Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Feb. 2011 - 9 Sa 537/10

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2011:0218.9SA537.10.0A
bei uns veröffentlicht am18.02.2011

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.08.2010 - Az.: 10 Ca 854/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2

Der Kläger ist Diplom-Sozialarbeiter und seit dem 08.11.2004 im Sachgebiet Bezirkssozialarbeit im Allgemeinen Sozialdienst im Jugendamt der Beklagten als Angestellter tätig.

3

Nach der von der Beklagten erstellten Arbeitsplatzbeschreibung vom 15.9.2009 (Bl. 34 ff. d.A.) sind folgende, nach Ansicht der Beklagten jeweils als Arbeitsvorgänge zu bewertende Tätigkeiten auszuführen:

4

Arbeitsvorgang

Zeitanteil in %

3.1.1. Förderung der Erziehung in der Familie

30 %

3.1.1.1. Formlose Betreuungen und Beratung, unter Beachtung des Schutzauftrages, insbesondere in erzieherischen Fragen, in Fragen der Versorgung und Betreuung von Kindern/ Jugendlichen; Hilfen anbieten, einleiten und begleiten von Hilfen; Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung, sowie des Umgangsrechts

        

3.1.2. Vormundschafts- und Familiengerichtshilfen

15 %

3.1.2.1. Erarbeiten von, am Kindeswohl orientierten, Stellungnahmen zu Anträgen auf: Entzug der elterlichen Sorge/Regelung der elterlichen Sorge bei Getrenntleben bei gemeinsamer elterlicher Sorge/Sorgerechtsregelung auf Antrag des Vaters bei alleiniger elterlicher Sorge der Mutter / zur Regelung des Umgangsrechts; Stellungnahmen zur Überprüfung gerichtlicher Anordnungen;

        

3.1.3. Einleitung, Umsetzung und Steuerung von Hilfen zur Erziehung

25 %

Erste Prüfung der Erfordernis einer HzE/Beratung über Hilfearten/ eitere Beratung und Aufnahme eines Antrages auf HzE/Vorbereitung einer Hilfeplankonferenz mit Erstellung einer Konferenzvorlage und Fallpräsentation in der Hilfeplankonferenz/weitere Absprachen mit Antragstellern und Betroffenen/Auswahl eines Trägers / Gewährung der Hilfe und Federführung im Hilfeplanverfahren (Hilfeplanerstellung, Hilfeplanfortschreibung);

        

3.1.4. Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen

15 %

3.1.4.1. Bearbeitung von Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung gemäß den im Jugendamt geltenden Standards; Klärung mitgeteilter Sachverhalte einschl. Risikoeinschätzung, Krisenintervention/Durchführung von Inobhutnahmen; Anrufung des Familiengerichtes und Zusammenwirken mit dem Gericht und anderen relevanten Kooperationspartnern;

        

3.1.5. Führung von Pflegschaften insbes. in den Bereichen: Personensorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge

5,0 %

3.1.6. Sonstige Aufgaben: Beratung bei: (drohender) Wohnungslosigkeit, Meldungen über "Hilflose Personen", bei Pflegebedürftigkeit; Zusammenarbeit mit der ARGE

5,0 %

3.1.7. Sonstiges: Bereitschaftsdienst im Rahmen des Schutzauftrages während der Dienstzeit; Teilnahme an Dienstbesprechungen, an Schulungs- und Fortbildungsveranstaltung; Bearbeitung von Amtshilfeersuchen; Teilnahme an Verhandlungen vor dem Stadtrechtsausschuss; Sichtung von Umläufen und Fachliteratur;

5,0 %

Summe der Zeitaufwendung für alle Tätigkeiten

100 %

                 

5

Mit Schreiben vom 16.03.2010 (Bl. 11,12. d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger anlässlich der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in die sog. S-Entgeltgruppen des Anhangs zur Anlage C zum TVöD (VKA) mit, dass dieser ab 01.11.2009 in die Entgeltgruppe S 12 eingruppiert sei. Der bei der Beklagten bestehende Personalrat wurde an der Überleitung nicht beteiligt.

6

Mit Schreiben vom 18.03.2010 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihn ab dem 01.11.2009 in die Entgeltgruppe S 14 einzugruppieren, was die Beklagte mit Schreiben vom 29.3.2010 ablehnte.

7

Mit seiner am 14.04.2010 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass er seit dem 01.11.2009 in der Entgeltgruppe S 14 des besonderen Teils -Verwaltung bzw. Pflege- und Betreuungseinrichtungen- eingruppiert ist und, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.11.2009 entsprechend dieser Entgeltgruppe S 14 zu vergüten.

8

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.08.2010, Az. 10 Ca 854/10 (Bl. 46 ff. d.A.).

9

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung -zusammengefasst- ausgeführt:

10

Der Kläger habe nicht dargelegt, dass er zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge erledige, die den Anforderungen der Entgeltgruppe S 14 genügen. Zwar bilde die Tätigkeit eines Sozialarbeiters häufig einen Arbeitsvorgang. Entgeltgruppe S 14 knüpfe allerdings die Eingruppierung nicht an eine Funktionsbezeichnung, sondern beinhalte zwei eigenständige Arbeitsvorgänge. Hieraus folge, dass Tätigkeiten des sozialen Dienstes, die den Anforderungen der Entgeltgruppe S 14 nicht entsprechen, als eigenständige Arbeitsvorgänge zu bewerten und nicht der Entgeltgruppe S 14 zurechenbar seien.

