur Welt zu bringen. Bei der Feststellung der Haftung geht es nicht "um eine Sanktion für grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer auch subjektiv gesteigerten Vorwerfbarkeit der festgestellten Versäumnisse" (aaO.), sondern um einen Ausgleich dafür, dass die Beweissituation der Patientin durch die mangelhafte Dokumentation derart verschlechtert worden ist, dass ihr der volle Nachweis der Kausalität für den Gesundheitsschaden nicht zugemutet werden kann.
III.)
66 
1.) Zur Abgeltung der der Klägerin entstandenen körperlichen Schäden und Beeinträchtigungen hält die Kammer gem. § 847 aF. BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,- EUR für angemessen und orientiert sich dabei u.a. an den Entscheidungen des OLG Stuttgart aaO., das im Jahr 1997 für ähnliche Körperschäden ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen hat und dem Urteil des LG Rottweil (aaO.), das unter Hinweis auf Entscheidungen der OLG Hamm und Frankfurt zu einem Schmerzensgeldbetrag von 50.000,- EUR kam.
67 
Die Klägerin hat sich zur Darlegung ihrer Beeinträchtigungen im Wesentlichen auf das Attest der Universitätskinderklinik T. vom 15.7.2003 (Bl. 105 d.A.) gestützt. Auch im Gutachten der Gutachterkommission wird ein Attest des O-Hospitals Stuttgart vom 24.5.1995 wiedergegeben, das den damaligen Zustand festhält. Die sich aus diesen Unterlagen ergebenden und im Tatbestand wiedergegebenen Tatsachen sind unstreitig.
68 
Demnach ist die Klägerin dadurch, dass der linke Arm ein vermindertes Wachstum aufweist, in der Motorik stark beschränkt ist und die Hand nur noch im Sinne einer Hilfshand eingesetzt werden kann, dauerhaft und erheblich in ihrem Alltagsleben, in der Schule, bei sportlicher Betätigung, z.B. beim Fahrradfahren, sowie in ihrer künftigen Berufswahl beeinträchtigt. Sie wird darauf angewiesen sein, in regelmäßiger krankengymnastischer Behandlung zu bleiben, um ihren Status nicht zu verschlechtern, insbesondere auch Beschwerden etwa im Bereich der Wirbelsäule zu vermeiden. Das Horner-Syndrom mit der Lidlähmung hat eine Entstellung im Gesicht zur Folge, die für ein heranwachsendes Mädchen im gesellschaftlichen Bereich nachteilig und belastend ist.
69 
Andererseits ist festzustellen, dass sich die Klägerin Techniken angeeignet hat, um sich im Alltag alleine zurechtzufinden, etwa beim An- und Auskleiden. Dabei mag auch von Vorteil sein, dass sich die Schädigung auf den linken Arm bezieht. Folgeschäden etwa an der Wirbelsäule liegen bisher nicht vor. Nach Darstellung der Eltern hat die jetzt 10-jährige bisher keine psychischen Probleme. Ihre schulischen Leistungen sind gut.
70 
Unter diesen Umständen hält die Kammer ein Schmerzensgeld von 40.000,- EUR als angemessen, aber auch ausreichend.
71 
2.) Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet. Schon die Tatsache, dass die Klägerin sich auch weiterhin in ärztliche und insbesondere regelmäßige krankengymnastische Behandlung begeben muss, macht offensichtlich, dass mit weiteren künftigen materiellen aber auch immateriellen Schäden zu rechnen ist.
IV.)
72 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 101 Kosten einer Nebenintervention


(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebeninte

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Landgericht Rottweil Urteil, 27. Nov. 2003 - 2 O 537/01

bei uns veröffentlicht am 27.11.2003

Tenor 1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 50.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.08.2002 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Es wird festgestellt, das

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(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 50.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.08.2002 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Eingriff vom 15.12.1994 bereits entstanden ist und künftig noch entsteht, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert:

Klagantrag Ziff. 1: 51.129,19 EUR Klagantrag Ziff. 2: 20.000,00 EUR

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Schadensersatz mit der Behauptung eines durch die Beklagten im Zusammenhang mit seiner Geburt begangenen Behandlungsfehlers.
Die Beklagten praktizieren getrennt als Frauenärzte. Sie wirken außerdem als Belegärzte in der geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses ... Dabei nehmen sie den Nachtdienst abwechselnd wahr.
Bei der am 05.09.1968 geborenen Mutter des Klägers wurde am 21.04.1994 in der sechsten Schwangerschaftswoche die Schwangerschaft mit dem Kläger festgestellt. Die Mutter des Klägers hatte zuvor im April 1988 ein Mädchen mit 3.550 g Körpergewicht mit Vakuumextraktion und im Dezember 1989 ein Mädchen mit einem Körpergewicht von 3.900 g spontan geboren.
Das Gewicht der Mutter des Klägers steigerte sich während der Schwangerschaft mit dem Kläger bei einer Körpergröße von 167 cm von 104,1 kg am 02.05.1994 auf zuletzt 125,1 kg. Hinweise für eine Diabetes bestanden nicht.
Während der Schwangerschaft wurde die Mutter des Klägers ambulant durch den Beklagten Ziff. 2 betreut. In diesem Rahmen wurden fünf Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, nämlich
- am 02.05.1994 in der 7+0. SSW
- am 09.05.1994 in der 8+0. SSW
- am 27.06.1994 in der 15+0. SSW
- am 01.08.1994 in der 20+0. SSW; gleichzeitig Biometrie mit einem BIP von 51 mm und einem Abdomenquerdurchmesser von 44 mm;
10 
- am 18.10.1994 in der 31+1. SSW; gleichzeitig Biometrie mit einem BIP von 87 mm und einem Abdomenquerdurchmesser von 86 mm.
11 
Der voraussichtliche Entbindungstermin wurde auf den 19.12.1994 bestimmt.
12 
Vom 01.11.1994 bis 03.11.1994 und vom 05.12.1994 bis 06.12.1994 wurde die Mutter des Klägers jeweils stationär im Krankenhaus --- wegen vorzeitiger Wehen behandelt, die letztgenannte Behandlung wurde durch die Beklagten Ziff. 1 und 2 durchgeführt. Dabei wurde am 01.11.1994 noch ein Ultraschall durchgeführt, eine Biometrie erfolgte aber bei beiden Krankenhausaufenthalten nicht.
13 
Am 15.12.1994 wurde die Mutter des Klägers gegen 0.00 Uhr stationär zur Geburt aufgenommen. Die Aufnahmeuntersuchung wurde durch den Beklagten Ziff. 2, der in der Nacht eigentlich keinen Dienst hatte, aber noch wegen einer anderen Geburt im Hause war, durchgeführt. Der Kopf des Klägers war im Beckeneingang, der Muttermund 2 cm. Um 1.00 Uhr wurde ein Blasensprung mit grünem Fruchtwasser festgestellt. Um 2.20 Uhr untersuchte der Beklagte Ziff. 2 mit dem Ergebnis Muttermund 3 cm, Kopf noch im Beckeneingang. Sodann verließ der Beklagte Ziff. 2 das Krankenhaus. Für den weiteren Geburtsverlauf ist dokumentiert:
14 
2.55 Uhr CTG an; Oxytocintropf
15 
3.10 Uhr Patientin möchte Schmerzmittel; 50 mg Dolantin
16 
4.30 Uhr Muttermund 8 cm; telefonische Info Dr. ---
17 
4.33 Uhr Presswehen
18 
4.40 Uhr Dezeleration i. AP
19 
4.55 Uhr Kopf steckt - Schulter lässt sich nicht entwickeln
20 
5.05 Uhr * med. Epi-Lösung des hinteren Armes vor Partus - da sonst keine Entb. möglich * Nabelschnurumlegung zweimal Hals
21 
Der Kläger wies ein Geburtsgewicht von 5.000 g, eine Länge von 55 cm und einen Kopfumfang von 35 cm auf. Er musste nach der Geburt reanimiert und sofort in eine Kinderklinik verlegt werden. Der Kläger erlitt im Geburtsverlauf eine Armplexusläsion rechts.
22 
Unter dem 11.01.1995 formulierte das Klinikum ... (Bl. 32 d.A.), dass der Kläger eine geburtstraumatische komplette Plexusparese rechtsseitig entwickelt hat. Vom sozialpädiatrischen Zentrum ... wurde am 12.05.1997 (Bl. 34 d.A.) bescheinigt, dass beim Kläger eine vollständige Lähmung des rechten Armes infolge einer Nervenzerrung bei der Geburt vorliegt. Durch intensive therapeutische Maßnahmen habe erreicht werden können, dass der rechte Arm jetzt begrenzt einsatzfähig sei. Besuche beim Therapeuten werden als dreimal wöchentlich notwendig eingestuft. Unter dem 06.08.2002 schreibt die Klinik ..., dass sich beim Kläger augenscheinlich eine deutliche Längendifferenz der rechten zur linken oberen Extremität von ca. 10 cm ergibt. Dr. ... schreibt unter dem 13.08.2002 (Bl. 60 d.A.), dass der rechte Arm seit der Geburt fast völlig gelähmt sei. Er berichtet von regelmäßiger Krankengymnastik über die Dauer der letzten sieben Jahre. Der rechte Arm kann in seiner Gebrauchsfähigkeit nur minimal unterstützend eingesetzt werden. Im Schreiben des Klinikums ...vom 02.10.2002 (Bl. 69) wird berichtet, dass die Hand als Helferhand eingesetzt werden kann.
23 
Ein Geschwisterkind des Klägers wurde in den Folgejahren nach der Geburt des Klägers durch die Beklagten per Schnittenbindung entbunden.
24 
Der Kläger behauptet,
25 
der Beklagte Ziff. 1 habe im Rahmen der stationären Aufnahme am 05.12.1994 im Beisein des Onkels des Klägers geäußert, dass ein sehr großes Kind zu erwarten und deshalb eine Schnittentbindung notwendig sei.
26 
Die Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 hätten durch Behandlungsfehler die Armplexusläsion des Klägers verursacht. Wegen der hohen Gewichtszunahme der Mutter des Klägers sei eine Biometrie vor der Geburt zwingend geboten gewesen. Die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung noch im Kreißsaal sei wegen des erheblichen zeitlichen Abstands zur letzten Ultraschalluntersuchung und wegen der starken Gewichtszunahme der Mutter des Klägers zwingend gewesen. Durch die gebotene Untersuchung hätte sich gezeigt, dass mit einem Geburtsgewicht von über 4.500 g zu rechnen war. Dies hätte der Anlass sein müssen für eine Schnittentbindung wegen der Gefahr einer Schulterdystokie.
27 
Der Kläger ist der Ansicht,
28 
die Dokumentation der Geburt sei unzureichend und deshalb sei eine Beweislastumkehr anzunehmen.
29 
Es sei fehlerhaft gewesen, dass der Wehentropf während der Geburt bei Erkennen der Schulterdystokie nicht abgestellt wurde.
30 
Mangels notwendiger Aufklärung zur Schnittentbindung als ernsthafte Alternative sei die Behandlung der Mutter des Klägers ohne wirksame Einwilligung erfolgt mit der Folge einer Haftung unabhängig vom Verschulden.
31 
Die Armplexusläsion stelle beim Kläger einen irreversiblen Gesundheitsschaden dar, der eine lebenslange Behinderung am rechten Arm einschließlich einer Beeinträchtigung in der beruflichen Entwicklung zur Folge habe. Der materielle Schaden sei noch in einer fortlaufenden Entwicklung begriffen.
32 
Der Kläger hält als Schmerzensgeld 100.000 DM bzw. 51.129,19 EUR für angemessen.
33 
Die Klage wurde den Beklagten am 02.08.2002 zugestellt.
34 
Der Kläger beantragt:
35 
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 51.129,19 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2001 zu bezahlen.
36 
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Beklagten allen materiellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Eingriff vom 15.12.1994 bereits entstanden ist und künftig noch entsteht, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
37 
Die Beklagten beantragen
38 
Klagabweisung.
39 
Die Beklagten behaupten,
40 
bei der Schwangerschaft der Mutter des Klägers hätten sich keine Hinweise ergeben auf Abweichungen zu einer normal verlaufenden Schwangerschaft.
41 
Aufgrund von Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft hätte eine Geburtsgröße von über 4.500 g wegen der Größen- und Gewichtsverhältnisse der Mutter nicht erkannt werden können.
42 
Auch bei der Eingangsuntersuchung am 15.12.1994 hätten keine Befunde gegen eine natürliche Entbindung gesprochen.
43 
Als der Beklagte Ziff. 1 zu der Geburt hinzugekommen sei, sei der Kopf bereits geboren gewesen und das CTG habe schlechte Werte gezeigt. Der Beklagte Ziff. 1 habe durch das Verfahren nach McRoberts versucht, die festgestellte Schulterverhakung zu lösen. Dies sei wegen des Gewichts der Mutter des Klägers und deren Apathie nicht möglich gewesen. Weil der Beklagte Ziff. 1 wegen des schlechten CTG's einen Hirnschaden für den Kläger befürchtet habe, habe er, um schnell handeln zu können, von einer Narkose abgesehen. Er habe die hintere Schulter gelöst durch Dehnung des hinteren Scheidengewölbes und einen Dammschnitt.
44 
Eine Schnittenbindung sei, weil sie für die Mutter des Klägers wegen deren Gewicht ein erhebliches Risiko bedeutet hätte, nicht primär angezeigt gewesen.
45 
Die Dokumentation sei nachträglich von der Hebamme gemacht worden. Sie sei teilweise nicht zutreffend. Die in der Dokumentation gespiegelte Zeit von ca. einer halben Stunde zwischen dem Eintreffen des Beklagten Ziff. 1 und der Geburt des Klägers könne nicht stimmen. Insoweit sei ein Zeitraum von ca. 10 Minuten korrekt.
46 
Der Schaden sei durch kräftigen Zug am Kopf des Klägers, der aber notwendig gewesen sei, entstanden.
47 
Das Gericht hat die Beklagten angehört. Es hat Beweis erhoben durch Vernehmung der ... als Zeugin. Der Arm des Klägers und dessen Beweglichkeit wurde in Augenschein genommen. Der Sachverständige Professor Dr. med. ... erstattete ein schriftliches Sachverständigengutachten und erläuterte dies mündlich. Wegen der schriftlichen Angaben des Sachverständigen wird auf Bl. 123 ff. d.A., wegen der mündlichen Erläuterungen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2003 (Bl. 153 ff. d.A.) Bezug genommen. Wegen der durchgeführten Behandlung wird auf die vorgelegten Behandlungsunterlagen einschließlich des Kinderuntersuchungshefts und des Mutterpasses Bezug genommen. Wegen des Gesundheitszustands des Klägers in der Zeit nach der Geburt bis heute wird auf die Schreiben Bl. 32, Bl. 60, Bl. 61, Bl. 69 und Bl. 88 d.A. Bezug genommen. Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
48 
Die Klage ist zulässig.
