Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2017 - 4 Sa 18/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:1026.4Sa18.17.00
bei uns veröffentlicht am26.10.2017

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 29.11.2016 - 3 Ca 831/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die am 16.04.1968 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 16.07.1988 als Angestellte beschäftigt. Seit dem 07.04.2014 war sie durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Vom 10.02. bis zum 31.03.2015 absolvierte sie eine Reha-Maßnahme in einer Klinik, aus der sie als arbeitsunfähig entlassen wurde. Nachdem der Beklagten vom Integrationsfachdienst mitgeteilt worden war, dass seitens der Klägerin ein Interesse an einer Wiedereingliederung bestehe, fand am 01.06.2015 ein Gespräch zwischen den Parteien im Beisein des Integrationsfachdienstes statt, um Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung auszuloten. Die Beklagte bot der Klägerin eine Wiedereingliederung in den Filialen  N./ W. an. Die Klägerin erklärte, dass sie dies mit ihrem Arzt besprechen wolle, gab der Beklagten jedoch in der Folgezeit keine Rückmeldung. Mit Schreiben vom 18.04.2016 bat die Beklagte die Klägerin um Mitteilung, ob sie der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) zustimme. In diesem Schreiben heißt es u. a.:

3

"Angesichts Ihrer Arbeitsunfähigkeitszeiten sind wir gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Dies bedeutet, dass wir gemeinsam mit Ihnen und unter Beteiligung des Betriebsrates sowie der Schwerbehindertenvertretung Möglichkeiten abklären, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter oder weiterer Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und damit Ihr Arbeitsplatz erhalten und hierfür – soweit erforderlich – der Betriebsarzt hinzugezogen werden kann. Im Rahmen dieses betrieblichen Eingliederungsmanagements werden – soweit erforderlich – personenbezogene und insbesondere gesundheitsbezogene Daten von Ihnen erhoben und verwendet … Wir bitten Sie, uns mit dem beigefügten Antwortformular Ihre Entscheidung mitzuteilen. Sollten Sie dieser Bitte bis zum 30.04.2016 nicht nachkommen, gehen wir davon aus, dass Sie an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement kein Interesse haben bzw. dessen Durchführung nicht wünschen".

4

Eine Reaktion der Klägerin hierauf erfolgte nicht. Am 06.05.2015 übersandte die Beklagte das vorgenannte Schreiben erneut an die Klägerin und setzte ihr für deren Antwort eine Frist bis zum 19.05.2016. Auch auf dieses Schreiben blieb jedwede Reaktion der Klägerin aus.

5

Daraufhin hörte die Beklagte am 23.05.2016 den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung der Klägerin an. Der Betriebsrat erklärte am 03.06.2016, keinen Widerspruch einzulegen.

6

Mit Schreiben vom 09.06.2016, welches der Klägerin am 13.06.2016 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2017. Gegen diese Kündigung richtet sich die von der Klägerin am 01.07.2016 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

7

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 29.11.2016 (Bl. 61 - 64 d. A.).

8

Die Klägerin hat beantragt,

9

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 09.06.206 nicht zum 31.03.2017 aufgelöst wird.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung durch Vernehmung des Zeugen von  L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.11.2016 (Bl. 53 ff d. A.) verwiesen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2016 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 - 14 dieses Urteils (= Bl. 64 - 73 d. A.) verwiesen.

14

Gegen das ihr am 21.12.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.01.2017 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss am 14.02.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 20.03.2017 begründet.

15

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, es könne dahingestellt blieben - ob wie vom Arbeitsgericht angenommen - eine negative Gesundheitsprognose sowie erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen infolge krankheitsbedingter Fehlzeiten bei Kündigungsausspruch gegeben gewesen seien. Die Kündigung sei nämlich jedenfalls unverhältnismäßig, weil die Beklagte entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts die Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen betrieblichen Eingliederungsmanagements unterlassen bzw. nicht ordnungsgemäß initiiert habe. Die Beklagte hätte ihr - der Klägerin - zunächst die Ziele des bEM in einer Form darlegen müssen, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgehe. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht nachgekommen, da das Schreiben vom 18.04.2016 lediglich eine Wiedergabe des Gesetzestextes enthalte. Darüber hinaus habe es die Beklagte versäumt, ihr einen ausreichenden Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung zu erteilen. Soweit im Schreiben vom 18.04.2016 diesbezüglich ausgeführt sei, dass im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements - soweit erforderlich - personenbezogene und insbesondere gesundheitsbezogene Daten erhoben und verwendet würden, so sei dies völlig unzureichend. Seit dem 10.10.2017 sei sie nicht mehr arbeitsunfähig.

16

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 20.03.2017 (Bl. 100 - 104 d. A.) Bezug genommen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 09.06.2016 nicht zum 31.03.2017 aufgelöst worden ist.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 24.04.2017 (Bl. 121 - 125 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

22

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

II.

23

Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet.

24

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene ordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Kündigung ist durch in der Person der Klägerin liegende Gründe i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und auch nicht aus sonstigen Gründen unwirksam.

25

1. Die soziale Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden ist in drei Stufen zu prüfen. Eine Kündigung ist im Falle einer lang anhaltenden Krankheit sozial gerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe --, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe - (BAG v. 20.11.2014 - 2 AZR 664/13 - AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

26

Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustandes indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar in diesem Zusammenhang ist ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (BAG v. 30.09.2010 - 2 AZR 88/09 - AP Nr. 49 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 12.07.2007 - 2 AZR 716/06 - AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung).

27

Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten. Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG v. 20.11.2014 - 2 AZR 664/13 - AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, m. w. N.).

28

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die streitbefangene ordentliche Kündigung als sozial gerechtfertigt.

29

a) In dem für die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung allein maßgeblichen Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs war eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands der Klägerin gegeben. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin war, worauf sich die Beklagte ausdrücklich berufen hat, völlig ungewiss. In absehbarer Zeit, d. h. in einem Zeitraum von 24 Monaten war nicht mit einer positiven Entwicklung zu rechnen.

30

Die Klägerin war im Kündigungszeitpunkt seit dem 07.04.2014 und damit seit über zwei Jahren durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar (BAG v. 12.07.2007 - 2 AZR 716/06 - AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung). Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast für eine negative Prognose zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt (BAG v. 13.05.2015 - 2 AZR 565/14 - AP Nr. 54 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Dies hat die Beklagte bezüglich der Dauer der Erkrankung der Klägerin in der Vergangenheit getan. Diese ist überdies unstreitig. Kenntnisse über die Krankheitsursachen hatte die Beklagte nur aus dem Gespräch mit der Klägerin vom 01.06.2015 erhalten, in welchem die Klägerin erklärte, dass die Veränderungen in ihrer Filiale und ihrer Versetzung für sie zu plötzlich geschehen seien und sie dies alles aus der Bahn geworfen habe, sodass sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihren Alltag zu bewältigen. Dies hat die Beklagte vorgetragen; nähere Einzelheiten zu den Krankheitsursachen waren der Beklagten nicht bekannt.

31

Der durch die lange Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit begründende Indizwirkung ist die Klägerin nicht in erheblicher Weise entgegen getreten. Ein schon längere Zeit erkrankter Arbeitnehmer hat im Prozess näher darzulegen, ob und ggfls. aufgrund welcher Diagnose und welcher zum Kündigungszeitpunkt bereits eingeleiteter Therapiemaßnahmen mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist (KR-Griebeling/Rachor, 11. Auflage, § 1 KSchG Rdnr. 368 m. w. N.). Diesbezüglich hat die Klägerin nichts Erhebliches vorgetragen. Auf den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 09.09.2016, mit dem ihr eine 9-monatige Integrationsmaßnahme bewilligt wurde, kann sich die Klägerin bereits deshalb nicht berufen, weil der betreffende Bescheid erst drei Monate nach Kündigungsausspruch erging. Da es für die Prognose der gesundheitlichen Entwicklung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ankommt, ist ein neuer Geschehensablauf nach Zugang der Kündigung der eine andere Prognose rechtfertigen könnte, unerheblich (KR- Griebeling/Rachor, a. a. O. Rdnr. 369 m. w. N.). Demnach kann auch der Umstand, dass die Klägerin - nach eigener Behauptung - seit dem 10.10.2017 nicht mehr arbeitsunfähig ist, die im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs gegebene negative Prognose nicht erschüttern.

32

b) Der Umstand, dass im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nicht mit einer positiven Entwicklung des Gesundheitszustandes der Klägerin in absehbarer Zeit, d. h. in einem Zeitraum von bis zu 24 Monaten gerechnet werden konnte, führte zu einer von der Beklagten nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Diese Beeinträchtigung bestand darin, dass die Beklagte als Arbeitgeberin aus seinerzeitiger Sicht auf unabsehbare Zeit gehindert war, ihr Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung der Klägerin abzurufen (vgl. BAG v. 20.11.2014 - 2 AZR 664/13 - AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

33

c) Die streitbefangene Kündigung erweist sich auch als verhältnismäßig.

34

Die Kündigung ist nicht schon nach den allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast bei einer krankheitsbedingten Kündigung unverhältnismäßig. Die Klägerin hat nicht dargetan, wie sie sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die ihr trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung hätte zugewiesen werden können. Erst dann wäre es Sache der Beklagten gewesen, hierauf zu erwidern und ggfls. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei.

35

Eine andere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten ergibt sich vorliegend nicht daraus, dass entgegen § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (letztlich) kein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchgeführt wurde.

36

Zwingende Voraussetzung für die Durchführung eines bEM ist das Einverständnis des Betroffenen. Ohne dessen Einverständnis darf keine Stelle unterrichtet oder eingeschaltet werden (BAG v. 24.03.2011 - 2 AZR 170/10 - AP Nr. 6 zu § 69 ArbGG 1979).

37

An einer Zustimmung der Klägerin zur Durchführung des bEM fehlt es. Die Klägerin war mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben der Beklagten vom 18.04.und 06.05.2015 - jeweils unter Fristsetzung - um Mitteilung gebeten worden, ob sie der Durchführung eines bEM zustimmt. Hierauf hat die Klägerin nicht reagiert.

38

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte mit ihren Schreiben vom 18.04. und vom 06.05.2015 auch ausreichend und ordnungsgemäß die Initiative zur Durchführung des bEM ergriffen.

39

Nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hinzuweisen. Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht. Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können (BAG v. 20.11.2014 - 2 AZR 755/13 - AP Nr. 52 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

40

Diesen Anforderungen werden die Schreiben der Beklagten vom 18.04. und vom 06.05.2015 gerecht. Sie enthalten keine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, sondern vielmehr - wie gesetzlich vorgeschrieben - eine Darstellung der Ziele des bEM, nämlich die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen und Hilfen erneuter oder weiterer Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Der Inhalt der Schreiben verdeutlicht, dass es um die Grundlagen der Weiterbeschäftigung der Klägerin geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch die Klägerin selbst Vorschläge einbringen kann. Durch die Erklärung, dass personenbezogene und gesundheitsbezogene Daten nur "soweit erforderlich" erhoben und verwendet werden, hat die Beklagte auch klargestellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung der Klägerin dienendes bEM durchführen zu können. Regelmäßig ist in dieser Hinsicht ohnehin ein genereller Hinweis ausreichend (BVerwG v. 23.06.2010 - 6 P 8/09 -, juris). Der Beklagten war es im Übrigen auch nicht möglich, konkretere Angaben bezüglich der zu erhebenden und ggfls. zu verwendenden Daten zu machen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte über keine näheren Informationen über den Gesundheitszustand bzw. über die Art der Erkrankung der Klägerin verfügte.

41

3. Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG unwirksam.

42

Die Beklagte hat den Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört. Das Berufungsgericht folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen und der Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts unter A 6. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Insoweit wird daher von der Darstellung eigener, weitergehender Gründe seitens des Berufungsgerichts abgesehen.

III.

43

Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

44

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

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(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

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(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 - 14 Sa 1428/08 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.

2

Der 1971 geborene Kläger ist gelernter Anlagenmechaniker der Fachrichtung Versorgungstechnik. Er war bei der Beklagten seit dem 1. September 1994 als Gasrohrnetzwerker, zuletzt in der Funktion eines Vorarbeiters, bei einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.500,00 Euro beschäftigt. Bei dem Kläger ist durch bisher nicht bestandskräftigen Bescheid ein Grad der Behinderung von 20 festgestellt.

3

Die Beklagte betreibt Rohrleitungs- und Anlagenbau. Sie beschäftigt etwa 200 Arbeitnehmer. Sie hat ihren Sitz in W und eine Außenstelle in B. Der Kläger war nahezu ausschließlich in der Außenstelle eingesetzt. Die Beklagte hat sieben Bauleitungen gebildet, darunter die Bauleitung „Rohrleitungsbau B“, zu welcher der Kläger und der weitere Vorarbeiter H gehörten. Ein Betriebsrat ist nicht gewählt.