11

Der Kläger sei dem Vorbringen der Beklagten zu seinen Arbeitsaufgaben nicht im Einzelnen entgegengetreten, so dass feststehe, dass er im Bereich der ihm zugewiesenen Tätigkeiten im Bereich der Jugendhilfe und Erziehungshilfe nicht nur einen, auf ein Arbeitsergebnis gerichteten Arbeitsvorgang erledige, sondern vielmehr neben den Schutzmaßnahmen auch Fördermaßnahmen durchzuführen seien.

12

Das genannte Urteil ist dem Klägerin am 10.09.2010 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 05.10.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 08.11.2010 bis zum 10.12.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 09.12.2010, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 10.12.2010, begründet.

13

Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 76 ff. d.A.), macht der Kläger zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen geltend:

14

Seine Aufgaben seien als einheitlich zu bewertende, dem Wohl und Schutz des Kindes dienende Gesamttätigkeit zu werten und stellten einen Arbeitsvorgang dar. Eine Differenzierung in unterschiedliche tarifliche Wertigkeiten sei nicht möglich, weil der Verlauf einer Betreuung bei ihrem Beginn nicht absehbar sei und sich der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben im Laufe der Betreuung erheblich ändern könne. Entgeltgruppe S 14 enthalte ein auf dem Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe S 11 aufbauendes Heraushebungsmerkmal, so dass ausreiche, dass die dieses Heraushebungsmerkmal in einem deutlich wahrnehmbaren Ausmaß anfalle. Dies entspreche der Auffassung der Tarifvertragsparteien.

15

Der Kläger beantragt,

16

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.08.2010 - 10 Ca 854/10 - abzuändern und festzustellen, dass der Kläger seit dem 01.11.2009 in der Entgeltgruppe S 14 des Besonderen Teils- Verwaltung bzw. Pflege- und Betreuungseinrichtungen - des TVöD eingruppiert ist und die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 01.11.2009 entsprechend dieser Entgeltgruppe zu vergüten.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit ihrem Berufungserwiderungsschriftsatz vom 04.01.2011 (Bl.90 ff. d.A.) als zutreffend. Entgeltgruppe S 14 enthalte eigenständige Eingruppierungsmerkmale, so dass es darauf ankomme, dass diese mit einem Zeitanteil von zumindest 50 % anfielen. Es handele sich weder um Funktions-, noch Heraushebungsmerkmale. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung fielen auch unterschiedliche, voneinander abgrenzbare Arbeitsvorgänge mit unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit an. Tätigkeiten im Sinne der Entgeltgruppe S 14 fielen nur mit einem deutlich unter 50 % liegenden zeitlichen Anteil an.

20

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

21

Die Berufung ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Der Kläger hat sich argumentativ mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt, so dass auch eine inhaltlich ausreichende Berufungsbegründung vorliegt.

B.

22

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

I.

23

Die Feststellungsklage ist als sog. Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. etwa BAG 19.1.2000 -4 AZR 752/98- AP Nr. 11 zu § 4 TVG Bundespost).

II.

24

Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet, da die Tätigkeit des Klägers nicht der Entgeltgruppe S 14 des Anhangs zu Anlage C TVöD (VKA) unterfällt.

25

1. Gem. § 56 TVöD -Besonderer Teil -Verwaltung- (BT-V) gelten für die Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst die Regelungen gem. Anhang zur Anlage C (VKA).

26

Soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Interesse lauten diese:

27

"S 11
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

28

S 12
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 11).

29

S 14
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z. B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise).
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 12).

30

Protokollerklärungen:

12. Unter die Entgeltgruppe S 14 fallen auch Beschäftigte mit dem Abschluss Diplompädagogin/Diplompädagoge, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten von Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung ausüben, denen Tätigkeiten der Entgeltgruppe S 14 übertragen sind.

31

Nach § 17 Abs. 1 des Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) gilt für die Eingruppierungen ferner u.a. § 22 BAT, so dass es nach § 22 Abs. 2 S. 1 BAT darauf ankommt, ob zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen den Tätigkeitsmerkmalen der in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe unterfallen.

32

2. Der Begriff des "Arbeitsvorgangs" ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff, unter welchem nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbstständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist. Hierbei kommt es entscheidend auf die auf die jeweiligen Arbeitsergebnisse an), wobei tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden können (BAG 20.2.2009 -4 AZR 20/08- AP Nr 310 zu 22, 23 BAT 1975). Zwar bildet die gesamte Tätigkeit eines Sozialarbeiters nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts häufig einen Arbeitsvorgang iSv. § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 BAT, insbesondere wenn sie eine Leitungstätigkeit oder die Beratung, Betreuung bestimmter näher bezeichneter Personengruppen zum Inhalt hat (BAG, Urteil vom 25.02.2009, aaO.). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wenn die Tarifvertragsparteien neben den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen bestimmte Tätigkeiten ausdrücklich und selbstständig bestimmten Vergütungsgruppen zuordnen. Die Annahme dieser selbstständigen Eingruppierungsmerkmale führt dazu, dass die Zusammenfassung tatsächlich trennbarer Tätigkeiten zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang dann ausgeschlossen ist, wenn diese Tätigkeiten eine unterschiedliche tarifliche Wertigkeit haben, d.h. die Voraussetzungen einer niedrigeren Entgeltgruppe erfüllen (BAG 14.12.1994 -4 AZR 950/93-, AP Nr 10 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter.).

