Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 19. Feb. 2014 - 4 TaBV 9/13

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2014:0219.4TABV9.13.0A
bei uns veröffentlicht am19.02.2014

Tenor

1. Die Beschwerde der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 21.03.2013 - 1 BV 1/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Im Februar 2011 wurde der Arbeitnehmer B im Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin zur Vertrauensperson der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung gewählt.

2

Die Beteiligten zu 1. und 2. streiten darüber, ob die Teilnahme der Vertrauensperson B an einer Veranstaltung vom 14. Mai bis 16. Mai 2012 in B als Schulung erforderlich ist und die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin die zu 1. beteiligte Schwerbehindertenvertretung von den Schulungskosten in Höhe von 790,00 Euro freizustellen hat sowie die von der Vertrauensperson B verauslagten Hotelkosten in Höhe von 328,80 Euro und Fahrkosten in Höhe von 150,60 Euro zu erstatten hat.

3

Die Vertrauensperson B nahm seit ihrer Wahl im Februar 2011 an folgenden Seminaren teil:

4

- Schwerbehindertenvertretung Teil I vom 02.05 bis 06.05.2011 in B mit dem Inhalt:

5

● Arbeiten mit dem Sozialgesetzbuch IX

6

Õ Gesetze sicher anwenden

7

Õ das SGB IX im Überblick

8

● Der zu betreuende Personenkreis

9

Õ Wann liegt eine Behinderung vor?

10

Õ Wer ist schwerbehindert?

11

Õ Was heißt Gleichstellung?

12

● Persönliche Rechte im Amt der Schwerbehindertenvertretung

13

Õ Wahl und Amtszeit

14

Õ Ungestörte Amtsausübung

15

Õ Der besondere Kündigungs- und Versetzungsschutz als Amtsträger

16

Õ Arbeitsbefreiung für Schwerbehindertenvertreter -Aufgaben

17

Õ Der Schulungsanspruch der Schwerbehindertenvertretung

18

Õ Zu beachtende Besonderheiten bei Stellvertretern

19

● Die Arbeit in der Schwerbehindertenvertretung richtig organisieren

20

Õ Welche Ausstattung braucht die Schwerbehindertenvertretung und was zahlt der Arbeitgeber?

21

Õ Die Sprechstunde und weitere wichtige Termine der Schwerbehindertenvertretung

22

Õ Die Schwerbehindertenversammlung

23

● Interne und externe Partner der Schwerbehindertenvertretung

24

● Die Arbeit eines Schwerbehindertenvertreters im Überblick

25

Õ Bei der Einstellung von schwerbehinderten Menschen mitwirken

26

Õ Informations- und Anhörungsrechte wahrnehmen

27

Õ Arbeitsplätze behinderungsgerecht gestalten

28

Õ Stellungnahme im Kündigungsverfahren abgeben

29

Õ Integrationsvereinbarungen abschließen

30

Õ Prävention fördern

31

Õ Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat / Personalrat

32

- Schwerbehindertenvertretung Teil II vom 15.08. bis 19.08.2011 in H mit dem Inhalt:

33

● Zwischen professioneller Beratung und persönlicher Betroffenheit (1 Tag)

34

Õ Definition der eigenen Rolle

35

Õ Erwartungen des Ratsuchenden klären

36

Õ Aktives Zuhören und Fragetechnik

37

Õ Eigen- und Fremdwahrnehmung

38

● Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und Gleichstellung

39

Õ Wie wird der Grad der Behinderung bestimmt?

40

Õ Anträge richtig stellen

41

Õ Der Ablauf des Feststellungs- und Gleichstellungsverfahrens

42

● Besondere Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer

43

Õ Verbot (fast) jeder Benachteiligung

44

Õ Anspruch auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz

45

Õ Recht auf Beschäftigung in Teilzeit

46

Õ Ablehnung von Mehrarbeit

47

Õ Zusatzurlaub für Schwerbehinderte

48

● Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei personellen Maßnahmen

49

Õ Einsichtsrecht in Bewerbungsunterlagen

50

- Schwerbehindertenvertretung Teil III vom 10.10. bis 14.10.2011 in D mit dem Inhalt:

51

● Kompetenz für Gespräch mit betrieblichen und externen Partnern (1 Tag)

52

Õ Schwierige Gesprächssituationen meistern

53

Õ Konstruktiver Umgang mit Störungen auf der Inhalts- und Beziehungsebene

54

Õ Angemessen auf persönliche Angriffe reagieren

55

Õ Wirksames Gesprächsverhalten trainieren

56

● Prävention und Rehabilitation als Aufgabe von Schwerbehindertenvertretung und Arbeitgeber

57

● Die Rehabilitationsträger und ihre Zuständigkeiten

58

Õ Was sind Rehabilitationsträger?

59

Õ Besondere Leistungen nach dem SGB IX im Überblick

60

Õ Den richtigen Ansprechpartner finden

61

● Die Rolle des Integrationsamtes

62

Õ Das Angebot an finanziellen Hilfen und Beratung

63

Õ Unterstützung durch Integrationsfachdienste

64

● Leistungen zur beruflichen Rehabilitation

65

Õ Leistungen zur behinderungsgerechten Arbeitsplatzgestaltung

66

Õ Förderung durch berufliche Bildungsmaßnahmen, Kraftfahrzeughilfe oder Arbeitsassistenz

67

Õ Medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen

68

● Integrationsvereinbarungen

69

Õ Was kann eine Integrationsvereinbarung bewirken?

70

Õ Mögliche Regelungsinhalte

71

Õ Wesentliche Umsetzungsschritte

72

- Psychische Belastungen am Arbeitsplatz - Neue Herausforderungen für die Schwerbehindertenvertretung! vom 23.04. bis 27.04.2012 in Dr mit dem Inhalt:

73

● Ursachen psychischer Belastungen

74

Õ Anforderungen der Arbeitsaufgabe (z.B. Zeitdruck)

75

Õ Arbeitsumgebung (z.B. Lärm, Arbeitsplatzgestaltung)

76

Õ Arbeitsorganisation (z. B. unklare Kompetenzregelungen)

77

Õ Individuelle Leistungsvoraussetzungen (z.B. Gesundheit)

78

● Folgen für die Betroffenen

79

Õ Stressreaktionen und Erschöpfungsspirale

80

Õ Körperliche Erkrankungen (z.B. Herz-Kreislauf, Wirbelsäule)

81

Õ Psychische Krankheitsbilder (z.B. Depression, Sucht)

82

Õ Mobbing und Burnout

83

● Erkrankten Kollegen helfen

84

Õ Belastungen ermitteln (z.B. Gefährdungsbeurteilung, Mitarbeiterbefragung)

85

Õ Arbeitsbedingungen optimieren

86

Õ individuelle Schutzfaktoren

87

● Argumente gegenüber Arbeitgebern

88

Õ Sinkende Arbeitsleistung und Arbeitsqualität

89

Õ Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen

90

Õ Zunahme: Fehlzeiten, Frühverrentungen und Fluktuation

91

● Rolle der Schwerbehindertenvertretung und Umgang mit Betroffenen und Vorgesetzten

92

Õ (Negative) Emotionen und Einstellungen ausloten

93

Õ Zum Problemkern Vordringen: Gut zuhören, fragen, wahrnehmen

94

Õ Sensible Themen ansprechen

95

Õ Auseinandersetzung mit sozialen und persönlichen Konflikten

96

Õ Eigene Überforderung als Schwerbehindertenvertreter: Grenzen erkennen und setzen

97

Nach einem entsprechenden Beschluss meldete sich die Vertrauensperson B am 31. Januar 2012 für den „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ in B des Instituts für Fortbildung von Betriebsräten KG (ifb) an.

98

Das Programm lautet:

99

 „Montag 14.05.2012

        

 ab 12.00 Uhr

 ifb-Check-in

 ab 13.00 Uhr

 Begrüßungssnack

 13.30 - 15.00 Uhr

 Begrüßung im Plenum und Eröffnungsvortrag von Herrn Dr. N zum Thema „So funktioniert Vertrauen“

 15.00 - 15.30 Uhr

 Kaffeepause

 15.30 - 17.30 Uhr

 1. Workshop

 18.30 Uhr

 Dinner-Buffet im Plenum mit Gastauftritt des Comedian „Lilli“

 Dienstag, 15.05.2012

        

 08.30 - 10.30 Uhr

 2. Workshop

 10.30 - 11.00 Uhr

 Kaffeepause

 11.00 - 12.00 Uhr

 Vortrag von Herrn S zum Thema „Status-Spiele: Wie Sie in jeder Situation die Oberhand behalten“

 12.00 - 13.30 Uhr

 Mittagessen im Hotelrestaurant

 13.30 - 15.30 Uhr

 3. Workshop

 15.30 - 17.00 Uhr

 SBV-Austausch mit Fachreferenten (Kaffeepausenangebot im Plenum)

 18.00 Uhr

 Abfahrt zum Rahmenprogramm außer Haus Bustour mit Stadtführern

 ca. 19.30 Uhr

 Ritteressen in B mit verschiedenen Einlagen

 ab 22.00 Uhr

 Rückfahrt zum Hotel (und 22.30 Uhr und 23.00 Uhr)

 Mittwoch 16.05.2012

        

 08.30 - 10.30 Uhr

 4. Workshop

 10.30 - 11.00 Uhr

 Kaffeepause

 11.00 - 12.30 Uhr

 Vortrag von F zum Thema „Lieber auf neuen Wegen stolpern, als auf ausgelatschten Pfaden auf der Stelle treten“ und Verabschiedung

 ab 12.30 Uhr

 Mittagessen im Hotelrestaurant oder Lunchpaket“

100

Der „Workshop-Plan“ für die Vertrauensperson B für den „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ vom 14. Mai 2012 bis 16. Mai 2012 in B lautet:

101

„Ihre gebuchten Workshops:

102

 Themen

 Referenten

 Raumnamen

 Tag   

 Uhrzeit

 W5    

 Das professionelle Konfliktgespräch

 Z     

 T     

 Mo-Nachmittag

 15.30 17.30 Uhr

 W1    

 Die erfolgreiche Anerkennung einer Schwerbehinderung

 K     

        

 Di-Vormittag

 08.30 - 10.30 Uhr

 W6    

 Der souveräne Auftritt

 L     

 E     

 Di-Nachmittag

 13.30 - 15.30 Uhr

 W3    

 Die gekonnte Stellungnahme der SBV im Kündigungsfall Vorträge

 W     

 B     

 Mi-Vormittag

 08.30 - 10.30 Uhr

                 

 Begrüßung und Eröffnungsvortrag

 Plenum

 Montag-Nachmittag

 13.30 - 15.00 Uhr

                 

 Vortrag von S

 Plenum

 Dienstag-Vormittag

 11.00 - 12.00 Uhr

                 

 Vortrag von F und Verabschiedung

 Plenum

 Mittwoch-Vormittag

 11.00 - 12.30 Uhr“

103

Im April 2012 zeigte die Vertrauensperson B der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin seine Teilnahme am „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ in Berlin an (vgl. Bl. 13 d. A.). Die zu 2. beteiligte Arbeitgebern lehnte eine Kostenübernahme mit Schreiben vom 20. April 2012 (Bl. 14 d. A.) mit der Begründung ab, es sei nicht ersichtlich, inwieweit diese Schulungsteilnahme, soweit es sich überhaupt um eine solche handele, mit den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 SGB IX im Zusammenhang stehen solle. Ebenso erschließe sich für die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin in diesem Falle die Erforderlichkeit nicht. Die Vertrauensperson B der Schwerbehindertenvertretung nahm gleichwohl an dem vorgenannten „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ in Berlin vom 14. bis 16. Mai 2012 teil. Die Verfahrensbevollmächtigte der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung erklärte im Rahmen des zweitinstanzlichen Anhörungstermins am 19. Februar 2014 auf Befragen des Vorsitzenden dazu: „Im Vorfeld hat es zwar ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegeben, aber nur betreffend Kostenübernahme, glaube ich.“