49 
Hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 2 ist das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ausreichend dargelegt.
50 
Ohne den Feststellungsantrag würde dem Kläger die Verjährung der weitergehenden Ansprüche drohen. Die Beklagten haben die Haftung außergerichtlich abgelehnt.
51 
Die Leistungsklage ist für den materiellen Schaden nicht vorrangig, da in der Natur der Sache liegend sich dieser Schaden mit fortschreitendem Alter des Klägers noch erhöhen wird und sich insbesondere erst in späteren Jahren durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Berufsauswahl und -ausübung manifestieren wird. Eine teilweise Bezifferung insbesondere hinsichtlich bereits entstandener Selbstbeteiligungen an Krankengymnastik oder sonstigen ärztlichen Behandlungen oder Beratungen ist nicht zu fordern (dazu Zöller, Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, § 256 Rz. 7 a).
II.
52 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte Ziff. 1 (dazu nachfolgend Ziff. 1) und der Beklagte Ziff. 2 (dazu nachfolgend Ziff. 2) haften für die beim Kläger bestehende Armplexusläsion gesamtschuldnerisch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR (dazu nachfolgend Ziff. 3) und auf Feststellung des materiellen Schadens (dazu nachfolgend Ziff. 4).
53 
1. Der Beklagte Ziff. 1 haftet für die beim Kläger eingetretene Armplexusläsion nach den §§ 823, 847 BGB.
54 
1.1 Dem Kläger kann ein deliktischer Ersatzanspruch zustehen, obwohl er während der Tätigkeit des Beklagten Ziff. 1 noch nicht rechtsfähig war im Sinne des § 1 BGB, so weit er im Mutterleib verletzt wurde und die weiteren Haftungsvoraussetzungen vorliegen (BGHZ 106, 153/155).
55 
1.2 Unstreitig wurde die Läsion des klägerischen Armplexus gerade während des vom Beklagten Ziff. 1 begleiteten Geburtsvorganges verursacht (dazu eigene Angabe des Beklagten Ziff. 1, Bl. 81 d.A.).
56 
1.3 Das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1, das zu der Schädigung des Klägers führte, war fehlerhaft.
57 
1.3.1 Als nicht fachgerecht ist dem Beklagten Ziff. 1 in diesem Zusammenhang zunächst vorzuwerfen, dass er auch nach Erkennen der Schulterdystokie den die Wehen fördernden Tropf nicht abhängte. Verhakt sich die Schulter des Kindes während der Geburt an der Symphyse, ist es sachgerecht, die Wehentätigkeit medikamentös zu unterbrechen (OLG Düsseldorf, OLG-Report 2002, 349/350). Statt dessen wurde, indem der Wehentropf nicht abhängt wurde, die Wehentätigkeit forciert. Der Sachverständige bezeichnete dies als unlogisch.
1.3.2
58 
Außerdem ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte Ziff. 1 zum Lösen der Schulterdystokie kein anerkanntes Verfahren durchführte. Er versuchte keine Lösung der Dystokie mit dem so genannten McRoberts-Manöver. Es ist unklar, auf welche Weise konkret er die Schulter löste.
59 
Zwar hat der Kläger den Nachweis dieser Tatsachen nicht unmittelbar erbracht. Der Beklagte Ziff. 1 stellte in seiner Anhörung dar, wie er den Kläger entwickelt haben will. Der Kläger hat diese Darstellung bestritten.
60 
Aus der Tatsache des Eintritts der Läsion lässt sich nicht sicher auf einen durch den Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler schließen: wie der Sachverständige erläuterte, kann es zu einer Schädigung wie der des Klägers auch kommen, wenn das Vorgehen bei der Geburt ärztlichem Standard entspricht. Der Schaden kann also auch schicksalhaft eintreten.
61 
Dem Kläger kommen aber Beweiserleichterungen zugute wegen nicht ausreichender Dokumentation des Geburtsablaufs durch den Beklagten Ziff. 1.
62 
Das Gericht stuft, sowohl nach Bewertung der Angaben des Sachverständigen, der die Dokumentation als Katastrophe bezeichnete, als auch durch Vergleich mit dem ansonsten durch die Rechtsprechung geforderten Umfang der Dokumentation eines Geburtsablaufs bei eingetretener Komplikation die Dokumentation als sehr unzulänglich ein. In der Dokumentation ist nicht festgehalten, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder um einen tiefen Schulterquerstand handelt, weshalb bereits nicht sicher einschätzbar ist, welche Handgriffe die richtigen sind (dazu OLG München OLGR 2000, 94). Das behauptete Manöver nach McRoberts ist ebenso wenig erwähnt wie das behauptete Kristellern nach Lösen der Dystokie. Der Dammschnitt ist dem Umfang nach nicht beschrieben. Die Art der Entwicklung des Klägers, also des Lösens der Dystokie, ist nicht genau beschrieben (dazu BGH VersR 1984, 354 ff.). Der Beklagte Ziff. 1 erläuterte, dass er die Dokumentation nicht selbst verfasst hätte und dass diese jedenfalls bezüglich der zeitlichen Abfolge nicht korrekt sei. Er müsse nämlich nach der Dokumentation bereits ca. um 4.32 Uhr im Kreißsaal gewesen sein, obwohl eine Verschlechterung des CTG erst für 4.40 Uhr dokumentiert ist und das Feststecken des Kopfes erst für 4.55 Uhr und er in Erinnerung hat, dass beide Komplikationen bereits eingetreten waren, als er den Kreißsaal betrat.
63 
Jedenfalls das Manöver nach McRoberts ist als Standardreaktion auf die eingetretene Geburtskomplikation ebenso dokumentationspflichtig wie die genaue Art der Entwicklung des Kindes.
64 
Unterbleibt die Dokumentation eines dokumentationspflichtigen Elements, wird vermutet, dass diese aus medizinischer Sicht erforderliche Maßnahme unterblieben ist (OLG Zweibrücken VersR 1997, 1103 ff.).
65 
Damit wird vorliegend jedenfalls vermutet, dass das Manöver nach McRoberts unterblieb.
1.3.3
66 
Das Unterlassen des anerkannten Verfahrens nach McRoberts wertet das Gericht als fehlerhaft. Es handelt sich insoweit, wie der Sachverständige darlegte, um das allgemein empfohlene, am wenigsten belastende, weil nicht invasive Verfahren. Im schriftlichen Gutachten bezeichnete der Sachverständige das Manöver ausdrücklich als "notwendig". Bei dieser nicht invasiven Methode besteht auch eine geringere Gefahr von Entzündungen (Bl. 156 d.A.). Unter Bewertung dieser Gesichtspunkte ist das Verfahren zur weitest möglichen Schonung und Gesunderhaltung von Mutter und Kind nach Überzeugung des Gerichts zuerst zu versuchen.
67 
Auch im Übrigen stuft das Gericht die Lösung der Dystokie durch den Beklagten Ziff. 1 als fehlerhaft ein. Wegen der fehlenden Dokumentation über die Art der tatsächlich stattgefundenen Entwicklung im Einzelnen besteht ein Aufklärungshindernis mit der Folge, dass die Beweissituation für den Kläger unbillig erschwert ist. Es ist ihm deshalb eine Beweiserleichterung zuzubilligen mit der Folge, dass der Behandlungsfehler als nachgewiesen gilt, wenn er nur ernsthaft in Betracht kommt (OLG Köln, VersR 1994, 1424, OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916 ff.). Wie der Sachverständige darlegte und sich auch aus der Rechtsprechung zur Schulterdystokie ergibt, kommt es bei dieser Geburtskomplikation gerade dann häufig zu einer Armplexusläsion, wenn überstürzte Extraktionsversuche, die als Behandlungsfehler einzustufen sind, durchgeführt werden.
68 
Offen bleiben kann, ob ein weiterer Fehler während der Entwicklung durch den vom Beklagten Ziff. 1 geschilderten Zug am Kopf des Klägers, der nach Lösen der Schulter erfolgt sein soll, begangen wurde. Der Sachverständige bezeichnete das Ziehen am Kopf als essentiellen Fehler jedenfalls für den Fall, dass er während der Dystokie erfolgt (Bl. 157 d.A.).
69 
1.4 Durch die vom Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler wurde die Armplexusläsion beim Kläger verursacht.
1.4.1
70 
Teilweise wird in der Rechtsprechung bei mangelhafter Dokumentation des Geburtsablaufs die Beweiserleichterung ohne weiteres auch auf die Frage der Kausalität ausgedehnt (OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 303; OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916; OLG Köln, VersR 1994, 1424 ff.).
71 
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an und geht bereits deshalb von einer Kausalität aus, nachdem der Sachverständige überzeugend darlegte, dass ärztliches Fehlverhalten wie das des Beklagten Ziff. 1 zur Verursachung der Läsion geeignet ist. Gerade weil die wesentlichen Schritte des Geburtsablaufs und die genaue Lage des Klägers nicht dokumentiert sind, ist es dem Gericht nicht möglich, im Einzelnen nachzuvollziehen, wie die Geburt ablief. Gerade deshalb ist auch nicht genau festzustellen, worin nun das Fehlverhalten des Beklagten Ziff. 1 lag. Würde man in dieser Situation die Kausalität ablehnen mit der Begründung, der Behandlungsfehler, von dem auszugehen sei, sei nicht nachweisbar grob, weshalb der Nachweis, dass gerade dieser den Schaden verursachte, nicht geführt sei, würde man den Kläger doch wieder in eine für ihn gerade wegen der unzureichenden Dokumentation billigerweise nicht mehr zumutbare Beweissituation bringen.
1.4.2
72 
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, würde man sich oben genannter Ansicht nicht anschließen, jedenfalls von der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Schaden auszugehen wäre, weil das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1 auch als grob fehlerhaft mit der Folge der Beweislastumkehr einzustufen ist. Die Nichtursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung für den eingetretenen Schaden vermochte der Beklagte Ziff. 1 nicht zu beweisen. Die Versäumnisse des Beklagten Ziff. 1 sind geeignet, den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsschaden hervorzurufen.
73 
Zwar wollte der Sachverständige die Einschätzung eines groben Behandlungsfehlers, also eines eindeutigen Verstoßes gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und einen Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (so BGH u.a. in VersR 1999, 231), nicht treffen. Die abschließende Beurteilung des ärztlichen Verhaltens im Sinne eines groben Behandlungsfehlers obliegt aber dem Tatrichter, wobei seine juristische Gewichtung des ärztlichen Vorgehens durch die vom Sachverständigen mitgeteilten medizinischen Fakten getragen sein muss (BGH NJW 2000, 2737/2739). Die Kammer wertet unter Berücksichtigung dieser Kriterien die Behandlung durch den Beklagten Ziff. 1 als grob fehlerhaft. Es stellt bereits einen erheblichen Fehler dar, bei einer Schulterdystokie nicht auf anerkannte Manöver zur Schulterlösung zurückzugreifen. Darüber hinaus wurde vorliegend aber auch noch, geradezu kontraproduktiv, die Wehentätigkeit durch Weitergabe des Tropfes forciert. Der Sachverständige stufte dies nicht nur als fehlerhaft ein, er erläuterte auch, dass es sogar umgekehrt angezeigt gewesen wäre, Wehen hemmende Mittel zu verabreichen (dazu auch OLG Düsseldorf, OLGR 2002, 349/350). Insofern hat der Beklagte Ziff. 1 nicht nur durch ein Unterlassen die Situation weiter verschlechtert, sondern außerdem eine Möglichkeit der Entspannung der Situation und damit eine Möglichkeit, der Gesunderhaltung von Mutter und Kind zu dienen, nicht genutzt. Beide Fehler des Beklagten Ziff. 1, die fehlerhafte Entwicklung des Kindes und die fehlerhafte Wehenforcierung statt der Wehenhemmung sind als Gesamtheit zu betrachten (BGH NJW 2000, 2737/2739; OLG Stuttgart, VersR 1994, 1114 ff.).
74 
So weit der Sachverständige meinte, das Fehlverhalten sei aufgrund der hektischen Situation während der komplikationsbeladenen Geburt nachvollziehbar, stellt dies ein nicht medizinisches Argument dar, das für das Gericht nicht bindend und nicht einleuchtend ist.
75 
So weit der Sachverständige den groben Behandlungsfehler ablehnte unter Hinweis darauf, dass die Schulter ja gelöst worden sei, ist dies nicht stichhaltig. Die Lösung erfolgte gerade nicht nachweisbar ohne Schädigung des Klägers. Es ist gerade unklar geblieben, wie im Einzelnen die Schulterlösung erfolgte. Diese Unklarheit, die auch bedeuten kann, dass während des Vorgangs des Lösens der Schulter massiv fehlerhaft vorgegangen wurde, beruht auf der mangelhaften Dokumentation und geht deshalb zu Lasten des Beklagten Ziff. 1.
76 
2. Auch der Beklagte Ziff. 2 ist für den beim Kläger eingetretenen Schaden deliktisch verantwortlich.
77 
2.1 Es ist naheliegend, dass der Beklagte Ziff. 2 nach §§ 823, 847 BGB haftet unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Körperverletzung wegen Einleitung einer vaginalen Entbindung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr ohne hinreichende vorherige Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung und damit ohne wirksame Einwilligung (dazu OLG Hamm, VersR 1997, 1403 ff.). Die Frage kann letztlich aber offen bleiben.
78 
Es ist anerkannt, dass nicht vor jeder Geburt die Alternative der Sectio mit der werdenden Mutter angesprochen werden muss. Eine Aufklärung über diesen anderen Geburtsweg ist erst notwendig, wenn bei der vaginalen Geburt dem Kind ernst zu nehmende Gefahren drohen und daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine abdominale Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung der Konstitution der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt (OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 310/311 m. w. Nachw.; OLG München, VersR 1994, 1345).
