Landgericht Dessau-Roßlau Beschluss, 04. Nov. 2013 - 1 T 31/13, 1 T 33/13

ECLI:ECLI:DE:LGDESSA:2013:1104.1T31.13.0A
bei uns veröffentlicht am04.11.2013

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 05.12.2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg vom 12.11.2012 – 15 II 685/12 (Namensänderung) u. 15 II 686/12 (Sorgerecht) – wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg vom 12.11.2012 in den beiden Beratungshilfesachen 15 II 685/12 (Gegenstand: Zustimmung des sorgeberechtigten Kindsvater zur beabsichtigten Nachnamensänderung des Kindes) und 15 II 686/12 (Gegenstand: alleiniges Sorgerecht für die Kindsmutter) ist nach Zulassung durch das Amtsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

2

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass sich die Beratungshilfeleistung in der Beratungshilfesache 15 II 685/12 (Aufforderung an den geschiedenen Kindsvater, einer Nachnamensänderung des Kindes zuzustimmen) bei wertender Betrachtung auf „dieselbe Angelegenheit“ i. S. v. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG bezieht wie die Beratungshilfeleistung in der Sache 15 II 686/12, in der die Anwältin der Antragstellerin den Kindsvater aufforderte, seine Zustimmung zur Alleinsorgerechtsausübung durch die Kindsmutter zu erteilen. Ausgehend von den im Rahmen der Gewährung der Beratungshilfe zu berücksichtigenden jeweiligen Lebenssachverhalten und deren Abgrenzbarkeit untereinander ist es nach einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung angemessen, im Bereich familienrechtlicher Auseinandersetzungen zwischen folgenden beratungshilferechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung zu unterscheiden und zwischen folgenden vier Komplexen zu differenzieren:

3

- der Scheidung als solcher,

4

- den Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem persönlichen Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),

5

- den Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat und

6

- den finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung).

7

Das Beschwerdegericht nimmt auf seinen Beschluss vom 23.09.2013 (Az. 1 T 97/13) und die dort unter juris-Rdn. 7 zitierte Rechtsprechung Bezug. Richtig hat das Amtsgericht gemeint, dass die im Verfahren 15 II 685/12 durch Anwaltsschreiben vom 25.04.2012 vom sorgeberechtigten Vater erbetene Zustimmung zur beabsichtigten Namensänderung des Kindes einen Teilaspekt und Ausfluss des elterlichen Sorgerechtes betrifft, dessen Alleinübertragung die Kindsmutter in dem Verfahren 15 II 686/12 mit Anwaltsschreiben vom 01.06.2012 vom Kindsvater begehrte. Der innere Zusammenhang zwischen beiden anwaltlichen Tätigkeitsvorgängen liegt auf der Hand. Jeweils geht es der Kindsmutter darum, auf den Kindsvater einzuwirken, um Aspekte des Sorgerechtes für das Kind einer Klärung zuzuführen. Es ist angemessen, diese beiden einzelnen Gegenstände der Wertung nach zu einer einzigen (gebührenrechtlichen) Angelegenheit i. S. v. § 15 Abs. 1 RVG zuzuordnen bzw. zusammenzufassen. Damit korrespondiert auch, dass die obergerichtliche Rechtsprechung nicht etwa innerhalb des Tätigkeitsbereichs in Kindschaftssachen (§§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG) noch einmal unterdifferenziert zwischen den jeweils thematisierten tatsächlichen und rechtlichen Teilgesichtspunkten der elterlichen Sorge (vgl. hierzu u. a. OLG Naumburg, Beschl. v. 28.03.2013 – 2 W 25/13 –, juris-Rdnrn. 20 ff.). Zwar ist der Beschwerde zuzugeben, dass in der Tat in jedem Einzelfall die Kontrollüberlegung erfolgen muss, ob die Bewertung als ein- und dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit die Belastung des Rechtsanwaltes möglicherweise derart groß werden lässt, dass sie dem Rechtsanwalt nicht mehr zugemutet werden kann. Das lässt sich hier aber nicht annehmen. Die mit dem reaktionslos gebliebenen und eine halbe DIN A 4-Seite langen Anwaltsschreiben vom 25.04.2012 entfaltete Tätigkeit ist äußerst überschaubar und betrifft einen tatsächlich wie rechtlich einfach gelagerten Sachverhalt. Gleiches gilt für das Anwaltsschreiben vom 01.06.2012. Eine Vergütungsbegrenzung, die aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Rechtsanwalt unzumutbar erscheint, droht hier nicht.

