Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss, 12. Nov. 2015 - 5 TaBV 18/15

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2015:1112.5TABV18.15.0A
bei uns veröffentlicht am12.11.2015

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 20.02.2015, Az. 2 BV 47 d/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt der Informations- und Anhörungsrechte des Betriebsrats bei der Personalplanung im Vorfeld von Entscheidungen über die Schließung einzelner Filialen.

2

Bei dem antragstellenden Betriebsrat handelt es sich um den gemeinsamen Betriebsrat der Antragsgegnerin (künftig: Arbeitgeberin) und der N. Y. T.großhandels-, Import- und Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG. Die Arbeitgeberin unterhält in Norddeutschland ca. 60 Filialgeschäfte. In den Filialgeschäften werden weniger als 20 und teilweise auch weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Geschäfte werden in gemieteten Räumen betrieben. Es kommt immer wieder zu Verhandlungen mit den Vermietern bezüglich Beendigung der Mietverhältnisse oder Fortführung zu ggf. geänderten Konditionen. In diesem Zusammenhang werden immer wieder Filialen geschlossen und/oder neu eröffnet. Die Entscheidung der Arbeitgeberin über die Schließung einer Filiale erfolgt je nach Verhandlungssituation mit dem Vermieter oft kurzfristig. Die Arbeitgeberin nimmt keine Personalplanung vorsorglich für den Fall vor, dass es zur Schließung kommt, sondern plant die Personalveränderungen erst nach erfolgter Schließungsentscheidung. Die Arbeitgeberin übergibt dem nach §§ 106 ff. BetrVG gebildeten Wirtschaftsausschuss halbjährlich eine Liste der Personalabteilung, aus der sämtliche Mietverträge ersichtlich sind unter Angabe der Laufzeit, weiterer Verlängerungsoptionen sowie unter Angabe der letzten Möglichkeit zur Kündigung. Die Liste wird zwischen Wirtschaftsausschuss und Arbeitgeberin persönlich besprochen. Nachfragen des Wirtschaftsausschusses werden von der Arbeitgeberin beantwortet. Ferner teilt die Arbeitgeberin dem Wirtschaftsausschuss unter Vorlage negativer Deckungsbeitragsrechnungen mit, welche Filialen aufgrund bestehender Unwirtschaftlichkeit von einer Schließung abstrakt bedroht sind. Die Arbeitgeberin unterrichtet den Betriebsrat unstreitig zeitnah davon, wenn sie einen Mietvertrag gekündigt hat.

3

Am 14.11.2014 hat der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht das vorliegende Beschlussverfahren rechtshängig gemacht.

4

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten,

5

dass die Schließung von Filialen untrennbar mit Personalplanungen i. S. v. § 92 BetrVG verbunden sei. Die Unterrichtung über Personalplanungen müsse im Lichte des Art. 4 Abs. 2 RL 2002/14/EG zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem noch nicht vollendete Tatsachen geschaffen seien. Als Unterrichtungszeitpunkt sei drei Monate vor der beabsichtigten Schließung der Filiale angemessen. Sofern sich die Schließungsgründe erst kurzfristig ergäben, müsse die Arbeitgeberin ihn unverzüglich innerhalb von 14 Tagen unterrichten, um das Konsultationsverfahren durchführen zu können.

6

Der Betriebsrat hat beantragt,

7
1. der Antragsgegnerin aufzugeben, den Antragsteller spätestens drei Monate vor der möglichen Schließung eines Filialgeschäfts wegen z. B. Ablaufs eines befristeten Mietvertrags, einer Kündigung oder einverständlicher Aufhebung eines Mietvertrags oder noch nicht beendeter Verhandlungen eines Anschlussmiet-/nutzungsverhältnisses über den sich aus der möglichen Schließung ergebenden künftigen Personalbedarf zu unterrichten und mit dem Antragsteller über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten, es sei denn, die Gründe für die mögliche Schließung einer Filiale treten erst später ein;
8
2. der Antragsgegnerin aufzugeben, den Antragsteller unverzüglich über die mögliche Schließung eines Filialgeschäfts zu unterrichten, wenn die Gründe für die mögliche Schließung in einem Zeitraum von weniger als drei Monaten vor dem möglichen Schließungszeitpunkt bekannt werden und den Antragsteller über den sich daraus ergebenden künftigen Personalbedarf zu unterrichten und mit dem Antragsteller über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten.
9

Der Arbeitgeberin hat beantragt,

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die Anträge zurückzuweisen.

