Landgericht Deggendorf Endurteil, 26. Feb. 2018 - 23 O 344/17
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 10.355,10 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.05.2014 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.02.2016 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 77 % und der Beklagte 23 % zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf bis 09.11.2017 auf 45.235,01 €, danach auf 45.060,46 € festgesetzt.
Tatbestand
|
Datum der Zahlung |
Höhe |
1 |
13.06.2013 |
6.291,68 EUR |
2 |
26.07.2013 |
6.239,82 EUR |
3 |
15.08.2013 |
6.256,86 EUR |
4 |
13.09.2013 |
5.597,99 EUR |
5 |
07.10.2013 |
142 EUR |
6 |
15.10.2013 |
5.110,61 EUR |
7 |
07.11.2013 |
85,43 EUR |
8 |
07.11.2013 |
89,20 EUR |
9 |
14.11.2013 |
5.241,03 EUR |
10 |
15.01.2014 |
5.261,00 EUR |
11 |
31.01.2014 |
5.365,66 EUR |
12 |
20.02.2014 |
5.094,10 EUR |
-
1.den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 45.060,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.05.2014 zu zahlen,
-
2.den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.954,46 EUR als Nebenforderung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2016 zu zahlen.
die Klage abzuweisen.
Gründe
A.
B.
I.
II.
III.
IV.
C.
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Urteil einreichenLandgericht Deggendorf Endurteil, 26. Feb. 2018 - 23 O 344/17 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:
- 1.
Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünftausend Euro nicht übersteigt; - 2.
ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes: - a)
Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich; - b)
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind; - c)
Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes; diese Zuständigkeit ist ausschließlich; - d)
Streitigkeiten wegen Wildschadens; - e)
(weggefallen) - f)
(weggefallen) - g)
Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag.
(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.
(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem am 13. Juli 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des S. . Er focht Steuerzahlungen des Schuldners an das beklagte Land in Höhe von insgesamt 103.120,21 € an und verlangte Rückgewähr dieses Betrages nebst Zinsen. Der Beklagte hat die Hauptforderung nebst Zinsen ab Insolvenzeröffnung beglichen.
- 2
- Im Streit befinden sich noch Zinsen auf die Hauptforderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche der Kläger in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von der jeweiligen Zahlung des Insolvenzschuldners an mit einem ursprünglichen Gesamtbetrag von 14.435,02 € beansprucht hat. Zur Begründung dieser Forderung hat er sich auch darauf berufen, ohne die angefochtenen Steuerzahlungen habe der Beklagte wenigstens Mittel auf dem Finanzmarkt in entsprechender Höhe aufnehmen müssen und damit Schuldzinsen erspart.
- 3
- Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 7.707,59 € verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers, mit welcher dieser die Zahlung weiterer 3.478,04 € verlangt, ist zurückgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung von 11.185,63 € weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist begründet, die Sache aber noch nicht zur Endentscheidung reif.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 2, § 987 BGB nicht zu. Das beklagte Land habe weder Nutzungen aus den vom Schuldner gezahlten Lohn- und Umsatzsteuern gezogen noch schuldhaft unterlassen, Nutzungen zu ziehen. Wenn höhere Einnahmen zu einer geringeren Neuverschuldung geführt haben sollten, so sei dies unerheblich. Zu einer zinsbringenden Sonderverwahrung der vom Schuldner ent- richteten Steuern sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon fehle es an einem Verschulden des beklagten Landes, dessen zuständige Bedienstete nicht mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners hätten rechnen müssen. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
II.
- 6
- Der in der Hauptsache erhobene Zinsanspruch besteht nicht. Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung, wonach von der angefochtenen Rechtshandlung an nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB auch Prozesszinsen zugunsten der Masse entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2006 - IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 Rn. 20), durch sein Urteil vom 1. Februar 2007 (IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rn. 20) wieder aufgegeben, weil der Rückgewähranspruch erst mit der Insolvenzeröffnung fällig wird. Hiervon abzugehen, besteht kein Anlass.
- 7
- Rechtlich nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des Berufungsgerichts auch insoweit, als es einen Hilfsanspruch des Klägers wegen schuldhaft nicht gezogener Nutzungen des Beklagten nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 292, 987 Abs. 2 BGB verneint (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. Februar 2007, aaO Rn. 23). Der Kläger hat nicht widerlegt, dass die Steuerzahlungen des Schuldners in der Haushaltsführung der jeweiligen Etatjahre zur Deckung staatlicher Ausgaben verbraucht werden mussten. Diese Tatfrage kann bei öffentlichen Trägern, die zeitweise Überschüsse erwirtschaften und diese nicht zur Schuldentilgung, sondern zum Aufbau von Rücklagen für künftige Ausgaben verwenden, anders liegen.
- 8
- Soweit das Berufungsgericht den Hilfsanspruch der Klage auch unter dem Gesichtspunkt der Herausgabe gezogener Nutzungen nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 292, 987 Abs. 1 BGB aberkannt hat, hält seine Entscheidung rechtlicher Prüfung nicht stand. Dieser Anspruch entsteht mit der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007, aaO Rn. 22).
- 9
- 1. Nutzungen sind nach § 100 BGB die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Zutreffend verweist die Revision darauf, dass nicht nur Zinserträge und sonstige Erträge, die dem Schuldner aus einer rentierlichen Anlage zugeflossen sind, zu den Nutzungen eines erlangten Geldbetrages zählen können, sondern auch die durch Tilgung einer verzinslichen Schuld ersparten Schuldzinsen (BGH, Urteil vom 6. März 1998 - V ZR 244/96, BGHZ 138, 160, 164 ff; vgl. auch Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB 2012, § 100 Rn. 5). Wird durch Geldzahlung eine Kreditaufnahme des Empfängers von vornherein vermieden oder hinausgeschoben, gilt nichts anderes. Hat der Fiskus erhaltene Abgaben zurück zu gewähren, umfasst diese Verpflichtung daher grundsätzlich auch die Herausgabe von ersparten Zinsen (BayObLG, NJW 1999, 1194, 1195; OLG Köln, JurBüro 2001, 312; LG Potsdam, NVwZ-RR 2008, 513). Für hier nicht gegebene öffentlich-rechtliche Steuererstattungsansprüche gilt die Verzinsungspflicht der § 37 Abs. 2, § 233a Abs. 3 AO.
- 10
- Das Reichsgericht hat allerdings für die Rückzahlung von Stempelabgaben durch den preußischen Fiskus angenommen, dass bei verhältnismäßig geringfügigen Beträgen entgegen seinerzeitiger Behauptung Anleihezinsen nicht erspart worden seien, weil bei dem Fehlen solcher Summen vom Fiskus keine höheren Anleihen aufgenommen worden wären (RGZ 72, 152, 153). Damit sind jedoch die Gegebenheiten der Haushaltsführung des beklagten Landes in dem hier maßgeblichen Zeitraum nicht erschöpfend gewürdigt. Haushaltswirtschaftlich von Belang sind hier die Anforderungen an den Haushaltsplan nach den §§ 13 und 18 LHO-NW, die geplanten und durchgeführten Einnahmen aus Krediten gemäß § 13 Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 2 Nr. 1 LHO-NW sowie die tatsächliche Inanspruchnahme von Kassenverstärkungskrediten innerhalb der haushaltsgesetzlichen Ermächtigung nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 und § 60 Abs. 3 LHONW.
- 11
- 2. Wie auch bei Banken und anderen Anfechtungsgegnern mit komplexer Refinanzierungsstruktur kommt es im Rahmen der Schadensschätzung nach § 987 Abs. 1 BGB, § 287 ZPO nicht darauf an, rückzugewährende Einnahmen des Steuerfiskus einzelnen Zinserträgen oder Zinsersparnissen bestimmter Maßnahmen des Haushaltsvollzuges zuzuordnen. Es gelten hier keine anderen Grundsätze, als sie für den umgekehrten Fall eines weitergehenden Verzugsschadens der öffentlichen Hand in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannt sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1978 - II ZR 77/77, WM 1978, 616, 617; vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 223/87, NJW-RR 1989, 670, 672 unter B. I. 2. b, ee). Sie werden für die Nutzungsherausgabe auch vom Bundesverwaltungsgericht gebilligt (vgl. BVerwG, NJW 1999, 1201, 1202 f). Die gezogenen Mindestnutzungen des beklagten Landes sind jedenfalls die in Höhe der eingegangenen Steuerzahlungen vermiedenen oder zurückgeführten Kassenverstärkungskredite (vgl. Schön, NJW 1993, 3289, 3292), sofern sie in entsprechender Höhe und Zeit in Anspruch genommen worden sind.
- 12
- Die tatsächliche Vermutung, dass Banken Kapitalerträge oder Zinsersparnisse in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses erwirtschaften (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2007 - XI ZR 17/06, BGHZ 172, 147 Rn. 35), die sie als Nutzungen herauszugeben haben, findet jedoch in der Haushaltsführung von Bund und Ländern keine Entsprechung. Sie beruht auf der Durchführung von Bankgeschäften.
- 13
- 3. Der Einwand der Revisionserwiderung, dass nach Art. 106 Abs. 3 GG die Ertragshoheit der gezahlten Lohn- und Umsatzsteuern nur teilweise bei dem beklagten Land liege, ändert an dem Umfang der anfechtungsrechtlichen Rückgewährpflicht nichts. Es kommt anfechtungsrechtlich insoweit allein auf die Verwaltungshoheit der entrichteten Abgaben an, wie das beim Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags durch die gesetzlichen Krankenkassen und beim Einzug tarifvertraglicher Sozialkassenbeiträge seit langem anerkannt ist. Anfechtungsgegner ist in allen Fällen allein die Einzugsstelle (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 70/03, NJW 2004, 2163, 2164 mwN; vom 21. Oktober 2004 - IX ZR 71/02, ZIP 2005, 38 f). Der Senat hat bereits entschieden, dass dieser Grundsatz auch für den hier gegebenen Fall der Erhebung von Steuern gilt, die von der einziehenden Stelle (teilweise) an einen anderen Rechtsträger abzuführen sind (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 - IX ZR 87/06, WM 2007, 2158 Rn. 4; ebenso OLG Hamm, ZIP 2010, 996). Der Beklagte hat sich auf eine anderweitige Rechtsfolge für die Rückgewähr der gezahlten Steuern und die nach Verfahrenseröffnung geschuldeten Rechtshängigkeitszinsen, die nicht mehr im Streit stehen, auch nicht berufen. Es wäre widersprüchlich, für die Nutzungsherausgabe nach § 987 Abs. 1 BGB anders zu entscheiden, weil eine anteilige Verpflichtung der im Innenverhältnis am Steueraufkommen beteiligten öffentlichen Körperschaften nicht besteht.
- 14
- 4. Der Anspruch auf Nutzungsherausgabe wegen ersparter Kreditzinsen gegen den Fiskus als Nebenfolge des anfechtungsrechtlichen Rückgewähran- spruchs in der Insolvenz gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 292, 987 Abs. 1 BGB weicht nicht von der Auslegung des § 818 Abs. 1 BGB durch den XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ab, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat und auf die sich die Revisionserwiderung gleichfalls beruft. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat bei einem Bereicherungsanspruch gegen den Steuerfiskus einen Anspruch auf Zinszahlungen wegen tatsächlich gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB verneint, weil der Staat Steuereinnahmen in der Regel nicht gewinnbringend anlege, sondern im Interesse der Allgemeinheit verwende (BGH, Urteil vom 3. Februar 2004 - XI ZR 125/03, BGHZ 158, 1, 9; vom 30. März 2004 - XI ZR 145/03, juris Rn. 32). Je nach Lage der Staatsfinanzen ist von Rechts wegen aber nicht ausgeschlossen , dass im Haushaltsvollzug zeitweilig auch Überschüsse erwirtschaftet werden und zum Aufbau von zinsbringenden Rücklagen verwendet werden können. Der Beklagte hat eine solche Sachlage bestritten.
- 15
- Unterstellt man den genannten Urteilen des XI. Zivilsenats die vom Berufungsgericht angenommene Absicht, den Fiskus bei der Nutzungsherausgabe rechtsgrundlos erlangter Steuern hinsichtlich ersparter Kreditzinsen gegenüber anderen Schuldnern zu privilegieren, so kann dieses Rechtsverständnis nicht auf den im Streit stehenden Regelungszusammenhang übertragen werden. Mit dem Zweck des § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO und dessen Rechtsfolgenverweisung ist nicht vereinbar, dass dem Anfechtungsgegner die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Rückgewährbetrag gezogenen Zinsen verbleiben (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007, aaO Rn. 22). Für zurückgeführte oder vermiedene Kreditinanspruchnahmen des Anfechtungsgegners und die hierdurch erzielten Zinsersparnisse kann nichts anderes gelten (BGH, Urteil vom 6. März 1998, aaO und oben unter 1.). Eine anfechtungsrechtliche Besserstellung des Fiskus wegen des Interesses der Allgemeinheit am Einsatz der Steuereinkünfte für öffentliche Staatszwecke ist in der Insolvenzordnung nicht mehr vorgesehen. Sie findet nach gefestigter Auslegung des geltenden Rechts weder bei der Rückgewähr anfechtbarer Steuerzahlungen selbst statt noch bei der Verpflichtung zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es gibt mithin keinerlei rechtlichen Anhalt dafür , dass bei der Herausgabe gezogener oder ersparter Zinsen als Nutzungen nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 292, 987 Abs. 1 BGB der Wille des Gesetzes zugunsten des Fiskus in eine andere Richtung gegangen sein könnte.
III.
- 16
- Das Berufungsurteil kann demnach mit der gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Es kann auch nicht aus anderen Gründen nach § 561 ZPO aufrechterhalten werden, wie die Revisionserwiderung zu bedenken gibt.
- 17
- Der Kläger hat seiner Darlegungslast für den geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsherausgabe nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 292, 987 Abs. 1 BGB genügt, indem er zumindest hilfsweise Zinsersparnisse des Beklagten beim Haushaltsvollzug infolge der angefochtenen Steuerzahlungen behauptet hat. Hierbei war, wie ausgeführt, allein auf den Beklagten und nicht auch auf die im Innenverhältnis an dem Steueraufkommen beteiligten Körperschaften abzustellen. Die näheren haushaltswirtschaftlichen Daten bei dem Beklagten kann der Kläger nicht vortragen. Der Haushaltsvollzug auch in seiner zeitlichen Entwicklung während der fraglichen Etatjahre ist dagegen dem Beklagten in allen Einzelheiten bekannt und belegbar. Ihn trifft daher entgegen dem Rechtsstandpunkt der Revisionserwiderung die sekundäre Darlegungslast, hierzu in der gebotenen Klarheit vorzutragen. Dazu bestand nach den Rechtsauffassungen beider Tatrichter bisher keine zwingende Veranlassung. Die ausgesprochene Zurückverweisung gibt dem Beklagten Gelegenheit , die zur Spruchreife des Streitgegenstandes fehlenden Tatsachen seines Verwaltungsbereichs in den Rechtsstreit einzuführen.
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 31.01.2011 - 17 O 148/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 12.07.2011 - I-27 U 25/11 -
(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.
(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 5. April 2017 eröffnet worden sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden.
(2) Im Rahmen einer Insolvenzanfechtung entstandene Ansprüche auf Zinsen oder die Herausgabe von Nutzungen unterliegen vor dem 5. April 2017 den bis dahin geltenden Vorschriften. Für die Zeit ab dem 5. April 2017 ist auf diese Ansprüche § 143 Absatz 1 Satz 3 der Insolvenzordnung in der ab dem 5. April 2017 geltenden Fassung anzuwenden.
(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.
(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag vom 15. Juli 2009 über das Vermögen der b. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 26. Januar 2010 eröffneten Insolvenzverfahren.
- 2
- Wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge pfändete die Beklagte ohne Erfolg in ein von der Schuldnerin bei der D. AG unterhaltenes Konto. Mangels Zahlung stellte sie am 19. September 2008 gegen die Schuldnerin einen Insolvenzantrag. Aufgrund einer am 30. September 2008 von der Schuldnerin auf das Konto bewirkten Einzahlung überwies die D. AG am 1. Oktober 2008 die rückständigen Beiträge in Höhe von 831,51 € an die Beklagte. Diese erklärte ihren Insolvenzantrag am 6. Oktober 2008 für erledigt.
- 3
- Der Kläger verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung Erstattung der an die Beklagte bewirkten Zahlung. Das Landgericht hat der erstinstanzlich abgewiesenen Klage stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist nicht begründet.
I.
- 5
- Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage von § 133 Abs. 1 InsO stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Es liege eine Rechtshandlung der Schuldnerin vor, weil sie das gepfändete Konto gezielt aufgefüllt habe, um die Befriedigung der Beklagten sicherzustellen. Die im Zeitpunkt der Rechtshandlung zahlungsunfähige Schuldnerin habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt , weil sie die Beklagte zum Nachteil ihrer übrigen Gläubiger bevorzugt habe. Der Beklagten seien die Zahlungsunfähigkeit und der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bekannt gewesen. Angesichts der geschäftlichen Betätigung der Schuldnerin habe die Beklagte von weiteren Gläubigern ausgehen müssen. Ferner würden Sozialversicherungsträger trotz finanzieller Probleme wegen der Strafbewehrung ihrer Forderungen regelmäßig vorrangig bedient. Schließlich entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Schuldner unter dem Druck eines Insolvenzantrages bevorzugt Zahlung an den antragstellenden Gläubiger leiste. Eine Kenntnis der Umstände der Rechtshand- lung auf Schuldnerseite, also der Frage, wie Geld auf das gepfändete Konto gekommen sei, werde von Gesetz und Rechtsprechung nicht gefordert. Die Frage der Kenntnis des Ursprungs der Rechtshandlung sei nicht relevant.
II.
- 6
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Der geltend gemachte Anfechtungsanspruch ist gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO begründet.
