Landgericht Düsseldorf Urteil, 22. Jan. 2015 - 4c O 16/14
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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4c O 16/14 |
Verkündet am: 22.01.2015 Brassel, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
Landgericht Düsseldorf
3IM NAMEN DES VOLKES
4Urteil
5In dem Rechtsstreit
6hat die 4c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 02.12.2014 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Klepsch, die Richterin am Landgericht Dr. Heidkamp-Borchers und die Richterin am Landgericht Knappke
7für R e c h t erkannt:
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I. Die Klage wird abgewiesen.
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II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
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III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d
15Die Klägerin, die im Bereich der Patentverwertung tätig ist, ist seit dem 08.04.2014 als alleinige Inhaberin des deutschen Teils DE A (Anlage K 2, im folgenden: Klagepatent) des in englischer Verfahrenssprache abgefassten europäischen Patents EP B(Anlage K 1) im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes eingetragen. Das Klagepatent, das eine Priorität vom 14.08.1998 in Anspruch nimmt, wurde am 16.08.1999 angemeldet. Die Anmeldung des Klagepatents wurde am 03.11.2004 veröffentlicht. Am 22.03.2006 erfolgte der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents. Ursprüngliche Inhaberin des Klagepatents war die C.. Mit Schriftsatz vom 26.06.2014 (Anlage TW 1) hat die Beklagte Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents zum Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Das Klagepatent betrifft eine Stent-Transplantat-Membran zum Platzieren an einer Behandlungs-Stelle innerhalb eines Körpers oder Organs zum Unterstützen und Leiten von Fluid-Fluss dadurch, und ein Verfahren zum Herstellen desselben.
16Die vorliegend maßgeblichen Ansprüche 1 und 30 des Klagepatents, die der T2-Schrift entnommen sind (entspr. Ansprüchen 1 und 29 der EP-Schrift), lauten:
17Anspruch 1:
18„Körperkompatible Prothese, enthaltend:
19eine rohrförmige Wand, welche dazu geeignet ist, an einer Behandlungsstelle eingesetzt zu werden, um umgebendes Gewebe zu berühren und ein Fluidlumen (38) zu definieren, um einen Durchfluss eines ersten Fluids aufzunehmen, wobei die rohrförmige Wand umfasst: (i) einen rohrförmigen Körper (22), der dazu geeignet ist, das Fluidlumen aufrechtzuerhalten, (ii) eine erste Transplantatschicht (26), die aus einen mit dem ersten Fluid biokompatiblen Transplantatmaterial gebildet ist, und (iii) eine Membranschicht (30) die die Transplantatschicht im Wesentlichen umgibt und aus einen Membranmaterial gebildet ist, das mit dem umgebenden Gewebe an der Behandlungsstelle biokompatibel ist;
20wobei die erste Transplantatschicht eine erste mittlere Permeabilität aufweist und dazu geeignet ist, einen Durchfluss des ersten Fluids im Fluiddurchgang zu halten und zu leiten, wenn die rohrförmige Wand derart eingesetzt ist;
21dadurch gekennzeichnet, dass
22die Membranschicht eine zweite mittlere Permeabilität aufweist, die kleiner ist als die erste mittlere Permeabilität, und dazu geeignet ist, den Durchfluss von Fluiden durch die Wand zu begrenzen, um somit ein zweites Fluid, das sich außerhalb der rohrförmigen Wand befindet, wenn die rohrförmige Wand derart eingesetzt ist, daran zu hindern, das erste Fluid im Fluiddurchgang zu erreichen und sich mit diesem zu vermischen.“
23Anspruch 30:
24„Verfahren zum Herstellen einer implantierbaren Prothese, enthaltend:
25Bereitstellen eines rohrförmigen Körpers (22);
26Ausbilden einer Transplantatschicht (26) aus einem Transplantatmaterial mit einer ersten mittleren Permeabilität, und Einsetzen der Transplantatschicht entlang einer ausgewählten Oberfläche des rohrförmigen Körpers, und
27Ausbilden einer Membranschicht (30) aus einem Membranmaterial in einer die Transplantatschicht umgebenden Beziehung, wobei eine zweite mittlere Permeabilität der Membranschicht geringer ist als die erste mittlere Permeabilität der Transplantatschicht.“
28Zur Veranschaulichung werden nachfolgend (verkleinert) die Figuren 1, 1a, 2, 2a, 3 und 3a eingeblendet. Figur 1 zeigt eine Seitenansicht, Figur 1a eine Endansicht einer Stent-Transplantat-Membran mit einer Stent-Außenschicht, einer Transplantat-Mittelschicht und einer Membran-Innenschicht. In Figuren 2 (Seitenansicht) und 2a (Endansicht) ist eine Stent-Transplantat-Membran mit einer Stent-Außenschicht, einer Membran-Mittelschicht und einer Transplantat-Innenschicht gezeigt. Die Figuren 3 und 3a zeigen in Seiten- und Endansicht eine Stent-Transplantat-Membran mit einer Transplantat-Außenschicht, einer Stent-Mittelschicht und einer Membran-Innenschicht.
2930
Die Beklagte ist das deutsche Tochterunternehmen der D.. Sie bietet an und vertreibt implantierbare Prothesen mit den Bezeichnungen „E“ (im folgenden: angegriffene Ausführungsform 1), „F Thoraxendoprothesen“ (im folgenden: angegriffene Ausführungsform 2) und „G ENDOPROTHESEN“ (im folgenden: angegriffene Ausführungsform 3) in Deutschland.
31Die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 greift die Klägerin ausschließlich in Form der „Ausführung 2004“ an. Bei der Ausführung 2004 ist gegenüber der jeweils ursprünglichen Ausführung zusätzlich ein sog. low permeability film – bestehend aus expandiertem Polytetrafluorethylen (im folgenden: ePTFE) und fluorisiertem Ethylen Propylen (im folgenden: FEP) – vorhanden, der sich jeweils zwischen ePTFE-Graft und reinforcing film befindet. Da FEP gegenüber ePTFE einen geringeren Schmelzpunkt aufweist, schmilzt beim Erhitzen während des Herstellungsverfahrens zunächst das FEP und dringt in die Poren des darunterliegenden ePTFE-Graft ein. Um die Wanddicke der Prothesen durch Hinzufügen des low permeability film nicht substantiell zu erhöhen, wurde die Dicke des reinforcing film um etwa die Hälfte reduziert. Zur Veranschaulichung werden nachfolgend Abbildungen des Querschnitts der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 eingeblendet.
32Angegriffene Ausführungsform 1:
33 34Angegriffene Ausführungsform 2 (Ausführung 2004 rechts im Bild (H1.5):
35X
36Die Veränderung der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 erfolgte vor dem Hintergrund, dass im Rahmen von Langzeituntersuchungen festgestellt worden war, dass bei einigen Patienten, denen die Vorgängerversion der angegriffenen Ausführungsform 1 eingesetzt worden war, geringe Mengen von Blutserum durch die Gesamtprothese diffundierten. Auf die Permeabilität hin getestet, erzielten sowohl die angegriffene Ausführungsform 1 als auch ihr Vorgängerprodukt nach der in Ziffer 8.2.2 der ANSI/AAMI/ISO 7198:1988/2001/(R)2010 (Anlage TW 2, deutsche Übersetzung der Ziffer 8.2 in Anlage TW 2 (A), im folgenden: ISO 7198) vorgesehenen Mengenmessmethode einen Permeabilitätswert von 0 cm³/cm²/min bei einem Druck von 120mmHg. Im Rahmen eines geheimen, von der Muttergesellschaft der Beklagten entwickelten Tests (im folgenden: Ultrafiltrationstest), bei dem die Probe mit einer aggressiven Methode vorbehandelt wird, um die wasserabstoßenden Eigenschaften der ePTFE-Membranen zu reduzieren, ein Druck von 200 mmHg appliziert und ein Serum statt Wasser als Permeat benutzt wird, stellte sich heraus, dass die angegriffene Ausführungsform 1 eine Permeabilität von 0 cm³/cm²/min bei 200 mmHg aufwies, gegenüber einer Permeabilität ihres Vorgängerproduktes von 0,235 cm³/cm²/min bei 200 mmHg.
37Der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform 3, die seit dem Jahr 2000 vertrieben und eingesetzt wird, um eine (Entlastungs-) Blutbahn von der Pfortader in die Lebervene zu schaffen, kann den nachfolgend eingeblendeten Abbildungen, die ein Modell der eingesetzten angegriffenen Ausführungsform 3 sowie schematisch einen Querschnitt durch die angegriffene Ausführungsform 3 zeigen, entnommen werden.
38Angegriffene Ausführungsform 3:
39 40 41Die Stents aller drei angegriffenen Ausführungsformen weisen ein Nitinoldrahtgerüst auf. Die exakte Ausgestaltung kann den nachfolgend (in schwarz/weiß und verkleinert) eingeblendeten Abbildungen, die aus der Klageerwiderung stammen, entnommen werden.
42Die Stents der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 bestehen aus einem Nitinoldraht, der in einer Richtung helix-förmig gewunden ist.
43Angegriffene Ausführungsform 1:
44 45Angegriffene Ausführungsform 2:
46 47Die angegriffene Ausführungsform 3 weist in dem Bereich, in dem sich auch die weiteren im Querschnitt der angegriffenen Ausführungsform 3 dargestellten Schichten befinden, ein Nitinoldrahtgerüst auf, das aus einem in eine Richtung helix-förmig gewundenen Draht besteht.
48Angegriffene Ausführungsform 3:
49 50Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei zur Geltendmachung aller streitgegenständlichen Ansprüche inklusive der Schadensersatz- und zugehöriger Rechnungslegungsansprüche aktivlegitimiert. Dazu behauptet sie, die ursprüngliche Inhaberin, C., habe das Klagepatent zum 28.09.2012 auf die I, die Muttergesellschaft der Klägerin, übertragen. Insoweit beruft sie sich auf das als Anlage K 19 (dort unter Ziffer 81) vorgelegte „Assignment“ sowie eine mit Haager Apostille versehene Erklärung des Herrn J für die C. (Anlage K 25), eine mit Haager Apostille versehene Erklärung des Herrn K für die I (Anlage K 26) sowie eine ebenfalls mit Haager Apostille versehene Bestätigungsvereinbarung zwischen der C. und der I (Anlage K 27). Die I habe das Klagepatent sodann zum 15.05.2013 auf die L übertragen. Dazu verweist die Klägerin auf das als Anlage K 20 (dort unter Ziffer 81) vorgelegte „Assignment“. Die L habe das Klagepatent schließlich zum 30.01.2014 auf die Klägerin übertragen. Insoweit verweist die Klägerin auf ein weiteres „Assignment“ (Anlage K 21, dort unter „foreign VS Patents & Applications“ unter Ziffer 81). In Bezug auf die zwei letztgenannten Übertragungsvorgänge hat die Klägerin zusätzlich folgende, mit Haager Apostille versehene Dokumente vorgelegt:
51- Erklärung des Herrn M(Anlage K 28),
52- Bestätigungsvereinbarung zwischen der I und der L(Anlage K 29),
53- Bestätigungsvereinbarung zwischen der L und der N(Anlage K 30).