4

Der Kläger erkrankte am 25. September 2006 arbeitsunfähig. Er leidet unter Wirbelsäulenschäden. Am 16. März 2007 bot er der Beklagten die Wiederaufnahme der Arbeit an. Dabei wies er darauf hin, dass ihm seit Januar 2007 eine Rehabilitationsmaßnahme in Aussicht gestellt worden sei. Die Beklagte hatte gegen einen weiteren Einsatz des Klägers Bedenken und vereinbarte einen Untersuchungstermin mit dem zuständigen arbeitsmedizinischen Dienst. Der Kläger nahm den Termin wahr. Mit Schreiben vom 12. April 2007 schlug die Krankenkasse einen Arbeitsplatzwechsel vor. Vom 4. Juli 2007 bis 25. Juli 2007 nahm der Kläger an einer Rehabilitationsmaßnahme in einer Fachklinik teil. Mit Schreiben vom 19. September 2007 teilte die Rentenversicherung mit, es sei festgestellt worden, dass der Kläger nur noch körperlich leichte Arbeit überwiegend im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen/Gehen verrichten solle und Gefährdungen durch Kälte, Nässe, Zugluft und starke Temperaturschwankungen zu vermeiden seien.

5

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. März 2008. Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er könne zwar seine bisherigen Arbeiten nicht mehr verrichten, die Beklagte könne ihn aber als Sicherheitsbeauftragten oder in der Materialverwaltung der Außenstelle B, außerdem in ihrem Materiallager in W oder zur Erfüllung der verwaltungstechnischen Aufgaben aller Poliere und Vorarbeiter einsetzen. Auch ein Einsatz bei der Rohrleitungsumhüllung, bei der Arbeit an Gasleitungen mit Hochdrucksystem, beim Schweißen oder im Büro mit Zuarbeit für die Bauleiter komme in Frage. Ebenso könne sie ihm wie dem Mitarbeiter H einen Schonarbeitsplatz in W einrichten. Im Übrigen habe es die Beklagte versäumt, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen.

6

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15. Oktober 2007 nicht beendet worden ist.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestehe nicht. Sie verfüge über keine freien Arbeitsplätze, die eine der Qualifikation, den Fähigkeiten und den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers entsprechende Tätigkeit zuließen. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) habe sie mangels Bestehens einer betrieblichen Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht durchführen müssen. Die dem Mitarbeiter H übertragenen Aufgaben könnten vom Kläger mangels ausreichender Qualifikation und wegen der mit ihnen verbundenen körperlichen Belastungen nicht ausgeführt werden.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 KSchG hinreichend substantiiert vorgetragen, weshalb eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestanden habe(I.). Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen gleichwohl nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ist(II.).

10

I. Unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG hat die Beklagte hinreichend vorgetragen, dass eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestanden habe.

11

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist nach der Rechtsprechung des Senats in drei Stufen vorzunehmen. Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe - (Senat 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - BAGE 101, 39; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - BAGE 91, 271; 21. Mai 1992 - 2 AZR 399/91 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 38). Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 45 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 53). Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (Senat 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - aaO).

12

2. Eine Kündigung ist entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere Mittel vermieden werden kann, dh., wenn sie zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen bzw. der eingetretenen Vertragsstörung nicht erforderlich ist. Dabei kommt bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht nur eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen, freien Arbeitsplatz in Betracht. Der Arbeitgeber hat vielmehr alle gleichwertigen, leidensgerechten Arbeitsplätze, auf denen der betroffene Arbeitnehmer unter Wahrnehmung des Direktionsrechts einsetzbar wäre, in Betracht zu ziehen und ggf. „freizumachen“ (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 29, BAGE 123, 234; 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107).

13

3. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen. Dazu gehört auch die Darlegung des Fehlens - alternativer - Beschäftigungsmöglichkeiten.

14

a) Der Arbeitgeber kann - außerhalb der Verpflichtung zur Durchführung eines BEM - zunächst pauschal behaupten, es bestehe für den dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer keine andere Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Behauptung umfasst den Vortrag, es bestehe keine Möglichkeit einer leidensgerechten Anpassung des Arbeitsverhältnisses oder des Arbeitsplatzes. Der Arbeitnehmer muss sodann konkret darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine Beschäftigung - an einem anderen Arbeitsplatz - vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 43, BAGE 123, 234; 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 30). Es ist dann Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 47, aaO).

15

b) Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall vom Landesarbeitsgericht angenommen - der Arbeitnehmer keinen oder nur einen oberflächlichen Einblick in die organisatorischen Arbeitsabläufe in anderen betrieblichen Bereichen hat. Dem Grundsatz, dass einer Partei nicht ein ihr unmöglicher Grad an Konkretisierung ihres Vortrags abverlangt werden darf, ist dadurch Rechnung getragen, dass der Arbeitnehmer lediglich konkret darlegen muss, wie er sich die anderweitige Beschäftigung vorstellt; von ihm wird nicht verlangt, dass er dazu ganz bestimmte Arbeitsplätze im Betrieb oder Unternehmen benennt (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 43, BAGE 123, 234; 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 30). Aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers muss sich allerdings ergeben, dass er die seinen Vorstellungen entsprechende Tätigkeit trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben kann (Senat 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, aaO).

16

4. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte ihrer Darlegungslast genügt.

17

a) Die Beklagte hat zunächst vorgetragen, es bestehe keine andere Möglichkeit, den Kläger leidensgerecht zu beschäftigen.

18

b) Daraufhin hat der Kläger vorgetragen, er sei als Vorarbeiter mit der Funktion eines Poliers weiterhin in der Lage, die für den entsprechenden Mitarbeiterkreis anfallenden verwaltungstechnischen Aufgaben zu erfüllen. So könne er Aufmaße erstellen, Bauzeichnungen fertigen, Baustellen einrichten und leiten. Ferner könne er als zweiter „hauptamtlicher“ Sicherheitsbeauftragter beschäftigt werden, die Materialverwaltung in der Außenstelle in B übernehmen oder als Magaziner, Gerätewart oder Lagermeister in dem Material- und Werkzeuglager der Beklagten in W tätig sein. Außerdem sei er - unter Vermeidung von körperlichen Belastungen - in der Lage, Rohrleitungen zu umhüllen, mit Hochdrucksystem an Gasleitungen zu arbeiten oder zu schweißen. Er könne sich auch eine Bürotätigkeit mit Zuarbeit für die Bauleiter vorstellen. Schließlich könne ihm die Beklagte einen dem des Mitarbeiters H entsprechenden Schonarbeitsplatz in W einrichten.

19

c) Hierauf hat die Beklagte erwidert und dargelegt, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei.

20

aa) Die Übernahme der verwaltungstechnischen Aufgaben sämtlicher Vorarbeiter und Poliere erfordere die Übertragung von Bauleitertätigkeiten, was einer Beförderung gleichkomme. Dies ist ein erheblicher Einwand. Der Kläger kann eine Beförderung nicht verlangen. Im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine Beförderungsstelle anzubieten (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 40; 21. September 2000 - 2 AZR 440/99 - zu III 2 d cc der Gründe, BAGE 95, 350).

21

bb) Eine Beschäftigungsmöglichkeit ausschließlich als Sicherheitsbeauftragter bestehe nicht. Auch dieser Einwand ist beachtlich. Der Sicherheitsbeauftragte übt ein freiwilliges Ehrenamt aus, das neben dem eigentlichen Arbeitsverhältnis besteht (vgl. MünchArbR/Wlotzke 2. Aufl. § 208 Rn. 26).

22

cc) Die Beklagte hat behauptet, in der Außenstelle in B beschäftige sie keine Arbeitnehmer, eine Beschäftigungsmöglichkeit in der Materialverwaltung in der Außenstelle bestehe daher ebenfalls nicht. Tätigkeiten als Magaziner, Gerätewart oder Lagermeister in dem Material- und Werkzeuglager in W oder - unter Vermeidung von körperlichen Belastungen - das Umhüllen von Rohrleitungen, die Arbeit an Gasleitungen mit Hochdrucksystem, das Schweißen oder eine Tätigkeit im Büro mit Zuarbeit für die Bauleiter, die der Kläger nach seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausüben könne, gebe es in ihrem Unternehmen nicht.

23

dd) Die Beklagte hat ferner vorgetragen, die dem Mitarbeiter H übertragenen Arbeiten fielen nur im B Raum an. Die davon abweichende Feststellung des Landesarbeitsgerichts, auch am Stammsitz der Beklagten würden Hochdruck-Rohrleitungsarbeiten und Hausanschluss-Versorgungsarbeiten ausgeführt, ist für den Senat nicht bindend. Die Beklagte hat sie mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO) angegriffen. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie findet keine Grundlage im Parteivorbringen. Im Übrigen hat die Beklagte behauptet, der Kläger könne die dem Mitarbeiter H übertragenen Tätigkeiten nach seiner Qualifikation und seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ohnehin nicht ausüben.

24

II. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung aus personenbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

25

1. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine negative Gesundheitsprognose im Zeitpunkt der Kündigung gerechtfertigt war.

26

2. Anhand der bisherigen Feststellungen lässt sich auch nicht beurteilen, ob die Kündigung deshalb unverhältnismäßig ist, weil die Beklagte mangels Durchführung eines BEM eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten trifft.

27

a) Der Kläger war vor Ausspruch der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen krank. Damit war die Beklagte gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX grundsätzlich verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement vorzunehmen. Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

28

b) Ein BEM ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX gebildet ist(FKS-SGB IX-Feldes § 84 Rn. 41; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 342; Knittel SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 84; Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 18; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 34; Schulz PersV 2008, 244, 245; Zorn br 2006, 42, 43; LAG Schleswig-Holstein 7. November 2005 - 4 Sa 328/05 - zu II 2 e der Gründe, br 2006, 170). Das ergibt die Auslegung von § 84 Abs. 1 SGB IX. Die Durchführung eines BEM ist weder unmöglich noch sinnlos, wenn eine betriebliche Interessenvertretung nicht besteht.

29

aa) Der Wortlaut der Bestimmung erlaubt kein zweifelsfreies, eindeutiges Verständnis. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX klärt der Arbeitgeber dann, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten bleiben kann. Die Klärung hat danach zwar „mit der zuständigen Interessenvertretung“ zu erfolgen. Daraus kann aber nicht zwingend geschlossen werde, eine Klärung habe gar nicht zu erfolgen, wenn eine betriebliche Interessenvertretung nicht gebildet sei. Der Wortlaut lässt sich ebenso gut dahin verstehen, dass dann, wenn eine solche besteht, die Klärung mit der Interessenvertretung und den übrigen Beteiligten, anderenfalls nur mit den übrigen Beteiligten vorzunehmen ist.

30

bb) Für dieses Verständnis sprechen systematische Gesichtspunkte. Auf der Tatbestandsseite des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist als Voraussetzung für die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM nur formuliert, dass ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sein muss. Davon, dass eine betriebliche Interessenvertretung bestehen müsse, ist nicht die Rede. Wenn der Gesetzgeber ihre Existenz als notwendige Voraussetzung für die Verpflichtung zur Vornahme eines BEM angesehen hätte, wäre stattdessen zu erwarten gewesen, dass er das an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck bringt. Hinzu kommt, dass § 84 Abs. 2 SGB IX zu demjenigen Regelungskomplex des SGB IX gehört, welcher sonstige Pflichten der Arbeitgeber und Rechte schwerbehinderter Menschen normiert. Die in diesem Abschnitt geregelten Arbeitgeberpflichten sind vom Bestehen einer betrieblichen Interessenvertretung durchweg unabhängig. Aus § 93 SGB IX ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift bestimmt, dass Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte die Eingliederung schwerbehinderter Menschen fördern und insbesondere darauf achten, dass die dem Arbeitgeber nach §§ 71, 72 und §§ 81 bis 84 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Diese Aufgabe besteht im Hinblick auf die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus § 84 Abs. 2 SGB IX in gleicher Weise wie für die nach den anderen genannten Vorschriften. Der Umstand, dass die Interessenvertretungen darauf achten sollen, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten aus § 84 Abs. 2 SGB IX nachkommt, spricht dafür, dass diese Pflichten als solche gerade unabhängig von der Existenz einer Interessenvertretung bestehen.

31

cc) Entscheidend sprechen Sinn und Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX für ein Verständnis der Vorschrift, demzufolge ein BEM auch dann durchzuführen ist, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht besteht. Die Durchführung eines BEM ist auch in diesem Fall möglich und geboten (Düwell in LPK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 48).

32

(1) Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollen durch das BEM krankheitsbedingte Kündigungen von Arbeitnehmern verhindert werden. Durch die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten soll ein betriebliches Eingliederungsmanagement geschaffen werden, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert (BT-Drucks.15/1783 S. 16). Die Gesetzesbegründung nennt die betriebliche Interessenvertretung ausdrücklich nur als eine von mehreren Beteiligten, mit denen eine gemeinsame Klärung möglicher Maßnahmen erfolgen soll, um kurzfristig Beschäftigungshindernisse zu überwinden und den Arbeitsplatz durch Leistungen und Hilfen zu erhalten (BT-Drucks.15/1783 S. 12). Durch die dem Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll damit möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, BAGE 123, 234). Ziel des BEM ist - wie das der gesetzlichen Prävention nach § 84 Abs. 1 SGB IX(vgl. dazu BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - BAGE 116, 121) - die frühzeitige Klärung, ob und ggf. welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, aaO).

33

(2) Die Verwirklichung des Gesetzeszwecks setzt nicht die Existenz einer betrieblichen Interessenvertretung voraus. Das gesetzliche Ziel ist auch dann sinnvoll und erreichbar, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht gebildet ist. Das Gesetz beschreibt den im Wege des BEM durchzuführenden Klärungsprozess nicht als formalisiertes Verfahren, sondern lässt den Beteiligten jeden denkbaren Spielraum (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 57). Die betriebliche Interessenvertretung ist dabei nur eine der vom Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX einzubeziehenden Beteiligten. Beteiligte des BEM sind außer ihr der betroffene Beschäftigte, soweit erforderlich zudem der Werks- oder Betriebsarzt und ferner die örtlichen gemeinsamen Servicestellen und ggf. das Integrationsamt, wenn Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen. Auch und gerade dann, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht gebildet ist, ist ein BEM zum Schutz betroffener Arbeitnehmer vor einer vermeidbaren krankheitsbedingten Kündigung geboten.

