Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 22. Feb. 2011 - 1 Ta 9/11

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2011:0222.1TA9.11.0A
bei uns veröffentlicht am22.02.2011

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.12.2010 - 3 Ca 2202/09 - abgeändert.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers wird auf 18.102,- Euro für Verfahren und Vergleich festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe

1

I. In dem vorliegenden Verfahren begehrt der beschwerdeführende Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung eines höheren Wertes des Gegenstands seiner anwaltlichen Tätigkeit.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.05.1991 zu einer Bruttomonatsvergütung von 4.177,39 Euro beschäftigt. Mit Schreiben vom 28.09.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 31.03.2010. Der Kläger erhob daraufhin Klage mit den Anträgen, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28.09.2009 nicht aufgelöst worden war, sondern über den 31.03.2010 hinaus fortbestand sowie die Beklagte zu verurteilen, ihn weiter zu beschäftigen. Die Parteien beendeten den Rechtsstreit zunächst am 10.11.2009 durch Abschluss eines Vergleiches, in welchem sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2010, Zahlung einer Abfindung von 84.000,- Euro sowie Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses durch die Beklagte vereinbarten. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 29.12.2009 den Wert für das Verfahren auf 18.102,- Euro entsprechend 4 Bruttomonatsgehältern des Klägers und für den Vergleich unter Festsetzung eines Mehrwerts von 1 Bruttomonatsgehalt für das im Vergleich geregelte Zeugnis auf 22.627,50 Euro festgesetzt. Die Beteiligten des Wertfestsetzungsverfahrens haben diesen Beschluss nicht angefochten.

3

Mit Schriftsatz vom 06.08.2010 stellte der Kläger die Anträge, die Nichtigkeit des Vergleichs vom 10.11.2009 und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31.03.2010 hinaus festzustellen und die Beklagte zu seiner Weiterbeschäftigung sowie Abrechnung und Zahlung von Lohn für die Monate April, Mai und Juni 2010 zu verurteilen. Das Arbeitsgericht führte daraufhin das Verfahren unter demselben Aktenzeichen fort. Die Beklagte kündigte an, hilfsweise Widerklage auf Rückzahlung der Abfindung in Höhe von 84.000,- Euro zu erheben.

4

Die Parteien haben den Rechtsstreit am 27.10.2010 erneut durch Abschluss eines Vergleichs beendet. In diesem erklärten sie, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 10.11.2009 sein Ende gefunden habe.

5

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers und nach Anhörung hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert unter Berücksichtigung der Anfechtung des Vergleichs mit Beschluss vom 28.12.2010 auf 4.177,39 Euro entsprechend einem Bruttomonatsgehalt des Klägers festgesetzt.

6

Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.01.2011 bekannt gegebenen Beschluss hat der beschwerdeführende Prozessbevollmächtigte mit einem am 06.01.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er begehrt die Festsetzung eines Gegenstandswertes von mindestens 12.532,17 Euro. Nach seiner Auffassung seien weitere 3 Monatsgehälter für das Verfahren nach der Anfechtung festzusetzen, da der Rechtsstreit durch die Anfechtung erneut die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand gehabt habe. Zusätzlich müsse der Wert der Abfindungssumme berücksichtigt werden, welche bei Durchdringen der Anfechtung zurückzuzahlen gewesen wäre.

7

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass das Verfahren im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits mit drei Bruttomonatsgehältern bewertet worden war. Die Anfechtung selbst sei mit einem Bruttomonatsgehalt angemessen bewertet.

8

II. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde form - und fristgerecht erhoben und ist auch sonst zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt auch den Wert von 200,- Euro.

9

In der Sache hat die Beschwerde auch Erfolg. Der Gegenstandswert für Verfahren und Vergleich war auf 18.102,- Euro festzusetzen.

10

Das Verfahren insgesamt und nicht nur der Prozessabschnitt nach der Anfechtung war auch nach der Anfechtung des Vergleichs entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an den Klageanträgen weiterhin mit 4 Bruttomonatsgehältern zu bewerten. Die Anfechtung des Vergleichs vom 10.11.2009 bedingte eine Fortsetzung des Verfahrens, das folglich als Einheit von seinem Beginn durch Klageerhebung bis zu seinem Abschluss durch den zweiten Vergleich vom 27.10.2010 auch einheitlich zu bewerten war. Der Kläger hat mit der Anfechtung des Vergleichs seine ursprünglichen Klageanträge wieder aufgerufen, so dass auch sein wirtschaftliches Interesse an diesen nach wie vor besteht. Der erst nach der Fortsetzung des Verfahrens gestellte Antrag auf Abrechnung und Zahlung von Gehalt für die Monate April bis Juni 2010 war in seinem Erfolg von dem zuvor gestellten Kündigungsschutzantrag abhängig. Er war deshalb wegen wirtschaftlicher Identität mit dem Kündigungsschutzantrag nicht als werterhöhend zu berücksichtigen (vgl. zuletzt LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 15.12.2009 - 1 Ta 284/09). Die von der Beklagten angekündigte Eventualwiderklage auf Rückzahlung der im Vergleich vom 10.11.2009 vereinbarten Abfindung in Höhe von 84.000,- Euro konnte nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG den Gegenstandswert nicht erhöhen, da über sie nicht entschieden wurde. Es ist demgegenüber nicht ersichtlich, weshalb das Verfahren nach der Anfechtung des Vergleichs an Wert verloren haben sollte.