79 
Zwar hat der Sachverständige im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens dargelegt, dass allein die sonographische Gewichtsschätzung im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen wäre zum Stellen der Indikation einer primären Schnittentbindung und zur Aufklärung über die Schnittentbindung als ernsthafte Alternative zur Vaginalentbindung. Er begründete dies maßgeblich damit, dass der Kläger zwar tatsächlich ein Geburtsgewicht aufwies, das Anlass gewesen wäre, eine Sectio in Betracht zu ziehen (bei Mutter ohne Diabetes ab 5.000 g Kindsgewicht), dass dieses Gewicht aber angesichts fehlender Schätzsicherheit nicht völlig zu-verlässig durch eine sonographische Gewichtsschätzung zu ermitteln gewesen wäre. Andererseits aber erläuterte der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung die Umstände des Einzelfalls näher. So legte er dar, dass die Messung bereits falsch erfolgte, weil entgegen den Vorgaben des Mutterpasses auf Außenmessung mittig gemessen wurde und damit Werte erzielt wurden, die zu niedrig waren. Außerdem ist das Entscheidende nicht die mit Ungenauigkeiten behaftete Gewichtsbestimmung, sondern die Messung von Kopf und Bauch und die Bewertung der dabei gewonnenen Ergebnisse. Diese Messung hatte bereits in der 32. Schwangerschaftswoche ergeben, dass der Kopf eine Woche, der Bauch aber drei Wochen weiter gewachsen war und sich also ein Missverhältnis von Kopf und Körper abzeichnete. Auch die tatsächliche Kopfgröße des Klägers bei der Geburt von 35 cm zeigt, dass es nicht möglich gewesen wäre, einen kleinen Bauch zu messen unter Berücksichtigung des Gesamtgewichts des Klägers. Außerdem erklärte der Sachverständige, dass das tatsächliche Geburtsgewicht mit 5.000 g enorm gewesen sei und dies hätte auffallen müssen. So hätte das Kind bei einer Ultraschallaufnahme vor der Geburt kaum auf den Bildschirm passen können. Nach alledem liegt, wie auch der Sachverständige mündlich bestätigte, nahe, dass man auch bei Betrachtung der körperlichen Konstitution der Mutter vorliegend nach Durchführung der gebotenen Untersuchungen an die Schnittenbindung als Alternative denken musste. Wegen des absehbar großen Bauches des Kindes war deutlich, dass es bei einer vaginalen Geburt zu Problemen kommen könnte. Auch der Sachverständige hätte vorliegend mit der Patientin die Situation besprochen, sie also über die Sectio aufgeklärt. Es wäre dann Entscheidung der Mutter des Klägers gewesen, welche Art der Geburt sie wählt (dazu auch OLG Frankfurt, OLGR 2003, 55).
80 
Die Mutter des Klägers legte unwidersprochen dar, dass sie sich nach der Aufklärung nicht nur in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, sondern auch, dass sie in eine Sectio eingewilligt hätte (Bl. 160 d.A.).
81 
2.2 Jedenfalls haftet der Beklagte Ziff. 2 nach § 831 BGB für die vom Beklagten Ziff. 1 begangenen Fehler.
82 
Der Beklagte Ziff. 2 war der Arzt, der die Mutter des Klägers auf vertraglicher Grundlage während der Schwangerschaft betreut hatte. Er war auch Belegarzt in dem Krankenhaus, in dem die Geburt durchgeführt wurde. Als sich die Klägerin dorthin begab, um bei der Geburt betreut zu werden und dort vom Beklagten Ziff. 2 zunächst behandelt wurde, wurde der aus der Zeit der Schwangerschaft bestehende Behandlungsvertrag fortgesetzt. Der Beklagte Ziff. 1 war während seiner späteren Betreuung der Mutter des Klägers als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 anzusehen: er war während der Zeit der Abwesenheit des Beklagten Ziff. 2 zeitweilig als dessen Vertreter beauftragt, dessen ärztliche Tätigkeiten wahrzunehmen. Dass er dabei eigenes ärztliches Ermessen walten ließ, schadet nicht, weil es für die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 831 BGB genügt, dass, wie vorliegend aufgrund der vertraglichen Beziehung zur Mutter des Klägers, sich der Beklagte Ziff. 1 im Allgemeinen nach den Vorstellungen des Beklagten Ziff. 2 bei der Behandlung der Mutter des Klägers zu richten hatte (zur Zurechnung bei belegärztlicher Behandlung und Urlaubsvertretung allgemein BGH, NJW 2000, 2737; konkret zum zwischen dem Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 bestehenden Rechtsverhältnis OLG Stuttgart, VersR 2002, 235 ff.).
83 
Der Beklagte Ziff. 1 beging die oben geschilderten Behandlungsfehler zum Nachteil des Klägers in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung. Die Schadenszurechnung zum Beklagten Ziff. 2 entspricht der unter I 1 dargestellten.
84 
Der Beklagte Ziff. 2 vermochte sich nicht zu exkulpieren. Er hat hierzu nicht vorgetragen.
85 
2.3 Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte Ziff. 2 außerdem einen eigenen Behandlungsfehler beging, als er bei der Untersuchung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr, als die Mutter des Klägers das Krankenhaus aufsuchte, keine Ultraschalluntersuchung durchführte. Mit dem Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt eine solche Untersuchung angezeigt gewesen wäre. Die letzte Ultraschalluntersuchung mit Fetometrie hatte am 18.10.1994 stattgefunden und lag damit nahezu zwei Monate zurück. Bereits diese hatte Hinweise auf ein makrosomes Kind ergeben. Außerdem hatte die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft überdurchschnittlich an Gewicht zugelegt und bereits zwei Kinder mit einem erheblichen Geburtsgewicht zur Welt gebracht.
86 
Zwar ist bei diesem Fehler des nicht durchgeführten Ultraschalls durch den Beklagten Ziff. 2, betrachtet man ihn isoliert, nicht sicher, dass ein fehlerfreies Verhalten, also die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung, tatsächlich zu einem anderen Geburtsverlauf geführt und eine Schädigung des Klägers vermieden hätte. Dem Kläger kommt hier jedoch wiederum eine Beweislastumkehr zugute: zwar ist für das Gericht die Einschätzung des Sachverständigen, dass das Unterlassen der Ultraschalluntersuchung für sich betrachtet nicht grob fahrlässig war, noch nachvollziehbar: indes muss beim groben Behandlungsfehler auf den Gesamtverlauf der Geburt als einheitlichen Vorgang abgestellt werden. Für die Patientin stellt sich das Geschehen ab der Aufnahme in der Klinik in der Nacht des 15.12. bis zur Geburt des Klägers als einheitlicher Vorgang und damit als insgesamt zu bewertende Einheit dar. Dementsprechend müssen auch die späteren durch den Beklagten Ziff. 1 begangenen Behandlungsfehler in diese Gesamtschau einbezogen werden, da der Beklagte Ziff. 1 als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 auftrat und damit dem Beklagten Ziff. 2 dessen Handeln zuzurechnen ist. Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass das sowieso bereits während des Endstadiums der Geburt grob fehlerhafte Vorgehen sich bei Berücksichtigung des weiteren Fehlers, der unterlassenen Ultraschalluntersuchung, im noch stärkeren Maße als grob fehlerhaft darstellt.
87 
Den Nachweis, dass die unterlassene Untersuchung nicht schadensursächlich war, vermochte der Beklagte Ziff. 2 nicht zu führen.
88 
3. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR zu bezahlen.
89 
3.1 Auf den Rechtsstreit ist § 847 BGB anwendbar (Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).
90 
3.2 Es erscheint ein Zahlbetrag von 50.000 EUR als angemessen (so auch OLG Frankfurt, OLGReport 2003, 55; OLG Hamm VersR 1997, 1403).
91 
Der Kläger ist seit seiner Geburt und lebenslang körperlich behindert. Sein rechter Arm ist um ca. 10 cm verkürzt. Er vermag den Arm, wie das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst feststellte, nicht anzuwinkeln. Er kann seine rechte Hand nur grobmotorisch nutzen - so demonstrierte er dem Gericht, dass er einen Stift zwar greifen, aber diesen dann nicht nutzen kann.
92 
Die Behinderung ist immer wieder Anlass für krankengymnastische oder ärztliche Behandlungen. Diese stören die Möglichkeit, zu einem möglichst normalen alltäglichen Leben zu finden.
93 
Wegen dieser körperlichen Beeinträchtigung ist der Kläger in seinem Alltag insgesamt sehr eingeschränkt. Für gesunde Menschen gängige Handreichungen sind ihm unmöglich. Er ist dauerhaft gehindert, zahlreiche Sportarten auszuüben und handwerklichen Hobbys oder Berufen nachzugehen, weil diese die Nutzung zweier Arme bzw. Hände erfordern. Die Behinderung ist optisch erkennbar. Sie wird ihn auch in der Berufsauswahl und -ausübung insgesamt und möglicherweise auch in den sozialen Beziehungen zu anderen Menschen beeinträchtigen.
94 
3.3 Der Betrag ist ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Ein Vortrag, der einen früheren Zinszeitpunkt schlüssig begründen würde, fehlt.
95 
4. Auch der Feststellungsantrag ist begründet.
96 
Bereits die unter 3. geschilderten offensichtlichen Gegebenheiten machen deutlich, dass dem Kläger in Vergangenheit und Zukunft Kosten entstehen und Erwerbsmöglichkeiten fehlen, von denen ein Mensch, der nicht von den Folgen des von den Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers betroffen ist, nicht berührt wäre.
III.
97 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
98 
Der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zugrunde.

Gründe

 
I.
48 
Die Klage ist zulässig.
49 
Hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 2 ist das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ausreichend dargelegt.
50 
Ohne den Feststellungsantrag würde dem Kläger die Verjährung der weitergehenden Ansprüche drohen. Die Beklagten haben die Haftung außergerichtlich abgelehnt.
51 
Die Leistungsklage ist für den materiellen Schaden nicht vorrangig, da in der Natur der Sache liegend sich dieser Schaden mit fortschreitendem Alter des Klägers noch erhöhen wird und sich insbesondere erst in späteren Jahren durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Berufsauswahl und -ausübung manifestieren wird. Eine teilweise Bezifferung insbesondere hinsichtlich bereits entstandener Selbstbeteiligungen an Krankengymnastik oder sonstigen ärztlichen Behandlungen oder Beratungen ist nicht zu fordern (dazu Zöller, Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, § 256 Rz. 7 a).
II.
52 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte Ziff. 1 (dazu nachfolgend Ziff. 1) und der Beklagte Ziff. 2 (dazu nachfolgend Ziff. 2) haften für die beim Kläger bestehende Armplexusläsion gesamtschuldnerisch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR (dazu nachfolgend Ziff. 3) und auf Feststellung des materiellen Schadens (dazu nachfolgend Ziff. 4).
53 
1. Der Beklagte Ziff. 1 haftet für die beim Kläger eingetretene Armplexusläsion nach den §§ 823, 847 BGB.
54 
1.1 Dem Kläger kann ein deliktischer Ersatzanspruch zustehen, obwohl er während der Tätigkeit des Beklagten Ziff. 1 noch nicht rechtsfähig war im Sinne des § 1 BGB, so weit er im Mutterleib verletzt wurde und die weiteren Haftungsvoraussetzungen vorliegen (BGHZ 106, 153/155).
55 
1.2 Unstreitig wurde die Läsion des klägerischen Armplexus gerade während des vom Beklagten Ziff. 1 begleiteten Geburtsvorganges verursacht (dazu eigene Angabe des Beklagten Ziff. 1, Bl. 81 d.A.).
56 
1.3 Das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1, das zu der Schädigung des Klägers führte, war fehlerhaft.
57 
1.3.1 Als nicht fachgerecht ist dem Beklagten Ziff. 1 in diesem Zusammenhang zunächst vorzuwerfen, dass er auch nach Erkennen der Schulterdystokie den die Wehen fördernden Tropf nicht abhängte. Verhakt sich die Schulter des Kindes während der Geburt an der Symphyse, ist es sachgerecht, die Wehentätigkeit medikamentös zu unterbrechen (OLG Düsseldorf, OLG-Report 2002, 349/350). Statt dessen wurde, indem der Wehentropf nicht abhängt wurde, die Wehentätigkeit forciert. Der Sachverständige bezeichnete dies als unlogisch.
1.3.2
58 
Außerdem ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte Ziff. 1 zum Lösen der Schulterdystokie kein anerkanntes Verfahren durchführte. Er versuchte keine Lösung der Dystokie mit dem so genannten McRoberts-Manöver. Es ist unklar, auf welche Weise konkret er die Schulter löste.
59 
Zwar hat der Kläger den Nachweis dieser Tatsachen nicht unmittelbar erbracht. Der Beklagte Ziff. 1 stellte in seiner Anhörung dar, wie er den Kläger entwickelt haben will. Der Kläger hat diese Darstellung bestritten.
60 
Aus der Tatsache des Eintritts der Läsion lässt sich nicht sicher auf einen durch den Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler schließen: wie der Sachverständige erläuterte, kann es zu einer Schädigung wie der des Klägers auch kommen, wenn das Vorgehen bei der Geburt ärztlichem Standard entspricht. Der Schaden kann also auch schicksalhaft eintreten.
61 
Dem Kläger kommen aber Beweiserleichterungen zugute wegen nicht ausreichender Dokumentation des Geburtsablaufs durch den Beklagten Ziff. 1.
62 
Das Gericht stuft, sowohl nach Bewertung der Angaben des Sachverständigen, der die Dokumentation als Katastrophe bezeichnete, als auch durch Vergleich mit dem ansonsten durch die Rechtsprechung geforderten Umfang der Dokumentation eines Geburtsablaufs bei eingetretener Komplikation die Dokumentation als sehr unzulänglich ein. In der Dokumentation ist nicht festgehalten, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder um einen tiefen Schulterquerstand handelt, weshalb bereits nicht sicher einschätzbar ist, welche Handgriffe die richtigen sind (dazu OLG München OLGR 2000, 94). Das behauptete Manöver nach McRoberts ist ebenso wenig erwähnt wie das behauptete Kristellern nach Lösen der Dystokie. Der Dammschnitt ist dem Umfang nach nicht beschrieben. Die Art der Entwicklung des Klägers, also des Lösens der Dystokie, ist nicht genau beschrieben (dazu BGH VersR 1984, 354 ff.). Der Beklagte Ziff. 1 erläuterte, dass er die Dokumentation nicht selbst verfasst hätte und dass diese jedenfalls bezüglich der zeitlichen Abfolge nicht korrekt sei. Er müsse nämlich nach der Dokumentation bereits ca. um 4.32 Uhr im Kreißsaal gewesen sein, obwohl eine Verschlechterung des CTG erst für 4.40 Uhr dokumentiert ist und das Feststecken des Kopfes erst für 4.55 Uhr und er in Erinnerung hat, dass beide Komplikationen bereits eingetreten waren, als er den Kreißsaal betrat.
63 
Jedenfalls das Manöver nach McRoberts ist als Standardreaktion auf die eingetretene Geburtskomplikation ebenso dokumentationspflichtig wie die genaue Art der Entwicklung des Kindes.
64 
Unterbleibt die Dokumentation eines dokumentationspflichtigen Elements, wird vermutet, dass diese aus medizinischer Sicht erforderliche Maßnahme unterblieben ist (OLG Zweibrücken VersR 1997, 1103 ff.).
65 
Damit wird vorliegend jedenfalls vermutet, dass das Manöver nach McRoberts unterblieb.
1.3.3
66 
Das Unterlassen des anerkannten Verfahrens nach McRoberts wertet das Gericht als fehlerhaft. Es handelt sich insoweit, wie der Sachverständige darlegte, um das allgemein empfohlene, am wenigsten belastende, weil nicht invasive Verfahren. Im schriftlichen Gutachten bezeichnete der Sachverständige das Manöver ausdrücklich als "notwendig". Bei dieser nicht invasiven Methode besteht auch eine geringere Gefahr von Entzündungen (Bl. 156 d.A.). Unter Bewertung dieser Gesichtspunkte ist das Verfahren zur weitest möglichen Schonung und Gesunderhaltung von Mutter und Kind nach Überzeugung des Gerichts zuerst zu versuchen.