34

c) War danach im Streitfall ein BEM nicht mangels Bestehens einer betrieblichen Interessenvertretung entbehrlich, darf die Beklagte als Arbeitgeberin aus ihrer dem Gesetz widersprechenden Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile ziehen können (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 44, BAGE 123, 234). Dieser Grundsatz führt nicht dazu, dass der Senat über die Wirksamkeit der Kündigung vom 15. Oktober 2007 abschließend entscheiden könnte.

35

aa) § 84 Abs. 2 SGB IX stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das BEM ist zwar selbst kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen - ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ - Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234). Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines BEM kein Nachteil entstehen. Wäre ein positives Ergebnis dagegen möglich gewesen, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz ausscheiden (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19, aaO). Dies geht über die Darlegungslast des Arbeitgebers für das Nichtbestehen einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit nach allgemeinen Grundsätzen hinaus. Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.

36

bb) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deswegen entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber. Die objektive Nutzlosigkeit eines BEM führt zu einer Einschränkung der nach § 84 Abs. 2 SGB IX bestehenden Pflicht des Arbeitgebers zu dessen Durchführung. Es obliegt daher dem Arbeitgeber, die tatsächlichen Umstände im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, aufgrund derer ein BEM wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können.

37

cc) Dazu, ob ein BEM aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers ohnehin keine andere Beschäftigungsmöglichkeit erbracht hätte, hat die Beklagte bislang nicht vorgetragen. Da das Landesarbeitsgericht diesen Gesichtspunkt nicht als entscheidungserheblich angesehen hat, ist ihr Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.

38

(1) Die Beklagte hat bisher nicht hinreichend dargelegt, dass weder eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers noch sein Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit möglich gewesen sei. Es fehlt insbesondere an hinreichend konkretem Vortrag dazu, dass auch die Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes durch Umstrukturierung der betrieblichen Abläufe ausgeschlossen gewesen sei. Der bloße Verweis auf betriebsablauforganisatorische Störungen im Baubereich genügt hierfür nicht. Was die mögliche Beschäftigung des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz betrifft, hat die Beklagte mit Blick auf ihr Material- und Werkzeuglager in W lediglich vorgetragen, leidensgerechte Tätigkeiten in der Materialverwaltung gebe es dort nicht und auch bei den Tätigkeiten im Bereich Disposition/Lager/Werkstatt handele es sich um körperlich schwere Arbeiten. Welche Tätigkeiten in W im Einzelnen anfallen und warum eine für den Kläger leidensgerechte Umstrukturierung der Arbeitsabläufe nicht möglich gewesen ist, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.

39

(2) Der Beklagten ist durch Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Zwar hat sich der Kläger durchgängig auf die Erforderlichkeit eines BEM und die daraus folgende Erweiterung der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten berufen. Das Landesarbeitsgericht hat die Parteien aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es seiner Auffassung nach auf die Erforderlichkeit eines BEM nicht ankomme. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte im Hinblick hierauf von weiterem Vortrag abgesehen hat.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Dr. Roeckl    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Februar 2014 - 10 Sa 576/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt ein Omnibusunternehmen. In ihrem Betrieb waren regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger war bei ihr seit Februar 2007 als Busfahrer tätig.

3

Seit dem 28. November 2010 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 26. Juni 2012 wurde ihm rückwirkend ab dem 1. Juni 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. In dem Bescheid heißt es auszugsweise:

        

„Sie haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Der Rentenanspruch ist zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.“

und

        

„Die Rente endet mit dem 30.06.2014, ohne dass wir einen weiteren Bescheid erteilen.

        

Die Rente kann auf Antrag weitergezahlt werden, wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit weiterhin vorliegt. …“

4

Mit Schreiben vom 19. Juli 2012 wurde dem Kläger mitgeteilt, er werde die ersten Rentenzahlungen im August 2012 erhalten. Der Kläger informierte daraufhin den Geschäftsführer der Beklagten über die Rentenbewilligung. Er lehnte es ab, dessen Frage nach der Art seiner Erkrankung zu beantworten.

5

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. Juli 2012 zum 30. September 2012.

6

Gegen die Kündigung hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, für eine krankheitsbedingte Kündigung fehle es an einer negativen Gesundheitsprognose. Durch den Rentenbescheid werde nicht dokumentiert, dass er als Omnibusfahrer dauerhaft arbeitsunfähig sei. Es sei vielmehr nicht ausgeschlossen, dass er ab Juli 2014 seine geschuldete Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Auch ausweislich von drei im Rentenverfahren eingeholten Gutachten sei es medizinisch nicht unwahrscheinlich, dass seine volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Zudem sei keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen gegeben. Seine Krankheit führe nicht zu Betriebsablaufstörungen oder beachtlichen wirtschaftlichen Belastungen. Die Beklagte stelle schon seit Jahren Arbeitnehmer nur noch befristet ein. Es sei nicht erkennbar, weshalb es ihr nicht zumutbar sein solle, ihm einen Arbeitsplatz zumindest bis zum Auslaufen der Rentenbewilligung am 30. Juni 2014 freizuhalten. Im Übrigen habe die Beklagte entgegen den gesetzlichen Verpflichtungen kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2012 nicht beendet worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt. Aus dem Bezug der Rente wegen Erwerbsminderung habe sich eine negative Gesundheitsprognose für die auf die Kündigung folgenden 23 Monate ergeben. Es habe festgestanden, dass der Kläger zumindest für weitere fast zwei Jahre überhaupt keiner Erwerbstätigkeit werde nachgehen können, und es sei ungewiss gewesen, ob er danach jemals wieder arbeitsfähig werde. Zudem entstünden weiterhin Urlaubsansprüche des Klägers. Aus der Befristung der Rentenbewilligung könne nicht geschlossen werden, der Kläger werde nach ihrem Ablauf seine Fähigkeit zur vollschichtigen Tätigkeit als Busfahrer wieder erlangen. Renten wegen Erwerbsminderung seien von Gesetzes wegen grundsätzlich auf Zeit zu gewähren. Eine unbefristete Rente werde erst bewilligt, wenn unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Hiervon sei erst nach einer Gesamtdauer der befristeten Gewährung von neun Jahren auszugehen. Ein für den Kläger leidensgerechter Arbeitsplatz habe ebenso wenig zur Verfügung gestanden wie überhaupt ein freier Arbeitsplatz. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement sei entbehrlich gewesen. Angesichts der feststehenden Tatsache, dass der Kläger mindestens weitere 23 Monate vollständig erwerbsunfähig wäre, seien Maßnahmen, die auf den Erhalt des Arbeitsplatzes, die Vermeidung weiterer Arbeitsunfähigkeitszeiten oder eine innerbetriebliche Umsetzung abzielten, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen (I.). Ob die Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2012 wirksam ist, steht noch nicht fest (II.).

11

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Basis der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Die soziale Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist in drei Stufen zu prüfen. Eine Kündigung ist im Falle einer lang anhaltenden Krankheit sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe -(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 13; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11 mwN, BAGE 135, 361).

13

2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Zeitpunkt der Kündigung habe eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorgelegen.

14

a) Der Kläger war im Kündigungszeitpunkt seit dem 23. November 2010 und damit seit über 20 Monaten durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234; 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - zu II 5 d aa der Gründe, BAGE 101, 39). Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast für eine negative Prognose zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - aaO; für den Fall häufiger [Kurz-]Erkrankungen BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 17). Dies hat die Beklagte bezüglich der Dauer der Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit getan. Diese ist überdies unstreitig. Krankheitsursachen waren der Beklagten nach ihrem Vorbringen nicht bekannt.

15

b) Der durch die lange Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit begründeten Indizwirkung ist der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat zwar von der Beklagten gefordert abzuwarten, ob nach Auslaufen der befristeten Rentenbewilligung eine Änderung eintreten werde. Zudem hat er auf die Möglichkeit einer Genesung binnen der auf die Kündigung folgenden 24 Monate verwiesen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass und unter welchen Bedingungen innerhalb dieses Zeitraums eine Besserung wahrscheinlich gewesen sei. Er hat weder konkrete Erkenntnisse aus den Gutachten mitgeteilt, die im Rahmen des Verfahrens zur Rentenbewilligung eingeholt wurden, noch hat er - etwa indem er sich auf entsprechende Aussagen seiner behandelnden Ärzte berufen hätte - behauptet, es sei in absehbarer Zeit die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit zu erwarten gewesen (vgl. dazu BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 22; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96).

16

c) Darauf, ob die Rentenbewilligung etwas über die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers aussagt, kommt es für die negative Gesundheitsprognose nicht an.

17

3. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen nicht seine Annahme, die im Kündigungszeitpunkt zu erwartende weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geführt.

18

a) Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne Weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 18). Die Beklagte hat allerdings nicht behauptet, im Kündigungszeitpunkt habe eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers festgestanden. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht nicht ausgegangen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen. Eine solche Ungewissheit steht - so sie tatsächlich vorliegt - einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden kann (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 14; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO). Einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten kann der Arbeitgeber dagegen typischerweise ohne Schwierigkeiten durch Einstellung einer Ersatzkraft mit einem zeitbefristeten Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG überbrücken(noch zu § 1 Abs. 1 BeschFG vgl. BAG 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271).

19

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, allein aufgrund der lang anhaltenden Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit und der Ungewissheit seiner Genesung in der Zukunft seien die betrieblichen Interessen der Beklagten erheblich beeinträchtigt gewesen. Dies wird den an die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung auf der zweiten Prüfungsstufe zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

20

aa) Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Annahme, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss - also für mindestens weitere 24 Monate nicht zu erwarten - gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung lediglich darauf gestützt, unter Berücksichtigung des Rentenbescheids sei eine positive Entwicklung für mehr als 23 Monate auszuschließen und darüber hinaus ungewiss gewesen. Dies steht einem Sachverhalt, bei dem eine Gesundung des Arbeitnehmers für die nächsten 24 Monate nicht erwartet werden kann, nicht gleich. Die bloße Ungewissheit der Wiedergenesung, von der das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ablauf der Rentenbewilligung ausgegangen ist, bedeutet nicht zugleich, dass mit einer Gesundung nach medizinischen Erkenntnissen nicht gerechnet werden kann. Dies gilt auch schon für den 24. Monat nach Kündigungszugang. Der Umstand, dass der Kläger bereits im Kündigungszeitpunkt seit mehr als 20 Monaten arbeitsunfähig war, spricht lediglich dafür, dass mit einem Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit auch in der Zukunft zu rechnen war. Er lässt für sich genommen nicht den Schluss auf eine bestimmte (Mindest-)Dauer der zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit zu.

21

bb) Im Übrigen ergibt sich aus einer Rentenbewilligung wegen Erwerbsminderung nicht ohne Weiteres, dass der Leistungsempfänger arbeitsunfähig ist. Insbesondere begründet der Rentenbezug keine - widerlegbare - Vermutung oder Indizwirkung für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit während der Dauer der Bewilligung (vgl. P. Feichtinger in Feichtinger/Malkmus Entgeltfortzahlungsrecht 2. Aufl. § 3 EFZG Rn. 42; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 3 Rn. 74; HWK/Schliemann 6. Aufl. § 3 EFZG Rn. 44; Treber EFZG 2. Aufl. § 3 Rn. 23). Die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und die sozialrechtlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung sind nicht die gleichen (vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 558/03 - zu I 1 der Gründe; vgl. P. Feichtinger aaO; Schmitt aaO; ErfK/Reinhard 15. Aufl. § 3 EFZG Rn. 9; Vossen Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen Rn. 93). Der Erwerbsgeminderte kann durchaus arbeitsfähig sein (Kreikebohm/v. Koch SGB VI 4. Aufl. § 43 Rn. 5; ErfK/Reinhard aaO). Auch eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI nicht zwingend voraus, dass der Arbeitnehmer seine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann(vgl. auch LAG Hamm 9. Juli 2003 - 18 Sa 215/03 - zu A I 1 der Gründe, Vorinstanz zu BAG 29. September 2004 - 5 AZR 558/03 - aaO; aA ErfK/Reinhard aaO unter Hinweis auf MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 3 EFZG Rn. 7). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Bedingungen am bisherigen Arbeitsplatz können jedoch von denen des allgemeinen Arbeitsmarkts abweichen. So steht einer Erwerbsminderung eine vom Regelfall abweichendegünstige Arbeitsgelegenheit nicht entgegen ( KassKomm/Gürtner Stand April 2015 § 43 SGB VI Rn. 29 ). Dies mag bei der bisherigen Tätigkeit des Klägers als Busfahrer für die Beklagte nicht der Fall gewesen sein. Feststellungen dazu hat das Landesarbeitsgericht jedoch nicht getroffen.

22

cc) Sonstige Umstände, die eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten begründen könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Allein die weiterhin entstehenden Urlaubsansprüche des Klägers vermögen - soweit ersichtlich - nicht zu einer nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten zu führen. Gesetzliche und regelmäßig auch tarifvertragliche Urlaubsansprüche erlöschen bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit jeweils 15 Monate nach Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres und wachsen daher nach Ablauf von zwei Jahren und drei Monaten typischerweise nicht weiter an (vgl. BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 302/12 - Rn. 11; 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff., BAGE 142, 371).