8

Anders als die Beschwerde meint (Seite 3, 2. Absatz der Beschwerdebegründung) ist es für die Bewertung als ein- und dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit unerheblich, ob zeitgleich erteilte Aufträge oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten erteilte Aufträge zugrundeliegen. Die – erfolgte oder nicht erfolgte – Zusammenfassung von Gegenständen in einem Auftrag ist mehr oder weniger willkürlich und zufällig und bietet keinen verlässlichen Anhalt für die Bewertung als eine oder als mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten (OLG Naumburg, a. a. O., juris-Rdn. 13 m. w. N.). Letztere Bewertung muss sich an inhaltlichen Überlegungen orientieren. Im Kern: Bezieht sich die anwaltliche Tätigkeit auf einen von anderen Sachverhalten abgrenzbaren Lebensvorgang und erfordert dieser eine eigenständige anwaltliche Leistung?

9

Dass auch der Aspekt der Erteilung mehrerer Berechtigungsscheine respektive der Erteilung nur eines einzigen Berechtigungsscheins für diese Bewertung unerheblich ist, entspricht einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. nur: OLG Naumburg, a. a. O., juris-Rdn. 12 m. w. N.) und soll wohl auch von der Beschwerde – trotz der Betonung der hier erfolgten Erteilung zweier „eigener“ Berechtigungsscheine auf Seite 2 der Beschwerdebegründung – letztlich nicht infrage gestellt werden, wie aus Seite 3 (1. Absatz, a. E.) der Beschwerdebegründung hervorgeht.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 u. 3 RVG.


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Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 15 Abgeltungsbereich der Gebühren


(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. (2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 111 Familiensachen


Familiensachen sind 1. Ehesachen,2. Kindschaftssachen,3. Abstammungssachen,4. Adoptionssachen,5. Ehewohnungs- und Haushaltssachen,6. Gewaltschutzsachen,7. Versorgungsausgleichssachen,8. Unterhaltssachen,9. Güterrechtssachen,10. sonstige Familiensache

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Landgericht Dessau-Roßlau Beschluss, 23. Sept. 2013 - 1 T 97/13

bei uns veröffentlicht am 23.09.2013

Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 19.04.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 27.03.2012 – 3 II 42/12- abgeändert und wie folgt neu gefasst: Auf die Erinnerung vom 15.02.2012 wird zu Gunsten des Antragste

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 28. März 2013 - 2 W 25/13

bei uns veröffentlicht am 28.03.2013

Tenor Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 30. Januar 2013 wird zurückgewiesen. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Referenzen

(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 19.04.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 27.03.2012 – 3 II 42/12- abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die Erinnerung vom 15.02.2012 wird zu Gunsten des Antragstellers für das Beratungshilfeverfahren 3 II 42/12, Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen, eine aus der Landeskasse zu zahlende weitere Vergütung in Höhe von 2 x 99,96 € (für die ehemals selbständigen Beratungshilfeverfahren 3 II 40/12 – Auseinandersetzung der Ehewohnung – und 3 II 41/12 – Kindesunterhalt – ) festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers vom 19.04.2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 27.03.2012 hat Erfolg. Sie führt dazu, dass die für die – ehemals selbständigen, von der Rechtspflegerin dem vorliegenden Beratungshilfeverfahren 3 II 42/12 hinzuverbundenen – Beratungshilfeangelegenheiten „Auseinandersetzung der Ehewohnung“ und „Kindesunterhalt“ zu Gunsten des Antragstellers eine weitere Vergütung in Höhe von jeweils 99,96 € festzusetzen war.

2

Die Beschwerde ist zulässig. Das Amtsgericht hat sie nach §§ 55 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG in der für das Beschwerdegericht bindenden Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen, so dass das Rechtsmittel trotz Unterschreitung der Wertgrenze aus § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere i. S. v. §§ 55 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG fristgemäß eingelegt worden. Dass das erkennende Landgericht als Beschwerdegericht sachlich zuständig ist, hat das OLG Naumburg – in Abkehr von einer früher vertretenen anderslautenden Rechtsauffassung – mit Beschluss vom 11.03.2013 – 2 Wx 51/12 – entschieden.

3

Die Beschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht folgt – insoweit in Abkehr von einer in der Vergangenheit vereinzelt vertretenen abweichenden Rechtsansicht (vgl. Beschluss vom 18.04.2006 – 7 T 146/06) – der zwischenzeitlich weit überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach im Verhältnis zu einer Scheidungssache die Beratung in Fragen der Auseinandersetzung der Ehewohnung und in Kindesunterhaltssachen jeweils eine gesonderte beratungshilferechtliche Angelegenheit i. S. v. § 2 Abs. 2 BerHG ist.

