Landgericht Hamburg Beschluss, 09. Nov. 2016 - 327 O 192/16

bei uns veröffentlicht am09.11.2016

Tenor

1. Gegen die Schuldnerin wird wegen der Zuwiderhandlung gegen Ziff. I der Urteilsverfügung der Kammer vom 16.06.2016 bis zum 27.07.2016 (Zustellung des Ordnungsmittelantrages der Gläubigerin vom 18.07.2016 an die Schuldnerinvertreter) ein Ordnungsgeld i. H. v. 22.500,00 €, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft je 2.250,00 €, diese zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer der Schuldnerin, festgesetzt.

2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens nach einem Streitwert i. H. v. 90.000,00 € zu tragen.

Gründe

1

Der zulässige Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin vom 18.07.2016 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.

I.

2

Auf Antrag der Gläubigerin war gegen die Schuldnerin gemäß § 890 ZPO ein Ordnungsgeld in der aus dem Beschlusstenor zu Ziff. 1 ersichtlichen Höhe zu verhängen, denn diese hat schuldhaft gegen Ziff. I der am 16.06.2016 verkündeten und der Schuldnerin gemäß § 195 ZPO (Anlage OM 1) am 20.06.2016 zugestellten Urteilsverfügung der Kammer vom 16.06.2016 verstoßen, durch welche ihr bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist,

3

im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Sonnenschutzprodukt

4

G. A. S. S. e.+

5

wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen

6

1. mit der nachfolgend wiedergegebenen Grafik:

a.)

7

Bild entfernt

8

jeweils wie geschehen in der Anlage 1 oder Anlage 3 [der Urteilsverfügung der Kammer]

9

und/oder

b.)

10

Bild entfernt

11

wie geschehen in der Anlage 2 [der Urteilsverfügung der Kammer]

12

und/oder

13

2. mit der Aussage

a.)

14

Warum sollte man sich gegen Infrarot-Strahlen schützen?

15

Mehr als ein Drittel aller Sonnenstrahlen sind Infrarot-Strahlen, sie können tiefer in die Haut dringen als UV-Strahlen. Diese unsichtbaren Strahlen können selbst tiefe Hautzellen erreichen und sie langanhaltend schädigen.

16

wie geschehen in der Anlage 1 [der Urteilsverfügung der Kammer]

17

und/oder

b.)

18

Warum sollte man sich gegen Infrarot-Strahlen schützen?

19

Mehr als ein Drittel aller Sonnenstrahlen sind Infrarot-Strahlen. Sie können tiefer in Ihre Haut dringen als UV-Strahlen. Diese unsichtbaren Strahlen können selbst tiefe Hautzellen erreichen und sie langanhaltend schädigen.

20

wie geschehen in der Anlage 3 [der Urteilsverfügung der Kammer]

21

und/oder

22

[…]

5.

23

mit der Aussage

24

Unser 1. Schutz vor Schäden durch UV- und Infrarotstrahlen

25

wie geschehen in der Anlage 4 [der Urteilsverfügung der Kammer]

26

und/oder

27

[…]

7.

28

mit der Aussage

29

Schützt vor Schäden durch UVA-, UVB- und INFRAROT-Strahlen

30

wie geschehen in der Anlage 5 [der Urteilsverfügung der Kammer]

31

und/oder

32

8. mit der Aussage

a.)

33

Unser erster Schutz vor Schäden durch UV- und Infrarot-Strahlen

34

und/oder

b.)

35

A. S. erster Sonnenschutz, der selbst tiefer liegende Hautzellen vor Schäden durch Infrarot-Strahlen schützt.

36

und/oder

c.)

37

Launch einer relevanten Produktinnovation: Schutz vor Schäden durch Infrarot-Strahlen.

38

jeweils wie geschehen in der Anlage 6 [der Urteilsverfügung der Kammer]

39

und/oder

40

9. mit der Aussage

41

[…]

b.)

42

Mit der innovativen Formel bieten alle Produkte der A. S. S. E.+ Reihe ab sofort nicht nur Schutz gegen UVA- und UVB-Strahlen, sondern zusätzlich auch gegen Schäden durch langwellige und gefährliche Infrarot-Strahlen.

43

und/oder

c.)

44

Mehr als die Hälfte aller Sonnenstrahlen sind Infrarot-Strahlen, die zur Minimierung der Hautelastizität und zur Beschleunigung der Hautalterung beitragen. Die Strahlen erreichen selbst tiefe Hautzellen und können diese ohne ausreichenden Schutz besonders schnell schädigen.

45

jeweils wie geschehen in der Anlage 7 [der Urteilsverfügung der Kammer].

46

Noch bis zur mit Schriftsatz vom 18.07.2016, bei dem Gericht eingegangen am 20.07.2016, erfolgten Ordnungsmittelantragstellung waren zahlreiche mit den der Antragsgegnerin verbotenen Werbeaussagen versehene Waren sowohl in Internetshops als auch im stationären Einzelhandel erhältlich (Anlagenkonvolute OM 4 und OM 5 sowie Anlagen OM 6 bis OM 8).