23

4. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht überdies zu Unrecht angenommen, ein milderes Mittel als eine Beendigungskündigung habe der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden, um den betrieblichen Beeinträchtigungen zu begegnen. Ihrer mangels Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX erhöhten Darlegungslast im Hinblick auf alternative, leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bislang nicht nachgekommen.

24

a) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX gehalten, ein bEM durchzuführen. Er hat dazu nach Zustimmung und unter Beteiligung der betroffenen Person mit der zuständigen Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen.

25

b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Beklagte ihrer Pflicht zur Durchführung eines bEM im Falle des Klägers nicht nachgekommen. Hierzu war sie vor Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Die Durchführung des bEM soll einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen gerade begegnen (BT-Drs. 14/5074 S. 113; ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 84 SGB IX Rn. 4) und „den Arbeitsplatz“ - dh. das Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32 mwN) - erhalten. Im Kündigungszeitpunkt lag eine mehr als sechswöchige Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor. Die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM trifft den Arbeitgeber nicht nur bei Erkrankungen behinderter Arbeitnehmer, sondern bei allen Arbeitnehmern (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361) und unabhängig davon, ob im Beschäftigungsbetrieb ein Betriebsrat gewählt ist oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 32; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28 ff., aaO). Zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines bEM gehört die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

26

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten war ein bEM nicht deshalb entbehrlich, weil die Durchführung angesichts der Weigerung des Klägers, Angaben zu seinem Krankheitsbild zu machen, ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre. Erst wenn dem Arbeitnehmer ein bEM ordnungsgemäß nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX angeboten worden ist und er daraufhin seine Teilnahme bzw. Auskünfte zur Art der bestehenden Beeinträchtigungen verweigert, kann von der Aussichtslosigkeit des bEM ausgegangen und von seiner Durchführung abgesehen werden. Das Unterlassen des bEM ist dann „kündigungsneutral“ (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 24).

27

d) Da sie ein bEM pflichtwidrig unterlassen hat, trifft die Beklagte eine erhöhte Darlegungslast im Hinblick auf denkbare, gegenüber dem Ausspruch einer Beendigungskündigung mildere Mittel. Dieser ist sie bislang nicht nachgekommen.

28

aa) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Das bEM ist auch nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist aber kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Nur wenn auch die Durchführung des bEM keine positiven Ergebnisse hätte zeitigen können, ist sein Fehlen unschädlich. Um darzutun, dass die Kündigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt und ihm keine milderen Mittel zur Überwindung der krankheitsbedingten Störung des Arbeitsverhältnisses als die Beendigungskündigung offenstanden, muss der Arbeitgeber die objektive Nutzlosigkeit des bEM darlegen. Hierzu hat er umfassend und detailliert vorzutragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen wären und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten bzw. der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten bzw. zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt (zum Ganzen BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 22 mwN; 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 40).

29

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Beklagte habe allein durch den Hinweis darauf, dem Kläger sei eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden, ihrer Darlegungslast im Hinblick auf das Fehlen jeglicher leidensgerechter Beschäftigungsalternativen und damit auf die objektive Nutzlosigkeit eines bEM genügt.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung angeführt, die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung setze voraus, dass der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht einmal für drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Eine Beschäftigung des Klägers sei damit nicht nur in seiner früheren Tätigkeit als Busfahrer, sondern auch auf anderen Arbeitsplätzen ausgeschlossen gewesen. Die Durchführung eines bEM habe in dieser Situation kein positives Ergebnis bringen können.

31

(2) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

32

(a) Aus dem bisherigen Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen ergibt sich zum einen nicht, ob ihr nicht auch eine Beschäftigung des Klägers von bis zu drei Arbeitsstunden täglich, entweder als Busfahrer oder auch mit veränderten Arbeitsaufgaben zumutbar gewesen wäre. Eine entsprechende Änderungskündigung wäre als milderes Mittel vorrangig gewesen. Zwar hat sich der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht konkret auf eine solche Beschäftigungsalternative berufen. Infolge des Unterlassens eines bEM hätte die Beklagte aber zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten von sich aus vortragen müssen. Ist ein eigentlich erforderliches bEM unterblieben, trägt der Arbeitgeber die primäre Darlegungslast für dessen Nutzlosigkeit. Er hat von sich aus alle denkbaren oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannten Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kommt (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19). Die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung besagt nur etwas über den zeitlichen Umfang der verbliebenen Leistungsfähigkeit des Versicherten unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie schließt weder eine bis zu dreistündige tägliche Tätigkeit noch eine längere tägliche Beschäftigung zu vom Regelfall abweichenden, günstigeren Arbeitsbedingungen aus. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung kann überdies auch dann bewilligt werden, wenn dem Versicherten eine Teilzeitarbeit von bis zu sechs Stunden täglich möglich, der übliche Arbeitsmarkt für eine solche aber verschlossen ist (sog. „Arbeitsmarktrente“ - vgl. nur Kreikebohm/v. Koch SGB VI 4. Aufl. § 43 Rn. 27; BeckOK SozR/Kreikebohm/Jassat SGB VI Stand 1. März 2015 § 43 Rn. 38; KassKomm/Gürtner Stand April 2015 § 43 SGB VI Rn. 31). Unter Berücksichtigung der nach § 96a SGB VI - auch bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - in bestimmten Grenzen bestehenden Möglichkeit eines Hinzuverdienstes hat der Arbeitgeber selbst dann, wenn er dem Arbeitnehmer nur noch eine Tätigkeit in zeitlich geringem Umfang anbieten kann, keine Veranlassung anzunehmen, dem Arbeitnehmer sei eine solche Weiterbeschäftigung von vornherein unzumutbar. Im Übrigen muss es dem Arbeitnehmer überlassen bleiben zu entscheiden, ob er nicht auch dann die Chance auf eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung ergreifen will, wenn ein Hinzuverdienst den Rentenanspruch zu Fall brächte.

33

(b) Der Einwand der Beklagten, die geforderte Darlegung sei ihr unmöglich, solange der Kläger nicht näher zu den Krankheitsursachen vortrage, berücksichtigt nicht, dass sie sich darauf beschränkt hat, auf die dem Kläger bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu verweisen. Der Rentenbezug schließt - wie gezeigt - eine Arbeitstätigkeit des Klägers nicht unter allen Umständen aus. Es hätte ihr deshalb oblegen vorzutragen, dass ihr eine anderweitige - leidensgerechte - Beschäftigung des Klägers, ggf. auch in Teilzeit oder auch nur im Umfang von bis zu drei Stunden täglich aus betrieblichen Gründen nicht möglich oder zumutbar gewesen sei. Erst daraufhin wäre es Sache des Klägers gewesen, unter Offenlegung der Art seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen näher darzulegen, weshalb dies unzutreffend und der Beklagten seine leidensgerechte Beschäftigung sehr wohl möglich und zumutbar gewesen sei.

34

(c) Die Beklagte hat zudem nur behauptet, es hätten keine anderen freien leidensgerechten Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden. Dies genügt nicht, um darzulegen, dass ein bEM keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit hätte aufzeigen können. Der Arbeitgeber ist gegenüber einem von einer krankheitsbedingten Kündigung bedrohten Arbeitnehmer verpflichtet, als mildere Maßnahme den Personaleinsatz umzuorganisieren, wenn er durch Ausübung seines Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz freimachen kann (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Mit Hilfe eines bEM sollen mögliche mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Die Verpflichtung zur Umsetzung oder Versetzung anderer Arbeitnehmer ist jedenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn dies für den Arbeitgeber und die Betroffenen im Einzelfall nicht von vornherein unzumutbar ist. Aus dem Sachvortrag der Beklagten geht bislang nicht hervor, welche - auch mit anderen Arbeitnehmern besetzten - Arbeitsplätze im Betrieb tatsächlich vorhanden waren und weshalb diese - auch nach ggf. zumutbaren Umorganisationsmaßnahmen - dem Kläger nicht zumindest in Teilzeit oder jedenfalls mit einer Arbeitszeit von bis zu drei Stunden täglich hätten angeboten werden können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt gewesen wäre, dem Kläger eine solche Tätigkeit auf einem leidensgerechten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen. Die Beklagte hätte dem Kläger zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine nach zumutbarer Umorganisation bestehende Beschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Arbeitsbedingungen notfalls im Wege der Änderungskündigung anbieten müssen (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1001/12 - Rn. 12; 9. September 2010 - 2 AZR 937/08 - Rn. 39; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 15).

35

II. Der Senat kann nicht selbst abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 27. Juli 2012 wirksam ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Der Beklagten wird Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zur Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen und zur objektiven Nutzlosigkeit eines bEM zu ergänzen. Hierauf hat der Kläger im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast ggf. zu erwidern. Die Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen trägt nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Beklagte. Sollte sie sich zum Beweis entscheidungserheblicher Behauptungen auf ein medizinisches Sachverständigengutachten berufen, wird der Kläger ggf. mitzuwirken und den Gutachter und ggf. seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden haben.

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Brossardt    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2. Oktober 2009 - 20 Sa 19/09 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Nach Maßgabe der erstinstanzlichen Entscheidung streiten die Parteien über eine auf Krankheitszeiten gestützte Kündigung. Das Landesarbeitsgericht hat von einer eigenen Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

2

Der im Oktober 1974 geborene Kläger war seit dem 3. August 1998 als Lager- und Logistikarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Sein durchschnittlicher Bruttomonatslohn betrug etwa 2.430,00 Euro.

3

Mit Schreiben vom 30. Mai 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. August 2008. Zur Begründung hat sie sich auf häufige Kurzerkrankungen des Klägers bezogen, die im Jahr 2005 insgesamt 46 Arbeitstage, im Jahr 2006 24 Arbeitstage, im Jahr 2007 70 Arbeitstage und im Jahr 2008 bis Ende Mai 47 Arbeitstage betragen hätten.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Eine negative Gesundheitsprognose sei nicht berechtigt. Im Übrigen habe die Beklagte ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX nicht durchgeführt.

5

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2008 nicht aufgelöst worden ist.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger sei auch künftig nicht in der Lage, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung ohne erhebliche Ausfallzeiten zu erbringen. Diese Prognose werde durch das vom Kläger selbst vorgelegte ärztliche Attest vom 12. Juni 2008 belegt. Diesem zufolge dürfe der Kläger nur noch leichte körperliche Tätigkeiten ausführen. Auch ihr eigener Betriebsarzt halte eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf der bisherigen Arbeitsstelle für ausgeschlossen, nachdem er dieses Attest eingesehen habe. Sie habe in den Jahren 2005 bis 2008 insgesamt etwa 32.000,00 Euro an Lohnfortzahlungskosten aufwenden müssen. Sie habe häufiger versucht, ein betriebliches Eingliederungsmanagement mit dem Kläger durchzuführen. Anderweitige Einsatzmöglichkeiten habe dieser bisher nicht aufzeigen können.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet.

9

I. Das Berufungsurteil ist schon deswegen aufzuheben, weil es entgegen § 69 Abs. 3 ArbGG keinen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Tatbestand enthält.

10

1. Ein Berufungsurteil muss einen den Anforderungen des § 69 Abs. 3 ArbGG genügenden Tatbestand enthalten.

11

a) Nach § 69 Abs. 2 ArbGG kann unter den dort genannten Voraussetzungen von der Darstellung des Tatbestandes nur dann abgesehen werden, wenn das Berufungsurteil unzweifelhaft nicht der Revision unterliegt( § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO ). § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Das ist erforderlich, um die Nachprüfung des angefochtenen Urteils durch das Revisionsgericht zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn die Revision vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen worden ist. Darin liegt kein Fall des § 69 Abs. 2 ArbGG iVm. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG ist ein Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil nicht „unzweifelhaft“ unzulässig(Senat 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 11, NZA 2011, 349). Ein völliges Absehen von der Darstellung des Tatbestandes gem. § 69 Abs. 2 ArbGG, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt bei Berufungsurteilen nur dann in Betracht, wenn ein Rechtsmittelverzicht erklärt worden ist(BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Zumindest eine verkürzte Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens ist erforderlich ( BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 16, aaO; Senat 15. August 2002 - 2 AZR 386/01 - AP ZPO 1977 § 543 Nr. 12 = EzA ZPO § 543 Nr. 12; BGH 13. August 2003 - XII ZR 303/02 - BGHZ 156, 97 ; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 69 Rn. 10, 11).

12

b) Einem Urteil ohne Tatbestand kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Damit ist dem Revisionsgericht eine abschließende Überprüfung verwehrt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Zweck des Revisionsverfahrens, dem Revisionsgericht die Nachprüfung des Berufungsurteils und seiner Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt zu ermöglichen, deshalb erreicht werden kann, weil der Sach- und Streitstand sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt ( Senat 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 11, NZA 2011, 349; BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5; Senat 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 4).

13

2. Danach enthält das angefochtene Urteil keinen ausreichenden Tatbestand.

14

a) Das Landesarbeitsgericht hat wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Im Übrigen hat es „gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen“, weil sein Urteil nicht der Revision unterfalle. Hierbei hat es außer Acht gelassen, dass auf eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Revision zugelassen werden konnte. Die Parteien hatten keinen Rechtsmittelverzicht erklärt.