4

Allerdings ist dem angefochtenen Beschluss darin beizutreten, dass für die gebührenrechtliche Einordnung als eine oder als mehrere Angelegenheit(en) der Umstand, ob ein oder mehrere Berechtigungsscheine ausgegeben wurden, unerheblich ist (OLG Köln, RPfleger 2010, 522; Schoreit/Groß, 11. Aufl., § 44 RVG, Rdn. 69). Richtig ist auch, dass der Umstand der Erteilung mehrerer Aufträge an den Rechtsanwalt für sich genommen keinen belastbaren Anhalt für das Vorliegen mehrerer gebührenrechtlicher Angelegenheiten bietet. Ebenso zutreffend ist – isoliert betrachtet – der Verweis des Amtsgerichts darauf, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Notwendigkeit der Prüfung unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen mit verschiedenen Prüfungsaufgaben für den Rechtsanwalt kein tragfähiger Hinweis auf unterschiedliche gebührenrechtliche Angelegenheiten ist. Prinzipiell richtig ist ferner, dass der für die Annahme einer Angelegenheit erforderliche innere Zusammenhang regelmäßig zu bejahen ist, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolges zusammengehören. Indes versteht das Amtsgericht den Begriff des „Erfolges“ deutlich zu weit, wenn es meint, „letztlich“ sei in der Scheidungssache, in der Auseinandersetzung um die Ehewohnung und in der Kindesunterhaltssache der „Erfolg“ „einheitlich“, weil es jeweils um die Klärung von sich aus der Ehescheidung ergebenden rechtlichen Problemen gehe. Diese, auch in vereinzelten älteren obergerichtlichen Rechtsentscheiden vertretene Auffassung (vgl. OLG München, MDR 1988, 330; OLG Nürnberg, FamRZ 2005, 740 ff.), nach welcher sämtliche Probleme, die im Zusammenhang mit der Trennung und der Scheidung von Ehegatten auftauchen, im Falle der Bewilligung von Beratungshilfe als eine einzige Angelegenheit zu betrachten sein sollen, steht in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31.10.2001 (Nichtannahmebeschl. – 1 BvR 1720/01 – , NJW 2002, 429), wonach …

5

„ … aus verfassungsrechtlicher Sicht viel dafür [spricht], die Beratung über den Unterhalt des Kindes und das Umgangsrecht des Kindes nicht als dieselbe Angelegenheit gemäß § 13 Abs. 2 S. 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) anzusehen, um den Rechtsanwalt, der in der Beratungshilfe ohnehin zu niedrigen Gebühren tätig wird, nicht unnötig zu belasten“.

6

Auch lässt diese Auffassung außen vor, dass im Rahmen der Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit zu berücksichtigen ist, ob durch die jeweilige Auslegung eine derartige Vergütungsbegrenzung bewirkt wird, dass sie dem Rechtsanwalt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zugemutet werden kann (vgl. BVerfG, a. a. O.). Der Rechtsanwalt wird für die Beratungshilfe von Gesetzes wegen in die Pflicht genommen und kann sich dem Auftrag grundsätzlich nicht entziehen. Der gegen die Staatskasse gerichtete Gebührenanspruch für eine Angelegenheit ist niedrig und pauschal, das heißt unabhängig vom Wert der Gegenstände der Beratung bemessen, was unter Umständen, je nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, nach der Bedeutung der Angelegenheit bzw. nach dem mit der Beratung verbundenen, evtl. auch erheblichen Haftungsrisiko, zu unzumutbaren Belastungen des die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwaltes führen kann. Ist danach eine starre, allein den Anlass (Trennung / Scheidung) in den Fokus rückende Betrachtung als eine einzige Angelegenheit – mit der zwischenzeitlich herrschenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur: OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 1244; OLG Frankfurt a. M., FamRZ 2010, 230; OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.03.2011 – 11 Ws 1590/10 – ; OLG Celle, Beschl. v. 14.07.2011 – 2 W 141/11 – ; OLG Naumburg, Beschl. v. 28.03.2013 – 2 W 25/13 – ; zitiert nach juris) abzulehnen, so ist hier bezüglich der Beratungshilfegegenstände „Ehescheidung“, „Auseinandersetzung an der Ehewohnung“ und „Kindesunterhalt“ von drei gesonderten Beratungshilfeangelegenheiten und jeweils eigenständigen gebührenrechtlichen Angelegenheiten auszugehen. Nach inzwischen herrschender Meinung (vgl. nur: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.10.2012 – I 3 Wx 189/12, MDR 2012, 1499, vgl. auch die dortigen w. N. unter juris-Rdn. 11) scheidet ein Rückgriff auf § 16 Nr. 4 RVG aus, wonach „eine Scheidungssache … und die Folgesachen“ dieselbe Angelegenheit sind. Die Vorschrift betrifft ausschließlich das gerichtliche Verbundverfahren und nicht die einem gerichtlichen Verfahren regelmäßig zeitlich und sachlich vorgelagerte, jedenfalls kraft gesetzlicher Definition außergerichtliche Beratungshilfe. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Beratungshilfesachen kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt; die Regelungslücke ist vielmehr bewusst belassen worden. Nach ihrem Charakter soll die Norm des § 16 RVG nur eine beispielhafte Aufzählung zur Erleichterung der Orientierung enthalten; sie ist nicht auf Vollständigkeit angelegt. Für die Regelung des § 16 Nr. 4 RVG wird teilweise die Auffassung vertreten, dass sie nicht deklaratorischer Natur ist, sondern eine Zusammenfassung von ansonsten unterschiedlichen Angelegenheiten konstituiert. Unabhängig davon steht einer entsprechenden Anwendung die fehlende Vergleichbarkeit der typischen Fallgestaltungen entgegen, weil im Bereich der Beratungshilfe wegen der Regelung einer Pauschalgebühr – anders als im gerichtlichen Verbundverfahren – eine Möglichkeit zum Ausgleich der nachteiligen Folgen für die Vergütung des Rechtsanwalts durch angemessene Erhöhung des Gegenstandswerts des Verbundverfahrens gegenüber dem Gegenstandswert der isolierten Ehescheidungssache nicht eröffnet ist und eine kompensationslose entsprechende Anwendung zu unzumutbaren Belastungen für den die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalt führen kann (so u. a. auch: OLG Naumburg, Beschl. v. 28.03.2013 – 2 W 25/13 – , zitiert nach juris).