- 7
- Mit Rücksicht auf die durch den verfahrenseinleitenden Insolvenzantrag vom 15. Juli 2009 in Gang gesetzte Anfechtungsfrist kommt nur eine Vorsatzanfechtung in Betracht. Eine Anknüpfung an einen der zeitlich zuvor gegen die Schuldnerin gestellten Insolvenzanträge scheidet aus, weil Feststellungen zur Zulässigkeit und Begründetheit dieser Anträge (§ 139 Abs. 2 Satz 1 InsO) fehlen. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners erkannte. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
- 8
- 1. Die maßgebliche Rechtshandlung der Schuldnerin ist in der Auffüllung des gepfändeten Kontos zu erblicken, die erst die Befriedigung der Beklagten ermöglichte.
- 9
- a) Die Vorschrift des § 133 Abs. 1 InsO setzt als Rechtshandlung ein willensgeleitetes , verantwortungsgesteuertes Handeln des Schuldners voraus. Der Schuldner muss darüber entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt oder verweigert (BGH, Urteil vom 22. November 2012 - IX ZR 142/11, WM 2013, 48 Rn. 9). Grundsätzlich fehlt es an einer solchen Schuldnerhandlung, wenn ein Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass der Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann, wenn dazu zumindest auch eine Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein (BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - IX ZR 213/09, WM 2011, 501 Rn. 5). Fördert ein Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers, rechtfertigt dies die Bewertung der Vollstreckungsmaßnahme als Rechtshandlung des Schuldners (BGH, Urteil vom 3. Februar 2011, aaO Rn. 12).
- 10
- b) Nach diesen Maßstäben ist eine Rechtshandlung der Schuldnerin gegeben. Zwar ist das von der Beklagten im Wege der Forderungspfändung an dem Bankkonto erwirkte Pfandrecht mangels einer Rechtshandlung der Schuldnerin nicht gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar (BGH, Urteil vom 22. November 2012 - IX ZR 142/11, aaO Rn. 15). Die Schuldnerin hat jedoch erst durch die Einzahlung von Geldern auf das zuvor im Debet geführte Bankkonto als eigenständige Rechtshandlung dieses Pfandrecht der Beklagten werthaltig gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401 Rn. 21, 22). In dieser Förderung der Pfändung liegt eine anfechtbare Rechtshandlung. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass die Auffüllung des Kontos als Rechtshandlung des Schuldners nicht die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bildet, sondern die Kontopfändung hinzugetreten ist (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 171). Eine mitwirkende Handlung des Schuldners reicht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO aus (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 133 Rn. 9a).
- 11
- 2. Die Einzahlung der Gelder auf das von der Beklagten gepfändete Bankkonto hat eine Gläubigerbenachteiligung ausgelöst.
- 12
- Sie ist gegeben, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - IX ZR 74/09, WM 2011, 2293 Rn. 6 mwN). Die zwecks Befriedigung der Beklagten auf das gepfändete Konto geleiteten Mittel gehörten zuvor zum haftenden Vermögen der Schuldnerin und standen daher der Vollstreckung durch ihre Gläubiger offen. Wäre die Einzahlung auf das gepfändete Konto unterblieben, hätten die Mittel zur Befriedigung der Gläubigergesamtheit eingesetzt werden können. Mithin hat sich eine Gläubigerbenachteiligung verwirklicht.
- 13
- 3. Die Schuldnerin hat die Rechtshandlung mit einem von der Beklagten erkannten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen.
- 14
- a) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtungkönnen - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8). Insoweit kommt den Beweisanzeichen der erkannten Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der Inkongruenz einer von ihm erbrachten Leistung besondere Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09, WM 2012, 146 Rn. 18; vom 8. März 2012 - IX ZR 51/11, WM 2012, 857 Rn. 41). Sind bei- de Teile über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterrichtet, kann von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und dessen Kenntnis bei dem Gläubiger ausgegangen werden, weil der Schuldner weiß, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, und dem Gläubiger bekannt ist, dass infolge der ihm erbrachten Leistung die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereitelt oder zumindest erschwert wird (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 15 mwN). Ebenso bildet eine inkongruente Deckung, bei welcher der Schuldner anderes oder mehr leistet als geschuldet, wegen der ihr innewohnenden Begünstigungstendenz ein Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und dessen Kenntnis bei dem Gläubiger, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten , als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 13).
- 15
- b) Vorliegend sind die Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und der Inkongruenz gegeben.
- 16
- Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sowohl dieser selbst als auch der Beklagten zum Zeitpunkt der Einzahlung auf das gepfändete Konto geläufig. Überdies liegt das Beweisanzeichen der Inkongruenz vor. Als inkongruent sind auch außerhalb der gesetzlichen Krise die aufgrund eines Insolvenzantrags erzielten Deckungen zu bewerten, weil sie weder dem Inhalt des Schuldverhältnisses entsprechen noch mit Zwangsmitteln erlangt werden, die dem einzelnen Gläubiger zur Durchsetzung seiner Ansprüche vom Gesetz zur Verfügung gestellt werden (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012, aaO Rn. 10). Die Beklagte hat die Zahlung mit Hilfe des von ihr gestellten Insolvenzantrags zu einem Zeitpunkt erwirkt, als Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin bestanden. Bei dieser Sachlage ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht sowohl von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin als auch dessen Kenntnis bei der Beklagten auszugehen.
- 17
- c) Da Gegenstand des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners die von ihm veranlasste gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung bildet, muss der Anfechtungsgegner neben der Willensrichtung des Schuldners auch die von ihm ausgehende Rechtshandlung nebst der dadurch hervorgerufenen Gläubigerbenachteiligung im Allgemeinen erkannt haben. Insoweit beruft sich die Beklagte ohne Erfolg darauf, nicht von der konkreten, gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung der Schuldnerin gewusst zu haben.
- 18
- aa) Der von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO verlangte Benachteiligungsvorsatz des Schuldners knüpft an die von ihm vorgenommene, eine Gläubigerbenachteiligung hervorrufende Rechtshandlung an (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76, 81 f; vom 23. November 1995 - IX ZR 18/95, BGHZ 131, 189, 195; vom 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 153; vom 5. März 2009 - IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 Rn. 10). Spiegelbildlich muss der Anfechtungsgegner erkannt haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte (BGH, Urteil vom 27. März 1957 - V ZR 251/55, WM 1957, 902, 904; vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02, WM 2003, 1923, 1925; Beschluss vom 9. Februar 2012 - IX ZR 48/11, ZInsO 2012, 1264 Rn. 4 mwN). Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und seine Kenntnis bei dem Anfechtungsgegner sind mithin auf die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners bezogen (aA Häger/Harig, ZInsO 2013, 1677, 1680).
- 19
- Allerdings dürfen die Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen der Vorschrift nicht überspannt werden. Deshalb muss sich der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht gerade auf die später tatsächlich eingetretene Benachteiligung bezogen haben (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 - IX ZR 33/07, WM 2008, 413 Rn. 19). Ebenso ist es nicht erforderlich, dass der Anfechtungsgegner alle Umstände, aus denen sich der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ergibt, im Einzelnen kennt. Vielmehr reicht es aus, wenn er im Allgemeinen von dem Benachteiligungsvorsatz gewusst hat (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - IX ZR 377/99, WM 2003, 524, 530; vom 29. November 2007 - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 34; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 Rn. 25). Deshalb muss der Anfechtungsgegner auch die Rechtshandlung, welche die Gläubigerbenachteiligung ausgelöst hat, nicht in allen Einzelheiten kennen.
- 20
- bb) Den subjektiven Anforderungen ist - wie der Senat in vergleichbaren Sachverhaltsgestaltungen bereits in der Vergangenheit angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 179/08, WM 2011, 1343; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401) - in der Person der Beklagten genügt. Diese konnte sich nicht der Kenntnis verschließen, dass die an sie mit Benachteiligungsvorsatz bewirkte Zahlung auf einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Rechtshandlung der Schuldnerin beruhte.
- 21
- (1) Die Auskehr des Kontoguthabens war insbesondere durch eine Rechtshandlung der Schuldnerin veranlasst, wenn sie entweder das Konto durch eigene Zahlung aufgefüllt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 21, 22) oder Dritte angewiesen hätte, ihre Verbindlichkeiten durch Zahlung gerade auf das gepfändete Konto zu erfüllen. An einer Rechtshandlung der Schuldnerin hätte es hingegen gefehlt, falls die Fortsetzung des Forderungsein- zugs über das gepfändete Konto nicht auf einer bewussten Entschließung fußte (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, WM 1996, 2250, 2252). Ebenso hätte es sich verhalten, sofern ein Dritter ohne Veranlassung und nähere Kenntnis der Schuldnerin im ausschließlichen Interesse der Befriedigung der Beklagten dem gepfändeten Konto ein Guthaben zugeführt hatte.
- 22
- (2) Allein diese mehr oder weniger wahrscheinlichen Sachverhaltsalternativen , die eine Rechtshandlung der Schuldnerin oder (auch) eine Gläubigerbenachteiligung ausschließen könnten, stehen einer Kenntnis der Rechtshandlung und der durch sie bewirkten Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen.
- 23
- Selbst der geschäftlich ungewandte, über den konkreten Zahlungsfluss nicht näher unterrichtete Anfechtungsgegner geht mangels ihm bekannter gegenteiliger Anhaltspunkte von dem Regelfall aus, dass er außerhalb einer Zwangsvollstreckung die empfangene Zahlung einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Rechtshandlung seines Schuldners und nicht dem uneigennützigen Dazwischentreten eines Dritten verdankt. Im Interesse der Erfüllung seiner Forderung ist der Anfechtungsgegner grundsätzlich mit jeder möglichen und gerade auch - wenn eine Vollstreckung aus verschiedensten Gründen, auch etwa einer freiwilligen Zahlung, nicht zum Erfolg führt - mit einer auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruhenden Befriedigung einverstanden, welche als Kehrseite die Gläubigergesamtheit benachteiligt (vgl. Gehrlein in Festschrift Ganter, 2010, S. 169, 186 f).
- 24
- Angesichts dieses tatsächlichen Befunds hat derjenige allgemeine Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, der im Wissen um die Willensrichtung des Schuldners auf der Grundlage einer von diesem tatsächlich veranlassten Rechtshandlung befriedigt wird, die unter den äußerlich zutage getretenen Gegebenheiten nach allgemeiner Erfahrung auf den Schuldner zurückgehen kann. Es ist dann ohne Bedeutung, ob der Anfechtungsgegner über den genauen Hergang des Zahlungsflusses unterrichtet war. Dies gilt auch etwa für einen Gläubiger, der nach einer misslungenen Zwangsvollstreckung mit Hilfe eines Insolvenzantrags eine Zahlung des Schuldners durchsetzt. Es genügt sein Einverständnis, anstelle einer Vollstreckungsmaßnahme zumindest im Wege einer Rechtshandlung des Schuldners, die typischerweise eine Gläubigerbenachteiligung auslöst, befriedigt zu werden (vgl. Gehrlein, aaO; BGH, Urteil vom 26. Februar 1969 - VIII ZR 41/67, WM 1969, 374, 376). Eine fehlende Kenntnis kann nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen anerkannt werden , in denen der Anfechtungsgegner über den maßgeblichen Geschehensablauf im Ansatz unterrichtet ist, aber auf der Grundlage des für ihn nicht vollständig erkennbaren Sachverhalts - etwa im berechtigten Vertrauen auf einen ihm mitgeteilten Zahlungsweg - bei unvoreingenommener Betrachtung eine Rechtshandlung des Schuldners oder eine Gläubigerbenachteiligung zuverlässig ausschließen darf (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - IX ZR 48/11, ZInsO 2012, 1264 Rn. 4 mwN).
- 25
- (3) Im Streitfall hielt sich die gläubigerbenachteiligendeRechtshandlung der Schuldnerin innerhalb des normalen Geschäftsverkehrs. Die seitens der Schuldnerin veranlasste Auffüllung des gepfändeten Kontos stellte eine übliche, von dem Beklagten mangels greifbarer Anhaltspunkte für eine andere Gestaltung redlicherweise zu berücksichtigende Tilgungsleistung dar. Da die Pfändung in das Konto der Schuldnerin mangels hinreichender Deckung fehlgeschlagen war, konnte Befriedigung bei realistischer Betrachtung nur noch dank einer - der Beklagten nicht unwillkommenen - Rechtshandlung der Schuldnerin erwartet werden. Nachdem die Beklagte nunmehr einen Insolvenzantrag ge- stellt hatte, lag es auf der Hand, dass die Schuldnerin zur Vermeidung einer Verfahrenseröffnung das Konto aufgefüllt hatte.
- 26
- Anhaltspunkte für die Zahlung eines Dritten, der über die Kontoverbindung der Schuldnerin und ihre Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten hätte unterrichtet sein müssen, waren nicht ansatzweise ersichtlich. Auch eine andere Gestaltung außergewöhnlicher Art ist in dem Streitfall, der sich in vergleichbarer Weise immer wieder ereignet (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 179/08, WM 2011, 1343; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401), ersichtlich nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung gebilligt. Soweit sich aus dem Urteil vom 6. Oktober 2009 (IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rn. 12) eine andere Beurteilung ergeben könnte, wird daran nicht festgehalten.
III.
- 27
- Da sich die angefochtene Entscheidung als zutreffend darstellt, ist die Revision der Beklagten gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 16.01.2012 - 11 C 64/11 -
LG Berlin, Entscheidung vom 13.11.2012 - 49 S 10/12 -
Tenor
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Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Oktober 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
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Die B. Hausbau GmbH (fortan: Schuldnerin) stand in ständiger Geschäftsbeziehung zur Beklagten, die ihr Fenster und Türen auf der Grundlage derer Allgemeinen Geschäftsbedingungen lieferte. Seit Oktober 2010 bestanden erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber der Beklagten; Ratenzahlungsvereinbarungen hielt die Schuldnerin nicht ein; versprochene Sicherheiten erbrachte sie nicht. Im Februar 2011 vereinbarte sie bei einem Zahlungsrückstand in Höhe von 97.983,76 € mit der Beklagten und ihren Auftraggebern, den Bauherren S. und Sch. /A. , dass diese den Kaufpreis für die von der Schuldnerin einzubauenden Fenster und Türen direkt an die Beklagte zahlen sollten und die Beklagte diese Werkteile sodann an die Baustellen ausliefern sollte. Die Zahlungen erfolgten absprachegemäß am 29. März 2011 über 19.756,13 € (Sch. /A. ) und 13.982,39 € (S. ). Nach Gutschrift der Beträge auf ihrem Konto lieferte die Beklagte die bestellten Fenster und Türen aus.
- 2
-
Am 12. April 2011 stellte die Schuldnerin den Antrag, das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen. Durch Beschluss vom 6. Juli 2011 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verlangt von der Beklagten die Direktzahlungen der Bauherren im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 3
-
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
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I.
- 4
-
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Zahlungsanspruch aus Insolvenzanfechtung zu, weil es an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) fehle. Die Vermögenslage der Schuldnerin sei durch die Zahlungen der Bauherren an die Beklagte nicht zum Nachteil der Gläubiger verschlechtert worden. Teile der Werklohnansprüche der Schuldnerin in Höhe der tatsächlichen Zahlung der jeweiligen Bauherren für die Fenster an die Beklagte seien entweder durch Teilkündigung oder durch Abtretung deren Vermögen entzogen worden. Diese Teile der Werklohnansprüche hätten jedoch bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise bereits zuvor keinen tatsächlichen Wert mehr gehabt. Denn ohne die Beschaffung der Fenster bei der Beklagten hätte die Schuldnerin weder die Voraussetzungen der Fälligkeit der achten Werklohnrate herbeiführen noch die übernommene Herstellungspflicht erfüllen können. Die Beklagte sei nach dem Liefervertrag nicht zu Vorleistungen verpflichtet gewesen. Aufgrund der bestehenden erheblichen Zahlungsrückstände der Schuldnerin seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte die Lieferung der Fenster vor Zahlung der dafür vereinbarten Entgelte erbracht hätte. Daraus folge, dass die Zahlungen der Bauherren nicht auf die Werklohnforderungen der Schuldnerin hätten angerechnet werden sollen, die unabhängig von Leistungen begründet worden seien, welche die Beklagte zu erbringen gehabt habe.
-
II.
- 5
-
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Zahlungen der Bauherren an die Beklagte haben entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 InsO geführt, weil sie die Werklohnforderungen der Schuldnerin in dieser Höhe zum Erlöschen gebracht haben.
- 6
-
1. Der Insolvenzanfechtung sind nach § 129 Abs. 1 InsO solche Rechtshandlungen unterworfen, welche die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligen. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, sich somit die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - IX ZR 127/11, NJW 2014, 1239 Rn. 7). Eine Verkürzung der Masse kann insbesondere dann eintreten, wenn eine dem Schuldner zustehende Forderung durch Zahlung an einen Dritten getilgt wird, weil der Schuldner für die Befriedigung des Zahlungsempfängers einen Vermögensgegenstand aufgibt, der anderenfalls den Gläubigern insgesamt zur Verfügung gestanden hätte (BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - IX ZR 58/10, NZI 2011, 141 Rn. 12).
- 7
-
Keine Gläubigerbenachteiligung tritt hingegen ein, wenn sich die Rechtshandlungen auf Gegenstände beziehen, die für die Insolvenzmasse wirtschaftlich wertlos sind (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rn. 108). Die Weggabe von - aus welchen Gründen auch immer - völlig wertlosen Gegenständen aus dem Schuldnervermögen vermindert dieses nicht, weil eine Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger auf solche Gegenstände zum Zwecke der Verwertung auch vor der Weggabe nicht bestand (BGH, Urteil vom 23. September 1981 - VIII ZR 245/80, ZIP 1981, 1229, 1230; vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 336/01, NZI 2004, 253, 254). Dies gilt auch, wenn ein Schuldner über eine wirtschaftlich wertlose Forderung verfügt.
- 8
-
2. Durch die Zahlungen der Bauherren an die Beklagte ist die Masse verkürzt worden, weil sie mit Einwilligung der Schuldnerin erfolgt und dadurch deren Werklohnforderungen nach § 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB in Höhe der Direktzahlungen erloschen sind.
