Landgericht Bielefeld Beschluss, 09. Feb. 2016 - 23 T 657/15


Gericht
Tenor
Der Schuldnerin wird hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Schuldnerin nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 Euro zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Über das Vermögen der Schuldnerin ist durch Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 16.04.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
4Der Beteiligten zu 2) steht gegen die Schuldnerin eine Forderung in Höhe von jetzt noch 1.267.634,92 Euro zu, die in Höhe des Ausfalls von dem Insolvenzverwalter festgestellt wurde (lfd. Nr. 30 der Insolvenztabelle). Diese Forderung ist durch ein erstrangiges Grundpfandrecht der Beteiligten zu 2) in Höhe einer Hauptforderung von 2.939.928,00 Euro nebst 15 % Zinsen ab dem 16.06.1993 auf dem im Grundbuch von I. Blatt xxxx eingetragenen Grundstück der Schuldnerin gesichert. Dieses Grundstück ist mit einer mehrgeschossigen Gewerbeimmobilie bebaut. Die Beteiligte zu 2) betreibt die Zwangsversteigerung dieses Objekts (Az. 55 K 87/95-4 – AG Halle/Saale). Nach einem im Zwangsversteigerungsverfahren eingeholten Wertgutachten beträgt der Verkehrswert des Grundstücks 5.624.210,00 Euro.
5Im Laufe des Insolvenzverfahrens hat die Schuldnerin wiederholt Insolvenzpläne vorgelegt, die jedoch zurückgewiesen worden sind. Zuletzt hatte das Amtsgericht mit Beschluss vom 10./12.12.2014 die Bestätigung eines weiteren Insolvenzplans vom 24.02.2014 in der Fassung vom 06.11.2014 versagt.
6Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat die Kammer mit Beschluss vom 15.06.2015 zurückgewiesen (23 T 914/14).
7Unter dem 17.06.2015 legte die Schuldnerin einen weiteren Insolvenzplan sowie nach gerichtlichem Hinweis vom 31.07.2015 unter dem 10.08.2015 einen überarbeiteten Plan vor. Nach diesem Insolvenzplan entfällt auf die Forderung der Beteiligten zu 2) wiederum ein Betrag von lediglich 587,99 Euro unter Wegfall der dinglichen Sicherheit. Ferner sieht Ziffer 6b) eine Kompensation für eine mögliche Schlechterstellung vor, wobei die Kostengarantin – die B. UG & Co. KG – in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft Mittel in Höhe von 400.000,00 Euro für den Fall bereit stellt, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist. Daneben wird eine Sicherheit in Form der Abtretung der Eigentümergrundschuld in gleicher Höhe nebst 2,5% Zinsen p. a. gestellt, die Zug um Zug gegen Löschung der Grundpfandrechte in Abteilung 3 gestellt und die Abtretung mit Vorlage des Nachweises der Schlechterstellung wirksam werden soll.
8Das Amtsgericht hat den Insolvenzplan mit Beschluss vom 18.08.2015 zurückgewiesen, weil er keine Aussicht auf Bestätigung durch das Gericht hat.
9Gegen diese Entscheidung richtet sich die zunächst nicht unterschriebene und am 28.08.2015 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 27.08.2015. Die Schuldnerin hat nach dem mit Schreiben vom 29.09.2015 erteilten Hinweis des Amtsgerichts auf den Formmangel am 12.10.2015 eine formgerechte Beschwerdeschrift übersandt.
10Die Beteiligte zu 2) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt den angefochtenen Beschluss. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Schuldnerin vom 27.08.2015, 31.01.2015, 17.11.2015 und 30.11.2015 sowie die Schriftsätze der Beteiligten zu 2) vom 20.11.2015 und 01.12.2015 Bezug genommen. Der Beteiligte zu 4) hat mit Schreiben vom 18.11.2015 Stellung genommen.
11Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.10.2015 mit eingehender weiterer Begründung nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
12II.
13Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 231 Abs. 3 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
14Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei fehlender Unterzeichnung der bei Gericht fristgerecht eingereichten Rechtsmittelschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn ein nicht unterzeichneter bestimmender Schriftsatz so rechtzeitig bei Gericht eingeht, dass der Verfahrensbeteiligte auf entsprechenden Hinweis des Gerichts seine fehlende Unterschrift innerhalb der noch laufenden Rechtsmittelfrist ohne weiteres nachholen kann. Die aus dem Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) folgende gerichtliche Fürsorgepflicht gebietet es, eine Prozesspartei auf einen - leicht erkennbaren - Formmangel in ihrem Schriftsatz hinzuweisen und ihr gegebenenfalls Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben. Die bereits am 28.08.2015 bei Gericht eingegangene Beschwerde wurde der vertretungsbedingt zuständigen Rechtspflegerin zwar am 01.09.2015 vorgelegt. Der Hinweis, auf den die Schuldnerin den Formmangel dann umgehend behoben hat, erfolgte jedoch erst am 29.09.2015 durch die - zuvor urlaubsbedingt abwesende - regulär zuständige Rechtspflegerin. Zwischen dem Eingang der Beschwerde bei Gericht und dem Ablauf der Beschwerdefrist (04.09.2015) lag hier ein Zeitraum von noch einer Woche. Die Schuldnerin durfte aber darauf vertrauen, dass dem Gericht das Fehlen der Unterschrift bei fristgerechter Bearbeitung der Sache im ordentlichen Geschäftsgang innerhalb dieser Zeit auffallen würde. Die Schuldnerin durfte ferner darauf vertrauen, dass sie rechtzeitig einen Hinweis auf die fehlende Unterschrift erhalten würde. Wäre dies geschehen, hätte der Mangel innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Zeit ohne weiteres behoben werden können, da die Frist zur Einlegung der Beschwerde erst mit dem 04.09.2015 ablief. Bei dieser Sachlage war die Fristversäumung nicht schuldhaft (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 564 sowie DGVZ 2015, 191).
15Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Insolvenzplan zu Recht nach § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO zurückgewiesen
16Danach ist ein vom Schuldner vorgelegter Insolvenzplan zurückzuweisen, wenn er offensichtlich keine Aussicht auf Bestätigung durch das Gericht hat.
17Die im Beschwerdeverfahren angehörte Gläubigerin, die Beteiligte zu 2), hat gegen den Plan Einwendungen erhoben, eine Versagung der Zustimmung und einen Antrag nach § 251 Abs. 1 InsO in Aussicht gestellt. Sie macht geltend, sie werde durch die im Plan vorgesehene Kompensation voraussichtlich schlechter gestellt als ohne den Plan.
18Das Amtsgericht ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass die Bestätigung des Insolvenzplans gem. § 251 Abs. 1 InsO zu versagen wäre, weil die Beteiligte zu 2) durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als sie ohne den Plan stünde.
19Der Beteiligten zu 2) steht gegen die Schuldnerin eine uneingeschränkt und in voller Höhe anerkannte und zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung von derzeit noch 1.267.634,92 Euro zu. Die Kammer hält insoweit an ihrer bereits dem o. a. Beschluss vom 15.06.2015 dargelegten Rechtsauffassung fest. Gleiches gilt auch für die Annahme, dass die ursprünglich der „Zweite Westend GmbH“ zustehende Forderung wirksam an die Beteiligte zu 2) abgetreten und diese Inhaberin der Forderung geworden ist.
20Die Forderung ist durch das erstrangige Grundpfandrecht auch werthaltig gesichert, weshalb bei einer Verwertung des Grundstücks im Rahmen des nunmehr wieder aufgenommenen Zwangsversteigerungsverfahrens für die Beteiligte zu 2) mit einem Erlös zu rechnen ist, der den im Insolvenzplan vorgesehenen Betrag von 587,99 Euro deutlich übersteigt. Die Grundschuld ist entgegen der Auffassung der Schuldnerin auch nicht wertlos. Die Beteiligte zu 2) betreibt nach wie vor die Zwangsversteigerung des gesicherten Objekts. Das zuständige Landgericht Halle/Saale hat mit Beschluss vom 15.01.2015 auch die vom Vollstreckungsgericht nunmehr angeordnete Fortsetzung des Verfahrens bestätigt. Der Insolvenzplan verneint unter Hinweis auf die wirtschaftliche Wertlosigkeit der Grundschuld dagegen bereits die Möglichkeit einer Schlechterstellung der Beteiligten zu 2) dem Grunde nach (Seite 11 Abs. 2 - 4).
21Die im Insolvenzplan vorgesehene Kompensation gleicht die Schlechterstellung nicht aus. Die Beteiligte zu 2) verzichtet auf ihr erstrangiges Grundpfandrecht und erhält dafür allenfalls ein wertmäßig wesentlich geringeres Grundpfandrecht, wobei sie sowohl das Risiko des Nachweises einer nicht näher definierten Schlechterstellung als auch das Risiko der Zahlungsfähigkeit der Kostengarantin trägt. Im Übrigen ist weiterhin davon auszugehen, dass die B. UG & Co. KG nach den bislang zur Verfügung gestellten Unterlagen wohl kaum über die notwendigen liquiden Mittel verfügen dürfte, um die vorgesehene Ausgleichszahlung für die Schlechterstellung der Beteiligten zu 2) zu erfüllen und auch völlig ungewiss ist, ob entsprechende Mittel durch eine Bewirtschaftung des in Halle befindlichen Gewerbeobjekts erwirtschaftet werden können. Hiervon geht offenbar auch die Schuldnerin aus, wenn sie die Reduzierung des bestehenden Grundpfandrechts damit begründet, dass dadurch die wirtschaftliche Bewegungsmöglichkeit der Kostengarantin gestärkt würde.