104

Die zu 1. beteiligte Schwerbehindertenvertretung hat in erster Instanz ausgeführt, die Schulung „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ sei erforderlich im Sinne des § 96 Abs. 4 SGB IX gewesen, da diese Kenntnisse vermittelt habe, die für die Arbeit in der Schwerbehindertenvertretung erforderlich gewesen seien. Die Beteiligte zu 2. sei demnach verpflichtet, die Vertrauensperson für die Teilnahme an der streitgegenständlichen Schulung freizustellen und gemäß § 96 Abs. 8 Satz 1 i. V. m. § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX die Schulungskosten für die Teilnahme der Vertrauensperson zu tragen. Die Tagung habe Themen behandelt, die für eine sachgerechte Ausübung der Arbeit als Schwerbehindertenvertretung benötigt werden würden und die über die in den Grundlagenschulungen des Jahres 2011 behandelten Themen hinausgehen würden. So habe der Workshop W 5 zum Thema Konfliktgespräch Übungen beinhaltet, um Arbeitnehmer, die sich beschweren, zu verstehen und um auf ihre Bedürfnisse eingehen zu können. Dies sei anhand konkreter Übungsgespräche erprobt worden, etwa, wie der Schwerbehindertenvertreter bestimmte Phrasen in Gesprächen einsetzen oder neutralisieren könne. Ferner sei den Teilnehmern eine gezielte Anwendung von Wörtern und Fragen sowie gezielte Fragetechniken erläutert worden. Auch sei mit ihnen praktisch geübt worden, wie mit Argumenten des Arbeitgebers umgegangen werden könne und wie diese umgekehrt werden könnten und wie mit bedingten Zustimmungen umzugehen sei. Darüber hinaus seien verschiedene Konfliktmuster und Fragen zu Konfliktklärungen erarbeitet sowie Frageraster erstellt worden, die geeignet seien, Gespräche mit dem Arbeitgeber vorzubereiten und typische Konfliktsignale bzw. Konfliktbewältigungsstrategien zu erstellen. Diese Inhalte seien in den Grundlagenseminaren Schwerbehindertenvertretung Teil I und Teil II nicht behandelt worden und auch in Teil III seien lediglich Grundlagen vermittelt und Überblicke darüber verschafft worden, wie die Schwerbehindertenvertretung angemessen auf persönliche Angriffe reagieren könne oder konstruktiv mit Störungen auf Beziehungsebene umgehen könne. Es sei nicht anhand verschiedener Fallgruppen geübt worden, wie Konfliktbewältigungsstrategien in der Arbeitspraxis am effektivsten umgesetzt werden könnten. Auch der Workshop W 1 zum Thema: „Die erfolgreiche Anerkennung einer Schwerbehinderung“ sei erforderlich gewesen. Die natürlich zu behandelnde Frage, welche sinnvollen und sinnlosen Anträge existieren würden und worin der Unterschied zu erkennen sei, damit hier die Fehlerquote der Schwerbehindertenvertretung minimiert werde, sei behandelt worden. Daneben sei auch anhand von Fallbeispielen die Berechnung des Grades der Behinderung anhand von konkreten Krankheitsbildern geprobt und insbesondere erörtert worden, wie die Schwerbehindertenvertretung auf die einzelnen Fragen des Antrages eingehen könne. Darüber hinaus habe man sich vertieft mit dem Bundesversorgungsgesetz, dem Entschädigungsgesetz, der gesetzlichen Unfallversicherung sowie den Fragen der Berufsunfähigkeit und der Erwerbsunfähigkeit beschäftigt. Solche Informationen und Übungen habe es in den Grundlagenseminaren Schwerbehindertenvertretung Teil I bis Teil III nicht gegeben.

105

In dem Workshop W 6 „Der souveräne Auftritt“ sei eingehender behandelt worden, was eigentlich unter Schlagfertigkeit zu verstehen sei, welche innere Haltung erforderlich sei und wie mit jeder Art von Einwänden und insbesondere provokativer Rhetorik umzugehen sei. Auch hier seien verschiedene Fallbeispiele behandelt und durch aktive Übungen die Reaktion und das Verhalten der einzelnen Teilnehmer geprobt worden. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei dem „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ um ein Fachseminar gehandelt habe, demgegenüber die Grundlagenseminare „Schwerbehindertenvertretung Teil I bis Teil III“, wie der Name schon sage, lediglich Grundlagen behandelt hätten. Auch die Tatsache, dass die Fachtagung vom ifb angeboten und durchgeführt worden sei, spreche dafür, dass es sich nicht lediglich um eine Zusammenkunft einzelner Personen gehandelt habe. Letztlich stellt die Teilnahme an einem Seminar auch dann eine erforderliche Schulungsmaßnahme dar, wenn es sich lediglich um die Auffrischung von bereits vorhandenem Wissen handele. Es sei hinlänglich bekannt, dass durch mehrfache Wiederholung bereits vermittelter Inhalte diese mit jeder Wiederholung effektiver in Wissen, insbesondere in Langzeitwissen, umgewandelt würden. Es sei daher jedem Schwerbehindertenvertreter bzw. jedem Betriebsrat zuzugestehen, in regelmäßigen Abständen ihr Wissen aufzufrischen. Im vorliegenden Fall sei zwar seit der Teilnahme an den Grundlagenseminaren lediglich ein halbes Jahr vergangen, dennoch dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Vertrauensperson der Antragstellern zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Seminars lediglich seit einem Jahr Vertrauensmann gewesen sei und es dementsprechend erforderlich gewesen sei, ihr durch vielfache Übungen ein gewisses Grundmaß an Routine nahezubringen, damit er seine Aufgaben im Rahmen der Schwerbehindertenvertretung sach- und insbesondere fachgerecht wahrnehmen könne.

106

Die Antragstellerin beantragt,

107

1. Die Beteiligten zu 2) wird verpflichtet, die Antragstellerin von der Zahlung der für die Fachtagung „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ vom 14.05.2012 bis zum 16.05.2012 in Höhe von 790,00 € freizustellen.

108

2. Die Beteiligten zu 2) wird verpflichtet, an die Antragstellerin Kosten für eine Schulungsmaßnahme in Höhe von 479,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.06.2012 zu zahlen.

109

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

110

die Anträge abzuweisen.

111

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin hat in erster Instanz ausgeführt, bei dem Workshop, an dem die Vertrauensperson teilgenommen habe, handele es sich nicht um Schulungs- und Bildungsveranstaltungen. Solche seien didaktisch auf einen bestimmten, eng abgegrenzten Personenkreis abgestellt, bei dem noch eine individuelle Beziehung zwischen Lehrperson und Teilnehmern möglich sei. Sie würden planmäßig mit dem Ziel durchgeführt, bei den Teilnehmern einen bestimmten Wissensstand herbeizuführen. Kongresse mit einem individuellen nicht mehr ansprechbaren Teilnehmerkreis seien deshalb keine Schulungs- und Bildungsveranstaltungen. Sie würden sich an Personen mit unterschiedlichen Bildungsständen wenden und überwiegend dem Erfahrungsaustausch dienen. Es fehle daher an der didaktischen Ausgestaltung sowie an dem Ziel der Vermittlung eines bestimmten Wissens. Selbst wenn es sich um eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne des § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX gehandelt hätte, wäre die Teilnahme der Vertrauensperson nicht erforderlich im Sinne der Norm gewesen. Bereits in der von der Vertrauensperson besuchten Schulungsveranstaltung Schwerbehindertenvertretung Teil I sei ihr vermittelt worden, wie sie Stellungnahmen in Kündigungsverfahren abzugeben habe. Schon in dem Seminar Schwerbehindertenvertretung Teil II sei die Vertrauensperson ebenfalls zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei personellen Maßnahmen geschult worden. Der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte sei auch Gegenstand dieses Seminars gewesen. Ähnliches gelte beim Themenkreis Anerkennung einer Schwerbehinderung. In der Schulung Schwerbehindertenvertretung Teil II sei beispielsweise ausführlich die Frage der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und der Gleichstellung erörtert worden. Konfliktgespräche seien ebenfalls ausführlicher Gegenstand der einwöchigen Schulungsveranstaltung Schwerbehindertenvertretung Teil III gewesen. Auch die von der Antragstellerin vorgelegte Darstellung des Programmes könne die Erforderlichkeit der Teilnahme keinesfalls begründen. Die Vortragsthemen „So funktioniert Vertrauen“, „Statusspiele“, Wie Sie in jeder Situation die Oberhand behalten“, „Lieber auf neuen Wegen stolpern, als auf ausgelatschten Pfaden auf der Stelle treten“, seien sehr allgemein gehalten und könnten die Erforderlichkeit nicht begründen. Dass der Gastauftritt des Comedian Lilli ebenso wenig erforderlich sei wie ein Ritteressen in B. mit verschiedenen Einlagen, bedürfe keiner weiteren Erwähnung.

112

Zunächst hat die zu 1. beteiligte Schwerbehindertenvertretung „Klage“ beim Arbeitsgericht Stendal gegen die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin erhoben. Mit Beschluss vom 10. Januar 2013 ist dieser Rechtsstreit dort in das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren verwiesen worden.

113

Durch Beschluss vom 21. März 2013 hat das Arbeitsgericht Stendal die Anträge der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung zurückgewiesen und unter II. der Gründe dieses Beschlusses auf den Seiten 9 bis 12 (Bl. 156 - 159 d. A.) ausgeführt, die Anträge zu 1. und 2. der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung seien insgesamt zulässig. Sowohl der Freistellungs- als auch der Zahlungsantrag seien jedoch unbegründet.

1.

114

Die zu 1. beteiligte Schwerbehindertenvertretung mache gegen die zu 2. beteiligte Arbeitgebern Ansprüche auf Ersatz von Schulungskosten gemäß § 96 Abs. 8 Satz 1 i. V. m. § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX geltend, und zwar einerseits einen Freistellungsanspruch wegen der Schulungskosten und andererseits einen Kostenerstattungsanspruch wegen der Kosten für das Tagungshotel und wegen der Aufwendungen für An- und Abfahrt zu der Tagung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 30.03.2010 - 7 AZB 32/09, Juris) seien Streitigkeiten über die nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX bestehende Pflicht des Arbeitgebers, die Kosten der Schwerbehindertenvertretung zu tragen, in entsprechender Anwendung von § 2 a Abs.1 Nr. 3 a Abs. 2 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden... Da im Übrigen weder gegen den Freistellungsantrag noch gegen den Zahlungsantrag Zulässigkeitsbedenken bestehen würden, seien diese insgesamt zulässig.

2.

115

Sowohl der Freistellungs- als auch der Zahlungsantrag seien jedoch unbegründet. Dazu heißt es auf den Seiten 10 bis 12 des vorgenannten Beschlusses des Arbeitsgerichts Stendal vom 21.03.2013 (Bl. 157 - 159 d. A.):

116

„Gemäß § 96 Abs. 8 SGB IX trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten. Hierzu zählen auch Kosten, die gemäß § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX durch die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen entstehen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Diese Vorschrift entspricht ihrem Wortlaut nach dem § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG, wo ein entsprechender Anspruch auf Freistellung nicht nur für Betriebsratstätigkeit, sondern auch für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Betriebsräte geregelt ist und wozu es umfassende Rechtsprechung gibt. Diese Rechtsprechung wendet die erkennende Kammer entsprechend bei Schulungen von Vertrauenspersonen der behinderten Menschen entsprechend an.

117

Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb oder im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Dazu muss ein aktueller oder absehbarer betrieblicher oder betriebsratsbezogener Anlass dargelegt werden, aus dem sich der Schulungsbedarf ergibt. Lediglich bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden.

118

Der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet damit zwischen der Vermittlung sog. Grundkenntnisse und anderer Schulungsveranstaltungen. Durch die Vermittlung von Grundwissen soll das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder nahezu von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG, Beschluss vom 12.01.2011, 7 ABR 94/09, Rn. 19, Juris).

119

Auch hinsichtlich des Schulungsbedarfs für Vertrauenspersonen ist entsprechend zu unterscheiden zwischen der Vermittlung sog. Grundkenntnisse und anderer Schulungsveranstaltungen. Bei der von der Vertrauensperson wahrgenommenen Schulung vom 14. bis 16.05.2012 handelte es sich selbst nach dem Vortrag der Antragstellerin um eine Fachtagung und nicht um die Vermittlung von Grundkenntnissen, diese hat die erstmals im Februar 2011 gewählte Vertrauensperson bereits in den Seminaren Schwerbehindertenvertretung Teil I bis Teil III in insgesamt drei vollen Arbeitswochen umfassend erworben. Durch diese Vermittlung des Grundwissens innerhalb von drei Wochen ist die Vertrauensperson in die Lage versetzt worden, ihre sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen.

120

Bei dem von der Vertrauensperson besuchten Workshop handelte es sich somit um eine „andere Schulungsveranstaltung“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, es muss daher ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von der zu schulenden Vertrauensperson benötigt werden, damit diese ihre Beteiligungsrechte sachgerecht ausüben kann.