11

Die Arbeitgeberin hat gemeint,

12

die Anträge seien mangels Bestimmtheitserfordernis unzulässig und darüber hinaus unbegründet. Ihre Personalplanung setze erst ein, wenn die Schließungsentscheidung auch getroffen worden sei, da sich die personelle Situation laufend durch Ein- und Austritte verändere. Zudem räume der Betriebsrat ein, letztlich doch ausreichend über den Wirtschaftsausschuss informiert gewesen zu sein.

13

Wegen des weiteren erstinstanzlichen, insbesondere streitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf Ziff. I der Gründe des angefochtenen Beschlusses einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen.

14

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.02.2015 die Anträge zurückgewiesen. Die als einheitlicher Antrag auszulegenden Anträge seien unzulässig, weil der Antrag nicht hinreichend bestimmt genug sei. Der Begriff „mögliche Schließung“ lasse völlig offen, was damit gemeint sei. Er definiere nicht einmal das Maß der Schließungsgefahr. Auch die erläuternden Beispiele änderten hieran nichts. Der Antrag werde auch nicht dadurch hinreichend bestimmt, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff durch den anderen ersetzt werde: statt „konkrete Schließungsgefahr“ „mögliche Schließung“ und „vergleichbar schwere Fälle“. Die Klärung dieser Begriffe werde damit unzulässiger Weise ins Vollstreckungsverfahren verlagert. Darüber hinaus sei der Antrag aber auch unbegründet. Die Personalplanung sei von der unternehmerischen Planung, an wie vielen Standorten betriebliche Tätigkeit entfaltet werde, klar zu unterscheiden. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG könne der Betriebsrat nicht verlangen, über eine normativ erforderliche aber unterlassene Personalplanung unterrichtet zu werden. Hierdurch würde die Unterrichtungspflicht zu einer Personalplanungspflicht mutieren. Zudem ergebe sich aus § 92 Abs. 2 BetrVG, dass der Betriebsrat Vorschläge zur Einführung und Durchführung einer Personalplanung machen könne. Diese Vorschrift wäre obsolet, wenn bereits eine Verpflichtung zur Personalplanung bestünde. Dem stehe auch Art. 4 Abs. 2b RL 2002/14/EG nicht entgegen. Danach beziehe sich die Unterrichtungspflicht auf zu planende antizipative Maßnahmen, aber nicht auf erst zu planende antizipative Maßnahmen.

15

Gegen diesen ihm am 04.03.2015 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 18.03.2015 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschwerde eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 04.06.2015 am 19.05.2015 begründet.