33

Dem Kläger obliegt als klagender Partei im einem Eingruppierungsrechtsstreit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihm beanspruchten tariflichen Eingruppierungsmerkmale erfüllt sind (vgl. etwa BAG 25.8.2010 -4 AZR 23/09-, juris).

34

3. Entgeltgruppe S 14 beschreibt Arbeitsvorgänge mit einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis. Soweit hier von Interesse besteht das Arbeitsergebnis einer der Entgeltgruppe S 14 unterfallenden Tätigkeit darin, Entscheidungen zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung zu treffen sowie darin, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (in Zusammenarbeit mit Familien- bzw. Vormundschaftsgericht) einzuleiten. Indem die Tarifvertragsparteien diese Tätigkeiten gesondert bewertet haben, können die hiervon inhaltlich abgrenzbaren fördernden und beratenden Tätigkeiten nicht mit ihnen zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang zusammengefasst werden.

35

Nach dem aus dem Wortlaut des S 14 zu entnehmenden Willen der Tarifvertragsparteien rechtfertigt nur das Vorliegen einer Gefährdungslage für das Kindeswohl, eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14, da diese die normalen Sozialdienste der Hilfestellung und Förderung von den zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen und Entscheidungen unterscheidet. Tätigkeiten, welche nicht in Zusammenhang mit einer Gefährdungslage erbracht werden, stellen allgemeine Tätigkeiten des Sozialdienstes dar und werden von der Entgeltgruppe S 11 bzw. bei schwierigen Tätigkeiten von Entgeltgruppe S 12 umfasst. Die unterschiedliche Wertigkeit der Tätigkeiten beruht demnach auf den besonderen Anforderungen und der hohen Verantwortung und Bedeutung der Aufgaben, welche an einen Sozialarbeiter in der Situation der Kindeswohlgefährdung gestellt werden. Entscheidend ist demnach eine Unterscheidung zwischen Maßnahmen, welche dem Kindeswohl dienen und solchen, welche eine Kindeswohlgefährdung abwenden.

36

Hieran ändert letztlich auch nichts, dass Maßnahmen zur Förderung des Kindeswohls bereits im Vorfeld von Gefährdungen konkrete Gefährdungen auszuschließen vermögen. Denn durch die klare Benennung des Merkmals der Gefahrenabwehr als Grundlage für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass nur Arbeitsvorgänge, welche sich auf Maßnahmen beziehen, bei denen die Schwelle zur Gefährdung überschritten wurde, von der Entgeltgruppe S 14 umfasst sein sollen (ArbG Solingen 29.10.2010 -4 Ca 506/10 lev- , juris).

37

4. Nach der von der Beklagten vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung, der der Kläger seinerseits nicht substantiiert entgegengetreten ist, fallen Tätigkeiten im Zusammenhang mit Maßnahmen bzw. Entscheidungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen nur mit einem zeitlichen Anteil von 15 % und damit nicht in einem zeitlichen Ausmaß von zumindest der Hälfte der Arbeitszeit an.

38

Eine Zusammenfassung sämtlicher, in der Arbeitsplatzbeschreibung aufgeführten Tätigkeiten/Aufgaben zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang ist weder rechtlich, noch tatsächlich möglich. Eine rechtlich einheitliche Bewertung scheidet -wie ausgeführt bereits deshalb aus, weil die Tarifvertragsparteien die in Entgeltgruppe S 14 aufgeführten Tätigkeiten mit den damit zu erzielenden Arbeitsergebnissen einer gesonderten tariflichen Bewertung in einer eigenen Entgeltgruppe zugeführt haben.

39

Aber auch in tatsächlicher Hinsicht stellen die Tätigkeiten des Klägers keinen auf ein einheitliches Arbeitsergebnis gerichteten und damit einheitlich zu bewertenden Arbeitsvorgang dar. Neben den Zuständigkeiten für Kinder- und Jugendschutzmaßnahmen bestehen mit zeitlich überwiegendem Anteil Aufgaben der Förderung der Erziehung in der Familie, der Vormundschafts- und Familiengerichtshilfe, der Hilfen zur Erziehung, der Führung von Pflegschaften sowie Beratungsaufgaben bei drohender Wohnungslosigkeit. Diese Tätigkeiten sind als Förder- und Hilfsmaßnahmen inhaltlich deutlich von den Maßnahmen zur Gefahrenabwehr abgrenzbar, richten sich auch an unterscheidbare Adressatenkreise und haben unterschiedliche gesetzliche Grundlagen. Während bei den zuletzt genannten Aufgaben der Aspekt der Beratung und Unterstützung im Vordergrund steht, geht es bei den Aufgaben im Rahmen der Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen um die Maßnahmen unter Einschluss ihrer vorbereitenden Tätigkeiten, die zur Gefahrenabwehr erforderlich sind.

40

5. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, Entgeltgruppe S 14 enthalte lediglich Heraushebungsmerkmale und diese müssten nur in einem rechtserheblichen deutlich wahrnehmbaren Ausmaß vorliegen, teilt die Berufungskammer diese Auffassung nicht.

41

Heraushebungsmerkmale heben Tätigkeiten von der Ausgangsentgeltgruppe hervor, sofern diese eine besondere Schwierigkeit bzw. schwierige Tätigkeiten aufweisen oder/und sich durch ihre besondere Bedeutung aus einer Ausgangsentgeltgruppe hervorheben. Sie sind so gestaltet, dass sie die Voraussetzungen der Ausgangsentgeltgruppe wörtlich wiederholen und ein zusätzliches Qualifikationsmerkmal hinzufügen.