- 9
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a) Zwischen der Schuldnerin und den Bauherren bestanden wirksame, ungekündigte Werkverträge. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurden die Verträge im Februar 2011 durch dreiseitige Vereinbarungen der Schuldnerin, der Beklagten und der jeweiligen Bauherren dahin ergänzt, dass für die von der Beklagten geschuldeten Baustofflieferungen für die Bauvorhaben S. und Sch. /A. diese Bauherren eine Direktzahlung in Höhe des jeweiligen Kaufpreises an die Beklagte vornehmen und die Fenster und Türen dann ausgeliefert werden sollten. Darin hat das Landgericht eine konkludente Teilkündigung des Werkvertrages gesehen, das Berufungsgericht hat eine solche Teilkündigung zumindest für möglich angesehen. Das ist nicht richtig.
- 10
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Der Besteller kann zwar den Bauvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Frist und ohne besondere Begründung kündigen (§ 649 BGB, § 8 Abs. 1 VOB/B), muss allerdings dann dem Unternehmer grundsätzlich den noch ausstehenden Werklohn in voller Höhe zahlen. Doch kann aus dem Verhalten der Bauherren im Streitfall schon nicht sicher auf den Umfang einer etwaigen Kündigung geschlossen werden. Eine auf die Lieferung der Fenster- und Türelemente beschränkte Teilkündigung dürfte nicht zulässig sein (vgl. MünchKomm-BGB/Busche, 6. Aufl., § 649 Rn. 13). Aber auch im Übrigen besteht kein Anlass, dass die Bauherren sich der Gefahr aussetzen wollten, unter Umständen zwei Vertragspartnern verpflichtet zu sein. Ebenso wenig ist anzunehmen, dass die Bauherren durch die Teilkündigung etwaige Gewährleistungsansprüche gegen die Schuldnerin gefährden wollten. Dass ihnen im Februar 2011 ein wichtiger Grund zur Kündigung zur Seite gestanden hätte, die Schuldnerin sich etwa mit ihren Werkvertragsleistungen in Verzug befunden hätte, ist weder festgestellt noch vorgetragen. Zudem spricht der vom Landgericht festgestellte Wortlaut der Vereinbarung einer Direktzahlung der Bauherren an die Beklagte dagegen, dass sie den Bauvertrag gekündigt haben. Denn unter einer Direktzahlung wird die Zahlung eines Drittschuldners auf Weisung des Schuldners an dessen Gläubiger verstanden. Entsprechendes gilt für die Auslegung des Verhaltens der Beklagten. Ebenso wenig können aus entsprechenden Gründen die vom Landgericht festgestellten dreiseitigen Vereinbarungen dahin ausgelegt werden, dass die Schuldnerin ihren - wie das Berufungsgericht selbst festgestellt hat - noch nicht fälligen Anspruch auf Zahlung der achten Werklohnraten an die Beklagte abgetreten hätte.
- 11
-
Vielmehr haben sich die Bauherren im Februar 2011 bereit erklärt, auf Weisung der Schuldnerin deren noch offene Werklohnforderungen in Höhe des jeweiligen Kaufpreises für die Türen und Fenster vor Fälligkeit durch Direktzahlung an die Beklagte zu erfüllen und durch diese Zahlungen einerseits die gegen sie gerichteten Werklohnforderungen und andererseits die Kaufpreisforderungen der Beklagten gegen die Schuldnerin zum Erlöschen zu bringen (§ 362 BGB). Hieraus folgt, dass die Bauherren durch die Zahlungen an die Beklagte eigene Verbindlichkeiten gegenüber der Schuldnerin getilgt haben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - IX ZR 59/11, NZI 2012, 805 Rn. 12).
- 12
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b) Hierdurch sind die Gläubiger der Schuldnerin objektiv benachteiligt worden.
- 13
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aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts waren die Werklohnteilforderungen, welche die Schuldnerin durch die Direktzahlung verloren hat, wirtschaftlich nicht wertlos. Denn infolge der dreiseitigen Änderungsvereinbarungen im Februar 2011 sind die Werklohnforderungen der Schuldnerin werthaltig geworden, weil die Bauherren unter Verzicht auf die Fälligkeit durch die Zahlung an die Beklagte auf die Werklohnforderungen der Schuldnerin leisten wollten und tatsächlich auch geleistet und somit die Forderungen der Schuldnerin insoweit zum Erlöschen gebracht haben. Die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte ohne die Direktzahlungen der Bauherren die Auslieferung der Türen und Fenster verweigern können, sind im Rahmen der Prüfung, ob eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, nicht erheblich. Die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Rechtshandlung und der Gläubigerbenachteiligung ist aufgrund des realen Geschehens zu beurteilen. Für hypothetische, nur gedachte Kausalverläufe ist insoweit kein Raum (BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - IX ZR 58/10, NZI 2011, 141 Rn. 14). Die Schuldnerin hat durch ihre mittelbare Zuwendung der Beklagten zu Lasten ihrer anderen Gläubiger volle Deckung verschafft (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2011, aaO Rn. 15).
- 14
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bb) Die objektive Gläubigerbenachteiligung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte an den Werklohnforderungen der Schuldnerin gegen die Bauherren ein insolvenzfestes Aus- oder Absonderungsrecht besessen und sie sich aufgrund dieses Rechts befriedigt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - IX ZR 86/08, NZI 2009, 644 Rn. 12; vom 19. Dezember 2013 - IX ZR 127/11, NJW 2014, 1239 Rn. 8) oder die Schuldnerin diese Rechte durch Zahlung abgelöst hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - IX ZR 39/08, NZI 2009, 379 Rn. 13). Der Beklagten stand gegenüber der Schuldnerin in Höhe ihrer Kaufpreisforderungen bezogen auf die Bauvorhaben S. und Sch. /A. kein Absonderungs- oder Aussonderungsrecht zu. Zwar haben die Schuldnerin und die Beklagte in den Lieferverträgen einen verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbart; die Schuldnerin durfte deswegen die Türen und Fenster in die Bauten ihrer Kunden nur einbauen, sofern sie die daraus erzielten Werklohnforderungen an die Beklagte abtrat (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2012 - IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 Rn. 33). Doch kam dieser Eigentumsvorbehalt schon deswegen nicht zur Wirkung, weil die Beklagte die Türen und Fenster nicht an die Schuldnerin ausgeliefert hat, bevor sie nicht die volle Zahlung des diese Lieferung betreffenden Vorbehaltsguts erhalten hat. Nichts anderes gilt, wenn die Beklagte und die Schuldnerin darüber hinaus wirksam vereinbart haben sollten, dass die Forderungsabtretungen neben dem Kaufpreisanspruch aus der Lieferung der jeweiligen Ware auch weitere Forderungen der Beklagten aus der Geschäftsbeziehung sichern sollten. Denn auch insoweit erfolgten die Zahlungen nicht auf einen bestehenden Eigentumsvorbehalt oder auf eine der Beklagten abgetretene Forderung.
-
III.
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Das Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Dem Kläger steht kein Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 InsO gegen die Beklagte zu, weil die Rechtshandlungen nach keinem der in Betracht kommenden Anfechtungstatbestände anfechtbar sind. Dies konnte der Senat aufgrund der unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts selbst entscheiden.
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1. Die Direktzahlungen der Bauherren an die Beklagte sind nicht gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, auch wenn sie im letzten Monat vor Insolvenzantragsstellung erfolgt sind. Denn sie sind als kongruente Rechtshandlungen anzusehen.
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a) Grundsätzlich ist die Direktzahlung durch den Auftraggeber an den Subunternehmer oder Lieferanten seines Auftragnehmers allerdings eine inkongruente Leistung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO. Subunternehmer und Lieferant haben aufgrund ihres Werk- oder Werklieferungsvertrages regelmäßig keinen Anspruch gegen den Auftragnehmer auf Zahlung des Werklohns oder des Kaufpreises durch den Auftraggeber. Befriedigungen, die nicht in der Art erbracht werden, in der sie geschuldet sind, gewähren eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2002 - IX ZR 425/99, ZInsO 2002, 766; Urteil vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 2/05, NZI 2009, 55 Rn. 13; vom 20. Januar 2011 - IX ZR 58/10, NZI 2011, 141 Rn. 17). Die Insolvenzgläubiger benachteiligende nicht geschuldete Direktzahlungen, die ein Dritter auf Anweisung des Schuldners erbringt, sind deswegen dem Empfänger gegenüber als inkongruente Deckung anfechtbar (BGH, Urteil vom 20. Januar 2011, aaO). Derartige Direktzahlungen sind zudem besonders verdächtig, wenn sie - wie auch hier - an einen Zahlungsverzug des Auftragnehmers und Käufers und damit typischerweise an dessen Liquiditätsschwierigkeiten anknüpfen (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008, aaO Rn. 13; vom 20. Januar 2011, aaO). Auch die beiden Werklieferungsverträge, welche die Türen und Fenster für die Bauvorhaben S. und Sch. /A. zum Gegenstand haben und deren Inhalt sich aus den Auftragsbestätigungen der Beklagten vom 2. September 2010 (S. ) und vom 18. November 2010 (Sch. /A. ) ergibt, begründeten keinen Anspruch der Beklagten gegen die Schuldnerin auf Zahlung des Kaufpreises direkt durch die Bauherren.
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b) Doch haben die Schuldnerin, die Beklagte und die beteiligten Bauherren in jeweils dreiseitigen Verträgen im Februar 2011 in Abänderung der ursprünglichen Verträge vereinbart, dass für die von der Beklagten geschuldeten Baustofflieferungen die Bauherren Direktzahlungen in Höhe des jeweiligen Kaufpreises an die Beklagte vornehmen und die Fenster und Türen dann ausgeliefert werden sollten. Nach dieser Vereinbarung waren die Direktzahlungen der Bauherren, weil sie von der Schuldnerin in dieser Weise geschuldet waren, kongruent.
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Ein Abänderungsvertrag stellt allerdings dann keine wirksame Kongruenzvereinbarung für spätere Direktzahlungen dar, wenn er seinerseits anfechtbar ist (BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 - IX ZR 113/10, NZI 2013, 888 Rn. 13). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
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aa) Die Kongruenzvereinbarung ist nicht nach §§ 130, 131 InsO anfechtbar, weil sie keine Deckungshandlung im Sinne dieser Vorschriften darstellt.
- 21
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Vertragsparteien können den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern, ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden, wenn sie die Abänderungsvereinbarung treffen, bevor die erste Leistung eines Vertragsteils erbracht worden ist (BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 Rn. 14). In einem solchen Fall ist nach Sinn und Zweck der §§ 132, 142 InsO eine abändernde Kongruenzvereinbarung, durch die ein Bargeschäft erst ermöglicht wird, der Deckungsanfechtung entzogen. Hiervon ist der Senat in der angeführten Entscheidung ausgegangen.
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Diese Voraussetzungen waren erfüllt, als die Vertragsparteien im Februar 2011 die ergänzenden Vereinbarungen schlossen. Die Schuldnerin hatte auf die Werklieferungsverträge über die Türen und Fenster betreffend die Bauvorhaben S. und Sch. /A. weder Zahlungen erbracht noch Leistungen von der Beklagten erhalten. Diese hatte die bestellten Türen und Fenster zwar bereits gefertigt, jedoch noch nicht ausgeliefert (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2007, aaO). Auch hatten die Abänderungsvereinbarungen Bardeckungen im Sinne von § 142 InsO zum Ziel. Die Schuldnerin sollte für ihre durch die Direktzahlungen der Bauherren bewirkten Leistungen an die Beklagte in engem zeitlichen Zusammenhang (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 142 Rn. 15 ff) eine gleichwertige Gegenleistung durch die Beklagte in ihr Vermögen erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2007, aaO Rn. 16). Die Beklagte sollte die bestellten Türen und Fenster, deren Wert dem vereinbarten Kaufpreis entsprach, unmittelbar nach den Direktzahlungen auf die Baustellen der Schuldnerin ausliefern.
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bb) Die nachträglichen Kongruenzvereinbarungen unterfallen auch nicht der Anfechtung nach § 132 InsO, weil sie die Gläubiger nicht unmittelbar benachteiligt haben. Die Werklohnteilforderungen, die die Schuldnerin durch die späteren Direktzahlungen der Bauherren verlor, waren nämlich im Februar 2011, als die Parteien die jeweiligen Zahlungsmodalitäten änderten, wirtschaftlich wertlos, weil sie nicht durchsetzbar waren. Die Vertragsänderungen machten die Werklohnteilforderungen erst werthaltig und benachteiligten die Gläubiger zum Zeitpunkt der Vereinbarung deswegen nicht unmittelbar.
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Denn der Anspruch der Schuldnerin gegen die Bauherren auf Zahlung der achten Rate wurde erst fällig nach Einbau der Fenster. Dazu war die Schuldnerin jedoch nicht in der Lage, weil die Beklagte die bestellten Fenster aufgrund ihres schon aus den ursprünglichen Verträgen bestehenden Zurückbehaltungsrechts nur gegen Vorkasse auszuliefern bereit war. Diese Kaufpreiszahlungen konnte die Schuldnerin nicht erbringen, ohne auf die noch nicht fälligen achten Werklohnraten zurückzugreifen. Die Bauherren waren zu einer vorfälligen Zahlung der achten Rate an die Schuldnerin nicht bereit, weil sie befürchten mussten, das Geld werde nicht an die Vorlieferanten weitergeleitet. Erst durch die dreiseitigen Vereinbarungen haben die Beteiligten diese Blockade auflösen können.
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cc) Aus ähnlichen Gründen sind die Kongruenzvereinbarungen auch nicht nach § 133 InsO anfechtbar, weil sie nicht mit einem hierfür erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin getroffen worden sind. Ein Schuldner handelt mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlungen will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Er muss also entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder sich diese Folge zumindest als möglich vorgestellt, aber in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen (BGH, Urteil vom 13. April 2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rn. 14; vom 5. März 2009 - IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 Rn. 10; vom 24. Januar 2013 - IX ZR 11/12, NZI 2013, 249 Rn. 23). Demgegenüber wollte die Schuldnerin durch die dreiseitigen Vereinbarungen und die danach unmittelbar nach den Zahlungen zu erfolgenden Auslieferungen der notwendigen Baustoffe erreichen, dass die Bauvorhaben fortgesetzt wurden und sie somit zum Wohle aller Gläubiger den noch ausstehenden Werklohn verdienen konnte.
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2. Ebenso wenig sind die Direktzahlungen der Bauherren nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 132 Abs. 1 InsO anfechtbar. Denn sie stellen sich nach dem bereits Ausgeführten infolge der maßgeblichen dreiseitigen Vereinbarungen aus Februar 2011 als Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO über gleichwertige Leistungen dar. Die Beklagte hat unmittelbar nach Erhalt der Direktzahlungen die Fenster und Türen auf die Baustellen der Schuldnerin ausgeliefert.
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3. Auch die Direktzahlungen der Bauherren an die Beklagte können wegen Fehlens eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin nicht nach § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden.
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a) Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung auf einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden, wenn dieser Leistungen trotz Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit oder seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit erbringt. In diesem Fall handelt er nur dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Umstände, die nahelegen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urteil vom 13. April 2006, aaO; vom 5. März 2009, aaO; vom 24. Januar 2013, aaO Rn. 23 f). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, NZI 2008, 231 Rn. 19; vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, NJW 2013, 611 Rn. 15). Entsprechendes gilt bei Bardeckungen, soweit hierbei eine Gläubigerbenachteiligung wenigstens mittelbar eintreten kann. Insbesondere ist derjenige nicht schutzbedürftig, der dem Schuldner einen Vermögensgegenstand zu einem angemessenen Preis, aber in dem Wissen abkauft, dass der Schuldner den Erlös seinen Gläubigern entziehen will. Gerade eine bewusste und erkannte Bevorzugung Einzelner soll zugunsten des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Gläubiger verhindert werden (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 324 zu § 31 Nr. 1 KO).
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Dagegen ist ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz in aller Regel nicht gegeben, wenn der Schuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringt, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt (BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028, 3029; BAG, ZIP 2014, 37 Rn. 69). Dies gilt auch dann, wenn Schuldner und Anfechtungsgegner Vorkasse für die von diesem erbrachten Leistungen vereinbart haben (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07, NZI 2009, 723 Rn. 2; vom 24. September 2009 - IX ZR 178/07, nv Rn. 4). Der subjektive Tatbestand kann mithin entfallen, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit den potentiell anfechtbaren Rechtshandlungen eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfindet (vgl. Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl. § 133 Rn. 28; HK-InsO/Kreft, 7. Aufl., § 133 Rn. 17; Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 18. Aufl., § 133 Rn. 58; MünchKomm-InsO/Kayser, aaO § 133 Rn. 33a ff; Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2012, § 133 Rn. 42; Ganter, WM 2014, 49, 50 f; Kayser, NJW 2014, 422, 427).
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b) So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Schuldnerin hat im unmittelbaren Zusammenhang mit den Zahlungen an die Beklagte durch die Auslieferung der Fenster und Türen eine gleichwertige Gegenleistung erhalten. Ohne die Direktzahlungen hätte sie die Bauvorhaben nicht fortsetzen können und die berechtigte Aussicht, die achte Werklohnrate oder gar alle noch ausstehenden Raten zu verdienen, verloren.
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RiBGH Vill ist im Urlaub
und kann deshalb nicht
unterschreiben.Kayser
Kayser
Lohmann
Fischer
Möhring
(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.
(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 156.108,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2007 zu zahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 10. April 2007 über das Vermögen der B. -GmbH und Co. Abwick- lungs KG (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Schuldnerin stellte Backwaren her. Zutaten, insbesondere Mehl, bezog sie von der Beklagten.
- 2
- Die von der Beklagten verwendeten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen für Mühlenprodukte sahen in Nr. VII Abs. 1 eine Zahlungsfrist von 14 Tagen ab Rechnungsdatum vor. In Nr. XIII war ein Eigentumsvorbehalt vorgesehen. Nach Absatz 4 dieser Bedingung war die Schuldnerin als Käuferin zu einem Weiterverkauf der Vorbehaltsware berechtigt. Die ihr hieraus gegen die Kunden zustehenden Forderungen trat sie im Voraus zur Sicherung sämtlicher Ansprüche aus der Geschäftsverbindung an die Beklagte ab, wobei sie zum Einzug dieser Forderungen berechtigt sein sollte, solange sie alle Zahlungsverpflichtungen aus der Geschäftsverbindung mit der Beklagten ordnungsgemäß erfüllte. Nach Absatz 6 war die Schuldnerin zu einer Bearbeitung, Vermischung oder Verarbeitung der Vorbehaltsware berechtigt. Die Beklagte sollte in diesen Fällen als Herstellerin anzusehen sein und das Eigentum an der neuen Sache erwerben. Bei Verwendung von Vorbehaltsware anderer Vorlieferanten sollte sie gemäß § 947 BGB Miteigentum erwerben. Die Regelung des Absatz 4 sollte für diese Fälle entsprechend gelten.
