Landgericht Düsseldorf Urteil, 18. Aug. 2014 - 1 Ks 6/14
Gericht
Tenor
Der Angeklagte ist des Totschlags schuldig.
Er wird zu einer
Freiheitsstrafe von zehn Jahren
verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
Angewendete Vorschrift: § 212 StGB
1
G r ü n d e :
5I.
6Der Angeklagte wurde am *** 1985 als einziges Kind der Zeugin T. H. geboren. Zu seinem Vater, mit dem seine Mutter weder vor noch nach seiner Geburt zusammenlebte, hatte der Angeklagte zunächst nur losen, nach einer Streitigkeit über zu zahlenden Unterhalt keinen Kontakt mehr. Seine Mutter, die als Angestellte bei der Stadt L. arbeitete, zog ihn alleine groß.
7Der Angeklagte und seine Mutter lebten in M.-N. in engem Kontakt zu der Schwester der Mutter, der Nebenklägerin und Zeugin I. E., deren Ehemann, dem Nebenkläger und Zeugen L. E., sowie dem Sohn der Eheleute E., dem späteren Tatopfer E. E.. Da der Angeklagte vaterlos aufwuchs, übernahmen sein Großvater sowie der Zeuge L. E. die Vaterrolle. Bis zum Jahr 1997 wohnten der Angeklagte und seine Mutter gemeinsam in einem Haus, dessen Garten an den Garten der Familie E. angrenzte, so dass man sich täglich sah und sich in allen Belangen des täglichen Lebens wechselseitig unterstützte. Der Angeklagte und E. E. wuchsen wie Brüder auf. Die Mutter des Angeklagten war E. E. ebenso herzlich zugetan wie dessen Eltern dem Angeklagten.
8Nach dem Besuch der Grundschule wechselte der Angeklagte auf das örtliche Gymnasium, wo er das Abitur ablegte. Im Anschluss an die Gymnasialzeit nahm der Angeklagte ein Lehramtsstudium auf und schrieb sich mit den Fächern Sport und Geschichte an der C.-Universität in X. ein. Neben dem Studium war der Angeklagte zunächst als Mitarbeiter in einem Fitnessstudio tätig, seit dem Jahre 2009 arbeitete er als Aushilfslehrer für Sportunterricht in einem Umfang von zwölf Wochenstunden an einem Gymnasium in Y.. Zudem wurde der Angeklagte finanziell durch seine Mutter unterstützt, die ihm u.a. die Anschaffung eines Pkw VW Golf finanzierte. Nach dem Tode der schwerstpflegebedürftigen Großeltern des Angeklagten – die Großmutter verstarb vor acht, der Großvater vor fünf Jahren – konnte der Angeklagte zudem in deren Wohnhaus einziehen, das sich unmittelbar neben dem Haus seiner Mutter befand, und dort mietfrei leben.
9Das Studium des Angeklagten verlief schleppend und wenig erfolgreich. Zuletzt hielt er sich kaum noch an der Universität X. auf. Eine Examensprüfung im Fachbereich Geschichte bestand er nicht. Der Angeklagte legte der Universität zur Vermeidung einer Zwangs-exmatrikulation zudem gefälschte Leistungsnachweise vor.
10Der Familie des Angeklagten war der nur mäßige Studienerfolg nicht bekannt. Vielmehr gingen sowohl die Mutter des Angeklagten als auch die Zeugen I. und L. E. davon aus, dass der Angeklagte das Studium in der nächsten Zeit erfolgreich abschließen werde.
11Im Juni 2010 lernte der Angeklagte die Zeugin U. kennen, die seit Juli 2010 seine Lebensgefährtin war. Die Beziehung dauerte bis zur Inhaftierung des Angeklagten im Januar 2014 an. Die Zeugin U. lebt und studiert in E. und hielt sich lediglich an den Wochenenden und in den Semesterferien regelmäßig bei dem Angeklagten auf. Der Angeklagte hatte während der Beziehung zu der Zeugin U. verschiedene intime Kontakte zu anderen Frauen, u.a. zu ehemaligen Schülerinnen. Auch hatte er während seiner Tätigkeit als Aushilfslehrer heimlich Videoaufnahmen von einer Gruppe minderjähriger Schülerinnen in der Umkleidekabine der Sporthalle angefertigt. Schließlich hatte der Angeklagte unregelmäßige intime Kontakte zu Dr. T. H.1, einer seinerzeit an der Universität X. tätigen Lehrbeauftragten für Erziehungswissenschaften.
12Von den vorgenannten Aktivitäten des Angeklagten hatten bis zu dessen Festnahme weder seine Mutter noch die Zeugen I. und L. E. noch die Zeugin U. Kenntnis.
13Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
14II.
151. Der Geschädigte E. E. wurde am *** 1978 in N. als einziger Sohn der beiden Nebenkläger geboren. Er wuchs ebenso wie der Angeklagte und gemeinsam mit diesem in L. auf und legte am dortigen Gymnasium das Abitur ab. Im Anschluss an eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann absolvierte E. E. ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Bis zu seinem Tode war er im Innendienst bei der D.-Versicherung in O. tätig, wo er ein monatliches Bruttogehalt von *** € bezog. Im Jahr 1997 zog E. E. mit seinen Eltern innerhalb von L. um. Mit Beginn des Studiums lebte er in O., bis er im Jahr 2010 ein Einfamilienhaus in F. bezog, das mit finanzieller Unterstützung seiner Eltern gebaut worden war. Dieses Haus bewohnte E. E. zunächst gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin, nach der Trennung von dieser sodann alleine. Von seinen Eltern erhielt E. E. regelmäßig finanzielle Zuwendungen.
16E. E. war vielseitig sportlich interessiert. Er spielte Tennis, später auch Golf und fuhr Ski. Zudem besuchte er mehrfach wöchentlich ein Fitnessstudio in O. und joggte regelmäßig. Der Geschädigte war mit 192 Zentimetern großgewachsen und athletisch gebaut.
17Zum Tatzeitpunkt war E. E. mit einer Arbeitskollegin liiert. Er unterhielt daneben aber auch noch eine intime Beziehung zu der Zeugin F., die er im Herbst 2013 als Trainerin in dem Fitnessstudio kennengelernt hatte.
182. Der Angeklagte und E. E. wuchsen – trotz ihres Altersunterschiedes – in engem und freundschaftlichen Kontakt auf. Diese Verbundenheit wurde später durch die gemeinsame Betreuung der Großeltern noch intensiviert. Nachdem E. E. nach O. und später nach F. verzogen war, ließen die Kontakte jedoch nach. Private Besuche der beiden Männer waren nunmehr selten geworden, man sah sich lediglich aus Anlass von Familienfeiern, verstand sich jedoch – jedenfalls für Außenstehende – sehr gut und hielt über den Nachrichtendienst „WhatsApp“ regelmäßigen Kontakt. Dass beide im Zeitraum vor der Tat einmal ernsthafte Meinungsverschiedenheiten gehabt hätten, konnte nicht festgestellt werden.
193. Am 10. Dezember 2013 suchte der Angeklagte den E. E. gegen 22:45 Uhr aus nicht bekannten Gründen in dessen Wohnhaus in F. auf. Die Kammer konnte keine Feststellungen dazu treffen, warum sich der Angeklagte zu seinem Cousin begab. Auch konnte die Kammer nicht feststellen, was beide bei diesem Anlass miteinander besprachen. Weder der Angeklagte noch E. E. teilten anderen Personen etwas von diesem Zusammentreffen mit.
