Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 07. Aug. 2018 - 1 Sa 23/18

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2018:0807.1SA23.18.00
07.08.2018

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.12.2017 – 3 Ca 381 e/17 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger ist seit dem 04.11.2006 bei der V. C. S. GmbH (VCS), einer Konzerntochter der Beklagten am Standort R. beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Mit der Bearbeitung der Personalangelegenheiten im Konzern – auch für die VCS – ist die Abteilung HR Business Services der D. T. S. E. GmbH (DTSE) beauftragt. Für die Beklagte gilt eine Konzernrichtlinie (Bl. 114 – 127 d.A.), nach der sämtliche Dokumente – bis auf wenige hier nicht relevante Ausnahmen – mit zwei Unterschriften zu zeichnen sind. Nach § 5 des zwischen der Beklagten und ver.di abgeschlossenen Manteltarifvertrages bedarf der Abschluss eines Arbeitsvertrages der Schriftform.

3

Anfang 2016 zeichnete sich ab, dass die VCS im Jahr 2016 ihren Standort in R. schließen werde. Für den Kläger wurde eine andere Beschäftigungsmöglichkeit im Konzern gesucht, um ihn wohnortnah beschäftigen zu können.

4

Mit E-Mail vom 28.4.2016 übersandte der Mitarbeiter O. des Bereichs Business Projects (BPR) der Beklagten an den Kläger diverse Willkommensinformationen (Anlage K 2, Bl. 8 – 22 d.A.). In der E-Mail stellte sich Herr O. als zukünftiger Ansprechpartner und „fachliche Führungskraft“ des Klägers vor. Der BPR war auf der Grundlage eines Werkvertrages zwischen der D. T. T. GmbH (DTT) und der Beklagten mit der Durchführung eines Projekts in R. beauftragt. Im Rahmen einer Telefonkonferenz am 11.05.2016 teilte Herr O. unter anderem dem Kläger mit, dass er zum 1.06.2016 zur Beklagten „wechseln“ werde. In einer weiteren Telefonkonferenz am selben Tag bestätigte auch der Personalchef der VCS K., dass ein Wechsel unter anderem des Klägers zur Beklagten abgesprochen worden sei. Ebenfalls am selben Tag übersandte der Kläger die ihm mit den Willkommensinformationen zugeleitete Einverständniserklärung, in der er sich damit einverstanden erklärte, zum 01.06.2016 auf einen Personalposten mit der Bewertung T 5 als Supporter Projektmanagement im Bereich BPR mit Regelarbeitsstätte in R. versetzt zu werden (Anlage K 3, Bl. 23 d.A.) sowie eine Einverständniserklärung zur Datenverarbeitung und eine Vertraulichkeitsverpflichtung (Bl. 24/25 d.A.) an die Beklagte zurück. Die Beklagte bat ihren Betriebsrat um Zustimmung zur Einstellung des Klägers. Der Betriebsrat stimmte zu.

5

Mit Schreiben vom 17.05.2016 übersandte die Abteilung HR Business Services dem Kläger einen Auflösungsvertrag für sein Arbeitsverhältnis mit der VCS zum 31.05.2016. Diesen unterzeichnete der Kläger nicht, da er noch keinen schriftlichen Arbeitsvertrag von der Beklagten bekommen hatte. Ab 01.06.2016 war der Kläger entsprechend seinem Einverständnis als Supporter Projektmanagement tätig. Anders als bei der VCS betrug seine wöchentliche Arbeitszeit entsprechend dem Tarif der Beklagten 34 Stunden, nicht mehr 38 Stunden. Mit E-Mail vom 26.08.2016 bat der Kläger um eine Bestätigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der Beklagten. In einer Telefonkonferenz am 20.09.2016 wurde dem Kläger und weiteren Mitarbeitern erklärt, es liege ein „Fehler“ vor; der Einsatz des Klägers solle im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung erfolgen. Dem Kläger wurde eine auf den 23.09.2016 datierte, von der VCS bereits unterzeichnete Zusatzvereinbarung zu seinem Anstellungsvertrag mit der VCS übersandt. Diese lautet auszugsweise:

6

„§ 1 Konzern-Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitszeit

7

8

2. Die Gesellschaft ist berechtigt, Sie im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses ab dem 01.10.2016 befristet bis zum Ablauf des 31.12.2017 im Berufsbild/Tätigkeitsfeld Service Center Agent mit 100 % Ihrer mit der Gesellschaft vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit an Dritte (Entleiher)  … zu überlassen.

9

3. Ihr Einsatz erfolgt beim Entleiher D. T., Betrieb T. P. S. für die Tätigkeit als Supporter Projektmanagement.

10

…“

11

Wegen des weiteren Inhalts der Zusatzvereinbarung wird auf die Anlage K 8 (Bl. 34 – 37 d.A.) verwiesen. Der Kläger unterzeichnete diesen Vertrag zunächst unter Vorbehalt, dann im Oktober 2016 – auf Drängen der VCS – vorbehaltlos. Tatsächlich schloss die VCS den Standort R. zum 30.09.2016. Sein Gehalt erhielt der Kläger über den 31.05.2016 hinaus durchgehend von der VCS.

12

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien seit dem 01.06.2016 ein Arbeitsverhältnis besteht.

13

Hierzu hat er vorgetragen: Durch das Vorgehen der Beklagten ab dem 01.06.2016 sei zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. So stehe der Auflösungsvertrag mit der VCS im unmittelbaren Zusammenhang mit der Neubegründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Interne Vorgaben der Beklagten zur Schriftform seien belanglos; im Übrigen würden schriftliche Verträge häufig erst nach der Arbeitsaufnahme geschlossen. Er sei – unstreitig – auch im Personalsystem der Beklagten eingetragen. Dort fänden sich seine Vertragsdaten und persönliche Informationen wie seine Kontoverbindung. Er sei auch nicht im Wege der Arbeitnehmerüberlassung tätig gewesen. So weise die Willkommensmappe aus, dass er sich bei der Beklagten krank melden und dort seinen Urlaub anmelden müsse. Das sei bei Leiharbeit anders. Die Beklagte verstoße auch gegen die Vorschriften des AÜG, auf das Konzernprivileg könne sie sich nicht berufen.