67 
Auch im Übrigen stuft das Gericht die Lösung der Dystokie durch den Beklagten Ziff. 1 als fehlerhaft ein. Wegen der fehlenden Dokumentation über die Art der tatsächlich stattgefundenen Entwicklung im Einzelnen besteht ein Aufklärungshindernis mit der Folge, dass die Beweissituation für den Kläger unbillig erschwert ist. Es ist ihm deshalb eine Beweiserleichterung zuzubilligen mit der Folge, dass der Behandlungsfehler als nachgewiesen gilt, wenn er nur ernsthaft in Betracht kommt (OLG Köln, VersR 1994, 1424, OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916 ff.). Wie der Sachverständige darlegte und sich auch aus der Rechtsprechung zur Schulterdystokie ergibt, kommt es bei dieser Geburtskomplikation gerade dann häufig zu einer Armplexusläsion, wenn überstürzte Extraktionsversuche, die als Behandlungsfehler einzustufen sind, durchgeführt werden.
68 
Offen bleiben kann, ob ein weiterer Fehler während der Entwicklung durch den vom Beklagten Ziff. 1 geschilderten Zug am Kopf des Klägers, der nach Lösen der Schulter erfolgt sein soll, begangen wurde. Der Sachverständige bezeichnete das Ziehen am Kopf als essentiellen Fehler jedenfalls für den Fall, dass er während der Dystokie erfolgt (Bl. 157 d.A.).
69 
1.4 Durch die vom Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler wurde die Armplexusläsion beim Kläger verursacht.
1.4.1
70 
Teilweise wird in der Rechtsprechung bei mangelhafter Dokumentation des Geburtsablaufs die Beweiserleichterung ohne weiteres auch auf die Frage der Kausalität ausgedehnt (OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 303; OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916; OLG Köln, VersR 1994, 1424 ff.).
71 
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an und geht bereits deshalb von einer Kausalität aus, nachdem der Sachverständige überzeugend darlegte, dass ärztliches Fehlverhalten wie das des Beklagten Ziff. 1 zur Verursachung der Läsion geeignet ist. Gerade weil die wesentlichen Schritte des Geburtsablaufs und die genaue Lage des Klägers nicht dokumentiert sind, ist es dem Gericht nicht möglich, im Einzelnen nachzuvollziehen, wie die Geburt ablief. Gerade deshalb ist auch nicht genau festzustellen, worin nun das Fehlverhalten des Beklagten Ziff. 1 lag. Würde man in dieser Situation die Kausalität ablehnen mit der Begründung, der Behandlungsfehler, von dem auszugehen sei, sei nicht nachweisbar grob, weshalb der Nachweis, dass gerade dieser den Schaden verursachte, nicht geführt sei, würde man den Kläger doch wieder in eine für ihn gerade wegen der unzureichenden Dokumentation billigerweise nicht mehr zumutbare Beweissituation bringen.
1.4.2
72 
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, würde man sich oben genannter Ansicht nicht anschließen, jedenfalls von der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Schaden auszugehen wäre, weil das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1 auch als grob fehlerhaft mit der Folge der Beweislastumkehr einzustufen ist. Die Nichtursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung für den eingetretenen Schaden vermochte der Beklagte Ziff. 1 nicht zu beweisen. Die Versäumnisse des Beklagten Ziff. 1 sind geeignet, den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsschaden hervorzurufen.
73 
Zwar wollte der Sachverständige die Einschätzung eines groben Behandlungsfehlers, also eines eindeutigen Verstoßes gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und einen Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (so BGH u.a. in VersR 1999, 231), nicht treffen. Die abschließende Beurteilung des ärztlichen Verhaltens im Sinne eines groben Behandlungsfehlers obliegt aber dem Tatrichter, wobei seine juristische Gewichtung des ärztlichen Vorgehens durch die vom Sachverständigen mitgeteilten medizinischen Fakten getragen sein muss (BGH NJW 2000, 2737/2739). Die Kammer wertet unter Berücksichtigung dieser Kriterien die Behandlung durch den Beklagten Ziff. 1 als grob fehlerhaft. Es stellt bereits einen erheblichen Fehler dar, bei einer Schulterdystokie nicht auf anerkannte Manöver zur Schulterlösung zurückzugreifen. Darüber hinaus wurde vorliegend aber auch noch, geradezu kontraproduktiv, die Wehentätigkeit durch Weitergabe des Tropfes forciert. Der Sachverständige stufte dies nicht nur als fehlerhaft ein, er erläuterte auch, dass es sogar umgekehrt angezeigt gewesen wäre, Wehen hemmende Mittel zu verabreichen (dazu auch OLG Düsseldorf, OLGR 2002, 349/350). Insofern hat der Beklagte Ziff. 1 nicht nur durch ein Unterlassen die Situation weiter verschlechtert, sondern außerdem eine Möglichkeit der Entspannung der Situation und damit eine Möglichkeit, der Gesunderhaltung von Mutter und Kind zu dienen, nicht genutzt. Beide Fehler des Beklagten Ziff. 1, die fehlerhafte Entwicklung des Kindes und die fehlerhafte Wehenforcierung statt der Wehenhemmung sind als Gesamtheit zu betrachten (BGH NJW 2000, 2737/2739; OLG Stuttgart, VersR 1994, 1114 ff.).
74 
So weit der Sachverständige meinte, das Fehlverhalten sei aufgrund der hektischen Situation während der komplikationsbeladenen Geburt nachvollziehbar, stellt dies ein nicht medizinisches Argument dar, das für das Gericht nicht bindend und nicht einleuchtend ist.
75 
So weit der Sachverständige den groben Behandlungsfehler ablehnte unter Hinweis darauf, dass die Schulter ja gelöst worden sei, ist dies nicht stichhaltig. Die Lösung erfolgte gerade nicht nachweisbar ohne Schädigung des Klägers. Es ist gerade unklar geblieben, wie im Einzelnen die Schulterlösung erfolgte. Diese Unklarheit, die auch bedeuten kann, dass während des Vorgangs des Lösens der Schulter massiv fehlerhaft vorgegangen wurde, beruht auf der mangelhaften Dokumentation und geht deshalb zu Lasten des Beklagten Ziff. 1.
76 
2. Auch der Beklagte Ziff. 2 ist für den beim Kläger eingetretenen Schaden deliktisch verantwortlich.
77 
2.1 Es ist naheliegend, dass der Beklagte Ziff. 2 nach §§ 823, 847 BGB haftet unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Körperverletzung wegen Einleitung einer vaginalen Entbindung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr ohne hinreichende vorherige Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung und damit ohne wirksame Einwilligung (dazu OLG Hamm, VersR 1997, 1403 ff.). Die Frage kann letztlich aber offen bleiben.
78 
Es ist anerkannt, dass nicht vor jeder Geburt die Alternative der Sectio mit der werdenden Mutter angesprochen werden muss. Eine Aufklärung über diesen anderen Geburtsweg ist erst notwendig, wenn bei der vaginalen Geburt dem Kind ernst zu nehmende Gefahren drohen und daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine abdominale Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung der Konstitution der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt (OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 310/311 m. w. Nachw.; OLG München, VersR 1994, 1345).
79 
Zwar hat der Sachverständige im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens dargelegt, dass allein die sonographische Gewichtsschätzung im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen wäre zum Stellen der Indikation einer primären Schnittentbindung und zur Aufklärung über die Schnittentbindung als ernsthafte Alternative zur Vaginalentbindung. Er begründete dies maßgeblich damit, dass der Kläger zwar tatsächlich ein Geburtsgewicht aufwies, das Anlass gewesen wäre, eine Sectio in Betracht zu ziehen (bei Mutter ohne Diabetes ab 5.000 g Kindsgewicht), dass dieses Gewicht aber angesichts fehlender Schätzsicherheit nicht völlig zu-verlässig durch eine sonographische Gewichtsschätzung zu ermitteln gewesen wäre. Andererseits aber erläuterte der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung die Umstände des Einzelfalls näher. So legte er dar, dass die Messung bereits falsch erfolgte, weil entgegen den Vorgaben des Mutterpasses auf Außenmessung mittig gemessen wurde und damit Werte erzielt wurden, die zu niedrig waren. Außerdem ist das Entscheidende nicht die mit Ungenauigkeiten behaftete Gewichtsbestimmung, sondern die Messung von Kopf und Bauch und die Bewertung der dabei gewonnenen Ergebnisse. Diese Messung hatte bereits in der 32. Schwangerschaftswoche ergeben, dass der Kopf eine Woche, der Bauch aber drei Wochen weiter gewachsen war und sich also ein Missverhältnis von Kopf und Körper abzeichnete. Auch die tatsächliche Kopfgröße des Klägers bei der Geburt von 35 cm zeigt, dass es nicht möglich gewesen wäre, einen kleinen Bauch zu messen unter Berücksichtigung des Gesamtgewichts des Klägers. Außerdem erklärte der Sachverständige, dass das tatsächliche Geburtsgewicht mit 5.000 g enorm gewesen sei und dies hätte auffallen müssen. So hätte das Kind bei einer Ultraschallaufnahme vor der Geburt kaum auf den Bildschirm passen können. Nach alledem liegt, wie auch der Sachverständige mündlich bestätigte, nahe, dass man auch bei Betrachtung der körperlichen Konstitution der Mutter vorliegend nach Durchführung der gebotenen Untersuchungen an die Schnittenbindung als Alternative denken musste. Wegen des absehbar großen Bauches des Kindes war deutlich, dass es bei einer vaginalen Geburt zu Problemen kommen könnte. Auch der Sachverständige hätte vorliegend mit der Patientin die Situation besprochen, sie also über die Sectio aufgeklärt. Es wäre dann Entscheidung der Mutter des Klägers gewesen, welche Art der Geburt sie wählt (dazu auch OLG Frankfurt, OLGR 2003, 55).
80 
Die Mutter des Klägers legte unwidersprochen dar, dass sie sich nach der Aufklärung nicht nur in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, sondern auch, dass sie in eine Sectio eingewilligt hätte (Bl. 160 d.A.).
81 
2.2 Jedenfalls haftet der Beklagte Ziff. 2 nach § 831 BGB für die vom Beklagten Ziff. 1 begangenen Fehler.
82 
Der Beklagte Ziff. 2 war der Arzt, der die Mutter des Klägers auf vertraglicher Grundlage während der Schwangerschaft betreut hatte. Er war auch Belegarzt in dem Krankenhaus, in dem die Geburt durchgeführt wurde. Als sich die Klägerin dorthin begab, um bei der Geburt betreut zu werden und dort vom Beklagten Ziff. 2 zunächst behandelt wurde, wurde der aus der Zeit der Schwangerschaft bestehende Behandlungsvertrag fortgesetzt. Der Beklagte Ziff. 1 war während seiner späteren Betreuung der Mutter des Klägers als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 anzusehen: er war während der Zeit der Abwesenheit des Beklagten Ziff. 2 zeitweilig als dessen Vertreter beauftragt, dessen ärztliche Tätigkeiten wahrzunehmen. Dass er dabei eigenes ärztliches Ermessen walten ließ, schadet nicht, weil es für die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 831 BGB genügt, dass, wie vorliegend aufgrund der vertraglichen Beziehung zur Mutter des Klägers, sich der Beklagte Ziff. 1 im Allgemeinen nach den Vorstellungen des Beklagten Ziff. 2 bei der Behandlung der Mutter des Klägers zu richten hatte (zur Zurechnung bei belegärztlicher Behandlung und Urlaubsvertretung allgemein BGH, NJW 2000, 2737; konkret zum zwischen dem Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 bestehenden Rechtsverhältnis OLG Stuttgart, VersR 2002, 235 ff.).
83 
Der Beklagte Ziff. 1 beging die oben geschilderten Behandlungsfehler zum Nachteil des Klägers in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung. Die Schadenszurechnung zum Beklagten Ziff. 2 entspricht der unter I 1 dargestellten.
84 
Der Beklagte Ziff. 2 vermochte sich nicht zu exkulpieren. Er hat hierzu nicht vorgetragen.
85 
2.3 Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte Ziff. 2 außerdem einen eigenen Behandlungsfehler beging, als er bei der Untersuchung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr, als die Mutter des Klägers das Krankenhaus aufsuchte, keine Ultraschalluntersuchung durchführte. Mit dem Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt eine solche Untersuchung angezeigt gewesen wäre. Die letzte Ultraschalluntersuchung mit Fetometrie hatte am 18.10.1994 stattgefunden und lag damit nahezu zwei Monate zurück. Bereits diese hatte Hinweise auf ein makrosomes Kind ergeben. Außerdem hatte die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft überdurchschnittlich an Gewicht zugelegt und bereits zwei Kinder mit einem erheblichen Geburtsgewicht zur Welt gebracht.
86 
Zwar ist bei diesem Fehler des nicht durchgeführten Ultraschalls durch den Beklagten Ziff. 2, betrachtet man ihn isoliert, nicht sicher, dass ein fehlerfreies Verhalten, also die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung, tatsächlich zu einem anderen Geburtsverlauf geführt und eine Schädigung des Klägers vermieden hätte. Dem Kläger kommt hier jedoch wiederum eine Beweislastumkehr zugute: zwar ist für das Gericht die Einschätzung des Sachverständigen, dass das Unterlassen der Ultraschalluntersuchung für sich betrachtet nicht grob fahrlässig war, noch nachvollziehbar: indes muss beim groben Behandlungsfehler auf den Gesamtverlauf der Geburt als einheitlichen Vorgang abgestellt werden. Für die Patientin stellt sich das Geschehen ab der Aufnahme in der Klinik in der Nacht des 15.12. bis zur Geburt des Klägers als einheitlicher Vorgang und damit als insgesamt zu bewertende Einheit dar. Dementsprechend müssen auch die späteren durch den Beklagten Ziff. 1 begangenen Behandlungsfehler in diese Gesamtschau einbezogen werden, da der Beklagte Ziff. 1 als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 auftrat und damit dem Beklagten Ziff. 2 dessen Handeln zuzurechnen ist. Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass das sowieso bereits während des Endstadiums der Geburt grob fehlerhafte Vorgehen sich bei Berücksichtigung des weiteren Fehlers, der unterlassenen Ultraschalluntersuchung, im noch stärkeren Maße als grob fehlerhaft darstellt.
87 
Den Nachweis, dass die unterlassene Untersuchung nicht schadensursächlich war, vermochte der Beklagte Ziff. 2 nicht zu führen.
88 
3. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR zu bezahlen.
89 
3.1 Auf den Rechtsstreit ist § 847 BGB anwendbar (Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).
90 
3.2 Es erscheint ein Zahlbetrag von 50.000 EUR als angemessen (so auch OLG Frankfurt, OLGReport 2003, 55; OLG Hamm VersR 1997, 1403).