11

Der Prozesshandlung der Vergleichsanfechtung selbst war kein eigener Wert zuzuerkennen. Das RVG enthält weder einen Gebührentatbestand für die Anfechtung eines Vergleichs, aus dessen Existenz auf einen eigenen Wert dieser Handlung geschlossen werden könnte, noch für in ihrer Wirkung der Anfechtung vergleichbare Rügen wie beispielsweise die Rüge nach § 78 a ArbGG. Im Umkehrschluss kann aus der Tatsache, dass das Rügeverfahren nach § 78 a ArbGG gebührenrechtlich gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 RVG zum Rechtszug gehört, so dass keine gesonderten Gebühren anfallen (vgl. Schwab/Weth, ArbGG, 3. Aufl., § 78 a, Rz. 57) gefolgert werden, dass auch der Anfechtung eines Vergleichs kein eigener, Gebühren auslösender Wert zukommen kann.

12

Der Wert des Verfahrens hat sich somit durch die Anfechtung des Vergleichs und die dadurch bedingte Fortsetzung des Verfahrens nicht verändert (so im Ergebnis auch BGH, Beschl. v. 08.02.2007 - V ZR 160/06; BGH KostRspr. § 3 ZPO, Nr. 119, nach dem dort zitierten Leitsatz; LG Halle, Beschl. v. 16.03.2010 - 11 O 74/07; OLG Bamberg, Beschl. v. 26.05.1998 - 3 U 149/97; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., Anh. § 3 Rn. 128; /Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 3, Rz. 157). Dass der Gegenstandswert des Verfahrens bereits für die Zeit vor der Anfechtung festgesetzt worden ist, hindert eine erneute Festsetzung nicht, da aufgrund der Fortsetzung des Verfahrens ein weiterer Zeitabschnitt mit eigenständigen Anträgen in die Bewertung einzubeziehen ist.

13

Nicht im Rahmen des Wertfestsetzungsverfahrens zu beurteilen und folglich nicht bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen ist, ob der Beschwerdeführer auch erneut - und damit zwei Mal - aus dem vollen Wert des Verfahrens Gebühren abrechnen kann, wenn er bereits nach dem ersten Wertfestsetzungsbeschluss abgerechnet hat. Diese Entscheidung bleibt dem Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten.

14

Der Vergleichswert für den zweiten Vergleich vom 27.10.2010 beträgt ebenfalls 18.102,- Euro entsprechend vier Bruttomonatsgehältern des Klägers. Für diesen Vergleich war kein Mehrwert anzusetzen, da der im ersten Vergleich vom 10.11.2009 geregelte Zeugnisanspruch des Klägers nicht mehr Gegenstand des zweiten Vergleichs zwischen den Parteien war. Der Vergleich vom 27.10.2010 enthält auch sonst keine Vereinbarung, die einen Mehrwert begründen könnte.

15

Da die Beschwerde erfolgreich war, fallen keine Gerichtskosten an.

16

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 33 Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren


(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf An

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 45 Klage und Widerklage, Hilfsanspruch, wechselseitige Rechtsmittel, Aufrechnung


(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 19 Rechtszug; Tätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen


(1) Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist

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Tenor Der Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die im erstinstanzlichen Urteil vorgenommene Festsetzung des Gegenstandswertes für den Rechtsstreit wird nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheid

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(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.

(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.

(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.

(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.

(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.

(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.