54Die Klägerin ist der Auffassung, die drei angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Vorrichtungsanspruchs 1 und des Verfahrensanspruchs 30 (bzw. 29 der EP-Schrift) unmittelbaren, wortsinngemäßen Gebrauch. Bei der angegriffenen Ausführungsform 1 sei die Transplantat-Schicht in dem ePTFE-Graft zu sehen, während der low permeability film die Membran-Schicht darstelle. Dies folge daraus, dass die ursprüngliche Version des Excluders gegenüber Blutserum permeabel war und die angegriffene Ausführungsform 1, die anders als der ursprünglich vertriebene Excluder zusätzlich einen low permeability film aufweist, gegenüber Blutserum besser abdichte. Dem sei zu entnehmen, dass der zusätzliche low permeability film eine kleinere mittlere Permeabilität aufweise als der ePTFE-Graft (= Transplantatschicht). Maßgeblich für die Ermittlung der Permeabilität sei nach der Lehre des Klagepatents nicht die Mengenmessmethode gemäß Ziffer 8.2.2 der ISO 7198. Denn diese beziehe sich auf die Permeabilität gegenüber Wasser, während es im Einsatzbereich des Klagepatents offensichtlich auf die Permeabilität gegenüber Körperflüssigkeiten, wie etwa Blutserum, Gewebeflüssigkeiten, Galle, etc. ankomme. Da die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 einen ähnlichen Aufbau wie die angegriffene Ausführungsform 1 aufwiesen, würden die vorstehenden Ausführungen jeweils entsprechend gelten.
55Die Klägerin behauptet, dass dem Durchschnittsfachmann im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents geeignete Messmethoden zur Feststellung einer Permeabilitätsdifferenz mit Körperflüssigkeiten zur Verfügung standen und verweist insoweit auf den seitens der Beklagten entwickelten Ultrafiltrationstest.
56Darüber hinaus ist die Klägerin der Ansicht, alle angegriffenen Ausführungsformen wiesen einen rohrförmigen Körper im Sinne des Klagepatents auf. Dieser erfordere weder das Vorhandensein eines rohrförmigen Gitters aus eingeflochtenen helix-förmigen gebundenen Filamenten, noch sei die Strukturgebung seine einzige Funktion. Vielmehr müsse er dazu geeignet sein, das Fluidlumen aufrecht zu erhalten, wobei auch andere Schichten dazu beitragen dürften.
57Schließlich meint die Klägerin, die geltend gemachten Ansprüche 1 und 30 (bzw. 29 der EP-Schrift) des Klagepatents würden sich als rechtsbeständig erweisen.
58Die Klägerin beantragt, nachdem sie mit dem ursprünglichen Feststellungsantrag die Feststellung begehrt hatte, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr (der Klägerin) allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 22. April 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, nunmehr sinngemäß
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I. die Beklagte zu verurteilen,
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1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
a) körperkompatible Prothesen, enthaltend:
64eine rohrförmige Wand, welche dazu geeignet ist, an einer Behandlungsstelle eingesetzt zu werden, um umgebendes Gewebe zu berühren und ein Fluidlumen zu definieren, um einen Durchfluss eines ersten Fluids aufzunehmen, wobei die rohrförmige Wand umfasst:
65(i) einen rohrförmigen Körper, der dazu geeignet ist, das Fluidlumen aufrechtzuerhalten,
66(ii) eine erste Transplantatschicht, die aus einem mit dem ersten Fluid biokompatiblen Transplantatmaterial gebildet ist, und
67(iii) eine Membranschicht, die die Transplantatschicht im Wesentlichen umgibt und aus einem Membranmaterial gebildet ist, das mit dem umgebenden Gewebe an der Behandlungsstelle biokompatibel ist,
68wobei die erste Transplantatschicht eine erste mittlere Permeabilität aufweist und dazu geeignet ist, einen Durchfluss des ersten Fluids im Fluiddurchgang zu halten und zu leiten, wenn die rohrförmige Wand derart eingesetzt ist,
69in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
70wobei die Membranschicht eine zweite mittlere Permeabilität aufweist, die kleiner ist als die erste mittlere Permeabilität, und dazu geeignet ist, den Durchfluss von Fluiden durch die Wand zu begrenzen, um somit ein zweites Fluid, das sich außerhalb der rohrförmigen Wand befindet, wenn die rohrförmige Wand derart eingesetzt ist, daran zu hindern, das erste Fluid im Fluiddurchgang zu erreichen und sich mit diesem zu vermischen;
71und/oder
72b) implantierbare Prothesen als Verfahrenserzeugnis eines Verfahrens in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, enthaltend
73- Bereitstellen eines rohrförmigen Körpers;
74- Ausbilden einer Transplantatschicht aus einem Transplantatmaterial mit einer ersten mittleren Permeabilität und Einsetzen der Transplantatschicht entlang einer ausgewählten Oberfläche des rohrförmigen Körpers, und
75- Ausbilden einer Membranschicht aus einem Membranmaterial in einer die Transplantatschicht umgebenden Beziehung, wobei eine zweite mittlere Permeabilität der Membranschicht geringer ist als die erste mittlere Permeabilität der Transplantatschicht;
762. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22. April 2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
77a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse und Angaben der Typen- und Produktbezeichnungen, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, sowie der bezahlten Preise,
78b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,-zeiten und -preisen, den genauen Produkt- und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
79c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Produkt- und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
80d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
81e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
82wobei
83der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
84die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
853. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
864. die unter 1. beschriebenen, frühestens seit dem 28. April 2011 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts vom ........) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie Kosten der Rückgabe wie für Verpackung, Transport oder Lagerung zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
87II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der durch die zu I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und zwar
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1. für die Zeit vom 22. April 2006 bis zum 27. September 2012, soweit der O ein Schaden entstanden ist,
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2. für die Zeit vom 28. September 2012 bis zum 14. Mai 2013, soweit der I ein Schaden entstanden ist,
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3. für die Zeit 15. Mai 2013 bis zum 29. Januar 2014, soweit der Lein Schaden entstanden ist und
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4. für die Zeit ab dem 30. Januar 2014, soweit der Klägerin ein Schaden entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
97die Klage abzuweisen,
98hilfsweise,
99das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss der gegen den deutschen Teil des Klagepatents gerichteten Nichtigkeitsklage auszusetzen,
100der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden,
101weiter hilfsweise,
102der Klägerin die Zwangsvollstreckung aus einem klagestattgebenden Urteil nur gegen Sicherheitsleistung von mindestens 15 Millionen Euro zu gestatten.
103Bezüglich der Schadensersatz- sowie der Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung, soweit sie in Bezug auf alle angegriffenen Ausführungsformen Handlungen betreffen, die vor dem 31.12.2010 begangen wurden. Dazu trägt die Beklagte vor, die angegriffene Ausführungsform 3 sei seit dem Jahr 2000 auf dem Markt, die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 seien in der jetzigen Ausgestaltung seit 2004 auf dem Markt. Sie behauptet, die ursprüngliche Patentinhaberin C. habe weit vor 2011 Kenntnis vom Aufbau aller drei angegriffenen Ausführungsformen gehabt; jedenfalls beruhe eine etwaige Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit, denn die Beklagte und C. seien Wettbewerber gewesen und seien es noch.
104Die Beklagte ist der Auffassung die angegriffenen Ausführungsformen machten weder von der Lehre des Vorrichtungsanspruchs 1 noch von der Lehre des Verfahrensanspruchs 30 (bzw. 29 der EP-Schrift) unmittelbaren, wortsinngemäßen Gebrauch. Bei allen drei angegriffenen Ausführungsformen fehle es an einem rohrförmigen Körper, einer Transplantat-Schicht und einer Membran-Schicht.
105Nach der Lehre des Klagepatents sei ein rohrförmiger Körper ein Stent, das heiße ein rohrförmiges Gitter, das eingeflochtene helix-förmige Filamente enthalte. Erforderlich sei, dass die gitterförmige Struktur jedenfalls dort vorhanden sei, wo auch die Transplantat-Schicht und die Membran-Schicht seien. Daran fehle es bei allen angegriffenen Ausführungsformen. Bei den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 sei der Nitinoldraht lediglich in eine Richtung helix-förmig gewunden, bei der angegriffenen Ausführungsform 3 sei der Nitinoldraht jedenfalls in dem Bereich, in dem auch die weiteren Schichten angeordnet seien, nur in eine Richtung helix-förmig gewunden.
106Auch handele es sich bei dem ePTFE-Graft der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 nicht um eine Transplantat-Schicht im Sinne des Klagepatents. Das Klagepatent sehe zwei Schichten mit unterschiedlicher Permeabilität vor, nämlich die Transplantat-Schicht, die – zur Erhöhung der Biokompatibilität mit Blut – bei einem Druck von 120mmHg eine gewisse Permeabilität zwischen 50 cm³/cm²/min und 5000 cm³/cm²/min aufweise und eine Membran-Schicht, deren Permeabilität bei einem Druck von 120mmHg im Bereich zwischen 0 cm³/cm²/min und 100 cm³/cm²/min liege und jedenfalls geringer als die Permeabilität der Transplantat-Schicht sei. Zur Ermittlung der Permeabilität sei nach der Lehre des Klagepatents auf die sogenannte Mengenmessmethode gemäß der ISO 7198 abzustellen. Bei der Mengenmessmethode nach diesem Standard handele es sich um das im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents als ausreichend angesehene Verfahren zur Messung der Permeabilität. Dabei werde bestimmt, welche Menge Wasser bei einem Druck von 120 mmHg pro Minute durch eine der Gefäßprothesenwand entnommene Probe fließe. Das ePTFE-Graft der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 sei jedenfalls keine Transplantat-Schicht im Sinne des Klagepatents, da es nach der Mengenmessmethode eine Permeabilität von 0 cm³/cm²/min bei 120mmHg aufweise und damit impermeabel im Sinne des Klagepatents sei. Wenn man mit der Klägerin davon ausginge, dass sich eine größere mittlere Permeabilität des ePTFE-Graft aus dem in Langzeitstudien nachgewiesenen Durchtritt von Blutserum ergebe, sei die Transplantat-Schicht jedenfalls nicht dazu geeignet, einen Durchfluss des ersten Fluids im Fluiddurchgang zu halten und zu leiten. Auch der innere Membranverbund (bestehend aus ePTFE-Graft und reinforcing film) der angegriffenen Ausführungsform 3 könne keine Transplantat-Schicht im Sinne des Klagepatents sein, da er nach der Mengenmessmethode eine Permeabilität von 0 cm³/cm²/min bei 120mmHg aufweise und damit impermeabel im Sinne des Klagepatents sei.