14

Der Kläger hat beantragt

15

festzustellen, dass seit dem 01.06.2016 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

16

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Sie hat vorgetragen: Herr O. sei – unstreitig – nicht zum Abschluss von Arbeitsverträgen bevollmächtigt, ebenso wenig Herr K. als Personalchef eines anderen Unternehmens. Äußerungen im Rahmen einer Telefonkonferenz hätten auch nicht die Qualität eines Vertragsangebots. Den erforderlichen schriftlichen Vertragsschluss gebe es nicht. Der Kläger sei bereits ab 01.06.2016 im Wege der Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt gewesen. Insoweit benötige die VCS wegen des Konzernprivilegs keine Genehmigung, die sie im Übrigen aber auch besitze. Aus diesem Grund seien ihm auch die Willkommensunterlagen übersandt worden. Er habe den Auflösungsvertrag mit der VCS nicht unterzeichnet und in dem Zusatzvertrag das Bestehen des Arbeitsverhältnisses mit der VCS bestätigt.

19

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Parteien hätten einen Arbeitsvertrag zum 01.06.2016 geschlossen. Ein entsprechendes Angebot sei von Herrn O. am 11.05.2016 abgegeben und von der Beklagten in der Folgezeit durch schlüssiges Verhalten genehmigt worden. Dieses Angebot habe der Kläger durch die Arbeitsaufnahme ab 01.06.2016 angenommen. Interne Vorschriften und Beschränkungen bei der Beklagten müsse der Kläger nicht gegen sich gelten lassen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

20

Gegen das am 08.01.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.02.2018 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 09.04.2018 am 06.04.2018 begründet.

21

Sie ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag wie folgt: Bei der Abwicklung des Einsatzes des Klägers im Bereich BPR sei sie zunächst fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Kläger noch bei ihr beschäftigt sei, weil er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die VCS im Jahr 2007 widersprochen habe.

22

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei zwischen den Parteien nicht stillschweigend ein Arbeitsvertrag geschlossen worden. Herr O. sei zur Abgabe eines Vertragsangebots unstreitig nicht bevollmächtigt gewesen. Ihre Mitarbeiter gäben auch erkennbar keine bindenden (Arbeitsvertrags-) Angebote in Telefonkonferenzen ab. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Entscheidung des BAG sei nicht vergleichbar. Es fehle an der tariflich vorgeschriebenen Schriftform. Die Arbeitsaufnahme durch den Kläger und die Entgegennahme von Leistungen durch die Beklagte seien auf Grundlage eines offenen Dissenses über die rechtliche Grundlage erfolgt. Für die Annahme einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht fehle es an belastbaren Tatsachen. Die Annahme eines faktischen Arbeitsverhältnisses scheide ebenfalls aus.

23

Das AÜG finde auf die Überlassung des Klägers keine Anwendung; im Übrigen sei die VCS im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

24

Die Beklagte beantragt,

25

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.12.2017 – 3 Ca 381 e/17 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

26

Der Kläger beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Er erwidert: Bereits im Oktober 2014 seien die Mitarbeiter des Standortes R. von dessen Schließung informiert worden. Den Mitarbeitern des Standortes R. sei stets mitgeteilt worden, es sei ein Wechsel zur Beklagten vorgesehen. Die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag sei unter Druck geschlossen worden, sie könne sich nicht auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten auswirken. Er bestreite vorsorglich, dass die VCS zum 01.06.2016 im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gewesen sei und dass er ab 01.06.2016 auf Basis eines Werkvertrags eingesetzt gewesen sei. Herr O. sei sein regelmäßiger Ansprechpartner gewesen, einen eigentlichen Ansprechpartner bei der VCS habe er nicht mehr gehabt. Auch sei der Betriebsrat der Beklagten zu einer Einstellung angehört worden, er beantrage die Vorlage des Anhörungsformulars. Dass bei der Beklagten ein Missverständnis über seine vertragliche Zuordnung bestanden habe, sei nicht nachvollziehbar und werde ebenfalls bestritten. Hier solle ein „Fehler“ im Nachhinein plausibel gemacht werden. Herr K. habe den Wechsel zur Beklagten mitgeteilt, weil er sich zuvor mit dem Verantwortlichen der Beklagten K. abgesprochen habe. Das tarifliche Schriftformerfordernis für Arbeitsverträge sei ihm nicht bekannt, ein Verstoß hiergegen führe auch nicht zur Unwirksamkeit eines mündlich geschlossenen Vertrags. Das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass ein Arbeitsvertrag zustande gekommen und von der Beklagten über Monate geduldet worden sei.

29

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe

30

Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. c. ArbGG statthafte form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Sie ist als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet. Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.06.2016 ein Arbeitsverhältnis.

31

I. Ein solcher Arbeitsvertrag ist zwischen den Parteien zum 01.06.2016 nach den Grundsätzen des Allgemeinen Teils des BGB zustande gekommen.

32

1. Ein Arbeitsvertrag wird nach Maßgabe der §§ 145 ff BGB durch Antrag und Annahme geschlossen. Die aufeinander bezogenen Willenserklärungen können mündlich, schriftlich ausdrücklich oder konkludent durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden (Schaub-Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 17. Auflage, § 32, Rn. 3 m.w.N.). Schlüssig kann ein Arbeitsvertrag etwa zustande kommen durch eine Realofferte und deren konkludente Annahme. Entscheidend ist, ob durch ein bestimmtes Verhalten der Parteien ihr übereinstimmender Wille zum Ausdruck kommt, einander zu den tatsächlich erbrachten Leistungen arbeitsvertraglich verbunden zu sein (vgl. BAG vom 17.04.2013 – 10 AZR 272/12).

33

2. Danach ist zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen.

34

a) Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts hat die Beklagte den Abschluss eines Arbeitsvertrags nicht durch ein – zunächst vollmachtloses – Angebot durch Herrn O. im Rahmen einer Telefonkonferenz am 11.05.2016 unterbreitet. Dies folgt aus einer Auslegung der Erklärung gemäß den §§ 133, 157 BGB auf der Grundlage des Empfängerhorizonts. Diese ergibt, dass Herr O. eine „Wissenserklärung“, keine Willenserklärung abgegeben hat.

35

Das folgt zunächst schon aus dem Wortlaut der Erklärung selbst. Herr O. hat nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien erklärt, der Kläger – und etwaige Kollegen – würden zur Beklagten wechseln. Damit nimmt er erkennbar Bezug auf einen anderweitigen Vorgang, unterbreitet damit aber selbst noch nicht das Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags.

