Landgericht Hamburg Beschluss, 23. Feb. 2017 - 316 O 320/16


Gericht
Tenor
Der Streitwertbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss vom 23.01.2017 (Bl. 13 d. A.) wird nicht abgeholfen, § 572 Abs. 1 ZPO.
Gründe
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Der Beschwerde wird aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen. Die Beschwerdebegründung vermag eine anderweitige Entscheidung nicht zu rechtfertigen.
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Die Bestimmung des Streitwerts einer zu zahlenden künftigen Nutzungsentschädigung hat - anders als für künftige Miete, für die überwiegend § 9 ZPO angewandt wird - gemäß § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu erfolgen.
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Maßgebend ist dabei das Interesse des Klägers im Zeitpunkt der Antragstellung (Eingang der Klage) bis zur tatsächlichen Räumung, also der Vollstreckung des Räumungstitels (HansOLG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2016, Az. 8 W 62/15, WuM 2016,447 ebenso etwa OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. Mai 2011 zum Az. 1 W 14/11 bei juris).
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Anzusetzen ist daher nach § 3 ZPO der 6 bis 12 fache monatliche Bruttomietzins, je nachdem wie lange die Verfahrensdauer im jeweiligen Gerichtsbezirk vom Eingang der Klage bis zur Räumung anzusetzen ist (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 19.5.2011 zur Geschäfts-Nr. 1 W 14/11 bei juris (6 Monate); LG Dessau-Roßlau, Beschluss v. 30.1.2013 zum Az. 1 T 22/13 bei juris (6 Monate); LG Berlin GE 2010, 205 (12 Monate); KG Berlin NJW-RR 2007, 1579 und ZMR 2006, 207 (je 12 Monate); OLG Stuttgart MDR 2011, 513 (12 Monate); OLG Dresden WuM 2012, 510, 1214 (12 Monate); OLG Celle MDR 2014, 568 (12 Monate); OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. Mai 2011 zum Az. 1 W 14/11 bei juris (3 Monate für den Amtsgerichtsbezirk Bitterfeld-Wolfen); LG Potsdam GE 2008, 126 (12 Monate); OLG Nürnberg GuT 2006, 83 (12 Monate); AG München ZMR 2009, 456 (12 Monate)). Dabei ergibt sich auch aus § 3 ZPO, dass die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (OLG Naumburg a.a.O., Rn. 9 bei juris).
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Das Hanseatische Oberlandesgericht hat in der genannten Entscheidung vom 12.04.2016 (WuM 2016, 447) angenommen, dass im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg von der Antragstellung bis zur Vollstreckung in aller Regel ein Zeitraum von etwa einem Jahr vergeht. Zwar sei im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg eine Vollstreckung in aller Regel in längstens sechs Monaten möglich. Es sei jedoch auch noch die voraussichtliche Dauer des Erkenntnisverfahrens bis zu einem vollstreckbaren Vollstreckungstitel zu berücksichtigen, die in der Regel ebenfalls mit sechs Monaten anzusetzen sei. Von daher sei auch in einfach gelagerten Fällen grundsätzlich eine Zeitspanne von 12 Monaten anzunehmen (ebenso OLG Hamburg, Beschluss vom 12.10.2009, AZ: 4 W 266/09 Landgericht Hamburg, Beschluss vom 05.06.2014, Az:333T 17/14).
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Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beklagte keinerlei Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Kündigung ausgesprochen. Auch außergerichtlich hat er sich nicht auf Minderungs- und Zurückbehaltungsrechte berufen. Das Erkenntnisverfahren war demnach auch bereits nach rund zwei Monaten beendet.
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Das Amtsgericht Hamburg hat in einem Beschluss vom 21.11.2016 zum Az. 25a C 224/16 hinsichtlich der Dauer des Vollstreckungsverfahrens Folgendes ausgeführt:
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„Der übliche Vorlauf bei den Gerichtsvollziehern für einen Räumungstermin beträgt nach hiesiger Kenntnis derzeit weitere fünf bis acht Wochen. So hat eine regelmäßig auf Vermieterseite tätige Rechtsanwältin auf dem Norddeutschen Mietrechtstag am 07.11.2016 in Lübeck in einem Vortrag die Dauer der Räumungsvollstreckung in Hamburg mit fünf Wochen ab Beauftragung des Gerichtsvollziehers angegeben. Der Akte 25a M 59/16 etwa ist zu entnehmen, dass auf einen am 12.09.2016 bei der Gerichtsvollzieherin eingegangenen Räumungsauftrag, Räumungstermin für den 02.11.2016 anberaumt wurde. Diese Annahmen zu den zeitlichen Abläufen lassen sich exemplarisch etwa anhand des Räumungsrechtsstreits beim AG Hamburg zum Az. 44 C 202/16 belegen. Die Klage vom 30.05.2016 ging am 01.06.2016 bei Gericht unter Einzahlung eines Kostenvorschusses ein, es wurde das schriftliche Vorverfahren angeordnet und am 29.06.2016 ein Versäumnisurteil erlassen. Vollstreckungstermin der Räumung war am 02.09.2016, d.h. nach drei Monaten und einem Tag. Diese Verfahrensdauer bestätigt sich im Rechtsstreit 48 C 192/16. Dort ist die Klage am 04.07.2016 mit einem Kostenvorschuss bei Gericht eingegangen, ein Versäumnisurteil wurde am 02.08.2016 erlassen, von der Gerichtsvollzieherin ist mit Schreiben vom 27.09.2016 die Räumung für den 26.10.2016 angekündigt worden (48 M 63/16).“
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Danach ist in einfach gelagerten Fällen wie dem vorliegenden davon auszugehen, dass vom Eingang der Klage bis zur Räumung maximal sechs Monate vergehen.


Annotations
(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.
(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.
(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.
(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.
(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.