107Schließlich sei in dem low permeability film der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 keine Membran-Schicht zu sehen, da dieser gegenüber dem ePTFE-Graft (= Transplantat-Schicht nach Ansicht der Klägerin) keinen Unterschied bezüglich der Permeabilität nach der Mengenmessmethode aufweise. Bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 1 führt die Beklagte weiter aus, dass auch nicht dargetan sei, dass der low permeability film dazu geeignet sei, den Eintritt eines zweiten Fluids, das sich außerhalb der rohrförmigen Prothese der angegriffenen Ausführungsform befinde, wenn diese eingesetzt sei, in die rohrförmige Prothese zu verhindern. Überhaupt sei die Permeabilität des low permeability film allein nicht zu bestimmen, da dieser im Herstellungsverfahren der angegriffenen Ausführungsformen so erhitzt werde, dass er mit dem ePTFE-Graft verschmelze. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der low permeability film eine geringere Permeabilität als das ePTFE-Graft aufweise. Aus der seitens der Klägerin vorgelegten Anlage K 13 ergebe sich eine kleinere mittlere Permeabilität des low permeability film nicht; Gegenstand seien nicht die Permeabilitätswerte verschiedener Schichten, sondern unterschiedlicher Gesamtvorrichtungen gewesen. Die geringfügige Reduzierung der Permeabilität könne etwa auch auf das Einfügen einer weiteren Schicht (low permeability film) zurückzuführen sein, ohne dass diese Schicht selbst eine geringere Permeabilität als der innere ePTFE-Graft aufweisen müsse. Weiterhin sei die mit dem jedenfalls damals geheimen Ultrafiltrationstest ermittelte Permeabilitätsdifferenz nach Maßgabe des Klagepatents irrelevant, da sie sich im Bereich von Dezimalstellen hinter dem Komma bewege (nämlich 0,235 cm³/cm²/min, jedoch bei 200 mmHg). Schließlich sei ein Test mit Blutserum ohnehin nicht geeignet, die Permeabilität der Membran-Schicht zu ermitteln; zunächst sei Blutserum keine Körperflüssigkeit, sondern ein Bestandteil einer Körperflüssigkeit (Blut), zum anderen müsse die Membran-Schicht klagepatentgemäß den Eintritt eines zweiten, außerhalb der angegriffenen Ausführungsform befindlichen Fluids verhindern.
108Im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 2 bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass die unterschiedlichen Schichten die Permeabilitätseigenschaften aufweisen, die das Klagepatent der Transplantat-Schicht und der Membran-Schicht zuordnet. Die Klägerin habe weder die Körperflüssigketen noch die Messmethoden spezifiziert, anhand derer die Permeabilität ermittelt werden solle. Zwar sei der Aufbau der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 ähnlich, jedoch beruhten die in den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 verwendeten Membranen auf unterschiedlichen Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen und könnten daher ganz unterschiedliche Eigenschaften aufweisen.
109Auch die angegriffene Ausführungsform 3 weise weder eine Membran-Schicht noch eine Transplantat-Schicht im Sinne des Klagepatents auf. Da der ePTFE-Graft der angegriffenen Ausführungsform 3 ohnehin schon impermeabel im Sinne des Klagepatents sei, sei dieser nicht als Transplantat-Schicht zu qualifizieren. Ebenso sei eine weitere Permeabilitätreduzierung – wie sie nach der Lehre des Klagepatents durch die Membran-Schicht erfolge – nicht erforderlich gewesen; die undurchlässige Außenhülle der angegriffenen Ausführungsform 3 erziele keine gegenüber der Permeabilität des ePTFE-Graft reduzierte Permeabilität. Wenn überhaupt, weise die angegriffenen Ausführungsform 3 nach der Diktion des Klagepatents zwei gleichermaßen impermeable Schichten auf. Die Klägerin habe auch bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 3 keine eigenen Permeabilitätsmessungen vorgelegt. Es fehle zudem an einer Spezifizierung der Messmethode. Werbeaussagen zur Porosität erlaubten jedenfalls keinen ausreichenden Rückschluss auf die Permeabilität. Ebenso sei den Werbeaussagen keine Differenz der mittleren Permeabilität von ePTFE-Graft und äußerem Film der angegriffenen Ausführungsform 3 zu entnehmen. Die Beklagte bestreitet bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 3 mit Nichtwissen, dass eine solche Differenz der mittleren Permeabilität von ePTFE-Graft und äußerem Film besteht.
110Die Beklagte ist weiter der Meinung, die Verwendung der Vorgängerversion der angegriffenen Ausführungsform 1 begründe bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 ein ihr zustehendes Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 PatG.
111Darüber hinaus meint die Beklagte, die Ansprüche 1 und 30 des deutschen Teils des Klagepatents würden auf ihre Nichtigkeitsklage hin vernichtet werden. Beiden Ansprüchen stünden sowohl die WO X (TW X), WO X (, Anlage TW 1 / NK 4), EP X(, Anlage TW 1 / NK 5) als auch die WO X (, Anlage TW 1 / NK 6) neuheitsschädlich entgegen. Darüber hinaus sei die streitgegenständliche Lehre jedenfalls gegenüber einer Kombination der WO X (, TW 1 / NK 3) mit der WO X, Anlage TW 1 / NK 7) bzw. mit der WO X (, Anlage TW 1 / NK 8) nicht erfinderisch.
112Die Beklagte macht weiter geltend, nach der seitens der Klägerin vertretenen Auslegung sei das Klagepatent zum einen nicht ausführbar, zum anderen könne es die reklamierte Priorität nicht beanspruchen, so dass die Entgegenhaltung X ( Anlage NK 19, Übersetzung in Anlage TW 12 / NK 19a) und die EP 1 666 005 (, Anlage NK 20), eine Schwesteranmeldung des Klagepatents, der Neuheit des Klagepatentes entgegen stünden. Unabhängig von einer wirksamen Prioritätsbeanspruchung sei die WO X (, Anlage NK 21) neuheitsschädlich.
113Zudem stehe der Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der angegriffenen Ausführungsform 1 der Einwand des § 145 PatG entgegen, da die angegriffene Ausführungsform 1 bereits Gegenstand eines – unstreitig – mit Klageschrift vom 11.02.2014 (Anlage K 23) beim Landgericht Mannheim zum Aktenzeichen 2 O 22/14 anhängig gemachten Verfahrens unter identischem Rubrum sei, mit dem die Verletzung der deutschen Teile der europäischen Patente EP X (= DE X, Anlage TW 7) und EP X (= DE X Anlage TW 8) geltend gemacht würde.
114Ferner ist die Beklagte der Auffassung, die Klägerin sei für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sowie zugehöriger Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche nicht aktivlegitimiert. Insoweit bestreitet die Beklagte, dass die Klägerin materiell-rechtlich Inhaberin abgetretener Schadensersatzansprüche ist. Dem Register komme im vorliegenden Fall keine Indizwirkung zu, da die Registerlage offensichtlich lückenhaft sei. Denn die von der Klägerin dargelegte Übertragungskette enthalte zwei weitere Inhaber des Klagepatents, die nicht im Register eingetragen gewesen seien.
115Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass das seitens der Klägerin begehrte Unterlassungsgebot unverhältnismäßig sei, da ein Unterlassungsgebot gravierende Folgen für die Patientenversorgung habe, die angegriffenen Ausführungsformen seit über 10 Jahren auf dem Markt seien, die Klägerin selbst auf dem Markt nicht tätig sei und ein rein strategisches Interesse verfolge, und der der Beklagten drohende Schaden immens sei. Schließlich sei auch der Vernichtungsantrag unverhältnismäßig. Die Vernichtung in Deutschland befindlicher angegriffenen Ausführungsformen, die sich weitgehend bereits im Besitz von Krankenhäusern befänden und dort zur Nutzung bereitstünden, beeinträchtige die Patientenversorgung unmittelbar.
116Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 02.12.2014 (Bl. 308 ff. GA) Bezug genommen.
117E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
118Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
119A.
120Das Klagepatent betrifft eine Stent-Transplantat-Membran zum Platzieren an einer Behandlungsstelle innerhalb eines Körpergefäßes oder Organs zum Unterstützen und Leiten von Fluid-Fluss dadurch, und ein Verfahren zum Herstellen desselben. Insbesondere betrifft die Erfindung eine implantierbare Endoprothese wie einen mit einer im Allgemeinen impermeablen Membran-Schicht und einer permeablen Transplantat-Schicht kombinierten Stent. Das Transplantat und die Membran stellen Biokompatibilität mit Gewebe an der Behandlungsstelle und dem Fluid im Lumen bereit (Klagepatent, Absatz [0001]).
121Aus dem Stand der Technik benennt das Klagepatent eine Vielzahl von Dokumenten, die intraluminale implantierbare Endoprothesen wie selbstexpandierende Stents, Transplantate und Stent-Transplantate beschreiben (Klagepatent, Absatz [0002]). Das Klagepatent führt einzelne Dokumente an, die einen abgedeckten Stent, ein Polyurethan, ein poröses, implantierbares Material bzw. ein Verfahren zum Bilden eines implantierbaren Stents zeigen (Klagepatent, Absatz [0002]). In den Absätzen [0003] bis [0013] befasst sich das Klagepatent mit insgesamt zehn US-amerikanischen Veröffentlichungen. Diese zeigen eine Prothese, die einen flexiblen rohrförmigen Körper zum transluminalen Implantieren umfasst (Klagepatent, Absatz [0003]), eine federnde, elastische selbst-expandierende Prothese die einen flexiblen rohrförmigen Körper umfasst (Klagepatent, Absatz [0004]), einen radial selbst-expandierenden, Mehrfach-Schichten aufweisenden Stent, mit weiteren Merkmalen (Klagepatent, Absatz [0005]), eine Prothese, die eine flexible, rohrförmige, dreidimensionale geflochtene Struktur aus Metall- oder Polymer-Monofilamenten und Polymer-Multifilament-Garnen aufweist (Klagepatent, Absatz [0006]), einen selbstexpandierenden Stent (Klagepatent, Absatz [0007]), eine näher beschriebene luminale Transplantat-Endoprothese oder endovaskuläre Prothese, welche für Dilatations- und Stütz-Funktionen geeignet ist, und welche geeignet ist für endoluminale Reparatur von Gefäß-Läsionen und dergleichen (Klagepatent, Absatz [0008]), einen beschichteten Stent, der eine von vernetzten Drähten ausgebildete zylindrische Wand umfasst sowie eine Überzug-Schicht aus elastischem Material (Klagepatent, Absatz [0009]), ein näher beschriebenes flexibles Hohlorgan mit einem flexiblen, prothetischen Rohr, dessen eine Wand wenigstens einen geflochtenen Schlauch zeigt (Klagepatent, Absatz [0010]), sowie diverse Stent-Implantate (i) aus einer Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierung (Klagepatent, Absatz [0011]), (ii) mit bioabsorbierbarem Struktur-Träger (Klagepatent, Absatz [0012]) und (iii) mit geflochtener Polymer-Hülse (Klagepatent, Absatz [0013]).
122Als nächstliegenden Stand der Technik benennt das Klagepatent die WO 98/26731, die die Merkmale im Oberbegriff des Anspruchs 1 zeige (Klagepatent, Absatz [0001]).
123Ohne ausdrücklich Kritik an dem vorgenannten Stand der Technik zu üben, erläutert das Klagepatent, dass ein Bedürfnis nach einer Stent-Transplantat-Membran gemäß der Lehre des Klagepatents bestehe, welche Schichten mit Flächen aufweise, welche dazu ausgewählt seien, biokompatibel mit dem Gewebe oder Fluid zu sein, mit welchen sie beim Behandeln von Gefäßen oder Organen in Verbindung stünden (Klagepatent, Absatz [0015]). Die Klagepatentschrift führt ebenfalls in Absatz [0015] weiter aus, dass die Stent-Transplantat-Membran gemäß dem Klagepatent wenigstens drei Schichten aufweise und zum Behandeln vaskulärer Lumen, nicht-vaskulärer Lumen oder Organen im Körper vorgesehen sei. Die drei Schichten enthielten eine strukturgebende Stent-Schicht, eine Transplantat-Schicht und eine Membran-Schicht. Die drei Schichten könnten in verschiedenen Kombinationen von Schichten ausgebildet sein.