22Die Kammer hat ferner bereits in ihrer Entscheidung vom 15.06.2015 darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Objekt um ein sechsgeschossiges Gebäude mit einer gewerblich vermietbaren Fläche von rund 7.500 qm handelt, das nach dem im Zwangsversteigerungsverfahren eingeholten Gutachten einen Verkehrswert von 5.624.210,00 Euro hat. Es steht daher keineswegs fest, dass bei einer Zwangsversteigerung lediglich ein Erlös von 400.000 Euro erwartet werden kann, zumal die von der Schuldnerin gegen die Wertermittlung erhobenen Einwendungen nicht tragfähig sind, wie die Kammer ebenfalls bereits in der Entscheidung vom 15.06.2015 ausgeführt hat.
23Die Beteiligte zu 2) macht entgegen der Ansicht der Schuldnerin auch weiterhin geltend, dass bei der Verwertung des Grundstücks ein höherer Erlös erzielt und ihre Forderung weitgehend befriedigt werden kann. Sie hat lediglich angeboten, bei Zahlung von 400.000,00 Euro eine Lastenfreistellung zu erklären. Eine solche Zahlung ist nach dem Insolvenzplan aber ungewiss und für die Beteiligte zu 2) mit verschiedenen Risiken behaftet. Sie macht daher zu Recht geltend, dass der Insolvenzplan keine ausreichende Kompensation für den Verlust der bestehenden Forderung und deren werthaltigen grundpfandrechtlichen Absicherung vorsieht.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 GKG, 23 Abs. 3 RVG.
25Rechtsmittelbelehrung:
26Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der Zustellung des Beschlusses durch Einreichung einer unterschriebenen Beschwerdeschrift beim Bundesgerichtshof, 76125 Karlsruhe einzulegen und zu begründen. Die Einlegung hat durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu erfolgen.

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(1) Einer Androhung der gesetzlichen Folgen der Versäumung bedarf es nicht; sie treten von selbst ein, sofern nicht dieses Gesetz einen auf Verwirklichung des Rechtsnachteils gerichteten Antrag erfordert.
(2) Im letzteren Fall kann, solange nicht der Antrag gestellt und die mündliche Verhandlung über ihn geschlossen ist, die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Das Insolvenzgericht weist den Insolvenzplan von Amts wegen zurück,
- 1.
wenn die Vorschriften über das Recht zur Vorlage und den Inhalt des Plans, insbesondere zur Bildung von Gruppen, nicht beachtet sind und der Vorlegende den Mangel nicht beheben kann oder innerhalb einer angemessenen, vom Gericht gesetzten Frist nicht behebt, - 2.
wenn ein vom Schuldner vorgelegter Plan offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Beteiligten oder auf Bestätigung durch das Gericht hat oder - 3.
wenn die Ansprüche, die den Beteiligten nach dem gestaltenden Teil eines vom Schuldner vorgelegten Plans zustehen, offensichtlich nicht erfüllt werden können.
(2) Hatte der Schuldner in dem Insolvenzverfahren bereits einen Plan vorgelegt, der von den Beteiligten abgelehnt, vom Gericht nicht bestätigt oder vom Schuldner nach der öffentlichen Bekanntmachung des Erörterungstermins zurückgezogen worden ist, so hat das Gericht einen neuen Plan des Schuldners zurückzuweisen, wenn der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses, wenn ein solcher bestellt ist, die Zurückweisung beantragt.
(3) Gegen den Beschluß, durch den der Plan zurückgewiesen wird, steht dem Vorlegenden die sofortige Beschwerde zu.
(1) Auf Antrag eines Gläubigers oder, wenn der Schuldner keine natürliche Person ist, einer am Schuldner beteiligten Person ist die Bestätigung des Insolvenzplans zu versagen, wenn
- 1.
der Antragsteller dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat und - 2.
der Antragsteller durch den Plan voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er ohne einen Plan stünde; ist der Schuldner eine natürliche Person, gilt § 245a entsprechend.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller spätestens im Abstimmungstermin glaubhaft macht, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechtergestellt wird.
(3) Der Antrag ist abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Plans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist. Ob der Beteiligte einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb des Insolvenzverfahrens zu klären.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.