16

Der Betriebsrat trägt vor,

17

sein Antrag sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts zulässig. Die Präzisierung des Antrags erfolge dadurch, dass drei Monate vor einer möglichen Schließung die Unterrichtung verlangt werde. Zum Unterrichtungszeitpunkt müsse sich infolgedessen die Möglichkeit der Schließung der Filiale konkretisiert haben. Laufe ein befristeter Mietvertrag aus, stehe dieser Zeitpunkt fest, sodass spätestens drei Monate vorher zu unterrichten sei. Entsprechendes gelte für die Kündigung des Mietvertrages. Auch dann bestehe die Schließungsgefahr, weil die rechtliche Nutzungsmöglichkeit entfalle. Der Antrag sei auch begründet. Die Arbeitgeberin entziehe sich der Unterrichtungspflicht nach § 92 Abs. 1 BetrVG, indem sie sich trotz auslaufender bzw. gekündigter Mietverträge über die Beschäftigungsmöglichkeiten des hiervon betroffenen Personals keine Gedanken mache. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass für ihn, den Betriebsrat, in diesem Falle keine rechtliche Handhabe bestehe, die Arbeitgeberin zu zwingen, ihn über den Personaleinsatz und die Personalplanung zu unterrichten, widerspreche den Zielsetzungen der Richtlinie 2002/14/EG. Allein der Begriff „geplanten antizipativen Maßnahmen“ in Art. 4 Abs. 2b RL 2002/14/EG bedeute nicht, dass für die Unterrichtung eine vorherige Planung vorausgesetzt werde. So werde in der englischen und französischen Übersetzung der Begriff „ins Auge gefasste Maßnahme“ (envisaged) verwendet. Damit solle den Betriebsparteien die Basis für eine präventive betriebliche Beschäftigungspolitik sowie für Maßnahmen der Umschulung und Qualifizierung ermöglicht werden. Dieser Zweck werde jedoch unterlaufen, wenn die Unterrichtung gemäß § 92 BetrVG erst dann einsetzte, wenn die Personalplanung tatsächlich durchgeführt worden sei bzw. antizipative Maßnahmen bereits geplant und nicht lediglich ins „Auge gefasst“ worden seien. Drei Monate vor dem Ende der rechtlichen Nutzungsmöglichkeit der Geschäftsräume einer Filiale und der damit einhergehenden sich konkret abzeichnenden Filialschließung müsse von einer „Bedrohung für die Beschäftigten“ i. S. V. Art. 4 Abs. 2b RL 2002/14/EG auszugehen sein. Seit Anfang 2015 erteile die Arbeitgeberin die von ihm, dem Betriebsrat, gewünschten Informationen im Hinblick auf die von Schließung bedrohten Filialen. Dies ergebe sich auch aus der Email des Verkaufsleiters vom 24.02.2015 (Bl. 117 d. A.).

18

Der Betriebsrat erklärt,

19

im Hinblick auf die von dem Verkaufsleiter N. mit der Email vom 23.02.2015 beschriebenen Verfahrensweise das Beschlussverfahren für erledigt.

20

Der Arbeitgeberin widerspricht

21

der Erledigungserklärung und beantragt,

22

die Beschwerde zurückzuweisen.

23

Die Arbeitgeberin trägt vor,

24

der Antrag des Betriebsrats sei von Anfang an unzulässig und unbegründet gewesen. Insoweit verteidigt er den angefochtenen Beschluss. Der Antrag sei zu unbestimmt. Ihm könne nicht entnommen werden, was von ihr verlangt werde. Auch durch die Beispielsfälle sei nicht klargestellt worden, was unter einer „möglichen Schließung“ zu verstehen sei. Der Antrag stelle gerade nicht auf ein feststellbares Datum der Unterrichtung ab. Eine Unterrichtung über die Personalplanung könne erst dann einsetzen, wenn eine solche auch vorgenommen werde. Sie, die Arbeitgeberin, nehme eine Personalplanung aber erst dann vor, wenn sie endgültig davon ausgehe, eine Filiale nicht mehr betreiben zu können oder zu wollen. Der Antrag sei auch unbegründet. Die Unterrichtungspflicht nach § 92 BetrVG i. V. m. der Richtlinie 2002/14/EG setze erst dann ein, wenn der Arbeitgeber mit der Personalplanung beginne und nicht früher. Zudem sei der Betriebsrat über die Eckdaten der Mietverhältnisse unstreitig informiert. Weitere Informationen könnten nicht gegeben werden, weil im Hinblick auf die Personalplanung vor der unternehmerischen Entscheidung, eine Filiale schließen zu wollen, keine weiteren Informationen vorlägen.

25

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf den Inhalt der in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze sowie der Sitzungsniederschrift vom 12.11.2015 verwiesen.

II.

26

Die Beschwerde ist unzulässig.