42

So beinhaltet die Entgeltgruppe S 12 das Heraushebungsmerkmal "schwierige Tätigkeiten", die Entgeltgruppe S 15 Fallgruppe 7 das Merkmal "besondere Schwierigkeit und Bedeutung" und die Entgeltgruppe S 18 Fallgruppe 2 das Merkmal der erheblich herausgehobenen Verantwortung.

43

Dagegen sind die Voraussetzungen und Aufgabenbereiche der Entgeltgruppe S 14 abschließend beschrieben, diese enthält weder einen Bezug zu anderen Entgeltgruppen noch eine Qualifikation im Sinne eines Heraushebungsmerkmals.

44

6. Soweit der Kläger erstinstanzlich noch die Ansicht vertreten hat, Entgeltgruppe S 14 enthalte ein Funktionsmerkmal, rechtfertigt auch dies keine abweichende rechtliche Beurteilung.

45

Bei sog. Funktionsmerkmalen (zB Arzt, Kassenleiter) ist die gesamte Tätigkeit des Angestellten in dieser Funktion als einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten. Denn die Tarifvertragsparteien haben durch die Vereinbarung des Funktionsmerkmals als Tätigkeitsmerkmal mit für die Gerichte bindender Wirkung bestimmt, dass bei diesen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen alle Tätigkeiten tarifrechtlich einheitlich bewertet werden sollen und deshalb auch als ein Arbeitsvorgang anzusehen sind (z.B. BAG 29.11.2001 -4 AZR 736/00- AP Nr 288 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Entgeltgruppe S 14 enthält keine derartige, konkrete Funktionsbezeichnung (wie etwa Entgeltgruppe S 13 Nr. 1).

46

7. Schließlich ist auch der vom Kläger erstinstanzliche Verweis auf die unterbliebene Beteiligung des Personalrats bei der Überleitung unerheblich. Selbst wenn eine Beteiligung rechtlich geboten gewesen wäre, führt das Unterbleiben der Beteiligung nicht zu einer anderen Eingruppierung.

III.

47

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 4 Wirkung der Rechtsnormen


(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Aug. 2010 - 4 AZR 23/09

bei uns veröffentlicht am 25.08.2010

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. Oktober 2008 - 5 Sa 843/08 - wird zurückgewiesen.

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. Oktober 2008 - 5 Sa 843/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, seit wann die Klägerin als Oberärztin im Sinne der Entgeltgruppe Ä 3 (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006 (TV-Ärzte/TdL) anzusehen ist und welcher Stufe dieser Entgeltgruppe sie zuzuordnen ist.

2

Seit Januar 1982 ist die Klägerin als Zahnärztin bei dem beklagten Universitätsklinikum beschäftigt. Sie ist dort in der Poliklinik für Chirurgische Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde tätig, die von Prof. Dr. W geleitet wird. Diese Poliklinik gehört zum Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, das unter der Leitung des Direktors steht, im streitgegenständlichen Zeitraum Prof. Dr. J. Mit Schreiben vom 17. November 1992 teilte Prof. Dr. W der Verwaltung der Beklagten mit, dass er zwei Ärzte, die Klägerin und Dr. B, ab dem 1. Dezember 1992 „mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Oberarztes (m.d.W.b.) beauftragen möchte“ und dass im Fall seiner Abwesenheit beide Benannten zeichnungsberechtigt für die wichtigen laufenden Tagesentscheidungen sein sollen. Mit Schreiben des Ärztlichen Direktors der Beklagten vom 5. Februar 1998, vom 19. März 2001 und vom 17. November 2005 wurde die Klägerin jeweils für die Dauer von drei Jahren zur ersten Stellvertreterin des Direktors der Poliklinik bestellt. In den Schreiben der Jahre 2001 und 2005 wurde darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine ständige Vertretung, sondern um eine Abwesenheitsvertretung handele.

3

Das von Prof. Dr. W unterzeichnete Aufgabentableau vom 21. Februar 2005 weist neben der Klägerin zwei weitere Oberärzte der Poliklinik aus. Als Aufgaben der Klägerin sind genannt:

        

„       

Vertretung des Direktors

                 

Dienst-/Urlaubsplan incl. aller Tafeln

                 

Kursorganisation mit Frau Dr. H

                 

Examensvorbereitung

                 

Transfusionsbeauftragte + Chargendokumentation

                 

Spezialgebiet: Implantatsprechstunde“

4

Außerdem war die Klägerin zur Laserschutzbeauftragten bestellt worden und in der Lehre unter anderem als stellvertretende Prüferin für das zahnmedizinische Staatsexamen tätig.

5

Die Klägerin ist nicht Mitglied im Marburger Bund, der mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) den TV-Ärzte/TdL abgeschlossen hat. Die Beklagte ist nach eigenen Angaben ua. an den TV-Ärzte/TdL gebunden und hat die Vergütung der Klägerin zuvor nach Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) abgerechnet.

6

Mit Schreiben vom 19. November 2006, überschrieben mit „Betr.: Bezahlung nach TV-Ä ab 1.7.2006“, machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die „Einstufung als Oberärztin und die Zahlung der Zulage auf Oberarzteinstufung für die Monate Juli bis Oktober 2006 gemäß TV-Ä“ geltend.