15

b) Die in den Entscheidungsgründen erwähnten Sachverhaltselemente stellen keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine abschließende Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen dar. Sie erlauben dem Senat keine Entscheidung darüber, ob die Kündigung deswegen unverhältnismäßig ist, weil die Beklagte mangels Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger trifft.

16

II. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Für die neue Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits wird das Landesarbeitsgericht die folgenden Hinweise zu beachten haben.

17

1. Das Landesarbeitsgericht hat vor einer Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG Feststellungen zur Anzahl der im Betrieb der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zu treffen.

18

2. Falls danach der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes im Streitfall Anwendung findet, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte gem. § 84 Abs. 2 SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement(BEM) durchzuführen hatte. Ist dies zu bejahen, trifft sie eine erweiterte Darlegungslast. Sie hätte dann von sich aus zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten vorzutragen.

19

a) Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234). Nach den vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten Krankheitszeiten des Klägers wäre die Beklagte grundsätzlich verpflichtet gewesen, ein BEM durchzuführen. Danach war der Kläger iSv. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank. Dafür genügt es, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten insgesamt, gegebenenfalls in mehreren Abschnitten, mehr als sechs Wochen betragen haben (Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 34, aaO; Gagel/Schian br 2006, 46; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 11). Nicht erforderlich ist, dass es eine einzelne Krankheitsperiode von durchgängig mehr als sechs Wochen gab.

20

b) Die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das BEM ist zwar selbst kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen - ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ - Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234).

21

aa) Wurde entgegen § 84 Abs. 2 SGB IX ein BEM nicht durchgeführt, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die dieser trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz ausscheiden (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56). Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.

22

bb) Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 SGB IX ein Verfahren durchgeführt hat, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein BEM genügt(Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56).

23

cc) Hat der Arbeitgeber ein BEM deshalb nicht durchgeführt, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX; Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 56). Die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX gehört zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines BEM(vgl. Fabricius in Schlegel/Voelzke SGB IX § 84 Rn. 22). Sie soll dem Arbeitnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob er ihm zustimmt oder nicht (Trenk-Hinterberger in Lachwitz/Schellhorn/Welti HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 54). Die Initiativlast für die Durchführung eines BEM trägt der Arbeitgeber (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18, AP SGB IX § 84 Nr. 3 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 57).

24

dd) Stimmt der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufklärung nicht zu, ist das Unterlassen eines BEM „kündigungsneutral“ (vgl. Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 56). Zwingende Voraussetzung für die Durchführung eines BEM ist das Einverständnis des Betroffenen (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 51, BAGE 123, 234; Fabricius in Schlegel/Voelzke SGB IX § 84 Rn. 22; Trenk-Hinterberger in Lachwitz/Schellhorn/Welti HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 53). Ohne die ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen darf keine Stelle unterrichtet oder eingeschaltet werden (Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 9).

25

ee) Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines BEM kein Nachteil entstehen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deshalb entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, erneuten Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vorzubeugen und ihm den Arbeitsplatz zu erhalten (Senat 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 36, NZA 2011, 39).

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Pitsch    

                 

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tatbestand

1

In der Zeit ab April 2006 schrieb der Beteiligte unter Bezugnahme auf § 84 Abs. 2 SGB IX Beschäftigte seiner Dienststelle an, die innerhalb des zurückliegenden Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank gewesen waren. Er unterrichtete sie über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements und bat darum, auf der beiliegenden Kopie des Schreibens zu erklären, ob sie mit der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements einverstanden seien. Mit Schreiben vom 25. April 2006 rügte der Antragsteller seine unterbliebene Beteiligung und bat um Übergabe einer Liste aller angeschriebenen Beschäftigten. Dem trat der Beteiligte im Schreiben vom 8. Mai 2006 im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, vor Zustimmung des betroffenen Beschäftigten sei für eine Einschaltung der Personalvertretung kein Raum. Mit Schreiben vom 17. Januar 2007 übersandte der Beteiligte dem Antragsteller eine Übersicht, welche die Namen der Beschäftigten mit krankheitsbedingten Fehlzeiten von über sechs Wochen sowie den Zeitraum der Erkrankung und die Anzahl der Krankheitstage enthielt. Mit Schreiben vom 16. März 2007 übersandte der Beteiligte dem Antragsteller eine Liste mit den Namen derjenigen Beschäftigten, welche der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zugestimmt hatten.

2

Das vom Antragsteller angerufene Verwaltungsgericht hat festgestellt, 1. dass der Beteiligte dadurch das Beteiligungsrecht des Antragstellers gemäß § 84 Abs. 2, § 93 SGB IX verletzt hat, dass er Beschäftigte aufgefordert hat mitzuteilen, ob sie einem betrieblichen Eingliederungsmanagement zustimmen würden, ohne dass der Antragsteller vorher beteiligt worden ist, und 2. dass der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller unverzüglich mitzuteilen, ohne vorherige Zustimmung des jeweils Betroffenen, welche Beschäftigten der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, und das Anschreiben an die Betroffenen und ggf. deren Antwort zur Kenntnis zu geben.

3

Der Beteiligte hat gegen die Feststellung zu 1 sowie gegen die Feststellung zu 2 hinsichtlich des Anschreibens an die Betroffenen und deren Antwort Beschwerde eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat den erstinstanzlichen Beschluss geändert und den Feststellungsantrag zu 2 insoweit zurückgewiesen, als der Antragsteller die Feststellung der Verpflichtung des Beteiligten begehrt, dem Antragsteller ohne vorherige Zustimmung des Betroffenen eine Kopie des Anschreibens an die Betroffenen und ggf. deren Antwort zur Kenntnis zu geben. Im Übrigen hat es die Beschwerde des Beteiligten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Antragsteller könne nur beanspruchen, dass ihm der anonymisierte Mustertext des Schreibens an die Betroffenen zur Kenntnis gegeben werde. Nicht beanspruchen könne er dagegen, die jeweiligen individuellen Schreiben, aus denen Namen und Anschrift der Betroffenen hervorgingen, sowie die Antwortschreiben zur Kenntnis zu erhalten. Dem stehe das Geheimhaltungsinteresse der Beschäftigten entgegen, die sich zur Beteiligung der Personalvertretung am betrieblichen Eingliederungsmanagement noch nicht geäußert hätten. Nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit sei dem Beteiligten zuzutrauen, die Antwortschreiben zutreffend in "zugestimmt" und "nicht zugestimmt" unterscheiden zu können. Dem Betroffenen bleibe es unbenommen, ein etwaiges Missverständnis beim Beteiligten aufzuklären oder beim Antragsteller um Beteiligung in seinem Fall nachzusuchen, falls bei ihm entgegen seinem Wunsch kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werde. Durch diese Einschränkung werde die Arbeit der Personalvertretung nicht unzumutbar erschwert. Es handele sich vielmehr um das Ergebnis der zu einem Ausgleich zu bringenden gegenläufigen Interessen der Beschäftigten, die einem betrieblichen Eingliederungsmanagement unter Beteiligung der Personalvertretung nicht zugestimmt hätten, einerseits und den Interessen der Personalvertretung an der Überwachung der Maßnahmen andererseits.

4

Soweit das Oberverwaltungsgericht den Feststellungsantrag zu 2 zurückgewiesen hat, hat der Senat die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zugelassen. Dieser trägt vor: Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX habe der Personalrat die Aufgabe, die Einhaltung der Verpflichtungen des Arbeitgebers zum betrieblichen Eingliederungsmanagement zu überwachen. Dazu gehöre die Verpflichtung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, die Betroffenen auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Die Erfüllung dieser Verpflichtung könne der Personalrat nicht überwachen, wenn er die entsprechenden Schreiben der Dienststelle nicht in Kopie erhalte. Das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten werde mit Rücksicht auf die Beteiligungsrechte der Personalvertretung eingeschränkt. So erhalte der Personalrat z.B. in jedem Einstellungs-, Eingruppierungs- oder Kündigungsfall die erforderlichen Informationen ohne Einverständnis des Betroffenen. Auch im vorliegenden Fall sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Die begehrte Unterrichtung sei geeignet, erforderlich und angemessen, damit der Personalrat seiner Überwachungspflicht nachkommen könne.

5

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern, soweit der Beschwerde des Beteiligten stattgegeben wurde, und auch diesen Teil der Beschwerde des Beteiligten zurückzuweisen.

6

Der Beteiligte beantragt, die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

7

Er verteidigt ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses den angefochtenen Beschluss.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nur teilweise begründet. Soweit es um das Anschreiben des Beteiligten an die betroffenen Beschäftigten geht, beruht der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts auf der unrichtigen Anwendung von Rechtsnormen (§ 91 Abs. 2 BlnPersVG vom 14. Juli 1994, GVBl S. 337, zuletzt geändert durch Art. III des Gesetzes vom 25. Januar 2010, GVBl S. 22, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). In diesem Umfang ist er daher zu ändern; da der Sachverhalt geklärt ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist die Beschwerde des Beteiligten gegen den erstinstanzlichen Beschluss hinsichtlich des Anschreibens zurückzuweisen. Im Übrigen ist der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts zu bestätigen. Ohne Zustimmung des jeweils Betroffenen ist dem Antragsteller zwar das Anschreiben des Beteiligten an den Betroffenen, nicht aber dessen Antwortschreiben zur Kenntnis zu geben.

9

1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, dass ihm das Anschreiben an die Betroffenen und deren Antwort ohne deren vorherige Zustimmung zur Kenntnis gegeben werden. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht der Beschwerde des Beteiligten stattgegeben und das Feststellungsbegehren abgelehnt. Nur darauf erstreckt sich die vom Senat zugelassene Rechtsbeschwerde.

10

Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass der Beteiligte mit der Einleitung des betrieblichen Eingliederungsmanagements das Beteiligungsrecht des Antragstellers verletzt hat und dass der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller ohne vorherige Zustimmung des jeweils Betroffenen mitzuteilen, welche Beschäftigten innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, sie diese Feststellungen rechtskräftig geworden und deshalb einer Überprüfung durch den Senat entzogen.

11

2. Rechtsgrundlage für das streitige Begehren ist § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BlnPersVG i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX.

12

a) Der Geltungsbereich des Berliner Personalvertretungsgesetzes ist eröffnet. Er erstreckt sich gemäß § 1 Abs. 1 BlnPersVG auf die landesunmittelbaren Anstalten des öffentlichen Rechts des Landes Berlin. Um eine derartige Anstalt handelt es sich bei den Berliner Bäder-Betrieben (§ 28 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der Allgemeinen Berliner Verwaltung i.d.F. der Bekanntmachung vom 22. Juli 1996, GVBl S. 302, zuletzt geändert durch Art. II des Gesetzes vom 25. Januar 2010, GVBl S. 22, i.V.m. § 1 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Anstalt öffentlichen Rechts Berliner Bäder-Betriebe vom 25. September 1995, GVBl S. 617, zuletzt geändert durch Art. I des Gesetzes vom 10. Mai 2007, GVBl S. 195).

13

b) Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BlnPersVG ist die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten; ihr sind sämtliche zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Pflicht des Dienststellenleiters zur Vorlage von Unterlagen ist somit Bestandteil seiner Informationspflicht gegenüber der Personalvertretung. Sie besteht nur in dem Umfang, in welchem die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben die Kenntnis der Unterlagen benötigt (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 5.01 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 17 S. 1 = PersR 2002, 201 und vom 16. Februar 2010 - BVerwG 6 P 5.09 - juris Rn. 9). Als Aufgabe, aus welchen der geltend gemachte Anspruch des Personalrats auf Vorlage der Schreiben herzuleiten ist, kommen hier dessen Befugnis aus § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX in Betracht.

14

Nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX wachen u.a. die zuständigen Interessenvertretungen im Sinne des § 93 SGB IX, also auch der Personalrat, darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach § 84 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Diese Verpflichtungen bestehen für alle Arbeitnehmer, nicht etwa nur mit Blick auf behinderte Menschen (vgl. BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - BAGE 123, 234 Rn. 35). Dem Arbeitgeber obliegt nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX die Verpflichtung, den Beschäftigten, der innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war, oder dessen gesetzlichen Vertreter auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Stimmt der Betroffene oder sein gesetzlicher Vertreter der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zu, ist der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen und Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit es für die Überwachung, ob der Arbeitgeber diese Verpflichtungen erfüllt, erforderlich ist, hat der Personalrat einen Informationsanspruch nach § 73 Abs. 1 BlnPersVG.

15

c) Rechtssystematische Bedenken, den Auskunftsanspruch des Personalrats nach § 73 Abs. 1 BlnPersVG auf die Aufgaben der Personalvertretung nach § 84 Abs. 2 SGB IX anzuwenden, bestehen nicht. Insbesondere kann § 84 Abs. 2 SBG IX nicht als Spezialregelung verstanden werden, die im Aufgabenbereich des betrieblichen Eingliederungsmanagements die Bestimmungen zum Auskunftsanspruch des Personalrats nach den einschlägigen Personalvertretungsgesetzen verdrängt (so aber VG Hamburg, Beschluss vom 10. November 2006 - 23 FB 17/06 - juris Rn. 19; Schulz, PersV 2008, 244 <247>; Koch, PersV 2008, 256 <257>).