- 3
- Ab April 2006 ließ die Schuldnerin vermehrt Beitragsrückstände bei den Sozialversicherungsträgern entstehen. Ab Ende August 2006 erfüllte sie eine Mehrzahl der Lohnforderungen ihrer Arbeitnehmer nicht mehr. Zum 1. September 2006 betrugen die Zahlungsrückstände gegenüber Lieferanten einschließlich der Beklagten 141.063,73 €. Auf ihrem Hauptgeschäftskonto, von welchem die Hauptlieferanten ihre jeweils fälligen Forderungen einziehen konnten, war der Schuldnerin ein Kontokorrentkredit in Höhe von 100.000 € eingeräumt. Der Tagessaldo bewegte sich jedoch ab dem 1. Juli 2006 arbeitstäglich über dem eingeräumten Kreditlimit. Ab dem 3. Juli 2006 kam es zu einer Vielzahl von Rücklastschriften, von welchen auch die Beklagte betroffen war. Allerdings glich die Schuldnerin nach dem Eingang von Erlösen aus ihren Warenverkäufen ausgewählte Forderungen durch erneute Vorlage der Lastschriftermächtigung oder durch Scheckzahlung aus. Auf diese Weise erbrachte sie vom 5. September 2006 bis zur Stellung des Insolvenzantrages an die Beklagte Zahlungen für Warenlieferungen in einer Gesamthöhe von 156.108,89 €.
- 4
- Der Kläger hat die Zahlungen insolvenzrechtlich angefochten. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat weitgehend Erfolg. Sie führt zur Verurteilung der Beklagten. Lediglich wegen einer Zinsmehrforderung ist die Klage unbegründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Sowohl eine Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO als auch eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO scheide aus, weil es an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle. Es sei ein verlängerter Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart worden. Die Schuldnerin habe durch ihre Zahlungen daher lediglich ein Absonderungsrecht abgelöst. Für eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO fehle überdies der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Die Zahlungen seien kongruente Leistungen gewesen, die für die Fortführung des Unternehmens erforderlich gewesen seien.
II.
- 7
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Die erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) ist gegeben. Eine Benachteiligung der Gläubiger ist zwar ausgeschlossen , wenn ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht durch eine den Wert ausgleichende Zahlung aus dem Schuldnervermögen abgelöst wird (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509, 1511; vom 6. April 2006 - IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rn. 21; HK-InsO/Kreft, 7. Aufl., § 129 Rn. 58). Dies war bei den Zahlungen der Schuldnerin jedoch nicht der Fall.
- 9
- a) Die Geschäftsbeziehung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten beruhte auf einem durch die Beklagte fortlaufend neu ausgereichten Warenkredit , für welchen diese eine Sicherheit nach Maßgabe von Nr. XIII der von ihr gestellten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen verlangte. Nach Absatz 1 der genannten Bedingung lieferte die Beklagte die zur Weiterverarbeitung durch die Schuldnerin bestimmten Backzutaten nur unter Eigentumsvorbehalt. Gemäß Absatz 4 war dieser nicht nur als verlängerter (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 449 Rn. 18), sondern auch als erweiterter Eigentumsvorbehalt in Form des sogenannten Kontokorrentvorbehaltes (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. März 1991 - II ZR 36/90, ZIP 1991, 665, 667; vom 9. Februar 1994 - VIII ZR 176/92, BGHZ 125, 83, 87; vom 17. März 2011 - IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 Rn. 20 ff; MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl., § 449 Rn. 81 f) ausgestaltet, so dass die im Voraus abgetretenen Forderungen aus der Weiterveräußerung der Vorbehaltsware sämtliche offene Forderungen der Beklagten aus der mit der Schuldnerin bestehenden Geschäftsverbindung sicherten. Dies ist im kaufmännischen Verkehr regelmäßig unbedenklich (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1994, aaO), und zwar auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH, Urteil vom 17. März 2011, aaO Rn. 24). Überdies sah Absatz 6 zugleich eine Verarbeitungs - beziehungsweise Herstellerklausel (vgl. Palandt/Bassenge, aaO § 950 Rn. 9) vor, nach welcher die Beklagte als Herstellerin der unter Verwendung der von ihr gelieferten Zutaten neu hergestellten Backwaren anzusehen war. Für die neue Ware sollten die Bestimmungen für den verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt nach Nr. XIII. Abs. 4 entsprechend gelten. Ferner war die Schuldnerin nach Nr. XIII Abs. 4 Satz 3 zum Einzug der vorzedierten Forderungen ermächtigt. Der Beklagten stand demzufolge eine revolvierende Sicherheit zu (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. März 2011, aaO Rn. 41).
- 10
- b) Mit ihren Zahlungen an die Beklagte löste die Schuldnerin jedoch kein Absonderungsrecht der Beklagten ab. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob, wie die Revision geltend macht, Nr. XIII Abs. 6 Buchst. d der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen gegen das im Rahmen der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu berücksichtigende Bestimmtheitsgebot (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 105; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, 3. Aufl., § 398 Rn. 42) verstößt. Hierauf kommt es nicht an. Die Beklagte hatte auch bei Wirksamkeit der Bedingung durch die Einziehung der sicherungsabgetretenen Forderungen aus Warenveräußerungen durch die Schuldnerin ein an ihnen etwaig bestehendes Absonderungsrecht verloren, ohne dass ein Ersatzabsonderungsrecht oder ein sonstiges Absonderungsrecht an dem Erlös entstanden wäre.
- 11
- aa) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Schuldnerin in Ausübung ihrer Einziehungsermächtigung aus Nr. XIII Abs. 4 Satz 3 der Lieferungsund Zahlungsbedingungen die Forderungen aus den Warenverkäufen auch nach dem 4. September 2006, also im Anfechtungszeitraum, weiterhin eingezogen und die Erlöse ihrem allgemeinen Geschäftskonto gutgebracht hatte. Durch die Zahlung des jeweiligen Kunden auf die sicherungszedierte Forderung erlosch diese jedoch auch mit Wirkung gegenüber der Beklagten gemäß § 362 Abs. 1, § 407 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rn. 14). Zugleich erlosch ein daran bestehendes Absonderungsrecht (BGH, Urteil vom 6. April 2006 - IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rn. 17 mwN). Den Verlust ihrer Sicherheit hätte die Beklagte nur vermeiden können, wenn sie die Abtretung offen gelegt und die Forderungen selbst eingezogen oder wenn sie eine Anschlusssicherheit vereinbart hätte (vgl. BGH, aaO mwN). Beides ist nicht geschehen.
- 12
- bb) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe an den eingezogenen Erlösen ein Ersatzabsonderungsrecht entsprechend § 48 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2003 - IX ZR 222/02, ZIP 2004, 326, 328; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 154/03, aaO Rn. 22) erworben, weil die Schuldnerin die sicherungsabgetretenen Forderungen aus den Warenverkäufen unberechtigt eingezogen habe.
- 13
- (1) Der Anspruch setzte jedenfalls voraus, dass der Gegenstand, an dem das Absonderungsrecht bestand, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden ist. Da dies ausscheidet, wenn der Schuldner oder der Insolvenzverwalter mit Einwilligung oder Genehmigung des Gläubigers gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 1977 - VIII ZR 215/75, BGHZ 68, 199, 201; vom 6. April 2006, aaO Rn. 18; vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 Rn. 17 mwN), konnte hier nur die unbefugte Einziehung einer mit einem Absonderungsrecht belasteten Forderung das Ersatzabsonderungsrecht nach § 48 InsO auslösen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 120/02, ZIP 2003, 1404, 1406; HK-InsO/Lohmann, 7. Aufl., § 48 Rn. 17 ff).
- 14
- (2) Hiervon kann selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn die Schuldnerin aus Nr. XIII Abs. 4 Satz 3 der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen gegenüber der Beklagten zur weiteren Einziehung nicht mehr berechtigt gewesen sein sollte, weil sie dieser gegenüber nicht alle Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hatte. Denn die Beklagte hat der Fortsetzung des Forderungseinzugs zugestimmt. Eine Genehmigung kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 148/01, BGHR BGB § 177 Abs. 1 Genehmigung 2; Beschluss vom 10. Mai 2006 - II ZR 209/04, ZIP 2006, 1343 Rn. 4; Urteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 Rn. 18 ff). Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unberechtigt anzusehende Geschäft auch für sich als verbindlich anzuerkennen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, WM 1996, 2230, 2232; vom 14. Mai 2002, aaO; MünchKomm-BGB/Bayreuther, 6. Aufl., § 182 Rn. 11). So liegt es hier. Es entsprach der zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestehenden Vereinbarung, dass die Schuldnerin zum Einzug der vorzedierten Forderungen aus Warenverkäufen ermächtigt war, auch um diese zur Befriedigung der Forderungen der Beklagten gegenüber der Schuldnerin einsetzen zu können. Soweit die Beklagte in Kenntnis der bestehenden Zahlungsrückstände gleichwohl Zahlungen der Schuldnerin aus Veräußerungserlösen entgegennahm , ohne den wegen § 407 BGB wirksam erfolgten Forderungseinzug zu beanstanden und den künftigen Forderungseinzug durch ausdrücklichen Widerruf gegenüber der Schuldnerin oder Offenlegung der Sicherungsabtretung gegenüber den Drittschuldnern an sich zu ziehen, genehmigte sie vorausgegangene Einziehungen und stimmte der Fortsetzung dieser Übung zu.
- 15
- 2. Die Schuldnerin nahm die Zahlungen an die Beklagte mit dem Vorsatz vor, ihre Gläubiger zu benachteiligen (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO). Zwar beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle der vom Berufungsgericht zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz getroffenen gegenteiligen Feststellungen darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 7. November 2013 - IX ZR 49/13, ZIP 2013, 2318 Rn. 8; vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 18). Einer solchen Überprüfung hält die Würdigung des Berufungsgerichts jedoch nicht stand.
- 16
- a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, es spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Schuldnerin mit dem Vorsatz gehandelt habe, ihre Gläubiger zu benachteiligen. Ein solcher Vorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge, sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines erstrebten anderen Vorteils, erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß er, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - IX ZR 202/10, WM 2012, 85 Rn. 14 mwN; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 15; vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 Rn. 14; vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 17). So liegt der Fall auch hier.
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- aa) Das Landgericht, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht verweist, hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Schuldnerin ab Mitte des Jahres 2006 zahlungsunfähig war und die Zahlungsunfähigkeit bis zur Insolvenzeröffnung fortbestand.
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- (1) Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Insolvenzanfechtungsrecht nach § 17 InsO (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457 Rn. 6). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden, wobei die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen sind zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom 29. März 2012 - IX ZR 40/10, WM 2012, 998 Rn. 8). Dem werden die Darlegungen des klagenden Verwalters zu den stichtagsbezogenen Unterdeckungen zwar nicht gerecht, weil sie keine Angaben zu kurzfristig verfügbaren Mittel enthalten. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 184 f; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 20 mwN). Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zah- lungspflichten zu erfüllen. Sie kann auch, wie hier, aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender Beweisanzeichen gefolgert werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 12 f; vom 6. Dezember 2012 aaO; vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 Rn. 10; jeweils mwN).
- 19
- (2) Spätestens ab Mitte des Jahres 2006 schob die Schuldnerin infolge der ständig verspäteten Begleichung ihrer Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich her und operierte demzufolge ersichtlich am finanziellen Abgrund (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 16; vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 21). Den Hauptlieferanten der Schuldnerin war von dieser ermöglicht worden, ihre fälligen Forderungen im Abbuchungsauftrags- oder Einziehungsermächtigungsverfahren einzuziehen. Hierbei kam es jedoch zu Rücklastschriften in erheblichem Umfang (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 Rn. 10) und zwar zwischen dem 3. Juli 2006 und dem 31. Dezember 2006 in einer Gesamthöhe von 886.000 € und zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 11. April 2007 in Höhe von weiteren 987.000 €. Die Schuldnerin widerrief Lastschriften, die vom Überziehungskredit des Geschäftskontos nicht gedeckt waren, und glich in arbeitstäglicher Abstimmung mit der kontoführenden Bank nach dem Eingang von Erlösen aus Warenverkäufen bei den betroffenen Gläubigern ausgewählte Forderungen durch erneute Vorlage der Lastschriftermächtigung oder durch Scheckzahlung wieder aus. Ihre betriebswirtschaftliche Unterdeckung vergrößerte sich von 289.653,57 € zum 30. Juni 2006 auf 585.820,55 € bis zum 31. Dezember 2006. Auch ließ sie erhebliche Beitragsrückstände gegenüber den Sozialversicherungsträgern auflaufen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 187; Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457 Rn. 6; vom 11. April 2013 - IX ZB 256/11, ZIP 2013, 1086 Rn. 10) und zwar ab April 2006 der A. gegenüber in Höhe von 87.173,59 €. Weitere Beweisan- zeichen sind die ab dem 31. August 2006 aufgelaufenen und bis zur Insolvenzeröffnung am 1. Juni 2007 nicht mehr ausgeglichenen Lohnforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706 Rn. 20; vom 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08, ZIP 2009, 2306 Rn. 13) und die gegenüber Hauptlieferanten entstandenen mehrmonatigen Zahlungsrückstände (vgl. Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 17 Rn. 33). Dafür, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen und damit die eingetretene Zahlungseinstellung beseitigt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 - IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100, 109; vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 Rn. 24 mwN), besteht kein Anhalt.
- 20
- bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Feststellung, dass die Zahlungsunfähigkeit dem schuldnerischen Geschäftsführer infolge der ihm geläufigen Indizien bekannt war.
- 21
- b) Die damit für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bestehende Vermutung kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung entkräftet werden, die Zahlungen an die Beklagte seien kongruente Leistungen, die Zug um Zug gegen eine zur Fortführung des Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht worden seien, die den Gläubigern im Allgemeinen nutze.
- 22
- aa) Die genannten Grundsätze gelten grundsätzlich auch bei Anfechtung kongruenter Deckungen, wenn der Schuldner nur weiß, dass er zur Zeit der Wirksamkeit der Rechtshandlung (§ 140 InsO) zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig war (BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 Rn. 15; vom 25. April 2013 - IX ZR 235/12, ZInsO 2013, 1077 Rn. 25). In Fällen kongruenter Leistungen hat der Senat allerdings anerkannt, dass der Schuldner trotz der vorgenannten Vermutungsregel ausnahmsweise nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn er diese Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt (BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028, 3029; Beschluss vom 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07, ZInsO 2010, 87 Rn. 2; vom 24. September 2009 - IX ZR 178/07, nv Rn. 4; vom 6. Februar 2014 - IX ZR 221/11, ZInsO 2014, 496 Rn. 3; Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 24; vom 17. Juli 2014 - IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 Rn. 29). Der subjektive Tatbestand kann hiernach entfallen, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfindet (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - IX ZR 240/13, aaO mwN; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 133 Rn. 28). Dem liegt zugrunde, dass dem Schuldner in diesem Fall infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein kann (BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, aaO; Kayser, NJW 2014, 422, 427; Fischer, NZI 2008, 588, 594).
- 23
- bb) Die Voraussetzungen für das gegenläufige Indiz einer berücksichtigungsfähigen bargeschäftsähnlichen Lage liegen jedoch nicht vor.
- 24
- (1) Mit Blick auf den in Nr. XIII Abs. 4 der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen vorgesehenen verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des sogenannten Kontokorrentvorbehalts fehlt es für die Annahme einer bargeschäftsähnlichen Lage an dem für das Bargeschäft erforderlichen unmittelbaren Austausch zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl. BT-Drucks.
- 25
- (2) Selbst wenn eine bargeschäftsähnliche Situation in dem genannten Sinne vorliegt, wird sich der Schuldner der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung jedoch gleichwohl bewusst werden, wenn er weiß, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht. Deshalb konnte auch die Schuldnerin nicht davon ausgehen, dass der durch die angefochtenen Zahlungen ermöglichte weitere Bezug der Zutaten den Gläubigern auch nur im Allgemeinen genutzt hätte. Die Fortführung der Produktion war hier für die Gläubiger ohne Nutzen, weil die Schuldnerin nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers unwirtschaftlich arbeitete und damit die Zahlungsrückstände ständig erhöhte. Die betriebswirtschaftliche Unterdeckung der Schuldnerin vergrößerte sich von Mitte bis zum Ende des Jahres 2006 von 289.653,57 € auf 585.820,55 €. Angesichts ihrer Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit fehlte der Schuldnerin die berechtigte Erwartung, durch die Fortsetzung der Produktion die eigene Insolvenz noch abwenden oder einen anderen Nutzen für ihre Gläubiger erzielen zu können.
III.
- 27
- 1. Durch die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte sind die Gläubiger im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO objektiv benachteiligt worden. Deren Befriedigungsmöglichkeiten hätten sich ohne diese Rechtshandlungen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet. Durch die angefochtenen Zahlungen auf die Lieferforderungen der Beklagten ist das Aktivvermögen der Schuldnerin verkürzt und insoweit der Zugriff der anderen Gläubiger auf ihr Vermögen vereitelt worden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 Rn. 12 mwN; vom 7. Mai 2013 - IX ZR 113/10, ZIP 2013, 2323 Rn. 9).
- 28
- 2. Die Beklagte hatte zumindest gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Nach dieser Vorschrift wird die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners widerleglich vermutet , wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte, wobei es für die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausreicht, wenn der Gläubiger Umstände kennt, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hindeuten (BGH, Urteil vom 20. November 2008 - IX ZR 188/07, ZIP 2009, 189 Rn. 10; vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 26; jeweils mwN).