124Ausgehend von diesem Hintergrund schlägt das Klagepatent – ohne eine konkrete Aufgabe zu bezeichnen – in seinen Ansprüchen 1 und 30 (29 der EP-Schrift) eine Vorrichtung und ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
125Anspruch 1:
126- 127
1. Körperkompatible Prothese, enthaltend:
- 129
2. eine rohrförmige Wand, welche dazu geeignet ist, an einer Behandlungsstelle eingesetzt zu werden, um umgebendes Gewebe zu berühren und ein Fluidlumen (38) zu definieren, um einen Durchfluss eines ersten Fluids aufzunehmen,
- 131
3. wobei die rohrförmige Wand umfasst:
3.1 einen rohrförmigen Körper (22), der dazu geeignet ist, das Fluidlumen aufrechtzuerhalten,
1333.2 eine erste Transplantatschicht (26), die aus einem mit dem ersten Fluid biokompatiblen Transplantatmaterial gebildet ist, und
1343.3 eine Membranschicht (30) die die Transplantatschicht im Wesentlichen umgibt und aus einen Membranmaterial gebildet ist, das mit dem umgebenden Gewebe an der Behandlungsstelle biokompatibel ist.
135- 136
4. Die erste Transplantatschicht weist eine erste mittlere Permeabilität auf und ist dazu geeignet, einen Durchfluss des ersten Fluids im Fluiddurchgang zu halten und zu leiten, wenn die rohrförmige Wand derart eingesetzt ist;
- 138
5. Die Membranschicht weist eine zweite mittlere Permeabilität auf, die kleiner ist als die erste mittlere Permeabilität, und ist dazu geeignet, den Durchfluss von Fluiden durch die Wand zu begrenzen, um somit ein zweites Fluid, das sich außerhalb der rohrförmigen Wand befindet, wenn die rohrförmige Wand derart eingesetzt ist, daran zu hindern, das erste Fluid im Fluiddurchgang zu erreichen und sich mit diesem zu vermischen.“
Anspruch 30 (29 der EP-Schrift):
140- 141
1. Verfahren zum Herstellen einer implantierbaren Prothese, enthaltend:
- 143
2. Bereitstellen eines rohrförmigen Körpers (22);
- 145
3. Ausbilden einer Transplantatschicht (26) aus einem Transplantatmaterial mit einer ersten mittleren Permeabilität, und Einsetzen der Transplantatschicht entlang einer ausgewählten Oberfläche des rohrförmigen Körpers, und
- 147
4. Ausbilden einer Membranschicht (30) aus einem Membranmaterial in einer die Transplantatschicht umgebenden Beziehung, wobei eine zweite mittlere Permeabilität der Membranschicht geringer ist als die erste mittlere Permeabilität der Transplantatschicht.
B.
149Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin stehen die gegen die Beklagte geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da weder feststellbar ist, dass die angegriffenen Ausführungsformen den Vorrichtungsanspruch 1 verletzen, noch dass sie unmittelbare Verfahrensprodukte des Verfahrens nach Anspruch 30 (bzw. 29 der EP-Schrift) sind.
150I.
151Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht ihr – auch in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform 1 – nicht die Regelung des § 145 PatG entgegen. Danach kann, wer eine Klage nach § 139 PatG erhoben hat, gegen den Beklagten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung auf Grund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar hat die Klägerin vor dem Landgericht Mannheim gegen die Beklagte eine Klage aus zwei weiteren Patenten erhoben, wobei die angegriffene Ausführungsform des Mannheimer Verfahrens die angegriffene Ausführungsform 1 des hiesigen Verfahrens ist. Die vorliegende Klage bezieht sich aber nicht auf dieselbe oder eine gleichartige Handlung im Sinne des § 145 PatG.
1521.
153Dieselbe Handlung im Sinne des § 145 PatG ist nicht bereits jede Handlung, die unter den Oberbegriff des verletzten Patents fällt; erforderlich ist, dass der mit dem Klageantrag konkret beschriebene Verletzungstatbestand im wesentlichen identisch ist (vgl. Voß/Kühnen, in: Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 145 PatG, Rn 15). Als Handlung im Sinne des § 145 PatG ist bei einer aus mehreren Teilen bestehenden Gesamtvorrichtung der mit dem Klageantrag konkret beschriebene, durch die Ausgestaltung eines bestimmten Teils der Gesamtvorrichtung charakterisierte konkrete Verletzungstatbestand zu verstehen. Sieht man dementsprechend in einem solchen Fall als Gegenstand der ersten Klage nur die so beschriebene Gesamtvorrichtung an, wie sie durch die besondere Ausgestaltung jenes Teils der Vorrichtung charakterisiert ist, dann betrifft die weitere Klage aus einem anderen Patent, das die Gesamtvorrichtung wegen der besonderen Ausgestaltung eines anderen Teils der Vorrichtung zum Gegenstand hat, nicht "dieselbe Handlung", wenn sich der Klageantrag der weiteren Klage auf die durch die konkrete Ausgestaltung des anderen Teils charakterisierte Gesamtvorrichtung bezieht (BGH, GRUR 1989, 187 (189) – Kreiselegge II).
154Bei Anwendung dieser Maßstäbe greift die Klägerin mit der vorliegenden Klage nicht dieselbe Handlung der Beklagten an, wie mit der Klage vor dem Landgericht Mannheim. Das Verfahren vor dem Landgericht Mannheim betrifft die Kupplungsmittel der Prothese, während es in dem vorliegenden Verfahren um die Ausgestaltung der Prothesenwand und die Permeabilität einzelner Schichten der Wand geht.
1552.
156Die vorliegende Klage betrifft auch keine gleichartige Handlung im Sinne des § 145 PatG. Als "gleichartig" sind nur solche weiteren Handlungen der Beklagten zu verstehen, die im Vergleich zu der im Erstprozess angegriffenen Verletzungshandlung zusätzliche oder abgewandelte Merkmale aufweisen, bei denen es sich wegen eines engen technischen Zusammenhangs aufdrängt, sie gemeinsam in einer Klage aus mehreren Patenten anzugreifen, damit den Beklagten mehrere Rechtsstreite darüber erspart bleiben (BGH, GRUR 1989, 187 (189) – Kreiselegge II; BGH, GRUR 2011, 411 (414) – Raffvorhang). Auch die Voraussetzungen einer gleichartigen Handlung sind vorliegend nicht gegeben. Denn die hiesige Klage richtet sich gegen einen Verletzungstatbestand, dessen Verwirklichung nicht davon abhängt, ob die für den Gegenstand des vor dem Landgericht Mannheim geführten Verfahrens charakteristischen Merkmale verwirklicht sind. Wie bereits ausgeführt, betrifft der beim Landgericht Mannheim anhängige Rechtsstreit die Kupplungsmittel der Prothesen, während es im hiesigen Verfahren um die Ausgestaltung der Wand und die Permeabilität einzelner Schichten der Wand geht.
157II.
158Die Klage ist unbegründet.
1591.
160Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen den Vorrichtungsanspruch 1 des Klagepatents nicht.
161Dass eine oder mehrere der angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale 4 und 5 des Klagepatentanspruchs 1 verwirklichen, kann nicht festgestellt werden. Die Merkmale 4 und 5 nehmen Bezug auf die in Merkmalen 3.2 und 3.3 genannten Schichten, nämlich die Transplantat- und die Membran-Schicht. Danach weist die Transplantat-Schicht eine erste mittlere Permeabilität auf, die geeignet ist, einen Durchfluss des ersten Fluids im Fluiddurchgang zu halten und zu leiten (Merkmal 4), während die Membran-Schicht eine zweite mittlere Permeabilität aufweist, die kleiner ist als die erste mittlere Permeabilität und dazu geeignet ist, den Durchfluss von Fluiden durch die Wand zu begrenzen, um ein zweites Fluid das sich außerhalb der Wand befindet, daran zu hindern, das erste Fluid im Fluiddurchgang zu erreichen und sich mit diesem zu vermischen (Merkmal 5). Bereits der Wortlaut des Merkmals 5 gibt ausdrücklich vor, dass die zweite mittlere Permeabilität (der Membran-Schicht) kleiner ist als die erste mittlere Permeabilität (der Transplantat-Schicht). Dabei definiert das Klagepatent in Absatz [0066] Permeabilität als die Fähigkeit eines Fluids, durch die Wand einer Stent-Transplantat-Membran zu fließen.
162a.
163Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass bei einer oder mehreren der angegriffenen Ausführungsformen die Permeabilität der Membran-Schicht kleiner ist als die Permeabilität der Transplantat-Schicht.
164Der für den Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 des Klagepatentes macht zur Art und Weise der Bestimmung der Permeabilitäten der Membran- und Transplantat-Schichten keine Angaben. Bei der Permeabilität handelt es sich um eine relative Größe, deren Wert davon abhängt, welche Messmethode eingesetzt wird, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Entsprechend können unterschiedliche Untersuchungsmethoden zu differierenden Ergebnissen sowohl hinsichtlich der Permeabilitätswerte wie auch der Permeabilitätsdifferenzen führen. Der Fachmann wird daher vor dem Hintergrund seines Fachwissens sowie dem Sinn und Zweck eines Patentanspruches, ihm eine technische Lehre an die Hand zu geben, bei deren Nacharbeitung sich der beabsichtigte Erfindungserfolg einstellt, mangels anderer zur Verfügung stehender Messmethoden zur Bestimmung der anspruchsgemäßen Permeabilitätsunterschiede die Mengenmessmethode gemäß der ISO 7198 heranziehen, auch wenn diese im maßgeblichen Patentanspruch 1 nicht genannt ist.
165aa.
166Bei der Auslegung eines Patentanspruchs ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand eines Patentanspruchs eine unter Schutz gestellte Lehre zum technischen Handeln ist (Scharen, in: Benkard, EPÜ, 2. Auflage, Art. 69, Rn 3). Der Patentanspruch hat zweierlei Funktion. Zum einen ist dies die Definition des Gegenstandes, zum anderen macht der Patentanspruch den für diesen Gegenstand bestehenden Schutzbereich bestimmbar (vgl. Scharen, in: Benkard, EPÜ, 2. Auflage, Art. 69, Rn 3). Nach dem Protokoll über die Auslegung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II, 1000) fällt unter den Schutzbereich eines Patents einerseits nicht allein das, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt. Andererseits dienen die Patentansprüche aber auch nicht lediglich als bloße Richtlinie mit der Folge, dass sich der Schutzbereich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnung als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen beiden Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden. Aus diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof hergeleitet, dass die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Klarstellung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung dient. Maßgeblich ist hierfür die Sicht des Fachmanns. Das Verständnis des Fachmanns wirkt sich bereits bei der Ermittlung und Klärung des Begriffsinhalts der in den Patentansprüchen benutzten Worte aus (vgl. BGH, GRUR 19994, 597 (599) – Zerlegvorrichtung für Baumstämme). Ein sich verändernder Schutzbereich wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar (Scharen, in: Benkard, EPÜ, 2. Auflage, Art. 69, Rn 2).