16

§ 84 Abs. 2 Satz 1 und 6 SGB IX spricht die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93 SGB IX an. § 93 SGB IX nennt an erster Stelle Betriebsrat und Personalrat. Diesen werden in § 84 Abs. 2 SGB IX spezielle Aufgaben zugewiesen. Sie nehmen am Klärungsprozess des Arbeitgebers teil, wie bei Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Sie haben ein entsprechendes Initiativrecht, falls der Arbeitgeber untätig bleibt (§ 84 Abs. 2 Satz 6 SGB IX). Schließlich haben sie darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber seine gesetzlichen Verpflichtungen im Bereich des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllt (§ 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX). Regelungen zum Auskunftsanspruch der Interessenvertretungen hat der Gesetzgeber in § 84 Abs. 2 SGB IX nicht getroffen. Er brauchte dies auch nicht, weil er in dieser Hinsicht die Anwendung der speziellen Regelwerke zu den Interessenvertretungen vorausgesetzt hat.

17

§ 84 Abs. 2 SGB IX enthält - ebenso wie andere Vorschriften des SGB IX (vgl. z.B. § 93 SGB IX sowie die dort zitierten Bestimmungen) - punktuelle Regelungen zu Aufgaben der Interessenvertretungen. Soweit diese keine abschließende Aussage treffen, sind ergänzend die Regelwerke für die Interessenvertretungen heranzuziehen. Es sind dies das Betriebsverfassungsgesetz für die Betriebsräte in der Privatwirtschaft, das Bundespersonalvertretungsgesetz für die Personalräte in der Bundesverwaltung sowie die Länderpersonalvertretungsgesetze für die Personalräte in den Verwaltungen ihres Geltungsbereichs. Der aufgabenbezogene Auskunftsanspruch des Personalrats gehört zum Standardprogramm der Personalvertretungsgesetze in Bund und Ländern (vgl. § 68 Abs. 2 BPersVG). Er wird in § 84 Abs. 2 SGB IX als gegeben vorausgesetzt. Diese Aussage gilt unabhängig davon, ob die Rahmenvorschriften im zweiten Teil des Bundespersonalvertretungsgesetzes ihre Rechtswirksamkeit verloren haben oder demnächst verlieren werden (vgl. Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG).

18

d) § 73 Abs. 1 BlnPersVG i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX scheidet auch nicht deshalb als Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers aus, weil der Bundesgesetzgeber aus Gründen der verfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen gehindert gewesen wäre, den nach den Personalvertretungsgesetzen der Länder gebildeten Personalvertretungen Aufgaben zuzuweisen (a.A. VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 34 K 3001/08.PVL - juris Rn. 20).

19

aa) Diese Problematik entfällt freilich nicht bereits wegen § 96 BlnPersVG. Durch diese Vorschrift wird § 84 Abs. 2 SGB IX nicht in Berliner Landesrecht transformiert.

20

aaa) Nach § 96 BlnPersVG gelten, soweit in anderen Gesetzen für die in § 1 Abs. 1 BlnPersVG genannten Bereiche den Betriebsräten Aufgaben oder Befugnisse übertragen sind, diese als Aufgaben und Befugnisse der nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz zu bildenden Personalvertretungen. Nach ihrem Wortlaut ist die Vorschrift hier nicht einschlägig. Durch § 84 Abs. 2, § 93 SGB IX werden den Betriebsräten keine Aufgaben und Befugnisse für die Verwaltungen des Landes Berlin und die anderen in § 1 Abs. 1 BlnPersVG genannten Bereiche übertragen, in denen Personalvertretungen gebildet werden. Soweit § 84 Abs. 2, § 93 SGB IX die Betriebsräte ansprechen, sind damit ausschließlich die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft nach dem Betriebsverfassungsgesetz gemeint.

21

bbb) Die Entstehungsgeschichte des § 96 BlnPersVG spricht für eine restriktive Auslegung.

22

Eine § 96 BlnPersVG vergleichbare Vorschrift war bereits § 80 BlnPersVG vom 21. März 1957, GVBl S. 296. Danach galten Vorschriften in anderen Gesetzen, die den Betriebsräten Befugnisse oder Pflichten übertrugen, entsprechend für die nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz zu errichtenden Personalvertretungen; dies galt nicht für Vorschriften, welche die Betriebsverfassung oder die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten regelten. Die damaligen Gesetzesmaterialien enthalten zu dieser Vorschrift keine Begründung (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 2/756 S. 14 f.).

23

An die Stelle dieser Vorschrift trat später § 81 BlnPersVG vom 22. Juli 1968, GVBl S. 1004, dessen Wortlaut mit demjenigen des heutigen § 96 BlnPersVG identisch war. In der Gesetzesbegründung hieß es: " § 81 entspricht dem § 80 PersVG, ist aber lediglich etwas klarer gefasst. Die vor dem Inkrafttreten des Personalvertretungsgesetzes bestehenden Gesetze stellen auf bestimmte Aufgaben und Funktionen der 'Betriebsräte' ab (vgl. z.B. § 2 des Kündigungsschutzgesetzes). Für die in § 1 Abs. 1 genannten Bereiche gelten diese nunmehr als Aufgaben und Befugnisse der Personalvertretungen" (Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 5/388 S. 14).

24

Welche Bedeutung die in Rede stehende Übergangsvorschrift hat, lässt sich anhand des in den Gesetzesmaterialien zitierten Beispielfalles illustrieren. Bei Inkrafttreten des Berliner Personalvertretungsgesetzes vom 22. Juli 1968 galt das Kündigungsschutzgesetz vom 10. August 1951 (KSchG 1951), BGBl I S. 499, in der Fassung von Art. VIII des Änderungsgesetzes vom 7. Dezember 1959, BGBl I S. 705. § 2 KSchG 1951 regelte Aufgaben und Befugnisse des Betriebsrates im Falle der Kündigung eines Arbeitnehmers. Der Geltungsbereich dieser Vorschrift erstreckte sich auf "Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts" (§ 21 Abs. 1 Satz 1 KSchG 1951). Aus § 81 BlnPersVG 1968 ergab sich somit, dass die Aufgaben und Befugnisse nach § 2 KSchG 1951 im Bereich der Berliner Verwaltung von den Personalräten wahrzunehmen waren. Allgemein gesprochen sollen diese zuständig sein, soweit Gesetze, die vor Inkrafttreten der Personalvertretungsgesetze erlassen wurden und noch in der Terminologie des Betriebsrätegesetzes von 1920 und des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 vom 10. April 1946 befangen waren (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 2/756 S. 10), den Betriebsräten für den Bereich der Berliner Verwaltung Kompetenzen zuwiesen. Nur diese Bedeutung hat auch § 96 BlnPersVG.

25

ccc) Angesichts dessen verbietet es sich, den Anwendungsbereich von § 96 BlnPersVG im Wege teleologischer Extension oder der Analogie auf alle Bundesgesetze zu erstrecken, die Aufgaben für die Personalvertretungen nach den Personalvertretungsgesetzen der Länder begründen. Dies würde den Charakter der Vorschrift als Übergangsbestimmung sprengen.

26

bb) Der Bund hatte die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX auch, soweit dort Aufgaben und Befugnisse für die Personalvertretungen im Bereich der Länder normiert werden.

27

aaa) § 84 Abs. 2 SGB IX hat seine hier anzuwendende Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. April 2004, BGBl I S. 606, erhalten. In diesem Zeitpunkt galt das Grundgesetz in der Fassung, welches es im Zeitraum vom 1. August 2002 bis 31. August 2006 hatte (GG a.F.). Der Bund konnte sich, soweit er in § 84 Abs. 2 SGB IX dem Arbeitgeber materiellrechtliche Verpflichtungen zugunsten kranker bzw. erkrankter Arbeitnehmer auferlegt hat, auf den Kompetenztitel nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG a.F. stützen. Diese Bestimmung begründet eine umfassende Kompetenz für die Regelung der Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und erstreckt sich sowohl auf privatrechtliche als auch auf öffentlich-rechtliche Bestimmungen über abhängige Arbeitsverhältnisse (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 2 BvF 1/01 - BVerfGE 106, 62 <132 f.>). Auf das Arbeitsverhältnis tatsächlich einzuwirken - nämlich im Sinne seiner Erhaltung - ist ausdrücklich erklärtes Ziel der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum betrieblichen Eingliederungsmanagement hat ferner rechtliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen aus § 84 Abs. 2 SGB IX nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, so kann dies für ihn im Kündigungsschutzprozess zu Rechtsnachteilen führen (vgl. BAG, Urteile vom 12. Juli 2007 a.a.O. Rn. 44, vom 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - juris Rn. 26 und 29 sowie vom 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - juris Rn. 19 ff.).

28

bbb) Soweit der Bund in § 84 Abs. 2 SGB IX den Personalvertretungen im Bereich der Länder Aufgaben und Befugnisse zugewiesen hat, konnte er sich auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG a.F. stützen. Danach hatte der Bund das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG a.F. Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen. Die bundesrechtliche Regelung musste als Ganzes auf Ausfüllung durch die Landesgesetzgebung hin angelegt sein. Dem Landesgesetzgeber musste in der sachlichen Rechtsgestaltung Raum für eigene Willensentschließung von substantiellem Gehalt bleiben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. März 1979 - 1 BvL 2/77 - BVerfGE 51, 43 <54> und vom 16. Oktober 1984 - 2 BvL 1/83 - BVerfGE 67, 382 <387>).

29

Der zweite Teil des Bundespersonalvertretungsgesetzes regelte in seinen in den Ländern unmittelbar geltenden §§ 107 bis 109 lediglich einige Einzelfragen. Auch die Rahmenvorschriften der §§ 94 bis 106 BPersVG enthielten - etwa in § 98 Abs. 2 und § 102 Abs. 2 BPersVG - einige punktuelle Vollregelungen mit unmittelbarer Wirkung. Insgesamt verblieben dem Landesgesetzgeber jedoch auf dem Gebiet des Personalvertretungsrechts Regelungen von substantiellem Gewicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. März 1979 - 2 BvL 2/77 - a.a.O. und - 2 BvR 1011/78 - BVerfGE 51, 77 <95> sowie vom 16. Oktober 1984 a.a.O. S. 388).

30

Auch in § 84 Abs. 2 SGB IX handelt es sich um eine punktuelle Vollregelung für einen speziellen Regelungsbereich, nämlich denjenigen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zugunsten kranker bzw. erkrankter Beschäftigter. Durch die dort den Personalvertretungen im Bereich der Länder verbindlich übertragenen Aufgaben wurde der Gestaltungsspielraum der Länder nicht substantiell infrage gestellt. Der formale Aspekt, dass die Aufgabenübertragung hier in einem Spezialgesetz außerhalb des zweiten Teils des Bundespersonalvertretungsgesetzes über die Personalvertretungen in den Ländern vorgenommen worden ist, ist in dieser Hinsicht belanglos.

31

ccc) Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 GG a.F. lagen hier ebenfalls vor. Die Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX zur Beteiligung des Personalrats beim betrieblichen Eingliederungsmanagement war zur Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. Die Wahrung der Wirtschaftseinheit liegt im gesamtstaatlichen Interesse, wenn es um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik durch bundeseinheitliche Rechtsetzung geht, wenn also Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich brächten (vgl. BVerfG, Urteile vom 24. Oktober 2002 a.a.O. S. 146 f. und vom 26. Januar 2005 - 2 BvF 1/03 - BVerfGE 112, 226 <248 f.>).

32

Es würde zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn der Schutz kranker Beschäftigter vor drohender Arbeitslosigkeit zur Disposition der Bundesländer gestellt wäre (vgl. auch die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, BTDrucks 15/1783 S. 11). Ein Minimum an Schutzniveau wäre mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden. Das im Sozialstaatsgedanken wurzelnde Konzept des betrieblichen Eingliederungsmanagements wäre zum Scheitern verurteilt. Diese Erwägung erstreckt sich auf die Beteiligung der zuständigen Interessenvertretung, die zur effektiven Durchsetzung des Instruments grundsätzlich unentbehrlich ist. Zur Gewährleistung eines einheitlichen Schutzniveaus ist daher das aktive Engagement der Personalräte im Bereich der Länder in gleicher Weise geboten wie dasjenige der Betriebsräte in den Unternehmen der Privatwirtschaft und der Personalräte im Bereich der Bundesverwaltung.

33

cc) Soweit § 84 Abs. 2 SGB IX die Beteiligung von Personalvertretungen im Bereich der Länder regelt, könnte er wegen Aufhebung des Art. 75 GG a.F. zum 1. September 2006 nicht mehr erlassen werden; er gilt jedoch einstweilen als Bundesrecht fort (Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG n.F.). Zwar kann die Bestimmung im beschriebenen Umfang durch Landesrecht ersetzt werden (Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG n.F.). In Berlin ist solches bisher jedoch nicht geschehen.

34

Zwar hat der Berliner Landesgesetzgeber sein Personalvertretungsgesetz durch das Siebente Änderungsgesetz vom 17. Juli 2008, GVBl S. 206, umfangreich reformiert; zwei Gesetzesänderungen geringeren Umfangs aus letzter Zeit kommen hinzu. Keine dieser Änderungen betrifft jedoch die Beteiligung der Personalräte am betrieblichen Eingliederungsmanagement oder enthält unmittelbare oder mittelbare Aussagen, die im Widerspruch zur Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX stehen.