204. Am Tattag (Mittwoch, den 11. Dezember 2013) korrespondierten der Angeklagte und E. E. ab der Mittagszeit mehrfach über den Nachrichtendienst „WhatsApp“. Dabei ging es u.a. um Skier und Skistöcke, die der Angeklagte für die Eltern von E. E. als Weihnachtsgeschenk für diesen besorgen sollte. Auch kam es ab dem frühen Nachmittag zu einer Mehrzahl telefonischer Kontakte zwischen beiden, die sich ab etwa 19:40 Uhr – E. E. war gegen 19:00 Uhr nach dem Besuch des Fitnessstudios in seinem Wohnhaus eingetroffen – intensivierten. Was beide anlässlich dieser Telefonate miteinander besprachen, konnte die Kammer nicht feststellen.
21Um 21:19 Uhr rief E. E. die Zeugin F. an und sprach mit ihr bis 21:34 Uhr. Anschließend telefonierte E. E. kurz mit dem Angeklagten, ehe er die Zeugin F. um 21:40 Uhr erneut anrief. Dieses Telefonat dauerte etwa eineinhalb Minuten. E. E. wirkte auf die Zeugin F. bei Beendigung des Telefonats ruhig. Er erwähnte weder etwas über Meinungsverschiedenheiten mit dem Angeklagten, noch sagte er der Zeugin, dass er das Haus nochmals verlassen wolle.
225. Kurze Zeit nach Beendigung des Telefonates mit der Zeugin F. verließ E. E. das Haus und fuhr mit seinem schwarzen Pkw Audi A 5 mit hoher Geschwindigkeit von F. über die Autobahn A *** in Richtung M.. Das genaue Ziel von E. E. konnte die Kammer ebenso wenig feststellen wie den Grund für diese Fahrt. Nachdem E. E. von der Autobahn abgefahren war, befuhr er die Landstraße L *** in Fahrtrichtung P.. Hinter der sogenannten „C.“ bog er in Höhe des Ortes L.-C. an einer beampelten Kreuzung nach rechts auf die Kreisstraße K *** in Richtung W.-T.-Straße ab. Dort stellte er sein Fahrzeug gegen 22:00 Uhr etwa 35 Meter entfernt vom Kreuzungsbereich unbeleuchtet und mit angeklappten Außenspiegeln am rechten begrünten Fahrbahnrand, an den sich eine ansteigende Böschung anschließt, ab und verschloss es. Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeit wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Abbildung Blatt 29 der Hauptakte (oberes Lichtbild) und wegen der Abstellsituation auf die beiden Lichtbilder Blatt 19 der Hauptakte und das untere Lichtbild Blatt 29 der Hauptakte verwiesen.
23Weshalb E. E. in die Kreuzung einbog und sein Fahrzeug an dieser Stelle abstellte, konnte nicht aufgeklärt werden. In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang hatte sich auch der Angeklagte von seinem Wohnhaus in N. mit seinem silberfarbenen Pkw VW Golf zu dieser Kreuzung begeben. Er stellte sein Fahrzeug in dem – aus der ursprünglichen Fahrtrichtung von E. E. gesehen – linken Kreuzungsbereich auf einem in einen Wirtschaftsweg übergehenden Wendebereich ab. Von dort aus begab er sich zu Fuß zu der Stelle, an der das Fahrzeug von E. E. stand. Ob er vor, nach oder gleichzeitig mit E. E. dort eintraf, konnte nicht festgestellt werden. Auch konnte nicht festgestellt werden, ob sich beide Männer an dieser Stelle verabredet hatten oder ob der Angeklagte in Höhe des Kreuzungsbereichs den in Richtung N. fahrenden E. E. auf sich aufmerksam gemacht hatte und dieser sodann – unter Abweichung von seiner geplanten Route – nach rechts auf die K *** einbog.
24Nachdem beide Männer am Fahrzeug des E. E. zusammengetroffen waren und sich dort wenige Minuten aufhielten, begab sich E. E. zwischen die Beifahrertüre seines Fahrzeugs und die neben der Straße aufsteigende Böschung. Dort schlug der Angeklagte in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 22:16 Uhr aus unbekannten Gründen mit einem unbekannt gebliebenen – teils glatten, teils kantig konturierten – schweren Gegenstand zunächst zweimal mit großer Wucht auf den linken vorderen Schädelbereich des E. E. ein. In der Folge fiel E. E. zu Boden, so dass er in Höhe der Beifahrertür mit den Füßen in Richtung Fahrzeug und dem Kopf in Richtung der Böschung bäuchlings zu liegen kam. Nun versetzte der Angeklagte, der zwischen dem Fahrzeug und dem Geschädigten stand, E. E. mit dem Tatwerkzeug eine Vielzahl von wuchtigen Schlägen auf den Hinterkopf, mit denen er eine großflächige Schädeltrümmerfraktur verursachte. Korrespondierend hierzu war auch das Weichgewebe großflächig aufgerissen und es fand sich im linksseitig-mittigen, mittleren und tiefen Hinterkopfbereich eine mehrzackige Wundrandstruktur mit teils unregelmäßigen und teils glatten Wundrändern. Aus der offenen Wunde trat Hirngewebe aus. Es kam zu Einblutungen in das Gehirn und zu massivem Blutverlust. Hinsichtlich der Lage des Geschädigten und des Verletzungsbildes wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Lichtbilder Blatt 20 bis Blatt 22 der Hauptakte sowie Blatt 23 der Hauptakte (diese Lichtbilder zeigen E. E., nachdem sein Körper von den eingetroffenen Polizeibeamten auf den Rücken gedreht worden war) verwiesen.
256. Nach der Tat begab sich der Angeklagte zu seinem Fahrzeug und fuhr nach Hause. Dort führte er um kurz nach 22:30 Uhr ein Telefonat mit der Zeugin U., mit welcher er davor zuletzt gegen 21:00 Uhr telefoniert hatte.
267. Um 22:16 Uhr meldete die Zeugin X. – eine den Tatort passierende Autofahrerin – bei der Polizei, dass in der Nähe des Kreuzungsbereichs eine Person auf dem Boden liege.
27Die im Anschluss an die Entdeckung der Tat durchgeführten Ermittlungen verliefen zunächst erfolglos. Nachdem weitere Passanten – die Zeugen I. und G. – von einem in Tatortnähe stehenden silberfarbenen Pkw VW Golf berichtet hatten, konzentrierten sich die Ermittlungen hierauf. Der Angeklagte, der ein solches Fahrzeug fuhr, war gleichwohl nicht in Verdacht geraten, weil weder die Familienangehörigen noch die Ermittlungsbeamten Anhaltspunkte für ein Tatmotiv hatten. Als das Fahrzeug des Angeklagten gleichwohl routinemäßig auf Blut und sonstige Spuren untersucht werden sollte und der Angeklagte das Fahrzeug am 8. Januar 2014 zu diesem Zweck bei der Polizei in O. vorstellte, war auf dem Fahrersitz breitflächig Vergaserkraftstoff verteilt. Außerdem war der Fahrergurt vollständig entfernt worden. Der Angeklagte, der diese Manipulationen zum Zwecke der Beseitigung von nach der Tat aufgetragenen Blutspuren selbst vorgenommen hatte, versuchte die Situation dadurch zu erklären, dass eine unbekannte Person in seiner Abwesenheit das verschlossene Fahrzeug– ohne Verursachung von Schäden – geöffnet, den Gurt entfernt und Benzin auf den Fahrersitz aufgetragen habe. Diese – aus Sicht der Polizeibeamten wenig nachvollziehbare – Erklärung führte zu einem Tatverdacht gegen den Angeklagten, zu einer genaueren Untersuchung seines Fahrzeugs und sodann – nach Feststellung von Blut des E. E. – zur Festnahme des Angeklagten.
288. E. E. verstarb aufgrund der ihm durch den Angeklagten beigebrachten Verletzungen an einem schweren offenen Schädelhirntrauma mit begleitendem erheblichem Blutverlust sowie Einatmen von Blut.
299. Als der Angeklagte E. E. die Schläge versetzte, wusste er, dass dieser dadurch zu Tode kommen werde. Das wollte der Angeklagte auch.