7

Mit Schreiben der Beklagten vom 15. Oktober 2007 wurde die Klägerin mit Wirkung vom 15. September 2007 „zur Oberärztin im Sinne von § 12 des geltenden TV-Ä“ in der Poliklinik bestellt, wobei ihr die medizinische Verantwortung für die „(Teil-)Bereiche“ „Implantologie und Weiterbildung der Assistenten zum Erwerb der Facharztanerkennung“ übertragen wurde. Rückwirkend ab dem 1. November 2006 erhielt sie Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 1 in Höhe von 5.950,00 Euro brutto.

8

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin im Wesentlichen die Feststellung, dass ihr bereits seit dem 1. Juli 2006 eine Vergütung in der Höhe der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL zusteht, und zwar nach der Stufe 3 dieser Entgeltgruppe, sowie die Nachzahlung sich daraus ergebender Differenzbeträge. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei bereits länger als sieben Jahre als Oberärztin für die Beklagte tätig gewesen, so dass sie Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 TV-Ärzte/TdL („ab dem 7. Jahr“) verlangen könne. Seit 1992 trage sie die Bezeichnung einer Oberärztin der Poliklinik für Chirurgische Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und nehme dieselben Aufgaben wahr wie diejenigen, derentwegen die Beklagte sie mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 „zur Oberärztin im Sinne von § 12 des geltenden TV-Ä“ bestellt habe. Die Übertragung der medizinischen Verantwortung im Sinne des TV-Ärzte/TdL ergebe sich insbesondere aus dem Schreiben von Prof. Dr. W vom 17. November 1992. Dabei habe es sich nicht lediglich um einen Antrag gehandelt, sondern diese Übertragung sei von der Beklagten akzeptiert worden. Dies zeige sich bereits daran, dass sie fortan in dem von der Beklagten herausgegebenen Vorlesungsverzeichnis als Oberärztin geführt worden sei. Die Übertragung ergebe sich auch aus der nicht auf Abwesenheit beschränkten Bestellung zur ersten Stellvertreterin des Klinikdirektors vom 5. Februar 1998 durch den Ärztlichen Direktor der Beklagten sowie aus den entsprechenden Bestellungen der Folgejahre und dem Aufgabentableau vom 21. Februar 2005, worin konkludent die Übertragung der Oberarztaufgaben enthalten sei. Bis 2001 sei sie auch alleinige Oberärztin in der Poliklinik gewesen.

9

Seit 1992 sei sie fortlaufend maßgeblich an der Ausbildung von Fachzahnärzten beteiligt gewesen, die jeweils nach ihrer Fachzahnarztprüfung noch mehrere Monate - ua. bis zu 30 Monaten in namentlich genannten Einzelfällen - unter der Weisung der Klägerin in der Poliklinik tätig gewesen seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass sie Transfusionsbeauftragte und Laserschutzbeauftragte sei und die Befugnis zur Ausstellung sog. Oberarztrezepte habe. Zudem trage sie medizinische Verantwortung bei besonders schwierigen Operationen und in der zahnärztlichen Weiterbildung sowie in der akademischen Lehre. Diese Tätigkeiten seien auch tarifvertraglich zu berücksichtigen, weil sie größtenteils am Patienten wahrgenommen würden.

10

Zudem sei ihr vom Arbeitgeber die selbständige Leitung der interdisziplinären Implantat-Sprechstunde als Spezialfunktion im Tarifsinne übertragen worden. Zusatzweiterbildungsveranstaltungen zur Implantologie würden unter ihrer Mitwirkung in den Räumen der Beklagten mit deren Wissen durchgeführt. Ihr sei schließlich auch der „Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie“ mit Zertifikat von verschiedenen Verbänden und Gesellschaften im Bereich der Implantologie zuerkannt worden.

11

Mit dem Zahlungsantrag verlangt die Klägerin eine Zulage für die Monate Juli bis Oktober 2006 in Höhe von 1.300,00 Euro pro Monat sowie für die Folgezeit eine Zahlung in Höhe von 850,00 Euro pro Monat als Differenzbetrag zwischen der Stufe 3 (6.800,00 Euro) und der Stufe 1 (5.950,00 Euro) der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL.

12

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Monate Juli bis Oktober 2006 jeweils einen Bruttobetrag von 1.300,00 Euro und für die Monate von November 2006 bis September 2008 monatlich 850,00 Euro brutto nachzuzahlen und die Nachzahlungsbeträge mit 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen;

        

2.    

festzustellen, dass die Klägerin auch ab dem 1. Oktober 2008 nach Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 TV-Ärzte/TdL zu vergüten ist und dass die Beklagte verpflichtet ist, Rückstände ab dem 1. des jeweiligen Folgemonats mit 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, dass die Tätigkeitsmerkmale einer Oberärztin iSd. Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL bei der Klägerin nicht vor dem 15. September 2007 erfüllt seien, weshalb sie folgerichtig auch nur nach der Stufe 1 dieser Entgeltgruppe zu vergüten sei. Vor diesem Datum sei der Klägerin die medizinische Verantwortung im Tarifsinne zu keinem Zeitpunkt übertragen worden, zudem habe sie nicht hinlänglich dargetan, dass sie in Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit bis September 2007 die medizinische Verantwortung im tariflichen Sinne zu mehr als 50 % getragen habe. Insbesondere sei eine Unterstellung von Fachärzten nicht substantiiert vorgetragen; diese - oder Zahnärzte mit Gebietsbezeichnung, falls diese gleichzustellen wären - seien der Klägerin auch nicht unterstellt gewesen. Im Hinblick auf das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr. TV-Ärzte/TdL sei bereits fraglich, ob das Führen der Implantat-Sprechstunde, die nur alle 14 Tage dienstags von 14.00 bis 17.15 Uhr stattfinde, eine Spezialfunktion iSd. Tarifnorm sei. Jedenfalls mache diese Tätigkeit auch unter Hinzurechnung von Vor- und Nachbereitungszeiten zeitlich nicht mindestens 50 % der Tätigkeit der Klägerin aus.