35

Das Änderungsgesetz vom 17. Juli 2008 betraf in seinem Schwerpunkt die Anpassung des Berliner Personalvertretungsrechts an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum demokratischen Prinzip (vgl. Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37), ferner die Beteiligung der Personalräte bei Beschäftigungen im Rahmen von "Ein-Euro-Jobs" sowie im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik und bei befristeten Einstellungen an Schulen; in weiteren Regelungen wurden geringfügige Änderungen und Aktualisierungen vorgenommen (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 16/1108 S. 1 f., 14 ff.; Drucks. 16/1644). Art. XII Nr. 22 des Dienstrechtsänderungsgesetzes vom 19. März 2009, GVBl S. 70, 112, enthielt lediglich Folgeänderungen und die Berichtigung hinsichtlich einer Behördenbezeichnung (Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 16/2049 S. 100 f., 159; Drucks. 16/2194). Art. III des Änderungsgesetzes vom 25. Januar 2010, GVBl S. 22, betraf lediglich die Anlage zum Berliner Personalvertretungsgesetz, in welcher die Dienststellen aufgezählt sind.

36

Die vorbezeichneten Gesetzesänderungen einschließlich der dazu zitierten Gesetzesmaterialien geben noch nicht einmal eine Absicht des Berliner Landesgesetzgebers zu erkennen, die Bestimmungen im zweiten Teil des Bundespersonalvertretungsgesetzes abzulösen. Selbst wenn dieses konkludent geschehen sein sollte, so wird die hier in Rede stehende Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX davon nicht erfasst. Der Landesgesetzgeber ist nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG n.F. befugt, die Ersetzung des Bundesrechts auf den abgrenzbaren Teilbereich einer Materie zu beschränken, soweit dabei eine unübersichtliche Gemengelage von Bundes- und Landesrecht vermieden wird (vgl. Stettner, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2007, Art. 125a Rn. 9; Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 125a Rn. 6; Seiler, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz, 2009, Art. 125a Rn. 4; Maiwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 11. Aufl. 2008, Art. 125a Rn. 7; zu Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG a.F.: BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - BVerfGE 111, 10 <30>). Demnach darf der Berliner Landesgesetzgeber die Rahmenvorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes ablösen und zugleich die Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX unberührt lassen. Die Beteiligung des Personalrats am betrieblichen Eingliederungsmanagement ist ein Sonderfall, der sich von den Beteiligungstatbeständen des Berliner Personalvertretungsgesetzes klar abgrenzen lässt.

37

3. Mit Blick auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalles ist die Zuleitung aller Anschreiben des Beteiligten an die betroffenen Beschäftigten nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BlnPersVG erforderlich, um die Erfüllung der Aufgaben durch den Arbeitgeber im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX zu überwachen. Gegenstand der Überwachung ist die Bestimmung in § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, wonach die betroffene Person zuvor - also vor Beginn des Klärungsprozesses nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX - auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen ist.

38

a) Dass das Unterrichtungsschreiben des Dienststellenleiters gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nur mit Zustimmung der betroffenen Person dem Personalrat zur Kenntnis gebracht werden kann, ist von Gesetzes oder Verfassungs wegen nicht zwingend vorgegeben.

39

aa) Aus dem Wortlaut der Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ergibt sich eine derartige Aussage nicht. Sie folgt auch nicht aus dem rechtssystematischen Zusammenhang mit § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, wonach der dort beschriebene Klärungsprozess "mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person" stattfindet. Das Hinweisschreiben nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist dem Klärungsprozess nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zeitlich vorgelagert. Die Abhängigkeit des Klärungsprozesses selbst von der Zustimmung des Betroffenen besagt für sich gesehen noch nichts darüber, ob die dem Dienststellenleiter aufgegebene Belehrung über die Ziele und Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements dem Personalrat zugeleitet werden kann.

40

bb) Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schließt die Weiterleitung des Hinweisschreibens ohne Zustimmung des Betroffenen nicht von vornherein aus. Es liegt auf der Hand, dass die vom Gesetzgeber gewünschte Wiedereingliederung des Betroffenen in den Arbeitsprozess nur gelingen kann, wenn der Betroffene dies selbst will und sich aktiv in den Klärungsprozess einbringt. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen ist daher von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dessen Erfolg ist aber nicht schon dann ausgeschlossen, wenn vor dessen Durchführung das in generalisierter Form abgefasste Hinweisschreiben nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ohne Zustimmung des Betroffenen dem Personalrat zu Kontrollzwecken zugeleitet wird.

41

cc) Letzteres verbietet sich nicht stets wegen des Grundrechts des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Das Persönlichkeitsrecht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu bestimmen, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Dieses Recht ist nicht schrankenlos gewährleistet, sondern muss sich Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse gefallen lassen. Diese Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Einzelnen erkennbar ergeben (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <42, 44>).

42

Das Hinweisschreiben des Dienststellenleiters nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX enthält zwingend die Information, dass der angeschriebene Beschäftigte zum Kreis derjenigen zählt, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Die Weitergabe dieses Schreibens an den Personalrat stellt daher einen gewichtigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Doch ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Eingriff im zu entscheidenden Einzelfall durch überwiegende gegenläufige Interessen gerechtfertigt wird. Als solches kommt das Überwachungsrecht nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX in Betracht, das letztlich dazu dient, kranken Beschäftigten den Arbeitsplatz und damit die wirtschaftliche Existenz zu erhalten. Hinzu kommt, dass das Gewicht des Eingriffs aufgrund besonderer Umstände des zu beurteilenden Sachverhalts relativiert sein kann. Für diese Fälle enthält die Regelung zum Informationsrecht des Personalrats in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BlnPersVG eine strikt aufgabengebundene, in ihrer Reichweite durch das Erforderlichkeitsprinzip begrenzte bereichsspezifische Rechtsgrundlage, die dem Gebot der Normenklarheit entspricht (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 5 bzw. S. 204 m.w.N.).

43

b) Der Antragsteller kann hier nur bei Kenntnis von jedem Anschreiben vollständig überprüfen, ob der jeweils betroffene Beschäftigte überhaupt und ob er nach Maßgabe von § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ordnungsgemäß unterrichtet wurde. Die Mitteilung eines anonymisierten Mustertextes reicht nicht aus. Aus ihm kann der Antragsteller zwar ersehen, ob die gesetzlichen Vorgaben beachtet und die betroffenen Beschäftigten in allgemein verständlicher Form angesprochen werden. Er erlangt jedoch auf diese Weise keine hinreichende Gewissheit darüber, dass alle betroffenen Beschäftigten über das gesetzliche Angebot des betrieblichen Eingliederungsmanagements tatsächlich informiert werden.

44

c) Die Vorlagepflicht des Beteiligten ist von der Darlegung eines besonderen Anlasses, namentlich einer zu besorgenden Rechtsverletzung unabhängig. Nur die Kenntnis von jedem Anschreiben versetzt den Antragsteller in die Lage, etwaigen Verstößen des Beteiligten gegen § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX bereits im Vorfeld effektiv entgegenwirken zu können (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 5.01 - PersR 2002, 201 <202>, insoweit bei Buchholz a.a.O. nicht abgedruckt, vom 24. Februar 2006 - BVerwG 6 P 4.05 - Buchholz 251.91 § 77 SächsPersVG Nr. 1 Rn. 17 und vom 16. Februar 2010 a.a.O. Rn. 23).

45

d) § 73 Abs. 1 Satz 3 BlnPersVG, wonach Personalakten nur mit Einwilligung des Betroffenen vorgelegt werden dürfen, ist hier weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Personalakten sind eine Sammlung von Schriftstücken, die in Bezug zur Person des Beschäftigten von dienstlichem Interesse sind. Sie sollen ein umfassendes, möglichst lückenloses Bild über Herkunft, Ausbildung, beruflichen Bildungsgang, sonstige dienstliche relevante Daten (z.B. über Befähigung und Leistungen) sowie über das dienstliche und ggf. außerdienstliche Verhalten des Beschäftigten geben. Das Unterrichtungsschreiben des Beteiligten an den jeweils betroffenen Beschäftigten gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist weit davon entfernt, jenes vollständige Bild über die Persönlichkeit des Beschäftigten zu liefern, welches für Personalakten typisch ist (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 5.01 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 17 S. 4 f. = PersR 2002, 201 <204> und vom 16. Februar 2010 a.a.O. Rn. 25).

46

Die entsprechende Anwendung von § 73 Abs. 1 Satz 3 BlnPersVG auf Schriftstücke, die personenbezogene Angaben über Beschäftigte enthalten, scheidet aus. Würde man in allen diesen Fällen den Informationsanspruch des Personalrats an die Zustimmung des betroffenen Beschäftigten knüpfen, so wäre die Mitbestimmung des Personalrats insbesondere in personellen Angelegenheiten weitgehend entwertet (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 5 bzw. S. 204 m.w.N.).

47

e) Das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Beschäftigten, insbesondere sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches die Auslegung und Anwendung des Erforderlichkeitsmerkmals in § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG im zu entscheidenden Einzelfall steuert, rechtfertigt hier keine abweichende Beurteilung.

48

aa) Soweit es um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit geht, liegt nach den Umständen des vorliegenden Falls ein zusätzlicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat rechtskräftig festgestellt, dass der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller ohne vorherige Zustimmung des jeweils Betroffenen mitzuteilen, welche Beschäftigten der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren. Damit hat es diese in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage im Sinne des Antragstellers beantwortet (vgl. zum Meinungsstand: VG Hamburg, Beschluss vom 10. November 2006 a.a.O.; Seel, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 84 Rn. 83; Klaesberg, PersR 2008, 391 <394>; Schulz, a.a.O. S. 247; Richter/Gamisch, RiA 2009, 241 <245> einerseits; VGH München, Beschluss vom 30. April 2009 - 17 P 08.3389 - juris; VG Aachen, Beschluss vom 25. September 2008 - 16 K 836/08.PVL - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Oktober 2008 a.a.O.; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. 2005, § 84 Rn. 9; Koch, PersV 2008, 256; Baßlsperger, PersV 2010, 129 <131> andererseits).

49

Der Senat ist an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Die Begründung, mit welcher das Verwaltungsgericht die Verpflichtung des Beteiligten zur Mitteilung des von § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erfassten Personenkreises bejaht hat, entfaltet keine präjudizielle Wirkung für den Streitgegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens, in welchem es um die Weitergabe der Anschreiben an die Betroffenen und deren Antworten geht.

50

Doch kann der Senat die tatsächlichen Auswirkungen der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Rahmen der Abwägung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG nicht unberücksichtigt lassen. Diese gehen dahin, dass der Beteiligte, der der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Folge zu leisten hat, dem Antragsteller die Namen der im Sinne von § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX betroffenen Personen mitteilt. Aufgrund dieser Mitteilung ist der Antragsteller bereits davon unterrichtet, welcher Beschäftigte der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich dieses Gesundheitsdatums erfährt der Antragsteller aus dem Hinweisschreiben des Beteiligten nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nichts, was er nicht bereits aufgrund der Mitteilung über den betroffenen Personenkreis weiß.

51

bb) Freilich erfährt der Antragsteller durch die Anschreiben die Privatanschriften der betroffenen Beschäftigten. Ein ins Gewicht fallender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist damit aber nicht verbunden. Zum Einen werden die Adressen dem Antragsteller jedenfalls teilweise bereits aus anderen Zusammenhängen bekannt sein oder lassen sich in der Regel auch ohne Einschaltung des Beteiligten auf einfachem Wege ermitteln. Zum Anderen ist der mit der Wiedergabe der Anschriften verbundene moderate Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt. Insbesondere ist er verhältnismäßig. Wenn der Antragsteller darüber wacht, dass jeder betroffene Beschäftigte ordnungsgemäß über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements unterrichtet wird, so dient dies dem Schutz des Betroffenen vor dem drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes. Die korrekte Belehrung eines jeden Betroffenen ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Angebot des betrieblichen Eingliederungsmanagements vom Beschäftigten positiv aufgegriffen wird und die vom Gesetzgeber intendierte Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess gelingen kann.

52

cc) Der Beteiligte ist gehalten, den Inhalt seines Anschreibens auf diejenigen Gesichtspunkte zu begrenzen, die für eine ordnungsgemäße Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX unumgänglich sind. In dieser Hinsicht genügt eine abstrakte Bezeichnung der Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements, wie sie in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX definiert sind. Die zu den Gerichtsakten gereichten Anschreiben des Beteiligten vom 20. April und 1. Juni 2006 tragen diesen Anforderungen Rechnung. Freilich ist die Information der Beschäftigten noch um die Angaben zur Datenerhebung und -verwendung zu ergänzen. Auch in dieser Hinsicht ist ein genereller Hinweis ausreichend. Die Verpflichtung des Beteiligten, den Inhalt des Anschreibens auf das unumgänglich Notwendige zu beschränken, besteht nicht nur gegenüber dem betroffenen Beschäftigten, sondern auch gegenüber dem Antragsteller. Nur auf diese Weise können der Schutz des Beschäftigten vor einer Weitergabe seiner Daten und die effektive Erfüllung der Personalratsaufgaben zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden. Die Dienststelle ist nicht befugt, in das Anschreiben individuelle, auf die Art der Erkrankung hinweisende Angaben aufzunehmen und sodann unter Hinweis auf den Datenschutz das Kontrollrecht der Personalvertretung auszuschalten.

