1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber den Rechtsanwälten ... München, von der Erstattung der noch offenen Rechtsanwaltsgebühren gemäß Kostenrechnung vom 16.10.2015 in Höhe von 11.371,05 € freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 22 % und die Beklagte 78 % zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 14.655,45 € festgesetzt.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Freistellung von anwaltlicher Vergütung aufgrund einer Rechtsschutzversicherung in Anspruch.
Der Kläger ist Versicherungsnehmer bei der ... Rechtsschutz-Versicherungs-AG. Es besteht seit 2001 ein Vertrag über Familien- und Verkehrs- Rechtsschutz für Lohn- und Gehaltsempfänger nach § 26 ARB 2001. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1975/2001)“ zugrunde.
Die Bearbeitung deren Rechtsschutz-Leistungsfälle der ... Rechtsschutz-Versicherungs-AG erfolgt durch die Beklagte.
Der Kläger war seit 01.12.2013 bei der ... GmbH (Arbeitgeberin) beschäftigt. Am 29.04.2014 unterschrieb der Kläger einen neuen Dienstvertrag, der rückwirkend zum 01.01.2014 in Kraft trat. Hinsichtlich der Inhalte wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen. Sein Tätigkeitsbereich war die Leitung des Produktmanagements, er war Mitglied der Geschäftsleitung. Es war beabsichtigt, dass der der Kläger im Lauf des Geschäftsjahres 2014 zum Geschäftsführer der ... GmbH berufen werden sollte.
Im Juli 2015 wurde dem Kläger seitens der Arbeitgeberin mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedroht. Er wurde von nahezu allen unternehmerischen Entscheidungen ausgeschlossen und aus der Geschäftsleitungsrunde ausgeladen. Der Kläger schloss letztendlich einen Aufhebungsvertrag zum 30.06.2016.
Der Kläger beauftragte die Rechtsanwälte ... im Juli 2015 mit der außergerichtlichen Beratung und Vertretung gegenüber seiner Arbeitgeberin. Gegenstand der Mandatierung war die Zuwehrsetzung gegen die vertragswidrige Aufgabenentziehung seitens der Arbeitgeberin sowie unter anderem die Abwehr der Kündigung.
Die Anfrage auf Erteilung einer Deckungszusage vom 22.07.2015 wurde mit Schreiben der Beklagten vom 20.08.2015 erstmals abgelehnt. Die Rechtsanwälte ... rechneten gegenüber dem Kläger ihre Tätigkeit mit Kostennote vom 26.10.2015 Vergütung in Höhe von 14.655,45 € aus einem Gegenstandswert von insgesamt 559.800 € ab. Mit Schreiben vom 26.12.2015 ließ der Kläger die Beklagte zur Begleichung der Kostenrechnung auffordern. Eine Zahlung erfolgte nicht.
Der Kläger trägt vor, die beabsichtigte Berufung des Klägers zum Geschäftsführer der Arbeitgeberin sei nicht erfolgt, weshalb der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 d) ARB 2001 nicht greife. Es handle sich bei dem Vertrag vom 29.04.2014 (noch) nicht um einen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Dies ergebe sich in einer Gesamtschau insbesondere aus der Bezeichnung des Klägers als Arbeitnehmer und der Tatsache, dass einzelne Regelungen erst dann zur Anwendung kommen sollten, wenn eine organschaftliche Berufung des Klägers zum Geschäftsführer erfolgte. Die in der Präambel des am 29.04.2014 unterzeichneten Vertrags gewählten Formulierungen seien insoweit missverständlich. Dies ergäbe sich auch aus dem Aufhebungsvertrag, in der von der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen worden sei. Jedenfalls knüpfe der Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1 d) ARB 2001 unabhängig vom Vorliegen eines Geschäftsführeranstellungsvertrags alleine an die Stellung als organschaftlicher Vertreter, die der Kläger nie inne gehabt habe.