14

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ihre Berufung gegen das klageabweisende arbeitsgerichtliche Urteil zu Recht zurückgewiesen.

16

I. Der Erfolg der Klage hängt davon ab, ob die Klägerin vor dem 1. November 2006, von dem an die Beklagte sie nach Stufe 1 der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL vergütet hat, Oberärztin im Sinne dieses Tarifvertrages war. Dies ist ihrem Vortrag indes nicht zu entnehmen, weshalb die Vorinstanzen ihre Klage zu Recht abgewiesen haben. Da die Klägerin vor dem 1. November 2006 die Voraussetzung für eine Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 nicht erfüllt hat, kann sie für die Folgezeit weder Vergütung nach Stufe 3 dieser Entgeltgruppe und eine dahingehende Feststellung verlangen noch für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Oktober 2006 verlangen, dass ihr der Unterschiedsbetrag zwischen ihrer tatsächlich erhaltenen Vergütung und einer Vergütung nach Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 nachgezahlt wird.

17

1. Dabei kann dahinstehen, auf welcher Grundlage der TV-Ärzte/TdL überhaupt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet.

18

a) Eine Geltung des TV-Ärzte/TdL seit seinem Inkrafttreten am 1. November 2006 ergibt sich nicht nach §§ 3, 4 TVG. Die Klägerin ist nicht Mitglied des Marburger Bundes und deshalb an diesen Tarifvertrag nicht gebunden.

19

b) Dem Vortrag der Parteien ist nicht zu entnehmen, dass mit dem schriftlichen Arbeitsvertrag oder einem Änderungsvertrag der TV-Ärzte/TdL in Bezug genommen worden wäre. Allerdings spricht nach dem beiderseitigen Vortrag alles dafür, dass der TV-Ärzte/TdL nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll. Seitens der Beklagten ergibt sich ein dahingehender Wille jedenfalls aus dem Schreiben vom 15. Oktober 2007. Die Klägerin hat ihren Willen, nach diesem Tarifvertrag vergütet zu werden, jedenfalls mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 19. November 2006 und der Klageerhebung zum Ausdruck gebracht.

20

2. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es insoweit nicht, weil die Klägerin in der Zeit vor dem 1. November 2006 die Anspruchsvoraussetzungen der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL nicht erfüllt.

21

a) Für die Entscheidung über das auf den TV-Ärzte/TdL gestützte Klagebegehren kommt es auf die folgenden Bestimmungen an, die nach § 1 TV-Ärzte/TdL grundsätzlich auch auf Zahnärzte Anwendung finden:

        

㤠12

        

Eingruppierung

        

Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

        

Entgeltgruppe

Bezeichnung

        

Ä 1     

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit

        

Ä 2     

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

        

Ä 3     

Oberärztin/Oberarzt

                 

Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

                 

Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.

        

Ä 4     

Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

                 

(Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.)

        

…       

        

§ 16

        

Stufen der Entgelttabelle

        

(1)     

Die Entgeltgruppe Ä1 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä2 bis Ä4 umfassen drei Stufen. Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä1), fachärztlicher (Ä2), oberärztlicher (Ä3) Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes), die in den Tabellen (Anlagen A und B) angegeben sind.

        

…“    

22

In den Anlagen A und B sind für die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL folgende Stufen der Entgeltsteigerung vorgesehen: Stufe 1 „ab dem 1. Jahr“, Stufe 2 „ab dem 4. Jahr“ und Stufe 3 „ab dem 7. Jahr“.

23

b) Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL kommt nach dem Vortrag der Klägerin bereits deshalb nicht in Frage, weil bei der ihr übertragenen Tätigkeit die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik/Abteilung im tariflichen Sinne nicht besteht.

24

aa) Dabei kommt es auf den zeitlichen Zuschnitt von Einzeltätigkeiten innerhalb der von der Klägerin auszuübenden Tätigkeit iSd. Einleitungssatzes von § 12 TV-Ärzte/TdL nicht an, weil im streitgegenständlichen Zeitraum bei keinem denkbaren zeitlichen Zuschnitt der von der Klägerin auszuübenden Tätigkeit das Tatbestandsmerkmal „medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung“ des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL erfüllt ist.

25

bb) Der Senat hat in verschiedenen Urteilen seit dem 9. Dezember 2009 (ua. - 4 AZR 495/08 - Rn. 45 ff., NZA 2010, 895) ausgeführt, dass die Eingruppierung einer Ärztin als Oberärztin (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden stets die weibliche Form gewählt) iSd. Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL ua. voraussetzt, dass der Ärztin die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung übertragen worden ist. Die Tarifvertragsparteien haben dabei von einer ausdrücklichen Bestimmung dessen, was unter medizinischer Verantwortung im tariflichen Sinne zu verstehen ist, abgesehen. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, dass das Tätigkeitsmerkmal nur dann erfüllt werden kann, wenn der Oberärztin ein Aufsichts- und - teilweise eingeschränktes - Weisungsrecht auch hinsichtlich des medizinischen Personals zugewiesen worden ist. Dabei genügt es nicht, dass in dem Teilbereich Ärztinnen der Entgeltgruppe Ä 1 (Assistenzärztinnen und Ärztinnen in Weiterbildung) tätig sind. Ihr muss auch mindestens eine Fachärztin der Entgeltgruppe Ä 2 unterstellt sein. Ferner ist idR erforderlich, dass die Verantwortung für den Bereich ungeteilt bei ihr liegt.

