Landgericht Düsseldorf Urteil, 28. Nov. 2013 - 19 S 25/13
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 19. Februar 2013 - 34 C 44/12 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, die an der Außenwand der Garage angebrachte Videokamera zu beseitigen.
Der Beklagte wird verurteilt, der Trennung des Allgemeinstroms vom Stromkreis der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung der Kläger auf Basis des Angebotes der Firma I vom 10.04.2012 zuzustimmen.
Die Kläger werden ermächtigt, die Maßnahmen gemäß Angebot der Firma I vom 10.04.2012 für die Wohnungseigentümergemeinschaft Am Sandhügel 16 in Auftrag zu geben.
Der Beklagte wird verurteilt, die Kläger von den vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 330,34 € (i.W.: dreihundertdreißig 34/100 Euro) freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
1
Gründe:
3I.
4Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft Am Sandhügel 16 in Oberhausen. Mit ihrer Klage machen die Kläger Leistungs- und Unterlassungsansprüche geltend. Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und den Beklagten u.a. verurteilt, es zu unterlassen, seinen PKW dauerhaft auf dem gemeinschaftlichen Grundstück seiner Garage zu parken (= Ziff. 1 des Hauptsacheausspruchs) sowie die an der Außenwand der Garage angebrachte Videokamera zu beseitigen (= Ziff. 2 des Hauptsacheausspruchs). Weiter (= Ziff. 5 des Hauptsacheausspruchs) hat es die Beklagten zur Zahlung von 330,34 € Rechtsanwaltskosten verurteilt. Zur Begründung des Hauptsacheausspruchs zu Ziff. 1 hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt, bereits die durch Fotos nachgewiesene, geringfügige Beeinträchtigung, dass die Kläger bei der Einfahrt in ihre Garage um das Fahrzeug des Beklagten „herumrangieren“ müssten, stelle einen Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG dar. Hinsichtlich der Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich der Feststellungen, der Anträge und des Tenors wird auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 19.2.2013 Bezug genommen.
5Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte den Antrag, das Urteil „aufzuheben“ und die Klage „im Übrigen“ abzuweisen, jedoch „unter Aufrechterhaltung des Hauptsacheausspruchs zu Ziff. 3. und 4.“ Die Begründung der Berufung geht auf die Verurteilung zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten nicht ein.
6Im Zuge des Berufungsverfahrens haben die Kläger sich zunächst auf den Standpunkt gestellt, „wer um ein Auto herum manövrieren muss, um in seine Garage zu kommen, wird gestört.“ Nachdem die Beklagten vorgetragen hatten, dass die Kläger ihr Fahrzeug nicht in der Garage abstellten, haben die Kläger erstmalig in zweiter Instanz –streitig- vorgetragen, sie stellten ihr Fahrzeug auf einem weiteren T-Q-Platz auf dem Grundstück der WEG ab, weil sie nicht in ihre Garage fahren könnten. Mit der Klageschrift hatten sie geltend gemacht „… dass die Zufahrtsmöglichkeit zur linken Garage, auch etwa die Möglichkeit, auf dem Grundstück zum Ausfahren auf die T2 zu wenden, erheblich eingeschränkt ist.“
7II.
8Die zulässige Berufung ist begründet, soweit sie sich gegen den Hauptsacheausspruch zu Ziff. 1 (Unterlassungsanspruch Parken, hierzu sogleich unter 1.) wendet. Hinsichtlich des Hauptsacheausspruchs zu Ziff. 2 (Kamera oder Kameraattrappe, hierzu sogleich unter 2.) ist die Berufung unbegründet und hinsichtlich des Hauptsacheausspruchs zu Ziff. 5 (Rechtsanwaltskosten, hierzu sogleich unter 3.) unzulässig.
91.
10Es war in erster Instanz unstreitig und ist Gegenstand der für die Kammer bindenden Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils geworden, dass der Beklagte seinen Pkw vor seiner Garage parkt und dass die Kläger, um in ihre Garage gelangen zu können, um den Pkw des Beklagten herumkurven müssen. Davon, dass die Kläger ihre Garage nicht anfahren können, war in erster Instanz keine Rede. Vielmehr wurde die Zufahrtsmöglichkeit als „eingeschränkt“ bezeichnet, was vom Amtsgericht zutreffend lediglich als Erschwernis interpretiert wurde.