91 
Der Kläger ist seit seiner Geburt und lebenslang körperlich behindert. Sein rechter Arm ist um ca. 10 cm verkürzt. Er vermag den Arm, wie das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst feststellte, nicht anzuwinkeln. Er kann seine rechte Hand nur grobmotorisch nutzen - so demonstrierte er dem Gericht, dass er einen Stift zwar greifen, aber diesen dann nicht nutzen kann.
92 
Die Behinderung ist immer wieder Anlass für krankengymnastische oder ärztliche Behandlungen. Diese stören die Möglichkeit, zu einem möglichst normalen alltäglichen Leben zu finden.
93 
Wegen dieser körperlichen Beeinträchtigung ist der Kläger in seinem Alltag insgesamt sehr eingeschränkt. Für gesunde Menschen gängige Handreichungen sind ihm unmöglich. Er ist dauerhaft gehindert, zahlreiche Sportarten auszuüben und handwerklichen Hobbys oder Berufen nachzugehen, weil diese die Nutzung zweier Arme bzw. Hände erfordern. Die Behinderung ist optisch erkennbar. Sie wird ihn auch in der Berufsauswahl und -ausübung insgesamt und möglicherweise auch in den sozialen Beziehungen zu anderen Menschen beeinträchtigen.
94 
3.3 Der Betrag ist ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Ein Vortrag, der einen früheren Zinszeitpunkt schlüssig begründen würde, fehlt.
95 
4. Auch der Feststellungsantrag ist begründet.
96 
Bereits die unter 3. geschilderten offensichtlichen Gegebenheiten machen deutlich, dass dem Kläger in Vergangenheit und Zukunft Kosten entstehen und Erwerbsmöglichkeiten fehlen, von denen ein Mensch, der nicht von den Folgen des von den Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers betroffen ist, nicht berührt wäre.
III.
97 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
98 
Der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zugrunde.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 50.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.08.2002 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Eingriff vom 15.12.1994 bereits entstanden ist und künftig noch entsteht, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert:

Klagantrag Ziff. 1: 51.129,19 EUR Klagantrag Ziff. 2: 20.000,00 EUR

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Schadensersatz mit der Behauptung eines durch die Beklagten im Zusammenhang mit seiner Geburt begangenen Behandlungsfehlers.
Die Beklagten praktizieren getrennt als Frauenärzte. Sie wirken außerdem als Belegärzte in der geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses ... Dabei nehmen sie den Nachtdienst abwechselnd wahr.
Bei der am 05.09.1968 geborenen Mutter des Klägers wurde am 21.04.1994 in der sechsten Schwangerschaftswoche die Schwangerschaft mit dem Kläger festgestellt. Die Mutter des Klägers hatte zuvor im April 1988 ein Mädchen mit 3.550 g Körpergewicht mit Vakuumextraktion und im Dezember 1989 ein Mädchen mit einem Körpergewicht von 3.900 g spontan geboren.
Das Gewicht der Mutter des Klägers steigerte sich während der Schwangerschaft mit dem Kläger bei einer Körpergröße von 167 cm von 104,1 kg am 02.05.1994 auf zuletzt 125,1 kg. Hinweise für eine Diabetes bestanden nicht.
Während der Schwangerschaft wurde die Mutter des Klägers ambulant durch den Beklagten Ziff. 2 betreut. In diesem Rahmen wurden fünf Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, nämlich
- am 02.05.1994 in der 7+0. SSW
- am 09.05.1994 in der 8+0. SSW
- am 27.06.1994 in der 15+0. SSW
- am 01.08.1994 in der 20+0. SSW; gleichzeitig Biometrie mit einem BIP von 51 mm und einem Abdomenquerdurchmesser von 44 mm;
10 
- am 18.10.1994 in der 31+1. SSW; gleichzeitig Biometrie mit einem BIP von 87 mm und einem Abdomenquerdurchmesser von 86 mm.
11 
Der voraussichtliche Entbindungstermin wurde auf den 19.12.1994 bestimmt.
12 
Vom 01.11.1994 bis 03.11.1994 und vom 05.12.1994 bis 06.12.1994 wurde die Mutter des Klägers jeweils stationär im Krankenhaus --- wegen vorzeitiger Wehen behandelt, die letztgenannte Behandlung wurde durch die Beklagten Ziff. 1 und 2 durchgeführt. Dabei wurde am 01.11.1994 noch ein Ultraschall durchgeführt, eine Biometrie erfolgte aber bei beiden Krankenhausaufenthalten nicht.
13 
Am 15.12.1994 wurde die Mutter des Klägers gegen 0.00 Uhr stationär zur Geburt aufgenommen. Die Aufnahmeuntersuchung wurde durch den Beklagten Ziff. 2, der in der Nacht eigentlich keinen Dienst hatte, aber noch wegen einer anderen Geburt im Hause war, durchgeführt. Der Kopf des Klägers war im Beckeneingang, der Muttermund 2 cm. Um 1.00 Uhr wurde ein Blasensprung mit grünem Fruchtwasser festgestellt. Um 2.20 Uhr untersuchte der Beklagte Ziff. 2 mit dem Ergebnis Muttermund 3 cm, Kopf noch im Beckeneingang. Sodann verließ der Beklagte Ziff. 2 das Krankenhaus. Für den weiteren Geburtsverlauf ist dokumentiert:
14 
2.55 Uhr CTG an; Oxytocintropf
15 
3.10 Uhr Patientin möchte Schmerzmittel; 50 mg Dolantin
16 
4.30 Uhr Muttermund 8 cm; telefonische Info Dr. ---
17 
4.33 Uhr Presswehen
18 
4.40 Uhr Dezeleration i. AP
19 
4.55 Uhr Kopf steckt - Schulter lässt sich nicht entwickeln
20 
5.05 Uhr * med. Epi-Lösung des hinteren Armes vor Partus - da sonst keine Entb. möglich * Nabelschnurumlegung zweimal Hals
21 
Der Kläger wies ein Geburtsgewicht von 5.000 g, eine Länge von 55 cm und einen Kopfumfang von 35 cm auf. Er musste nach der Geburt reanimiert und sofort in eine Kinderklinik verlegt werden. Der Kläger erlitt im Geburtsverlauf eine Armplexusläsion rechts.
22 
Unter dem 11.01.1995 formulierte das Klinikum ... (Bl. 32 d.A.), dass der Kläger eine geburtstraumatische komplette Plexusparese rechtsseitig entwickelt hat. Vom sozialpädiatrischen Zentrum ... wurde am 12.05.1997 (Bl. 34 d.A.) bescheinigt, dass beim Kläger eine vollständige Lähmung des rechten Armes infolge einer Nervenzerrung bei der Geburt vorliegt. Durch intensive therapeutische Maßnahmen habe erreicht werden können, dass der rechte Arm jetzt begrenzt einsatzfähig sei. Besuche beim Therapeuten werden als dreimal wöchentlich notwendig eingestuft. Unter dem 06.08.2002 schreibt die Klinik ..., dass sich beim Kläger augenscheinlich eine deutliche Längendifferenz der rechten zur linken oberen Extremität von ca. 10 cm ergibt. Dr. ... schreibt unter dem 13.08.2002 (Bl. 60 d.A.), dass der rechte Arm seit der Geburt fast völlig gelähmt sei. Er berichtet von regelmäßiger Krankengymnastik über die Dauer der letzten sieben Jahre. Der rechte Arm kann in seiner Gebrauchsfähigkeit nur minimal unterstützend eingesetzt werden. Im Schreiben des Klinikums ...vom 02.10.2002 (Bl. 69) wird berichtet, dass die Hand als Helferhand eingesetzt werden kann.
23 
Ein Geschwisterkind des Klägers wurde in den Folgejahren nach der Geburt des Klägers durch die Beklagten per Schnittenbindung entbunden.
24 
Der Kläger behauptet,
25 
der Beklagte Ziff. 1 habe im Rahmen der stationären Aufnahme am 05.12.1994 im Beisein des Onkels des Klägers geäußert, dass ein sehr großes Kind zu erwarten und deshalb eine Schnittentbindung notwendig sei.
26 
Die Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 hätten durch Behandlungsfehler die Armplexusläsion des Klägers verursacht. Wegen der hohen Gewichtszunahme der Mutter des Klägers sei eine Biometrie vor der Geburt zwingend geboten gewesen. Die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung noch im Kreißsaal sei wegen des erheblichen zeitlichen Abstands zur letzten Ultraschalluntersuchung und wegen der starken Gewichtszunahme der Mutter des Klägers zwingend gewesen. Durch die gebotene Untersuchung hätte sich gezeigt, dass mit einem Geburtsgewicht von über 4.500 g zu rechnen war. Dies hätte der Anlass sein müssen für eine Schnittentbindung wegen der Gefahr einer Schulterdystokie.
27 
Der Kläger ist der Ansicht,
28 
die Dokumentation der Geburt sei unzureichend und deshalb sei eine Beweislastumkehr anzunehmen.
29 
Es sei fehlerhaft gewesen, dass der Wehentropf während der Geburt bei Erkennen der Schulterdystokie nicht abgestellt wurde.
30 
Mangels notwendiger Aufklärung zur Schnittentbindung als ernsthafte Alternative sei die Behandlung der Mutter des Klägers ohne wirksame Einwilligung erfolgt mit der Folge einer Haftung unabhängig vom Verschulden.
31 
Die Armplexusläsion stelle beim Kläger einen irreversiblen Gesundheitsschaden dar, der eine lebenslange Behinderung am rechten Arm einschließlich einer Beeinträchtigung in der beruflichen Entwicklung zur Folge habe. Der materielle Schaden sei noch in einer fortlaufenden Entwicklung begriffen.
32 
Der Kläger hält als Schmerzensgeld 100.000 DM bzw. 51.129,19 EUR für angemessen.
33 
Die Klage wurde den Beklagten am 02.08.2002 zugestellt.
34 
Der Kläger beantragt:
35 
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 51.129,19 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2001 zu bezahlen.
36 
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Beklagten allen materiellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Eingriff vom 15.12.1994 bereits entstanden ist und künftig noch entsteht, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
37 
Die Beklagten beantragen
38 
Klagabweisung.
39 
Die Beklagten behaupten,
40 
bei der Schwangerschaft der Mutter des Klägers hätten sich keine Hinweise ergeben auf Abweichungen zu einer normal verlaufenden Schwangerschaft.
41 
Aufgrund von Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft hätte eine Geburtsgröße von über 4.500 g wegen der Größen- und Gewichtsverhältnisse der Mutter nicht erkannt werden können.
42 
Auch bei der Eingangsuntersuchung am 15.12.1994 hätten keine Befunde gegen eine natürliche Entbindung gesprochen.
43 
Als der Beklagte Ziff. 1 zu der Geburt hinzugekommen sei, sei der Kopf bereits geboren gewesen und das CTG habe schlechte Werte gezeigt. Der Beklagte Ziff. 1 habe durch das Verfahren nach McRoberts versucht, die festgestellte Schulterverhakung zu lösen. Dies sei wegen des Gewichts der Mutter des Klägers und deren Apathie nicht möglich gewesen. Weil der Beklagte Ziff. 1 wegen des schlechten CTG's einen Hirnschaden für den Kläger befürchtet habe, habe er, um schnell handeln zu können, von einer Narkose abgesehen. Er habe die hintere Schulter gelöst durch Dehnung des hinteren Scheidengewölbes und einen Dammschnitt.
44 
Eine Schnittenbindung sei, weil sie für die Mutter des Klägers wegen deren Gewicht ein erhebliches Risiko bedeutet hätte, nicht primär angezeigt gewesen.
45 
Die Dokumentation sei nachträglich von der Hebamme gemacht worden. Sie sei teilweise nicht zutreffend. Die in der Dokumentation gespiegelte Zeit von ca. einer halben Stunde zwischen dem Eintreffen des Beklagten Ziff. 1 und der Geburt des Klägers könne nicht stimmen. Insoweit sei ein Zeitraum von ca. 10 Minuten korrekt.
46 
Der Schaden sei durch kräftigen Zug am Kopf des Klägers, der aber notwendig gewesen sei, entstanden.
47 
Das Gericht hat die Beklagten angehört. Es hat Beweis erhoben durch Vernehmung der ... als Zeugin. Der Arm des Klägers und dessen Beweglichkeit wurde in Augenschein genommen. Der Sachverständige Professor Dr. med. ... erstattete ein schriftliches Sachverständigengutachten und erläuterte dies mündlich. Wegen der schriftlichen Angaben des Sachverständigen wird auf Bl. 123 ff. d.A., wegen der mündlichen Erläuterungen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2003 (Bl. 153 ff. d.A.) Bezug genommen. Wegen der durchgeführten Behandlung wird auf die vorgelegten Behandlungsunterlagen einschließlich des Kinderuntersuchungshefts und des Mutterpasses Bezug genommen. Wegen des Gesundheitszustands des Klägers in der Zeit nach der Geburt bis heute wird auf die Schreiben Bl. 32, Bl. 60, Bl. 61, Bl. 69 und Bl. 88 d.A. Bezug genommen. Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
48 
Die Klage ist zulässig.
49 
Hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 2 ist das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ausreichend dargelegt.
50 
Ohne den Feststellungsantrag würde dem Kläger die Verjährung der weitergehenden Ansprüche drohen. Die Beklagten haben die Haftung außergerichtlich abgelehnt.
51 
Die Leistungsklage ist für den materiellen Schaden nicht vorrangig, da in der Natur der Sache liegend sich dieser Schaden mit fortschreitendem Alter des Klägers noch erhöhen wird und sich insbesondere erst in späteren Jahren durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Berufsauswahl und -ausübung manifestieren wird. Eine teilweise Bezifferung insbesondere hinsichtlich bereits entstandener Selbstbeteiligungen an Krankengymnastik oder sonstigen ärztlichen Behandlungen oder Beratungen ist nicht zu fordern (dazu Zöller, Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, § 256 Rz. 7 a).
II.
52 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte Ziff. 1 (dazu nachfolgend Ziff. 1) und der Beklagte Ziff. 2 (dazu nachfolgend Ziff. 2) haften für die beim Kläger bestehende Armplexusläsion gesamtschuldnerisch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR (dazu nachfolgend Ziff. 3) und auf Feststellung des materiellen Schadens (dazu nachfolgend Ziff. 4).
53 
1. Der Beklagte Ziff. 1 haftet für die beim Kläger eingetretene Armplexusläsion nach den §§ 823, 847 BGB.
54 
1.1 Dem Kläger kann ein deliktischer Ersatzanspruch zustehen, obwohl er während der Tätigkeit des Beklagten Ziff. 1 noch nicht rechtsfähig war im Sinne des § 1 BGB, so weit er im Mutterleib verletzt wurde und die weiteren Haftungsvoraussetzungen vorliegen (BGHZ 106, 153/155).