47

Im Anschluss an die Verkündung und die Zustellung der Urteilsverfügung der Kammer vom 16.06.2016 hat die Schuldnerin keinerlei Anstrengungen unternommen, bereits an Dritte ausgelieferte, dem Verbotstenor unterfallende Ware aus der Reihe „A. S. S. E.+“ zurückzurufen. Damit – mit jenem Nichtstun – hat sie aber keinesfalls ihren Pflichten aus Ziff. I des Urteils der Kammer vom 16.06.2016 genügt.

48

Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst, so dass das Verbot des Angebots, der Bewerbung, des Imports und/oder Inverkehrbringens lauterkeitsrechtswidriger Ware den jeweiligen Anspruchsgegner nicht nur dazu verpflichtet, den weiteren Vertrieb noch nicht verkaufter Ware einzustellen, sondern darüber hinaus dazu, bereits an den Groß- und Einzelhandel verkaufte Ware zurückzurufen (vgl. BGH GRUR 2016, 720 ff. (723) – Hot Sox m. w. N.). Bei der Formulierung dieser bereits aus dem Unterlassungstenor „mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig“ folgenden Pflicht zum Rückruf nimmt der Bundesgerichtshof in jener Entscheidung eine Differenzierung nach verbotenen Handlungsformen (Angebot, Bewerbung, Imports und/oder Inverkehrbringen) nicht vor. Zudem betrifft das vorliegend gegen die Antragsgegnerin ausgesprochene „werben und/oder werben zu lassen“-Verbot Aussagen auf den Produktprimär und -sekundärverpackungen der Ware der Antragsgegnerin aus der Reihe „A. S. S. E.+“, so dass die Kammer mit dem Werbeverbot in der Sache zugleich ein Vertriebsverbot in Bezug auf die wie verboten verpackte Ware ausgesprochen hat.

49

Da die Schuldnerin vorliegend vorsätzlich nichts getan hat, um die drohende Verwirklichung eines Verletzungsfalls nach Kräften abzuwenden, die aufgrund einer von ihr bereits vorgenommenen Handlung gedroht hat, hat sie ihrer sich aus dem Unterlassungstenor ergebenden Handlungspflicht zur Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands – mangels tatsächlicher „abweichender Anhaltspunkte“ für deren Nichtbestehen in dem hier zu beurteilenden Fall – nicht genügt (vgl. dazu allgemein auch OLG München, Beschluss vom 28.05.2014, Az. 29 W 546/14, BeckRS 2014, 15704, und OLG Köln GRUR-RR 2008, 365 f. – Möbelhandel).

50

Bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes war ferner zu berücksichtigen, dass es sich um das erste Ordnungsmittelverfahren aus der Urteilsverfügung der Kammer vom 16.06.2016 handelt, andererseits aber bis zur Ordnungsmittelantragstellung zahlreiche mit den der Antragsgegnerin verbotenen Werbeaussagen versehene Waren sowohl in Internetshops als auch im stationären Einzelhandel erhältlich gewesen sind.

51

Vor diesem Hintergrund ist das festgesetzte Ordnungsgeld seiner Höhe nach angemessen, aber auch ausreichend, um die Schuldnerin für die Zukunft zur sorgfältigen Beachtung ihrer Unterlassungs- und Handlungspflichten aus der Urteilsverfügung der Kammer vom 16.06.2016 anzuhalten.

52

Die – von der Antragsgegnerin erbetene – Anberaumung einer mündlichen Verhandlung über den Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin war vor diesem Hintergrund nicht erforderlich.

II.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen


(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem

Zivilprozessordnung - ZPO | § 891 Verfahren; Anhörung des Schuldners; Kostenentscheidung


Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 195 Zustellung von Anwalt zu Anwalt


(1) Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass der zustellende Anwalt das Dokument dem anderen Anwalt übermittelt (Zustellung von Anwalt zu Anwalt). Auch Schriftsätze, die nach den Vorschrifte

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bei uns veröffentlicht am 30.01.2017

Tenor I. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Hamburg, Az. 327 O 192/16, vom 9.11.2016, wird zurückgewiesen. II. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. D

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(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

(1) Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass der zustellende Anwalt das Dokument dem anderen Anwalt übermittelt (Zustellung von Anwalt zu Anwalt). Auch Schriftsätze, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes vom Amts wegen zugestellt werden, können stattdessen von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden, wenn nicht gleichzeitig dem Gegner eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist. In dem Schriftsatz soll die Erklärung enthalten sein, dass von Anwalt zu Anwalt zugestellt werde. Die Zustellung ist dem Gericht, sofern dies für die zu treffende Entscheidung erforderlich ist, nachzuweisen. Für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt gelten § 173 Absatz 1 und § 175 Absatz 2 Satz 1 entsprechend.

(2) Zum Nachweis der Zustellung eines Schriftstücks genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis desjenigen Anwalts, dem zugestellt worden ist. § 175 Absatz 4 gilt entsprechend. Die Zustellung eines elektronischen Dokuments ist durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis in Form eines strukturierten Datensatzes nachzuweisen. Der Anwalt, der zustellt, hat dem anderen Anwalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zustellung zu erteilen.

Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.