36

Ferner sprechen gegen die Annahme eines rechtsverbindlichen Vertragsangebots durch Herrn O. die Umstände der Erklärung. Vertragsangebote an Arbeitnehmer werden typischerweise nicht in einer Telefonkonferenz abgegeben. Das ist nicht nur bei der Beklagten, sondern im Erwerbsleben überhaupt gänzlich ungewöhnlich. Hinzu kommt, dass Herr O. als Projektleiter ganz offensichtlich nicht bevollmächtigt war, die Beklagte durch den Abschluss von Arbeitsverträgen zu verpflichten. Der Kläger hatte auch keinen Anlass anzunehmen, Herr O. wolle als vollmachtloser Vertreter handeln. Es ist nicht ersichtlich, warum er ein entsprechendes Risiko hätte eingehen wollen. Diese Umstände waren auch für den Kläger ersichtlich, da sich Herr O. ihm gegenüber ausdrücklich als „fachliche“ Führungskraft vorgestellt hatte, nicht als Personalvorgesetzter.

37

Auch dass Herr O. zusammen mit der E-Mail, mit der er sich vorgestellt hat, die „Willkommensinformationen“ übersandt hatte, lässt nicht den Schluss zu, er unterbreite auch ein rechtsverbindliches Angebot für die Beklagte. Vielmehr durfte der Kläger nur darauf vertrauen, dass von der Beklagten noch ein entsprechendes Angebot abgegeben werden würde, nicht aber, dass dieses durch Herrn O. abgegeben werden sollte.

38

Letztlich belegt wird diese Einschätzung dadurch, dass auch in der weiteren Telefonkonferenz am selben Tag der Personalchef der VCS K. mit dem Kläger über die Absprache eines Wechsels von der VCS zur Beklagten gesprochen hat. Dies stellte ebenfalls erkennbar allein eine Information des Klägers dar, ohne die vertragliche Grundlage eines Wechsels für den Kläger begründen zu sollen. Am 11.05.2016 sollte der Kläger damit sowohl vom alten als auch vom neuen Vertragspartner darüber informiert werden, dass die Absicht bestand, ihm einen Arbeitsvertrag bei der Beklagten anzubieten.

39

Weitere ausdrückliche Erklärungen der Beklagten, die als Angebot eines Arbeitsverhältnisses angesehen werden könnten, sind von den Parteien nicht dargetan.

40

b) Die Parteien haben ihren Arbeitsvertrag aber durch schlüssiges Verhalten begründet.

41

aa) Mit Aufnahme der Arbeit ab 01.06.2016 hat der Kläger gegenüber der Beklagten ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abgegeben. Diese durfte sein Handeln nur dahin verstehen, dass es auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten gerichtet war.

42

Der Kläger war ab dem 01.06.2016 im Bereich BPR der Beklagten in R. als Supporter Projektmanagement tatsächlich tätig. Das entsprach der Tätigkeit, die dem Kläger zusammen mit den Willkommensinformationen bestätigt worden war und unterschied sich von der Tätigkeit, die der Kläger bis zum 31.05.2016 für die VCS ausgeübt hatte. Ab diesem Zeitpunkt nahm der Kläger auch Weisungen durch den fachlich vorgesetzten Mitarbeiter der Beklagten O. entgegen. Er arbeitete nach Maßgabe der für die Beklagte maßgeblichen Arbeitszeit von 34 Wochenstunden, statt wie bisher bei der VCS von 38 Wochenstunden.

43

Dieses Tätigwerden des Klägers konnte von der Beklagten nur als Realofferte zum Abschluss eines Arbeitsvertrags verstanden werden. Dem Kläger war ein Aufhebungsvertrag zum 31.05.2016 übersandt worden, was die Beklagte wusste. Ihm war ein Wechsel zur Beklagten ausdrücklich in Aussicht gestellt worden. Einen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger in Form der Arbeitnehmerüberlassung für die Beklagte tätig sein sollte, hatte dieser nicht. Auch das war der Beklagten bekannt. Vor dem 01.06.2016 war der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei anderen eingesetzt worden. Das haben die Beklagtenvertreter im Berufungstermin noch einmal ausdrücklich ausgeführt. Der Kläger hatte also überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass er ab dem 01.06.2016 nicht zur Beklagten wechseln sollte, sondern im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei dieser tätig sein sollte. Etwas anderes war für den Kläger auch aus den „Willkommensunterlagen“ an keiner Stelle ersichtlich. Vielmehr spricht die dort getroffene Regelung zur Krankmeldung und Urlaubseinreichung für einen Einsatz als Arbeitnehmer.

44

bb) Das vom Kläger schlüssig abgegebene Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu den ihm bereits mitgeteilten Bedingungen als Supporter Projektmanagement mit der Bewertung T 5 hat die Beklagte dadurch angenommen, dass sie die Arbeitsleistungen des Klägers ab dem 01.06.2016 widerspruchslos entgegengenommen hat. Dies konnte vom maßgeblichen Empfängerhorizont des Klägers nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte mit dem Abschluss eines Arbeitsvertrags einverstanden war. Insoweit liegt auch entgegen der Auffassung der Beklagten kein offener Dissens zwischen den Parteien vor. Die Beklagte hat vor dem 01.06.2016 und bis in den September 2016 hinein zu keiner Zeit gegenüber dem Kläger kommuniziert, es solle eine Arbeitnehmerüberlassung stattfinden. Alle ihre Erklärungen waren auf die Beschäftigung als Arbeitnehmer gerichtet. Dies war auch der Wille des Klägers, so dass ein Dissens gerade nicht vorliegt.

45

Ob die Beklagte irrtümlich davon ausging, bereits ein Arbeitsverhältnis begründet zu haben und sich nicht bewusst war, selbst konkludente Erklärungen abzugeben, ist unerheblich. Ein etwaig fehlendes Bewusstsein, dass ein schlüssiges Verhalten vom Erklärungsempfänger als Willenserklärung beurteilt wird, berechtigt den Erklärenden nicht zur Anfechtung (Palandt, 75. Auflage, Einführung vor § 116 Rn. 17).

46

Der Annahme, die Beklagte habe das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen, steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger sein Gehalt weiter durch die VCS erhielt. Hieraus musste der Kläger nicht schließen, dass die Beklagte sein Vertragsangebot nicht annehmen wollte. Der Kläger hatte den Aufhebungsvertrag mit der VCS gerade nicht unterzeichnet. Diese war weiterhin sein Arbeitgeber neben der Beklagten, wobei es nach dem Vortrag der Parteien auch unstreitig ist, dass der fehlende schriftliche Arbeitsvertrag von der Abteilung HR Business Services mit einer Überlastung im Personalbereich begründet worden war. Der Kläger konnte also davon ausgehen, dass mit Unterzeichnung des zu erwartenden Arbeitsvertragsformulars der Beklagten diese dann auch die Gehaltszahlungen übernehmen und zwischenzeitlich eine Verrechnung zwischen der Beklagten und der VCS erfolgen würde.