26

Das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe Ä 3 stellt hinsichtlich der übertragenen Verantwortung maßgebend auf deren Reichweite ab. Diese muss sich in personeller Hinsicht auch auf Fachärztinnen und in organisatorischer Hinsicht als Alleinverantwortung auf den gesamten betreffenden Bereich der Klinik oder Abteilung beziehen. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung dieser Entgeltgruppe innerhalb der durch die Vergütungsordnung gestalteten Hierarchie der Entgeltgruppen (ua. BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 47, NZA 2010, 895).

27

cc) Diese Vorgaben sind hier bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Klägerin zwar Verantwortung, jedoch nicht die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik/Abteilung im tariflichen Sinne übertragen worden ist. Eine mögliche „Ernennung“ zur Oberärztin allein, selbst wenn sie von einer dazu bevollmächtigten Chefärztin vorgenommen worden sein sollte, ist tarifrechtlich ohne Bedeutung.

28

(1) Eine Übertragung der medizinischen Verantwortung einer Oberärztin iSd. Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL ist nicht durch das Schreiben von Prof. Dr. W vom 17. November 1992 erfolgt, selbst wenn die dortige Übertragung der Beklagten nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht zuzurechnen sein sollte.

29

(a) Die Klägerin bezieht sich für die Übertragung der medizinischen Verantwortung im Tarifsinne in erster Linie auf das Schreiben vom 17. November 1992, das Prof. Dr. W als Leiter der „Poliklinik für Chirurgische Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ an die Beklagte gerichtet hat.

30

(b) Dieses Schreiben erfüllt schon deshalb nicht die tariflichen Anforderungen, weil die dort angesprochene Übertragung der Wahrnehmung der Aufgaben eines Oberarztes nicht auf die Klägerin allein, sondern nur zusammen mit Dr. B erfolgen sollte. Zudem ist nicht ersichtlich, auf welchen (Teil-)Bereich sie gerichtet sein soll.

31

(aa) Das Schreiben vom 17. November 1992 kann nur so verstanden werden, dass der unterzeichnende Prof. Dr. W als Leiter der Organisationseinheit „Poliklinik für Chirurgische Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ zwei andere Ärzte - die Klägerin sowie Dr. B - als Oberärzte für eben diesen Bereich beauftragen möchte. Damit fehlt es bereits bei dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Schreiben an der notwendigen Übertragung der ungeteilten Alleinverantwortung, wie sie das tarifvertragliche Tätigkeitsmerkmal als erforderlich verlangt. Hinzu kommt der Zusatz „m.d.W.b.“, der einschränkend zu verstehen ist, zumal dem Schreiben deutlich zu entnehmen ist, dass die damit übertragene - organisatorische - Verantwortung sich lediglich auf die Abwesenheit des Unterzeichnenden bezieht und keine Alleinverantwortung für einen Organisationsbereich begründen soll.

32

(bb) Im Text des Schreibens ist auch kein Teil- oder Funktionsbereich genannt, auf den die Verantwortungsübertragung bezogen sein soll. Einzig der Briefkopf des Schreibens weist einen Bereichsbezug auf, nämlich „Poliklinik für Chirurgische Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“. Die Klägerin beruft sich demgegenüber auf ihre Verantwortung für „die Teilbereiche ‚Implantologie und Weiterbildung der Assistenten zum Erwerb der Facharztanerkennung’ der Poliklinik“. Eine hierauf bezogene Verantwortungsübertragung ist dem Schreiben vom 17. November 1992 indes nicht zu entnehmen.

33

(2) Nichts anderes ergibt sich aus den Schreiben des Ärztlichen Direktors der Beklagten vom 5. Februar 1998, vom 19. März 2001 und vom 17. November 2005. Auch mit ihnen ist keine medizinische Alleinverantwortung bezogen auf den gesamten betreffenden Bereich der Klinik oder Abteilung oder einen Teil davon übertragen worden; auch in ihnen ging es um die - organisatorische - Stellvertretung des Direktors der Poliklinik. Dabei ist unerheblich, dass im ersten dieser Schreiben nicht ausdrücklich auf Abwesenheitsvertretung Bezug genommen wurde. Auch die Stellvertretung in Anwesenheit oder „ständige Vertretung“ gehört nicht zu den Tatbestandsmerkmalen des Tätigkeitsmerkmals der geltend gemachten Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL.

34

(3) Auch das von Prof. Dr. W unterzeichnete Aufgabentableau vom 21. Februar 2005 stützt nicht die Auffassung der Klägerin. Es weist neben der Klägerin als „Vertretung des Direktors“ zwei weitere Oberärzte der Poliklinik aus, dokumentiert damit also geteilte Verantwortung statt Alleinverantwortung.

35

(4) Ein Eintrag als Oberärztin in dem von der Beklagten herausgegebenen Vorlesungsverzeichnis ist für die Eingruppierung als Oberärztin ohne Bedeutung. Der TV-Ärzte/TdL macht die entsprechende Eingruppierung nicht von einer Dienstbezeichnung, sondern von einer bestimmten Stellung in der medizinischen Verantwortungsstruktur der Klinik abhängig.