- 29
- a) Hiernach ist eine entsprechende Kenntnis bereits nach dem unstreitigen Vorbringen zu vermuten. Sie ist in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem Anfechtungsgegner, wie hier, über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 Rn. 24; vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 Rn. 10). Mit solchen musste die Beklagte schon angesichts der gewerblichen Tätigkeit der Schuldnerin rechnen (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009, aaO Rn. 14; vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 Rn. 30). Ein weiteres Beweisanzeichen für die Kenntnis der Beklagten zumindest von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ist der Umstand, dass ihre Lastschriften zurückgegeben wurden (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 44). Es ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, ob die Rückgabe aufgrund fehlender Kontodeckung oder aufgrund nicht näher begründeten Widerspruchs der Schuldnerin erfolgte, zumal die Beklagte eingeräumt hat, Kenntnis von den Liquiditätsproblemen der Schuldnerin und dem Wunsch nach längeren Zahlungsfristen gehabt zu haben.
- 30
- b) Die Einwände der Beklagten gegen die aus den vorgenannten Beweisanzeichen abzuleitenden Vermutungswirkung sind demgegenüber unerheblich.
- 31
- aa) Die Beklagte kann sich nicht damit entlasten, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe immer wieder versichert und dies auch plausibel dargestellt, er werde durch den Verkauf der Filialen und deren Umstellung auf Franchising die seit dem Jahr 2005 aufgelaufenen Verbindlichkeiten erfüllen können. Ist der Schuldner bereits zahlungsunfähig, handelt er zwar ohne Vorsatz, die Gesamtheit der Gläubiger zu benachteiligen, wenn er aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung seiner Krise rechnen kann; droht ihm die Zahlungsunfähigkeit , bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, aaO Rn. 8; vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, ZIP 2012, 735 Rn. 15). Entsprechendes gilt für die Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, aaO Rn. 9). Solche Umstände, etwa ein in Kürze bevorstehender Verkauf von kostenträchtigen Filialen, hat die Beklagte jedoch nicht ausreichend dargelegt. Ihr Vortrag beschränkt sich auf die Wiedergabe einer entsprechenden Hoffnung, ohne deren Stichhaltigkeit zu begründen.
- 32
- bb) Die Beklagte kann die Vermutungswirkung auch nicht damit entkräften , Nr. XIII der von ihr verwendeten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen sehe einen umfassenden Eigentumsvorbehalt vor, der eine Gläubigerbenachteiligung ausschließe. Gleiches gilt für den Hinweis, die Schuldnerin habe ihre Zahlungen im Rahmen einer bargeschäftsähnlichen Lage erbracht. Der Beklagten waren alle tatsächlichen Umstände bekannt, welche eine umfassende Sicherung ihrer Ansprüche ausschließen. Mit Blick auf den von ihr geforderten Kontokorrentvorbehalt war ihr auch bekannt, dass die Schuldnerin für ihre Zahlungen keine gleichwertigen Gegenleistungen erhielt.
IV.
- 33
- Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben. Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und der Klage unter Abänderung auch des erstinstanzlichen Urteils bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgeben. Der Hauptanspruch folgt in Höhe der Klageforderung aus § 143 Abs. 1, § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Der Zinsausspruch beruht auf § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der weitergehende Antrag, gerichtet auf einen bereits mit Vornahme der angefochtenen Handlung einsetzenden Zinsbeginn, ist demgegenüber unbegründet, weil der Masse für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung kei- ne Prozesszinsen zustehen (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rn. 19 f; vom 24. Mai 2012 - IX ZR 125/11, ZIP 2012, 1299 Rn. 6).
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Entscheidung vom 27.09.2011 - 4 O 38/11 (1) -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 04.07.2012 - 12 U 2181/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 156.108,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2007 zu zahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 10. April 2007 über das Vermögen der B. -GmbH und Co. Abwick- lungs KG (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Schuldnerin stellte Backwaren her. Zutaten, insbesondere Mehl, bezog sie von der Beklagten.
- 2
- Die von der Beklagten verwendeten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen für Mühlenprodukte sahen in Nr. VII Abs. 1 eine Zahlungsfrist von 14 Tagen ab Rechnungsdatum vor. In Nr. XIII war ein Eigentumsvorbehalt vorgesehen. Nach Absatz 4 dieser Bedingung war die Schuldnerin als Käuferin zu einem Weiterverkauf der Vorbehaltsware berechtigt. Die ihr hieraus gegen die Kunden zustehenden Forderungen trat sie im Voraus zur Sicherung sämtlicher Ansprüche aus der Geschäftsverbindung an die Beklagte ab, wobei sie zum Einzug dieser Forderungen berechtigt sein sollte, solange sie alle Zahlungsverpflichtungen aus der Geschäftsverbindung mit der Beklagten ordnungsgemäß erfüllte. Nach Absatz 6 war die Schuldnerin zu einer Bearbeitung, Vermischung oder Verarbeitung der Vorbehaltsware berechtigt. Die Beklagte sollte in diesen Fällen als Herstellerin anzusehen sein und das Eigentum an der neuen Sache erwerben. Bei Verwendung von Vorbehaltsware anderer Vorlieferanten sollte sie gemäß § 947 BGB Miteigentum erwerben. Die Regelung des Absatz 4 sollte für diese Fälle entsprechend gelten.
- 3
- Ab April 2006 ließ die Schuldnerin vermehrt Beitragsrückstände bei den Sozialversicherungsträgern entstehen. Ab Ende August 2006 erfüllte sie eine Mehrzahl der Lohnforderungen ihrer Arbeitnehmer nicht mehr. Zum 1. September 2006 betrugen die Zahlungsrückstände gegenüber Lieferanten einschließlich der Beklagten 141.063,73 €. Auf ihrem Hauptgeschäftskonto, von welchem die Hauptlieferanten ihre jeweils fälligen Forderungen einziehen konnten, war der Schuldnerin ein Kontokorrentkredit in Höhe von 100.000 € eingeräumt. Der Tagessaldo bewegte sich jedoch ab dem 1. Juli 2006 arbeitstäglich über dem eingeräumten Kreditlimit. Ab dem 3. Juli 2006 kam es zu einer Vielzahl von Rücklastschriften, von welchen auch die Beklagte betroffen war. Allerdings glich die Schuldnerin nach dem Eingang von Erlösen aus ihren Warenverkäufen ausgewählte Forderungen durch erneute Vorlage der Lastschriftermächtigung oder durch Scheckzahlung aus. Auf diese Weise erbrachte sie vom 5. September 2006 bis zur Stellung des Insolvenzantrages an die Beklagte Zahlungen für Warenlieferungen in einer Gesamthöhe von 156.108,89 €.
- 4
- Der Kläger hat die Zahlungen insolvenzrechtlich angefochten. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat weitgehend Erfolg. Sie führt zur Verurteilung der Beklagten. Lediglich wegen einer Zinsmehrforderung ist die Klage unbegründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Sowohl eine Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO als auch eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO scheide aus, weil es an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle. Es sei ein verlängerter Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart worden. Die Schuldnerin habe durch ihre Zahlungen daher lediglich ein Absonderungsrecht abgelöst. Für eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO fehle überdies der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Die Zahlungen seien kongruente Leistungen gewesen, die für die Fortführung des Unternehmens erforderlich gewesen seien.
II.
- 7
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Die erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) ist gegeben. Eine Benachteiligung der Gläubiger ist zwar ausgeschlossen , wenn ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht durch eine den Wert ausgleichende Zahlung aus dem Schuldnervermögen abgelöst wird (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509, 1511; vom 6. April 2006 - IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rn. 21; HK-InsO/Kreft, 7. Aufl., § 129 Rn. 58). Dies war bei den Zahlungen der Schuldnerin jedoch nicht der Fall.
- 9
- a) Die Geschäftsbeziehung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten beruhte auf einem durch die Beklagte fortlaufend neu ausgereichten Warenkredit , für welchen diese eine Sicherheit nach Maßgabe von Nr. XIII der von ihr gestellten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen verlangte. Nach Absatz 1 der genannten Bedingung lieferte die Beklagte die zur Weiterverarbeitung durch die Schuldnerin bestimmten Backzutaten nur unter Eigentumsvorbehalt. Gemäß Absatz 4 war dieser nicht nur als verlängerter (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 449 Rn. 18), sondern auch als erweiterter Eigentumsvorbehalt in Form des sogenannten Kontokorrentvorbehaltes (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. März 1991 - II ZR 36/90, ZIP 1991, 665, 667; vom 9. Februar 1994 - VIII ZR 176/92, BGHZ 125, 83, 87; vom 17. März 2011 - IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 Rn. 20 ff; MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl., § 449 Rn. 81 f) ausgestaltet, so dass die im Voraus abgetretenen Forderungen aus der Weiterveräußerung der Vorbehaltsware sämtliche offene Forderungen der Beklagten aus der mit der Schuldnerin bestehenden Geschäftsverbindung sicherten. Dies ist im kaufmännischen Verkehr regelmäßig unbedenklich (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1994, aaO), und zwar auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH, Urteil vom 17. März 2011, aaO Rn. 24). Überdies sah Absatz 6 zugleich eine Verarbeitungs - beziehungsweise Herstellerklausel (vgl. Palandt/Bassenge, aaO § 950 Rn. 9) vor, nach welcher die Beklagte als Herstellerin der unter Verwendung der von ihr gelieferten Zutaten neu hergestellten Backwaren anzusehen war. Für die neue Ware sollten die Bestimmungen für den verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt nach Nr. XIII. Abs. 4 entsprechend gelten. Ferner war die Schuldnerin nach Nr. XIII Abs. 4 Satz 3 zum Einzug der vorzedierten Forderungen ermächtigt. Der Beklagten stand demzufolge eine revolvierende Sicherheit zu (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. März 2011, aaO Rn. 41).
- 10
- b) Mit ihren Zahlungen an die Beklagte löste die Schuldnerin jedoch kein Absonderungsrecht der Beklagten ab. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob, wie die Revision geltend macht, Nr. XIII Abs. 6 Buchst. d der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen gegen das im Rahmen der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu berücksichtigende Bestimmtheitsgebot (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 105; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, 3. Aufl., § 398 Rn. 42) verstößt. Hierauf kommt es nicht an. Die Beklagte hatte auch bei Wirksamkeit der Bedingung durch die Einziehung der sicherungsabgetretenen Forderungen aus Warenveräußerungen durch die Schuldnerin ein an ihnen etwaig bestehendes Absonderungsrecht verloren, ohne dass ein Ersatzabsonderungsrecht oder ein sonstiges Absonderungsrecht an dem Erlös entstanden wäre.
- 11
- aa) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Schuldnerin in Ausübung ihrer Einziehungsermächtigung aus Nr. XIII Abs. 4 Satz 3 der Lieferungsund Zahlungsbedingungen die Forderungen aus den Warenverkäufen auch nach dem 4. September 2006, also im Anfechtungszeitraum, weiterhin eingezogen und die Erlöse ihrem allgemeinen Geschäftskonto gutgebracht hatte. Durch die Zahlung des jeweiligen Kunden auf die sicherungszedierte Forderung erlosch diese jedoch auch mit Wirkung gegenüber der Beklagten gemäß § 362 Abs. 1, § 407 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rn. 14). Zugleich erlosch ein daran bestehendes Absonderungsrecht (BGH, Urteil vom 6. April 2006 - IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rn. 17 mwN). Den Verlust ihrer Sicherheit hätte die Beklagte nur vermeiden können, wenn sie die Abtretung offen gelegt und die Forderungen selbst eingezogen oder wenn sie eine Anschlusssicherheit vereinbart hätte (vgl. BGH, aaO mwN). Beides ist nicht geschehen.
- 12
- bb) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe an den eingezogenen Erlösen ein Ersatzabsonderungsrecht entsprechend § 48 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2003 - IX ZR 222/02, ZIP 2004, 326, 328; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 154/03, aaO Rn. 22) erworben, weil die Schuldnerin die sicherungsabgetretenen Forderungen aus den Warenverkäufen unberechtigt eingezogen habe.
- 13
- (1) Der Anspruch setzte jedenfalls voraus, dass der Gegenstand, an dem das Absonderungsrecht bestand, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden ist. Da dies ausscheidet, wenn der Schuldner oder der Insolvenzverwalter mit Einwilligung oder Genehmigung des Gläubigers gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 1977 - VIII ZR 215/75, BGHZ 68, 199, 201; vom 6. April 2006, aaO Rn. 18; vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 Rn. 17 mwN), konnte hier nur die unbefugte Einziehung einer mit einem Absonderungsrecht belasteten Forderung das Ersatzabsonderungsrecht nach § 48 InsO auslösen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 120/02, ZIP 2003, 1404, 1406; HK-InsO/Lohmann, 7. Aufl., § 48 Rn. 17 ff).
- 14
- (2) Hiervon kann selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn die Schuldnerin aus Nr. XIII Abs. 4 Satz 3 der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen gegenüber der Beklagten zur weiteren Einziehung nicht mehr berechtigt gewesen sein sollte, weil sie dieser gegenüber nicht alle Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hatte. Denn die Beklagte hat der Fortsetzung des Forderungseinzugs zugestimmt. Eine Genehmigung kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 148/01, BGHR BGB § 177 Abs. 1 Genehmigung 2; Beschluss vom 10. Mai 2006 - II ZR 209/04, ZIP 2006, 1343 Rn. 4; Urteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 Rn. 18 ff). Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unberechtigt anzusehende Geschäft auch für sich als verbindlich anzuerkennen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, WM 1996, 2230, 2232; vom 14. Mai 2002, aaO; MünchKomm-BGB/Bayreuther, 6. Aufl., § 182 Rn. 11). So liegt es hier. Es entsprach der zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestehenden Vereinbarung, dass die Schuldnerin zum Einzug der vorzedierten Forderungen aus Warenverkäufen ermächtigt war, auch um diese zur Befriedigung der Forderungen der Beklagten gegenüber der Schuldnerin einsetzen zu können. Soweit die Beklagte in Kenntnis der bestehenden Zahlungsrückstände gleichwohl Zahlungen der Schuldnerin aus Veräußerungserlösen entgegennahm , ohne den wegen § 407 BGB wirksam erfolgten Forderungseinzug zu beanstanden und den künftigen Forderungseinzug durch ausdrücklichen Widerruf gegenüber der Schuldnerin oder Offenlegung der Sicherungsabtretung gegenüber den Drittschuldnern an sich zu ziehen, genehmigte sie vorausgegangene Einziehungen und stimmte der Fortsetzung dieser Übung zu.
- 15
- 2. Die Schuldnerin nahm die Zahlungen an die Beklagte mit dem Vorsatz vor, ihre Gläubiger zu benachteiligen (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO). Zwar beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle der vom Berufungsgericht zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz getroffenen gegenteiligen Feststellungen darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 7. November 2013 - IX ZR 49/13, ZIP 2013, 2318 Rn. 8; vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 18). Einer solchen Überprüfung hält die Würdigung des Berufungsgerichts jedoch nicht stand.
- 16
- a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, es spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Schuldnerin mit dem Vorsatz gehandelt habe, ihre Gläubiger zu benachteiligen. Ein solcher Vorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge, sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines erstrebten anderen Vorteils, erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß er, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - IX ZR 202/10, WM 2012, 85 Rn. 14 mwN; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 15; vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 Rn. 14; vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 17). So liegt der Fall auch hier.
- 17
- aa) Das Landgericht, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht verweist, hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Schuldnerin ab Mitte des Jahres 2006 zahlungsunfähig war und die Zahlungsunfähigkeit bis zur Insolvenzeröffnung fortbestand.
- 18
- (1) Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Insolvenzanfechtungsrecht nach § 17 InsO (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457 Rn. 6). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden, wobei die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen sind zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom 29. März 2012 - IX ZR 40/10, WM 2012, 998 Rn. 8). Dem werden die Darlegungen des klagenden Verwalters zu den stichtagsbezogenen Unterdeckungen zwar nicht gerecht, weil sie keine Angaben zu kurzfristig verfügbaren Mittel enthalten. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 184 f; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 20 mwN). Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zah- lungspflichten zu erfüllen. Sie kann auch, wie hier, aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender Beweisanzeichen gefolgert werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 12 f; vom 6. Dezember 2012 aaO; vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 Rn. 10; jeweils mwN).
- 19
- (2) Spätestens ab Mitte des Jahres 2006 schob die Schuldnerin infolge der ständig verspäteten Begleichung ihrer Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich her und operierte demzufolge ersichtlich am finanziellen Abgrund (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 16; vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 21). Den Hauptlieferanten der Schuldnerin war von dieser ermöglicht worden, ihre fälligen Forderungen im Abbuchungsauftrags- oder Einziehungsermächtigungsverfahren einzuziehen. Hierbei kam es jedoch zu Rücklastschriften in erheblichem Umfang (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 Rn. 10) und zwar zwischen dem 3. Juli 2006 und dem 31. Dezember 2006 in einer Gesamthöhe von 886.000 € und zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 11. April 2007 in Höhe von weiteren 987.000 €. Die Schuldnerin widerrief Lastschriften, die vom Überziehungskredit des Geschäftskontos nicht gedeckt waren, und glich in arbeitstäglicher Abstimmung mit der kontoführenden Bank nach dem Eingang von Erlösen aus Warenverkäufen bei den betroffenen Gläubigern ausgewählte Forderungen durch erneute Vorlage der Lastschriftermächtigung oder durch Scheckzahlung wieder aus. Ihre betriebswirtschaftliche Unterdeckung vergrößerte sich von 289.653,57 € zum 30. Juni 2006 auf 585.820,55 € bis zum 31. Dezember 2006. Auch ließ sie erhebliche Beitragsrückstände gegenüber den Sozialversicherungsträgern auflaufen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 187; Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457 Rn. 6; vom 11. April 2013 - IX ZB 256/11, ZIP 2013, 1086 Rn. 10) und zwar ab April 2006 der A. gegenüber in Höhe von 87.173,59 €. Weitere Beweisan- zeichen sind die ab dem 31. August 2006 aufgelaufenen und bis zur Insolvenzeröffnung am 1. Juni 2007 nicht mehr ausgeglichenen Lohnforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706 Rn. 20; vom 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08, ZIP 2009, 2306 Rn. 13) und die gegenüber Hauptlieferanten entstandenen mehrmonatigen Zahlungsrückstände (vgl. Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 17 Rn. 33). Dafür, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen und damit die eingetretene Zahlungseinstellung beseitigt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 - IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100, 109; vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 Rn. 24 mwN), besteht kein Anhalt.