121

Von einem aktuellen, betriebsbezogenen Anlass ist den Darlegungen der Antragstellerin nichts zu entnehmen. Allenfalls hält die Antragstellerin Vortrag dazu, dass etwa im Workshop W 5, „Das professionelle Konfliktgespräch“, anders als etwa im Grundlagenseminar Schwerbehindertenvertretung Teil III nicht nur Grundlagen zum Konfliktgespräch vermittelt worden seien, sondern dieses Thema viel weitgehender behandelt worden ist. Gleichwohl fehlt jeglicher Vortrag dazu, worin ein betriebsbezogener Anlass bestehen soll, die Vertrauensperson zum Thema Konfliktgespräch weiter zu schulen, als dies in den Grundlagenseminaren in dreiwöchigem Rahmen erfolgt ist. Bestand etwa im Betrieb der Beteiligten zu 2 ein bestimmter Anlass? Welche Defizite bestanden bei der Vertrauensperson, dass sie sich hierin weiter üben musste?

122

Ebenso verhält es sich bei den weiteren in den Workshops behandelten Themen, etwa das bereits im Seminar Schwerbehindertenvertretung Teil II behandelte Thema „Anerkennung einer Schwerbehinderung“. Welche Defizite bestanden hier bei der Vertrauensperson? Hierzu fehlt jeglicher Vortrag. Auch der von der Antragstellerin gehaltene Vortrag zum Thema „Der souveräne Auftritt“ lässt jede Auseinandersetzung der Antragstellerin mit der konkreten Situation vermissen. Besitzt etwa die Vertrauensperson keinen souveränen Auftritt? Dies ist jedenfalls in der Anhörung vor der Kammer nicht aufgefallen. Vielmehr konnte sich die Vertrauensperson ohne Weiteres argumentativ mit der Kammer auseinandersetzen und hat freundlich aber bestimmt ihren Standpunkt vertreten.

123

Letztlich erschöpft sich der gesamte Sachvortrag der Antragstellerin zur Begründung der Erforderlichkeit des Seminars „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ darin, mitzuteilen, worin ein „Mehr“ im Verhältnis zu den bereits belegten dreiwöchigen Grundlagenseminaren Schwerbehindertenvertretung Teil I bis III besteht. Ein solcher Vortrag genügt jedoch keinesfalls zur Begründung der Erforderlichkeit eines Seminarbesuchs, jedes Fachseminar wird zwangsläufig Themen behandeln, die nicht Gegenstand der Grundlagenseminare waren. Zusätzlich ist deshalb immer ist noch auszuführen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von der zu schulenden Vertrauensperson benötigt werden, damit diese ihre Beteiligungsrechte sachgerecht ausüben kann. Zu diesem Bereich ist keinesfalls ein Vortrag zu erkennen.

124

Zur Erforderlichkeit trägt die Antragstellerin lediglich vor, es sei eine Auffrischung des in den Grundlagenseminaren I - III erworbenen Wissens der Vertrauensperson erforderlich gewesen, obwohl zwischen dem Besuch der Grundlagenseminare und dem hier streitgegenständlichen Seminar „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ lediglich ein halbes Jahr vergangen war. Letztlich fehlt jedoch auch hier eine Auseinandersetzung mit der konkreten Situation. Generell kann jedenfalls ein halbes Jahr nach Abschluss eines insgesamt dreiwöchigen Schulungsblocks nicht eine Erforderlichkeit gesehen werden, durch weitere Seminare eine Wiederholung und damit Vertiefung des Seminarstoffs zu erreichen.

125

Insgesamt kann daher die Teilnahme an dem Seminar „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ nicht als erforderliche Schulung im Sinne des § 96 Abs. 8 i. V. m. § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX angesehen werden.

126

Die Kammer sieht in der Tatsache, dass die Beteiligte zu 2) offensichtlich innerhalb eines guten Jahres für vier Seminare der Vertrauensperson deren Erforderlichkeit bejahte und die Kosten übernahm, als gutes Zeichen der vertrauensvollen Zusammenarbeit an. Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betrieb und Schwerbehindertenvertretung sollte die Antragstellerin nicht gefährden.“

127

Dieser Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 21. März 2013 ist der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung am 16. April 2013 zugestellt worden. Am 16. Mai 2013 ist die Beschwerde und am Montag, den 17. Juni 2013 die Beschwerdebegründung der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen.

128

Wegen des genauen Inhalts dieser Beschwerdebegründung vom 17. Juni 2013 wird auf Blatt 179 - 185 der Akte Bezug genommen.

129

Hinsichtlich der zweitinstanzlichen Anträge der Beteiligten zu 1. und 2. wird auf die Seite 2 des Protokolls über den zweitinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung der Beteiligten vor der Kammer am 19. Februar 2014 (Bl. 215 d. A.) Bezug genommen.

130

Wegen des Inhalts der Beschwerdeerwiderung der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin vom 26. August 2013 wird auf Blatt 198 - 202 der Akte verwiesen. Zu diesem Schriftsatz der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin vom 26. August 2013 hat die zu 1. beteiligte Schwerbehindertenvertretung mit Schriftsatz vom 07. Oktober 2013 (Bl. 206 - 207 d. A.) Stellung genommen.

131

Im vorgenannten Protokoll über den zweitinstanzlichen Anhörungstermin vom 19. Februar 2014 (Bl. 215 - Bl. 216 d. A.) heißt es auf den Seiten 2 und 3 u. a.:

132

„Der Vorsitzende trägt zu verschiedenen Aspekten vor. Beide Seiten erhalten Gelegenheit, die Angelegenheit intern zu erörtern.

133

Die Sitzung wird kurz unterbrochen. Danach wird die Sitzung fortgesetzt.

134

Rechtsanwältin W erklärt: Im Rahmen dieser drei Tage gab es 22 Stunden für Vorträge und Workshops (ohne Pausen).

v.u.g.

135

Bezogen auf Herrn B hat dieser an den drei Tagen im Umfang von 13,5 Stunden an Vorträgen und Workshops teilgenommen.

v.u.g.

136

Verbandsjurist Br erklärt: Aus unserer Sicht waren dies nur rund 9,5 Stunden.

I.v.u.g.

137

Rechtsanwältin W überreicht den Workshop-Plan für den Vorsitzenden B nebst Programm zu den Akten.

I.v.u.g.

138

Herr B erklärt: In diesen Workshops waren kleinere Gruppen, jeweils 6 - 7 Personen. In diesem kleineren Kreis hatte ich eine bessere Lernfähigkeit.

139

Verbandsjurist Br bestreitet dieses mit Nichtwissen.

140

Auf Befragen des Vorsitzenden erklärt Rechtsanwältin W: Im Vorfeld hat es zwar ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegeben, aber nur betreffend Kostenübernahme, glaube ich.“

141

Wegen des überreichten Workshop-Plans nebst Programm wird auf Blatt 219 - 220 d. A. verwiesen.

II.

142

Die Beschwerde der zu 1. beteiligten Sch werbe hinderten Vertretung gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 21. März 2013 - 1 BV 1/13 - ist an sich statthaft sowie an sich zulässig. Sie ist jedoch unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.

143

Im Einzelnen:

1.

144

Der sorgfältig begründete Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 21. März 2013 ist zutreffend. Die Beschwerdekammer macht sich die Gründe dieses Beschlusses ausdrücklich zu Eigen und schließt sich ihnen auch zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang an.

2.

145

Auch unter Berücksichtigung des in der Beschwerdeinstanz von den Beteiligten zu 1. und 2. noch ergänzten und von der Beschwerdekammer noch weiter ermittelten Sachverhalts ergibt sich kein anderer Befund:

a)

146

Die Schwerbehindertenvertretung ist gewählte Vertretung für die besonderen Interessen der Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen in den Betrieben der Privatwirtschaft sowie in den Verwaltungen des öffentlichen Dienstes. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit hat sie zwei Aufgaben. Einerseits soll sie die besonderen Interessen der Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen gegenüber der Arbeitgeberin vertreten. Andererseits hat sie diesem Personenkreis gemeinsam mit der Arbeitgeberin sowohl helfend als auch beratend zur Seite zu stehen. Die gesetzlichen Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung sind (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB IX) insbesondere,

147

- darüber zu wachen, dass die zugunsten der schwerbehinderten Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden sowie insbesondere die der Arbeitgeberin nach den §§ 71, 72 SGB IX obliegende Mindestbeschäftigung von schwerbehinderten Menschen und die nach § 81 SGB IX bestehenden besonderen arbeitsrechtlichen Pflichten erfüllt werden,

148

- Maßnahmen zu beantragen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, also etwa bei den zuständigen Stellen - z. B. beim zuständigen Integrationsamt - auf eine behindertengerechte Ausstattung der Arbeitsplätze hinzuwirken,

149

- Anregungen und Beschwerden von behinderten Menschen entgegenzunehmen und auf ihre Erledigung durch Verhandlung mit der Arbeitgeberin hinzuwirken sowie

150

- Beschäftigte bei den entsprechenden Anträgen - z. B. auf Gleichstellung - zu unterstützen.

151

Dabei ist die Schwerbehindertenvertretung - unabhängig vom Betriebsrat - eine Sondervertretung aller im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen (einschließlich der leitenden Angestellten). Sie kann deshalb auch unabhängig vom Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin Ansprüche - gegebenenfalls auch gerichtlich - geltend machen (vgl. § 2 a Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG). Demgemäß hat das Arbeitsgericht Stendal zu Recht und mit zutreffender Begründung am 10. Januar 2013 beschlossen, den Rechtsstreit in das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren zu verweisen. Die Zulässigkeit der gestellten Anträge begegnet nach Auffassung der Beschwerdekammer ebenfalls keinen Bedenken.

b)

152

Im Allgemeinen ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt wird, um die derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können, dass die auf der betreffenden Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von der zu schulenden Person benötigt werden, damit diese ihre Aufgaben sach- und fachgerecht ausüben kann (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 16.05.2012 -10 TaBV 11/12. Dementsprechend führt das Landesarbeitsgericht Hamm aus, die Erforderlichkeit einer Schulungsmaßnahme setze voraus, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten notwendig seien, damit die zu schulende Person ihre gegenwärtige oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Weiter hat das LAG Hamm ausgeführt, den betrieblichen oder betriebsbezogenen Anlass, aus dem sich der Schulungsbedarf ergebe, müsse der Betriebsrat (Anmerkung: hier also die Schwerbehindertenvertretung) darlegen. Einer solchen Darlegung bedürfe es jedoch nicht, wenn ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied (hier also die erstmals gewählte Vertrauensperson) zu einer Schulung entsandt wird, bei der Grundkenntnisse ... vermittelt werden. Zusammengefasst ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb notwendig sind, damit die Schulungsperson ihre Aufgaben in naher Zukunft sach- und fachgerecht erfüllen kann (vgl. BAG vom 17. November 2010 - 7 ABR 113/09 = NZA 2011, Seite 816 f). Demgemäß sind beispielsweise Seminare für Betriebsräte, die weder der Spezialisierung noch der Vertiefung vorhandenen Wissens dienen, sog. Grundschulungen, für deren Notwendigkeit keine besondere Erforderlichkeit gegeben sein muss (LAG Berlin/Brandenburg, Beschluss vom 03. Mai 2013 - 10 TaBV 88/13 und vom 07. September 2012 - 10 TaBV 1297/12). Bei alledem besteht bei der Auswahl geeigneter Schulungsveranstaltungen ein Beurteilungsspielraum und auch keine Verpflichtung, eine Marktanalyse anzustellen und den günstigsten Anbieter auszuwählen (Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 16 TaBV 226/11 = NZA - RR 2012, 475, 476). In seiner Entscheidung vom 25. November 2008 - 14 Ca 6811/07 = AiB 2009, 452, 455 hat das Arbeitsgericht Köln ausgeführt, der Begriff „Tätigkeit“ i. S. v. § 96 Abs. 6 SGB IX sei sehr weit und erfasse als Oberbegriff sowohl die „Durchführung von Aufgaben“ als auch die „Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen“.

153

Der Erforderlichkeit eines Seminars i. S. v. § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX stehe nicht entgegen, dass auch Betriebsräte an einem solchen Seminar teilnehmen können und auch nicht der Umstand, dass im Betrieb lediglich 5 schwerbehinderte Menschen tätig sind. Demgemäß ist der Erwerb von „Grundkenntnissen“ in der Regel erforderlich. Dies gilt aber nicht, wenn es sich um Schulungen kurz vor dem Ende der Amtszeit oder es sich um Schulungen handelt, in denen bereits erworbene Kenntnisse erneut vermittelt werden sollen.