7

Ausgehend von den im Rahmen der Gewährung der Beratungshilfe zu berücksichtigenden jeweiligen Lebenssachverhalten und deren Abgrenzbarkeit untereinander ist es – der obergerichtlichen Rechtsprechung folgend (vgl. u. a.: OLG Köln, Beschl. v. 09.02.2009 – 16 Wx 252/08 – , FamRZ 2009, 1345; OLG Rostock, Beschl. v. 25.11.2010 – 10 WF 124/10 – ; OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.03.2011 – 11 WF 1590/10 – , MDR 2011, 759; OLG Celle, Beschl. v. 14.07.2011 – 2 W 141/11 – , NJW 2011, 3109; OLG Düsseldorf, a. a. O.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10. 2012 – 8 W 379/11 – , RPfleger 2013, 101; OLG Naumburg, a. a. O.) – angemessen, zwischen folgenden beratungshilferechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung zu unterscheiden und zwischen folgenden vier Komplexen zu differenzieren:

8

- der Scheidung als solcher,
- den Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem persönlichen Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),
- den Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat und
- den finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung).

9

Diese Differenzierung mag nicht dahingehend missverstanden werden, dass innerhalb dieser Komplexe jeder einzelne Beratungsgegenstand, etwa geltend gemachter Kindesunterhalt für mehrere Kinder, jeweils einzeln betrachtet eine eigenständige gebührenrechtliche Angelegenheit mit der Folge darstellt, dass auch gesondert Gebühren in Ansatz gebracht werden können (so aber wohl: OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 1244; OLG Frankfurt, FamRZ 2010, 230). Hier führt diese Unterscheidung aber dazu, dass von insgesamt drei gebührenrechtlichen Angelegenheiten i. S. v. § 15 RVG auszugehen ist, weil die Beratungshilfe die Scheidung, die Auseinandersetzung an der Ehewohnung und den Kindesunterhalt betraf. Jeweils macht der Antragsteller, dessen Bevollmächtigter in allen drei Angelegenheiten außenwirksam tätig geworden ist, berechtigterweise eine Geschäftsgebühr (Nr. 2503 VV RVG) zuzüglich der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG zuzüglich Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) geltend.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 u. 3 RVG.


(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

Familiensachen sind

1.
Ehesachen,
2.
Kindschaftssachen,
3.
Abstammungssachen,
4.
Adoptionssachen,
5.
Ehewohnungs- und Haushaltssachen,
6.
Gewaltschutzsachen,
7.
Versorgungsausgleichssachen,
8.
Unterhaltssachen,
9.
Güterrechtssachen,
10.
sonstige Familiensachen,
11.
Lebenspartnerschaftssachen.

Tenor

Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 30. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Gründe

A.

1

Der Rechtsuchenden ist durch Berechtigungsschein vom 30.03.2012 des Amtsgerichts Schönebeck Beratungshilfe für die „Trennung, ggf. Ehescheidung nebst Trennungsfolgen“ bewilligt worden. Die Beratungshilfe ist durch den Antragsteller in der Zeit vom 02.04. bis 14.05.2012 gewährt worden. Der Antragsteller hat mit drei Anträgen jeweils vom 14.05. 2012 die Festsetzung seiner Vergütung beim Amtsgericht Schönebeck beantragt, und zwar in den Angelegenheiten „Ehescheidung“, „Unterhalt“ und „Ehewohnung + Hausrat“ jeweils in Höhe von 35,70 €.