53

f) Der Beteiligte hat die Anschreiben dem Vorsitzenden des Antragstellers oder einem vom Antragsteller zu bestimmenden Personalratsmitglied zur Kenntnis zu geben. Die Beschränkung von Mitteilungen des Dienststellenleiters an den Personalrat auf einzelne Personalratsmitglieder ist ein in der Verwaltungsrechtsprechung anerkanntes Mittel, um dem Schutz besonders sensibler personenbezogener Daten der Beschäftigten Rechnung zu tragen (vgl. Beschlüsse vom 22. April 1998 - BVerwG 6 P 4.97 - Buchholz 251.91 § 73 SächsPersVG Nr. 1 S. 5, vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 6 bzw. S. 205 und vom 16. Februar 2010 a.a.O. Rn. 1). Es liegt nahe, darauf zurückzugreifen, wenn es wie im vorliegenden Fall um Gesundheitsdaten geht.

54

4. Dagegen kann der Antragsteller nicht verlangen, dass der Beteiligte ihm die Antwortschreiben der Beschäftigten ohne deren Zustimmung zur Kenntnis bringt. Er benötigt nicht die Kenntnis aller Antwortschreiben, um sein Überwachungsrecht nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX wahrnehmen zu können. Gegenstand der Überwachung ist hier die Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Danach klärt der Arbeitgeber bei Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die Kenntnis aller Antwortschreiben ist, wie sich aus der Abwägung der betroffenen Belange ergibt, zur Wahrung des Beteiligungsrechts der Personalvertretung aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht erforderlich im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG. Auch ohne Kenntnis aller Antwortschreiben erlangt der Antragsteller hinreichende Gewissheit darüber, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement unter seiner Beteiligung in allen Fällen stattfindet, in denen der betroffene Beschäftigte dazu seine Zustimmung erteilt hat.

55

a) Als Reaktion auf das Hinweisschreiben des Dienststellenleiters nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ergeben sich mit Blick auf die Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Ergebnis drei mögliche Antwortalternativen des Beschäftigten. Dieser kann erklären, dass er mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht einverstanden ist. Er kann erklären, dass er mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements unter Beteiligung der Personalvertretung einverstanden ist. Schließlich kann er erklären, dass er der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements durch die Dienststelle zustimmt, die Beteiligung des Personalrats daran aber ablehnt. Von einem derartigen modifizierten Zustimmungsrecht des betroffenen Beschäftigten ist das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen (ebenso VGH München a.a.O. Rn. 26).

56

aa) Der Wortlaut der Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geht allerdings eher in die entgegengesetzte Richtung. Er kann ohne Weiteres in der Weise gelesen werden, dass sich die "Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person" auf den Klärungsprozess bezieht, den "der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung" vornimmt. Bei diesem sprachlichen Verständnis kann der im Wege der Kooperation von Arbeitgeber und Interessenvertretung durchzuführende Klärungsprozess vom Beschäftigten nur als solcher angenommen oder abgelehnt werden. Freilich ist der Wortlaut der Vorschrift für ein abweichendes Verständnis offen, sofern die übrigen Auslegungsmethoden oder verfassungsrechtliche Erwägungen dies gebieten.

57

bb) Auch die Rechtssystematik spricht eher dafür, dass die Beteiligung der Personalvertretung am betrieblichen Eingliederungsmanagement unverzichtbar ist.

58

Wie bereits oben erörtert, sind die in § 84 Abs. 2 SGB IX angesprochenen Aufgaben der zuständigen Interessenvertretungen eingebettet in die speziellen Regelwerke für diese Interessenvertretungen. Es ist anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber bei der Verabschiedung der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX vor allem die Bestimmungen im Bundespersonalvertretungsgesetz über die Personalvertretungen im Bundesdienst im Auge hatte. Aus ihnen ergibt sich, dass die Beteiligung des Personalrats grundsätzlich nicht von der Zustimmung des jeweils betroffenen Beschäftigten abhängig ist. Ausnahmen bestehen nur in einzelnen, ausdrücklich geregelten Angelegenheiten: Gewährung von Zuwendungen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BPersVG), Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9, Satz 2 BPersVG), Personalangelegenheiten des Dienststellenleiters und vergleichbarer Personen, der Beamten auf Zeit sowie der Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG) sowie Erhebung der Disziplinarklage, Entlassung von Beamten auf Probe oder auf Widerruf und vorzeitige Versetzung in den Ruhestand (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 bis 5, Abs. 2 Satz 2 BPersVG). Dagegen ist die Beteiligung des Personalrats selbst in solchen Angelegenheiten nicht zustimmungsbedürftig, in denen ausschließlich einzelne Beschäftigte betroffen sind, z.B. bei Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit und Rückgruppierung (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG), bei Versagung oder Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung (§ 75 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG) oder bei Kündigung (§ 79 BPersVG). Der Beschäftigte kann zwar den Auskunftsanspruch des Personalrats für Personalakten und dienstliche Beurteilungen begrenzen (§ 68 Abs. 2 Satz 3 und 4 BPersVG), nicht aber das Beteiligungsrecht selbst. Der Gesetzgeber will von vornherein ausschließen, dass der Beschäftigte unter Druck gesetzt wird, auf die Beteiligung der Personalvertretung zu verzichten. Diese ist zudem auch bei personellen Einzelmaßnahmen geeignet, auf eine gleichmäßige Behandlung der Beschäftigten hinzuwirken.

59

cc) Im Gegensatz dazu enthält die Entstehungsgeschichte der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die Einschaltung der zuständigen Interessenvertretung beim betrieblichen Eingliederungsmanagement von der Zustimmung des betroffenen Beschäftigten abhängig machen wollte.

60

Die Begründung zum Gesetzentwurf der damaligen Koalitionsfraktionen äußert sich nicht zu der hier in Rede stehenden Frage (vgl. BTDrucks 15/1783 S. 16). Der Bundesrat hat indes in seiner Stellungnahme die Befürchtung geäußert, dass der Arbeitgeber die Interessenvertretung ohne Einverständnis des Betroffenen einschaltet (BTDrucks 15/2318 S. 16). In ihrer Gegenäußerung hat die Bundesregierung erwidert, der Arbeitgeber könne die Interessenvertretung nach dem ausdrücklichen Wortlaut der vorgesehenen Regelung nur mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person einschalten (BTDrucks 15/2318 S. 22 zu Nr. 15). Der Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherung ist in seiner Beschlussempfehlung auf die Meinungsäußerung der Bundesregierung nicht zurückgekommen, hat ihr aber auch nicht widersprochen (BTDrucks 15/2357 S. 9 f. und S. 24 jeweils zu Nr. 20).

61

dd) Sinn und Zweck der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX gebieten es, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung der Interessenvertretung möglich sein muss.

62

Durch die dem Arbeitgeber von § 84 Abs. 2 SGB IX auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung der Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen (vgl. BTDrucks 15/1783 S. 16; 15/2318 S. 22 zu Nr. 15; BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 a.a.O. Rn. 40; Baßlsperger, a.a.O. S. 129; Seel, a.a.O. § 84 Rn. 61).

63

Die aktive Beteiligung der zuständigen Interessenvertretung ist ein nützliches Element des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Sie ist geeignet, das nötige Vertrauen beim Beschäftigten zu wecken, ohne dessen Eigeninitiative das Konzept zum Scheitern verurteilt ist. Sie kann wesentlich dazu beitragen, dass die Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit genutzt werden (vgl. Richter/Gamisch, a.a.O. S. 244).

64

Es ist gleichwohl immer denkbar, dass einzelne Beschäftigte - aus welchen Gründen auch immer - kein Vertrauen zum Personalrat haben. Ist die Zustimmung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement stets mit der Beteiligung des Personalrats verbunden, so führt dies bei einem derartigen Beschäftigten zu folgender Entscheidungsalternative: Entweder lehnt er die Einschaltung des Personalrats ab; damit verliert er zugleich die Chance auf Wiedereingliederung, welche die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements verspricht. Oder er stimmt diesem Instrument zu; dann muss er die - mit der Unterrichtung über sensible Daten verbundene - Beteiligung des Personalrats hinnehmen, zu welchem er kein Vertrauen hat; das sind keine günstigen Voraussetzungen für den Erfolg des Klärungsprozesses, der ohne die aktive, motivierte Mitwirkung des Betroffenen selbst nicht gelingen kann. Den Beschäftigten einer derartigen Zwangslage auszusetzen, ist unverhältnismäßig und mit Blick auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements kontraproduktiv. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Beschäftigten auch ohne Beteiligung der Personalvertretung bei der Erhaltung seines Arbeitsplatzes im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB IX effektiv geholfen wird. Diese Chance muss gewahrt bleiben. Die dahingehende Auslegung der Vorschrift respektiert das Selbstbestimmungsrecht des Beschäftigten und steht damit im Einklang mit Vorstellungen, welche dem Persönlichkeitsrecht der Verfassung nach Art. 2 Abs. 1 GG zugrunde liegen.

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b) Die Mitteilung sämtlicher Antwortschreiben ist - wie sich aus einer Abwägung der widerstreitenden Belange ergibt - nicht erforderlich im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG.

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Der Antragsteller benötigt weder die Antworten derjenigen Beschäftigten, die das betriebliche Eingliederungsmanagement für sich überhaupt ablehnen, noch die Antworten derjenigen, die das betriebliche Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung der Personalvertretung wünschen. Das Gewicht des Überwachungsrechts des Personalrats nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX ist insoweit äußert gering. In keiner dieser beiden Fallgruppen ist das Beteiligungsrecht des Personalrats nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX gegeben, so dass es insoweit für den Regelfall an der Grundlage für das Überwachungsrecht und das darauf bezogene Informationsrecht nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BlnPersVG fehlt. Dem Überwachungsrecht kommt auch nicht deshalb eine ins Gewicht fallende Bedeutung zu, weil - wie der Antragsteller meint - es bei dem Beteiligten zu Fehlern bei der Zuordnung derjenigen Antworten kommen kann, welche die Zustimmung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement unter Beteiligung der Personalvertretung zum Ausdruck gebracht haben, und dieser durch Übersendung aller Antwortschreiben die Möglichkeit eröffnet wird, solche Mängel aufzudecken.

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Die richtige Zuordnung der drei verschiedenen Antwortvarianten auf Seiten der Dienststelle ist eine einfach zu lösende Aufgabe. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Dienststellenleiter wie hier in den Anlassfällen mit seinem Anschreiben zugleich die Antwortvarianten nach der Ankreuzmethode formularmäßig vorgibt. Nicht völlig auszuschließende Fehler ("Ausreißer") bleiben typischerweise nicht unbemerkt. Beschäftigte, die dem betrieblichen Eingliederungsmanagement unter Beteiligung der Personalvertretung zugestimmt haben, werden sich beim Antragsteller oder beim Beteiligten oder bei beiden in Erinnerung bringen, wenn der Klärungsprozess im Widerspruch zu ihrem Antwortschreiben nicht oder nicht mit Beteiligung des Antragstellers stattfindet. Dieser Gesichtspunkt ist hier im Rahmen der Abwägung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG zu berücksichtigen, auch wenn das Informationsrecht des Antragstellers in seinem Bestand grundsätzlich nicht von Initiativen einzelner Beschäftigter abhängig gemacht werden kann.

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Das verbleibende, nach alledem gering zu veranschlagende "Restrisiko" rechtfertigt es nicht, dem Antragsteller die Antwortschreiben all derjenigen zu überlassen, die dem betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht oder nur ohne seine Beteiligung zugestimmt haben. Den Persönlichkeitsrechten kommt insoweit bedeutend größeres Gewicht zu.

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Werden dem Antragsteller die Antwortschreiben derjenigen Beschäftigten zur Kenntnis gebracht, die der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht zugestimmt haben, so erfährt er ohne Zustimmung der Betroffenen, welche Haltung diese zum gesetzlichen Angebot nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX haben. Es handelt sich um eine Äußerung, welche die Gesundheit der Beschäftigten mit Bezug zu ihrem Arbeitsplatz und zu ihrer beruflichen Existenz betrifft.

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Werden dem Antragsteller die Antwortschreiben derjenigen zur Kenntnis gebracht, die dem betrieblichen Eingliederungsmanagement nur ohne Einschaltung der Personalvertretung zugestimmt haben, so erfährt er, welche Beschäftigten ihm kein hinreichendes Vertrauen entgegenbringen.

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Die Mitteilung der Antwortschreiben in den beiden vorbezeichneten Fallgruppen bringt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von erheblicher Intensität mit sich. So liegt es insbesondere bei den Beschäftigten, die die Beteiligung der Personalvertretung ablehnen. Im Fall der Mitteilung auch dieser Antwortschreiben an den Antragsteller würde dieser davon in Kenntnis gesetzt, dass der jeweilige Beschäftigte ihm (im Zusammenhang mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement) kein Vertrauen entgegenbringt. Die Persönlichkeitsrelevanz dieser Information ist hoch zu gewichten. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nicht verhältnismäßig, weil zu seiner Rechtfertigung nennenswerte Gefahren für gleich- oder höherrangige Rechtsgüter nicht in Rede stehen. Das Risiko, dass gerade die Nichtweiterleitung aller Antwortschreiben der Betroffenen an den Antragsteller zum Arbeitsplatzverlust bei einem einzelnen Beschäftigten führt, ist nach den beschriebenen typischen Geschehensabläufen rein theoretischer Natur. Hinzu kommt, dass in den Fällen der Ablehnung einer Personalratsbeteiligung nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Beschäftigte bei zu erwartender Weiterleitung ihrer Antwort an den Personalrat auf die Teilnahme am betrieblichen Eingliederungsmanagement verzichten und deswegen ihren Arbeitsplatz gefährden. Dies stünde im Widerspruch zu den Zielen, die der Gesetzgeber mit der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX verfolgt.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)