154

Soweit es um das „technische Handwerkszeug“ geht, können auch sog. „Rhetorikseminare“ als erforderliche Schulung zu qualifizieren sein, und zwar jedenfalls dann, wenn der betreffende Betrieb eine bestimmte Größe hat (vgl. Fuhlrott/Reis, Freistellungs- und Kostenübernahmepflicht für Betriebsratsschulungen in ArbR aktuell, 2013, 410).

c)

155

Die Vertrauensperson B hat nach ihrer Wahl zur Vertrauensperson im Februar 2011 bereits vor der Teilnahme am „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ in Berlin vom 14. bis 16. Mai 2012 an vier Seminaren teilgenommen, nämlich

156

Schwerbehindertenvertretung Teil I vom 02. Mai bis 06. Mai 2011 in Berlin und Schwerbehindertenvertretung Teil II vom 15. August bis 19. August 2011 in Hamburg sowie
Schwerbehindertenvertretung Teil III vom 10. Oktober bis 14. Oktober 2011 in Düsseldorf und
an dem Seminar psychische Belastung am Arbeitsplatz - Neue Herausforderungen für die Schwerbehindertenvertretung vom 23. April bis 27. April 2012 in Dresden.

157

Im Rahmen des zweitinstanzlichen Termins zur Anhörung der Beteiligten vor der Kammer am 09. Februar 2014 haben die Beteiligten zu 1. und 2. insbesondere über die Erforderlichkeit der Teilnahme der Vertrauensperson B an der hier im Streit stehenden Veranstaltung in Berlin vom 14. bis 16. Mai 2012 gestritten. Die Verfahrensbevollmächtigte der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung hat darauf hingewiesen, dass im Rahmen dieser Veranstaltungen 22 Stunden für Vorträge und Workshops (ohne Pausen) vorgesehen gewesen seien und die Vertrauensperson B an drei Tagen im Umfang von 13,5 Stunden an Vorträgen und Workshops teilgenommen habe. Demgegenüber hat sich die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin auf den Standpunkt gestellt, aus ihrer Sicht seien dies nur 9,5 Stunden gewesen. Die Vertrauensperson B hat hinsichtlich der von ihr gebuchten Workshops (Das professionelle Konfliktgespräch, die erfolgreiche Anerkennung einer Schwerbehinderung, der souveräne Auftritt, die gekonnte Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung im Kündigungsfall) im Rahmen der mündlichen Anhörung am 19. Februar 2014 darauf hingewiesen, in diesen Workshops mit kleineren Gruppen von jeweils 6 - 7 Personen und damit im kleineren Kreis habe er eine bessere Lernfähigkeit gehabt. Zwar hat die zu 2. beteiligte Arbeitgebern dies bestritten. Die Beschwerdekammer unterstellt jedoch die vorgenannte Erklärung der Vertrauensperson B in vollem Umfang als richtig und geht auch nach Inhalt und Verlauf des Termins zur Anhörung am 19. Februar 2014 davon aus, dass die Vertrauensperson B für sich Schulungen im Zusammenhang mit Konfliktgesprächen, der Anerkennung der Schwerbehindertenvertretung, deren Auftritt und deren Stellungnahme im Kündigungsfall jeweils für erforderlich hält. Demgemäß kommt es auch nicht auf das Vorbringen der zu 2. beteiligten Arbeitgebern in ihrem Schriftsatz vom 26. August 2013 auf Seite (Bl. 199 d. A.) an. Dort setzt diese sich mit „gewisser Lernschwäche und permanentem Wiederholungsbedarf in kurzzeitigem Rhythmus“ auseinander. Die zu 1. beteiligte Schwerbehindertenvertretung meint offenbar bei lebensnaher Betrachtung, für die Vertrauensperson B sei eine weitere Schulung im Zusammenhang mit Gesprächsführung, Kommunikation und Rhetorik sowie Auftritt erforderlich.

158

Die Beschwerdekammer geht nach dem Besuch von bereits 4 Seminaren durch die Vertrauensperson B nach dessen Wahl im Februar 2011 im Zeitraum von Anfang Mai 2011 bis Ende April 2012 davon aus, dass für den Erwerb solcher Fähigkeiten und Kenntnisse, wenn dies tatsächlich erforderlich ist, ein darauf ausgerichtetes spezielles Seminar besser als der „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ in Berlin vom 14. bis 16. Mai 2012 geeignet ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn wie vorliegend, zeitnah bereits 4 verschiedene Veranstaltungen bzw. Seminare von der Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung besucht worden sind. Ein etwaiger weiterer bzw. zusätzlicher Schulungsbedarf der Vertrauensperson B hätte effektiver in einer anderen Spezialveranstaltung bearbeitet werden können, die sich etwa mit Rhetorik und Verhandlungs- bzw. Gesprächsführung auseinandersetzt. Bei üblicher Dauer solcher Seminare hätten dann mindestens 20 Stunden zur Verfügung gestanden, um die Vertrauensperson B zusätzlich im Bereich von Auftritt, Argumentation, Rhetorik und Verhandlung zu schulen oder ihre Fähigkeiten im Rahmen der Doppelrolle als Interessenvertreter und Berater im Bereich von Beratungs- und Konfliktgesprächen zu erweitern, mit betroffenen Arbeitnehmern und der Personalabteilung bzw. Geschäftsführung der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin Gespräche und Verhandlungen mit dem Ziel zu führen, im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit für die Wahrung der berechtigten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu sorgen.

159

Zusammenfassend ist die Beschwerdekammer der Auffassung, dass der „Tag der Schwerbehindertenvertretung“ nicht hinreichend erforderlich war, um die Vertrauensperson B mit den Themen besonders zu schulen, die aus der Sicht der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung für diesen im besonderen Maße trotz des Besuchs der vorgenannten 4 Veranstaltungen im Zeitraum von Anfang Mai 2011 bis Ende April 2012 gleichwohl noch erforderlich sind.

160

Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.

III.

161

Gegen den das Verfahren beendenden Beschluss eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nur statt, wenn sie in dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts zugelassen wird. Zuzulassen ist die Rechtsbeschwerde nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Beschluss von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Entscheidung beruht (vgl. §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 1 ArbGG). Liegen diese Voraussetzungen (grundsätzliche Bedeutung oder Abweichung) vor, so ist das Landesarbeitsgericht zur Zulassung verpflichtet. Das vorliegende Verfahren hat nicht nur für die hier Beteiligten, sondern wegen seiner Inhalte grundsätzliche Bedeutung.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 92 Rechtsbeschwerdeverfahren, Grundsatz


(1) Gegen den das Verfahren beendenden Beschluß eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 92a Sa

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 37 Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis


(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. (2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs z

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 81 Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 95 Sicherstellungsauftrag


Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts A

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 71 Weiterzahlung der Leistungen


(1) Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, u

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(1) Die Träger der Eingliederungshilfe arbeiten mit Leistungsanbietern und anderen Stellen, deren Aufgabe die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen betrifft, zusammen. (2) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentli

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 72 Einkommensanrechnung


(1) Auf das Übergangsgeld der Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2, 4 und 5 wird Folgendes angerechnet:1.Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung oder einer während des Anspruchs auf Übergangsgeld ausgeübten Tätigkeit, das bei Beschäftigt

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Bundesarbeitsgericht Beschluss, 12. Jan. 2011 - 7 ABR 94/09

bei uns veröffentlicht am 12.01.2011

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. März 2009 - 13 TaBV 144/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 17. Nov. 2010 - 7 ABR 113/09

bei uns veröffentlicht am 17.11.2010

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 28. Juli 2009 - 7 TaBV 4/07 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 30. März 2010 - 7 AZB 32/09

bei uns veröffentlicht am 30.03.2010

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Juli 2009 - 15 Ta 400/09 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts Abweichendes bestimmt. Sie schließen hierzu Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern nach den Vorschriften des Kapitels 8 ab. Im Rahmen der Strukturplanung sind die Erkenntnisse aus der Gesamtplanung nach Kapitel 7 zu berücksichtigen.

(1) Die Träger der Eingliederungshilfe arbeiten mit Leistungsanbietern und anderen Stellen, deren Aufgabe die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen betrifft, zusammen.

(2) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben und ihre Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben werden durch diesen Teil nicht berührt.

(3) Ist die Beratung und Sicherung der gleichmäßigen, gemeinsamen oder ergänzenden Erbringung von Leistungen geboten, sollen zu diesem Zweck Arbeitsgemeinschaften gebildet werden.

(4) Sozialdaten dürfen im Rahmen der Zusammenarbeit nur verarbeitet werden, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben nach diesem Teil erforderlich ist oder durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches angeordnet oder erlaubt ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Juli 2009 - 15 Ta 400/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten im Vorabentscheidungsverfahren darüber, ob der vorliegende Rechtsstreit im Urteilsverfahren oder im Beschlussverfahren zu entscheiden ist.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten im Depot B beschäftigt. Sie war Mitglied der Bezirksschwerbehindertenvertretung beim Streitkräfteunterstützungskommando in K. Mit Wirkung vom 4. Oktober 2005 wurde sie für die Dauer ihrer Amtszeit freigestellt und nach K abgeordnet. Während dieser Zeit behielt sie ihre Wohnung in L bei. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Mitglied der Bezirksschwerbehindertenvertretung unternahm sie eine Vielzahl von Reisen, deren Kosten von der Beklagten nur teilweise erstattet wurden. Mit der am 5. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin Reisekosten und Trennungsgeld in Höhe von insgesamt 876,64 Euro geltend gemacht.

3

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 20. Mai 2009 vorab erkannt, dass es nicht im Urteilsverfahren entscheide, und den Rechtsstreit in das Beschlussverfahren verwiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte, das Urteilsverfahren für zulässig zu erklären. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

4

II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Rechtsstreit zu Recht nach § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG in das Beschlussverfahren verwiesen. Rechtsstreitigkeiten über die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX, der nach § 97 Abs. 7 SGB IX für die Bezirksschwerbehindertenvertretung entsprechend gilt, sind im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG, aber aus der gebotenen entsprechenden Anwendung der Vorschrift.

5

1. Der Rechtsstreit wird von § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG nicht unmittelbar erfasst. Nach § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für Angelegenheiten aus den §§ 94, 95, 139 SGB IX. In Streitigkeiten nach diesen Vorschriften findet nach § 2a Abs. 2 ArbGG das Beschlussverfahren statt. Um eine solche Streitigkeit handelt es sich vorliegend nicht. Die Klägerin begehrt die Zahlung von Trennungsgeld und Reisekosten, die ihr anlässlich der Wahrnehmung ihres Amtes als Mitglied der Bezirksschwerbehindertenvertretung entstanden sind. Dies sind Kosten der Tätigkeit der Bezirksschwerbehindertenvertretung iSv. § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX. Für Angelegenheiten nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX trifft § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG keine Regelung.

6

2. Das Gesetz bestimmt auch an anderer Stelle nicht, bei welchem Gericht und in welcher Verfahrensart Angelegenheiten nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX zu entscheiden sind. Ansprüche der Mitglieder der Schwerbehindertenvertretungen, die auf der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX beruhen, sind keine individualrechtlichen Ansprüche, die entsprechend dem Status des Mitglieds als Arbeitnehmer oder Beamter im Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht oder dem Verwaltungsgericht geltend zu machen wären (aA VG Köln 17. August 2009 - 33 K 4297/09 PVB -). Diese Ansprüche haben ihre Grundlage nicht im Arbeits- oder Beamtenverhältnis des Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung, sondern in dem von ihm wahrgenommenen Amt. Für die Geltendmachung derartiger Ansprüche bestimmt weder § 2 ArbGG noch eine sonstige gesetzliche Vorschrift den Rechtsweg und die Verfahrensart. Das Gesetz enthält daher eine planwidrige Regelungslücke.

7

3. Die planwidrige Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG zu schließen (ebenso LAG Nürnberg 22. Oktober 2007 - 6 Ta 155/07 - ZTR 2008, 116; LAG Niedersachsen 7. August 2008 - 7 TaBV 148/07 -; Sächsisches LAG 2. Oktober 2009 - 2 TaBV Ga 4/09 -; VG Ansbach 29. Juli 2008 - AN 8 P 08.00604 -). Dies entspricht der Gesetzessystematik, der Gesetzesgeschichte sowie dem Zweck der Regelung in § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG.

8

a) Für die entsprechende Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG sprechen zum einen Gründe der Systematik.