11Soweit die Kläger im Verlauf der zweiten Instanz erstmalig vorgetragen haben, sie könnten ihre Garage nicht mehr mit dem Pkw befahren, fehlt es diesem Vorbringen an jeglicher Substanz, denn nachdem zuvor übereinstimmend vorgetragen wurde, die Zufahrt sei nur erschwert, weil die Kläger um das Fahrzeug des Beklagten herumfahren müssten, hätte substantiierter Vortrag der Kläger eine Erklärung vorausgesetzt, was trotz bis dahin unstreitiger Ausgangslage eine Änderung des Vorbringens erforderlich macht. Eines Hinweises auf die fehlende Substantiierung bedurfte es nicht, denn selbst wenn es sich um substantiiertes und damit beachtliches Vorbringen gehandelt hätte, wäre es überdies neu und daher unbeachtlich gewesen, da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO, unter denen ausnahmsweise in zweiter Instanz neu vorgetragen werden kann, nicht vorgetragen oder ersichtlich sind. Mit dieser Maßgabe sind auch die Ausführungen im Schriftsatz vom 18.11.2013 nicht nur verspätet, sondern auch sonst unzureichend und im Ergebnis unbeachtlich.
12Im vorliegenden Verfahren vermag die Kammer in der Erschwernis, bei Einfahrt in die Garage um das Fahrzeug des Beklagten herumfahren zu müssen, keinen Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1, Nr. 3 WEG zu erblicken. Zwar vertritt auch die Kammer hierzu in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht Oberhausen in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, es sei ein geringer Maßstab anzulegen. Vorliegend ist es jedoch so, dass die zur Akte gereichten Lichtbilder eine nennenswerte Erschwernis, die Garage der Kläger anzufahren, nicht erkennen lassen. Das Erfordernis, beim Einparken um andere Fahrzeuge herumfahren zu müssen, stellt eine für Autofahrer völlig übliche Herausforderung dar, wie sie sich im Straßenverkehr, aber auch bei der Einfahrt auf private Parkflächen in vergleichbarer Weise in einer Vielzahl von Fällen stellt. Den Grad eines Nachteils i.S.d. § 14 Nr. 1, Nr. 3 WEG erreicht diese bloße Unannehmlichkeit unter den vorliegend gegebenen Umständen noch nicht. Eine noch strengere Sichtweise würde einer Verpflichtung gleichkommen, sich für die übrigen Wohnungseigentümer besonders bequem verhalten zu müssen. So weit reichen die Pflichten aus § 14 Nr. 1, Nr. 3 WEG nicht. Die Kammer berücksichtigt dabei auch, dass sich die vom Beklagten genutzte Stellfläche unmittelbar vor seiner Garage befindet, weshalb ihm ein Überfahren dieser Fläche zweifellos erlaubt ist, wogegen die Kläger diese Fläche nicht sinnvoll nutzen könnten, ohne die Zufahrt zur Garage des Beklagten zu versperren.
13Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf den Verlust von Rangiermöglichkeiten berufen. Zum einen ist nicht hinreichend konkret vorgetragen oder ersichtlich, in welcher Weise –von dem notwendigen Umfahren des Pkw abgesehen- den Klägern Rangiermöglichkeiten verloren gehen. Zum anderen verhalten sich die Kläger vergleichbar, indem sie ihr Fahrzeug neben dem des Beklagten ebenfalls auf dem Grundstück abstellen, wodurch in vergleichbarer Weise Q-Platz verloren geht, der sonst zum Rangieren genutzt werden könnte.
142.
15Die Kläger besitzen einen Anspruch auf Entfernung der Kamera oder Kameraattrappe. Diesbezüglich kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen werden. Die Kammer hält es nicht für erforderlich, der zwischen den Parteien streitigen Frage nachzugehen, ob es sich um eine Attrappe bzw. eine nur theoretisch funktionsfähige, aber faktisch nicht an ein Aufnahmegerät angeschlossene Kamera handelt. Auch eine Kameraattrappe benachteiligt die Kläger i.S.d. §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG, da sie für Besucher der Anlage und für die Kläger, die nie sicher gehen können, die Kamera werde nicht „scharf geschaltet“, einen Überwachungsdruck erzeugt, der –dem gewünschten Abschreckungserfolg einer Attrappe entsprechend- nicht geringer zu beurteilen ist, als derjenige einer funktionsfähigen Kamera (ebenso Senkel in WM 2010, 72, 74 m.w.N.). Dem steht das Urteil des BGH vom 8.4.2011 (V ZR 210/10, abgedruckt in ZMR 2011, 734 ff.) nicht entgegen, da es sich auf eine Videoanlage in einem Klingeltableau bezieht, die typischerweise nur den unmittelbaren Eingangsbereich erfasst. Vorliegend ist die Kamera auf das Grundstück gerichtet.