3010. Der Angeklagte war während der Tat in der Lage, das Unrecht seines Verhaltens zu erkennen und sich nach dieser Einsicht zu verhalten. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war auch nicht eingeschränkt.
31III.
321. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf den übereinstimmenden Angaben der Zeugin T. H. (Mutter des Angeklagten), der Nebenkläger und Zeugen I. und L. E. (Tante und Onkel des Angeklagten), der Zeugin U. U. (frühere Lebensgefährtin des Angeklagten) und des Zeugen G. C. (Freund des Angeklagten). Der Zeuge KHK O. (ermittlungsleitender Kriminalbeamter) hat zudem über das Ergebnis von Ermittlungen zu dem Studienverlauf des Angeklagten, intimen Kontakten zu weiteren ermittelten Frauen und der Fertigung von Videoaufnahmen in der Umkleidekabine des Gymnasiums in Y. berichtet. Aus dem Inhalt des gesicherten Emailverkehrs zwischen dem Angeklagten und der Lehrbeauftragten Dr. H.1 ergeben sich die zu dem Verhältnis zwischen ihr und dem Angeklagten getroffenen Feststellungen. Der Inhalt des Bundeszentralregisters belegt schließlich, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist.
332. Der Angeklagte hat die Tatbegehung im Ermittlungsverfahren abgestritten und angegeben, er habe sich zum Tatzeitpunkt alleine zu Hause aufgehalten und ferngesehen. Nachdem er in der Hauptverhandlung zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hatte, hat er die Tatbegehung im Rahmen seines letzten Wortes pauschal eingeräumt („Ich trage die alleinige Verantwortung für den Tod von E.. Wenn Sie mich verurteilen, bestrafen Sie keinen Unschuldigen.“). Zum Tatablauf und zum Tatmotiv hat er jedoch keine Angaben gemacht. Nachfragen seitens des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter wollte der Angeklagte, wie er unter Bezugnahme auf eine vorherige Äußerung seines Verteidigers erklärt hat, nicht beantworten.
34a) Das – pauschale – Geständnis des Angeklagten ist glaubhaft. Es wird durch weitere Beweismittel belegt.
35Im Einzelnen:
36(1) Für die Täterschaft des Angeklagten spricht zunächst die Spurenlage in dem von dem Angeklagten genutzten und in seinem Eigentum stehenden Pkw VW Golf.
37(a) Der Sachverständige Dr. U.1 (Molekularbiologe) hat die Rücklehne des Fahrersitzes sowie den Fußraum des Fahrzeugs zunächst auf das Vorhandensein von Blutanhaftungen untersucht und – nach Auffinden entsprechender Spuren – das vorgefundene Material gesichert und einer vergleichenden molekulargenetischen Untersuchung unterzogen. Diese hat den Nachweis erbracht, dass es sich um Blut des getöteten E. E. handelt.
38Der Sachverständige Dr. U.1 hat nachvollziehbar und schlüssig erläutert, dass das von ihm im Bereich der Rücklehne des Fahrersitzes, der rechten inneren Türverkleidung sowie an einer Fußmatte hinter dem Fahrersitz gesicherte Material eindeutig die Eigenschaften menschlichen Blutes aufweise und im Übrigen in allen 16 untersuchten STR-Systemen mit Vergleichsmaterial übereinstimme, das – nach Entnahme im Rahmen der Obduktion – dem getöteten E. E. zuzuordnen sei (SE 33 = ***, D21S11 = ***, VWA = ***, TH01 = ***, FIBRA = ***, D3S1358 = ***, D8S1179 = ***, D18S51 = ***, D1S1656 = ***, D2S441 = ***, D0S1248 = ***, D12S391 = ***, D22S1045 = ***, D16S539 = ***, D2S1338 = *** und D19S433 = ***). Unter – wissenschaftlich gesicherter (vgl. BGH Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13) – Anwendung der Produktregel sei die Kombination der unabhängig vererbten Merkmale unter mehr als 10 Milliarden Menschen nur einmal anzutreffen. Unter biostatistischen Gesichtspunkten könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass das in dem Fahrzeug gesicherte Blut von E. E. stamme.
39Den Ausführungen des Gutachters schließt sich die Kammer in eigener Wertung an. Der Sachverständige hat zunächst die Methodik seiner Untersuchungen dargestellt und sodann seine weiteren gutachterlichen Überlegungen logisch aufgebaut und der Kammer widerspruchsfrei in nachvollziehbarer Art und Weise dargeboten.
40(b) Die Kammer entnimmt der dargestellten Spurenlage, dass der Angeklagte die Spuren nach der Tatbegehung durch den eigenen Körper bzw. die eigene Bekleidung oder durch das Tatwerkzeug in sein Fahrzeug übertragen hat. Hierfür spricht zunächst das Spurenbild am Tatort. Nach den durch mehrere Lichtbilder belegten Angaben des Zeugen KHK O. kam es bei der Tat zu starken Antragungen von Blut und Gewebe an der vorderen Beifahrerseite, der Motorhaube, der Windschutzscheibe und des Dachs des unmittelbar neben dem Tatort abgestellten Fahrzeugs von E. E., wohingegen in einem ausgesparten Bereich der Beifahrerseite in Richtung des Fahrzeughecks Blutspuren fehlen (sog. „Blutschatten“). Dies spricht dafür, dass der Täter dort gestanden hat und sich selber bedingt durch ausholende Bewegungen beim Einschlagen auf den Geschädigten mit Blut und Gewebe beschmutzt hat. Dass innerhalb des Fahrzeugs des Angeklagten an der Rücklehne des Fahrersitzes sowie der innenseitigen Verkleidung der Fahrertür Blutspuren von E. E. festgestellt werden konnten, spricht somit dafür, dass sich der Täter nach der Tat als Fahrer in dieses Fahrzeug hineingesetzt hat und so die Spuren von seiner Kleidung in das Fahrzeuginnere übertragen hat. Soweit an der Fußmatte hinter dem Fahrersitz des Fahrzeugs des Angeklagten eine Blutspur des E. E. festgestellt werden konnte, lässt sich dies nachvollziehbar damit erklären, dass dort entweder das Tatwerkzeug – ein solches wurde am Tatort nämlich nicht gefunden – oder ein von dem Täter bei Tatbegehung getragenes Kleidungsstück gelagert wurde.
41(c) Eine andere Erklärung dafür, wie es zu den Blutanhaftungen im Fahrzeug des Angeklagten kam, ist nicht ersichtlich. Weder gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das Fahrzeug zur Tatzeit von einer anderen Person als dem Angeklagten geführt wurde, noch hat der Angeklagte irgendwelche Erklärungsversuche insbesondere gegenüber der Zeugin U. und seiner Mutter abgegeben, nachdem er das Fahrzeug in manipuliertem Zustand bei der Polizei vorgeführt hatte (siehe oben II7). Diesen gegenüber hatte er nämlich nach seiner Festnahme anlässlich eines Besuchs in der Justizvollzugsanstalt gesagt, er wisse nicht, wie das Blut in sein Auto gekommen sein könne. Die Kammer ist sich sicher, dass, wenn es eine andere, nicht auf die Täterschaft des Angeklagten hindeutende Ursache für die Antragung der Blutspuren gegeben hätte, der Angeklagte diese gegenüber der Zeugin U. sowie seiner Mutter genannt hätte.
42(d) Die Kammer schließt auch aus, dass die Blutspuren in das Fahrzeug des Angeklagten gelangt sein könnten, als dieser am Tag nach der Tat am Tatort ein Holzkreuz aufstellte und hierbei möglicherweise mit seinen Schuhen in am Tatort noch vorhandenes Blut trat. Denn dies könnte jedenfalls nicht die Blutspuren an der Rückenlehne des Fahrersitzes erklären.