55 
1.2 Unstreitig wurde die Läsion des klägerischen Armplexus gerade während des vom Beklagten Ziff. 1 begleiteten Geburtsvorganges verursacht (dazu eigene Angabe des Beklagten Ziff. 1, Bl. 81 d.A.).
56 
1.3 Das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1, das zu der Schädigung des Klägers führte, war fehlerhaft.
57 
1.3.1 Als nicht fachgerecht ist dem Beklagten Ziff. 1 in diesem Zusammenhang zunächst vorzuwerfen, dass er auch nach Erkennen der Schulterdystokie den die Wehen fördernden Tropf nicht abhängte. Verhakt sich die Schulter des Kindes während der Geburt an der Symphyse, ist es sachgerecht, die Wehentätigkeit medikamentös zu unterbrechen (OLG Düsseldorf, OLG-Report 2002, 349/350). Statt dessen wurde, indem der Wehentropf nicht abhängt wurde, die Wehentätigkeit forciert. Der Sachverständige bezeichnete dies als unlogisch.
1.3.2
58 
Außerdem ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte Ziff. 1 zum Lösen der Schulterdystokie kein anerkanntes Verfahren durchführte. Er versuchte keine Lösung der Dystokie mit dem so genannten McRoberts-Manöver. Es ist unklar, auf welche Weise konkret er die Schulter löste.
59 
Zwar hat der Kläger den Nachweis dieser Tatsachen nicht unmittelbar erbracht. Der Beklagte Ziff. 1 stellte in seiner Anhörung dar, wie er den Kläger entwickelt haben will. Der Kläger hat diese Darstellung bestritten.
60 
Aus der Tatsache des Eintritts der Läsion lässt sich nicht sicher auf einen durch den Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler schließen: wie der Sachverständige erläuterte, kann es zu einer Schädigung wie der des Klägers auch kommen, wenn das Vorgehen bei der Geburt ärztlichem Standard entspricht. Der Schaden kann also auch schicksalhaft eintreten.
61 
Dem Kläger kommen aber Beweiserleichterungen zugute wegen nicht ausreichender Dokumentation des Geburtsablaufs durch den Beklagten Ziff. 1.
62 
Das Gericht stuft, sowohl nach Bewertung der Angaben des Sachverständigen, der die Dokumentation als Katastrophe bezeichnete, als auch durch Vergleich mit dem ansonsten durch die Rechtsprechung geforderten Umfang der Dokumentation eines Geburtsablaufs bei eingetretener Komplikation die Dokumentation als sehr unzulänglich ein. In der Dokumentation ist nicht festgehalten, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder um einen tiefen Schulterquerstand handelt, weshalb bereits nicht sicher einschätzbar ist, welche Handgriffe die richtigen sind (dazu OLG München OLGR 2000, 94). Das behauptete Manöver nach McRoberts ist ebenso wenig erwähnt wie das behauptete Kristellern nach Lösen der Dystokie. Der Dammschnitt ist dem Umfang nach nicht beschrieben. Die Art der Entwicklung des Klägers, also des Lösens der Dystokie, ist nicht genau beschrieben (dazu BGH VersR 1984, 354 ff.). Der Beklagte Ziff. 1 erläuterte, dass er die Dokumentation nicht selbst verfasst hätte und dass diese jedenfalls bezüglich der zeitlichen Abfolge nicht korrekt sei. Er müsse nämlich nach der Dokumentation bereits ca. um 4.32 Uhr im Kreißsaal gewesen sein, obwohl eine Verschlechterung des CTG erst für 4.40 Uhr dokumentiert ist und das Feststecken des Kopfes erst für 4.55 Uhr und er in Erinnerung hat, dass beide Komplikationen bereits eingetreten waren, als er den Kreißsaal betrat.
63 
Jedenfalls das Manöver nach McRoberts ist als Standardreaktion auf die eingetretene Geburtskomplikation ebenso dokumentationspflichtig wie die genaue Art der Entwicklung des Kindes.
64 
Unterbleibt die Dokumentation eines dokumentationspflichtigen Elements, wird vermutet, dass diese aus medizinischer Sicht erforderliche Maßnahme unterblieben ist (OLG Zweibrücken VersR 1997, 1103 ff.).
65 
Damit wird vorliegend jedenfalls vermutet, dass das Manöver nach McRoberts unterblieb.
1.3.3
66 
Das Unterlassen des anerkannten Verfahrens nach McRoberts wertet das Gericht als fehlerhaft. Es handelt sich insoweit, wie der Sachverständige darlegte, um das allgemein empfohlene, am wenigsten belastende, weil nicht invasive Verfahren. Im schriftlichen Gutachten bezeichnete der Sachverständige das Manöver ausdrücklich als "notwendig". Bei dieser nicht invasiven Methode besteht auch eine geringere Gefahr von Entzündungen (Bl. 156 d.A.). Unter Bewertung dieser Gesichtspunkte ist das Verfahren zur weitest möglichen Schonung und Gesunderhaltung von Mutter und Kind nach Überzeugung des Gerichts zuerst zu versuchen.
67 
Auch im Übrigen stuft das Gericht die Lösung der Dystokie durch den Beklagten Ziff. 1 als fehlerhaft ein. Wegen der fehlenden Dokumentation über die Art der tatsächlich stattgefundenen Entwicklung im Einzelnen besteht ein Aufklärungshindernis mit der Folge, dass die Beweissituation für den Kläger unbillig erschwert ist. Es ist ihm deshalb eine Beweiserleichterung zuzubilligen mit der Folge, dass der Behandlungsfehler als nachgewiesen gilt, wenn er nur ernsthaft in Betracht kommt (OLG Köln, VersR 1994, 1424, OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916 ff.). Wie der Sachverständige darlegte und sich auch aus der Rechtsprechung zur Schulterdystokie ergibt, kommt es bei dieser Geburtskomplikation gerade dann häufig zu einer Armplexusläsion, wenn überstürzte Extraktionsversuche, die als Behandlungsfehler einzustufen sind, durchgeführt werden.
68 
Offen bleiben kann, ob ein weiterer Fehler während der Entwicklung durch den vom Beklagten Ziff. 1 geschilderten Zug am Kopf des Klägers, der nach Lösen der Schulter erfolgt sein soll, begangen wurde. Der Sachverständige bezeichnete das Ziehen am Kopf als essentiellen Fehler jedenfalls für den Fall, dass er während der Dystokie erfolgt (Bl. 157 d.A.).
69 
1.4 Durch die vom Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler wurde die Armplexusläsion beim Kläger verursacht.
1.4.1
70 
Teilweise wird in der Rechtsprechung bei mangelhafter Dokumentation des Geburtsablaufs die Beweiserleichterung ohne weiteres auch auf die Frage der Kausalität ausgedehnt (OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 303; OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916; OLG Köln, VersR 1994, 1424 ff.).
71 
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an und geht bereits deshalb von einer Kausalität aus, nachdem der Sachverständige überzeugend darlegte, dass ärztliches Fehlverhalten wie das des Beklagten Ziff. 1 zur Verursachung der Läsion geeignet ist. Gerade weil die wesentlichen Schritte des Geburtsablaufs und die genaue Lage des Klägers nicht dokumentiert sind, ist es dem Gericht nicht möglich, im Einzelnen nachzuvollziehen, wie die Geburt ablief. Gerade deshalb ist auch nicht genau festzustellen, worin nun das Fehlverhalten des Beklagten Ziff. 1 lag. Würde man in dieser Situation die Kausalität ablehnen mit der Begründung, der Behandlungsfehler, von dem auszugehen sei, sei nicht nachweisbar grob, weshalb der Nachweis, dass gerade dieser den Schaden verursachte, nicht geführt sei, würde man den Kläger doch wieder in eine für ihn gerade wegen der unzureichenden Dokumentation billigerweise nicht mehr zumutbare Beweissituation bringen.
1.4.2
72 
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, würde man sich oben genannter Ansicht nicht anschließen, jedenfalls von der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Schaden auszugehen wäre, weil das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1 auch als grob fehlerhaft mit der Folge der Beweislastumkehr einzustufen ist. Die Nichtursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung für den eingetretenen Schaden vermochte der Beklagte Ziff. 1 nicht zu beweisen. Die Versäumnisse des Beklagten Ziff. 1 sind geeignet, den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsschaden hervorzurufen.
73 
Zwar wollte der Sachverständige die Einschätzung eines groben Behandlungsfehlers, also eines eindeutigen Verstoßes gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und einen Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (so BGH u.a. in VersR 1999, 231), nicht treffen. Die abschließende Beurteilung des ärztlichen Verhaltens im Sinne eines groben Behandlungsfehlers obliegt aber dem Tatrichter, wobei seine juristische Gewichtung des ärztlichen Vorgehens durch die vom Sachverständigen mitgeteilten medizinischen Fakten getragen sein muss (BGH NJW 2000, 2737/2739). Die Kammer wertet unter Berücksichtigung dieser Kriterien die Behandlung durch den Beklagten Ziff. 1 als grob fehlerhaft. Es stellt bereits einen erheblichen Fehler dar, bei einer Schulterdystokie nicht auf anerkannte Manöver zur Schulterlösung zurückzugreifen. Darüber hinaus wurde vorliegend aber auch noch, geradezu kontraproduktiv, die Wehentätigkeit durch Weitergabe des Tropfes forciert. Der Sachverständige stufte dies nicht nur als fehlerhaft ein, er erläuterte auch, dass es sogar umgekehrt angezeigt gewesen wäre, Wehen hemmende Mittel zu verabreichen (dazu auch OLG Düsseldorf, OLGR 2002, 349/350). Insofern hat der Beklagte Ziff. 1 nicht nur durch ein Unterlassen die Situation weiter verschlechtert, sondern außerdem eine Möglichkeit der Entspannung der Situation und damit eine Möglichkeit, der Gesunderhaltung von Mutter und Kind zu dienen, nicht genutzt. Beide Fehler des Beklagten Ziff. 1, die fehlerhafte Entwicklung des Kindes und die fehlerhafte Wehenforcierung statt der Wehenhemmung sind als Gesamtheit zu betrachten (BGH NJW 2000, 2737/2739; OLG Stuttgart, VersR 1994, 1114 ff.).
74 
So weit der Sachverständige meinte, das Fehlverhalten sei aufgrund der hektischen Situation während der komplikationsbeladenen Geburt nachvollziehbar, stellt dies ein nicht medizinisches Argument dar, das für das Gericht nicht bindend und nicht einleuchtend ist.
75 
So weit der Sachverständige den groben Behandlungsfehler ablehnte unter Hinweis darauf, dass die Schulter ja gelöst worden sei, ist dies nicht stichhaltig. Die Lösung erfolgte gerade nicht nachweisbar ohne Schädigung des Klägers. Es ist gerade unklar geblieben, wie im Einzelnen die Schulterlösung erfolgte. Diese Unklarheit, die auch bedeuten kann, dass während des Vorgangs des Lösens der Schulter massiv fehlerhaft vorgegangen wurde, beruht auf der mangelhaften Dokumentation und geht deshalb zu Lasten des Beklagten Ziff. 1.
76 
2. Auch der Beklagte Ziff. 2 ist für den beim Kläger eingetretenen Schaden deliktisch verantwortlich.
77 
2.1 Es ist naheliegend, dass der Beklagte Ziff. 2 nach §§ 823, 847 BGB haftet unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Körperverletzung wegen Einleitung einer vaginalen Entbindung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr ohne hinreichende vorherige Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung und damit ohne wirksame Einwilligung (dazu OLG Hamm, VersR 1997, 1403 ff.). Die Frage kann letztlich aber offen bleiben.
78 
Es ist anerkannt, dass nicht vor jeder Geburt die Alternative der Sectio mit der werdenden Mutter angesprochen werden muss. Eine Aufklärung über diesen anderen Geburtsweg ist erst notwendig, wenn bei der vaginalen Geburt dem Kind ernst zu nehmende Gefahren drohen und daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine abdominale Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung der Konstitution der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt (OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 310/311 m. w. Nachw.; OLG München, VersR 1994, 1345).
79 
Zwar hat der Sachverständige im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens dargelegt, dass allein die sonographische Gewichtsschätzung im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen wäre zum Stellen der Indikation einer primären Schnittentbindung und zur Aufklärung über die Schnittentbindung als ernsthafte Alternative zur Vaginalentbindung. Er begründete dies maßgeblich damit, dass der Kläger zwar tatsächlich ein Geburtsgewicht aufwies, das Anlass gewesen wäre, eine Sectio in Betracht zu ziehen (bei Mutter ohne Diabetes ab 5.000 g Kindsgewicht), dass dieses Gewicht aber angesichts fehlender Schätzsicherheit nicht völlig zu-verlässig durch eine sonographische Gewichtsschätzung zu ermitteln gewesen wäre. Andererseits aber erläuterte der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung die Umstände des Einzelfalls näher. So legte er dar, dass die Messung bereits falsch erfolgte, weil entgegen den Vorgaben des Mutterpasses auf Außenmessung mittig gemessen wurde und damit Werte erzielt wurden, die zu niedrig waren. Außerdem ist das Entscheidende nicht die mit Ungenauigkeiten behaftete Gewichtsbestimmung, sondern die Messung von Kopf und Bauch und die Bewertung der dabei gewonnenen Ergebnisse. Diese Messung hatte bereits in der 32. Schwangerschaftswoche ergeben, dass der Kopf eine Woche, der Bauch aber drei Wochen weiter gewachsen war und sich also ein Missverhältnis von Kopf und Körper abzeichnete. Auch die tatsächliche Kopfgröße des Klägers bei der Geburt von 35 cm zeigt, dass es nicht möglich gewesen wäre, einen kleinen Bauch zu messen unter Berücksichtigung des Gesamtgewichts des Klägers. Außerdem erklärte der Sachverständige, dass das tatsächliche Geburtsgewicht mit 5.000 g enorm gewesen sei und dies hätte auffallen müssen. So hätte das Kind bei einer Ultraschallaufnahme vor der Geburt kaum auf den Bildschirm passen können. Nach alledem liegt, wie auch der Sachverständige mündlich bestätigte, nahe, dass man auch bei Betrachtung der körperlichen Konstitution der Mutter vorliegend nach Durchführung der gebotenen Untersuchungen an die Schnittenbindung als Alternative denken musste. Wegen des absehbar großen Bauches des Kindes war deutlich, dass es bei einer vaginalen Geburt zu Problemen kommen könnte. Auch der Sachverständige hätte vorliegend mit der Patientin die Situation besprochen, sie also über die Sectio aufgeklärt. Es wäre dann Entscheidung der Mutter des Klägers gewesen, welche Art der Geburt sie wählt (dazu auch OLG Frankfurt, OLGR 2003, 55).
80 
Die Mutter des Klägers legte unwidersprochen dar, dass sie sich nach der Aufklärung nicht nur in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, sondern auch, dass sie in eine Sectio eingewilligt hätte (Bl. 160 d.A.).