163.
17Soweit das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten verurteilt hat, fehlt es an jeglichem Angriff der angefochtenen Entscheidung, weshalb die Berufung insoweit bereits unzulässig ist.
18III.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
20Streitwert 1. Instanz: 2.500,00 €
21Streitwert 2. Instanz: 2.369,44 €
22Der Klageschrift und dem Amtsgericht folgend geht die Kammer von einem Streitwert erster Instanz in Höhe von 2.500 € aus, der sich abzüglich 130,66 € für die Trennung der Stromversorgung (Klageanträge zu 3. bis 5.) auf den Unterlassungsanspruch (Pkw) und den Beseitigungsanspruch (Videokamera) zu gleichen Teilen verteilt. Dies führt bei nahezu gleichem Obsiegen und Unterliegen zur Kostenaufhebung, zumal die auf die Trennung der Stromversorgung gerichteten Anträge kaum ins Gewicht fallen und die Kläger auch insoweit unterlegen sind, als die Klage wegen des Kostenvorschusses von 100,00 € teilweise abgewiesen wurde.
23Die Forderung von Anwaltskosten ist als Nebenforderung kostenneutral, § 43 Abs. 1 GKG.
24Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.
25Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist.
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(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,
- 1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und - 2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,
- 1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und - 2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.
(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,
- 1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und - 2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,
- 1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und - 2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.
(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.
Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.
(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,
- 1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und - 2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,
- 1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und - 2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.
(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger zu 1 und 2 sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 24. Mai 2008 wurde ihr Antrag auf Genehmigung des Einbaus einer Videokamera im rechten bzw. linken Klingeltableau zu TOP 22 und 23 abgelehnt. Auf ihre Klage hat das Amtsgericht, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, den Beschluss der Wohnungseigentümer für ungültig erklärt und die Beklagten verurteilt, den Einbau einer Videokamera der L. GmbH am linken Klingeltableau zu genehmigen , die es dem Gerufenen ermöglicht, den bei ihm Läutenden zu sehen, wobei die Anlage so konfiguriert sei, dass kein Teilnehmer die Möglichkeit hat, die Hausstation einzuschalten, wenn er nicht angeklingelt wurde. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision möchte die Klägerin zu 1 (im Folgenden : die Klägerin) eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
- 2
- Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Einbau eines Videoauges im Klingeltableau von den Beklagten zu genehmigen, wenn ihnen daraus kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil entsteht. Dies sei anzunehmen, wenn die Bildübertragung nicht ohne vorheriges Anklingeln möglich sei, die Videoanlage eine maximale Nachlaufzeit von einer Minute zulasse und die Anlage kein dauerhaftes Aufzeichnen von Bildern, etwa durch Anschluss weiterer Geräte, erlaube. Weise die Videoanlage eine solche Beschaffenheit auf, sei davon auszugehen, dass die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der übrigen Wohnungseigentümer praktisch ausgeschlossen ist. Diesen Anforderungen genüge die fragliche Anlage zwar. Nach Angaben des Herstellers sei es aber möglich, die Konfigurationseinstellungen durch einen Fachmann zu ändern. Demnach könnten die Kläger offenbar einen Fachmann beauftragen, die Konfiguration der Anlage zu ändern und eine weitergehende Nutzung der Videoanlage einzustellen. Im Hinblick auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte der übrigen Eigentümer sei zu verlangen, dass jedwede Manipulation und Möglichkeit zum anderweitigen Betrieb einer solchen Anlage von vornherein ausgeschlossen ist.
II.
- 3
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft einen Anspruch nach § 22 Abs. 1 WEG verneint.
- 4
- 1. Der nachträgliche Einbau einer Videokamera am Klingeltableau der Wohnanlage stellt eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar (OLG Köln, ZMR 2008, 559; Huff, NZM 2002, 89, 91, 92; Merle in Bärmann, WEG, 11. Auflage, § 22 Rn. 106; aA KG, NZM 2002, 702, 703).