43(2) Für die Täterschaft des Angeklagten spricht außerdem, dass er versucht hat, die Spuren an seinem Fahrzeug zu beseitigen.
44(a) Der Zeuge KHK O. hat hierzu bekundet, dass der Fahrersitz des Fahrzeuges vollständig mit Benzin durchnässt gewesen sei und der Gurt gefehlt habe. Auch der Fußraum sowie die Mittelkonsole seien benässt gewesen. Aufbruchspuren hätten nicht festgestellt werden können.
45(b) Der Zeuge KOK F.1 hat hierzu entsprechend den oben unter II7 wiedergegeben Feststellungen angegeben, welche Erklärung der Angeklagte für die Manipulation an dem Fahrzeug gegeben habe, nämlich dass ein Unbekannter in seiner Abwesenheit das vor seinem Arbeitsplatz (Gymnasium in Y.) stehende, zuvor von ihm – dem Angeklagten – verschlossene Fahrzeug geöffnet und dort den Gurt entfernt und den Fahrersitz mit Benzin überschüttet habe. Auch die Zeuginnen U. und H. berichteten, dass sich der Angeklagte ihnen gegenüber so geäußert habe.
46Diese Erklärung ist nicht plausibel. Zum einen spricht gegen ihren Wahrheitsgehalt, dass keinerlei Aufbruchspuren an dem Fahrzeug gefunden wurden. Zum anderen ist nicht erkennbar, welchen Sinn es für einen Dritten machen sollte, ein fremdes Fahrzeug zu öffnen, den Gurt des Fahrsitzes zu entfernen und über den Fahrersitz selbst Benzin zu gießen. Einzig denkbares Motiv für ein solches Verhalten wäre es, einen Tatverdacht auf den bis dahin unverdächtigen Angeklagten zu lenken. Indes ist nicht erkennbar, welche Person derartiges hätte tun sollen, zumal außer den Mitgliedern der Mordkommission nur dem Angeklagten, der Zeugin U., der Mutter des Angeklagten (Zeugin H.) und den beiden Nebenklägern bekannt war, dass der Angeklagte am 8. Januar 2014 das Fahrzeug bei der Polizei in O. vorführen wollte. Auch hätte diese Person wissen müssen, dass sich das Fahrzeug des Angeklagten am 8. Januar 2014 auf einem Parkplatz vor dem Arbeitsplatz des Angeklagten in Y. befand. Schließlich hätte es dieser Person gelingen müssen, das Fahrzeug unerkannt und ohne Verursachung von Schäden zu öffnen. Bereits dies ist fernliegend. Nicht erkennbar ist darüber hinaus, weshalb jemand, der ein Interesse daran haben könnte, den Tatverdacht auf den Angeklagten zu lenken, hierfür ohne erkennbare Not das Risiko in Kauf nimmt, am helllichten Tage dabei beobachtet zu werden, wie er an einem auf einem Lehrerparkplatz abgestellten Fahrzeug einen Gurt ausbaut und Benzin in das Fahrzeuginnere schüttet.
47Unter zusammenfassender Berücksichtigung der vorstehend geschilderten Erwägungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Angeklagte die Manipulationen selber vorgenommen hat.
48(c) Die Kammer ist zudem davon überzeugt, dass der Angeklagte so handelte, weil er wusste oder zumindest damit rechnete, dass die Polizei Blutspuren, die dem Tatopfer zugeordnet werden, in seinem Fahrzeug finden würde und dass er hierfür keine schlüssige Erklärung würde präsentieren können.
49In diesem Zusammenhang hat die Kammer bedacht, dass auch ein Unschuldiger Anlass dazu haben kann, Beweise zu manipulieren, von denen er befürchtet, sie würden einen Tatverdacht auf ihn lenken. Indes wäre dann im Falle des Angeklagten damit zu rechnen, dass dieser zumindest der Zeugin U. – als ihm seinerzeit besonders nahe stehender Person – bei den gemeinsam angestellten Überlegungen zur Urheberschaft der Manipulationen und – wie die Zeugin U. beschrieb – der gemeinsam erörterten Frage, welche Spuren die Polizei möglicherweise in dem Fahrzeug finden werde, eine Erklärung dafür anbietet, wie möglicherweise in dem Fahrzeug aufzufindende Blutspuren dorthin gekommen sein könnten.
50(d) Dass der Angeklagte somit selbst um das Vorhandensein ihn belastender Blutspuren wusste, zumindest hiermit rechnete, spricht – verbunden mit der vorgenommenen Manipulation und einer fehlenden anderweitigen Erklärung für das Spurenbild – für seine Täterschaft.
51(3) Darüber hinaus ergeben sich Anhaltspunkte für die Täterschaft des Angeklagten aus den Aussagen einiger Zeugen.
52(a) So haben die Zeugen I. und G. in dem gegenüber der Einmündung der Kreisstraße K *** gelegenen Wendehammer einen silbernen oder hellgrauen Pkw, vermutlich einen Golf (so der Zeuge I.) gesehen. Beiden Zeugen ist in der Hauptverhandlung eine Auswahl von Fotografien silberfarbener Fahrzeuge verschiedener Hersteller, Modellreihen und Jahrgänge vorgelegt worden, innerhalb derer sie jeweils einen Golf der Modellreihe IV – mithin ein Fahrzeug wie es der Angeklagte besitzt und nutzt – als dasjenige bezeichnet haben, das sie am Tattag gegen 22:10 Uhr, abgestellt auf einem in einen Wirtschaftsweg mündenden Wendehammer gegenüber der Einmündung zur Kreisstraße K *** gesehen haben. Der Zeuge I. hat zudem bekundet, dass er diese Beobachtung gegen 22:10 Uhr gemacht habe und dass sich in dem Fahrzeug eine Person befunden habe, die erschrocken reagiert habe, als die Zeugen mit ihrem Pkw in den Wendehammer eingefahren seien. Zu jenem Zeitpunkt habe der Audi A 5– also das Fahrzeug des E. E. – am Straßenrand der K *** gestanden.
53(b) Diese Angaben der Zeugen I. und G. werden durch die Angaben des Zeugen L. bestätigt, wonach er gegen 22:10 Uhr in dem Wendehammer ein Fahrzeug beobachtet habe, welches nach seiner Erinnerung silberfarben gewesen sei. Auch der Zeuge L. hat den Audi des Geschädigten am Straßenrand wahrgenommen.
54(4) Dass E. E. nur durch einen Täter und nicht durch mehrere Personen getötet wurde, ergibt sich aus den Angaben einer Reihe von Zeugen, die als Passanten aus ihren Fahrzeugen heraus nach 22:00 Uhr zwei mutmaßlich männliche Personen an dem Fahrzeug des E. E. haben stehen sehen (Zeugen S., T., O.1, Dr. M., H.2, P.). Die Zeugen konnten zwar nur den Körperbau der Personen beschreiben, da sie die Gesichter mangels Lichtscheins nicht haben sehen können. Ihre diesbezüglichen Beschreibungen deckten sich jedoch mit dem Körperbau des Angeklagten und des E. E..
55(5) Schließlich ist der Angeklagte als Täter auch durch die Angaben des Zeugen T.2 überführt, der ihn im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage als eine von zwei Personen erkannt hat, die er am Tattag neben dem am Tatort abgestellten Audi A 5 hat stehen sehen. Nach der Aussage des KHK O. habe der Zeuge im Rahmen seiner – nach Anklageerhebung durchgeführten – ergänzenden Vernehmung angegeben, zu 100 % sicher zu sein, dass es sich bei der Person auf dem Lichtbild – dieses zeigte den Angeklagten – um eine der beiden Personen handele. Da der in E. wohnende Zeuge zudem glaubhaft versicherte, weder den Angeklagten zu kennen, noch die Presseberichterstattung über den Fall verfolgt zu haben, schließt die Kammer auch aus, dass der Zeuge den Angeklagten nicht erstmals am Tatort, sondern an anderer Stelle bzw. im Rahmen der Medienberichterstattung wahrgenommen hat.