167Dem Gebot der Rechtssicherheit ist dadurch Rechnung zu tragen, dass – wenn der Wert einer im Patentanspruch genannten Größe von der Messmethode abhängt – diese Messmethode für den Fachmann bestimmbar sein muss. So ist es zwar nicht unbedingt notwendig, dass der Patentanspruch eine bis ins allerletzte detaillierte Handlungsanweisung gibt, d.h. eine Anleitung zum technischen Handeln formuliert, die auch Selbstverständlichkeiten aufgreift und erwähnt. Solche können vielmehr als präsentes Wissen des Fachmannes in dem Sinne vorausgesetzt werden, dass sie von ihm auch ohne Erwähnung im Patentanspruch eigenständig gesehen und ergänzt werden. Für technische Anweisungen, die grundsätzlicher Natur sind, weil ohne sie eine funktionsfähige Vorrichtung erst gar nicht erhalten wird, gilt dies jedoch nicht in gleicher Weise. Merkmale in einem Patentanspruch, die keine aus dem selbstverständlichen Wissen des Durchschnittsfachmannes zu schließenden Lücken hinterlassen, sind deswegen so zu interpretieren, dass sich aus der Gesamtheit der Anspruchsmerkmale ein für die Zwecke der Erfindung tauglicher und vor allem funktionsfähiger Gegenstand ergibt (Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 7. Auflage, Rn 19).
168Damit in Einklag steht die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, I-2 U 139/09 vom 29.07.2010 – Traktionshilfe. Die Entscheidung Traktionshilfe hatte die Ermittlung eines Abstandsverhältnisses (von dem inneren Umfang eines Bandes und dem größten Umfang der Lauffläche eines Rades) zum Gegenstand, wobei das dortige Verfügungspatent keinerlei Ausführungen zu der Art und Weise, wie die dazu erforderlichen Messungen durchzuführen waren, enthielt. In dem genannten Verfahren hat das Oberlandesgericht Düsseldorf unter Berücksichtigung des technischen Sinns und Zwecks des zu ermittelnden Abstandsverhältnisses die bei der Messung einzuhaltenden Parameter dahingehend bestimmt, dass etwaige Dehnungen des Bandes bei der Messung außer Betracht bleiben müssen, weil bei ihrer Berücksichtigung der Geltungsbereich des dortigen Verfügungspatents nicht zuverlässig bestimmt werden könnte. Dies bestätigt zum einen, dass wenn eine im Patentanspruch vorgesehene Größe von dem eingesetzten Messverfahren abhängt, für den Fachmann erkennbar sein muss, unter welchen Bedingungen die Messung durchzuführen ist, und zum anderen, dass eine zuverlässige Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents möglich sein muss (OLG Düsseldorf, I-2 U 139/09, Urteil vom 29.07.2010 – Traktionshilfe, Rn 17 (zitiert nach juris)).
169bb.
170Da die Klagepatentschrift keine Testmethode benennt, nach der die Permeabilität der Transplantat-Schicht und der Membran-Schicht zu bestimmen ist, ist der Fachmann bei der Auswahl des Messverfahrens veranlasst, auf sein allgemeines Fachwissen zurückzugreifen.
171Die Beklagte hat durch Vorlage diverser Veröffentlichungen belegt, dass es zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns im Prioritätszeitpunkt gehörte, die Permeabilität von Gefäßprothesen anhand der in der ISO 7198 beschriebenen Mengenmessmethode zu ermitteln.
172Die ISO 7198 selbst bezieht sich ausdrücklich auf solche Prothesen, denn sie trägt den Titel „Cardiovascular implants – Tubular vascular protheses“. Darüber hinaus spricht der Textbuchauszug von Kowigli et al aus dem Jahre 1995 (S. 988; TW 9 / 9a) im Zusammenhang mit Gefäßprothesen (vascular grafts, S. 979) von „water permeability“, wobei die Messmethode derjenigen gemäß ISO 7198 entspricht. Ähnlich verhält es sich mit dem Textbuchauszug von White und Fogarty aus dem Jahr 1996 (S. 227, 228; TW 10/10a), der die Permeabilität endovaskulärer Grafts in der Einheit ml(=cm³)/cm²/min bei einem Druck von 120 mmHg angibt. Auch dies spricht für die Anwendung der Methode gemäß ISO 7198, denn die dort beschriebene Mengenmessmethode erfolgt bei einem Druck von 120 mmHg.
173Dieses Verständnis steht in Einklang mit den Angaben der Klagepatentschrift. Das Klagepatent gibt im allgemeinen Beschreibungsteil Permeabilitätswerte in der Einheit cc(=cm³)/cm²/min an, allerdings ohne zu konkretisieren, mit welcher Flüssigkeit und bei welchem Druck die Messung erfolgt (s. etwa Absätze [0017], [0018]). Einen Hinweis darauf, dass die Permeabilität im Sinne des Klagepatents nach der ISO 7198 zu ermitteln ist, erhält der Fachmann aus der Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele. So sind etwa in den Beschreibungen des Transplantats (Absatz [0063]) und der Membran (Absatz [0066]), die für alle bevorzugten Ausführungsbeispiele Geltung haben sollen (Absatz [0055]), Permeabilitätswerte in der Einheit cc(=cm³)/cm²/min angegeben, wobei hier näher spezifiziert wird, dass die Werte bei einem differentiellen Druck von etwa 120 mmHg ermittelt wurden. Die Ermittlung der Permeabilität bei einem differentiellen Druck von 120 mmHg setzt sich in der weiteren Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele fort (s. Absätze [0072], [0073]). Auch der abhängige Unteranspruch 8, der gegenüber dem Hauptanspruch insoweit enger ist, als er einen bestimmten Permeabilitätsbereich für die Membran-Schicht vorgibt, geht von bei 120 mmHg gemessenen Werten aus. Durch den Umstand, dass im Rahmen der Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele die Permeabilität durchgehend bei einem Druck von 120 mmHg bestimmt wird, wird der Fachmann vor dem Hintergrund seines Fachwissens darin bestärkt, die Mengenmessmethode gemäß der ISO 7198 anzuwenden.
174Hierfür spricht des weiteren, dass die in den Unteransprüchen 6 bis 8 genannten Permeabilitätswerte in dem Bereich liegen, der in Figur 14-11 auf S. 227 der Anlage TW 10/10a für verschiedene Polyester und PTFE Gefäßprothesen genannt wird.
175Soweit die Klägerin geltend macht, dass der Fachmann diese Mengenmessmethode nicht zur Bestimmung der Permeabilität im Sinne des Klagepatents heranziehen würde, da er erkenne, dass es nach der Lehre des Klagepatents auf die Permeabilität gegenüber Körperflüssigkeiten, nicht aber gegenüber Wasser ankomme, verfängt dieser Einwand nicht. Zwar stellt die Definition der Permeabilität in Absatz [0066] des Klagepatents allgemein auf ein „Fluid“ und nicht auf Wasser ab; sie stellt aber auch nicht speziell auf Körperflüssigkeiten oder Bestandteile davon ab. Hinzu kommt, dass auch Wasser ein Fluid darstellt und – aufgrund seiner (im Gegensatz zu Körperflüssigkeiten) immer gleichen Beschaffenheit – sowohl reproduzierbare als auch vergleichbare Ergebnisse liefert. Im Prioritätszeitpunkt wurde überdies – wie die seitens der Beklagten vorgelegten Veröffentlichungen belegen – eine Messung mit Wasser auch für die Ermittlung der Permeabilität in Bezug auf Körperflüssigkeiten oder Bestandteile davon als ausreichend und aussagekräftig erachtet. Auch die Anwendung eines Drucks von 120 mmHg macht vor dem Hintergrund Sinn, dass es sich dabei unstreitig um den Druck handelt, der dem üblichen systolischen Blutdruck entspricht.
176Der weitere Vortrag der Klägerin, nach dem der Fachmann in der Lage gewesen wäre, andere, genauer auf den Einsatzbereich abgestimmte Tests anzuwenden, führt zu keiner anderen Beurteilung. So bleibt unklar, wie diese Tests konkret ausgestaltet sein sollen. Dass der Ultrafiltrationstest der Beklagten eine solche Testmethode nach der Lehre des Klagepatents darstellt, ist zweifelhaft. Dieser wurde nach der Priorität des Klagepatentes entwickelt und es ist auch zweifelhaft, ob es sich bei der insoweit im Hause der Muttergesellschaft der Beklagten erfolgten Entwicklung um eine Entwicklung handelt, die im Durchschnittswissen des Fachmannes liegt.
177Auch die in den Merkmalen 4 und 5 enthaltenen Zweckangaben führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Zweck- und Funktionsangaben in einem Sachanspruch beschränken als solche dessen Gegenstand regelmäßig nicht (BGHZ 72, 236 = GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; BGH, GRUR 2006, 570 Tz. 21 - extracoronales Geschiebe; GRUR 2006, 923 Tz. 15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; GRUR 2009, 838 Tz. 15 - Bauschalungsstütze). Das bedeutet allerdings nicht, dass derartige Angaben damit bedeutungslos sind. Sie haben vielmehr regelmäßig die Aufgabe, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist bzw. die im Patentanspruch angegebene Funktion erfüllen kann (vgl. BGHZ 112, 140, 155 f. = GRUR 1991, 436 - Befestigungsvorrichtung II; BGHZ 72, 236 = GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; BGH, GRUR 1981, 259, 260 - Heuwerbungsmaschine II; GRUR 2006, 923 Tz. 15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; GRUR 2009, 838 Tz. 15 - Bauschalungsstütze; BGH, Urt. v. 06.07.2010 - X Z R 115/07, Umdr. S. 11). Als Bestandteil des Schutzanspruchs nehmen Zweck- und Funktionsangaben insoweit regelmäßig an dessen Aufgabe teil, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann.
178Die Zweckangaben der streitgegenständlichen Merkmale mögen angesichts dessen dazu führen, dass zusätzlich zu dem angegebenen Verhältnis der Permeabilitäten der Transplantat-Schicht und der Membran-Schicht zueinander die jeweilige Permeabilität auch in einem Bereich liegen muss, der geeignet ist, die der jeweiligen Schicht zugeordnete Funktion zu erfüllen. Einen Einfluss auf das zur Ermittlung der Permeabilität einzusetzende Messverfahren haben die Zweckangaben hingegen nicht.
179Der in diesem Zusammenhang von der Klägerin angeführte Gedanke, dass rein funktional abgefasste Merkmale auch durch eine Konstruktion verwirklicht werden, die dem Fachmann am Prioritätstag noch nicht zur Verfügung gestanden hat, sondern erst durch die spätere technische Entwicklung möglich geworden ist (LG Frankfurt, InstGE 6, 1 (Rn 33) – Kunstharzzusammensetzung, Kühnen, a.a.O., Rn 79), lässt sich auf die vorliegende Konstellation nach Auffassung der Kammer nicht übertragen. Denn Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht ein neuer, im Prioritätszeitpunkt unbekannter Stoff, der eine bestimmte klagepatentgemäße Funktion erfüllt. Vielmehr geht es darum, dass der Anspruch des Klagepatents mit der Permeabilität der verschiedenen Schichten eine relative Größe vorsieht, deren exakter Wert von dem eingesetzten Messverfahren abhängt. Das bedeutet in concreto, dass wenn grundsätzlich mehrere Messverfahren zur Verfügung stehen, die Vorgaben des Klagepatents nach einer Messmethode erfüllt und nach einer anderen Messmethode nicht erfüllt sein können.