9

aa) § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG eröffnet die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen im Beschlussverfahren für Angelegenheiten aus den §§ 94, 95 und 139 SGB IX. Dies betrifft Streitigkeiten über die Wahl und die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretungen (§ 94 SGB IX), die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung (§ 95 SGB IX) und die Mitwirkung durch Werkstatträte (§ 139 SGB IX). Hierbei handelt es sich um Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretungen, die in der Organstellung des Gremiums ihre Grundlage haben. Diese kollektivrechtlichen Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretungen hat der Gesetzgeber durch die Regelung in § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG hinsichtlich des Rechtswegs und der Verfahrensart betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten gleichgestellt und für Streitigkeiten hierüber die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren angeordnet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Schwerbehindertenvertretung in einem Betrieb der Privatwirtschaft oder in einer Dienststelle, für die Personalvertretungsrecht gilt, gebildet wurde (BAG 11. November 2003 - 7 AZB 40/03 - zu II 1 b der Gründe, AP SGB IX § 94 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 2a Nr. 5).

10

bb) § 96 SGB IX trifft nach seiner Überschrift Bestimmungen über die persönlichen Rechte und Pflichten der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen und regelt zu einem erheblichen Teil deren individualrechtlichen Rechte und Pflichten, zB das Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot (Abs. 2), den Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz (Abs. 3) sowie Entgeltfortzahlungsansprüche für die Dauer der Wahrnehmung von Amtstätigkeiten und der Teilnahme an Schulungsveranstaltungen (Abs. 4). Streitigkeiten hierüber sind - je nach dem Status des Mitglieds als Arbeitnehmer oder Beamter - im Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht oder dem Verwaltungsgericht zu entscheiden. Dementsprechend ist eine Erstreckung der Regelung in § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG auf diese Angelegenheiten konsequenterweise unterblieben. Eine Eröffnung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens für derartige individualrechtliche Streitigkeiten wäre systemwidrig.

11

cc) Andererseits enthält § 96 SGB IX aber auch Regelungen von kollektivem Charakter. Dazu gehört die in § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX geregelte Pflicht des Arbeitgebers, die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten zu tragen. Die zur Durchsetzung dieser Verpflichtung geführten Rechtsstreitigkeiten sind wegen ihres kollektiven Charakters nach der Systematik des Arbeitsgerichtsgesetzes § 2a ArbGG zuzuordnen. Diese Bestimmung sieht für kollektivrechtliche Angelegenheiten das Beschlussverfahren vor, während für individualrechtliche Angelegenheiten nach § 2 ArbGG das Urteilsverfahren eröffnet ist. Deshalb erscheint eine entsprechende Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG auf Angelegenheiten nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX geboten.

12

b) Für die entsprechende Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG auf Angelegenheiten nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX spricht auch die Gesetzesgeschichte.

13

aa) Bis zum 31. Juli 1996 war gesetzlich nicht geregelt, von welchem Gericht und in welcher Verfahrensart Rechtsstreitigkeiten über Rechte und Pflichten der Schwerbehindertenvertretungen gegenüber dem Arbeitgeber zu entscheiden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurden derartige Streitigkeiten wie solche aus dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Personalvertretungsrecht behandelt und waren im Beschlussverfahren vom Arbeitsgericht oder dem Verwaltungsgericht zu entscheiden. Der Rechtsweg hing davon ab, ob die Schwerbehindertenvertretung in einem Betrieb der Privatwirtschaft oder in einer Dienststelle, für die Personalvertretungsrecht galt, gebildet war (vgl. etwa BAG 21. September 1989 - 1 AZR 465/88 - BAGE 62, 382). Mit Wirkung vom 1. August 1996 wurde § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG eingeführt, wonach Angelegenheiten des neu geschaffenen Werkstattrats nach § 54c SchwbG (jetzt: § 139 SGB IX) der ausschließlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zugewiesen wurden. Damit war gleichzeitig festgelegt, dass diese Angelegenheiten im Beschlussverfahren zu entscheiden sind (§ 2a Abs. 2 ArbGG). Zum 1. Mai 2000 wurde die Regelung in § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG um die Angelegenheiten nach §§ 24, 25 SchwbG (jetzt: §§ 94, 95 SGB IX) ergänzt. Nach der Gesetzesbegründung war es im Rahmen der zum 1. August 1996 erfolgten Gesetzesänderung vom 23. Juli 1996 versäumt worden „klarzustellen, dass nicht nur die Angelegenheiten der Werkstatträte der Behinderten gemäß § 54c SchwbG, sondern auch die Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretung (§§ 24, 25 SchwbG) im Beschlussverfahren zu entscheiden sind“ (BT-Drucks. 14/626 S. 8). Anlässlich der Übernahme der Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes in das SGB IX zum 1. Juli 2001 erfolgte eine redaktionelle Angleichung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG an die Vorschriften des SGB IX.

14

bb) Aus dieser Gesetzesgeschichte ergibt sich, dass der Gesetzgeber durch die zum 1. Mai 2000 vorgenommene Änderung des § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG die bislang versäumte gesetzliche Festlegung der Verfahrensart für die Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretungen nachholen wollte. Dabei blieb jedoch unberücksichtigt, dass auch § 26 SchwbG (seit 1. Juli 2001: § 96 SGB IX) entgegen der Überschrift der Vorschrift nicht nur individualrechtliche Rechte und Pflichten der Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung, sondern ua. in Abs. 8 Satz 1 Angelegenheiten regelt, die auf der Organstellung der Schwerbehindertenvertretung beruhen. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass die hinsichtlich dieser Angelegenheiten bestehende Regelungslücke wie vor der Ergänzung des § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG um die §§ 24, 25 SchwbG (jetzt: §§ 94, 95 SGB IX) dahingehend zu schließen wäre, dass Streitigkeiten hierüber in analoger Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 83 BPersVG und der entsprechenden Vorschriften der Personalvertretungsgesetze der Länder ebenso wie Streitigkeiten betriebsverfassungs- oder personalvertretungsrechtlicher Art im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht oder dem Verwaltungsgericht zu entscheiden wären, je nach dem, ob die Schwerbehindertenvertretung in einem Betrieb der Privatwirtschaft oder in einer Dienststelle des öffentlichen Dienstes betroffen ist (so aber zB GK-ArbGG/Dörner Stand Dezember 2009 § 2a Rn. 72; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen-Pahlen SGB IX 11. Aufl. § 96 Rn. 25). Die Erstreckung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG auf Angelegenheiten nach §§ 24, 25 SchwbG (jetzt: §§ 94, 95 SGB IX) lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretungen der ausschließlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren zuzuweisen. Dies rechtfertigt eine entsprechende Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG auf Angelegenheiten aus § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX.

15

c) Diese Auslegung hat allerdings zur Folge, dass die Gerichte für Arbeitssachen auch dann über die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX zu entscheiden haben, wenn Beamten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Mitglied der Schwerbehindertenvertretung Kosten entstanden sind. Das steht der Auslegung aber nicht entgegen, sondern entspricht dem Zweck der Regelung in § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 ArbGG. Dieser geht dahin, die kollektivrechtlichen Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretungen insgesamt der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren zu übertragen unabhängig davon, ob die Schwerbehindertenvertretung in einem Betrieb der Privatwirtschaft oder in einer Dienststelle, in der Personalvertretungsrecht gilt, gebildet ist. Das dient der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Rechtssicherheit. Diesem Zweck entspricht es, Streitigkeiten über die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX auch dann im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden, wenn die Kosten einem Beamten anlässlich der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Mitglied der Schwerbehindertenvertretung entstanden sind.

        

    Linsenmaier    

        

    Gräfl    

        

    Schmidt    

        

        

        

        

        

        

        

        

(1) Die Träger der Eingliederungshilfe arbeiten mit Leistungsanbietern und anderen Stellen, deren Aufgabe die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen betrifft, zusammen.

(2) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben und ihre Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben werden durch diesen Teil nicht berührt.

(3) Ist die Beratung und Sicherung der gleichmäßigen, gemeinsamen oder ergänzenden Erbringung von Leistungen geboten, sollen zu diesem Zweck Arbeitsgemeinschaften gebildet werden.

(4) Sozialdaten dürfen im Rahmen der Zusammenarbeit nur verarbeitet werden, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben nach diesem Teil erforderlich ist oder durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches angeordnet oder erlaubt ist.

(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.

(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.

(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.

(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.

(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. März 2009 - 13 TaBV 144/08 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 22. August 2008 - 3 BV 8/08 - abgeändert:

Die Anträge werden abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Rhetorikschulung für den Betriebsratsvorsitzenden erforderlich ist und die Arbeitgeberin ihn von den Schulungs-, Unterbringungs-, Verpflegungs- und Reisekosten freizustellen hat.

2

Die zu 3. beteiligte Arbeitgeberin ist eine der 35 Regionalgesellschaften der Unternehmensgruppe A. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb in B in Lager, Fuhrpark und Verwaltung ca. 900 Arbeitnehmer, für die ein 13-köpfiger Betriebsrat - der Antragsteller zu 2. - errichtet ist. Dessen Vorsitzender - der Antragsteller zu 1. - ist ausgebildeter Koch. Er wird seit März 1989 als Kraftfahrer beschäftigt. Er war bereits von Oktober 1998 bis April 2002 Betriebsratsmitglied. Nach einer vierjährigen Unterbrechung gehört er seit April 2006 wieder dem Betriebsrat an und ist seitdem dessen freigestellter Vorsitzender. In dieser Funktion leitet er Betriebsrats- und Betriebsausschusssitzungen sowie Betriebsversammlungen. An den Betriebsversammlungen nehmen regelmäßig 350 bis 400 Arbeitnehmer teil.

3

Der Betriebsrat beschloss in der Sitzung vom 12. Dezember 2007, seinen Vorsitzenden zu der Schulung „Rhetorik für Betriebsräte - Teil 1“ in Willingen zu entsenden, die in der Zeit vom 26. bis 30. Mai 2008 stattfinden sollte. Die Veranstaltung wurde von der Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R GmbH ausgerichtet. Die Arbeitgeberin lehnte es ab, die Kosten zu übernehmen. Der Betriebsratsvorsitzende nahm daraufhin nicht an der Rhetorikschulung teil.

4

Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens fasste der Betriebsrat am 11. Juli 2008 den Beschluss, seinen Vorsitzenden nun zu einem Rhetorikseminar in der Zeit vom 17. bis 21. November 2008 zu entsenden. Mit weiterem Beschluss vom 9. Dezember 2008 entsandte der Betriebsausschuss des Betriebsrats den Betriebsratsvorsitzenden zu dem Seminar „Rhetorik für Betriebsräte - Teil 1“, das in der Zeit vom 20. bis 24. April 2009 in Bremen stattfinden sollte. Die Arbeitgeberin lehnte es in beiden Fällen erneut ab, die Kosten zu übernehmen. Auch diese beiden Seminare besuchte der Betriebsratsvorsitzende nicht.

5

Das Schulungsprogramm „Rhetorik für Betriebsräte - Teil 1“ der Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R GmbH befasst sich nach dem Programmauszug mit dem „Reden und Argumentieren in Sitzungen, Beratungen und Versammlungen“.

6

Der Betriebsratsvorsitzende und der im Beschwerdeverfahren ebenfalls als Antragsteller auftretende Betriebsrat haben mit dem am 27. März 2008 eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden an einem Rhetorikseminar sei für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich iSv. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsratsvorsitzende sei den rhetorischen Fähigkeiten des Personalleiters in der Vergangenheit nicht gewachsen gewesen. Das habe sich ua. bei der Betriebsversammlung vom 22. September 2007 gezeigt. Dort habe der Personalleiter über die Betriebsratskosten informiert und in erster Linie auf Reisen in Viersternehotels hingewiesen. Bei Verhandlungen über Betriebsvereinbarungen stehe der Betriebsratsvorsitzende rhetorisch versierten Geschäftsführern und ihren Rechtsberatern gegenüber. Eine Rhetorikschulung sei auch deshalb dringend erforderlich, weil die Arbeitgeberin nach einem Strategiepapier, das von ihren Verfahrensbevollmächtigten erstellt worden sei, gezielt gegen kritische Betriebsräte vorgehe. Werde dem Betriebsratsvorsitzenden die Teilnahme an dem Seminar ohne Kostenzusage der Arbeitgeberin abverlangt, gerate er in eine finanziell prekäre Lage.