(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Vorbereitung der Klage, des Antrags oder der Rechtsverteidigung, soweit kein besonderes gerichtliches oder behördliches Verfahren stattfindet;
1a.
die Einreichung von Schutzschriften und die Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen zum Klageregister für Musterfeststellungsklagen sowie die Rücknahme der Anmeldung;
1b.
die Verkündung des Streits (§ 72 der Zivilprozessordnung);
2.
außergerichtliche Verhandlungen;
3.
Zwischenstreite, die Bestellung von Vertretern durch das in der Hauptsache zuständige Gericht, die Ablehnung von Richtern, Rechtspflegern, Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder Sachverständigen, die Entscheidung über einen Antrag betreffend eine Sicherungsanordnung, die Wertfestsetzung, die Beschleunigungsrüge nach § 155b des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit;
4.
das Verfahren vor dem beauftragten oder ersuchten Richter;
5.
das Verfahren
a)
über die Erinnerung (§ 573 der Zivilprozessordnung),
b)
über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör,
c)
nach Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen,
d)
nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und
e)
nach Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen;
6.
die Berichtigung und Ergänzung der Entscheidung oder ihres Tatbestands;
7.
die Mitwirkung bei der Erbringung der Sicherheitsleistung und das Verfahren wegen deren Rückgabe;
8.
die für die Geltendmachung im Ausland vorgesehene Vervollständigung der Entscheidung und die Bezifferung eines dynamisierten Unterhaltstitels;
9.
die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Einwilligung zur Einlegung der Sprungrevision oder Sprungrechtsbeschwerde, der Antrag auf Entscheidung über die Verpflichtung, die Kosten zu tragen, die nachträgliche Vollstreckbarerklärung eines Urteils auf besonderen Antrag, die Erteilung des Notfrist- und des Rechtskraftzeugnisses;
9a.
die Ausstellung von Bescheinigungen, Bestätigungen oder Formblättern einschließlich deren Berichtigung, Aufhebung oder Widerruf nach
a)
§ 1079 oder § 1110 der Zivilprozessordnung,
b)
§ 39 Absatz 1 und § 48 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes,
c)
§ 57, § 58 oder § 59 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes,
d)
§ 14 des EU-Gewaltschutzverfahrensgesetzes,
e)
§ 71 Absatz 1 des Auslandsunterhaltsgesetzes,
f)
§ 27 des Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetzes und
g)
§ 27 des Internationalen Güterrechtsverfahrensgesetzes;
10.
die Einlegung von Rechtsmitteln bei dem Gericht desselben Rechtszugs in Verfahren, in denen sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 des Vergütungsverzeichnisses richten; die Einlegung des Rechtsmittels durch einen neuen Verteidiger gehört zum Rechtszug des Rechtsmittels;
10a.
Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 des Vergütungsverzeichnisses richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder keine besonderen Gebührentatbestände vorgesehen sind;
11.
die vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung, wenn nicht eine abgesonderte mündliche Verhandlung hierüber stattfindet;
12.
die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung und die Anordnung, dass Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind (§ 93 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), wenn nicht ein besonderer gerichtlicher Termin hierüber stattfindet;
13.
die erstmalige Erteilung der Vollstreckungsklausel, wenn deswegen keine Klage erhoben wird;
14.
die Kostenfestsetzung und die Einforderung der Vergütung;
15.
(weggefallen)
16.
die Zustellung eines Vollstreckungstitels, der Vollstreckungsklausel und der sonstigen in § 750 der Zivilprozessordnung genannten Urkunden und
17.
die Herausgabe der Handakten oder ihre Übersendung an einen anderen Rechtsanwalt.

(2) Zu den in § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 genannten Verfahren gehören ferner insbesondere

1.
gerichtliche Anordnungen nach § 758a der Zivilprozessordnung sowie Beschlüssenach §§ 90 und 91 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
2.
die Erinnerung nach § 766 der Zivilprozessordnung,
3.
die Bestimmung eines Gerichtsvollziehers (§ 827 Absatz 1 und § 854 Absatz 1 der Zivilprozessordnung) oder eines Sequesters (§§ 848 und 855 der Zivilprozessordnung),
4.
die Anzeige der Absicht, die Zwangsvollstreckung gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu betreiben,
5.
die einer Verurteilung vorausgehende Androhung von Ordnungsgeld und
6.
die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Tenor

Der Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die im erstinstanzlichen Urteil vorgenommene Festsetzung des Gegenstandswertes für den Rechtsstreit wird nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe

I.

1

Die Beschwerde ist als solche in eigenem Namen nach § 32 Absatz 2 RVG statthaft. Insbesondere hat - im Gegensatz zu dem Kläger selbst - sein Prozessbevollmächtigter ein Interesse an der Heraufsetzung des Gegenstandswertes des Verfahrens, da dieser Gegenstandswert, der zunächst nur für die Gerichtskosten bestimmt wird, nach § 32 Absatz 1 RVG auch seinen eigenen Gebührenansprüchen zu Grunde zu legen ist und seine Anhebung auch zu einer höheren eigenen Vergütung führt.

II.