47

3. Der Inhalt der Einigung war schließlich auch hinreichend bestimmt. Die Vertragsparteien standen fest. Die Tätigkeit und die dafür bezahlte Vergütung waren dem Kläger mitgeteilt. Weiterer Einzelheiten bedurfte es nicht, zumal zwischen den Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der Beklagten Anwendung finden.

48

II. Der danach zwischen den Parteien zustande gekommene Arbeitsvertrag ist auch nicht wegen fehlender Schriftform gemäß § 125 Satz 1 BGB i. V. m. § 5 MTV unwirksam.

49

1. § 5 MTV lautet:

50

Formvorschriften bei Abschluss und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

51

Der Schriftform bedürfen

52
- der Abschluss und die Änderung des Arbeitsvertrages,
53
- die Vereinbarung von Nebenabreden,
54
- der Abschluss eines Auflösungsvertrages,
55
- die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

56

2. Tarifverträge können für die Begründung, den Inhalt oder die Beendigung des Arbeitsvertrags oder auch für einzelne besonders wichtig erachtete Regelungen des Arbeitsverhältnisses Formvorschriften vereinbaren. Diese können daher insoweit Abschluss-, Inhalts- oder Beendigungsnormen sein. Dabei handelt es sich dann um gesetzliche Vorschriften nach § 125 BGB. Allerdings wird nicht stets die in § 125 BGB vorgeschriebene Nichtigkeitsfolge ausgelöst, sondern nur dann, wenn die Formvorschrift konstitutive Wirkung hat, nicht aber bei nur deklaratorischen Formvorschriften. Wie die jeweilige tarifliche Formvorschrift aufzufassen ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Im Allgemeinen werden für die Begründung des Arbeitsverhältnisses keine konstitutiven Vorschriften vereinbart, weil dies bei deren Verletzung zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags führen würde. Anders ist dies bei Nebenabreden (ErfK-Franzen, 16. Auflage, § 1 TVG, Rn. 65 m.w.N. zur Rspr. d. BAG).

57

3. Danach führt die fehlende Schriftform des Arbeitsvertrags hier nicht zu dessen Unwirksamkeit.

58

a) Der MTV ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifbindung anwendbar.

59

b) § 5 MTV enthält für den Abschluss von Arbeitsverträgen kein konstitutives Schriftformerfordernis. Dies ergibt eine Auslegung des Tarifvertrags unter Berücksichtigung der vom BAG aufgestellten Grundsätze.

60

§ 5 MTV wiederholt teilweise gesetzliche Formvorschriften (§ 623 BGB), indem es den Abschluss eines Auflösungsvertrags und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Schriftform unterwirft. Insoweit besteht für die Annahme einer konstitutiven Formvorschrift kein Anlass. § 5 MTV regelt auch nicht ausdrücklich, dass ein Verstoß gegen die Schriftform zur Unwirksamkeit eines nur mündlich geschlossenen Arbeitsvertrags führt. Hierzu hätte angesichts der langjährigen Rechtsprechung des BAG, wonach ein tarifliches Schriftformgebot für den Abschluss eines Arbeitsvertrags regelmäßig nur deklaratorische Wirkung hat, Anlass bestanden. Ohne eine Regelung zur konstitutiven Bedeutung der tariflichen Schriftform bleibt es daher bei der vom BAG aufgestellten Regel. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Abschluss mündlicher Arbeitsverträge nicht als wirksam gelten lassen wollten.

61

Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung auf eine Entscheidung des LAG Düsseldorf (12 Sa 415/10) abstellt, ist der dort liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Dort hat im Rahmen der Auslegung eines Verhaltens das LAG Düsseldorf darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, typischerweise nur schriftliche Arbeitsverträge schließt. Das mag zutreffen, spielt aber für die hier in Rede stehende Frage keine Rolle.

62

III. Schließlich ist der Arbeitsvertrag der Parteien auch nicht nachträglich dadurch aufgehoben worden, dass der Kläger in einer Zusatzvereinbarung mit der VCS vereinbart hat, er könne zukünftig an die Beklagte überlassen werden. Ob hierin überhaupt die stillschweigende Erklärung des Klägers liegt, er hebe das bereits begründete Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wieder auf, was wegen des von dem Kläger zuvor erklärten Vorbehalts jedenfalls zweifelhaft ist, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls fehlt es für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten an einem schriftlichen Aufhebungsvertrag (§ 623 BGB). An der Zusatzvereinbarung zwischen dem Kläger und der VCS ist die Beklagte nicht beteiligt. Die Unterschriften unter dem Vertrag stammen auf Arbeitgeberseite nur von der VCS. Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, steht der Kläger damit derzeit in zwei Arbeitsverhältnissen, was ihm rechtlich ohne weiteres möglich ist.

63

IV. Die von den Parteien auch im Berufungstermin erörterten offenen Fragen zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes stellen sich damit nicht.

64

V. Die Beklagte trägt gemäß § 97 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung. Gründe für die Zulassung der Revision liegen ersichtlich nicht vor.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 1 Inhalt und Form des Tarifvertrags


(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen könne

Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung


Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 145 Bindung an den Antrag


Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 125 Nichtigkeit wegen Formmangels


Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 623 Schriftform der Kündigung


Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 10 AZR 272/12

bei uns veröffentlicht am 17.04.2013

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 24. Januar 2012 - 6 Sa 411/11 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 24. Januar 2012 - 6 Sa 411/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Cutterin Arbeitnehmerin der beklagten Rundfunkanstalt und als solche im Umfang von 68 vH einer Vollzeitkraft zu beschäftigen ist.

2

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten als Cutterin im Bereich Bearbeitung/Editing der Hauptabteilung Produktionsbetrieb Fernsehen beschäftigt. Sie erhielt für ihre Tätigkeit jeweils eine Tagesgage.