180Entsprechend greift der Durchschnittsfachmann vor dem Hintergrund, dass es Sinn und Zweck eines jeden Patentanspruches ist, eine technische Lehre an die Hand zu geben, bei deren Nacharbeitung sich der beabsichtigte Erfindungserfolg einstellt, zur Ermittlung der Permeabilitätsunterschiede auf die ihm zum Prioritätszeitpunkt zur Verfügung stehende Messmethode zurück. Denn sonst besteht die Gefahr, dass bezüglich einer seit langem bekannten Ausgestaltung, die nach dem im Prioritätszeitpunkt üblichen Messverfahren nicht in den Schutzbereich des Klagepatents fällt, durch Veränderungen der Messmethode nachträglich doch eine Verletzung festgestellt werden könnte. Dies würde faktisch auf einen sich verändernden Schutzbereich hinauslaufen. Darin liegt auch der entscheidende Unterschied gegenüber den seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2014 angeführten Konstellationen, in denen es etwa darum ging, dass mit verbesserten Messmethoden z.B. die Geschwindigkeit genauer ermittelt werden könnte. Bei der Geschwindigkeit handelt es sich jedoch nicht um eine relative, sondern um eine absolute Größe. Hier liegt – auch wenn sie erst im Nachhinein mit einer verbesserten Messmethode entdeckt werden kann – eine Verletzung entweder von Anfang an vor oder nicht.
181cc.
182Die oben erläuterte Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rechtsbestandsverfahren. Danach gilt, dass dann, wenn es zur Feststellung, ob ein im Patentanspruch vorgesehener Parameter eingehalten ist, einer Messung bedarf, die Erfindung in aller Regel nur dann als ausführbar angesehen werden kann, wenn die Patentschrift Angaben zur Messmethode enthält, in der Patentschrift auf eine in einer anderen Veröffentlichung hinreichend erläuterte Messmethode verwiesen wird oder aber der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder seiner praktischen Erfahrung weiß, welches Messverfahren er anzuwenden hat (BGH, X ZR 73/09, Urteil vom 12.06.2012, Rn 21). Die Entscheidung zeigt,– auch wenn sie das Rechtsbestandsverfahren betrifft – dass, wenn relative Größen Eingang in den Patentanspruch gefunden haben, aus Rechtssicherheitsaspekten bestimmbar sein muss, mit welchem Verfahren die relative Größe zu ermitteln ist. Lässt sich ein solches Verfahren nicht aus der Klagepatentschrift herleiten, so gehen Unklarheiten zu Lasten des Patentinhabers.
183b.
184Vor diesem Hintergrund kann eine Verwirklichung der Merkmale 4 und 5 durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht festgestellt werden. Danach weist die Transplantat-Schicht eine gewisse Permeabilität auf, während die – im wesentlichen impermeable – Membran-Schicht jedenfalls eine kleinere Permeabilität als die Transplantat-Schicht aufweisen soll.
185Beides ist bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen nicht feststellbar. Bereits der seitens der Klägerin als Transplantat-Schicht eingeordnete ePTFE-Graft hat nach der Mengenmessmethode eine Permeabilität von 0 cm³/cm²/min bei einem Druck von 120 mmHg und ist damit impermeabel im Sinne des Klagepatents. Die weiteren seitens der Klägerin als Membran-Schicht der angegriffenen Ausführungsformen angesehenen Schichten (low permeability film der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 bzw. Außenhülle der angegriffenen Ausführungsform 3) haben nach der Mengenmessmethode ebenfalls eine Permeabilität von 0 cm³/cm²/min bei einem Druck von 120 mmHg, weisen also nicht die von Merkmal 5 geforderte kleinere mittlere Permeabilität auf.
1862.
187Demzufolge kann auch nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen Ausführungsformen unmittelbare Erzeugnisse des in dem Verfahrensanspruch 30 (Anspruch 29 der EP-Schrift) geschützten Verfahrens sind. Wiederum fehlt es an einer Transplantat-Schicht (aus einem Transplantatmaterial) mit einer ersten mittleren Permeabilität (Merkmal 3) und einer Membran-Schicht (aus einem Membranmaterial) mit einer zweiten mittleren Permeabilität, die geringer ist als die erste mittlere Permeabilität der Transplantat-Schicht (Merkmal 4). Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu Merkmalen 4 und 5 des Vorrichtungsanspruchs 1 verwiesen, die hier entsprechend gelten.
188C.
189Da die Beklagte von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch macht, stehen der Klägerin die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht nicht zu.
190D.
191Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
192Streitwert: 2.000.000,00 €
193Klepsch |
Dr. Heidkamp-Borchers |
Knappke |
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Düsseldorf Urteil, 22. Jan. 2015 - 4c O 16/14
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Urteil einreichenLandgericht Düsseldorf Urteil, 22. Jan. 2015 - 4c O 16/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Die Wirkung des Patents tritt gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieser ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen. Die Befugnis kann nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden. Hat der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung vor der Anmeldung anderen mitgeteilt und sich dabei seine Rechte für den Fall der Patenterteilung vorbehalten, so kann sich der, welcher die Erfindung infolge der Mitteilung erfahren hat, nicht auf Maßnahmen nach Satz 1 berufen, die er innerhalb von sechs Monaten nach der Mitteilung getroffen hat.
(2) Steht dem Patentinhaber ein Prioritätsrecht zu, so ist an Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Anmeldung die frühere Anmeldung maßgebend. Dies gilt jedoch nicht für Angehörige eines ausländischen Staates, der hierin keine Gegenseitigkeit verbürgt, soweit sie die Priorität einer ausländischen Anmeldung in Anspruch nehmen.
Wer eine Klage nach § 139 erhoben hat, kann gegen den Beklagten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung auf Grund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
Wer eine Klage nach § 139 erhoben hat, kann gegen den Beklagten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung auf Grund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 430 402 (Streitpatent ), das - unter Inanspruchnahme der Priorität zweier US-Patentanmeldungen vom 1. Dezember 1989 und 20. März 1990 - am 8. August 1990 angemeldet wurde. Das Streitpatent umfasst 4 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut: "A method of staining targeted chromosomal material based upon nucleic acid sequence to detect in an interphase cell one or more genetic translocation identified with chromosomal abnormalities, the method being performed outside the human body and comprising the steps of: (a) hybridizing in situ a heterogeneous mixture of two or more human genome nucleic acid probes, each having a complexity of from 50 KB to 10 MB, which probes contain nucleic acid sequences which are substantially complementary to nucleic acid sequences that flank and/or extend partially or fully across breakpoint regions known to be associated with genetic rearrangements, wherein each probe is labelled with a different colour fluorochrome, with the targeted chromosomal DNA; and (b) observing the proximity or overlap of the regions stained by each probe thereby allowing detection of a translocation."
- 2
- Die Patentansprüche 2 bis 4 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
- 4
- Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin und beantragt, das Urteil des Patentgerichts abzuändern und das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
- 5
- Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zudem verteidigt sie das Streitpatent mit drei Hilfsanträgen.
- 6
- Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. med. R. , Universitätsklinikum D. , Institut für Humangenetik und Anthropologie, ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten von Prof. C. eingereicht und das Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr. B. als gerichtlicher Gutachter in dem parallel vor dem Oberlandesgericht D. geführten Patentverletzungsstreit erstattet hat. Die Beklagte hat ein Gutachten von Prof. Dr. T. eingereicht.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
- 8
- I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Färben von chromosomalem Zielmaterial.
- 9
- Nach den Erläuterungen in der Streitpatentschrift werden Chromosomenanomalien mit genetischen Störungen, degenerativen Erkrankungen und der Einwirkung von Mitteln, von denen bekannt ist, dass sie degenerative Erkrankungen herbeiführen, in Verbindung gebracht. Chromosomenanomalien könnten neben zusätzlichen oder fehlenden einzelnen Chromosomen oder Teilen davon u.a. auch Translokationen umfassen, worunter die Übertragung eines Stücks von einem auf ein anderes Chromosom verstanden werde (vgl. Streitpatent Rn. 3 = Übersetzung DE 690 32 920 T 4 Rn. 3).
- 10
- Messungen der Häufigkeit von Chromosomen mit strukturellen Aberrationen würden häufig als quantitative Indikatoren hierdurch verursachter genetischer Schädigungen eingesetzt (Rn. 6). Solche Aberrationen könnten durch die Analyse von Karyotypen - worunter der spezielle Chromosomenbestand eines Individuums oder einer verwandten Gruppe von Individuen, definiert durch die Zahl und Morphologie der Chromosomen verstanden werde - untersucht werden. Die Karyotypen würden üblicherweise in der mitotischen Metaphase, also im Stadium der Zellteilung, durch Anfärben bestimmt, weil es bis vor kurzem infolge ihres dispersen Zustands und des Fehlens sichtbarer Grenzen zwischen ihnen im Zellkern nicht möglich gewesen sei, Interphasechromosomen sichtbar zu machen (Rn. 7). Dabei seien mehrere, auf chemischer Färbung beruhende zytologische Techniken entwickelt worden, welche als Banden bezeichnete Längsmuster auf Metaphasechromosomen erzeugten und üblicherweise die eindeutige Identifizierung des Chromosomentyps erlaubten (Rn. 8).
- 11
- Die konventionelle Bandenanalyse sei jedoch arbeits- und zeitaufwändig und erfordere einen hochgeübten Analytiker, könne nur auf kondensierte Chromosomen angewendet werden und erlaube nicht den Nachweis struktureller Aberrationen, welche weniger als 3 bis 5 Megabasen (MB) umfassten (Rn. 9 f.).
- 12
- Dem Streitpatent liegt danach das Problem zugrunde, ein im Vergleich zum Stand der Technik weniger aufwändiges Verfahren zur verlässlichen Detektion von Translokationen zur Verfügung zu stellen (Rn. 10).
- 13
- Zur Lösung dieses Problems lehrt das Streitpatent ein - außerhalb des menschlichen Körpers durchgeführtes - Verfahren mit folgenden Bestandteilen [in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts]: (1) Ein heterogenes Gemisch zweier oder mehrerer Nukleinsäuresonden des menschlichen Genoms wird bereitgestellt [Teil aus 3]. (2) Die Nukleinsäuresonden (2.1) weisen jeweils eine Komplexität von 50 KB bis 10 MB auf [3.1], (2.2) enthalten Nukleinsäuresequenzen [3.2], die im Wesentlichen komplementär zu Nukleinsäuresequenzen sind, welche die (bekannten) Bruchstellenregionen einer genetischen Umordnung flankieren oder sich ganz oder teilweise darüber erstrecken [3.2.1], und (2.3) sind jeweils mit einem Fluorochrom unterschiedlicher Farbe markiert [3.3]. (3) Das Sondengemisch wird in situ mit der chromosomalen ZielDesoxyribonukleinsäure hybridisiert [Teil aus 3]. (4) In der Interphasenzelle [1.2] ist die Nachbarschaft oder die Überlappung der von der Sonde eingefärbten Regionen beobachtbar [4] und hierdurch der Nachweis einer eine chromosomale Anomalie kennzeichnenden ("identified with chromo- somal abnormalities") Translokation möglich [1.1, 4.1].