27

1.  Eine zulässige Beschwerde setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung materiell-rechtlich noch beschwert ist (Germelmann, ArbGG, 7. Auflage, Rn. 7 zu § 89). Eine solche Beschwer liegt vor, wenn der Beteiligte in seiner Rechtsstellung, die seine Beteiligung begründet, in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird. Allein der Umstand, dass seinem erstinstanzlichen Antrag nicht entsprochen wurde, reicht hierfür nicht aus (vgl. LAG Köln, Beschl. v. vom 07.05.1992 - 6 (13) TaBV 7/92 -, LAGE § 87 ArbGG 1979 Nr. 2). Sofern durch Zeitablauf oder durch Eintritt eines erledigenden Ereignisses (z. B. Erfüllung) das Rechtsschutzinteresse für den erstinstanzlichen zurückgewiesenen Antrag noch vor Einlegung der Beschwerde entfällt, fehlt es im betriebsverfassungsrechtlichen Beschluss an der erforderlichen Beschwer.

28

2.  Hieran gemessen war der Betriebsrat durch die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts jedenfalls seit Ende Februar 2015 nicht mehr beschwert. Mit Eintritt des erledigenden Ereignisses entfällt im betriebsverfassungsrechtlichen Beschwerdeverfahren regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel. Die Arbeitgeberin hat mit der E-Mail vom 24.02.2015 dem Antrag des Betriebsrats, möglichst frühzeitig (drei Monate) vor einer möglichen Schließung eines Filialgeschäfts über die Personalplanung informiert zu werden, (freiwillig) entsprochen. Er hat eine mit dem Betriebsrat abgesprochene Verfahrensweise vorgeschlagen, die in vollem Umfang die mit dem Antrag des Betriebsrats verfolgten Informationswünsche berücksichtigt und hält sich auch an diese Verfahrensweise. Dies hat die Betriebsratsvorsitzende in der Beschwerdeinstanz bestätigt. Infolgedessen hat der Prozessvertreter des Betriebsrats in der Beschwerdeverhandlung den Antrag auch für erledigt erklärt. Die für die Beschwerdeeinlegung erforderliche Beschwer liegt nicht vor, wenn die Arbeitgeberin sich - wie vorliegend - zwischenzeitlich, d. h. zwischen den Instanzen, antragsgemäß verhält bzw. die eingeklagten Unterrichtungsrechte nach § 92 Abs. 1 BetrVG (freiwillig) erfüllt.

29

Der Betriebsrat hat erst am 18.03.2015 und damit nach Eintritt des erledigenden Ereignisses vor dem Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt. Vorliegend ist das erledigende Ereignis indessen Anfang 2015, spätestens aber mit der schriftlichen Fixierung der Verfahrensweise der hier strittigen Informationsrechte gemäß § 92 Abs. 1 BetrVG des Betriebsrats vom 24.02.2015 eingetreten. Der Betriebsrat war durch Eintritt des erledigenden Ereignisses zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung nicht mehr beschwert. Die Durchführung des Beschwerdeverfahrens liefe in einem derartigen Fall auf die Erteilung eines reinen Rechtsgutachtens hinaus. Hierfür sind die Beschwerdegerichte indessen nicht berufen.

30

3.  Nach alledem war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen bzw. zu verwerfen. Eine Einstellung des betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahrens auch für den Fall, dass die übrigen Beteiligten der Erledigung widersprechen (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 04.05.2011 - 8 TaBVGa 5/10 - juris), kommt nur in Betracht, wenn das erledigende Ereignis erst während des zulässig eingelegten Beschwerdeverfahrens eintritt.


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(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt. (2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 92 Personalplanung


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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 04. Mai 2011 - 8 TaBVGa 5/10

bei uns veröffentlicht am 04.05.2011

Tenor Das Verfahren wird wegen Erledigung eingestellt. Gründe I. 1 Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Berechtigung der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.), in der Zeit vom 24.12. bis

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(1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen einschließlich der geplanten Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und Maßnahmen der Berufsbildung anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er hat mit dem Betriebsrat über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten.

(2) Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für Maßnahmen im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2a und 2b, insbesondere für die Aufstellung und Durchführung von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Gleiches gilt für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen nach § 80 Absatz 1 Nummer 4.

(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt.