3

Die Beklagte hält für die bei ihr regelmäßig anfallenden Bildschneidearbeiten entsprechende Dienste von Cuttern vor, die in Schneideräumen der Beklagten eingesetzt werden und auf deren Tätigkeit Autoren, Reporter usw. zurückgreifen können. Zu diesem Zweck erstellt die Beklagte Dienstpläne, durch die entsprechende Arbeitskapazitäten zu bestimmten Zeiten (Schichten) gewährleistet sind. Für die durch fest angestellte Cutter nicht gedeckten Zeiten fragt die Beklagte telefonisch die Bereitschaft zur Übernahme der freien Schichten in einem Kreis von Cuttern ab, die von der Beklagten als freie Mitarbeiter angesehen werden. Zu diesem Kreis gehört auch die Klägerin. Die Klägerin kann die ihr regelmäßig angebotenen Einsätze ablehnen und machte von der Ablehnungsmöglichkeit gelegentlich, wenn auch nicht häufig, Gebrauch.

4

Die Klägerin arbeitet in den Räumen der Beklagten mit den jeweils für den zu erstellenden Bildbeitrag Verantwortlichen und technischen Mitarbeitern zusammen. Sie benutzt dabei die am Arbeitsort in den Räumen der Beklagten installierten technischen Vorrichtungen.

5

Der Umfang der Beschäftigung der Klägerin in den Jahren 2002 bis 2009 ist unter den Parteien streitig. Im Jahr 2009 war die Klägerin erkrankt und wegen einer Rehabilitations- und Physiotherapiemaßnahme nicht uneingeschränkt verfügbar. Die Beklagte leistete für diese Zeiten keine Entgeltfortzahlung. Seit 2010 ist die Klägerin wieder als Cutterin für die Beklagte tätig.

6

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten und müsse auch in Zukunft als solche beschäftigt werden. Sie sei 2002 an 186 Tagen, 2003 an 199 Tagen, 2004 an 207 Tagen, 2005 an 57 Tagen, 2006 an 104 Tagen, 2007 an 188 Tagen und 2008 an 231 Tagen tätig gewesen. 2009 sei sie krankheitsbedingt kaum eingesetzt worden. Aus diesen Beschäftigungszeiten - ausgenommen das Jahr 2009, das wegen der langen Erkrankung ihrer Ansicht nach nicht einzubeziehen ist - ergebe sich eine durchschnittliche Beschäftigung als Cutterin an 167,5 Tagen im Jahr. Sie sei wie die fest angestellten Cutter in den Dienstplänen der Beklagten aufgeführt worden und habe ihre Arbeitsleistung zu den vorgegebenen Zeiten erbracht. Die Dienstpläne habe der/die jeweils zuständige Personaldisponent/-in einseitig vorgegeben. Sie habe von den Arbeitseinsätzen telefonisch oder durch Einsicht in den aushängenden Dienstplan Kenntnis genommen. Teilweise sei ihr eine Produktionsmeldung auch ins Fach gelegt worden. Wegen der oft kurzfristigen Arbeitseinteilung sei eine ständige Einsatzbereitschaft von ihr erwartet worden. Im Rahmen ihrer Einsätze habe sie nicht nur Anweisungen des Fachvorgesetzten, sondern auch inhaltliche Vorgaben der bei der Beklagten beschäftigten Redakteure und Autoren erhalten und befolgen müssen.

7

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass zwischen den Parteien seit November 2001 ein Arbeitsverhältnis besteht,

        

2.    

für den Fall, dass das Arbeitsgericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses feststellt,

                          

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in Form eines Arbeitsverhältnisses als Cutterin in ihren Betrieben in München in einem Volumen von 90 vH einer Vollzeitkraft zu beschäftigen und tätig werden zu lassen, hilfsweise in dem vom Gericht festgestellten Volumen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, zwischen den Parteien bestehe kein Arbeits-, sondern ein freies Dienstverhältnis. Die Klägerin übe programmgestaltende Tätigkeit aus. Indem sie Filmmaterial für die Ausstrahlung der Sendungen passend zusammenschneide, vollziehe sie einen schöpferischen Akt. Sie beeinflusse den Inhalt und den Aussagegehalt der Sendungen, indem sie entscheide, welches Material für die Sendung verwendet werde. Das Beschäftigungsvolumen der Klägerin habe erheblichen Schwankungen unterlegen; so sei sie 2002 an 181 Tagen, 2003 an 184 Tagen, 2004 an 179 Tagen, 2005 an 47 Tagen, 2006 an 77 Tagen, 2007 an 181 Tagen, 2008 an 203 Tagen und 2009 an 20 Tagen beschäftigt gewesen. Seit Anfang 2009 sei der Beschäftigungsbedarf für freie Mitarbeiter deutlich zurückgegangen, weswegen die Klägerin in deutlich geringerem Umfang als in den Vorjahren eingesetzt worden sei. Hinsichtlich der durchschnittlichen Arbeitszeit sei auf die Einsätze in den Jahren 2002 bis 2010 abzustellen. Die freien Mitarbeiter, also auch die Klägerin, hätten die Möglichkeit gehabt, die telefonisch angefragten Termine abzulehnen. Demnach habe keine Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Arbeitszeit bestanden. Demgegenüber komme der örtlichen Weisungsgebundenheit nur geringe Aussagekraft zu. Jedenfalls könne sich die Klägerin nach Treu und Glauben nicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses berufen. Sie habe die bisherigen Bedingungen so lange akzeptiert, dass sie nun nicht plötzlich mit der gegenteiligen Auffassung hervortreten könne. Wenn allerdings doch ein Arbeitsverhältnis bestehe, dann handele es sich um ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG und die Beklagte müsse die Klägerin lediglich zehn Stunden wöchentlich einsetzen(§ 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG).

9

Das Arbeitsgericht hat über die Praxis der Heranziehung der Klägerin im Rahmen der Dienstplangestaltung Beweis erhoben und hinsichtlich des Antrags zu 1. nach Klageantrag erkannt, im Übrigen die Beklagte zur Beschäftigung der Klägerin im Umfang von 68 vH einer Vollzeitkraft verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis richtig entschieden.

11

A. Die Klage ist im noch zur Überprüfung durch den Senat stehenden Umfang begründet. Die Klägerin ist Arbeitnehmerin der Beklagten (zu I). Sie hat das Recht auf Feststellung des Arbeitnehmerstatus nicht verwirkt (zu II). Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin als Cutterin im Umfang von 68 vH eines Vollzeitarbeitsverhältnisses zu beschäftigen (zu III).

12

I. Die Klägerin ist mit der Beklagten durch einen unbefristeten Arbeitsvertrag, gerichtet auf die Leistung von Diensten als Cutterin, verbunden.