81 
2.2 Jedenfalls haftet der Beklagte Ziff. 2 nach § 831 BGB für die vom Beklagten Ziff. 1 begangenen Fehler.
82 
Der Beklagte Ziff. 2 war der Arzt, der die Mutter des Klägers auf vertraglicher Grundlage während der Schwangerschaft betreut hatte. Er war auch Belegarzt in dem Krankenhaus, in dem die Geburt durchgeführt wurde. Als sich die Klägerin dorthin begab, um bei der Geburt betreut zu werden und dort vom Beklagten Ziff. 2 zunächst behandelt wurde, wurde der aus der Zeit der Schwangerschaft bestehende Behandlungsvertrag fortgesetzt. Der Beklagte Ziff. 1 war während seiner späteren Betreuung der Mutter des Klägers als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 anzusehen: er war während der Zeit der Abwesenheit des Beklagten Ziff. 2 zeitweilig als dessen Vertreter beauftragt, dessen ärztliche Tätigkeiten wahrzunehmen. Dass er dabei eigenes ärztliches Ermessen walten ließ, schadet nicht, weil es für die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 831 BGB genügt, dass, wie vorliegend aufgrund der vertraglichen Beziehung zur Mutter des Klägers, sich der Beklagte Ziff. 1 im Allgemeinen nach den Vorstellungen des Beklagten Ziff. 2 bei der Behandlung der Mutter des Klägers zu richten hatte (zur Zurechnung bei belegärztlicher Behandlung und Urlaubsvertretung allgemein BGH, NJW 2000, 2737; konkret zum zwischen dem Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 bestehenden Rechtsverhältnis OLG Stuttgart, VersR 2002, 235 ff.).
83 
Der Beklagte Ziff. 1 beging die oben geschilderten Behandlungsfehler zum Nachteil des Klägers in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung. Die Schadenszurechnung zum Beklagten Ziff. 2 entspricht der unter I 1 dargestellten.
84 
Der Beklagte Ziff. 2 vermochte sich nicht zu exkulpieren. Er hat hierzu nicht vorgetragen.
85 
2.3 Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte Ziff. 2 außerdem einen eigenen Behandlungsfehler beging, als er bei der Untersuchung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr, als die Mutter des Klägers das Krankenhaus aufsuchte, keine Ultraschalluntersuchung durchführte. Mit dem Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt eine solche Untersuchung angezeigt gewesen wäre. Die letzte Ultraschalluntersuchung mit Fetometrie hatte am 18.10.1994 stattgefunden und lag damit nahezu zwei Monate zurück. Bereits diese hatte Hinweise auf ein makrosomes Kind ergeben. Außerdem hatte die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft überdurchschnittlich an Gewicht zugelegt und bereits zwei Kinder mit einem erheblichen Geburtsgewicht zur Welt gebracht.
86 
Zwar ist bei diesem Fehler des nicht durchgeführten Ultraschalls durch den Beklagten Ziff. 2, betrachtet man ihn isoliert, nicht sicher, dass ein fehlerfreies Verhalten, also die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung, tatsächlich zu einem anderen Geburtsverlauf geführt und eine Schädigung des Klägers vermieden hätte. Dem Kläger kommt hier jedoch wiederum eine Beweislastumkehr zugute: zwar ist für das Gericht die Einschätzung des Sachverständigen, dass das Unterlassen der Ultraschalluntersuchung für sich betrachtet nicht grob fahrlässig war, noch nachvollziehbar: indes muss beim groben Behandlungsfehler auf den Gesamtverlauf der Geburt als einheitlichen Vorgang abgestellt werden. Für die Patientin stellt sich das Geschehen ab der Aufnahme in der Klinik in der Nacht des 15.12. bis zur Geburt des Klägers als einheitlicher Vorgang und damit als insgesamt zu bewertende Einheit dar. Dementsprechend müssen auch die späteren durch den Beklagten Ziff. 1 begangenen Behandlungsfehler in diese Gesamtschau einbezogen werden, da der Beklagte Ziff. 1 als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 auftrat und damit dem Beklagten Ziff. 2 dessen Handeln zuzurechnen ist. Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass das sowieso bereits während des Endstadiums der Geburt grob fehlerhafte Vorgehen sich bei Berücksichtigung des weiteren Fehlers, der unterlassenen Ultraschalluntersuchung, im noch stärkeren Maße als grob fehlerhaft darstellt.
87 
Den Nachweis, dass die unterlassene Untersuchung nicht schadensursächlich war, vermochte der Beklagte Ziff. 2 nicht zu führen.
88 
3. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR zu bezahlen.
89 
3.1 Auf den Rechtsstreit ist § 847 BGB anwendbar (Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).
90 
3.2 Es erscheint ein Zahlbetrag von 50.000 EUR als angemessen (so auch OLG Frankfurt, OLGReport 2003, 55; OLG Hamm VersR 1997, 1403).
91 
Der Kläger ist seit seiner Geburt und lebenslang körperlich behindert. Sein rechter Arm ist um ca. 10 cm verkürzt. Er vermag den Arm, wie das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst feststellte, nicht anzuwinkeln. Er kann seine rechte Hand nur grobmotorisch nutzen - so demonstrierte er dem Gericht, dass er einen Stift zwar greifen, aber diesen dann nicht nutzen kann.
92 
Die Behinderung ist immer wieder Anlass für krankengymnastische oder ärztliche Behandlungen. Diese stören die Möglichkeit, zu einem möglichst normalen alltäglichen Leben zu finden.
93 
Wegen dieser körperlichen Beeinträchtigung ist der Kläger in seinem Alltag insgesamt sehr eingeschränkt. Für gesunde Menschen gängige Handreichungen sind ihm unmöglich. Er ist dauerhaft gehindert, zahlreiche Sportarten auszuüben und handwerklichen Hobbys oder Berufen nachzugehen, weil diese die Nutzung zweier Arme bzw. Hände erfordern. Die Behinderung ist optisch erkennbar. Sie wird ihn auch in der Berufsauswahl und -ausübung insgesamt und möglicherweise auch in den sozialen Beziehungen zu anderen Menschen beeinträchtigen.
94 
3.3 Der Betrag ist ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Ein Vortrag, der einen früheren Zinszeitpunkt schlüssig begründen würde, fehlt.
95 
4. Auch der Feststellungsantrag ist begründet.
96 
Bereits die unter 3. geschilderten offensichtlichen Gegebenheiten machen deutlich, dass dem Kläger in Vergangenheit und Zukunft Kosten entstehen und Erwerbsmöglichkeiten fehlen, von denen ein Mensch, der nicht von den Folgen des von den Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers betroffen ist, nicht berührt wäre.
III.
97 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
98 
Der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zugrunde.

Gründe

 
I.
48 
Die Klage ist zulässig.
49 
Hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 2 ist das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ausreichend dargelegt.
50 
Ohne den Feststellungsantrag würde dem Kläger die Verjährung der weitergehenden Ansprüche drohen. Die Beklagten haben die Haftung außergerichtlich abgelehnt.
51 
Die Leistungsklage ist für den materiellen Schaden nicht vorrangig, da in der Natur der Sache liegend sich dieser Schaden mit fortschreitendem Alter des Klägers noch erhöhen wird und sich insbesondere erst in späteren Jahren durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Berufsauswahl und -ausübung manifestieren wird. Eine teilweise Bezifferung insbesondere hinsichtlich bereits entstandener Selbstbeteiligungen an Krankengymnastik oder sonstigen ärztlichen Behandlungen oder Beratungen ist nicht zu fordern (dazu Zöller, Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, § 256 Rz. 7 a).
II.
52 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte Ziff. 1 (dazu nachfolgend Ziff. 1) und der Beklagte Ziff. 2 (dazu nachfolgend Ziff. 2) haften für die beim Kläger bestehende Armplexusläsion gesamtschuldnerisch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR (dazu nachfolgend Ziff. 3) und auf Feststellung des materiellen Schadens (dazu nachfolgend Ziff. 4).
53 
1. Der Beklagte Ziff. 1 haftet für die beim Kläger eingetretene Armplexusläsion nach den §§ 823, 847 BGB.
54 
1.1 Dem Kläger kann ein deliktischer Ersatzanspruch zustehen, obwohl er während der Tätigkeit des Beklagten Ziff. 1 noch nicht rechtsfähig war im Sinne des § 1 BGB, so weit er im Mutterleib verletzt wurde und die weiteren Haftungsvoraussetzungen vorliegen (BGHZ 106, 153/155).
55 
1.2 Unstreitig wurde die Läsion des klägerischen Armplexus gerade während des vom Beklagten Ziff. 1 begleiteten Geburtsvorganges verursacht (dazu eigene Angabe des Beklagten Ziff. 1, Bl. 81 d.A.).
56 
1.3 Das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1, das zu der Schädigung des Klägers führte, war fehlerhaft.
57 
1.3.1 Als nicht fachgerecht ist dem Beklagten Ziff. 1 in diesem Zusammenhang zunächst vorzuwerfen, dass er auch nach Erkennen der Schulterdystokie den die Wehen fördernden Tropf nicht abhängte. Verhakt sich die Schulter des Kindes während der Geburt an der Symphyse, ist es sachgerecht, die Wehentätigkeit medikamentös zu unterbrechen (OLG Düsseldorf, OLG-Report 2002, 349/350). Statt dessen wurde, indem der Wehentropf nicht abhängt wurde, die Wehentätigkeit forciert. Der Sachverständige bezeichnete dies als unlogisch.
1.3.2
58 
Außerdem ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte Ziff. 1 zum Lösen der Schulterdystokie kein anerkanntes Verfahren durchführte. Er versuchte keine Lösung der Dystokie mit dem so genannten McRoberts-Manöver. Es ist unklar, auf welche Weise konkret er die Schulter löste.
59 
Zwar hat der Kläger den Nachweis dieser Tatsachen nicht unmittelbar erbracht. Der Beklagte Ziff. 1 stellte in seiner Anhörung dar, wie er den Kläger entwickelt haben will. Der Kläger hat diese Darstellung bestritten.
60 
Aus der Tatsache des Eintritts der Läsion lässt sich nicht sicher auf einen durch den Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler schließen: wie der Sachverständige erläuterte, kann es zu einer Schädigung wie der des Klägers auch kommen, wenn das Vorgehen bei der Geburt ärztlichem Standard entspricht. Der Schaden kann also auch schicksalhaft eintreten.
61 
Dem Kläger kommen aber Beweiserleichterungen zugute wegen nicht ausreichender Dokumentation des Geburtsablaufs durch den Beklagten Ziff. 1.
62 
Das Gericht stuft, sowohl nach Bewertung der Angaben des Sachverständigen, der die Dokumentation als Katastrophe bezeichnete, als auch durch Vergleich mit dem ansonsten durch die Rechtsprechung geforderten Umfang der Dokumentation eines Geburtsablaufs bei eingetretener Komplikation die Dokumentation als sehr unzulänglich ein. In der Dokumentation ist nicht festgehalten, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder um einen tiefen Schulterquerstand handelt, weshalb bereits nicht sicher einschätzbar ist, welche Handgriffe die richtigen sind (dazu OLG München OLGR 2000, 94). Das behauptete Manöver nach McRoberts ist ebenso wenig erwähnt wie das behauptete Kristellern nach Lösen der Dystokie. Der Dammschnitt ist dem Umfang nach nicht beschrieben. Die Art der Entwicklung des Klägers, also des Lösens der Dystokie, ist nicht genau beschrieben (dazu BGH VersR 1984, 354 ff.). Der Beklagte Ziff. 1 erläuterte, dass er die Dokumentation nicht selbst verfasst hätte und dass diese jedenfalls bezüglich der zeitlichen Abfolge nicht korrekt sei. Er müsse nämlich nach der Dokumentation bereits ca. um 4.32 Uhr im Kreißsaal gewesen sein, obwohl eine Verschlechterung des CTG erst für 4.40 Uhr dokumentiert ist und das Feststecken des Kopfes erst für 4.55 Uhr und er in Erinnerung hat, dass beide Komplikationen bereits eingetreten waren, als er den Kreißsaal betrat.
63 
Jedenfalls das Manöver nach McRoberts ist als Standardreaktion auf die eingetretene Geburtskomplikation ebenso dokumentationspflichtig wie die genaue Art der Entwicklung des Kindes.
64 
Unterbleibt die Dokumentation eines dokumentationspflichtigen Elements, wird vermutet, dass diese aus medizinischer Sicht erforderliche Maßnahme unterblieben ist (OLG Zweibrücken VersR 1997, 1103 ff.).
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Damit wird vorliegend jedenfalls vermutet, dass das Manöver nach McRoberts unterblieb.
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66 
Das Unterlassen des anerkannten Verfahrens nach McRoberts wertet das Gericht als fehlerhaft. Es handelt sich insoweit, wie der Sachverständige darlegte, um das allgemein empfohlene, am wenigsten belastende, weil nicht invasive Verfahren. Im schriftlichen Gutachten bezeichnete der Sachverständige das Manöver ausdrücklich als "notwendig". Bei dieser nicht invasiven Methode besteht auch eine geringere Gefahr von Entzündungen (Bl. 156 d.A.). Unter Bewertung dieser Gesichtspunkte ist das Verfahren zur weitest möglichen Schonung und Gesunderhaltung von Mutter und Kind nach Überzeugung des Gerichts zuerst zu versuchen.
67 
Auch im Übrigen stuft das Gericht die Lösung der Dystokie durch den Beklagten Ziff. 1 als fehlerhaft ein. Wegen der fehlenden Dokumentation über die Art der tatsächlich stattgefundenen Entwicklung im Einzelnen besteht ein Aufklärungshindernis mit der Folge, dass die Beweissituation für den Kläger unbillig erschwert ist. Es ist ihm deshalb eine Beweiserleichterung zuzubilligen mit der Folge, dass der Behandlungsfehler als nachgewiesen gilt, wenn er nur ernsthaft in Betracht kommt (OLG Köln, VersR 1994, 1424, OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916 ff.). Wie der Sachverständige darlegte und sich auch aus der Rechtsprechung zur Schulterdystokie ergibt, kommt es bei dieser Geburtskomplikation gerade dann häufig zu einer Armplexusläsion, wenn überstürzte Extraktionsversuche, die als Behandlungsfehler einzustufen sind, durchgeführt werden.
68 
Offen bleiben kann, ob ein weiterer Fehler während der Entwicklung durch den vom Beklagten Ziff. 1 geschilderten Zug am Kopf des Klägers, der nach Lösen der Schulter erfolgt sein soll, begangen wurde. Der Sachverständige bezeichnete das Ziehen am Kopf als essentiellen Fehler jedenfalls für den Fall, dass er während der Dystokie erfolgt (Bl. 157 d.A.).
69 
1.4 Durch die vom Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler wurde die Armplexusläsion beim Kläger verursacht.