- 14
- Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren werden demnach zur Identifizierung der Translokation Nukleinsäuresonden des menschlichen Genoms mit der chromosomalen Ziel-DNS in situ hybridisiert. Das bedeutet, dass - wie in der Streitpatentschrift erläutert wird - die doppelsträngigen Nukleinsäuresonden und die - in ihrer natürlichen biologischen Umgebung, d.h. im Chromosom, verbleibenden - Zielnukleinsäuren zunächst durch Erhitzen aufgetrennt werden. Bei der darauf folgenden Abkühlung rekombinieren oder reassoziieren sich dann die Stränge, die komplementäre Basen aufweisen. Trägt die Sonde eine Markierung , kann nach der Reassoziation die Länge der Sonde auf dem Zielnukleinsäurestrang nachgewiesen werden (Rn. 14). Dies macht sich die Erfindung zunutze, um mittels der Fluorchrommarkierung die Translokation nachweisbar zu machen.
- 15
- Die Nukleinsäuresonden sind weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass sie jeweils eine Komplexität von 50 KB bis 10 MB aufweisen. Dabei ist aus Sicht des Fachmanns, bei dem es sich nach den unangegriffenen und durch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Feststellungen des Patentgerichts um einen wissenschaftlich arbeitenden Mediziner oder Biochemiker handelt, der über fundierte Kenntnisse und umfangreiche Erfahrungen auf dem Gebiet der Zytogenetik verfügt, den Begriff der "Komplexität" als Sequenzkomplexität zu verstehen. Dies ergibt sich aus dem Verweis in der Beschreibung des Streitpatents (Rn. 105 = Übersetzung Rn. 103) auf die Definition von Britten et al. in Methods in Enzymology 1974 (29), 363, (Anlage 1, dort S. 368: "For clarity, the phrase 'sequence complexity' is to be preferred over the often used word 'complexity'"). Er bezeichnet mithin einen eindeutigen und objektiven Tatbestand, nämlich die Gesamtlänge verschiedener (= nicht wiederkehrender bzw. nicht repetitiver) DNS-Sequenzen, gemessen in Nukleotidpaaren (= Basenpaaren) (Anlage 1, S. 368).
- 16
- Entgegen der Ansicht des Patentgerichts wird der Fachmann jedoch nicht auf ein bestimmtes Messverfahren zur Bestimmung der Komplexität der zwei oder mehreren Nukleinsäuresonden des menschlichen Genoms festge- legt, aus denen das heterogene Gemisch erfindungsgemäß bestehen soll. Zwar ist es zutreffend, dass in der Beschreibung des Streitpatents darauf hingewiesen wird, dass Komplexität nach dem von Britten in dem vorgenannten Aufsatz aufgestellten Standard für die Nukleinsäure-Komplexität definiert ist (Rn. 105). Aus fachlicher Sicht folgt daraus jedoch nur, dass der erfindungsgemäße Begriff der Komplexität nach den Erläuterungen von Britten als Sequenzkomplexität im Sinne einer idealen Größe zu verstehen ist (vgl. Anlage 1, S. 368). Hingegen enthalten weder Patentanspruch 1 noch die Beschreibung einen Anhalt dafür, Komplexität im Zusammenhang mit der Erfindung weitergehend als kinetische Komplexität zu definieren. Kinetische Komplexität meint nach den Erläuterungen von Britten die Sequenz-Komplexität, wie sie sich aus den Ergebnissen der Messung der Reassoziationsrate einer DNS-Präparation berechnet, wobei - wie vom gerichtlichen Sachverständigen bestätigt - eine genaue Messung des Gehaltes von sich wiederholenden Sequenzen in einem definierten Genom mittels Reassoziationskinetik nicht möglich ist (Anlage 1, S. 368 ff.). Dass sich die kinetische Komplexität grundsätzlich von Messungen der Sequenzkomplexität nach anderen Verfahren unterscheidet, ist jedoch weder der Streitpatentschrift noch dem Aufsatz von Britten zu entnehmen. Vielmehr war dem Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens als alternative Messmethode vor allem auch das Southern-Blot Verfahren bekannt, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten und in der Verhandlung überzeugend erläutert hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Southern-Blot Verfahren in der Beschreibung des Streitpatents zwar erwähnt wird (vgl. Rn. 161 f., 211 = Übersetzung Rn. 162 f., 213), dass dies aber nicht in Zusammenhang mit der Definition des Begriffes der Komplexität steht (vgl. Rn. 105). Denn allein diese Nichterwähnung stellt aus fachlicher Sicht noch keinen Grund dar, nicht auch das aus dem allgemeinen Fachwissen bekannte Southern-Blot Verfahren als alternative Messmethode in Erwägung zu ziehen. Daraus folgt, dass es in das Belieben des Anwenders gestellt ist, nach welchem Messverfahren er feststellt, ob die in dem heterogenen Gemisch enthaltenen Nukleinsäuresonden über die erfindungsgemäß erforderliche Komplexität verfügen, vorausgesetzt, dass dieses zumindest über eine annähernd gleiche Messgenauigkeit wie die Reassoziationskinetik verfügt. Soweit es etwa um die Frage der Verletzung des Streitpatentes geht, kommen danach gegebenenfalls auch nach dem Prioritätszeitpunkt entwickelte Messverfahren in Betracht.
- 18
- Die beiden von der Klägerin durchgeführten Vergleichsversuche seien nicht geeignet, deren Behauptung zu belegen, mit dem Verfahren nach Britten würden keine reproduzierbaren Ergebnisse erhalten. Die Differenz in den Ergebnissen der beiden Versuche fänden ihre Erklärung schon darin, dass jeweils unterschiedliche Sondenkonzentrationen zum Einsatz gekommen seien. Auch der Umstand, dass mit einem der Versuche nur eine Komplexität von 44,8 KB für die von der Beklagten vertriebene Sonde Y5400 ETV6 habe nachgewiesen werden können, obwohl diese nach den Angaben der Beklagten eine Komplexität von mindestens 50 KB hätte aufweisen müssen, beweise nicht die Unzuverlässigkeit des Verfahrens, weil lediglich ein einziger Versuch und nicht, wie zur Bestätigung von Analysearbeiten erforderlich, eine Versuchsreihe durchgeführt worden sei.
- 19
- 2. Die Ausführungen des Patentgerichts halten der Berufung im Ergebnis stand.
- 20
- Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist so deutlich und vollständig offenbart , dass ein Fachmann ihn ausführen konnte (Art. 83, 138 Abs. 1 b EPÜ i.V.m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG).
- 21
- Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs auf Grund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird. Dabei genügt es jedenfalls, wenn der Fachmann die insoweit notwendigen Einzelangaben nicht bereits dem Patentanspruch, sondern erst der allgemeinen Beschreibung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 31 - Polymerisierbare Zementmischung , mwN). Bedarf es zur Feststellung, ob ein im Patentanspruch vorgesehener Parameter eingehalten ist, einer Messung, kann die Erfindung in aller Regel nur dann als ausführbar angesehen werden, wenn die Patentschrift Angaben zur Messmethode enthält, in der Patentschrift auf eine in einer anderen Veröffentlichung hinreichend erläuterte Messmethode verwiesen wird oder aber der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder seiner praktischen Erfahrung weiß, welches Messverfahren er anzuwenden hat (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes, 6. Aufl. 2010, 281 ff., mwN aus der Praxis).
- 22
- Wie erläutert, kam aus Sicht des Fachmanns neben der Reassoziationskinetik nach dem Aufsatz von Britten, auf den in der Beschreibung des Streitpatents in Zusammenhang mit der Definition des Begriffes der Komplexität ausdrücklich hingewiesen wird (Rn. 105), aufgrund des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns auch die Southern-Blot-Analyse als mögliche Methode zur Messung der Komplexität von Nukleinsäuresonden in Betracht. Jedenfalls bei Anwendung der Southern-Blot-Analyse war es dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt überdies auch praktisch möglich, Nukleinsäuresonden herzustellen, deren Komplexität in dem durch Merkmal 2.1 vorgegebenen Bereich lag.
- 23
- Nach den schlüssigen Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen wird die menschliche DNS nach der Southern-Blot-Analyse derart vorbereitet, dass diese zunächst mit einem molekularen Werkzeug, einem sog. Restriktionsenzym , in Stücke geschnitten wird. Dabei erfolgen die Schnitte an den Stellen der DNS, die eine bestimmte Abfolge von Basenpaaren aufweisen. Diese Stellen kommen zufällig verteilt in der DNS vor. Entsprechend entstehen unterschiedlich große DNS-Fragmente. Die DNS-Fragmente werden durch Gelelektrophorese aufgetrennt, so dass sie nach ihrer Größe geordnet im Gel vorliegen. Die derart fraktionierte, aufgetrennte und immobilisierte DNS wird mit einer markierten DNS-Sonde, deren Basensequenz etwa aus Bibliotheken bekannt ist (vgl. dazu Rn. 207) und die mithilfe des gleichen Restriktionsenzyms hergestellt worden sind, in situ hybridisiert, so dass die Sonde an den Fragmenten der aufgetrennten DNS anbinden, die die entsprechende DNS-Sequenz aufweist (Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen S. 15 Abs. 3).
- 24
- Wenngleich sich die Komplexität der Sonden mit der Southern-BlotAnalyse nur näherungsweise bestimmen ließ, weil kleine repetitive Sequenzen dem Nachweis entgehen können und zudem repetitive Sequenzen, die auf die ausgewählte Sonde beschränkt sind, nicht detektiert werden können, weil das jeweilige Fragment als Ganzes eine isolierte Bande erzeugt (vgl. dazu im Einzelnen Gutachten S. 15 f.), stand dem Fachmann damit doch ein praktikables Verfahren zur Messung der Sondenkomplexität zur Verfügung, wie sich etwa auch aus der D 1 ergibt (D 1, S. 9664 rechte Sp. Abs. 3) und der gerichtliche Sachverständige im Verhandlungstermin zudem ausdrücklich bestätigt hat.
- 25
- Dem stand nicht entgegen, dass die Sonden mittels eines Abkömmlings eines Bakteriophagen namens Charon 21 A vermehrt wurden, das lediglich DNS-Fragmente in einer Größe von maximal 22 KB aufnehmen kann (vgl. Gutachten S. 16 Abs. 4). Denn es war, wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage im Verhandlungstermin erläutert hat, dem Fachmann möglich, mehrere Sonden nach der Klonierung wieder zu verbinden und derart auch Sonden mit einer signifikant höheren Komplexität als die in Merkmal 2.1 als unterer Schwellenwert geforderten 50 KB herzustellen.