2

Nach Anhörung der Landeskasse und abschließender Anhörung des Antragstellers hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts Schönebeck mit Verfügung vom 01.08.2012 die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 107,10 € festgesetzt. Er hat die Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei Ehescheidung und deren Folgesachen nicht um dieselbe Angelegenheit im vergütungsrechtlichen Sinne handele, weil diese Beratungsgegenstände zwar einen gemeinsamen Auslöser hätten, zwischen den einzelnen Ansprüchen der Rechtssuchenden jedoch kein innerer Zusammenhang bestehe.

3

Hiergegen hat sich die Landeskasse mit ihrer Erinnerung vom 07.09.2012 gewandt; die Erinnerung ist vom Amtsgericht Schönebeck mit richterlichem Beschluss vom 19.11.2012 zurückgewiesen worden. Auf eine von der Landeskasse mit Schreiben vom 27.12.2012 erhobene Zulassungsbeschwerde hat der Einzelrichter der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung auf die Kammer übertragen. Die Kammer hat mit Beschluss vom 30.01.2013 das Rechtsmittel der Landeskasse als unbegründet zurückgewiesen, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage jedoch die weitere Beschwerde zugelassen.

4

Die Landeskasse wendet sich mit ihrer weiteren Beschwerde vom 18.02.2013 gegen eine höhere Festsetzung als 35,70 €. Sie wiederholt und vertieft ihre Rechtsauffassung, wonach sich der Begriff der „Angelegenheit“ i.S. des Beratungshilfegesetzes rechtseinheitlich an diesem Begriff in §§ 15 ff. RVG zu orientieren habe, weshalb hier lediglich eine einzige Angelegenheit vorliege.

5

Das Landgericht Magdeburg hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat durch Beschluss vom 05.03.2013 vorgelegt.

B.

6

Die weitere Beschwerde der Landeskasse ist kraft Zulassung nach §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 33 Abs. 6 RVG zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg; die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Magdeburg beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts i.S. von §§ 546, 547 ZPO analog. Insbesondere weist die Festsetzung der Gebühren zugunsten des Antragstellers für erbrachte Beratungshilfe in drei selbständigen Angelegenheiten keinen Rechtsfehler auf.

7

I. Die Beantwortung der Frage, in welchem Umfange dem Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalt Gebührenansprüche erwachsen, hängt von der Auslegung des Begriffes der „Angelegenheiten“ in § 2 Abs. 2 BerHG ab.

8

1. Das Gebührenrecht des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes regelt unmittelbar nur die Höhe einer einzelnen Gebühr und deren Abgeltungsumfang.

9

Nach § 44 S. 1 RVG erhält der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung von der Staatskasse in Höhe der nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Anlage 1, Teil 2, Abschnitt 5 VV RVG (Nr. 2500 bis 2508) vorgesehenen Gebühr. Die Gebühr ist in den vorgenannten Vorschriften als Pauschalbetrag, unabhängig vom Wert des bzw. der Gegenstände der Beratung, geregelt. Nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 RVG entgilt die nur einmal anfallende Gebühr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung in einer bestimmten Angelegenheit.

10

2. Voraussetzung für den Vergütungsanspruch ist die Erteilung eines Berechtigungsscheins außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in einer Angelegenheit i.S. von § 2 Abs. 2 BerHG. Damit bildet der beratungshilferechtliche Begriff der Angelegenheit die Grundlage für den Vergütungsanspruch des die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts; er erhält pro Angelegenheit i.S. von § 2 Abs. 2 BerHG die gesetzlich vorgesehenen Pauschalgebühren.

11

3. Das Beratungshilfegesetz enthält keine ausdrückliche Regelung zum Begriff der Angelegenheit i.S. von § 2 Abs. 2 BerHG, auf die für die Vergütungsfestsetzung zurückgegriffen werden könnte.

12

Für die Vergütungsfestsetzung kann es nicht darauf ankommen, ob dem Antragsteller die Beratungshilfe im Rahmen eines oder mehrerer Berechtigungsscheine bewilligt worden ist. Auch dann, wenn sich die Bewilligung in nur einem Berechtigungsschein auf mehrere Angelegenheiten bezieht, ist ein Gebührenanspruch für jede der Angelegenheiten begründet. Zwar soll nach § 6 Abs. 1 BerHG der im Rahmen des Bewilligungsverfahrens auszustellende Berechtigungsschein die Angelegenheit, für die eine Beratungshilfe gewährt wird, genau bezeichnen. Eine gesonderte Prüfung, ob die zu gewährende Beratungshilfe sich auf eine oder mehrere verschiedene Angelegenheiten bezieht, ist jedoch nicht geboten. Teilweise wird eine abschließende Beurteilung dieser Frage im Vorfeld der Gewährung der Beratung u.U. auch nicht möglich sein (vgl. nur OLG Köln, Beschluss v. 09.02.2009, 16 Wx 252/08, FamRZ 2009, 1345; OLG Dresden, Beschluss v. 07.02.2011, 20 W 1311/10, FamRZ 2011, 1684).