Im Zusammenhang mit der Vertragsaufhebung sei über den Inhalt des Zeugnisses, die Freistellung, die Sprachregelung sowie über das im Vertrag vom 29.04.2014 enthaltene Wettbewerbsverbot streitig verhandelt worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber den Rechtsanwälten ... München, von der Erstattung der noch offenen Rechtsanwaltsgebühren gemäß Kostenrechnung vom 16.10.2015 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, weder auf der Ebene des Geschäftsführerdienstvertrags noch auf der Ebene der körperschaftlichen Rechtsbeziehung zur juristischen Person bestehe Versicherungsschutz. Insbesondere komme es nicht darauf an, ob der Kläger bereits Organ der Gesellschaft gewesen sei, da er Interessen aus dem Geschäftsführeranstellungsverhältnis wahrgenommen habe, als welches der Dienstvertrag in der Gesamtschau von Bezeichnung und Regelung, insbesondere aufgrund der erheblichen Vergütung anzusehen sei. Darüber hinaus sei ein Arbeitsvertrag nicht auf fünf Jahre befristbar.
Hinsichtlich der Vergleichsgebühr käme ein gesonderte Ansatz von Gegenstandswerten lediglich für Gegenstände in Betracht, über die zwischen den Parteien hinsichtlich Grund, Art oder Ausmaß Streit bestand und die im Rahmen des Vergleichs eine Regelung erfahren haben und nicht lediglich Bestandteil der Einigung der Parteien in freier Verhandlung geworden sind. Da schon kein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf eine Sprachregelung bestehe, handle es sich insoweit bereits denklogisch um eine Einigung in freier Verhandlung.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf das schriftsätzliche Parteivorbringen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2016 Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet.
A. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg ergibt sich aus § 1 ZPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 23 ZPO und § 215 VVG.
B. Die Klage ist teilweise begründet.
I.
Es besteht ein Anspruch des Klägers auf Freistellung gegenüber den Rechtsanwälten ... gemäß Kostenrechnung vom 16.10.2015 in Höhe von 11.371,05 € gem. § 257 S. 1 BGB i.V.m. dem Versicherungsvertrag und § 126 Abs. 2 S. 2 VVG. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
1. Gem. § 26 Abs. 3 c ARB 1975/2001 umfasst der Versicherungsvertrag die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen.
2. Der zeitlich und örtlich gedeckte Rechtsschutzfall trat gem. § 14 Abs. 3 ARB 1975/2001 mit dem behaupteten Verstoß gegen Rechtspflichten, demnach dem Zeitpunkt in dem die Arbeitgeberin des Beklagten dessen Aufgabenkreis veränderte und die Kündigung androhte, ein.
3. Ein Ausschluss des Versicherungsschutzes gem. § 4 Abs. 1 d) ARB 1975/2001 besteht nicht, da der Kläger keine Interessen aus einem Anstellungsverhältnis gesetzlicher Vertreter juristischer Personen wahrnahm. Bei dem im Zeitpunkt des Eintretens des Rechtsschutzfalls zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin bestehenden Dienstvertrag handelt es sich nicht um ein Anstellungsverhältnis als Geschäftsführer.
a. Die Formulierungen im Vertrag vom 29.04.2014, der mit „Dienstvertrag“ überschrieben und in der Präambel als „Geschäftsführerdienstanstellungsvertrag“ bezeichnet wird und der den Kläger als „Arbeitnehmer“ benennt, können lediglich indizielle Wirkung entfalten. Maßgeblich, ist die durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermittelnde, tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses im Zeitpunkt des Eintritts des Rechtsschutzfalls.