56Soweit der Zeuge T.2 in der Hauptverhandlung angegeben hat, die beiden Männer um 23:00 Uhr gesehen zu haben, handelt es sich jedoch offensichtlich um einen Irrtum. Denn zu dieser Zeit hatte die Polizei bereits den Tatort abgesperrt. Zudem hatte der Zeuge T.2 in seiner ersten Vernehmung im Ermittlungsverfahren noch von 22:00 Uhr als Zeitpunkt seiner Beobachtung gesprochen.
57(6) Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung erwogen, dass ein Motiv des Angeklagten für die Tötung des E. E. nicht positiv festgestellt werden konnte. Andererseits sind mehrere Beweggründe denkbar, die den Angeklagten zu der Tat veranlasst haben könnten. So könnte ein Tatmotiv darin gelegen haben, dass E. E. Kenntnis davon erlangt hätte, dass der Angeklagte sein Studium nicht erfolgreich betrieb und eine Beendigung des Studiums ohne Abschluss bevorstand. Auch könnte er erfahren haben, dass der Angeklagte trotz seiner Beziehung zu der Zeugin U. intime Kontakte zu der Lehrbeauftragten Dr. H.1 und zu anderen Frauen unterhielt oder dass er heimlich Videoaufnahmen von minderjährigen Schülerinnen erstellte. E. E. könnte dem Angeklagten die Offenbarung dieser Informationen gegenüber der Zeugin H., den Zeugen I. und L. E. oder auch der Zeugin U. sowie der Polizei in Aussicht gestellt haben.
58Zwar kann die Kammer nicht feststellen, dass es gerade aus einem dieser Gründe zu einer in das Tötungsgeschehen mündenden Auseinandersetzung gekommen ist. Denn es kommt ebenfalls ein gänzlich anderer Anlass in Betracht. Indes entkräftet das Vorliegen eines möglichen Tatmotivs ein gegen die Täterschaft sprechendes Beweisanzeichen, das sich daraus ergäbe, dass kein Motiv positiv festgestellt werden kann (vgl. BGH Urteil vom 15. Januar 2004 – 3 StR 352/03 –).
59b) Die weiteren Feststellungen zum Tatgeschehen (oben II5) beruhen – soweit nicht bereits im Zusammenhang mit der Täterschaft des Angeklagten erörtert (oben III2a) – hinsichtlich der Tatörtlichkeiten und des Standorts des Fahrzeugs des E. E. auf dem Inhalt des von der Kriminalpolizei gefertigten Tatortbefundberichts sowie auf zahlreichen von dem Tatort gefertigten Lichtbildern.
60Eine zeitliche Einordnung des Tatgeschehens konnte die Kammer aufgrund folgender Erwägungen vornehmen: Nach den Bekundungen des Zeugen KHK O., der über das Ergebnis der Auswertung der Steuerung der Alarmanlage des Wohnhauses von E. E. berichtet hat, hat dieser die Alarmanlage in der Zeit zwischen 21:44 Uhr und 21:48 Uhr scharfgeschaltet, so dass davon auszugehen ist, dass er zu dieser Zeit das Haus verließ. Dies deckt sich mit den Verbindungsdaten zu dem Festnetzanschluss von E. E., wonach das letzte mit der Zeugin F. geführte Telefonat um 21:40 Uhr begann und eineinhalb Minuten dauerte.
61Da nach den weiteren Ausführungen des Zeugen KHK O. die Zeugin X. bereits um 22:16 Uhr den Notruf absetzte, weil sie eine reglose Person an dem Audi habe liegen sehen, und die Zeugin S. aussagte, dass sie bereits gegen 22:00 Uhr zwei Männer an einem dunklen Audi gesehen habe, ist daraus zu folgern, dass die Fahrt des Opfers zum Tatort nur etwas mehr als zehn Minuten gedauert haben kann. Eine Testfahrt durch den Zeugen KHK O. hat ergeben, dass die Fahrt tatsächlich innerhalb von zwölf bis 13 Minuten zu bewerkstelligen ist, jedoch nur, wenn man mit überhöhter Geschwindigkeit fährt.
62c) Die Feststellungen zu den bei E. E. verursachten Verletzungen und zu der Todesursache (oben II8) beruhen auf den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H.3 (Rechtsmedizinerin).
63d) Die Feststellungen betreffend den Geschädigten E. E. (oben II1) und dessen Verhältnis zu dem Angeklagten (oben II2) beruhen auf den übereinstimmenden Angaben der Zeugen T. H., I. E., L. E., U. und F..
64e) Die Feststellungen zu dem Zusammentreffen zwischen dem Angeklagten und E. E. am 10. Dezember 2013 (oben II3) beruhen auf den Angaben der Zeugin U., die berichtet hat, der Angeklagte habe ihr nach seiner (dritten) zeugenschaftlichen Vernehmung geschildert, dass er „ganz vergessen“ habe, der Polizei darüber zu berichten, dass er E. E. nicht – wie in den Vernehmungen bekundet – letztmalig am 6. Dezember 2013 aus Anlass einer Familienfeier, sondern am späten Abend des 10. Dezember 2013 – dem Tag vor der Tat – in F. in dessen Wohnhaus besucht habe. Dieser Umstand wird im Übrigen auch belegt durch die Auswertung der gespeicherten Telekommunikationsdaten, die ergeben, dass das Mobiltelefon des Angeklagten am Abend des 10. Dezember 2013 an einem Funkmast eingebucht war, der ein Empfangsgebiet abdeckt, innerhalb dessen das Wohnhaus von E. E. liegt.
65Einen Grund für diesen Besuch und die Umstände seines Ablaufs konnte die Kammer hingegen nicht feststellen. Soweit der Angeklagte gegenüber der Zeugin U. – wie diese in der Hauptverhandlung geschildert hat – angab, er habe E. E. besucht, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, dass sich E. E.s Vater – der Zeuge L. E. – wieder „beruhigt“ habe, nachdem er zuvor wegen eines Wasserschadens in einer ihm gehörenden Mietwohnung aufgebracht gewesen sei, glaubt die Kammer diese Schilderung nicht. Denn es ist – auch nach Dafürhalten der mit dem Verhalten des Angeklagten vertrauten Zeugen U. und T. H. – nicht im geringsten nachvollziehbar, warum sich der Angeklagte zur Überbringung einer solchen – recht banalen und dazu auch noch ohne Weiteres telefonisch übermittelbaren – Information zu später Stunde zu E. E. hätte begeben haben sollen. Indes bleibt der wahre Grund für diesen Besuch auch nach Durchführung der Hauptverhandlung unbekannt.
66f) Die Feststellungen zu den Kontakten zwischen dem Angeklagten und E. E. am Tattag (oben II4) beruhen auf den Angaben der Zeugin F. (Bekannte des E. E.), auf den aufgezeichneten Inhalten der über den Nachrichtendienst „WhatsApp“ zwischen dem Angeklagten und E. E. gewechselten Textnachrichten sowie auf den aufgezeichneten Verbindungsdaten zu den Telekommunikationsanschlüssen des Angeklagten und des E. E., die die Anzahl und die Uhrzeiten der jeweiligen telefonischen Kontakte belegen.
67So hat die Zeugin F. über den Inhalt der letzten mit E. E. geführten Telefonate berichtet und in diesem Zusammenhang ausgeführt, E. E. habe bei Beendigung des letzten, gegen 21:40 Uhr begonnenen Telefonats ruhig gewirkt und nicht geäußert, dass er das Haus nochmals verlassen wolle.
68g) Die Feststellungen zum Nachtatverhalten des Angeklagten (oben II6) beruhen auf den Angaben der Zeugin U., die berichtet hat, dass sie kurze Zeit nach 22:30 Uhr mit dem Angeklagten telefoniert und dieser ihr gesagt habe, er befände sich zu Hause.