(2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 88 bis 91 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) In erster Instanz zu Recht zurückgewiesenes Vorbringen bleibt ausgeschlossen. Neues Vorbringen, das im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 83 Abs. 1a gesetzten Frist nicht vorgebracht wurde, kann zurückgewiesen werden, wenn seine Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verzögerung nicht genügend entschuldigt. Soweit neues Vorbringen nach Satz 2 zulässig ist, muss es der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung, der Beschwerdegegner in der Beschwerdebeantwortung vortragen. Wird es später vorgebracht, kann es zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung oder der Beschwerdebeantwortung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung; § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen einschließlich der geplanten Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und Maßnahmen der Berufsbildung anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er hat mit dem Betriebsrat über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten.

(2) Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für Maßnahmen im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2a und 2b, insbesondere für die Aufstellung und Durchführung von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Gleiches gilt für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen nach § 80 Absatz 1 Nummer 4.

Tenor

Das Verfahren wird wegen Erledigung eingestellt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Berechtigung der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.), in der Zeit vom 24.12. bis 31.12.2010 Arbeitnehmer zu beschäftigen.

2

Der Antragsteller ist der Betriebsrat des von der Arbeitgeberin betriebenen Werks in Höhr-Grenzhausen. Die Arbeitgeberin unterhält darüber hinaus noch einen Produktionsbetrieb in A-Stadt. Am 15.10.2009 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung, die u.a. folgende Regelung enthält:

3

„Für folgende Tage in 2010 wird Betriebsruhe vereinbart:

[...] 

Betriebsruhe: vom 24.12. bis 31.12.2010 (5 Urlaubstage)“

4

Die Arbeitgeberin beabsichtigte, den Betrieb in Höhr-Grenzhausen in das etwa 170 km entfernte A-Stadt zu verlegen. Diesbezüglich besteht ein zwischen den Beteiligten vereinbarter Sozialplan.

5

Die Arbeitgeberin kündigte den Mietvertrag über das von ihr gemietete Werksgelände in Höhr-Grenzhausen zum 3.12.2010. Nachdem sich die Räumung des Betriebs in Höhr-Grenzhausen unvorhergesehen verzögerte, gelangte die Arbeitgeberin zu der Auffassung, der Personalbedarf für den Rückbau in Höhr-Grenzhausen und den Aufbau am Standort A-Stadt habe sich für den Zeitraum vom 27.12.2010 bis 30.12.2010 erhöht. Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Antragsteller über die Aufhebung bzw. Abänderung der Betriebsvereinbarung vom 15.10.2009, der eine Betriebsruhe für diesen Zeitraum vorsieht, scheiterten.

6

Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin mit Schreiben vom 23.11.2010 die betreffende Betriebsvereinbarung fristlos.

7

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Die Betriebsvereinbarung vom 15.10.2009 sei weiterhin zu beachten. Zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts sei es geboten, der Arbeitgeberin den Einsatz von Mitarbeitern während der Zeit der Betriebsruhe im Wege einer einstweiligen Verfügung zu untersagen.

8

Der Betriebsrat hat beantragt:

9

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, im Zeitraum 24. Dezember bis 31. Dezember 2010 die am Stichtag 23. November 2010 (Kündigung der Betriebsvereinbarung durch die Arbeitgeberin) in Höhr-Grenzhausen beschäftigten Mitarbeiter im Werk Höhr-Grenzhausen oder A-Stadt einzusetzen.

10

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

11

den Antrag zurückzuweisen.

12

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Betriebsvereinbarung sei wirksam gekündigt worden. Für den betreffenden Zeitraum bestehe ein erhöhter Personalbedarf. Für den Fall, dass der Umzug nach A-Stadt nicht fristgerecht abgeschlossen werden könne, drohe ein erheblicher finanzieller Schaden. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe nicht mehr, weil sich eine hinreichende Anzahl von Mitarbeitern bereit erklärt habe, freiwillig in der Zeit der Betriebsruhe zu arbeiten.

13

Zur Darstellung aller weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.12.2010 (Bl. 55 - 57 d.A.) Bezug genommen.

14

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.12.2010 dem Antrag stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 - 6 dieses Beschlusses (=Bl. 57 - 59 d.A.) verwiesen.

15

Gegen den ihr am 28.12.2010 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 28.12.2010 Beschwerde eingelegt und diese am 23.02.2011 begründet.