b. Der Vertrag vom 29.04.2014 differenziert zwischen dem Zeitraum vor der ausweislich der Präambel beabsichtigten Berufung des Klägers in die Geschäftsführung der Arbeitgeberin und der folgenden Zeit. Insbesondere in § 1 Abs. 5-7, § 8 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 des Vertrags ergeben sich Pflichten des Klägers, die erst mit der Berufung in die Geschäftsführung der Arbeitgeberin entstehen sollten. Aus der in § 7 Abs. 1 des Vertrags enthaltenen, „derzeit“ geltenden Verweisung hinsichtlich der Vertretungsbefugnis auf den ursprünglich Dienstvertrag vom 09.05.2013 ergibt sich, dass die Parteien die vertragliche Beziehung bis zur Berufung trotz der dem Kläger beispielsweise in § 1 Abs. 1 des Vertrags übertragenen Kompetenzen bis zur Berufung in die Geschäftsführung als Arbeitsverhältnis fortführen wollten. Dass die Parteien hinsichtlich der Höhe der Vergütung keine gestufte Regelung trafen und einen - für den Zeitraum der Durchführung als Arbeitsverhältnis unwirksamen - Kündigungsausschluss aufnahmen (§ 14 Abs. 2 des Vertrags) vermag diese klare zeitliche Differenzierung nicht zu erschüttern.
c. Der Vertrag vom 29.04.2014 wurde im Zeitpunkt des Rechtsschutzfalls auch noch als Arbeitsverhältnis durchgeführt. Die hinsichtlich des Greifens von Ausschlussgründen beweisbelastete Beklagte stellte die bestrittene Berufung des Beklagten zum Geschäftsführer der Arbeitgeberin nicht unter Beweis.
d. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Celle vom 22.05.2008, 8 U 7/08 (r+s 2009, 436). Richtig ist insoweit, dass zwischen der organschaftlichen Stellung und dem Geschäftsführeranstellungsvertrag zu differenzieren ist. Das Urteil des OLG Celle betraf jedoch einen Fall, in dem ein Geschäftsführeranstellungsvertrag trotz der organschaftlichen Abberufung des Geschäftsführers fortbestand. Im vorliegenden Fall bestand zwischen dem Kläger und der Arbeitgeberin im Zeitpunkt des Rechtschutzfalls jedoch weder ein Geschäftsführeranstellungsvertrag noch wurde die organschaftliche Bestellung des Klägers durch die beweisbelastete Beklagte unter Beweis gestellt.
4. Gem. § 2 Abs. 1 a) ARB 1975/2001 i.V.m. § 257 BGB ist der Kläger von der Beklagten hinsichtlich der gesetzlichen Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts freizustellen.
a. Keine Bedenken bestehen hinsichtlich des Ansatzes eines Gegenstandswerts in Höhe von 559.800 € bezüglich der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG:
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•Beendigung des Arbeitsverhältnisses (3 Bruttomonatsgehälter): 139.950 €
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•Zeugnis (1 Bruttomonatsgehalt): 46.650 €
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•Freistellung (1 Bruttomonatsgehalt): 46.650 €
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•Sprachregelung (1 Bruttomonatsgehalt): 46.650 € und
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•Wettbewerbsverbot: (1/2 Bruttojahresgehalt): 279.900 €.
b. Allerdings ist entgegen der klägerischen Berechnung hinsichtlich der Vergleichsgebühr gem. Nr. 1000 VV RVG lediglich ein Gegenstandswert in Höhe von 139.950 € anzusetzen. (Beendigung des Arbeitsverhältnisses). In den Wert eines Vergleichs sind die Werte aller Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Werden in einem Vergleich Leistungspflichten einer Partei festgelegt, kann eine Bewertung daher nur erfolgen, wenn hiermit ein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden soll. (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2009, 17 Ta (Kost) 6011/09, JurBüro 2009, 431). Für die Beseitigung des Streits oder der Ungewissheit ist der Kläger beweisbelastet. Ein Beweisangebot erfolgte nicht. Soweit dies durch die Beklagte bestritten wurde (Zeugnis, Sprachregelung, Freistellung und Wettbewerbsverbot), kommt daher der Ansatz der Gegenstandswerte nicht in Betracht.
c. Unter Zugrundelegung einer unstreitig mit 2,0 anzusetzenden Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG aus einem Gegenstandswert von 559.800 € (7.026 €), einer mit 1,5 Einigungsgebühr aus einem Gegenstandswert von 139.950 € (2.509,50 €) sowie der Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (20 €) ergibt sich ein brutto Honoraranspruch in Höhe von 11.371,05 €.
d. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.