13

4. Für die Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit kann wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Rechtsordnung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Beratungshilfe auf Erkenntnisse zum gleichlautenden gebührenrechtlichen Begriff im RVG zurückgegriffen werden. Zwar ist auch der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt, für seine Auslegung bestehen jedoch weitere Anknüpfungspunkte. Dies betrifft insbesondere den Sinn der Begriffsbestimmung. Der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit dient zur Abgrenzung desjenigen anwaltlichen zusammengehörigen Tätigkeitsbereichs, den eine Gebühr i.S. von § 15 Abs. 1 RVG abdecken soll. Unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks ist davon auszugehen, dass für die Zuordnung einzelner Gegenstände zu einer Angelegenheit jedenfalls regelmäßig ein einheitlicher Lebensvorgang vorliegen muss (vgl. Hartmann, KostG, 42. Aufl 2012, § 15 RVG Rn. 9 ff., insbes. 14 m.w.N.). Insoweit kommt es jedoch nicht auf den u.U. auch bei mehreren verschiedenen Angelegenheiten einheitlichen Anlass der Beauftragung, d.h. den Auslöser des Beratungsbedarfs, oder auf die – u.U. mehr oder weniger willkürliche – Zusammenfassung von Gegenständen in einem Auftrag an, sondern allein darauf, ob sich die anwaltliche Tätigkeit auf einen von anderen Sachverhalten abgrenzbaren Lebensvorgang bezieht und eine eigenständige anwaltliche Leistung erfordert (vgl. auch OLG Rostock, Beschluss v. 25.11.2010, 10 WF 124/10 – zitiert nach juris). Zudem hat der Gesetzgeber in den Vorschriften der §§ 16 bis 19 RVG beispielhafte Aufzählungen vorgenommen, welche eine einfachere Ermittlung ermöglichen sollen, ob bei verschiedenen – allerdings überwiegend allein im Rahmen von gerichtlichen Verfahren ausgeübten – Tätigkeiten eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen (krit. dazu Hartmann, a.a.O., § 16 RVG Rn. 1 f.).

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5. Im Rahmen der Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit ist schließlich zu berücksichtigen, ob dadurch u.U. eine derartige Vergütungsbegrenzung bewirkt wird, dass sie dem Rechtsanwalt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 31.10.2001, 1 BvR 1720/01, FuR 2002, 187; OLG Dresden, a.a.O. – in juris Tz. 8 f.). Denn der Rechtsanwalt wird für die Beratungshilfe von Gesetzes wegen in die Pflicht genommen und kann sich dem Auftrag grundsätzlich nicht entziehen. Der gegen die Staatskasse gerichtete Gebührenanspruch für eine Angelegenheit ist äußerst niedrig und pauschal, d.h. unabhängig vom Wert der Gegenstände der Beratung bemessen, was u.U., je nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit bzw. nach den mit der Beratung verbundenen, eventuell auch erheblichen Haftungsrisiken zu unzumutbaren Belastungen des die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts führen kann.

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II. Die Auslegung nach diesen Maßstäben führt hier dazu, dass die Gewährung von Beratungshilfe in mehreren familienrechtlichen Streitgegenständen – bezüglich der Ehescheidung, der Regelung der Verhältnisse an der Ehewohnung und dem Hausrat sowie des „Unterhalts“ – als drei Angelegenheiten anzusehen sind.

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1. Zwar ist letztlich die Beurteilung, ob die Gewährung von Beratungshilfe in einer familienrechtlichen Auseinandersetzung, die mehrere der in § 111 FamFG aufgeführten Arten von Familiensachen beinhaltet, eine Angelegenheit i.S. von § 2 Abs. 2 BerHG darstellt oder mehrere Angelegenheiten, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig. Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung ist jedoch eine typisierende Betrachtung geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall eventuell zu erzielen wäre, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden kann, ob eine Zusammenfassung verschiedener Beratungsgegenstände in Betracht kommt oder nicht.