13

1. Die Klägerin stand der Beklagten seit dem Jahr 2001 dauerhaft zur Leistung von Diensten als Cutterin zur Verfügung. Die Parteien haben den dem Leistungsaustausch zugrunde liegenden Vertrag nicht durch Abgabe ausdrücklicher übereinstimmender Willenserklärungen abgeschlossen. Ein Vertrag kann jedoch durch übereinstimmendes schlüssiges Verhalten (Realofferte und deren konkludente Annahme) zustande kommen (vgl. BGH 22. März 2012 - VII ZR 102/11 - Rn. 11, BGHZ 193, 10). So liegt es hier. Die Parteien haben über einen Zeitraum von mehreren Jahren einvernehmlich Dienstleistung und Vergütung ausgetauscht. Die Klägerin war nach Anforderung der Beklagten als Cutterin tätig und die Beklagte hat ihr dafür Vergütung gezahlt und weitere vertragliche Leistungen erbracht. Zwischen den Parteien bestand damit ein Dienstvertrag iSd. § 611 BGB(vgl. zum Dienstvertrag als Grundtyp des Arbeitsvertrags: MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 1 ff.; BeckOK BGB/Fuchs § 611 Rn. 1 ff. mwN). Davon geht auch die Beklagte aus. Allerdings handelte es sich nicht, wie die Beklagte meint, um einen freien Dienstvertrag, sondern um einen Arbeitsvertrag. Die entsprechende Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

14

2. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers aufgestellt hat.

15

a) Hiernach unterscheiden sich beide durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 - Rn. 14, 15).

16

b) Diese Grundsätze sind auch im Bereich Funk und Fernsehen anzuwenden (BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 20 mwN), wobei der verfassungsrechtliche Schutz der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten ist. Allgemein müssen die Gerichte Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfG 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 7, 198). Das verlangt im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite(grundlegend BVerfG 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - zu C II und III der Gründe, BVerfGE 59, 231; 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93 ua. - zu II 2 b bb der Gründe). Die Rundfunkfreiheit erstreckt sich auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken sollen (BVerfG 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93 ua. - zu II 2 b aa der Gründe). Es ist von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen, auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen (BVerfG 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93 ua. -; 22. August 2000 - 1 BvR 2121/94 - zu 2 der Gründe). Allerdings muss das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung programmgestaltender Mitarbeiter zu bestimmen, angemessen berücksichtigt werden. Eine Beeinträchtigung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Betracht, wenn die verfügbaren Vertragsgestaltungen - wie Teilzeitbeschäftigungs- oder Befristungsabreden - zur Sicherung der Aktualität und Flexibilität der Berichterstattung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht in gleicher Weise geeignet sind wie die Beschäftigung in freier Mitarbeit (vgl. BVerfG 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93 ua. - zu II 2 c bb der Gründe).

17

c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist als „programmgestaltend“ der Kreis derjenigen Rundfunkmitarbeiter anzusehen, „die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung einbringen, wie dies bei Regisseuren, Moderatoren, Kommentatoren, Wissenschaftlern und Künstlern der Fall ist.“ Nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehören das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal sowie diejenigen, die zwar bei der Verwirklichung des Programms mitwirken, aber keinen inhaltlichen Einfluss darauf haben (BVerfG 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - zu C II 1 b der Gründe, BVerfGE 59, 231; BAG 19. Januar 2000 - 5 AZR 644/98 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 93, 218).

18

d) Auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern kann entgegen der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit verbleibt, und der Sender innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann. Letzteres ist dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung durch Dienstpläne herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich zugewiesen werden (BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 22 mwN).

19

e) Bei nicht programmgestaltenden Mitarbeitern von Rundfunkanstalten ist die Arbeitnehmereigenschaft anhand der allgemeinen Kriterien zu prüfen. Auch sie können je nach Lage des Falls freie Mitarbeiter sein. Das Bundesarbeitsgericht hat verschiedentlich ausgeführt, nicht programmgestaltende Tätigkeit in Rundfunkanstalten lasse sich regelmäßig nur in Arbeitsverhältnissen ausführen (BAG 30. November 1994 - 5 AZR 704/93 - zu B II 3 der Gründe mwN, BAGE 78, 343). Soweit darin die Aufstellung einer verbindlichen rechtlichen Regel zu sehen wäre, hält der Senat daran nicht fest. In Wahrheit handelte es sich bei jener Aussage nicht um einen Rechtssatz in dem Sinne, dass mit dem Fehlen der programmgestaltenden Qualität eines Rundfunkmitarbeiters zugleich dessen Status als Arbeitnehmer feststünde und es entbehrlich wäre, die Arbeitnehmereigenschaft von nicht programmgestaltenden Mitarbeitern anhand der allgemeinen Kriterien zu überprüfen. Vielmehr ist die genannte Aussage lediglich als Hinweis auf einen Erfahrungswert zu verstehen: So werden nicht programmgestaltende Mitarbeiter häufiger die Kriterien eines Arbeitnehmers erfüllen, als es bei programmgestaltenden Mitarbeitern zu erwarten ist.

20

f) An der Unterscheidung zwischen programmgestaltender und nicht programmgestaltender Tätigkeit in diesem Sinne hält der Senat fest. Die Unterscheidung ist deswegen von Bedeutung, weil bestimmte Gegebenheiten je nachdem, ob es sich um programmgestaltende Mitarbeiter handelt oder nicht, unterschiedlichen Aussagewert im Hinblick auf den Arbeitnehmerstatus haben können. Die rechtliche Differenzierung findet ihre Grundlage in erheblichen tatsächlichen Unterschieden der Arbeit in einer Rundfunkanstalt. So wird die zeitliche und räumliche Einbindung bei programmgestaltenden Mitarbeitern oft nicht ohne Weiteres als Hinweis auf eine Leistung in persönlicher Abhängigkeit gewertet werden können. Es ist zB ein Unterschied, ob ein Mitarbeiter als Nachrichtentechniker in einem Tonarchiv zu festgelegten Zeiten ihm vorgeschriebene archivarische Leistungen zu erbringen hat oder ob er sich zu bestimmten Zeiten in einem Studio einzufinden und dort humoristische Beiträge individuell extemporierend zu gestalten hat, die für das Programm derart prägend sind, dass in der öffentlichen Wahrnehmung der Sender mit der Stimme des Sprechers nachgerade identifiziert wird (vgl. dazu BAG 8. November 2006 - 5 AZR 706/05 - BAGE 120, 104).

21

3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die Parteien in einem Arbeitsverhältnis zueinander stehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte widerspruchsfrei und vollständig berücksichtigt. Es hat überdies die erforderliche Gesamtwürdigung der in Betracht kommenden Tatsachen vorgenommen.