1.4.1
70 
Teilweise wird in der Rechtsprechung bei mangelhafter Dokumentation des Geburtsablaufs die Beweiserleichterung ohne weiteres auch auf die Frage der Kausalität ausgedehnt (OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 303; OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916; OLG Köln, VersR 1994, 1424 ff.).
71 
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an und geht bereits deshalb von einer Kausalität aus, nachdem der Sachverständige überzeugend darlegte, dass ärztliches Fehlverhalten wie das des Beklagten Ziff. 1 zur Verursachung der Läsion geeignet ist. Gerade weil die wesentlichen Schritte des Geburtsablaufs und die genaue Lage des Klägers nicht dokumentiert sind, ist es dem Gericht nicht möglich, im Einzelnen nachzuvollziehen, wie die Geburt ablief. Gerade deshalb ist auch nicht genau festzustellen, worin nun das Fehlverhalten des Beklagten Ziff. 1 lag. Würde man in dieser Situation die Kausalität ablehnen mit der Begründung, der Behandlungsfehler, von dem auszugehen sei, sei nicht nachweisbar grob, weshalb der Nachweis, dass gerade dieser den Schaden verursachte, nicht geführt sei, würde man den Kläger doch wieder in eine für ihn gerade wegen der unzureichenden Dokumentation billigerweise nicht mehr zumutbare Beweissituation bringen.
1.4.2
72 
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, würde man sich oben genannter Ansicht nicht anschließen, jedenfalls von der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Schaden auszugehen wäre, weil das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1 auch als grob fehlerhaft mit der Folge der Beweislastumkehr einzustufen ist. Die Nichtursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung für den eingetretenen Schaden vermochte der Beklagte Ziff. 1 nicht zu beweisen. Die Versäumnisse des Beklagten Ziff. 1 sind geeignet, den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsschaden hervorzurufen.
73 
Zwar wollte der Sachverständige die Einschätzung eines groben Behandlungsfehlers, also eines eindeutigen Verstoßes gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und einen Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (so BGH u.a. in VersR 1999, 231), nicht treffen. Die abschließende Beurteilung des ärztlichen Verhaltens im Sinne eines groben Behandlungsfehlers obliegt aber dem Tatrichter, wobei seine juristische Gewichtung des ärztlichen Vorgehens durch die vom Sachverständigen mitgeteilten medizinischen Fakten getragen sein muss (BGH NJW 2000, 2737/2739). Die Kammer wertet unter Berücksichtigung dieser Kriterien die Behandlung durch den Beklagten Ziff. 1 als grob fehlerhaft. Es stellt bereits einen erheblichen Fehler dar, bei einer Schulterdystokie nicht auf anerkannte Manöver zur Schulterlösung zurückzugreifen. Darüber hinaus wurde vorliegend aber auch noch, geradezu kontraproduktiv, die Wehentätigkeit durch Weitergabe des Tropfes forciert. Der Sachverständige stufte dies nicht nur als fehlerhaft ein, er erläuterte auch, dass es sogar umgekehrt angezeigt gewesen wäre, Wehen hemmende Mittel zu verabreichen (dazu auch OLG Düsseldorf, OLGR 2002, 349/350). Insofern hat der Beklagte Ziff. 1 nicht nur durch ein Unterlassen die Situation weiter verschlechtert, sondern außerdem eine Möglichkeit der Entspannung der Situation und damit eine Möglichkeit, der Gesunderhaltung von Mutter und Kind zu dienen, nicht genutzt. Beide Fehler des Beklagten Ziff. 1, die fehlerhafte Entwicklung des Kindes und die fehlerhafte Wehenforcierung statt der Wehenhemmung sind als Gesamtheit zu betrachten (BGH NJW 2000, 2737/2739; OLG Stuttgart, VersR 1994, 1114 ff.).
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So weit der Sachverständige meinte, das Fehlverhalten sei aufgrund der hektischen Situation während der komplikationsbeladenen Geburt nachvollziehbar, stellt dies ein nicht medizinisches Argument dar, das für das Gericht nicht bindend und nicht einleuchtend ist.
75 
So weit der Sachverständige den groben Behandlungsfehler ablehnte unter Hinweis darauf, dass die Schulter ja gelöst worden sei, ist dies nicht stichhaltig. Die Lösung erfolgte gerade nicht nachweisbar ohne Schädigung des Klägers. Es ist gerade unklar geblieben, wie im Einzelnen die Schulterlösung erfolgte. Diese Unklarheit, die auch bedeuten kann, dass während des Vorgangs des Lösens der Schulter massiv fehlerhaft vorgegangen wurde, beruht auf der mangelhaften Dokumentation und geht deshalb zu Lasten des Beklagten Ziff. 1.
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2. Auch der Beklagte Ziff. 2 ist für den beim Kläger eingetretenen Schaden deliktisch verantwortlich.
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2.1 Es ist naheliegend, dass der Beklagte Ziff. 2 nach §§ 823, 847 BGB haftet unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Körperverletzung wegen Einleitung einer vaginalen Entbindung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr ohne hinreichende vorherige Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung und damit ohne wirksame Einwilligung (dazu OLG Hamm, VersR 1997, 1403 ff.). Die Frage kann letztlich aber offen bleiben.
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Es ist anerkannt, dass nicht vor jeder Geburt die Alternative der Sectio mit der werdenden Mutter angesprochen werden muss. Eine Aufklärung über diesen anderen Geburtsweg ist erst notwendig, wenn bei der vaginalen Geburt dem Kind ernst zu nehmende Gefahren drohen und daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine abdominale Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung der Konstitution der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt (OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 310/311 m. w. Nachw.; OLG München, VersR 1994, 1345).
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Zwar hat der Sachverständige im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens dargelegt, dass allein die sonographische Gewichtsschätzung im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen wäre zum Stellen der Indikation einer primären Schnittentbindung und zur Aufklärung über die Schnittentbindung als ernsthafte Alternative zur Vaginalentbindung. Er begründete dies maßgeblich damit, dass der Kläger zwar tatsächlich ein Geburtsgewicht aufwies, das Anlass gewesen wäre, eine Sectio in Betracht zu ziehen (bei Mutter ohne Diabetes ab 5.000 g Kindsgewicht), dass dieses Gewicht aber angesichts fehlender Schätzsicherheit nicht völlig zu-verlässig durch eine sonographische Gewichtsschätzung zu ermitteln gewesen wäre. Andererseits aber erläuterte der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung die Umstände des Einzelfalls näher. So legte er dar, dass die Messung bereits falsch erfolgte, weil entgegen den Vorgaben des Mutterpasses auf Außenmessung mittig gemessen wurde und damit Werte erzielt wurden, die zu niedrig waren. Außerdem ist das Entscheidende nicht die mit Ungenauigkeiten behaftete Gewichtsbestimmung, sondern die Messung von Kopf und Bauch und die Bewertung der dabei gewonnenen Ergebnisse. Diese Messung hatte bereits in der 32. Schwangerschaftswoche ergeben, dass der Kopf eine Woche, der Bauch aber drei Wochen weiter gewachsen war und sich also ein Missverhältnis von Kopf und Körper abzeichnete. Auch die tatsächliche Kopfgröße des Klägers bei der Geburt von 35 cm zeigt, dass es nicht möglich gewesen wäre, einen kleinen Bauch zu messen unter Berücksichtigung des Gesamtgewichts des Klägers. Außerdem erklärte der Sachverständige, dass das tatsächliche Geburtsgewicht mit 5.000 g enorm gewesen sei und dies hätte auffallen müssen. So hätte das Kind bei einer Ultraschallaufnahme vor der Geburt kaum auf den Bildschirm passen können. Nach alledem liegt, wie auch der Sachverständige mündlich bestätigte, nahe, dass man auch bei Betrachtung der körperlichen Konstitution der Mutter vorliegend nach Durchführung der gebotenen Untersuchungen an die Schnittenbindung als Alternative denken musste. Wegen des absehbar großen Bauches des Kindes war deutlich, dass es bei einer vaginalen Geburt zu Problemen kommen könnte. Auch der Sachverständige hätte vorliegend mit der Patientin die Situation besprochen, sie also über die Sectio aufgeklärt. Es wäre dann Entscheidung der Mutter des Klägers gewesen, welche Art der Geburt sie wählt (dazu auch OLG Frankfurt, OLGR 2003, 55).
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Die Mutter des Klägers legte unwidersprochen dar, dass sie sich nach der Aufklärung nicht nur in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, sondern auch, dass sie in eine Sectio eingewilligt hätte (Bl. 160 d.A.).
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2.2 Jedenfalls haftet der Beklagte Ziff. 2 nach § 831 BGB für die vom Beklagten Ziff. 1 begangenen Fehler.
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Der Beklagte Ziff. 2 war der Arzt, der die Mutter des Klägers auf vertraglicher Grundlage während der Schwangerschaft betreut hatte. Er war auch Belegarzt in dem Krankenhaus, in dem die Geburt durchgeführt wurde. Als sich die Klägerin dorthin begab, um bei der Geburt betreut zu werden und dort vom Beklagten Ziff. 2 zunächst behandelt wurde, wurde der aus der Zeit der Schwangerschaft bestehende Behandlungsvertrag fortgesetzt. Der Beklagte Ziff. 1 war während seiner späteren Betreuung der Mutter des Klägers als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 anzusehen: er war während der Zeit der Abwesenheit des Beklagten Ziff. 2 zeitweilig als dessen Vertreter beauftragt, dessen ärztliche Tätigkeiten wahrzunehmen. Dass er dabei eigenes ärztliches Ermessen walten ließ, schadet nicht, weil es für die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 831 BGB genügt, dass, wie vorliegend aufgrund der vertraglichen Beziehung zur Mutter des Klägers, sich der Beklagte Ziff. 1 im Allgemeinen nach den Vorstellungen des Beklagten Ziff. 2 bei der Behandlung der Mutter des Klägers zu richten hatte (zur Zurechnung bei belegärztlicher Behandlung und Urlaubsvertretung allgemein BGH, NJW 2000, 2737; konkret zum zwischen dem Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 bestehenden Rechtsverhältnis OLG Stuttgart, VersR 2002, 235 ff.).
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Der Beklagte Ziff. 1 beging die oben geschilderten Behandlungsfehler zum Nachteil des Klägers in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung. Die Schadenszurechnung zum Beklagten Ziff. 2 entspricht der unter I 1 dargestellten.
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Der Beklagte Ziff. 2 vermochte sich nicht zu exkulpieren. Er hat hierzu nicht vorgetragen.
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2.3 Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte Ziff. 2 außerdem einen eigenen Behandlungsfehler beging, als er bei der Untersuchung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr, als die Mutter des Klägers das Krankenhaus aufsuchte, keine Ultraschalluntersuchung durchführte. Mit dem Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt eine solche Untersuchung angezeigt gewesen wäre. Die letzte Ultraschalluntersuchung mit Fetometrie hatte am 18.10.1994 stattgefunden und lag damit nahezu zwei Monate zurück. Bereits diese hatte Hinweise auf ein makrosomes Kind ergeben. Außerdem hatte die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft überdurchschnittlich an Gewicht zugelegt und bereits zwei Kinder mit einem erheblichen Geburtsgewicht zur Welt gebracht.
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Zwar ist bei diesem Fehler des nicht durchgeführten Ultraschalls durch den Beklagten Ziff. 2, betrachtet man ihn isoliert, nicht sicher, dass ein fehlerfreies Verhalten, also die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung, tatsächlich zu einem anderen Geburtsverlauf geführt und eine Schädigung des Klägers vermieden hätte. Dem Kläger kommt hier jedoch wiederum eine Beweislastumkehr zugute: zwar ist für das Gericht die Einschätzung des Sachverständigen, dass das Unterlassen der Ultraschalluntersuchung für sich betrachtet nicht grob fahrlässig war, noch nachvollziehbar: indes muss beim groben Behandlungsfehler auf den Gesamtverlauf der Geburt als einheitlichen Vorgang abgestellt werden. Für die Patientin stellt sich das Geschehen ab der Aufnahme in der Klinik in der Nacht des 15.12. bis zur Geburt des Klägers als einheitlicher Vorgang und damit als insgesamt zu bewertende Einheit dar. Dementsprechend müssen auch die späteren durch den Beklagten Ziff. 1 begangenen Behandlungsfehler in diese Gesamtschau einbezogen werden, da der Beklagte Ziff. 1 als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 auftrat und damit dem Beklagten Ziff. 2 dessen Handeln zuzurechnen ist. Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass das sowieso bereits während des Endstadiums der Geburt grob fehlerhafte Vorgehen sich bei Berücksichtigung des weiteren Fehlers, der unterlassenen Ultraschalluntersuchung, im noch stärkeren Maße als grob fehlerhaft darstellt.
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Den Nachweis, dass die unterlassene Untersuchung nicht schadensursächlich war, vermochte der Beklagte Ziff. 2 nicht zu führen.
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3. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR zu bezahlen.
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3.1 Auf den Rechtsstreit ist § 847 BGB anwendbar (Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).
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3.2 Es erscheint ein Zahlbetrag von 50.000 EUR als angemessen (so auch OLG Frankfurt, OLGReport 2003, 55; OLG Hamm VersR 1997, 1403).
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Der Kläger ist seit seiner Geburt und lebenslang körperlich behindert. Sein rechter Arm ist um ca. 10 cm verkürzt. Er vermag den Arm, wie das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst feststellte, nicht anzuwinkeln. Er kann seine rechte Hand nur grobmotorisch nutzen - so demonstrierte er dem Gericht, dass er einen Stift zwar greifen, aber diesen dann nicht nutzen kann.
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Die Behinderung ist immer wieder Anlass für krankengymnastische oder ärztliche Behandlungen. Diese stören die Möglichkeit, zu einem möglichst normalen alltäglichen Leben zu finden.
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Wegen dieser körperlichen Beeinträchtigung ist der Kläger in seinem Alltag insgesamt sehr eingeschränkt. Für gesunde Menschen gängige Handreichungen sind ihm unmöglich. Er ist dauerhaft gehindert, zahlreiche Sportarten auszuüben und handwerklichen Hobbys oder Berufen nachzugehen, weil diese die Nutzung zweier Arme bzw. Hände erfordern. Die Behinderung ist optisch erkennbar. Sie wird ihn auch in der Berufsauswahl und -ausübung insgesamt und möglicherweise auch in den sozialen Beziehungen zu anderen Menschen beeinträchtigen.
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3.3 Der Betrag ist ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Ein Vortrag, der einen früheren Zinszeitpunkt schlüssig begründen würde, fehlt.
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4. Auch der Feststellungsantrag ist begründet.
96 
Bereits die unter 3. geschilderten offensichtlichen Gegebenheiten machen deutlich, dass dem Kläger in Vergangenheit und Zukunft Kosten entstehen und Erwerbsmöglichkeiten fehlen, von denen ein Mensch, der nicht von den Folgen des von den Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers betroffen ist, nicht berührt wäre.
III.
97 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
98 
Der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zugrunde.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.