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2. Für die Abgrenzung der erforderlichen anwaltlichen Tätigkeiten ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung jedenfalls zu unterscheiden zwischen den Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der (vorübergehenden) Trennung einerseits und der (endgültigen) Beendigung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft (Scheidung, Aufhebung, Feststellung der Unwirksamkeit) andererseits (vgl. OLG München, Beschluss v. 26.09.2011, 11 W 1719/11, MDR 2011, 1386; insoweit auch Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 29.09.2009, 6 W 76/08 – zitiert nach juris). Denn mit Ausnahme des Gegenstandes des Kindesunterhalts bestehen für die mit einer Trennung typischerweise zusammenhängenden Streitgegenstände – und zwar Kindschaftssachen i.S. von §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG, Ehewohnungs- und Haushaltssachen i.S. von §§ 111 Nr. 5, 200 FamFG sowie Unterhaltssachen i.S. von §§ 111 Nr. 8, 231 FamFG – besondere tatsächliche Voraussetzungen und andere rechtliche Maßstäbe als für deren Regelung im Zusammenhang mit einer endgültigen Beendigung der Ehe. Die Regelungen zu den Folgen einer Trennung gelten – mit der genannten Ausnahme – im Scheidungsfalle gerade nicht fort. Alle drei genannten Bereiche der Trennungsfolgen sind im Regelfall jeweils als gesonderte beratungshilferechtliche Angelegenheiten anzusehen (so auch OLG Hamm, Beschluss v. 11.03.2011, I-25 W 499/10, FamRZ 2011, 1685). Der Senat geht allerdings davon aus, dass im vorliegenden Fall keine Beratung zu Trennungsfolgen abgerechnet worden ist. Während sich der Berechtigungsschein auf eine „Trennung, ggf. Ehescheidung“ bezogen hat und damit Beratungshilfe sowohl für Trennungs- als auch für Ehescheidungssachen und -folgesachen bewilligt worden ist, hat der Rechtsanwalt jedenfalls eine Beratung in einer Ehescheidungssache abgerechnet, was den Schluss nahe legt, dass sich die weiteren Beratungsgegenstände auf Folgen der Ehescheidung (und nicht der Trennung) bezogen haben. Die Frage kann hier offen bleiben.

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3. Auch dann, wenn sich die Gewährung von Beratungshilfe (im Rahmen der Bewilligung) auf Ehescheidungs- und sog. Folgesachen bezogen hat, sind die drei abgerechneten Gegenstände jeweils als gesonderte beratungshilferechtliche Angelegenheiten anzusehen.

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a) Nach inzwischen wohl herrschender Meinung (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16.10.2012, I-3 Wx 189/12, MDR 2012, 1499 – in juris Tz. 11 m.w.N.), der sich der erkennende Senat anschließt, scheidet ein Rückgriff auf § 16 Nr. 4 RVG aus, wonach „eine Scheidungssache … und die Folgesachen“ dieselbe Angelegenheit sind. Die Vorschrift betrifft ausschließlich das gerichtliche Verbundverfahren und nicht die einem gerichtlichen Verfahren regelmäßig zeitlich und sachlich vorgelagerte, jedenfalls kraft gesetzlicher Definition außergerichtliche Beratungshilfe. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Beratungshilfesachen kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt; die Regelungslücke ist vielmehr bewusst belassen worden. Nach ihrem Charakter soll die Norm des § 16 RVG nur eine beispielhafte Aufzählung zur Erleichterung der Orientierung enthalten; sie ist nicht auf Vollständigkeit angelegt. Für die Regelung des § 16 Nr. 4 RVG wird teilweise die Auffassung vertreten, dass sie nicht deklaratorischer Natur ist, sondern eine Zusammenfassung von ansonsten unterschiedlichen Angelegenheiten konstituiert. Unabhängig davon steht einer entsprechenden Anwendung die fehlende Vergleichbarkeit der typischen Fallgestaltungen entgegen, weil im Bereich der Beratungshilfe wegen der Regelung einer Pauschalgebühr – anders als im gerichtlichen Verbundverfahren – eine Möglichkeit zum Ausgleich der nachteiligen Folgen für die Vergütung des Rechtsanwalts durch angemessene Erhöhung des Gegenstandswerts des Verbundverfahrens gegenüber dem Gegenstandswert der isolierten Ehescheidungssache nicht eröffnet ist und eine kompensationslose entsprechende Anwendung zu unzumutbaren Belastungen für den die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalt führen kann.