- 5
- 2. Solche Veränderungen können nur beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Soweit den anderen Wohnungseigentümern dagegen kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst, ist nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG ihre Zustimmung zu der beabsichtigten baulichen Veränderung nicht erforderlich. Unter einem Nachteil in diesem Sinne ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen. Nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen gelten als ein solcher Nachteil; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - V ZB 27/90, BGHZ 116, 392, 396).
- 6
- a) Eine Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer ist nicht bereits deswegen zu verneinen, weil sie ihrerseits in der Eingangshalle eine Kamera angebracht haben, die laufend Videoaufzeichnungen fertigt. Es kann dahin gestellt bleiben, ob eine solche Videoüberwachung zulässig ist. Jedenfalls liegt in der einvernehmlichen Videokontrolle eines bestimmten Teils des Wohnhauses nicht die generelle Zustimmung der Wohnungseigentümer zu Eingriffen in ihr Persönlichkeitsrecht durch Ausdehnung der Videoüberwachung auf andere Bereiche.
- 7
- b) Ob der Einbau einer Videokamera einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Wohnungseigentümer darstellt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Der Klägerin geht es ausweislich ihres Antrags nicht darum, eine Videokamera zu installieren, die eine dauernde Beobachtung und Kontrolle der anderen Hausbewohner oder sie betreffender Besucher ermöglicht. Vielmehr soll die Kamera nur durch Betätigung der Klingel aktiviert werden können, wobei ein Bild des Eingangsbereichs allein in die Wohnung übertragen werden soll, bei der ein Besucher geklingelt hat. Außerdem soll die Bildübertragung nach einer Minute automatisch unterbrochen werden. Auf diese Weise soll der Klägerin die Möglichkeit verschafft werden, durch eine zeitlich begrenzte Bildübertragung den bei ihr klingelnden Besucher zu identifizieren und über dessen Einlass in das Haus zu entscheiden.
- 8
- In diesen engen Grenzen bewirkt die geplante Maßnahme keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Wohnungseigentümer. Es erfolgt weder eine Überwachung des Eingangsbereichs für längere Zeiträume oder mit Regelmäßigkeit noch ist die Videoübertragung darauf angelegt, sämtliche Benutzer des Hauseingangsbereichs abzubilden (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955). Andere Wohnungseigentümer werden nur dann bildlich erfasst, wenn sie sich zeitgleich mit einem bei der Klägerin klingelnden Besucher im Erfassungsbereich der Kamera aufhalten. Durch eine derart zufällige Einbeziehung eines Wohnungseigentümers in die Bildübertragung erleidet er keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil (vgl. auch OLG Köln, ZMR 2008, 559, 560; BayOblG, NZM 2005, 107, 108; KG Berlin, NZM 2002, 702, 703).
- 9
- Zu Unrecht meinen die Beklagten, auf die funktionellen Einschränkungen der Kamera komme es nicht an, vielmehr könnten sie aufgrund ihres Eigentumsrechts darüber befinden, wie sie eine von der Videokamera ausgehende psychologische Wirkung auf Dritte werteten. Maßgebend für das Vorliegen eines Nachteils im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG sind nicht subjektive Wertungen der Wohnungseigentümer. Vielmehr wird unter einem Nachteil jede nach objektiven Kriterien gegebene, nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung verstanden (BVerfG, NJW 2010, 220, 221). Objektiv ist ein am Klingeltableau eines Wohnanwesens angebrachtes Videoauge nicht geeignet, bei Dritten den Eindruck einer ununterbrochenen Videoüberwachung des Eingangsbereichs zu erwecken. Videosprechanlagen gehören immer häufiger zur regelmäßigen Ausstattung moderner Mehrfamilienhäuser. Es ist allgemein bekannt, dass solche Anlagen üblicherweise nur eine zeitlich begrenzte optische Erkennung des Besuchers nach Betätigung der Klingel ermöglichen, nicht aber den Eingangsbereich dauernd überwachen.