69h) Die Feststellungen zu den polizeilichen Ermittlungen sowie zu dem weiteren Verhalten des Angeklagten (oben II7) beruhen – soweit ebenfalls nicht schon im Zusammenhang mit der Täterschaft des Angeklagten erörtert (oben III2a) – auf den Angaben der Zeugen KHK O. und KOK F.1.
70i) Die Feststellungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten bei Tatbegehung (oben II9) schlussfolgert die Kammer aus dem objektiven Tatgeschehen. Der Angeklagte wollte dem E. E. tödliche Verletzungen beibringen, er wusste auch, dass die von ihm versetzten Schläge hierzu geeignet waren.
71(1) Der Angeklagte wusste um die Lebensgefährlichkeit seines Verhaltens. Bei Schlägen, die auf den Hinterkopf eines Menschen zielen, handelt es sich um eine massive Gewaltanwendung, bei der der Täter erkennt, dass sein Tun zum Tod des Opfers führen kann. Dies gilt umso mehr, als hier nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H.3 (Rechtsmedizinerin) dem Geschädigten eine Vielzahl wuchtiger Schläge versetzt wurden, die im Bereich des Hinterkopfes derart großflächige Verletzungen hervorriefen, dass diese im Einzelnen nicht mehr voneinander abgrenzbar waren und es zu einem mehrfachen und weitläufigen Bruch des Schädels kam. Die enorme Wucht, mit der die Schläge ausgeführt wurden, wird auch dadurch deutlich, dass infolge heftiger Ausholbewegungen Blut und Gewebe über das gesamte Dach und die Motorhaube des neben dem Tatort stehenden Fahrzeugs verteilt wurden. Es entspricht allgemeiner Kenntnis, dass die Zufügung derart heftiger Schläge gegen den Kopf äußerst schwerwiegende Verletzungen – insbesondere des Gehirns und der dort verlaufenden Blutgefäße – herbeiführt, die regelmäßig zum Tode führen. Die Kammer kann deshalb ausschließen, dass der Angeklagte glaubte, E. E. nur oberflächlich zu verletzen, zumal die Schläge nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H.3 mit einer solchen Kraft ausgeführt wurden, dass eine Kontrollierbarkeit der Verletzungsauswirkungen gerade im Hinblick auf die betroffene Körperregion – für den medizinisch nicht Geschulten erkennbar – nicht in Betracht kommt.
72Dafür, dass sich der Angeklagte bei Begehung der Tat in einem psychischen Ausnahmezustand befand, dem ein solches Gewicht zukam, dass ihm das Risiko eines tödlichen Ausgangs nicht bewusst gewesen wäre (vgl. BGH Urteil vom 18. Januar 2007 – 4 StR 489/06 – NStZ-RR 2007, 141 [142]; Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96 – StV 1997, 7), haben sich tragfähige Anhaltspunkte nicht ergeben. Zwar könnte die Vielzahl der Schläge darauf hinweisen, dass der Angeklagte die Tat unter dem Einfluss einer gewissen Erregung begangen hat. Tragfähige Beweisanzeichen, die bei der Kammer Zweifel an dem Wissen des Angeklagten um die tödliche Folge seines Verhaltens wecken könnten, ergeben sich hieraus indes nicht. Über das für eine gewisse Erregung des Angeklagten sprechende Verletzungsbild hinaus ergeben sich nach Dafürhalten der Kammer keine – außerhalb des Bereichs der Spekulation liegenden – Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, eine psychische Beeinträchtigung habe dem Angeklagten die Erkenntnis einer tödlichen Wirkung seines in hohem Maße lebensgefährdenden Angriffs verstellt (vgl. BGH Urteil vom 28. März 2012 – 4 StR 558/11 – NStZ 2012, 384 [385]).
73(2) Der Angeklagte hat den Tod von E. E. auch gewollt. Dies schlussfolgert die Kammer aus dem Umstand, dass er die todesursächlichen Handlungen – eine Vielzahl wuchtiger Schläge auf den Hinterkopf – in Kenntnis ihrer lebensgefährdenden Wirkung vorgenommen hat. Dabei hat die Kammer bedacht, dass bei Prüfung des Willenselements des Tötungsvorsatzes in Rechnung zu stellen ist, dass bei der Tötung anderer Personen üblicherweise eine hohe Hemmschwelle überwunden werden muss (vgl. dazu BGH Beschluss vom 2. Februar 2010 - 3 StR 558/09 - NStZ 2010, 511 [512] m.w.N.). Insoweit ist aus Sicht der Kammer jedoch von Bedeutung, dass der Angeklagte dem Geschädigten eine Vielzahl von Schlägen auf den sensiblen Bereich des Hinterkopfes mit erheblicher Wucht versetzte. Angesichts dessen konnte er nicht ernsthaft (vgl. BGH Beschluss vom 31. Oktober 1990 – 3 StR 332/90 – BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24) darauf vertrauen, sein Opfer werde nicht zu Tode kommen. Umstände, die geeignet wären, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen, ergeben sich nicht. Ebenso wenig kann aufgrund des Verletzungsbildes und der Wucht der verabreichten Schläge angenommen werden, dass der Angeklagte den Tod des Geschädigten lediglich billigend in Kauf genommen hat.
74j) Die Feststellungen zur vollständig erhalten gebliebenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten (oben unter II10) hat die Kammer mit Hilfe des Sachverständigen Dr. L.1 (Psychiater und Psychologe) getroffen. Der Sachverständige konnte den Angeklagten mangels Mitwirkungsbereitschaft nicht außerhalb der Hauptverhandlung explorieren und hat sein Gutachten daher auf der Grundlage der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse erstattet.
75Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer in Anwendung eigener Sachkunde anschließt, handelt es sich bei dem Angeklagten nach dessen bisherigem Lebensweg – insbesondere seiner schulischen Laufbahn (der Angeklagte hat seine Abiturprüfung erfolgreich abgelegt) – um einen Menschen mit zumindest normalem Intelligenzniveau, so dass die Annahme von Schwachsinn ausscheide.
76Über Anzeichen für eine psychische Erkrankung, die dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuzuordnen wäre, wie etwa einer Psychose oder einer hirnorganischen Erkrankung, wurde von keinem der aus dem persönlichen Umfeld des Angeklagten gehörten Zeugen berichtet, so dass dergleichen auch nicht angenommen werden könne. Dafür, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung unter akutem Drogeneinfluss gestanden haben könnte, haben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte ergeben.
77Für eine Persönlichkeitsstörung, die sich dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zuordnen ließe, gäbe es ebenfalls keine Anhaltspunkte. Aus dem Verhalten des Angeklagten im Vorfeld der Tatbegehung – insbesondere der Aufnahme intimer Beziehungen zu mehreren Frauen neben der Beziehung zu der Zeugin U. – ergäbe sich allenfalls, dass der Angeklagte eine etwas oberflächliche Persönlichkeit sei, die stark auf sich selbst bezogen sei und gewisse narzisstische Züge aufweise. Letztlich seien diese Verhaltensweisen aber nicht geeignet, die Diagnose einer forensisch relevanten Persönlichkeitsstörung zu begründen.