- 20
- bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Feststellung, dass die Zahlungsunfähigkeit dem schuldnerischen Geschäftsführer infolge der ihm geläufigen Indizien bekannt war.
- 21
- b) Die damit für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bestehende Vermutung kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung entkräftet werden, die Zahlungen an die Beklagte seien kongruente Leistungen, die Zug um Zug gegen eine zur Fortführung des Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht worden seien, die den Gläubigern im Allgemeinen nutze.
- 22
- aa) Die genannten Grundsätze gelten grundsätzlich auch bei Anfechtung kongruenter Deckungen, wenn der Schuldner nur weiß, dass er zur Zeit der Wirksamkeit der Rechtshandlung (§ 140 InsO) zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig war (BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 Rn. 15; vom 25. April 2013 - IX ZR 235/12, ZInsO 2013, 1077 Rn. 25). In Fällen kongruenter Leistungen hat der Senat allerdings anerkannt, dass der Schuldner trotz der vorgenannten Vermutungsregel ausnahmsweise nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn er diese Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt (BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028, 3029; Beschluss vom 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07, ZInsO 2010, 87 Rn. 2; vom 24. September 2009 - IX ZR 178/07, nv Rn. 4; vom 6. Februar 2014 - IX ZR 221/11, ZInsO 2014, 496 Rn. 3; Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 24; vom 17. Juli 2014 - IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 Rn. 29). Der subjektive Tatbestand kann hiernach entfallen, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfindet (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - IX ZR 240/13, aaO mwN; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 133 Rn. 28). Dem liegt zugrunde, dass dem Schuldner in diesem Fall infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein kann (BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, aaO; Kayser, NJW 2014, 422, 427; Fischer, NZI 2008, 588, 594).
- 23
- bb) Die Voraussetzungen für das gegenläufige Indiz einer berücksichtigungsfähigen bargeschäftsähnlichen Lage liegen jedoch nicht vor.
- 24
- (1) Mit Blick auf den in Nr. XIII Abs. 4 der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen vorgesehenen verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des sogenannten Kontokorrentvorbehalts fehlt es für die Annahme einer bargeschäftsähnlichen Lage an dem für das Bargeschäft erforderlichen unmittelbaren Austausch zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl. BT-Drucks.
- 25
- (2) Selbst wenn eine bargeschäftsähnliche Situation in dem genannten Sinne vorliegt, wird sich der Schuldner der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung jedoch gleichwohl bewusst werden, wenn er weiß, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht. Deshalb konnte auch die Schuldnerin nicht davon ausgehen, dass der durch die angefochtenen Zahlungen ermöglichte weitere Bezug der Zutaten den Gläubigern auch nur im Allgemeinen genutzt hätte. Die Fortführung der Produktion war hier für die Gläubiger ohne Nutzen, weil die Schuldnerin nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers unwirtschaftlich arbeitete und damit die Zahlungsrückstände ständig erhöhte. Die betriebswirtschaftliche Unterdeckung der Schuldnerin vergrößerte sich von Mitte bis zum Ende des Jahres 2006 von 289.653,57 € auf 585.820,55 €. Angesichts ihrer Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit fehlte der Schuldnerin die berechtigte Erwartung, durch die Fortsetzung der Produktion die eigene Insolvenz noch abwenden oder einen anderen Nutzen für ihre Gläubiger erzielen zu können.
III.
- 27
- 1. Durch die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte sind die Gläubiger im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO objektiv benachteiligt worden. Deren Befriedigungsmöglichkeiten hätten sich ohne diese Rechtshandlungen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet. Durch die angefochtenen Zahlungen auf die Lieferforderungen der Beklagten ist das Aktivvermögen der Schuldnerin verkürzt und insoweit der Zugriff der anderen Gläubiger auf ihr Vermögen vereitelt worden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 Rn. 12 mwN; vom 7. Mai 2013 - IX ZR 113/10, ZIP 2013, 2323 Rn. 9).
- 28
- 2. Die Beklagte hatte zumindest gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Nach dieser Vorschrift wird die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners widerleglich vermutet , wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte, wobei es für die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausreicht, wenn der Gläubiger Umstände kennt, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hindeuten (BGH, Urteil vom 20. November 2008 - IX ZR 188/07, ZIP 2009, 189 Rn. 10; vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 26; jeweils mwN).
- 29
- a) Hiernach ist eine entsprechende Kenntnis bereits nach dem unstreitigen Vorbringen zu vermuten. Sie ist in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem Anfechtungsgegner, wie hier, über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 Rn. 24; vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 Rn. 10). Mit solchen musste die Beklagte schon angesichts der gewerblichen Tätigkeit der Schuldnerin rechnen (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009, aaO Rn. 14; vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 Rn. 30). Ein weiteres Beweisanzeichen für die Kenntnis der Beklagten zumindest von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ist der Umstand, dass ihre Lastschriften zurückgegeben wurden (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 44). Es ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, ob die Rückgabe aufgrund fehlender Kontodeckung oder aufgrund nicht näher begründeten Widerspruchs der Schuldnerin erfolgte, zumal die Beklagte eingeräumt hat, Kenntnis von den Liquiditätsproblemen der Schuldnerin und dem Wunsch nach längeren Zahlungsfristen gehabt zu haben.
- 30
- b) Die Einwände der Beklagten gegen die aus den vorgenannten Beweisanzeichen abzuleitenden Vermutungswirkung sind demgegenüber unerheblich.
- 31
- aa) Die Beklagte kann sich nicht damit entlasten, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe immer wieder versichert und dies auch plausibel dargestellt, er werde durch den Verkauf der Filialen und deren Umstellung auf Franchising die seit dem Jahr 2005 aufgelaufenen Verbindlichkeiten erfüllen können. Ist der Schuldner bereits zahlungsunfähig, handelt er zwar ohne Vorsatz, die Gesamtheit der Gläubiger zu benachteiligen, wenn er aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung seiner Krise rechnen kann; droht ihm die Zahlungsunfähigkeit , bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, aaO Rn. 8; vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, ZIP 2012, 735 Rn. 15). Entsprechendes gilt für die Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, aaO Rn. 9). Solche Umstände, etwa ein in Kürze bevorstehender Verkauf von kostenträchtigen Filialen, hat die Beklagte jedoch nicht ausreichend dargelegt. Ihr Vortrag beschränkt sich auf die Wiedergabe einer entsprechenden Hoffnung, ohne deren Stichhaltigkeit zu begründen.
- 32
- bb) Die Beklagte kann die Vermutungswirkung auch nicht damit entkräften , Nr. XIII der von ihr verwendeten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen sehe einen umfassenden Eigentumsvorbehalt vor, der eine Gläubigerbenachteiligung ausschließe. Gleiches gilt für den Hinweis, die Schuldnerin habe ihre Zahlungen im Rahmen einer bargeschäftsähnlichen Lage erbracht. Der Beklagten waren alle tatsächlichen Umstände bekannt, welche eine umfassende Sicherung ihrer Ansprüche ausschließen. Mit Blick auf den von ihr geforderten Kontokorrentvorbehalt war ihr auch bekannt, dass die Schuldnerin für ihre Zahlungen keine gleichwertigen Gegenleistungen erhielt.
IV.
- 33
- Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben. Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und der Klage unter Abänderung auch des erstinstanzlichen Urteils bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgeben. Der Hauptanspruch folgt in Höhe der Klageforderung aus § 143 Abs. 1, § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Der Zinsausspruch beruht auf § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der weitergehende Antrag, gerichtet auf einen bereits mit Vornahme der angefochtenen Handlung einsetzenden Zinsbeginn, ist demgegenüber unbegründet, weil der Masse für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung kei- ne Prozesszinsen zustehen (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rn. 19 f; vom 24. Mai 2012 - IX ZR 125/11, ZIP 2012, 1299 Rn. 6).
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Entscheidung vom 27.09.2011 - 4 O 38/11 (1) -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 04.07.2012 - 12 U 2181/11 -
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Die in den §§ 88, 130 bis 136 bestimmten Fristen beginnen mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist. Fehlt ein solcher Tag, so beginnt die Frist mit dem Anfang des folgenden Tages.
(2) Sind mehrere Eröffnungsanträge gestellt worden, so ist der erste zulässige und begründete Antrag maßgeblich, auch wenn das Verfahren auf Grund eines späteren Antrags eröffnet worden ist. Ein rechtskräftig abgewiesener Antrag wird nur berücksichtigt, wenn er mangels Masse abgewiesen worden ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. GmbH (nachfolgend Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren wurde am 23. Dezember 2003 auf Antrag der Schuldnerin vom 27. November 2003 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.
- 2
- Die Schuldnerin geriet seit April 2003 gegenüber der beklagten Krankenkasse mit der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Rückstand. Die Lastschrift über die am 15. April 2003 fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträge für März 2003 in Höhe von 32.939,74 € wurde nicht eingelöst. Mit Schreiben vom 24. April 2003 teilte die Schuldnerin der Beklagten mit, aufgrund hoher eigener Außenstände einen Liquiditätsengpass zu haben, und bat um Zustimmung zur Bezahlung der Beiträge für März in vier Raten bis zum 21. Mai 2003. In einem anschließenden Telefongespräch am 28. April 2003 vereinbarten die Schuldnerin und die Beklagte, dass die Arbeitnehmeranteile in Höhe von 16.939,75 € sofort und die Arbeitgeberanteile in drei monatlichen Raten zu je 5.333,33 € zum 15. Mai, 15. Juni und 15. Juli 2003 gezahlt werden sollten. Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile erfolgte per Scheck, der der Beklagten am 5. Mai 2003 gutgeschrieben wurde. Auch hinsichtlich der weiteren Raten übersandte die Schuldnerin der Beklagten zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen Schecks, die ebenfalls eingelöst wurden. Die Lastschrift der am 15. Mai 2003 fälligen Beiträge für April 2003 in Höhe von 32.465,76 € wurde termingerecht eingelöst. Wegen der am 15. Juni 2003 fälligen Beiträge für Mai 2003 stellte die Schuldnerin wiederum einen Stundungsantrag. Hierauf forderte die Beklagte die Schuldnerin mit Schreiben vom 2. Juli 2003 zur umgehenden Begleichung der Arbeitnehmeranteile in Höhe von 16.857,57 € auf und stundete die Arbeitgeberanteile in drei Monatsraten zu je 5.619,19 €, jeweils fällig zum 30. des Monats , beginnend ab 30. Juli 2003. Entsprechend dieser Aufforderung leistete die Schuldnerin an die Beklagte mit einem am 8. Juli 2003 eingelösten Scheck 16.857,57 €. Weitere Teilzahlungen, die insgesamt einen Betrag von 61.953,47 € ergaben, leistete die Schuldnerin in der Zeit vom 22. Juli bis zum 1. Oktober 2003.
- 3
- Der Kläger hat die Zahlungen gemäß § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO angefochten und Rückzahlung von insgesamt 138.873,21 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr auf das Rechtsmittel des Klägers im Hinblick auf die nach dem 8. Juli 2003 erbrachten Zahlungen stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in Höhe der noch nicht zurückerstatteten Zahlungen von insgesamt 76.919,74 € weiter, welche die Schuldnerin in der Zeit zwischen dem 5. Mai und dem 8. Juli 2003 erbracht hat.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 5
- Berufungsgericht Das meint, ein Rückgewähranspruch betreffend die Zahlung vom 5. Mai 2003 bestehe nicht, weil sich die Schuldnerin lediglich mit dem gestundeten Beitrag für März 2003 in Rückstand befunden habe. Ein derart geringer Rückstand reiche für sich allein gesehen nicht aus, um die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung oder der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu begründen. Weitere Umstände, aus denen eine solche Kenntnis abgeleitet werden könnte, hätten nicht vorgelegen.
- 6
- Hinsichtlich der am 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 geleisteten Zahlungen scheitere ein Rückgewähranspruch bereits an der fehlenden Gläubigerbe- nachteiligung. Die Zahlungen seien nach dem eigenen Vortrag des Klägers mittels einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung erfolgt. Dies reiche für eine Benachteiligung der Gläubiger nicht aus. Dass die kontoführende Bank für ihren Darlehensanspruch über bessere Sicherheiten verfügt habe als die Beklagte, habe der Kläger nicht vorgetragen.
II.
- 7
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
- 8
- 1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, aufgrund des geringen Rückstands zum 5. Mai 2003 könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin Kenntnis gehabt habe, schöpft den Sachverhalt nicht aus.
- 9
- Anfechtung Eine wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte. Diese Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, NZI 2007, 512, 514 Rn. 25; v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, NZI 2009, 168, 169 Rn. 10 m.w.N.; v. 13. August 2009 - IX ZR 159/06, NZI 2009, 768 f Rn. 8). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGHZ 180, 63, 66 f Rn. 13 m.w.N.). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urt. v. 13. August 2009 aaO m.w.H.).
- 10
- Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht wesentliche Teile des Sachverhalts außer Acht gelassen. Schon die Feststellung, einziger Anhaltspunkt für eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei der Zahlungsrückstand für März 2003 gewesen, greift zu kurz. Das Berufungsgericht hat unberücksichtigt gelassen, dass die Lastschrift zum 15. April 2003 zurückgegeben worden ist. Die Rückgabe von Lastschriften stellt ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar. Auch mit dem Schreiben der Schuldnerin vom 24. April 2003 hat sich das Berufungsgericht nicht ausreichend befasst. Diesem Schreiben war zu entnehmen, dass die Schuldnerin nicht in der Lage war, ihre fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen vollständig zu befriedigen. Diese Erklärung konnte möglicherwei- se, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen war, dahin verstanden werden, dass die Schuldnerin selbst der Auffassung war, zahlungsunfähig zu sein (vgl. BGH, Urt. v. 4. Oktober 2001 - IX ZR 81/99, ZIP 2001, 2097, 2098; v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223 Rn. 15; v. 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420, 422 Rn. 21 m.w.H.). Da sich der Stundungszeitraum auf mehr als drei Wochen erstreckte (vgl. BGHZ 163, 134, 139 f; BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 aaO S. 2224 Rn. 27 f), hätte das Berufungsgericht eine bloße Zahlungsstockung nur annehmen dürfen, wenn der gestundete Betrag "geringfügig" gewesen wäre. Ob es sich bei dem Rückstand von 32.939,74 € um einen "geringfügigen" Betrag handelte, wie das Berufungsgericht meint, konnte es ohne abschließende Feststellungen zur objektiven Zahlungsunfähigkeit am 5. Mai 2003, die es ausdrücklich offen gelassen hat, nicht beurteilen. Absolut betrachtet ist ein Betrag in der genannten Höhe schwerlich geringfügig. Aus der Sicht der Beklagten war das möglicherweise nicht anders. Da der Anfechtungsgegner im Allgemeinen in die fälligen Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners keinen Einblick hat, muss - soweit es um seine Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht - darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende oder ganz ausbleibende Tilgung seiner Forderung bei einer Gesamtbetrachtung der für den Anfechtungsgegner ersichtlichen Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Art der Forderung , der Person des Schuldners und dem Zuschnitt seines Geschäftsbetriebs , als ausreichendes Indiz für eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit darstellt (BGH, Urt. v. 13. August 2009 aaO S. 769 Rn. 10; Ganter WM 2009, 1441, 1445). Die Beklagte hat nicht behauptet, angenommen zu haben, dass sie die einzige Gläubigerin der Schuldnerin sei. Im Regelfall hat jemand, der gewerblich tätig ist, auch noch andere Gläubiger (BGHZ 155, 75, 84; BGH, Urt. v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, WM 2009, 274, 275 Rn. 10; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 79/07, WM 2009, 615, 617 Rn. 16). Es kommt hin- zu, dass im Allgemeinen Sozialversicherungsträger - wie die Beklagte - von Unternehmern , die sich in finanzieller Bedrängnis befinden, vor anderen Gläubigern bedient werden.
- 11
- Unter Missachtung des rechtlichen Gehörs des Klägers hat es das Berufungsgericht abgelehnt, über den Inhalt des Telefongesprächs am 28. April 2003 Beweis zu erheben. Der Kläger hat hinreichend substantiiert behauptet, aus diesem Gespräch hätten sich für die Beklagte weitere Hinweise auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ergeben. Entsprechendes lag schon deshalb nahe, weil nach dem Ergebnis des Gesprächs die Stundung eines Teils der am 15. April 2003 fälligen Beiträge auf drei Monate ausgedehnt wurde, der Liquiditätsengpass der Schuldner mithin noch länger anhielt, als es die Stundungsbitte vom 24. April 2003 nahelegte.
- 12
- 2. Soweit das Berufungsgericht eine Gläubigerbenachteiligung durch die weiteren Zahlungen vom 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 abgelehnt hat, weil diese jeweils aus einer bloß geduldeten Überziehung des Kontos erfolgt seien, widerspricht die Entscheidung der - zum Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils allerdings noch nicht ergangenen - Entscheidung des Senats vom 6. Oktober 2009 (BGHZ 182, 317), mit welcher die im Berufungsurteil zitierte Entscheidung BGHZ 170, 276 aufgegeben worden ist. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt die Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung durch den Insolvenzverwalter auch dann in Betracht, wenn der Schuldner neue Gelder aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft und diese infolge seiner Rechtshandlung einem Gläubiger direkt zu fließen. Unerheblich ist, ob aus der Einräumung des Überziehungskredits für die Masse ein pfändbarer Anspruch gegen die Bank entsteht oder durch die Valutierung von Sicherheiten ein entsprechender Rückübertragungsanspruch verloren geht.