22

a) Die Klägerin ist nicht programmgestaltende Mitarbeiterin der Beklagten. Ihr Einfluss auf den Inhalt der ausgestrahlten Beiträge ist gering. Sie kann weder die Themen bestimmen noch das zu bearbeitende Bild- und Tonmaterial. Beides wird vorgegeben. Aus dem Bild- und Tonmaterial muss eine Auswahl getroffen werden, die aber im Wesentlichen durch das Thema, die vorgegebene Länge des Beitrags und die Vorstellung des jeweiligen Redakteurs oder Autors von der zu übermittelnden „Botschaft“ geprägt ist, nicht aber von inhaltlichen Vorstellungen oder vom Formwillen der Klägerin. Dass und in welcher Form die Klägerin auch nur einen der von ihr bearbeiteten Beiträge maßgeblich nach eigenen ästhetischen oder inhaltlichen Konzepten gestaltet hätte, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Wenn auch die Tätigkeit einer Cutterin künstlerische Fähigkeiten voraussetzt, so ist sie doch nicht allein um deswillen zwangsläufig programmgestaltend (vgl. zur Geigerin in einem Orchester: BVerfG 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - zu C IV der Gründe, BVerfGE 59, 231). Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, welche schnittkünstlerische Handschrift die Klägerin den von ihr bearbeiteten Beiträgen gegeben haben sollte, wie sich diese besondere Note von anderen Gestaltungsmöglichkeiten unterschied und inwiefern sie als formale oder inhaltliche Programmaussage gewirkt haben könnte. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine Möglichkeit hatte, etwa die Aussage eines Films zu verändern, indem sie die vom Filmautor gewünschten Passagen gegen andere austauschte, sei es aus ästhetischen, sei es aus inhaltlichen Gründen. Dass bei anderen Filmformaten, etwa Spielfilmen oder ambitionierten Dokumentarfilmen, die Schnittmeisterin uU eine andere, nämlich bestimmende Rolle spielen kann, ist für den Streitfall nicht entscheidend. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin an solchen Vorhaben gearbeitet hätte.

23

b) Da die Klägerin nicht programmgestaltende Mitarbeiterin der Beklagten ist, ist ihre Arbeitnehmereigenschaft anhand der allgemeinen Kriterien zu ermitteln. Deren Anwendung führt zum Ergebnis, dass die Klägerin zur Beklagten im Arbeitsverhältnis steht.

24

aa) Die Klägerin ist fachlich weisungsgebunden. Sie hat den Schnitt so vorzunehmen, wie es den Vorstellungen des jeweiligen Autors oder Redakteurs entspricht. Soweit technische Fragen in Betracht kommen, mag die Klägerin auch eigene Vorstellungen in die Realisierung einbringen. Dass sie auf die Gestaltung der betreffenden Beiträge einen inhaltlich oder formal maßgeblichen Einfluss ausübt oder ausüben könnte, ist - wie ausgeführt - nicht ersichtlich.

25

bb) Die Klägerin ist bei ihrer Tätigkeit örtlich gebunden. Wenn sie Dienst verrichtet, hat das ausschließlich an dem von der Beklagten dafür vorgesehenen Ort zu geschehen. Diese räumliche Gebundenheit beruht auf einer - zwar stillschweigenden, aber nicht zwingend vorgegebenen - Entscheidung der Beklagten, den Schnitt in eigenen Räumen vornehmen zu lassen. Externe Schnittstudios werden auf dem Markt zur Miete angeboten. Es besteht für Rundfunkanstalten keine Notwendigkeit, Schnittarbeiten im Hause erledigen zu lassen. Geschieht es dennoch, so ist die räumliche Einbindung auch Ausdruck des engen, von der Beklagten gestalteten Arbeitszusammenhangs, dem die Klägerin bei Ausübung ihrer Arbeit unterworfen ist.

26

cc) Die Klägerin ist auch ansonsten in die Arbeitsorganisation bei der Beklagten eingebunden. Sie verrichtet ihre Tätigkeit nicht allein, sondern hat sowohl mit Redakteuren und Autoren als auch mit technischen Mitarbeitern der Beklagten zusammenzuwirken. Dies geschieht unter Inanspruchnahme der von der Beklagten zur Verfügung gestellten und nach ihren Vorstellungen eingerichteten technischen Einrichtungen und gemäß den von ihr aufgestellten arbeitsorganisatorischen Vorgaben. Auch diese Einbindung ist Ausdruck des Willens der Beklagten, die Schnittarbeit in den von ihr gestalteten Arbeitszusammenhang einzupassen und sie damit zu lenken und zu beherrschen.

27

dd) Die zeitliche Weisungsgebundenheit der Klägerin ist insoweit strikt, als sie nur im Rahmen der von der Beklagten für alle Cutterinnen und Cutter vorgeschriebenen Schichtpläne arbeiten kann. Die Anfangs- und Endzeiten ihrer Schichten und die Reihenfolge der Arbeiten an den Tagen, an denen sie Dienst tut, liegen fest und die Klägerin muss sich daran halten. Insoweit gibt die Klägerin ihre Zeitsouveränität auf und fügt sich in den von der Beklagten vorgegebenen Arbeitsrhythmus ein. Sie hat keine Möglichkeit, die Schicht nach Bedarf etwas früher oder später anzutreten, als es in den Dienstplänen vorgesehen ist. Sie kann ebenso wenig die Reihenfolge der Arbeiten selbst bestimmen oder die Arbeit nach eigenen zeitlichen Bedürfnissen unterbrechen, verschieben usw. Sie muss sich vielmehr in das festgelegte Zeitraster einfügen. Indes bestand für die Klägerin insoweit ein für Arbeitsverhältnisse hohes Maß an Ungebundenheit in zeitlicher Hinsicht, als sie grundsätzlich die Übernahme von Diensten ablehnen konnte, dies offenbar mitunter auch getan hat und jedenfalls gelegentlich nicht ohne Weiteres für die Beklagte erreichbar war. Auch diesen Umstand hat aber das Landesarbeitsgericht in seine Gesamtbetrachtung einbezogen und bewertet. Zu Recht hat es gemeint, dass die Möglichkeit der Klägerin die Übernahme von Diensten abzulehnen, hier nicht die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft hindert. Die Einbindung in einseitig bestimmte Dienstpläne ist weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Arbeitnehmereigenschaft. Vielmehr sind die Besonderheiten der jeweiligen Handhabung zu beachten. Im Streitfall hat die Klägerin zwar gelegentlich, keineswegs aber regelhaft von ihrem Ablehnungsrecht Gebrauch gemacht; es wurde nicht etwa „von Fall zu Fall“ jeweils neu entschieden, sondern die Beklagte ging grundsätzlich davon aus, dass die angebotenen Schichten übernommen wurden. Das zeigt sich ua. daran, dass die Klägerin Dienste kurzfristig schriftlich zugewiesen erhielt, ohne dass die Beklagte noch eine besondere Bestätigung eingeholt hätte. Weiter hat das Landesarbeitsgericht zu Recht berücksichtigt, dass die Beklagte auch von fest angestellten Cuttern nicht bedingungslose Befolgung jeder Diensteinteilung erwartete, sondern - zB bei persönlichen Animositäten zwischen Cutter und Redakteur oder Autor - auf die Wünsche der Cutter Rücksicht nahm. Dies zeigt, dass kein statusrelevanter fundamentaler Unterschied zwischen der zeitlichen Einbindung der festen und der „freien“ Cutter bei der Beklagten besteht, sondern dass es sich um Schattierungen und fließende Übergänge handelt. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ohnehin nicht im Umfang einer Vollzeitkraft eingesetzt wird. Schließlich kann die Beklagte auch von fest angestellten Teilzeitbeschäftigten nur in begrenztem Rahmen erwarten, dass sie auf Abruf ohne Weiteres zur Verfügung stehen (§ 12 Abs. 2 TzBfG).