78Hinsichtlich des Eingangsmerkmals der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung sei die Möglichkeit einer akuten, affektiv ausgelösten Belastungsreaktion zu prüfen. Indes sei eine zuverlässige sachverständige Aussage über die psychische Befindlichkeit des Angeklagten bei Tatbegehung nicht möglich. Eine chronische Belastung des Angeklagten, die sich aus der Beziehung zu dem Geschädigten E. E. ergebe, sei nicht festzustellen. Auch habe bei dem Angeklagten ausweislich der Angaben der Personen aus seinem Umfeld eine erhöhte Aggressionsbereitschaft, eine emotionale Instabilität oder eine Störung der Impulskontrolle nicht beobachtet werden können. Der Angeklagte sei nach den Schilderungen sämtlicher Bezugspersonen stets freundlich und hilfsbereit aufgetreten. Zudem bestünden keine Anhaltspunkte für eine psychische Abnormisierung des Angeklagten in den Wochen vor der Tat. Insbesondere wurde die Beziehung zu der Zeugin U. wie bisher geführt, ohne dass von dieser etwas als ungewöhnlich empfunden wurde. Auch übte der Angeklagte seine Tätigkeit als Aushilfslehrer im Umfang von etwa zwölf Wochenstunden wie gehabt weiter aus.
79Die Kammer folgt den Ausführungen des ihr als kompetent und zuverlässig bekannten Sachverständigen und legt sie ihrer Beurteilung zugrunde. Auch die Kammer sieht keine Anhaltspunkte, die geeignet wären, das Vorliegen eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale zu begründen. Dabei ist der Kammer bewusst, dass es hier schwierig ist, zuverlässige Erkenntnisse über die innerpsychische Befindlichkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt zu gewinnen, da sich dieser hierzu nicht geäußert hat und es keine unmittelbaren Tatzeugen gibt. Durch diesen Umstand sieht sich die Kammer jedoch – auch unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes – nicht veranlasst, zugunsten des Angeklagten einen Sachverhalt zugrunde zu legen, der in mehr oder weniger spekulativer Weise die Voraussetzungen für einen affektiven Durchbruch nahelegen würde. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass bei den meisten vorsätzlichen Tötungsdelikten eine gewisse affektive Erregung der Normalfall ist (vgl. BGH Urteil vom 18. September 2002 – 2 StR 125/02 – NStZ-RR 2003, 8). Im Übrigen spricht gegen eine nennenswerte affektive Belastung des Angeklagten, dass dieser einerseits noch in der Lage war, nach der Tatbegehung mit seinem Fahrzeug vom Tatort nach Hause zu fahren, und andererseits kurz nach 22:30 Uhr mit der Zeugin U. telefonierte, ohne dass dieser an der Stimme oder den Äußerungen des Angeklagten irgendetwas aufgefallen wäre, das auf das Vorliegen einer vorherigen oder aktuellen psychischen Ausnahmesituation hätte hindeuten können.
80IV.
811. Durch das festgestellte Verhalten hat sich der Angeklagte des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht.
822. Feststellungen, die die Annahme von Mordmerkmalen (§ 211 StGB) rechtfertigen könnten, hat die Kammer nicht treffen können.
83a) Zu auf das Tatmotiv bezogenen Mordmerkmalen – insbesondere der Habgier oder sonstiger niedriger Beweggründe – konnten keine Feststellungen getroffen werden. Es ist völlig unklar geblieben, warum der Angeklagte E. E. getötet hat. Niemand aus dem Umfeld des Angeklagten oder des Tatopfers konnte darüber berichten, dass es zwischen beiden eine Meinungsverschiedenheit gab. Auch die gesicherte Kommunikation über Textnachrichten („WhatsApp“) deutet nicht auf eine Missstimmung hin. Vielmehr tauschten sich der Angeklagte und E. E. dort noch am Tattag über Skier und Skistöcke aus, die der Angeklagte für E. E. im Auftrag von dessen Eltern – den Nebenklägern – beschaffen sollte. Kurz vor der Tatbegehung – gegen 21:22 Uhr – übermittelte der Angeklagte an E. E. die Nachricht, dass er passende Skistöcke gefunden habe, woraufhin es gegen 21:34 Uhr zu einem Telefonat zwischen beiden kam. Auch die Zeugin F., die als letzte Person mit E. E. telefonierte, konnte über nichts berichten, was auch nur annähernd einen Rückschluss darauf zuließe, dass es zwischen dem Angeklagten und E. E. zu einer problematischen und die Tat erklärbar machenden Situation gekommen sei.
84Dass der Angeklagte – von seinem Umfeld unerkannt – Verhaltensweisen an den Tag gelegt hatte (intime Beziehungen zu mehreren Frauen, Fertigung von Videoaufnahmen in der Umkleidekabine der Schule), deren Aufdeckung für ihn zu unangenehmen Konsequenzen – insbesondere eine Beendigung der Beziehung zu der Zeugin U. – geführt hätte, lässt nicht den in tragfähige Feststellungen mündenden Rückschluss darauf zu, dass dergleichen Gegenstand einer Auseinandersetzung zwischen ihm und E. E. war. Es kann noch nicht einmal festgestellt werden, dass E. E. irgendetwas über diese Verhaltensweisen wusste. Den hierzu vernommenen Personen aus seinem Umfeld gegenüber äußerte er sich hierzu jedenfalls nicht. Daher kommt die Kammer auch nicht zu der Feststellung, dass der Angeklagte E. E. tötete, um ein Bekanntwerden der gegenüber seinem Umfeld verschwiegenen Verhaltensweisen zu vermeiden.
85Aus Sicht der Kammer spricht vieles dafür, dass der Anlass für E. E., sich zu später Stunde auf den Weg in Richtung Tatort zu begeben, in Zusammenhang mit solchen Umständen stand, über die er auch mit vertrauten Personen nicht sprechen wollte. Da er nach Beendigung des letzten mit der Zeugin F. geführten Telefonats weder weitere Anrufe führte noch Textnachrichten erhielt oder versandte, kann davon ausgegangen werden, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits den Entschluss gefasst hatte, das Haus nochmals zu verlassen. Es spricht auch vieles dafür, dass dieser Entschluss in Zusammenhang mit dem kurz zuvor mit dem Angeklagten geführten Telefonat stand. Dass E. E. der Zeugin F. in dem letzten Telefonat nicht über sein Vorhaben berichtete, sich sogleich in Richtung N. zu begeben, deutet darauf hin, dass er der Zeugin sowohl die anstehende Fahrt als auch den Grund hierfür vorenthalten wollte. Aus all dem vermag die Kammer jedoch keine tragfähigen – über bloße Spekulationen hinausgehende – Schlüsse zu ziehen, welchen Grund der Aufbruch von E. E. und das anschließende Zusammentreffen mit dem Angeklagten tatsächlich hatte.
86b) Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte E. E. heimtückisch getötet hat.
87(1) Als Heimtücke bezeichnet man das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Gesinnung, wobei die Wehrlosigkeit gerade auf der Arglosigkeit beruhen muss. Arglos ist ein Opfer, wenn es sich zur Zeit des Angriffs eines solchen nicht versieht.
88(2) Hier ist zwar zu berücksichtigen, dass keiner der Zeugen, die mit ihren Fahrzeugen den Tatort passiert und dabei den Angeklagten und E. E. gesehen haben, von Gegebenheiten berichtete, die Rückschlüsse auf eine streitige Auseinandersetzung zwischen beiden Personen zulassen. Allerdings ist auch das Tatgeschehen selbst von keinem Zeugen beobachtet worden. Durch die Zeugenaussagen lassen sich nur zeitliche Ausschnitte vor der Tatbegehung rekonstruieren. Es gibt einen Zeitraum von einigen Minuten vor der Tatbegehung, der nicht von Zeugen wahrgenommen wurde. Das Gericht kann deshalb nicht ausschließen, dass es innerhalb dieser Zeit zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und E. E. gekommen ist, aus der heraus der Angeklagte die Tat beging. Wie es in dieser Situation um die Möglichkeit für E. E. stand, den Angriff des Angeklagten vorauszusehen und sich zur Wehr zu setzen, ist völlig offen geblieben.