- 13
- Dem steht - abweichend von der Auffassung der Revisionserwiderung - das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 2010 (II ZR 258/08, ZIP 2010, 470) nicht entgegen. Die Entscheidung ist zur Haftung des Geschäftsführers gemäß § 64 Abs. 2 GmbH a.F. ergangen und nicht zur Insolvenzanfechtung. Sie gibt dem Senat deshalb keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu § 129 Abs. 1 InsO erneut zu ändern.
III.
- 14
- Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs nach § 133 Abs. 1 InsO insgesamt erneut zu prüfen und die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hierfür zu treffen haben. Bezüglich der Zahlungen vom 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 hat es von einer objektiven Gläubigerbenachteiligung auszugehen. Sollte es im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung (vgl. BGH, Urt. v. 13. August 2009, aaO S. 769 Rn. 10 ff) die Kenntnis des - noch festzustellenden - Gläubi- gerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin auf Seiten der Beklagten weiterhin für zweifelhaft halten, wird es den weiteren Beweisantritten nachgehen müssen.
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.01.2007 - 303 O 209/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 14.03.2008 - 1 U 19/07 -
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag des Beklagten vom 28. November 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Er nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO auf Rückgewähr von Steuerzahlungen in Höhe von 1.608.583,95 € in Anspruch, welche die Schuldnerin in 21 Fällen in der Zeit zwischen dem 7. April 2003 und dem 1. Februar 2006 an das Finanzamt geleistet hat.
- 2
- Das Landgericht hat der Klage bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie auf Berufung des Beklagten insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat gemeint, die Kenntnis des beklagten Landes von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin sei bereits nicht gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten, jedenfalls habe das beklagte Land eine solche Vermutung widerlegt. Von einer dem Beklagten bekannten Zahlungseinstellung bereits zum Zeitpunkt der ersten streitgegenständlichen Zahlung vom 7. April 2003 könne ausgegangen werden. Die zu diesem Zeitpunkt bei dem Beklagten bestehenden Steuerschulden von mehr als 1,2 Mio. € stellten einen erheblichen Teil der damaligen fälligen Verbindlichkeiten dar, weil das Finanzamt nach dem eigenen Vortrag des beklagten Landes der einzige größere Gläubiger der Schuldnerin gewesen sei. Die einmal eingetretene Zahlungseinstellung sei auch nicht dadurch wieder beseitigt worden, dass die Schuldnerin, wie hierfür erforderlich, ihre Zahlungen insgesamt wieder aufgenommen hätte. Die tatsächlich noch geleisteten Zahlungen stünden dem nicht entgegen.
- 5
- Das beklagte Land habe aber aus der ihm bekannten Zahlungseinstellung der Schuldnerin bei natürlicher Betrachtungsweise nicht den Schluss gezogen , dass die Schuldnerin nicht in der Lage sei, die fälligen Zahlungen zu erbringen, also zahlungsunfähig sei. Vielmehr habe das beklagte Land aufgrund der im Rahmen einer Steuerfahndung bekannt gewordenen Tatsachen davon ausgehen dürfen und sei davon ausgegangen, dass die Schuldnerin lediglich zahlungsunwillig sei. Diese Tatsachen ergäben sich insbesondere aus einem Bescheid und aus einem Schreiben des Finanzamts.
II.
- 6
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Kenntnis des Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht verneint werden.
- 7
- 1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO verneint. Zutreffend ist es allerdings davon ausgegangen , dass die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet wird, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
- 8
- a) Die Zahlungsunfähigkeit wird gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO vermutet , wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Diese Vermutung gilt auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 10 mwN).
- 9
- Das Berufungsgericht hat zunächst unterstellt und dann zutreffend festgestellt , dass die Schuldnerin bei der ersten streitgegenständlichen Zahlung vom 7. April 2003 in Höhe von 234.272,30 € ihre Zahlungen bereits eingestellt hatte, weil sie dem Finanzamt zu diesem Zeitpunkt mehr als 1,2 Mio. € schuldete , die seit langem fällig waren und die einen erheblichen Teil der damals fälligen Verbindlichkeiten der Schuldnerin darstellten. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 184 f). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 - IX ZR 231/04, WM 2007, 1616 Rn. 29; vom 11. Februar 2010 - IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Rn. 42; vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 12). Eine Darlegung und Feststellung der genannten Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 v.H. bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 13 mwN). Unter den gegebenen Umständen besteht demnach kein Zweifel, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen am 7. April 2003 eingestellt hatte.
- 10
- Eine eingetretene Zahlungseinstellung kann nur wieder beseitigt werden, indem der Schuldner alle Zahlungen wieder aufnimmt. Dies hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007, aaO Rn. 32 mwN). Dies war hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall.
- 11
- Lag damit eine fortdauernde Zahlungseinstellung vor, begründet dies die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit, die vom Prozessgegner zu widerlegen ist (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 Rn. 12; vom 21. Juni 2007, aaO Rn. 27).
- 12
- b) Dass der Beklagte von der Existenz anderer Gläubiger wusste, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Schuldnerin gewerblich tätig war. Daher wusste der Beklagte auch von der Gläubigerbenachteiligung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 86; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 133 Rn. 22). Aus dem Einspruchsbescheid des Finanzamts des Beklagten vom 16. September 2004 ergibt sich im Übrigen die Kenntnis von der Existenz anderer Gläubiger.
- 13
- 2. Der Beklagte hat nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht widerlegt.
- 14
- a) Die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO bewirkt eine Umkehr der Beweislast. Ist der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO gegeben , obliegt dem Anfechtungsgegner der Gegenbeweis. Dieser hat sich auf die Vermutungsfolge zu beziehen, also die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung. Der Anfechtungsgegner muss deshalb darlegen und beweisen, dass entweder der Schuldner nicht mit Benachteiligungsvorsatz handelte oder dass er, der Anfechtungsgegner, nichts von dem Anfechtungsvorsatz wusste (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, WM 2007, 1579 Rn. 7).
- 15
- Ist der Schuldner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung zahlungsunfähig , handelt er nur dann nicht mit dem Vorsatz, die Gesamtheit der Gläubiger zu benachteiligen, wenn er aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, aaO Rn. 8).
- 16
- b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann, wenn der Anfechtungsgegner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung die Zahlungseinstellung des Schuldners und die Gläubigerbenachteiligung kennt, der Gegenbeweis nicht allein dadurch geführt werden, dass der Beklagte darlegt und beweist , er sei von einer Zahlungseinstellung des Schuldners infolge Zahlungsunwilligkeit ausgegangen.
- 17
- Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 Rn. 10 mwN). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die drohende Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei hervorgeht (BGH, aaO). Der Beklagte kann sich deshalb nicht darauf berufen, er habe von der ihm bekannten Zahlungseinstellung nicht auf Zahlungsunfähigkeit geschlossen.
- 18
- Eine Zahlungseinstellung kann zwar auch auf Zahlungsunwilligkeit beruhen. Die im Insolvenzrecht unerhebliche Zahlungsunwilligkeit liegt aber nur vor, wenn gleichzeitig Zahlungsfähigkeit gegeben ist (HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl. § 17 Rn. 13). Lag eine Zahlungseinstellung vor, wird gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet, dass nicht lediglich Zahlungsunwilligkeit, sondern Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Die Zahlungsunfähigkeit kann vom Prozessgegner widerlegt werden. Dazu ist es dem beklagten Land unbenommen, der auf eine Zahlungseinstellung gestützten Annahme der Zahlungsunfähigkeit etwa durch den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens oder auf Vernehmung vom Zeugen zum Nachweis entgegenzutreten, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum für den Schuldner eine Deckungslücke von weniger als 10 v.H. auswies (BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 144 ff; vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 20). Diesen Beweis hat der Beklagte angetreten. Er ist jedoch nicht erhoben worden.
- 19
- Nur wenn Zahlungsfähigkeit gegeben war, kann eine für das Anfechtungsrecht unerhebliche Zahlungsunwilligkeit vorgelegen haben. Die Feststellung der anfechtungsrechtlich unerheblichen Zahlungsunwilligkeit setzt deshalb die Feststellung der Zahlungsfähigkeit voraus. Letztere hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt. Sie ist vom Beklagten zu beweisen.
- 20
- 3. Die vom Berufungsgericht festgestellten Beweisanzeichen bilden im Übrigen keine tragfähige Grundlage für die Annahme, abgesehen von der Zahlungsfähigkeit habe jedenfalls eine Zahlungsunwilligkeit der Schuldnerin vorgelegen.
- 21
- a) Der Einspruchsbescheid des Finanzamts vom 16. September 2004 ist zwar als Urkunde ein zulässiges Beweismittel (§ 415 ff ZPO). Er erbringt aber über die Richtigkeit seiner Begründung weder nach § 415 ZPO (öffentliche Urkunde über die vor einer Behörde abgegebene Erklärung) noch nach § 417 ZPO Beweis, weil nach dieser Vorschrift nur bewiesen wird, dass die Entscheidung erlassen wurde, nicht aber ihre inhaltliche Richtigkeit (Hk-ZPO/Eichele, 4. Aufl., § 417 Rn. 3). Auch § 418 ZPO begründet insoweit keine Beweiskraft, weil mit dieser Vorschrift nur Zeugnisurkunden gemeint sind (MünchKommZPO /Schreiber, 3. Aufl., § 418 Rn. 2, 4). Die zur Beurkundung berufene Amtsperson muss die bekundete Tatsache entweder selbst verwirklicht oder aufgrund eigener Wahrnehmung zuverlässig festgestellt haben (BVerfG, NJW-RR 1992, 1084, 1085; BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 43/03, WM 2004, 1391, 1392; vom 15. September 2009 - XI ZB 29/08 Rn. 8).
- 22
- Auf Seite 5 der Einspruchsentscheidung wird ausgeführt, es könne im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin nicht über die erforderlichen Mittel verfüge, um die Steuerschulden zu begleichen, weil die Schuldnerin nach den dem Finanzamt vorliegenden Unterlagen in den letzten Jahren über ausreichende laufende Einnahmen zur Tilgung der Rückstände verfügt habe. Hierbei seien nicht die heutigen finanziellen Verhältnisse, sondern diejenigen in den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten maßgebend. Bei dieser Aussage handelt es sich lediglich um eine Wertung auf der Grundlage nicht offengelegter Beweismittel, für die nicht einmal konkrete Sachverhaltsangaben gemacht werden. Die Aussage bezieht sich zudem auf die Fälligkeitszeitpunkte der offenen Steuerforderungen, die fast ausnahmslos in den Jahren 2001 und 2002 lagen, also in einem Zeitraum lange vor der ersten streitgegenständlichen Zahlung.
- 23
- Soweit auf Seite 2 des Einspruchsbescheides dargelegt wird, eine in den Jahren 2001 und 2002 durchgeführte Prüfung der Steuerfahndung habe erge- ben, dass erhebliche unversteuerte Zahlungen in den Privatbereich und anonyme Transfers von Vermögenswerten in das Ausland festgestellt worden seien , entbehrt diese Aussage jeder näheren Konkretisierung. Die genannten Umstände aus den Jahren 2001 und 2002 besagen zudem nichts zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ab April 2003.
- 24
- Soweit schließlich auf Seite 6 dieses Bescheides ausgeführt wird, es müsse davon ausgegangen werden, die Schuldnerin habe andere Gläubiger bevorzugt und über Einnahmen in nicht unerheblicher Höhe verfügt, bezieht sich auch dies ersichtlich auf frühere Zeiträume. Zudem sind auch dies lediglich Wertungen und Vermutungen ohne nachprüfbare Tatsachengrundlage.
- 25
- Die Urkunde ist deshalb entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ungeeignet, die behauptete Zahlungsunwilligkeit zu beweisen. Der Bescheid spricht im Gegenteil dafür, dass das Finanzamt auch im Zeitpunkt seines Erlasses für den fraglichen Zeitraum von Zahlungsunfähigkeit ausging, nämlich wegen der angeführten hohen fälligen Steuerrückstände seit über drei Jahren, fehlender Sicherheiten und der selbst angenommenen Gefährdung der Steueransprüche. Die Stundung wurde deshalb abgelehnt und die weitere Einziehung im Vollstreckungs- beziehungsweise Insolvenzverfahren angekündigt.
- 26
- b) In dem Schreiben des Finanzamts vom 12. August 2003 wurde die Schuldnerin zwar danach gefragt, warum die Mittel zur Zahlung der vereinnahmten Umsatzsteuer nicht zur Verfügung stünden und warum Mittel, die zur Zahlung der bestehenden Umsatzsteuerrückstände vorgesehen gewesen seien , anderweitig verwendet worden seien. Derartige Fragen besagen jedoch nichts zu einer Zahlungsunwilligkeit trotz bestehender Zahlungsfähigkeit.
- 27
- c) Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie, wie hier, mit einer Stundungsbitte versehen sind (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 Rn. 15). Derartige, hier mehrfach gegenüber dem Finanzamt des Beklagten abgegebene Erklärungen können diese Indizwirkungen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht wegen anderweitiger Erkenntnisse des Anfechtungsgegners abgesprochen werden, wenn sich diese in Wertungen erschöpfen, ohne dass der Anfechtungsgegner den maßgeblichen ermittelten Sachverhalt dargelegt, unter Beweis stellt und diese Umstände erforderlichenfalls festgestellt werden.
III.
- 28
- Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird zu prüfen haben, ob dem Beklagten mit den von ihm angebotenen Beweismitteln der Gegenbeweis zu der gesetzlichen Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO gelingt. Sofern dies nicht der Fall ist, sind die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen zu prüfen.
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Kleve, Entscheidung vom 20.08.2008 - 2 O 326/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.11.2009 - I-12 U 143/08 -
(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.
(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
- 1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder - 2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. GmbH (nachfolgend Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren wurde am 23. Dezember 2003 auf Antrag der Schuldnerin vom 27. November 2003 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.
- 2
- Die Schuldnerin geriet seit April 2003 gegenüber der beklagten Krankenkasse mit der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Rückstand. Die Lastschrift über die am 15. April 2003 fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträge für März 2003 in Höhe von 32.939,74 € wurde nicht eingelöst. Mit Schreiben vom 24. April 2003 teilte die Schuldnerin der Beklagten mit, aufgrund hoher eigener Außenstände einen Liquiditätsengpass zu haben, und bat um Zustimmung zur Bezahlung der Beiträge für März in vier Raten bis zum 21. Mai 2003. In einem anschließenden Telefongespräch am 28. April 2003 vereinbarten die Schuldnerin und die Beklagte, dass die Arbeitnehmeranteile in Höhe von 16.939,75 € sofort und die Arbeitgeberanteile in drei monatlichen Raten zu je 5.333,33 € zum 15. Mai, 15. Juni und 15. Juli 2003 gezahlt werden sollten. Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile erfolgte per Scheck, der der Beklagten am 5. Mai 2003 gutgeschrieben wurde. Auch hinsichtlich der weiteren Raten übersandte die Schuldnerin der Beklagten zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen Schecks, die ebenfalls eingelöst wurden. Die Lastschrift der am 15. Mai 2003 fälligen Beiträge für April 2003 in Höhe von 32.465,76 € wurde termingerecht eingelöst. Wegen der am 15. Juni 2003 fälligen Beiträge für Mai 2003 stellte die Schuldnerin wiederum einen Stundungsantrag. Hierauf forderte die Beklagte die Schuldnerin mit Schreiben vom 2. Juli 2003 zur umgehenden Begleichung der Arbeitnehmeranteile in Höhe von 16.857,57 € auf und stundete die Arbeitgeberanteile in drei Monatsraten zu je 5.619,19 €, jeweils fällig zum 30. des Monats , beginnend ab 30. Juli 2003. Entsprechend dieser Aufforderung leistete die Schuldnerin an die Beklagte mit einem am 8. Juli 2003 eingelösten Scheck 16.857,57 €. Weitere Teilzahlungen, die insgesamt einen Betrag von 61.953,47 € ergaben, leistete die Schuldnerin in der Zeit vom 22. Juli bis zum 1. Oktober 2003.
- 3
- Der Kläger hat die Zahlungen gemäß § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO angefochten und Rückzahlung von insgesamt 138.873,21 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr auf das Rechtsmittel des Klägers im Hinblick auf die nach dem 8. Juli 2003 erbrachten Zahlungen stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in Höhe der noch nicht zurückerstatteten Zahlungen von insgesamt 76.919,74 € weiter, welche die Schuldnerin in der Zeit zwischen dem 5. Mai und dem 8. Juli 2003 erbracht hat.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 5
- Berufungsgericht Das meint, ein Rückgewähranspruch betreffend die Zahlung vom 5. Mai 2003 bestehe nicht, weil sich die Schuldnerin lediglich mit dem gestundeten Beitrag für März 2003 in Rückstand befunden habe. Ein derart geringer Rückstand reiche für sich allein gesehen nicht aus, um die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung oder der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu begründen. Weitere Umstände, aus denen eine solche Kenntnis abgeleitet werden könnte, hätten nicht vorgelegen.
- 6
- Hinsichtlich der am 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 geleisteten Zahlungen scheitere ein Rückgewähranspruch bereits an der fehlenden Gläubigerbe- nachteiligung. Die Zahlungen seien nach dem eigenen Vortrag des Klägers mittels einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung erfolgt. Dies reiche für eine Benachteiligung der Gläubiger nicht aus. Dass die kontoführende Bank für ihren Darlehensanspruch über bessere Sicherheiten verfügt habe als die Beklagte, habe der Kläger nicht vorgetragen.
II.
- 7
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
- 8
- 1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, aufgrund des geringen Rückstands zum 5. Mai 2003 könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin Kenntnis gehabt habe, schöpft den Sachverhalt nicht aus.
- 9
- Anfechtung Eine wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte. Diese Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, NZI 2007, 512, 514 Rn. 25; v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, NZI 2009, 168, 169 Rn. 10 m.w.N.; v. 13. August 2009 - IX ZR 159/06, NZI 2009, 768 f Rn. 8). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGHZ 180, 63, 66 f Rn. 13 m.w.N.). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urt. v. 13. August 2009 aaO m.w.H.).