- 26
- Ob mit der Southern-Blot-Analyse darüber hinaus auch Nukleinsäuresonden mit Werten erhalten werden können, die nahe dem in Merkmal 2.1 vorgesehenen oberen Schwellenwert von 10 MB kommen, ist von dem gerichtlichen Sachverständigen zwar nicht bestätigt worden und kann daher auch nicht festgestellt werden. Dem Erfordernis der deutlichen und vollständigen Offenbarung steht dies jedoch nicht entgegen, weil es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht erforderlich ist, dass alle denkbaren Ausgestaltungen ausgeführt werden können. Vielmehr ist es ausreichend, wenn ein gangbarer Weg zur Ausführung der Erfindung offenbart worden ist (BGH, aaO Rn. 36 - Polymerisierbare Zementmischung, mwN). Ein dem Sachverhalt der Entscheidung "Thermoplastische Zusammensetzung" (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 - Xa ZR 100/05 Rn. 23, BGHZ 184, 300 = GRUR 2010, 414) vergleichbarer oder ähnlicher Fall ist hier nicht zu beurteilen.
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- von chromosomalem Zielmaterial für neu gehalten und angenommen, dass es auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Aufsatz von Lichter, et al (PNAS 1988, 9664; D 1) Untersuchungen zur In-situ-Hybridisierung von plasmidischer DNS mit menschlicher DNS sowohl in Meta- als auch in Interphase-Zellen zum Nachweis von Aberrationen des Chromosoms 21 betreffe. Ziel der Veröffentlichung sei es, eine schnelle und einfache klinische Diagnose von Trisomie (Down-Syndrom) bereitzustellen und diese insbesondere durch die direkte Analyse von Interphasen-Zellen zu erleichtern. Zum Einsatz komme dabei auch eine farbstoffmarkierte Sonde mit einer Komplexität von 94 KB. Während der Nachweis der Translokation einer Chromosom-21-Subregion mit einer Sonde aber in der Metaphase als erfolgreich beschrieben werde, hätten die Interphasen-Zellkerne jedoch nur eine Markierung aufgewiesen, die der eines normalen Karyotyps entspreche und damit das Down-Syndrom als mögliche Diagnose ausschließe. Ferner würden Doppelmarkierungstechniken, jedoch ohne weitere Differenzierung, für die Aufgabe erwogen, mittels einer direkten Detektion das gesamte TranslokationsChromosom mit dem Chromosom-21-Material identifizieren zu können. Es werde daher kein Färbeverfahren zum Nachweis genetischer Translokationen unter Anwendung von zwei oder mehreren Sonden in Interphasen-Zellen offenbart, weshalb jedenfalls die Merkmale 2.1 und 4 [3.1, 4 u. 4.1] nicht verwirklicht seien. Auch die Beiträge von Nederlof et al. (Cancer Genet. Cytogenet 1989,
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- 89; D 6) und Cremer et al. (Hum. Genet. 1988, 235; D 7) könnten die Neuheit nicht in Frage stellen. Beide Veröffentlichungen beschäftigten sich mit dem Nachweis von Chromosomenanomalien bei Tumorzellen durch In-situHybridisierung in der Interphase. Während nach der D 6 dabei jedoch repetitive Sonden mit einer Insertions-Sequenz von maximal 1,77 KB verwendet würden, kämen in dem in der D 7 beschriebenen Verfahren Sonden zum Einsatz, die nach dem in der D 1 beschriebenen Verfahren hergestellt worden seien. Angaben zur Komplexität dieser Sonden enthalte jedoch keine der Veröffentlichungen. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 sei auch nicht durch den Stand
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- der Technik nahegelegt gewesen. In der D 1 werde nicht die Verwendung von unterschiedlich farbmarkierten Sonden mit der erfindungsgemäßen Komplexität zur Detektion von Bruchstellenregionen in Interphasen-Zellen beschrieben. Die Entgegenhaltung vermittle auch keine Anregungen, die in Patentanspruch 1 angegebenen Maßnahmen im Zusammenhang zu ergreifen. Auf die Doppelmarkierungstechnik werde nur im Zusammenhang mit dem Nachweis von Translokationschromosomen an solchen verwiesen. Zu Bruchstellenregionen erhalte der Fachmann nur die Information, dass Sonden mit einer Komplexität von 6 KB sehr gut lokalisierbar seien und den Nachweis von Bruchstellenregionen erleichtern sollten. Eine Anregung, zum Nachweis von Translokationen Sonden mit unterschiedlicher Farbmarkierung und der erfindungsgemäßen Komplexität einzusetzen, werde damit nicht gegeben.
- 30
- Eine entsprechende Lehre werde dem Fachmann auch nicht in einer Zusammenschau mit den weiteren Entgegenhaltungen vermittelt. Insbesondere betreffe der Artikel von Hopmann et al. (Histochemistry 1988, 1; D 2) zwar Anfärbeverfahren nach der Doppelmarkierungstechnik zur gleichzeitigen Detektion unterschiedlicher DNS-Sequenzen in der Interphase unter Verwendung der Insitu -Hybridisierungstechnik. Zudem werde diese Technik auch als geeignet angesehen , relative Positionen von Gensequenzen in normalen und anormalen Karyotypen zu detektieren. Die Veröffentlichung enthalte aber keine Angaben zur Komplexität der verwendeten Sonden und könne daher nicht dazu anregen, von dem Hinweis in der D 1 auf die besondere Eignung kleiner Sonden abzuweichen. Dies treffe auch auf den Beitrag von Cremer et al. (Hum. Genet. 1986, 346; D 5) zu, der die Doppelmarkierungstechnik unter Verwendung unterschiedlich farbmarkierter Sonden zum Nachweis von Translokationen des Chromosoms 18 in der Interphase zur Diagnose von Trisomie 18 beschreibe.
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- 2. Auch gegenüber diesen Ausführungen des Patentgerichts greifen die von der Berufung erhobenen Bedenken nicht durch.
- 32
- a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54, 138 Abs. 1 a EPÜ i.V.m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
- 33
- Die D 1 beinhaltet Untersuchungen zum schnellen Nachweis von Anomalien des menschlichen Chromosoms 21 im Hinblick auf Trisomie (DownSyndrom ) durch In-situ-Hybridisierung mit Sonden mit menschlicher DNA, die mit einem Fluoressenzfarbstoff markiert sind. Dabei wurden auch PlasmidSonden mit einer Komplexität von 94 KB eingesetzt. Bei einem Patienten mit einer Translokation zwischen den Chromosomen 4 und 21 zeigte sich bei der Analyse der Metaphasechromosomen, dass der Teil von Chromosom 21, den die Sonde repräsentierte, an Chromosom 4 verlagert war (D 1, S. 9665 rechte Sp. letzter Abs., Figur 1, Abbildungen L und M). Demgegenüber wurde mit den Interphasen-Zellen ein Ergebnis erhalten, das das Down-Syndrom als mögliche Diagnose ausschloss (D 1, aaO, Figur 1, Abbildung K). Der D 1 ist zudem der Hinweis zu entnehmen, dass der direkte Nachweis eines translozierten Chromosoms in Zellkernen Doppelmarkierungstechniken zur Identifizierung des Empfängerchromosoms erfordern würde, an welches sich das Chromsom-21Material angeschlossen hat. Was im Einzelnen mit Doppelmarkierungstechniken gemeint ist, wird allerdings nicht erläutert. Ob sich dem Fachmann im Hinblick darauf, dass zwischen dem Chromosom 21 und dem Empfängerchromosom unterschieden werden muss, gleichwohl ohne weitere Erläuterungen im Sinne eines "Mitlesens" offenbart, dass Sonden verwendet werden müssen, bei denen die beiden Chromosomen voneinander unterschiedlich markiert werden (so Gutachten R. S. 26), bedarf keiner abschließenden Beurteilung. Denn jedenfalls erschließt sich dem Fachmann aus der D 1 kein Färbeverfahren zum Nachweis von genetischen Translokationen unter Anwendung von zwei oder mehreren Sonden in Interphasen-Zellen, weil die insoweit mitgeteilten Versuche erfolglos waren.
- 34
- b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ergab sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56, 138 Abs. 1 a) EPÜ i.V.m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
- 35
- Wie dargelegt, wird dem Fachmann in der D 1 nicht die Verwendung von unterschiedlich farbmarkierter Sonden mit der in Patentanspruch 1 vorgesehenen Komplexität zur Detektion von Bruchstellenregionen in Interphasen-Zellen offenbart. Auch Anregungen, weiter in diese Richtung zu forschen, ergeben sich aus der D 1 nicht. Denn der Versuch, die Translokation einer Chromsom-21- Subregion durch In-situ-Hybridisierung mit Nukleinsäuresonden in InterphasenZellen nachzuweisen, hat sich nach den Angaben der Entgegenhaltung gerade als nicht erfolgreich herausgestellt, während der Nachweis bei Versuchen in der Metaphase geführt werden konnte.
- 36
- Entsprechende Hinweise ergaben sich auch nicht aus den Entgegenhaltungen D 6 und D 7. Beide Entgegenhaltungen betreffen zwar den Nachweis von Chromosomenanomalien bei Tumorzellen durch In-situ-Hybridisierung in der Interphase, jedoch werden in der D 6 repetitive Sonden mit einer InsertionsSequenz von maximal 1,77 KB eingesetzt (D 6, 89 Abs. 3 i.V.m. Tabelle 1, während die D 7 Angaben zur Komplexität der verwendeten Sonden nicht enthält (D 7, 235, Summary; 236 linke Sp. Abs. 3 f.). Dadurch wird der Fachmann nicht dazu motiviert, für die In-situ-Hybridisierung in der Interphase, Nukleinsäuresonden mit der erfindungsgemäß vorgesehenen Komplexität einzusetzen.
- 37
- Dem steht auch nicht entgegen, dass nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen viel dafür spricht, dass bei der in der D 7 beschriebenen In-situ-Hybridisierung tatsächlich Sonden mit einer Komplexität von etwa 140 MB, 98 MB, 81 MB, 43 MB oder 22 MB verwendet worden sind (Gutachten R. S. 27). Abgesehen davon, dass - entgegen der Annahme von Prof. Dr. R. - die Verwendung von Sonden mit einer Komplexität von über 10 MB nicht mehr vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 erfasst wird, weist dieser zutreffend darauf hin, dass die verschiedenfarbig markierten Sonden eine komplexe und eine repetitive Sonde betrafen, während erfindungsgemäß der Einsatz von mindestens zwei komplexen Sonden vorgesehen wird.
- 38
- Ein Anlass, für die In-situ-Hybridisierung Nukleinsäuren der erfindungsgemäß beanspruchten Komplexität zu verwenden, ergab sich schließlich auch nicht aus der D 5. Diese betrifft die Detektion von Chromosomenanomalien in menschlichen Interphasen-Zellkernen durch die Visualisierung spezifischer ZielDNS durch radioaktive und nicht-radioaktive In-situ-Hybridisierungstechniken insbesondere bei der Diagnose von Trisomie 18. Dabei wird vermutet, dass bei einer Doppelmarkierung von Chromosomenregionen die Zusammenlagerung der unterschiedlichen Farbsignale im Interphasen-Zellkern eine spezifische Translokation zwischen diesen Chromosomen anzeigen kann (K 5, 351 rechte Sp.; Gutachten R. S. 32). Die dabei eingesetzten Sonden haben jedoch nur eine geringe Länge, so dass der Fachmann auch dieser Entgegenhaltung keinen Hinweis auf die erfindungsgemäß vorgesehene Komplexität der Sonden entnehmen konnte.
Grabinski Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.01.2009 - 3 Ni 78/06 (EU) -
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.