36

(5) Ebenfalls ohne Bedeutung für die tarifliche Eingruppierung ist, dass die Beklagte der Klägerin bei unveränderter Tätigkeit mittlerweile ausdrücklich erklärt hat, ihr die medizinische Verantwortung einer Oberärztin im Tarifsinne zu übertragen. Eine solche Zuweisung, von der nicht einmal zu erkennen ist, ob sie auf der Grundlage einer Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der entsprechenden Vergütungsgruppe erfolgt ist, wirkt nicht auf die Zeit vor dem Übertragungsakt zurück. Sie ersetzt nicht die von den Tarifvertragsparteien geforderte Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals.

37

(6) Die weiteren von der Klägerin angeführten Aufgaben und Funktionen - ua. in der Ausbildung von Fachzahnärztinnen, als Transfusions- und Laserschutzbeauftragte, bei besonders schwierigen Operationen, in der Weiterbildung und Lehre sowie als Prüferin - sowie auch die Befugnis zur Ausstellung von sogenannten „Oberarztrezepten“ haben keinen Bezug zu den tariflichen Anforderungen für eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL. Sie können den Klageanspruch deshalb nicht stützen.

38

(7) Schließlich ist auch unerheblich, ob die Klägerin zeitweilig, nämlich von 1992 oder 1998 an - diesbezüglich sind dem Klägervortrag unterschiedliche Angaben zu entnehmen - tatsächlich alleinige „Oberärztin“ der Poliklinik gewesen ist. Bezogen auf die Poliklinik als Ganzes liegt die medizinische Verantwortung im Tarifsinne ersichtlich bei deren Leiter, Prof. Dr. W. Insoweit macht die Klägerin auch nicht die medizinische Verantwortung im Tarifsinne geltend.

39

c) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr. TV-Ärzte/TdL. Ihr Vortrag lässt nicht erkennen, dass ihre Tätigkeit für die Beklagte das tarifliche Merkmal des Facharztes in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion erfüllt, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert. Zudem nimmt die von ihr angeführte „selbständige Leitung der interdisziplinären Implantat-Sprechstunde“ nicht mindestens die Hälfte der von ihr auszuübenden Tätigkeit iSd. Einleitungssatzes von § 12 TV-Ärzte/TdL ein.

40

aa) Das Tätigkeitsmerkmal der zweiten Fallgruppe nimmt Bezug auf die Vorgaben der Ärztekammern in den Weiterbildungsordnungen zum Erwerb von Kompetenzen, die Gegenstand der Schwerpunkt- und Zusatzweiterbildung und dazugehöriger Prüfung vor den Ärztekammern sind. Nur im Hinblick darauf können mit einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion die Vorgaben der Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr. TV-Ärzte/TdL erfüllt werden (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 841/08 - Rn. 32). Inwiefern die Klägerin eine derartige Kompetenz erworben hat, trägt sie ebenso wenig substantiiert vor, wie sie darlegt, dass die Beklagte diese für die Übertragung der Implantat-Sprechstunde vorausgesetzt hat.

41

bb) Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht in der Begründung seiner Entscheidung (S. 13) für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass die Implantat-Sprechstunde unstreitig nur alle zwei Wochen am Dienstag jeweils von 14.00 Uhr bis 17.15 Uhr durchgeführt worden ist. Dies ist von der Klägerin nicht mit einer entsprechenden Verfahrensrüge angegriffen worden. Bei der Durchführung der Implantat-Sprechstunde handelt es sich in jedem Falle um eine tariflich gesondert zu bewertende Teiltätigkeit. Sie allein kann angesichts von § 12 TV-Ärzte/TdL die Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr. nicht begründen.

42

d) Soweit die Klägerin ihre prozessualen Rechte verletzt sieht, kann sie damit nicht durchdringen.

43

aa) Soll die Revision auf eine Verletzung des Gesetzes in Bezug auf das Verfahren gestützt werden, sind nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Tatsachen zu bezeichnen, die den Verfahrensmangel ergeben.

44

bb) Die Klägerin rügt eine nicht ausreichende Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht und meint, sie habe einen zusätzlichen Beweis in Form des Zeugnisses des Klinikdirektors angeboten, den das Landesarbeitsgericht, da es den Sachverhalt nicht als hinreichend dargelegt angesehen habe, hätte erheben müssen.

45

cc) Diese Rüge ist bereits unzulässig, denn die Klägerin hat nicht gemäß der Anforderungen von § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Tatsachen bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben. Dazu hätte nach § 286 ZPO ua. nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden müssen, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen hat und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme gehabt hätte. Die Klägerin hat schon nicht angegeben, warum eine Beweisaufnahme geboten gewesen sei. Sie hat auch nicht ausgeführt, welches Ergebnis eine solche gehabt hätte.

46

Im Übrigen obliegt im Eingruppierungsrechtsstreit grundsätzlich der klagenden Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die tariflichen Voraussetzungen der beanspruchten Vergütung erfüllt werden. Der Beweisantritt dient der Beweisführung von für streitig gebliebene Tatsachen, die von der darlegungs- und beweisbelasteten Partei vorgetragen worden sind. Dies verkennt die Revision, die offenbar rechtsirrig davon ausgeht, dass der Beweisantritt den Vortrag von Tatsachen ersetzen oder ergänzen kann.

47

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt.

        

    Bepler    

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

        

        

    H. Klotz    

        

    Dierßen    

        

        

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.