20

b) Ausgehend von den im Rahmen der Gewährung der Beratung zu berücksichtigenden jeweiligen Lebenssachverhalten, deren Abgrenzbarkeit untereinander und den jeweils angesprochenen Tätigkeitsfeldern des Anwalts wird es im Regelfall angemessen sein, zwischen folgenden, bis zu sechs verschiedenen beratungshilferechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe zu unterscheiden:

21

-

Ehesachen i.S. von §§ 111 Nr. 1, 121 FamFG,

22

-

Kindschaftssachen i.S. von §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG
(ggf. auch §§ 111 Nr. 10 i.V.m. 266 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 FamFG),

23

-

Ehewohnungs- und Haushaltssachen i.S. von §§ 111 Nr. 5, 200 FamFG,

24

-

Versorgungsausgleichssachen i.S. von §§ 111 Nr. 7, 217 FamFG,

25

-

Unterhaltssachen i.S. von §§ 111 Nr. 8, 231 FamFG (d.h. sowohl Kindschafts- als auch Ehegattenunterhalt) sowie

26

-

Güterrecht i.S. von §§ 111 Nr. 9, 261 FamFG und sonstige Vermögensauseinandersetzungen (ggf. auch §§ 111 Nr. 10 i.V.m. 266 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG).

27

c) Die Differenzierung der familienrechtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe in Ehesachen, Kindschaftssachen und Unterhaltssachen entspricht inzwischen der zumindest überwiegenden Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, a.a.O.; OLG Rostock, a.a.O.; OLG Nürnberg, Beschluss v. 29.03.2011, 11 WF 1590/10, MDR 2011, 759; OLG Celle, Beschluss v. 14.07.2011, 2 W 141/11, NJW 2011, 3109; OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.10. 2012, 8 W 379/11, RPfl 2013, 101; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Soweit das OLG Köln in der vorzitierten Entscheidung weiter zwischen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt differenziert, erachtet der erkennende Senat diese Unterscheidung bei der gebotenen typisierenden Betrachtung nicht für notwendig. Denn die Beratung in beiden Arten von Unterhaltssachen bezieht sich hinsichtlich des Bedarfs der Unterhaltsberechtigten und der Leistungsfähigkeit einschließlich Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten regelmäßig auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt; in den hier häufig vorkommenden Fällen der nicht ausreichenden Leistungsfähigkeit sind beide Gegenstände zusätzlich miteinander verbunden (ebenso OLG Nürnberg, OLG Celle und OLG Stuttgart jeweils a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss v. 23.11.2011, 4 W 554/11, JurBüro 2012, 419).

28

d) Ebenso entspricht es inzwischen der vorherrschenden Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat aus den vorgenannten Gründen anschließt, die Ehewohnungs- und Hausratssachen als eigenständige Angelegenheit im Rahmen der Auseinandersetzungen bei Beendigung der Ehe anzusehen (vgl. OLG Dresden, OLG Nürnberg, OLG Celle, OLG Stuttgart, OLG Düsseldorf, jeweils a.a.O.). Soweit das OLG Rostock in der oben zitierten Entscheidung die Beratung im Hinblick auf die Ehewohnung und eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung als einheitliche Angelegenheit angesehen hat, lag dem der besondere Umstand zugrunde, dass es sich bei der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung gerade um den Verkauf des Einfamilienhauses gehandelt hat, welches als eheliche Wohnung genutzt worden war.

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e) Eine uneinheitliche Behandlung erfahren in der obergerichtlichen Rechtsprechung die weiteren finanziellen Auswirkungen der Beendigung der Ehe; teilweise werden Unterhaltsansprüche, Güterrecht, Versorgungsausgleich u.ä. als eine Angelegenheit angesehen (so OLG Nürnberg, OLG Celle und OLG Stuttgart, jeweils a.a.O.), teilweise erfolgt eine weitergehende Differenzierung (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Der erkennende Senat erachtet, wie ausgeführt, die Beratung in Unterhaltssachen als eine eigenständige anwaltliche Tätigkeit mit spezifischen tatsächlichen Grundlagen und u.U. auch spezifischen Haftungsrisiken. Auch die Beratungen betreffend den Versorgungsausgleich heben sich hinsichtlich der Zielrichtung der erforderlichen Sachaufklärung und der erforderlichen rechtlichen Beurteilungen deutlich von den allgemeinen Vermögensauseinandersetzungen zwischen Geschiedenen, insbesondere im Rahmen des Güterrechts, ab, was im Regelfall eine Bewertung als eigenständige Angelegenheit rechtfertigt. Dies mag nur bei besonders einfach gelagerten Fällen anders zu bewerten sein.

30

III. Die vom Antragsteller geltend gemachten Beratungsleistungen sind unter Berücksichtigung der vorgenannten Fallgruppen in drei verschiedenen Angelegenheiten erbracht worden, so dass die Abrechnungen und die Vergütungsfestsetzung durch das Amtsgericht und – diesem folgend – durch das Landgericht nicht zu beanstanden sind. Anhaltspunkte dafür, dass hier eine von der typisierenden Betrachtung abweichende Beurteilung im Einzelfall geboten sein könnte, liegen nicht vor.

C.

31

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.