7

Der Betriebsratsvorsitzende und der Betriebsrat haben - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden K an einer einwöchigen Schulungsveranstaltung „Rhetorik für Betriebsräte - Teil 1“, ausgerichtet von der Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R GmbH, H, erforderlich ist;

        

hilfsweise

        

die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Betriebsratsvorsitzenden von den Schulungskosten eines Rhetorikseminars bei dem Schulungsträger A Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R GmbH, H, zuzüglich anfallender Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein Wochenseminar und den Fahrtkosten freizustellen;

        

weiter hilfsweise

        

die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Betriebsratsvorsitzenden von den Schulungskosten eines noch zu benennenden anderen Seminarträgers zuzüglich der Kosten für die notwendigen Übernachtungen und die Verpflegung für die Teilnahme an einem Wochenseminar und den Fahrtkosten freizustellen und die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Betriebsratsschulungsveranstaltung „Rhetorik für Betriebsräte - Teil 1/Grundlagen Reden und Argumentieren in Sitzungen und Versammlungen“ festzustellen.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat gemeint, der Besuch der Rhetorikschulung durch den Betriebsratsvorsitzenden sei nicht erforderlich.

9

Das Arbeitsgericht hat dem erstinstanzlich noch auf Freistellung von den bezifferten Kosten für die Teilnahme an dem Seminar vom 17. bis 21. November 2008 gerichteten Antrag des Betriebsratsvorsitzenden stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin mit der Maßgabe zurückgewiesen, die dem zuletzt von beiden Antragstellern gestellten Hauptantrag entspricht. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin weiter das Ziel der Abweisung aller Anträge.

10

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag zu Unrecht stattgegeben. Auch die Hilfsanträge sind nicht erfolgreich.

11

I. An dem Verfahren sind neben den beiden Antragstellern und der Arbeitgeberin keine weiteren Personen oder Stellen beteiligt.

12

II. Die Anträge sind unzulässig.

13

1. Der Senat kann über den Hauptantrag nicht in der Sache entscheiden. Es kann offenbleiben, ob mit dem jetzigen Hauptantrag im Beschwerdeverfahren der Verfahrensgegenstand ausgewechselt wurde oder lediglich einer der Fälle des § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO anzunehmen ist. Der Hauptantrag lässt jedenfalls keine Auslegung zu, die den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt.

14

a) Nach dieser im Beschlussverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift muss die Antragsschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Das ist erforderlich, um zu klären, worüber das Gericht entscheidet und wie der objektive Umfang der Rechtskraft einer Sachentscheidung iSv. § 322 Abs. 1 ZPO ist(vgl. etwa BAG 18. August 2009 - 1 ABR 45/08 - Rn. 14 mwN).

15

b) Der Hauptantrag wird den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht gerecht, weil er weder die zeitliche Lage noch den Ort der Schulungsveranstaltung nennt.

16

aa) Diese Angaben sind für die Bestimmtheit des Verfahrensgegenstands unentbehrlich. Würde dem Antrag ohne sie stattgegeben, bliebe unklar, zu welcher konkreten Schulung der Betriebsrat seinen Vorsitzenden entsenden darf. Die Entscheidung erginge zu einer (hypothetischen) Seminarveranstaltung zu irgendeinem Zeitpunkt an irgendeinem Ort. Dadurch unterscheidet sich diese Fallgestaltung von denjenigen, in denen das Bundesarbeitsgericht im Rahmen von Feststellungsanträgen über die Erforderlichkeit von in der Vergangenheit liegenden Schulungen entschieden hat (vgl. zB BAG 16. März 1976 - 1 ABR 43/74 - zu II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 22 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 46; 6. Mai 1975 - 1 ABR 135/73 - zu II 3 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 65 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 65 Nr. 5; 10. Juni 1974 - 1 ABR 136/73 - zu 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 15 = EzA ArbGG § 80 Nr. 3; 6. November 1973 - 1 ABR 15/73 - zu II 2 der Gründe, AP ArbGG 1953 § 89 Nr. 8 = EzA ArbGG § 89 Nr. 1).

17

bb) Ohne Konkretisierung von Zeitpunkt und Ort der Schulung kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Antrag begründet ist. Zeitpunkt und Ort der Schulung sind vielmehr neben ihrem Inhalt für die Frage von Bedeutung, ob der Betriebsrat die Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG für erforderlich halten darf.

18

(1) Der Erwerb von Kenntnissen der Rhetorik kann für einen Betriebsratsvorsitzenden im Einzelfall durchaus erforderlich iSv. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG sein, um seine Aufgaben zu erledigen.

19

(a) Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Dazu muss ein aktueller oder absehbarer betrieblicher oder betriebsratsbezogener Anlass dargelegt werden, aus dem sich der Schulungsbedarf ergibt. Lediglich bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden. Der Senat unterscheidet zwischen der Vermittlung sog. Grundkenntnisse und anderen Schulungsveranstaltungen. Durch die Vermittlung von Grundwissen soll das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 12, 14, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 37 Nr. 7; 19. März 2008 - 7 ABR 2/07 - Rn. 13, EzB BetrVG § 37 Nr. 17). Der Schulungsanspruch aus § 37 Abs. 6 BetrVG ist kein individueller Anspruch des einzelnen Betriebsratsmitglieds, sondern ein kollektiver Anspruch des Betriebsrats darauf, dass einem bestimmten Betriebsratsmitglied Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit des Gremiums erforderlich sind(vgl. BAG 24. Mai 1995 - 7 ABR 54/94 - zu B II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 109 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 127).

20

(b) Danach kann der Erwerb von Kenntnissen der Rhetorik erforderlich iSv. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG sein. Sind die Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat so gelagert, dass der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben nur dann sachgerecht erfüllen kann, wenn die rhetorischen Fähigkeiten bestimmter Betriebsratsmitglieder durch Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung verbessert werden, kann die Entsendung dieser Betriebsratsmitglieder zu einer Rhetorikschulung erforderlich iSv. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG sein. Zu denken ist etwa an Schulungsveranstaltungen über die Diskussionsleitung für Betriebsratsvorsitzende und ihre Stellvertreter (vgl. BAG 15. Februar 1995 - 7 AZR 670/94 - zu 1 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 125; anders noch 14. September 1994 - 7 ABR 27/94 - zu B 3 c der Gründe, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 99 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 120; 20. Oktober 1993 - 7 ABR 14/93 - zu II 3 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 91 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 116). Im Einzelfall ist jedoch darzulegen, dass gerade das zu der Schulung entsandte Betriebsratsmitglied die dort vermittelten Kenntnisse braucht, damit der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann (vgl. BAG 24. Mai 1995 - 7 ABR 54/94 - zu B II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 109 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 127). Auf diese Darlegung kann nicht verzichtet werden. Kenntnisse der Rhetorik sind kein Grundwissen im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung, das unabdingbare Voraussetzung der Amtsausübung ist. Es geht vielmehr um bestimmte Schlüsselqualifikationen, für deren Erwerb ein aktueller, betriebsbezogener Anlass bestehen muss, der auch in der ersten Wahlperiode dargelegt werden muss. Bei Rhetorikschulungen kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, dass der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben nur dann sach- und fachgerecht erfüllen kann, wenn jedes Betriebsratsmitglied über die entsprechenden Kenntnisse verfügt. Von Bedeutung für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Rhetorikschulung können neben der Funktion des zu Schulenden insbesondere dessen schon vorhandene rhetorische Kompetenz und die in der Wahlperiode noch anstehenden rhetorischen Anforderungen sein.

21

(2) Hier sprechen die Funktion des Betriebsratsvorsitzenden, die Leitung eines größeren - 13-köpfigen - Betriebsratsgremiums und die Leitung von Betriebsversammlungen, an denen regelmäßig 350 bis 400 Arbeitnehmer teilnehmen, für die Erforderlichkeit der Rhetorikschulung. Ohne die Festlegung der zeitlichen Lage und des Orts der Schulungsveranstaltung ist es gleichwohl nicht möglich, die Erforderlichkeit der Schulung des Betriebsratsvorsitzenden abschließend zu beurteilen. Die Erforderlichkeitsprüfung, die der Betriebsrat nach § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6 BetrVG vorzunehmen hat, umfasst ua. auch die Festlegung der zeitlichen Lage und den Ort der Schulungsveranstaltung. Das wird an § 37 Abs. 6 Satz 3 bis 6 BetrVG deutlich. Der Betriebsrat hat nach § 37 Abs. 6 Satz 3 BetrVG bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. § 37 Abs. 6 Satz 4 BetrVG sieht vor, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben hat. Der Arbeitgeber kann nach § 37 Abs. 6 Satz 5 BetrVG die Einigungsstelle anrufen, wenn er die betrieblichen Gegebenheiten für nicht ausreichend berücksichtigt hält. Die berechtigten Belange des Arbeitgebers können nur dann ausreichend bedacht werden, wenn Ort und Zeit der Schulung feststehen. Daran fehlt es. Die notwendige Einzelfallbetrachtung, die immer wieder eine neue Entscheidung des Betriebsrats erfordert, lässt die verlangte Feststellung nicht zu (vgl. zu § 40 Abs. 1 BetrVG BAG 16. Oktober 1986 - 6 ABR 4/84 - zu IV 2 der Gründe, DB 1987, 1439).

22

(3) Der Senat verkennt nicht, dass es aufgrund des Erfordernisses eines Betriebsratsbeschlusses, der auf eine konkrete, nach Zeitpunkt und Ort bestimmte Schulung bezogen ist, schwierig oder fast unmöglich werden kann, vor dem Schulungsbesuch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über seine Erforderlichkeit herbeizuführen. Soweit Rechte von konkreten, sich ändernden Umständen abhängen, kann die Rechts- und Verfahrensordnung aber nicht stets - jedenfalls nicht im Erkenntnisverfahren - die vorherige rechtskräftige gerichtliche Klärung des Streits über das Bestehen des Rechts sicherstellen. Vielmehr kann es Sache des tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsinhabers sein, das Recht wahrzunehmen und erforderlichenfalls danach klären zu lassen, ob das berechtigterweise geschah. Das gilt auch für den eigenverantwortlich handelnden Betriebsrat. Mit seinem Beurteilungsspielraum korrespondiert das Risiko, ihn überschritten zu haben. Dieses Verfahren verlangt keine abschließende Beurteilung, ob der Betriebsrat oder das zu schulende Mitglied jedenfalls für die unmittelbar zu leistenden, ihm finanziell nicht möglichen oder zumutbaren Aufwendungen einen Vorschuss des Arbeitgebers im Wege einstweiligen Rechtsschutzes verlangen kann.

23

2. Die durch die Abweisung des Hauptantrags zur Entscheidung des Senats angefallenen, auf Freistellung gerichteten Hilfsanträge sind ebenfalls nicht ausreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit unzulässig.

24

a) Der erste Hilfsantrag bezeichnet weder die zeitliche Lage noch den Ort der Seminarveranstaltung. Die Schulungskosten, von denen der Betriebsratsvorsitzende freigestellt werden soll, sind nicht nach Art und konkreter Höhe aufgeschlüsselt.

25

b) Das trifft auch auf den zweiten Hilfsantrag zu, der zudem keinen bestimmten Seminarveranstalter nennt.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    Busch    

        

    Rose    

                 

(1) Die Träger der Eingliederungshilfe arbeiten mit Leistungsanbietern und anderen Stellen, deren Aufgabe die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen betrifft, zusammen.

(2) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben und ihre Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben werden durch diesen Teil nicht berührt.

(3) Ist die Beratung und Sicherung der gleichmäßigen, gemeinsamen oder ergänzenden Erbringung von Leistungen geboten, sollen zu diesem Zweck Arbeitsgemeinschaften gebildet werden.

(4) Sozialdaten dürfen im Rahmen der Zusammenarbeit nur verarbeitet werden, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben nach diesem Teil erforderlich ist oder durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches angeordnet oder erlaubt ist.

Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts Abweichendes bestimmt. Sie schließen hierzu Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern nach den Vorschriften des Kapitels 8 ab. Im Rahmen der Strukturplanung sind die Erkenntnisse aus der Gesamtplanung nach Kapitel 7 zu berücksichtigen.

(1) Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese Leistungen aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld für diese Zeit weitergezahlt. Voraussetzung für die Weiterzahlung ist, dass

1.
die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben oder
2.
den Leistungsempfängern eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann.

(2) Leistungsempfänger haben die Verzögerung von Weiterzahlungen insbesondere dann zu vertreten, wenn sie zumutbare Angebote von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur deshalb ablehnen, weil die Leistungen in größerer Entfernung zu ihren Wohnorten angeboten werden. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist § 140 Absatz 4 des Dritten Buches entsprechend anzuwenden.