28

ee) Jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht in der Gesamtbetrachtung die auf den Arbeitnehmerstatus deutenden Umstände als deutlich vorherrschend angesehen und dem freilich nicht zu leugnenden Maß zeitlicher Unabhängigkeit der Klägerin in dem festgestellten Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zugemessen hat.

29

4. Soweit die Revision geltend macht, hinsichtlich des Beginns des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2001 sei kein Feststellungsinteresse gegeben, kann sie keinen Erfolg haben. Die Feststellung des Beginns des Arbeitsverhältnisses kann für etwaige hieran anknüpfende Ansprüche der Klägerin Bedeutung gewinnen. Damit ist ein Feststellungsinteresse gegeben.

30

II. Die Klägerin handelt nicht missbräuchlich, indem sie sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses beruft.

31

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 8. November 2006 - 5 AZR 706/05 - Rn. 21, BAGE 120, 104; 4. Dezember 2002 - 5 AZR 556/01 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 104, 86) kann sich ein Beschäftigter gegenüber seinem Vertragspartner nicht darauf berufen, zu ihm in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, wenn dies unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich geschähe. Wer durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat, darf den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen. Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen und das Vertrauen im Rechtsverkehr untergraben, wenn es erlaubt wäre, sich nach Belieben mit seinen früheren Erklärungen und seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen. Das widersprüchliche Verhalten ist rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.

32

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, treuwidriges Verhalten der Klägerin liege nicht vor, ist nach diesen Maßgaben nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat sich nicht widersprüchlich verhalten. Sie hat lediglich die Beschäftigung so angenommen, wie sie von der Beklagten geboten wurde. Daraus konnte die Beklagte nicht schlussfolgern, der Klägerin wäre es unangenehm als fest angestellte Cutterin zu arbeiten oder sie wünsche das nicht. Aus den Einsatzzeiten der Klägerin war ersichtlich, dass sie nicht für andere Auftraggeber tätig war. Umstände, die auf ein besonderes Interesse der Klägerin am Status einer freien Mitarbeiterin schließen ließen, sind nicht erkennbar. Ein Vertrauenstatbestand ist nicht geschaffen worden. Auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. Mai 2003 (- 7 Sa 863/02 -) kann sich die Beklagte in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht berufen, weil diese Entscheidung sich nicht zur Frage der treuwidrigen Berufung auf die Arbeitnehmereigenschaft äußerte, sondern bereits ein Arbeitsverhältnis für nicht gegeben hielt.

33

III. Die Klage ist auch mit dem Beschäftigungsantrag begründet. Das Landesarbeitsgericht hat - wie schon das Arbeitsgericht - angenommen, die Arbeitszeit sei mit 68 vH einer Vollzeitkraft vereinbart worden. Es hat deshalb die Beklagte in diesem Umfang zur Beschäftigung der Klägerin verurteilt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

34

1. Haben die Parteien - wie im Streitfall - einen Arbeitsvertrag nicht durch den Austausch ausdrücklicher Willenserklärungen, sondern durch Realofferte und deren Annahme geschlossen, kann für die Bestimmung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit auf das gelebte Rechtsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens abgestellt werden (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 336/11 - Rn. 14; 25. April 2007 - 5 AZR 504/06 - Rn. 12 ff.). Dabei entspricht, wenn der Beurteilung eine mehrjährig übereinstimmend und ohne entgegenstehende Bekundungen geübte Vertragspraxis zugrunde liegt, die vom Landesarbeitsgericht angewandte Referenzmethode am ehesten dem durch tatsächliche Befolgung geäußerten Parteiwillen. Sie vermeidet die Überbetonung von auf Zufälligkeiten beruhenden Ausschlägen nach oben und unten.

35

2. Auch der vom Landesarbeitsgericht gewählte Referenzzeitraum der Jahre von 2002 bis 2008, in denen die Parteien ohne erkennbare Sondereinflüsse regelmäßig zusammengearbeitet haben, ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht das Jahr der Klageerhebung (2010) und das Jahr 2009 außer Acht gelassen, in dem die Klägerin wegen einer Krankheit weitgehend arbeitsunfähig war. Aus der Nichtbeschäftigung in längeren Krankheitszeiten kann kein Rückschluss auf den die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit betreffenden Parteiwillen gezogen werden.

36

3. Die auch rechnerisch richtige Ermittlung der regelmäßigen Arbeitszeit wird von der Beklagten im Übrigen nur insoweit angegriffen, als sie auf dem Standpunkt steht, sie sei nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG nur zur Beschäftigung im Umfang von zehn Wochenstunden verpflichtet. Das ist jedoch schon deshalb nicht richtig, weil die Parteien eine höhere Arbeitszeit vereinbart haben. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte nach den konkludenten vertraglichen Abreden die Arbeitsleistung - anders als sie selbst geltend macht - abrufen, also deren Lage einseitig bestimmen darf.

37

B. Die Kosten der Revision fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Simon    

        

    Trümner    

                 

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)