89(3) Nach dem Verletzungsbild und der Spurenlage steht nur fest, dass die ersten Schläge des Angeklagten gegen die linke Stirnpartie versetzt wurden. Die Sachverständige Dr. H.3 (Rechtsmedizinerin), die den Leichnam bereits am Tatort untersucht hatte, hat ausgeführt, dass nach dessen Lage – mit dem Gesicht und der Stirn im Gras der Böschung – und den weiteren Verletzungen alles dafür spricht, dass die Schläge gegen die Stirn beigebracht worden sein mussten, bevor E. E. zu Boden ging, wohingegen dem Opfer jedenfalls die Mehrzahl der Schläge gegen den Hinterkopf im liegenden Zustand versetzt wurden. Denn an dem Gesicht von E. E. fanden sich deutliche Widerlagespuren, die die Sachverständige darauf zurückgeführt hat, dass das Gesicht bei Verursachung der Schläge gegen den Hinterkopf auf dem Boden auflag. Da der verletzte Stirnbereich auch durch Gras verdeckt gewesen sei, spreche viel dafür, dass die Stirnverletzungen dem noch stehenden Opfer und damit vor den Verletzungen am Hinterkopf beigebracht worden seien.
90Die Kammer schließt sich dieser Interpretation der Spurenlage an, so dass jedenfalls mehr dafür spricht, dass die Auseinandersetzung in einer Situation „von Angesicht zu Angesicht“ begann. Hinzu kommt, dass die Sachverständige Dr. H.3 bei dem Leichnam streckseitig am linken Handgelenk und am linken Unterarm Verletzungen in Form von Hautunterblutungen festgestellt hat, die als Abwehrverletzungen zu deuten sind. Soweit die Sachverständige zudem einen Bruch der linken Schulterblattgräte festgestellt hat, konnte sie nicht feststellen, ob der zugehörige Schlag von hinten oder von vorne kam. Jedoch passe auch diese Verletzung in der Zusammenschau mit den Verletzungen am linken Unterarm und an dem linken Handgelenk zu einem Ablauf, wonach zunächst von vorne auf E. E. eingeschlagen worden sei.
91Danach kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte erstmals von hinten auf E. E. einschlug, als sich dieser keines Angriffs versah.
92(4) Auch aus der Tatsache, dass es sich bei E. E. um einen hochgewachsenen, gesunden und sportlich durchtrainierten jungen Mann gehandelt hat, vermag die Kammer nicht den Schluss zu ziehen, dass er sich aufgrund einer körperlichen Überlegenheit erfolgreich gegen einen Angriff des Angeklagten zur Wehr gesetzt hätte, wenn er einen solchen vorausgesehen hätte. Denn auch der Angeklagte war mit einer Größe von mehr als 180 Zentimetern nicht wesentlich kleiner als E. E.. Es wäre mithin nicht mehr als Spekulation, aus der körperlichen Konstitution der Beteiligten auf den Verlauf der Auseinandersetzung zu schließen.
93(5) Der Kammer ist in diesem Zusammenhang bewusst, dass ein der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen die Arglosigkeit nicht ausschließen, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt (vgl. BGH Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11 –). Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH Urteil vom 15. Februar 2007 – 4 StR 467/06 –). Wesentlich ist mithin, ob der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren.
94Angesichts mangelnder Feststellungen zum Tatablauf und zu den der Tat unmittelbar vorangehenden Ereignissen verbleibt jedoch die Möglichkeit, dass der Angeklagte die Tat aus einer offen geführten verbalen Auseinandersetzung heraus begangen hat, in deren Verlauf E. E. die Möglichkeit gehabt hätte, die Gefahr eines bevorstehenden tätlichen Angriffs rechtzeitig zu erkennen und sich hierauf einzurichten.
95(6) Soweit der Vertreter der Nebenkläger in seinem Schlussvortrag ausgeführt hat, der Angeklagte habe E. E. zum Tatort „gelockt“, um ihn dort zu töten, ist dies eine durch nichts belegte Spekulation. Im Gegenteil spricht der Tatort sogar dagegen, dass die Tat von dem Angeklagten geplant wurde. Denn angesichts der Vielzahl der durch die Kammer vernommenen Zeugen, die den Tatort vor und nach der Tatbegehung mit ihren Fahrzeugen passierten, war diese Örtlichkeit offensichtlich ungeeignet, um dort unerkannt ein Tötungsverbrechen zu begehen.
96c) Die Kammer hat sich gefragt, ob und ggf. welche Schlüsse daraus gezogen werden können, dass der Angeklagte die Tatbegehung in seinem letzten Wort zwar eingeräumt hat, es jedoch zugleich ablehnte, irgendwelche Nachfragen zu beantworten.
97Selbst wenn unter dem Gesichtspunkt des sog. Teilschweigens (vgl. hierzu ausführlich: Miebach NStZ 2000, 234) grundsätzlich Rückschlüsse aus dem Einlassungsverhalten möglich wären, wüsste die Kammer nicht, was konkret sie hieraus im Hinblick auf das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen von Mordmerkmalen sollte folgern können. Zwar ist es denkbar, dass der Angeklagte die Beantwortung von Nachfragen gerade deshalb verweigerte, um keine Grundlage für die Feststellung eines Mordmerkmals zu liefern. Indes hilft diese Erkenntnis insoweit nicht weiter, als sie weder Schlussfolgerungen für das Tatmotiv noch für den genauen Tatablauf trägt. Alleine die Überlegung, dass der Angeklagte der Kammer durch sein Einlassungsverhalten eine Information vorenthalten will, die sich für ihn im Hinblick auf die Schuld- oder Rechtsfolgenentscheidung nachteilig auswirken könnte, ersetzt nicht die notwendige – und hier gerade nicht zu treffende – Feststellung eines unter den Tatbestand des § 211 StGB subsumierbaren Sachverhalts.
98V.
991. Der Angeklagte war aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu bestrafen, der die Verhängung von Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren vorsieht.
1002. Die Annahme eines minder schweren Falles (§ 213 StGB) kam nicht in Betracht. Insbesondere gibt es keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, E. E. könnte den Angeklagten durch eine schwere Beleidigung zum Zorn gereizt haben. Soweit es zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten am Tatabend zu einer Auseinandersetzung gekommen sein sollte, wäre es aus Sicht der Kammer spekulativ anzunehmen, dass E. E. sich in diesem Zusammenhang in einer die tatsächlichen Voraussetzungen des § 213 StGB erfüllenden Art und Weise verhalten hätte.
1013. Für den Angeklagten spricht, dass er in seinem letzten Wort eingestanden hat, die alleinige Verantwortung für den Tod des Geschädigten E. E. zu tragen. Auch spricht für den Angeklagten, dass er nicht vorbestraft ist.
102Gegen den Angeklagten spricht jedoch, dass er die Tat begangen hat, obwohl für ihn vorhersehbar war, dass er durch die Tötung seines Cousins auch das weitere Leben der ihm – dem Angeklagten – zuvor besonders nahestehenden Personen schwerwiegend beeinträchtigt. Dies gilt nicht nur für die Nebenkläger, sondern auch und in besonderer Weise für die Mutter des Angeklagten. Diese ist, wie bei ihrer Vernehmung deutlich wurde, durch die Tat des Angeklagten auch deshalb sehr betroffen, weil es sich bei dem Tatopfer um den ihr nahestehenden Neffen handelte, dessen Tötung gerade durch den Angeklagten ganz erhebliche negative Auswirkungen auf ihr Verhältnis zu den ihr ebenfalls sehr nahestehenden Nebenklägern hat. Der Angeklagte hat daher durch die Tötung des E. E. gerade denjenigen drei Personen (seiner Mutter und den beiden Nebenklägern) schwerstes Leid zugefügt, die sich sein gesamtes Leben lang in herzlicher Weise um ihn gekümmert haben und denen gegenüber er deshalb auch eine besondere Verantwortung trug.
103Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hält die Kammer die Verhängung einer
104Freiheitsstrafe von zehn Jahren
105für tat- und schuldangemessen.
106VI.
107Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.