(3) Können Leistungsempfänger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe bis zum Ende dieser Leistungen, höchstens bis zu sechs Wochen weitergezahlt.

(4) Sind die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können; die Anspruchsdauer von drei Monaten vermindert sich um die Anzahl von Tagen, für die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen können. In diesem Fall beträgt das Übergangsgeld

1.
67 Prozent bei Leistungsempfängern, bei denen die Voraussetzungen des erhöhten Bemessungssatzes nach § 66 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 vorliegen und
2.
60 Prozent bei den übrigen Leistungsempfängern,
des sich aus § 66 Absatz 1 Satz 1 oder § 68 ergebenden Betrages.

(5) Ist im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (§ 44) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zum Ende der Wiedereingliederung weitergezahlt.

(1) Auf das Übergangsgeld der Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2, 4 und 5 wird Folgendes angerechnet:

1.
Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung oder einer während des Anspruchs auf Übergangsgeld ausgeübten Tätigkeit, das bei Beschäftigten um die gesetzlichen Abzüge und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt und bei sonstigen Leistungsempfängern um 20 Prozent zu vermindern ist,
2.
Leistungen des Arbeitgebers zum Übergangsgeld, soweit sie zusammen mit dem Übergangsgeld das vor Beginn der Leistung erzielte, um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt übersteigen,
3.
Geldleistungen, die eine öffentlich-rechtliche Stelle im Zusammenhang mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringt,
4.
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Verletztenrenten in Höhe des sich aus § 18a Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches ergebenden Betrages, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf die Höhe der Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nicht ausgewirkt hat,
5.
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die aus demselben Anlass wie die Leistungen zur Teilhabe erbracht werden, wenn durch die Anrechnung eine unbillige Doppelleistung vermieden wird,
6.
Renten wegen Alters, die bei der Berechnung des Übergangsgeldes aus einem Teilarbeitsentgelt nicht berücksichtigt wurden,
7.
Verletztengeld nach den Vorschriften des Siebten Buches und
8.
vergleichbare Leistungen nach den Nummern 1 bis 7, die von einer Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs erbracht werden.

(2) Bei der Anrechnung von Verletztenrenten mit Kinderzulage und von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Kinderzuschuss auf das Übergangsgeld bleibt ein Betrag in Höhe des Kindergeldes nach § 66 des Einkommensteuergesetzes oder § 6 des Bundeskindergeldgesetzes außer Ansatz.

(3) Wird ein Anspruch auf Leistungen, um die das Übergangsgeld nach Absatz 1 Nummer 3 zu kürzen wäre, nicht erfüllt, geht der Anspruch insoweit mit Zahlung des Übergangsgeldes auf den Rehabilitationsträger über; die §§ 104 und 115 des Zehnten Buches bleiben unberührt.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 28. Juli 2009 - 7 TaBV 4/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin dem früheren Vorsitzenden des Betriebsrats Schulungs-, Unterbringungs-, Verpflegungs- und Reisekosten zu erstatten hat.

2

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist eine gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung der Berufsbildung im Handwerk M. Antragsteller und Beteiligter zu 1. ist der im Herbst 2005 erstmals gewählte, damals noch dreiköpfige Betriebsrat. Das Arbeitsverhältnis des zu 3. beteiligten früheren Betriebsratsvorsitzenden Me war bis 31. August 2006 befristet. Die Arbeitsverhältnisse der beiden weiteren Betriebsratsmitglieder waren bis - höchstens - 15. September 2006 und 31. Dezember 2007 befristet. Die Arbeitgeberin beschäftigt ihre Arbeitnehmer bis auf eine Verwaltungsfachangestellte nur befristet, weil sie sich aus Drittmitteln finanziert. Sie entscheidet regelmäßig vor dem Auslaufen der befristeten Arbeitsverträge zum Schuljahresende über die Fortsetzung der Verträge, über Versetzungen und ggf. auch über den Ausspruch von Kündigungen.

3

Der Beteiligte zu 3. nahm im April 2006 an einem Seminar mit dem Titel „Einführung in die Betriebsratstätigkeit“ teil. Themen des Seminars waren die Rechtsstellung des Betriebsrats und der einzelnen Betriebsratsmitglieder gegenüber dem Arbeitgeber, die interne Organisation der Betriebsratstätigkeit, Grundbegriffe der Betriebsverfassung, Beteiligungsrechte und Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrats, Gewerkschaften im Betrieb, Gewerkschaften und Betriebsrat sowie Informationsansprüche der Belegschaft.

4

Der Betriebsrat beschloss am 22. Mai 2006, seinen damaligen Vorsitzenden in der Zeit vom 10. bis 14. Juli 2006 zu dem Seminar des Instituts zur Fortbildung von Betriebsräten mit dem Thema „Von der Einstellung bis zur Kündigung“ im Marriott Hotel in Regensburg zu entsenden. Gegenstände des Seminars waren Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung, Versetzung, Kündigungsarten, Kündigungsschutz, die Beteiligung des Betriebsrats an Kündigungen und das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin die Entsendung unter dem 13. Juni 2006 mit. Die Arbeitgeberin wies einen Antrag des Beteiligten zu 3. auf Reisekostenvorschuss vom 27. Juni 2006 zurück. Der Beteiligte zu 3. nahm dennoch an dem Seminar teil. Er beglich die Seminarkosten von 1.032,40 Euro und die Hotelkosten von 540,00 Euro. Ihm entstanden Reisekosten von 95,40 Euro. Die Arbeitgeberin lehnte es ab, die Kosten zu übernehmen.

5

Der Betriebsrat hat mit seinem am 24. August 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag die Auffassung vertreten, er habe die Teilnahme seines früheren Vorsitzenden an dem Seminar insbesondere wegen eines anstehenden Personalabbaus für erforderlich halten dürfen. Die Arbeitgeberin habe seine Beteiligungsrechte aus § 99 BetrVG mehrfach missachtet. Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende habe seine erworbenen Kenntnisse bis 31. August 2006 noch selbst nutzen können, weil die befristeten Arbeitsverträge von 19 der damals insgesamt 24 Arbeitnehmer zum 31. August oder 15. September 2006 geendet hätten. Der Betriebsrat habe sich um eine andere Schulung bemüht. Die Kosten eines vergleichbaren Seminars in Hamburg seien ähnlich hoch gewesen. Es wären aber erheblich höhere Hotel- und Reisekosten angefallen. Eine kostengünstigere Unterbringungsmöglichkeit habe am Tagungsort in Regensburg nicht bestanden.

6

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Me die Kosten des Seminars „Von der Einstellung bis zur Kündigung“ im Zeitraum vom 10. Juli bis 14. Juli 2006 in Regensburg in Höhe der angefallenen Seminarkosten von 1.032,40 Euro, Rechnungsnr. 149406, der anfallenden Hotelkosten in Höhe von 540,00 Euro, Rechnungsnr. 135890, und der Fahrtkosten in Höhe von 95,40 Euro abzüglich einer Haushaltsersparnis in Höhe von 32,32 Euro in Analogie zur Sachbezugsverordnung aus dem Jahr 2006 zu erstatten.

7

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Ansicht geäußert, der Betriebsrat sei nicht antragsbefugt. Jedenfalls sei die Seminarteilnahme mit Blick auf das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3. nicht erforderlich gewesen. Die Unterbringungskosten seien unangemessen hoch.

8

Das Arbeitsgericht hat den ursprünglich auf Freistellung gerichteten Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Erstattungsantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin das Ziel der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Beteiligten haben in der Rechtsbeschwerdeinstanz übereinstimmend vorgetragen, seit 1. August 2007 bestehe im Betrieb der Arbeitgeberin kein Betriebsrat. Zu Neuwahlen sei es auch im Jahr 2010 nicht gekommen.

9

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

10

I. Am Verfahren sind neben der Arbeitgeberin der frühere Betriebsratsvorsitzende Me und der antragstellende Betriebsrat beteiligt.

11

1. Der frühere Betriebsratsratsvorsitzende Me, der die Kosten der Schulungsteilnahme getragen hat, ist am Verfahren beteiligt.

12

a) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (vgl. etwa BAG 17. Februar 2010 - 7 ABR 89/08 - Rn. 11 mwN, AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78a Nr. 5).

13

b) Danach ist der ehemalige Betriebsratsvorsitzende Me am Verfahren beteiligt. Mitglieder des Betriebsrats sind wegen ihres vom Betriebsrat abgeleiteten Rechts beteiligt, solange sie Inhaber von Freistellungs- oder Kostenerstattungsansprüchen sind (vgl. BAG 15. Januar 1992 - 7 ABR 23/90 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 69, 214; zu der hier nicht in Anspruch genommenen Antragsbefugnis des einzelnen Betriebsratsmitglieds 23. Juni 2010 - 7 ABR 103/08 - Rn. 10 mwN, EzA BetrVG 2001 § 40 Nr. 20).

14

2. Der antragstellende Betriebsrat ist beteiligt, obwohl seine Amtszeit beendet ist.

15

a) Ihm steht kein Restmandat nach § 21b BetrVG zu, weil der Betrieb, für den er gebildet war, nicht untergegangen ist, sondern fortbesteht. Das Amtsende eines Betriebsrats führt jedoch nicht dazu, dass seine Erstattungsansprüche aus § 40 Abs. 1 BetrVG ersatzlos erlöschen. Der Betriebsrat ist hinsichtlich dieser Ansprüche in entsprechender Anwendung von § 22 BetrVG, § 49 Abs. 2 BGB als fortbestehend zu behandeln. Er kann die Ansprüche weiter gegenüber dem Arbeitgeber verfolgen (vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 90/07 - Rn. 11, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 96 = EzA BetrVG 2001 § 40 Nr. 16; grundlegend und ausführlich zum sog. Abwicklungsmandat 24. Oktober 2001 - 7 ABR 20/00 - zu B II 2 und 3 der Gründe, BAGE 99, 208).

16

b) Das gilt in Fällen, in denen das einzelne Betriebsratsmitglied - wie hier - selbst Freistellungs- oder Erstattungsansprüche geltend machen kann, jedenfalls dann, wenn der Betriebsrat das Verfahren vor dem Ende seiner Amtszeit eingeleitet hat. Das Gremium ist nicht gehalten, seinen Antrag zurückzunehmen oder ihn für erledigt zu erklären.

17

II. Der Antrag ist zulässig.

18

1. Seiner Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat im Beschwerdeverfahren von einem Freistellungs- auf einen Erstattungsantrag übergegangen ist. Dabei handelt es sich nach § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG, § 264 Nr. 3 ZPO nicht um eine Antragsänderung iSv. § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, § 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG.

19

2. Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gehören zu den Kosten des Betriebsrats auch die Schulungskosten seiner Mitglieder. Soweit einzelne Betriebsratsmitglieder für den Besuch betriebsverfassungsrechtlicher Schulungsveranstaltungen Zahlungsverpflichtungen eingegangen sind, ist der Betriebsrat als Gremium berechtigt, den Arbeitgeber auf Kostenerstattung an das einzelne Mitglied in Anspruch zu nehmen (vgl. nur BAG 30. März 1994 - 7 ABR 45/93 - zu B I 1 und 2 der Gründe, BAGE 76, 214; mittelbar auch 23. Juni 2010 - 7 ABR 103/08 - Rn. 10 mwN, EzA BetrVG 2001 § 40 Nr. 20).

20

III. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats im Ergebnis zu Recht für begründet erachtet. Die Arbeitgeberin ist nach § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG verpflichtet, dem früheren Betriebsratsvorsitzenden Me die Schulungs-, Unterbringungs-, Verpflegungs- und Reisekosten zu erstatten, die ihm für die Teilnahme an dem Seminar „Von der Einstellung bis zur Kündigung“ in der Zeit vom 10. bis 14. Juli 2006 entstanden. Der Betriebsrat durfte die Teilnahme des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden an der Seminarveranstaltung für erforderlich halten. Auch die Höhe der Schulungskosten ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

21

1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören neben den eigentlichen Seminargebühren auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds (st. Rspr., vgl. BAG 19. März 2008 - 7 ABR 2/07 - Rn. 12 mwN, EzB BetrVG § 37 Nr. 17; 28. März 2007 - 7 ABR 33/06  - Rn. 10, AE 2008, 49).

22

a) Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann(vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 12, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 37 Nr. 7; 19. März 2008 - 7 ABR 2/07 - Rn. 13 mwN, EzB BetrVG § 37 Nr. 17).