- 10
- Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht wesentliche Teile des Sachverhalts außer Acht gelassen. Schon die Feststellung, einziger Anhaltspunkt für eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei der Zahlungsrückstand für März 2003 gewesen, greift zu kurz. Das Berufungsgericht hat unberücksichtigt gelassen, dass die Lastschrift zum 15. April 2003 zurückgegeben worden ist. Die Rückgabe von Lastschriften stellt ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar. Auch mit dem Schreiben der Schuldnerin vom 24. April 2003 hat sich das Berufungsgericht nicht ausreichend befasst. Diesem Schreiben war zu entnehmen, dass die Schuldnerin nicht in der Lage war, ihre fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen vollständig zu befriedigen. Diese Erklärung konnte möglicherwei- se, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen war, dahin verstanden werden, dass die Schuldnerin selbst der Auffassung war, zahlungsunfähig zu sein (vgl. BGH, Urt. v. 4. Oktober 2001 - IX ZR 81/99, ZIP 2001, 2097, 2098; v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223 Rn. 15; v. 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420, 422 Rn. 21 m.w.H.). Da sich der Stundungszeitraum auf mehr als drei Wochen erstreckte (vgl. BGHZ 163, 134, 139 f; BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 aaO S. 2224 Rn. 27 f), hätte das Berufungsgericht eine bloße Zahlungsstockung nur annehmen dürfen, wenn der gestundete Betrag "geringfügig" gewesen wäre. Ob es sich bei dem Rückstand von 32.939,74 € um einen "geringfügigen" Betrag handelte, wie das Berufungsgericht meint, konnte es ohne abschließende Feststellungen zur objektiven Zahlungsunfähigkeit am 5. Mai 2003, die es ausdrücklich offen gelassen hat, nicht beurteilen. Absolut betrachtet ist ein Betrag in der genannten Höhe schwerlich geringfügig. Aus der Sicht der Beklagten war das möglicherweise nicht anders. Da der Anfechtungsgegner im Allgemeinen in die fälligen Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners keinen Einblick hat, muss - soweit es um seine Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht - darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende oder ganz ausbleibende Tilgung seiner Forderung bei einer Gesamtbetrachtung der für den Anfechtungsgegner ersichtlichen Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Art der Forderung , der Person des Schuldners und dem Zuschnitt seines Geschäftsbetriebs , als ausreichendes Indiz für eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit darstellt (BGH, Urt. v. 13. August 2009 aaO S. 769 Rn. 10; Ganter WM 2009, 1441, 1445). Die Beklagte hat nicht behauptet, angenommen zu haben, dass sie die einzige Gläubigerin der Schuldnerin sei. Im Regelfall hat jemand, der gewerblich tätig ist, auch noch andere Gläubiger (BGHZ 155, 75, 84; BGH, Urt. v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, WM 2009, 274, 275 Rn. 10; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 79/07, WM 2009, 615, 617 Rn. 16). Es kommt hin- zu, dass im Allgemeinen Sozialversicherungsträger - wie die Beklagte - von Unternehmern , die sich in finanzieller Bedrängnis befinden, vor anderen Gläubigern bedient werden.
- 11
- Unter Missachtung des rechtlichen Gehörs des Klägers hat es das Berufungsgericht abgelehnt, über den Inhalt des Telefongesprächs am 28. April 2003 Beweis zu erheben. Der Kläger hat hinreichend substantiiert behauptet, aus diesem Gespräch hätten sich für die Beklagte weitere Hinweise auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ergeben. Entsprechendes lag schon deshalb nahe, weil nach dem Ergebnis des Gesprächs die Stundung eines Teils der am 15. April 2003 fälligen Beiträge auf drei Monate ausgedehnt wurde, der Liquiditätsengpass der Schuldner mithin noch länger anhielt, als es die Stundungsbitte vom 24. April 2003 nahelegte.
- 12
- 2. Soweit das Berufungsgericht eine Gläubigerbenachteiligung durch die weiteren Zahlungen vom 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 abgelehnt hat, weil diese jeweils aus einer bloß geduldeten Überziehung des Kontos erfolgt seien, widerspricht die Entscheidung der - zum Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils allerdings noch nicht ergangenen - Entscheidung des Senats vom 6. Oktober 2009 (BGHZ 182, 317), mit welcher die im Berufungsurteil zitierte Entscheidung BGHZ 170, 276 aufgegeben worden ist. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt die Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung durch den Insolvenzverwalter auch dann in Betracht, wenn der Schuldner neue Gelder aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft und diese infolge seiner Rechtshandlung einem Gläubiger direkt zu fließen. Unerheblich ist, ob aus der Einräumung des Überziehungskredits für die Masse ein pfändbarer Anspruch gegen die Bank entsteht oder durch die Valutierung von Sicherheiten ein entsprechender Rückübertragungsanspruch verloren geht.
- 13
- Dem steht - abweichend von der Auffassung der Revisionserwiderung - das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 2010 (II ZR 258/08, ZIP 2010, 470) nicht entgegen. Die Entscheidung ist zur Haftung des Geschäftsführers gemäß § 64 Abs. 2 GmbH a.F. ergangen und nicht zur Insolvenzanfechtung. Sie gibt dem Senat deshalb keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu § 129 Abs. 1 InsO erneut zu ändern.
III.
- 14
- Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs nach § 133 Abs. 1 InsO insgesamt erneut zu prüfen und die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hierfür zu treffen haben. Bezüglich der Zahlungen vom 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 hat es von einer objektiven Gläubigerbenachteiligung auszugehen. Sollte es im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung (vgl. BGH, Urt. v. 13. August 2009, aaO S. 769 Rn. 10 ff) die Kenntnis des - noch festzustellenden - Gläubi- gerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin auf Seiten der Beklagten weiterhin für zweifelhaft halten, wird es den weiteren Beweisantritten nachgehen müssen.
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.01.2007 - 303 O 209/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 14.03.2008 - 1 U 19/07 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch und die Richterin Müller
beschlossen:
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 22.000 €
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 21. August 2014 zugestellt worden. Hiergegen hat sie rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung endete mit Ablauf des 21. November 2014. Am 21. November 2014 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mehrere Versuche unternommen, die Berufungsbegründung per Telefax an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Ausweislich des Aktivitätsberichts des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts mit der Endnummer 60 empfing dieses von 23.41 Uhr an Telefaxsignale vom Anschluss der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Es wurden jedoch lediglich 5 Seiten der - 9 Seiten und eine Anlage umfassenden - Begründungsschrift empfangen. Danach brach der Empfangsvorgang mit einer Fehlermeldung des Empfangsgeräts ab. Ausweislich des Journals des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts mit der Endnummer 50 empfing dieses Gerät von 23.52 Uhr an vom Telefaxanschluss der Bevollmächtigten der Klägerin übermittelte Faxsignale. Es wurden 9 der 10 Seiten empfangen; danach wurde der Empfangsvorgang wegen eines Fehlers abgebrochen. Der Übertragungsvorgang dauerte 19 Minuten und 50 Sekunden. Bei den Akten befindet sich ein Telefaxausdruck der Berufungsbegründung, der im oberen Drittel der Seite 9 abbricht und eine Unterschrift der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht wiedergibt. Ausweislich der übermittelten Daten des Telefaxgerätes der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde der Übermittlungsvorgang um 23.50 Uhr begonnen und die - abgebrochene - Seite 9 des Schriftsatzes um 0.08 Uhr übertragen. Die Aufzeichnung der Übermittlung durch das Empfangsgerät des Gerichts gibt den Übermittlungsbeginn mit 23.54 Uhr und die Übermittlung der - abgebrochenen - Seite 9 mit 0.11 Uhr an. Eine weitere Ausfertigung der Berufungsbegründung ist vom Anschluss der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an das Empfangsgerät des Oberlandesgerichts mit der Endnummer 60 vollständig übermittelt worden. Ausweislich des Aktivitätsberichts dieses Geräts wurde mit dem Übermittlungsvorgang um 0.14 Uhr begonnen; der Übertragungsvorgang dauerte 18 Minuten und 10 Sekunden. Die übermittelten Daten des Telefaxgerätes der Prozessbevollmächtigten der Klägerin geben den Beginn des Übermittlungsvorgangs mit 0.12 Uhr, die Übertragung der 9. Seite, auf der sich die Unterschrift befindet, mit 0.27 Uhr und die Übertragung der 10. Seite (Anlage zur Berufungsbegründung) mit 0.29 Uhr an.
- 2
- Mit gerichtlicher Verfügung vom 25. November 2014, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 5. Dezember 2014, ist diese darauf hingewiesen worden, dass die Berufungsbegründung in vollständiger Fassung erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Mit per Telefax am selben Tag übermittelten Schriftsatz vom 5. Dezember 2014 hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Berufungsbegründung dem Oberlandesgericht noch am 21. November 2014 vollständig per Telefax übermittelt worden sei. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt , ihr liege ein Sendebericht vor, aus dem sich ein Sendebeginn um 23.49 Uhr unter Abschluss der Sendung für Blatt 10 um 23.58 Uhr mit dem Vermerk "ok" ergebe. Vorausgegangen sei der Versuch einer Übermittlung um 23.39 Uhr, bei der alle Blätter des Schriftsatzes vom Faxgerät eingelesen worden seien und akustisch vernehmbar eine Übersendung vorgenommen worden sei; diese sei allerdings um 23.48 Uhr unterbrochen worden. Ihr Faxgerät sei seit der Anschaffung Ende Juni 2014 ohne Fehler betrieben worden und werde regelmäßig gewartet. Die vom Gericht mitgeteilte Sendedauer von 22 Minuten für 10 Seiten sei nicht üblich. Es sei von wesentlich kürzeren Zeiten auszugehen.
- 3
- Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als un- zulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, durch den am 21. November 2014 unvollständig übermittelten Schriftsatz sei die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt worden. Eine wirksame Berufungsbegründungsschrift müsse von einem Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein. Dies sei bei der am 21. November 2014 unvollständig übermittelten Berufungsbegründung nicht der Fall, da die Übermittlung vor Übertragung der Unterschrift abgebrochen sei. Zur Überzeugung des Gerichts stehe auch nicht fest, dass am 21. November 2014 eine weitere - vollständige - Version des Berufungsbegründungsschriftsatzes an das Gericht übermittelt worden sei. Dem von der Klägerin vorgelegten Sendebericht ständen die auf dem vollständig übermittelten Schriftsatz vermerkten Übertragungsangaben sowohl des gerichtlichen Empfangsgerätes als auch des Telefaxgerätes der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entgegen, die jeweils einen Übertragungsbeginn erst für den 22. November 2014 ergäben. Auch hinsichtlich des zuvor erfolglos unternommenen Übermittlungsversuches ließen sich die Angaben der Klägerin mit den Übertragungsvermerken der beteiligten Telefaxgeräte auf dem Schriftstück nicht in Einklang bringen. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet, da die Klägerin weder dargetan noch glaubhaft gemacht habe, dass sie kein Verschulden an der Versäumung treffe. So habe sie nicht dargelegt , dass die fristgemäße Übermittlung des Schriftsatzes nicht aufgrund eines schuldhaften Bedienungsfehlers ihrerseits gescheitert sei. Derartiger Vortrag sei aber insbesondere dann erforderlich, wenn wegen der späten Fertigstellung des Schriftsatzes eine Schreibkraft nicht mehr zur Verfügung stehe und deshalb der Prozessbevollmächtigte selbst die Geräte bedienen müsse.
- 4
- Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 5
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig , denn eine Entscheidung des Senats ist jedenfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).
- 6
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf ihren rechtzeitigen Antrag ist ihr jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
- 7
- a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist. Die Klägerin hat nicht den Nachweis geführt, dass die von ihrem Faxgerät gesendeten Signale noch am 21. November 2014 vom Telefaxgerät des Berufungsgerichts vollständig empfangen worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 11 mwN). Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich der rechtzeitige Empfang der gesendeten Signale insbesondere nicht aus dem von ihr vorgelegten und mit einem "OK"-Vermerk versehenen Sendebericht. Denn der "OK"-Vermerk ist ein bloßes Indiz für den tatsächlichen Zugang beim Empfänger. Er begründet nicht den Beweis des ersten Anscheins. Er belegt nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, aaO). Die Indizwirkung des Sendeberichts ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, durch die von dem Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelten und auf dem Faxausdruck des unvollständig eingegangenen Schriftsatzes wiedergegebenen Daten entkräftet. Danach wurde der Übermittlungsvorgang zwar um 23.50 Uhr begonnen, die - nur zu einem Drittel übertragene - Seite 9 des Schriftsatzes wurde aber erst am 22. November 2014 um 0.08 Uhr übermittelt. Diese vom Telefaxgerät der Klägerin übermittelten Daten stimmen auch mit dem Empfangsjournal des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts mit der Endnummer 50 überein, wonach ab 23.52 Uhr 9 Seiten unvollständig übertragen wurden und der Übertragungsvorgang 19 Minuten und 50 Sekunden dauerte. Die geringfügige Abweichung der Zeitangaben des Telefaxgeräts der Prozessbevollmächtigten der Klägerin einerseits und des Journals des Empfangsgerätes andererseits ist ohne weiteres dadurch zu erklären, dass die Uhren der Geräte nicht exakt aufeinander abgestimmt waren.
- 8
- b) Die Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt die Klägerin aber in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (vgl. BVerfG 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 2004; Senatsbeschluss vom 8. April 2014 - VI ZB 1/13, VersR 2015, 384 Rn. 5).
- 9
- Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Wiedereinsetzungsantrag nicht hinreichend dargetan, die Berufungsbegründungsfrist unverschuldet versäumt zu haben, überspannt unter den gegebenen Umständen die an die Sorgfalt eines Rechtsanwalts zu stellenden Anforderungen. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, dass die Versäumung einer Frist wegen Verzögerung bei der Übermittlung eines Telefax der Partei dann nicht als Verschulden zugerechnet werden kann, wenn sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter mit der ord- nungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan hat und so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen wurde, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24.00 Uhr gerechnet werden konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 8. April 2014 - VI ZB 1/13, VersR 2015, 384 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 9. November 2004, X ZA 5/04, FamRZ 2005, 266 Rn. 4; vom 3. Mai 2011 - XI ZB 24/10, juris Rn. 9; vom 27. November 2014 - III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 7).
- 10
- Diesen Anforderungen hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich des Akteninhalts genügt. Zwar hat sie ihren Vortrag, wonach sie ein funktionsfähiges Sendegerät verwendet habe, bereits um 23.39 Uhr die Übermittlung der Berufungsbegründung per Telefax begonnen habe, alle Blätter vollständig eingelesen worden seien und eine Übersendung erfolgt sei, bis es um 23.48 Uhr zu einer Unterbrechung des Übertragungsvorgangs gekommen sei, nicht anwaltlich versichert. Dies war vorliegend aber entbehrlich, weil sich alle relevanten Umstände unmittelbar aus den Akten ergeben. Die Angaben der Klägerin werden - bis auf die geringfügigen und durch eine unterschiedliche Einstellung der jeweiligen Uhrzeiten in den Telefaxgeräten bedingten Zeitabweichungen - durch den Aktivitätsbericht des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts mit der Endziffer 60 bestätigt. Danach wurden von 23.41 Uhr an über 9 Minuten und 4 Sekunden Telefaxsignale vom Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin empfangen, bevor der Übertragungsvorgang nach Empfang von 5 Seiten mit einer Fehlermeldung des Empfangsgeräts abbrach. Ausweislich des Aktivitätsberichts erfolgte eine vollständige Übertragung aller Seiten in der Zeit von 0.14 Uhr bis 0.32 Uhr. Letzteres steht im Einklang sowohl mit dem Transaktionsbericht, der dem bei den Akten befindlichen vollständigen Faxausdruck beigefügt ist, als auch den auf diesem Faxausdruck wiedergegebenen , vom Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittel- ten Daten. Ausweislich des Aktivitätsberichts des Empfangsgeräts mit der Endnummer 60 dauerte auch die Übermittlung von Faxsendungen, die Dritte im Anschluss daran an dasselbe Empfangsgerät des Oberlandesgerichts sandten, ungewöhnlich lange. Diesen sich aus den Akten ergebenden Informationen ist zu entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sowohl ein funktionsfähiges Sendegerät verwendet als auch die Empfängernummer korrekt eingegeben haben muss.
- 11
- Die Prozessbevollmächtigte hatte auch so rechtzeitig mit der Übertragung begonnen, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss vor 24.00 Uhr zu rechnen war. Zwar muss eine Partei nach ständiger Rechtsprechung bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze per Telefax Verzögerungen einkalkulieren , mit denen üblicherweise zu rechnen ist. Hierzu gehört insbesondere die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2014 - III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 8 mwN). Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Berufungsbegründung als solche lediglich 9 Seiten umfasste und aus Sicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür bestanden , dass sich die Dauer der Übermittlung auf fast 2 Minuten pro Seite belaufen würde. Ausweislich des bei den Akten befindlichen Faxausdrucks der Berufungsschrift , der eine Ausfertigung des landgerichtlichen Urteils beigefügt war, hat die Übersendung dieser - 10 Seiten umfassenden - Dokumente am 22. September 2014 insgesamt lediglich 4 Minuten, d.h. 24 Sekunden pro Seite in Anspruch genommen.
- 12
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es auch keines Vortrags dazu, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Lage war, ihr Telefaxgerät korrekt zu bedienen. Ausweislich des Aktivitätsberichts des Empfangsgeräts beim Oberlandesgericht mit der Endnummer 60 sowie des Empfangsjournals des Empfangsgeräts beim Oberlandesgericht mit der Endnummer 50 hatte das Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit den Empfangsgeräten beim Oberlandesgericht dreimal eine Verbindung aufgebaut und jeweils mit der Datenübermittlung begonnen. Es liegt fern, dass der Abbruch der korrekt eingeleiteten Übermittlung der Faxsendung nach Empfang von 5 bzw. 8 1/3 Seiten und die ungewöhnlich lange Dauer des Übertragungsvorgangs auf einen Fehler bei der Bedienung des Telefaxgeräts der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückzuführen sind. Galke Wellner von Pentz Offenloch Müller
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 14.08.2014 - 14 O 33/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 17.02.2015 - 12 U 184/14 -
(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.
(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.
(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.
(2) Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.
(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.
(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.