16

Die Arbeitgeberin macht u.a. geltend, der Antrag des Betriebsrats sei im Hinblick auf den eingetretenen Zeitablauf bereits mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Darüber hinaus sei der Antrag im Übrigen mangels eines Verfügungsanspruchs sowie eines Verfügungsgrundes unbegründet.

17

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren wird auf deren Beschwerdebegründungsschrift vom 23.02.2011 (Bl. 107 - 119 d.A.) Bezug genommen.

18

Die Arbeitgeberin beantragt,

19

den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und den Antrag des Betriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

20

Der Betriebsrat, der im Beschwerdeverfahren zunächst seinen Antrag weiter verfolgte, hat im Anhörungstermin vom 04.05.2011 das Verfahren für erledigt erklärt. Die Arbeitgeberin hat der Erledigungserklärung des Betriebsrats nicht zugestimmt.

II.

21

Das Verfahren ist aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs erledigt. Es ist daher einzustellen.

22

Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kann in den Rechtsmittelinstanzen das Verfahren für erledigt erklärt werden. Erklärt der Antragsteller das Verfahren für erledigt und stimmen die übrigen Beteiligten nicht zu, so hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist oder nicht (BAG v. 26.04.1990 - 1 ABR 79/89 - BAGE 65, 105). Liegt ein erledigendes Ereignis vor, so ist das Verfahren einzustellen. Darauf, ob der Antrag von Anfang an zulässig und begründet war, kommt es nicht an (BAG v. 27.08.1996 - 3 ABR 21/95 - AP Nr. 4 zu § 83 a ArbGG 1979).

23

Voraussetzung für die Einstellung des Verfahrens ist zunächst eine wirksame Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz. Eine solche liegt vor. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist insgesamt zulässig, so dass das Verfahren wirksam in die Beschwerdeinstanz gelangt ist und somit dort für erledigt erklärt werden konnte.

24

Es liegt auch ein erledigendes Ereignis vor. Ein solches Ereignis ist gegeben, wenn nach der Rechtshängigkeit des Antrags tatsächliche Umstände eingetreten sind, aufgrund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unbegründet oder unzulässig abgewiesen werden müsste (BAG v. 26.04.1990 - 1 ABR 79/89 - BAGE 65, 105).

25

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Durch den zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablauf ist ein erledigendes Ereignis eingetreten. Der im Verfügungsantrag bezeichnete Zeitraum, für den der Betriebsrat die Untersagung der Beschäftigung von Mitarbeitern begehrt, ist abgelaufen. Eine diesbezüglich Regelung könnte daher keine Wirkung mehr entfalten. Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass ein zeitlich befristeter Unterlassungstitel auch nach Zeitablauf unverändert rechtsbeständig bleibt und bei während des Verbotszeitraums begangenen Zuwiderhandlungen die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO bildet (vgl. BGH v. 23.10.2003 - I ZB 45/02 - NJW 2004, 506; OLG Nürnberg v. 20.10.1995 - 3 W 2862/95 - WRP 1996, 145). Die Zwangsvollstreckung nach § 890 Abs. 1 ZPO durch Verhängung eines Ordnungsgeldes und ersatzweiser Ordnungshaft erfordert zunächst eine entsprechende Androhung (§ 890 Abs. 2 ZPO), die der Zuwiderhandlung zeitlich voran gehen muss. Vorliegend enthält weder der erstinstanzliche Beschluss eine solche Androhung, noch ist diese nachträglich erfolgt. Etwaige Zuwiderhandlungen der Arbeitgeberin gegen die erstinstanzlich titulierte, zeitlich begrenzte Unterlassungsverfügung können daher nicht mehr im Wege der Zwangsvollstreckung geahndet werden. Eine Entscheidung des vorliegenden Verfahrens hätte demnach keine Rechtswirkung mehr; sie liefe auf ein Rechtsgutachten hinaus. Hierfür fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag des Betriebsrats wäre daher nunmehr unzulässig. Damit sind Umstände eingetreten, aufgrund derer der Antrag des Betriebsrats jedenfalls jetzt abgewiesen werden müsste.

26

Das Verfahren war daher wegen Erledigung einzustellen.