- 10
- c) § 6b BDSG, dessen Wertungen im Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG zu berücksichtigten sind (Merle in Bärmann, WEG, 11. Auflage, § 22 Rn. 276; Hogenschurz in Jenissen, WEG, 2. Auflage, § 22 Rn. 107; Huff, NZM 2002, 89, 90; vgl. auch BayOblG, MietRB 2005, 180, 181; KG, NJW 2002, 2798, 2799), steht der Zulässigkeit der Anbringung der fraglichen Videokamera im Klingeltableau nicht entgegen. Nach § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung des Hausrechts erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Zum öffentlich zugänglichen Raum zählt auch der jedermann zugängliche Eingangsbereich einer privaten Haus- oder Wohnungstür (Simitis/Bizer, BDSG, 5. Auflage, § 6b Rn. 34, 41). Die Videoklingelanlage dient dem Zweck, nur solchen Personen Einlass in das Haus zu gewähren, über deren Identität oder Lauterkeit sich der Hausrechtsin- haber vergewissert hat. Dies kann nicht durch mildere, ebenfalls geeignete Mittel erreicht werden. Auch stehen keine überwiegenden Interessen des die Klingel betätigenden Besuchers entgegen, wenn die - zeitlich eng begrenzte - Bildübertragung allein zum Zwecke seiner Identifizierung und zur Einlasskontrolle durch den angeklingelten Hausbewohner erfolgt.
- 11
- Ob die Nutzung einer Videoklingelanlage zur dauerhaften Bildaufzeichnung das Maß des zu einer optischen Identifizierung eines an der Haustür klingelnden Besuchers und zur Wahrung des Hausrechts Erforderlichen übersteigt (vgl. dazu OLG Köln, ZMR 2008, 559, 560; Merle in Bärmann, WEG, 11. Auflage , § 22 Rn. 277; Weise in Jennißen, WEG, 2. Auflage, § 15 Rn. 75a; Simitis/ Bizer, BDSG, 5. Auflage, § 6b Rn. 5), bedarf keiner Entscheidung. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Anlage ein dauerhaftes Aufzeichnen von Bildern ermöglicht.
- 12
- d) Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der übrigen Wohnungseigentümer sei nur dann zu verneinen, wenn jedwede Manipulation oder Möglichkeit zum anderweitigen Betrieb der Videoanlage von vorneherein ausgeschlossen ist, kann dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Allein die fern liegende, mehr oder weniger theoretische Möglichkeit, durch manipulative Eingriffe die Konfiguration der Anlage so zu ändern, dass die Videokamera unabhängig von einem Klingeln aktiviert werden kann, rechtfertigt nicht die Annahme einer über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus gehenden Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer. Das bloße Risiko einer Beeinträchtigung ist noch keine Beeinträchtigung. Ein Nachteil liegt erst vor, wenn durch die Videoanlage die Beeinträchtigung eines anderen Wohnungseigentümers hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. Merle in Bärmann, WEG, 11. Auflage, § 22 Rn. 174; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. März 2010 - VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533, 1534).
- 13
- e) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Annahme der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Manipulation der Videoanlage durch die Klägerin nicht. Allein die Tatsache, dass ein Fachmann, der über die erforderlichen Kenntnisse verfügt und die benötigten Konfiguratoren hat, die Konfiguration der Anlage nachträglich ändern und die Kamera auf Dauerbetrieb umstellen könnte, reicht hierfür nicht aus. Das Berufungsgericht hat weder Feststellungen dazu getroffen, ob ein Fachmann, der die benötigten Konfiguratoren hat, allein auf Veranlassung eines Wohnungseigentümers ohne Einschaltung der Hausverwaltung Änderungen an den - in der Türstation (Außenstation) befindlichen - Einstellungen der Anlage vornehmen könnte, noch hat es festgestellt, ob die Anlage technische Vorkehrungen gegen unbefugte Eingriffe von nicht autorisierter Seite enthält. Schließlich fehlt es auch an Feststellungen, aus welchen konkreten Umständen die Gefahr abzuleiten ist, die Klägerin werde Manipulationen an der Anlage mit dem Ziel einer dauernden Überwachung des Eingangsbereichs vornehmen. Der bloße Hinweis des Berufungsgerichts, die Klägerin habe in der Vergangenheit einmal eine unzulässige Videoanlage betrieben, lässt ohne weitere Feststellungen zu den damaligen Hintergründen nicht den Schluss auf eine wahrscheinliche Manipulation der Anlage durch die Klägerin zu.
- 14
- Die erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
III.
- 15
- Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es zu Lasten der Klägerin ergangen ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 18.03.2009 - 77 C 233/08 WEG -
LG Berlin, Entscheidung vom 07.09.2010 - 85 S 39/09 WEG -
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.
(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.