23

aa) Dazu muss ein aktueller oder absehbarer betrieblicher oder betriebsratsbezogener Anlass dargelegt werden, aus dem sich der Schulungsbedarf ergibt. Lediglich bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden (vgl. BAG 19. März 2008 - 7 ABR 2/07 - Rn. 13 mwN, EzB BetrVG § 37 Nr. 17; 4. Juni 2003 - 7 ABR 42/02  - zu B I der Gründe, BAGE 106, 233 ).

24

bb) Der Senat unterscheidet zwischen der Vermittlung sog. Grundkenntnisse und anderen Schulungsveranstaltungen. Durch die Vermittlung von Grundwissen soll das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 37 Nr. 7; 19. März 2008 - 7 ABR 2/07 - Rn. 13, EzB BetrVG § 37 Nr. 17).

25

b) Der Senat hat zwei Ausnahmen anerkannt, für die auch bei Grundschulungen ein betriebsbezogener Schulungsbedarf dargelegt werden muss (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 15 f. mwN, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 37 Nr. 7).

26

aa) Die Vermittlung von Grundwissen ist für die ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit nicht mehr erforderlich, wenn das zu schulende Betriebsratsmitglied aufgrund seiner bis zum Zeitpunkt des Betriebsratsbeschlusses erworbenen Vorkenntnisse bereits über das nötige Grundwissen für die Ausübung seiner Betriebsratsaufgaben verfügt. Zu den persönlichen Vorkenntnissen gehören auch die auf vorangegangenen Schulungen vermittelten Kenntnisse und das durch langjährige Tätigkeit im Betriebsrat erworbene Erfahrungswissen (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 15 mwN, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 37 Nr. 7).

27

bb) Eine Grundschulung ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Schulung erst kurz vor dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats stattfindet und der Betriebsrat zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung absehen kann, dass das erstmals gewählte Mitglied die in der Schulungsveranstaltung vermittelten Grundkenntnisse bis zum Ende der Amtszeit nicht mehr einsetzen kann (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 37 Nr. 7).

28

(1) Der Betriebsrat muss die Erforderlichkeit der Vermittlung von Grundkenntnissen nicht allein deswegen besonders darlegen, weil die Schulungsveranstaltung erst kurz vor dem Ende der Amtszeit erfolgen soll (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 37 Nr. 7 unter teilweiser Aufgabe von BAG 7. Juni 1989 - 7 ABR 26/88 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 62, 74 [fortgeführt von BAG 9. September 1992 - 7 AZR 492/91 - zu 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 86 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 113]). Das durch Grundschulungen vermittelte Wissen im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht sowie im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung soll das Betriebsratsmitglied in die Lage versetzen, die sich aus dem Gesetz ergebenden Betriebsratsaufgaben sachgerecht wahrzunehmen. Der Betriebsrat kann seine gesetzlichen Aufgaben nur erfüllen, wenn bei all seinen Mitgliedern zumindest ein Mindestmaß an Wissen über die Rechte und Pflichten einer Arbeitnehmervertretung vorhanden ist (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 16, aaO).

29

(2) Deshalb überwiegt regelmäßig das Interesse des Betriebsrats an der Vermittlung des erforderlichen Grundwissens gegenüber den Interessen des Arbeitgebers. Der Beurteilungsspielraum des Betriebsrats ist erst überschritten, wenn für ihn absehbar ist, dass das zu schulende Betriebsratsmitglied in seiner verbleibenden Amtszeit das vermittelte Wissen nicht mehr braucht (vgl. näher BAG 7. Mai 2008 - 7 AZR 90/07 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 37 Nr. 7).

30

cc) Das aufgrund der Befristung des Arbeitsvertrags bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses des zu schulenden Betriebsratsmitglieds ist hinsichtlich der Darlegungsanforderungen für den Schulungsbedarf wie das bevorstehende Ende der Amtszeit des Betriebsrats zu behandeln. Die Interessenlage ist vergleichbar, obwohl das Gremium beim Ausscheiden eines Mitglieds noch fortbesteht. In beiden Fällen tritt das Problem auf, dass dem zu schulenden Betriebsratsmitglied nur noch begrenzte Zeit zur Verfügung steht, um die erworbenen Kenntnisse für das Betriebsratsgremium zu nutzen.

31

c) Der Betriebsrat hat zu entscheiden, ob ein Betriebsratsmitglied zu einer Schulungsveranstaltung entsandt werden soll. Dabei hat er unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Umstände zu prüfen, ob die Teilnahme für die zu erwerbenden Kenntnisse erforderlich iSv. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist oder nicht. Der Betriebsrat hat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums auch zu prüfen, ob die zu erwartenden Kosten der konkreten Schulung mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebs zu vereinbaren sind. Außerdem hat er darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht. Der Betriebsrat ist bei vergleichbaren Seminarinhalten allerdings nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen (vgl. BAG 19. März 2008 - 7 ABR 2/07 - Rn. 15 mwN, EzB BetrVG § 37 Nr. 17).

32

d) Bei dem Begriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung sowohl dem Betriebsrat als auch dem Landesarbeitsgericht ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ob der Betriebsrat die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung iSv. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG für erforderlich halten durfte, kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt wurde und ob die Besonderheiten des Einzelfalls vollständig und frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze abgewogen wurden(st. Rspr., vgl. BAG 19. März 2008 - 7 ABR 2/07 - Rn. 17 mwN, EzB BetrVG § 37 Nr. 17 ).

33

2. Dem danach anzuwendenden Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis stand. Das Beschwerdegericht hat dem Betriebsrat allerdings zu Unrecht abverlangt darzulegen, dass er damit gerechnet habe, der Beteiligte zu 3. werde das in der Schulung erworbene Wissen bis zum Ende seines befristeten Arbeitsverhältnisses noch einsetzen können. Der Betriebsrat durfte sich darauf beschränken vorzutragen, er habe nicht absehen können, dass sein ehemaliger Vorsitzender die Kenntnisse für die Arbeit im Betriebsratsgremium nicht mehr benötigen werde. Das Landesarbeitsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht jedoch alle wesentlichen Umstände berücksichtigt. Die Vermittlung des Grundwissens war unter Berücksichtigung der gesenkten Darlegungsanforderungen erst recht erforderlich iSv. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

34

a) Bei dem in der Zeit vom 10. bis 14. Juli 2006 durchgeführten Seminar „Von der Einstellung bis zur Kündigung“ handelt es sich um eine Schulung, die dem erstmals in den Betriebsrat gewählten Beteiligten zu 3., der eine nur kurze Amtszeit seit Herbst 2005 aufwies, Grundwissen vermitteln sollte. Das hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt. Der Betriebsrat musste die Schulungsbedürftigkeit deshalb nicht näher darlegen. Vermittelt wurden betriebsverfassungsrechtliche und allgemeine arbeitsrechtliche Grundkenntnisse. Die betriebsverfassungsrechtlichen Themen setzten sich aus Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung - also den personellen Einzelmaßnahmen der §§ 99 ff. BetrVG - sowie der Beteiligung des Betriebsrats an Kündigungen - dh. vor allem den Fragen der §§ 102 und 103 BetrVG - zusammen. Die Themen der Kündigungsarten, des Kündigungsschutzes und des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht sind dem allgemeinen Arbeitsrecht zuzuordnen. Alle Mitglieder des Betriebsrats brauchen ein entsprechendes Mindestmaß an Wissen in diesen beiden Bereichen, um die gesetzlichen Betriebsratsaufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können.

35

b) Der Betriebsrat musste für die Vermittlung der Grundkenntnisse nicht ausnahmsweise einen aktuellen oder absehbaren betrieblichen oder betriebsratsbezogenen Schulungsbedarf darlegen.

36

aa) Der frühere Betriebsratsvorsitzende verfügte bis zum Zeitpunkt des Entsendungsbeschlusses vom 22. Mai 2006 noch nicht über das nötige Grundwissen für die Ausübung seiner Betriebsratsaufgaben. Dem steht nicht entgegen, dass er im April 2006 an dem Seminar „Einführung in die Betriebsratstätigkeit“ teilgenommen hatte. Die Themen dieser Schulungsveranstaltung überschnitten sich nur sehr allgemein in zwei Punkten mit Gegenständen des nun umstrittenen Seminars: den Grundbegriffen der Betriebsverfassung sowie den Beteiligungsrechten und Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrats. Die Fragen der personellen Einzelmaßnahmen und der Beteiligung des Betriebsrats an Kündigungen wurden nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht im Einzelnen behandelt. Im Hinblick auf die Schulungsinhalte „Rechtsstellung des Betriebsrats und der einzelnen Betriebsratsmitglieder gegenüber dem Arbeitgeber“, „interne Organisation der Betriebsratstätigkeit“, „Gewerkschaften im Betrieb“, „Gewerkschaften und Betriebsrat“ sowie „Informationsansprüche der Belegschaft“ bestanden keine Themenüberschneidungen.

37

bb) Der Betriebsrat musste die Erforderlichkeit der vermittelten Grundkenntnisse nicht besonders darlegen.

38

(1) Er konnte trotz der mit dem 31. August 2006 endenden Befristung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3. nicht annehmen, dass der ehemalige Betriebsratsvorsitzende die in der Schulungsveranstaltung vermittelten Grundkenntnisse nicht mehr würde einsetzen können. Der Betriebsrat konnte Art und Umfang der beteiligungspflichtigen Angelegenheiten, die voraussichtlich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3. anfallen würden, nicht beurteilen.

39

(2) Vielmehr spricht vor allem der Umstand der Drittmittelfinanzierung der Arbeitgeberin dafür, dass noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3. nach §§ 99 ff. BetrVG mitbestimmungspflichtige personelle Einzelmaßnahmen anfallen würden. Aus Sicht des Betriebsrats im Zeitpunkt des Entsendungsbeschlusses war es naheliegend, dass die Arbeitgeberin vor dem Schuljahresende 2005/2006 - wie auch in den Vorjahren - über die sog. Verlängerung einer erheblichen Zahl von Arbeitsverträgen, über Versetzungen und ggf. auch Kündigungen entscheiden musste.

40

3. Das Landesarbeitsgericht hat in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die im Rahmen der Kostenhöhe allein gerügten Unterbringungskosten von 540,00 Euro abzüglich der Haushaltsersparnis seien erforderlich.

41

a) Die Notwendigkeit der Übernachtung im Tagungshotel kann allerdings nicht nur mit den Besonderheiten von Schulungsveranstaltungen begründet werden. Ohne Darlegung besonderer Umstände ist es nicht als erforderlich iSv. § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG anzusehen, dass das Betriebsratsmitglied in dem Hotel übernachtet, in dem die Schulung stattfindet. Der nach Beendigung des eigentlichen Seminarprogramms beabsichtigte Gedanken- und Erfahrungsaustausch über die Betriebsratsarbeit macht eine Übernachtung des Betriebsratsmitglieds im Tagungshotel nicht erforderlich. Das Betriebsratsmitglied ist nicht daran gehindert, an den Begegnungen im Tagungshotel teilzunehmen, wenn es in einem anderen, entweder zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Hotel am Tagungsort übernachtet (vgl. BAG 28. März 2007 - 7 ABR 33/06 - Rn. 18, AE 2008, 49).

42

b) Die Arbeitgeberin hat die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass für den Beteiligten zu 3. während des Seminars vom 10. bis 14. Juli 2006 keine anderweitige kostengünstigere Unterbringungsmöglichkeit in Regensburg bestand, jedoch nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen. Die Feststellung ist daher für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO).

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    Bea    

        

    Gerschermann    

                 

(1) Die Träger der Eingliederungshilfe arbeiten mit Leistungsanbietern und anderen Stellen, deren Aufgabe die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen betrifft, zusammen.

(2) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben und ihre Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben werden durch diesen Teil nicht berührt.

(3) Ist die Beratung und Sicherung der gleichmäßigen, gemeinsamen oder ergänzenden Erbringung von Leistungen geboten, sollen zu diesem Zweck Arbeitsgemeinschaften gebildet werden.

(4) Sozialdaten dürfen im Rahmen der Zusammenarbeit nur verarbeitet werden, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben nach diesem Teil erforderlich ist oder durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches angeordnet oder erlaubt ist.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Gegen den das Verfahren beendenden Beschluß eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 92a Satz 2 zugelassen wird. § 72 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 85 Abs. 2 findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(2) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die für das Revisionsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 93 bis 96 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Einlegung der Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.