2

Die Kammer geht auch nach erneuter Prüfung davon aus, dass sich der Gegenstandswert für das erstinstanzliche Verfahren auch nach Anfechtung des Vergleiches auf 25.000 Euro belief.

3

Dabei ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zuzugeben, dass deutlich umstritten ist, ob in dem Verfahren nach Protokollierung eines Vergleiches und Angriffen gegen dessen Wirksamkeit sich der Streitwert weiterhin ausschließlich an den Anträgen vor Vergleichsschluss orientiert oder der Streitwert modifiziert wird durch das wirtschaftliche Interesse, welches der Anfechtende an innerhalb des Vergleichs vereinbarten Leistungspflichten haben mag.

4

Für den Fall, dass der Vergleich über die mit der Klage geltend gemachten prozessualen Ansprüche hinausgehende Leistungspflichten beinhaltet, nimmt eine starke Meinung in Literatur und Rechtsprechung an, dass für das Verfahren nach Anfechtung des Vergleiches bei der Bestimmung des Streitwertes auch der Wert dieser Interessen zu berücksichtigen sei (OLG Hamm, Beschluss vom 14. Dezember 1979, 23 W 578/79, Rn. 12, wie auch in nachfolgend mit Rn. aufgeführten Entscheidungen zitiert nach Juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 26. Mai 1998, 3 U 149/97, Rn. 2; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. September 2003, 24 U 221/01, Rn. 2; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn. 5737; Wöstmann, in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl., § 3 Rn. 127).

5

Dem gegenüber wird in der Literatur und Rechtsprechung auch vertreten, auch in dem weiteren Verfahren nach Anfechtung eines Vergleiches bemesse sich der Streitwert an dem Wert des ursprünglichen Klagantrages, auch wenn in dem Vergleich zusätzliche Gegenstände geregelt sind (BGH, KostRspr. ZPO § 3 Nr. 119; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juli 2000, 7 Ta 211/00, Rn. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 67. Aufl., Anh. § 3 Rn. 128; Kayser, in: Hk-ZPO, § 3 Stichwort „Vergleich“; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rn. 157; Gehle, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 3 Rn. 234).

6

Die Kammer folgt der zuletzt bezeichneten Auffassung.

7

Dabei verkennt sie nicht, dass das Motiv und wirtschaftliche Interesse dessen, der die Wirksamkeit eines Vergleiches angreift, in dem er zusätzliche Leistungspflichten übernommen hätte, häufig gerade in der Vermeidung dieser zusätzlicher Leistungspflichten liegen mag. Diese zusätzlichen Leistungspflichten mögen gerade dann, wenn womöglich in den Vergleich Beziehungen hineingenommen wurden, die gar nicht Gegenstand des Rechtsstreites - gegebenenfalls sogar Gegenstand ganz anderer Rechtsstreite - waren, für denjenigen, der die Unwirksamkeit des Vergleiches geltend macht, sogar bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Vordergrund seiner Überlegungen stehen. Dennoch kommt es in der Folge eines Vergleichsschlusses, dessen Wirksamkeit angegriffen wird, nicht zu einer Klageänderung dergestalt, dass die bisherigen Anträge etwa auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleiches umgestellt würden. Vielmehr werden die bisherigen Anträge weiter verfolgt (vgl. nur Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl., § 794 Rn. 77; Münzberg, in: Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 794 Rn. 47). Das Geltendmachen der Unwirksamkeit des Vergleiches wird damit sogar vor allem für denjenigen, der sich auf die Annahme dieser Unwirksamkeit stützt, prozessrechtlich lediglich zur Vorfrage des eigentlichen Antrages. Zwar haben es die Parteien in der Hand, diese Frage nach allgemeinen Regeln über einen Zwischenfeststellungsantrag gemäß § 256 Absatz 2 ZPO verbindlich feststellen zu lassen (Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl., § 794 Rn. 77; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Januar 1974, III ZR 2/72, Rn. 16). Ist dies aber nicht der Fall - und werden nach Anfechtung des Vergleiches auch sonst keine zusätzlichen Klag- oder Widerklaganträge gestellt - verbleibt es damit nach der Einordnung der Kammer dabei, dass der Streitwert auch nach Anfechtung des Vergleiches sich nach den ursprünglichen Klaganträgen bemisst. Die Situation unterscheidet sich nicht von jener ohnehin häufig anzutreffenden Konstellation, dass im Rahmen eines Prozesses Vorfragen zu beantworten sind, die auch für andere als die rechtshängig gemachten Ansprüche von Bedeutung sind, ohne dass dies - solange nicht Zwischenfeststellung nach § 256 Absatz 2 ZPO beantragt wird - auf die Höhe des Streitwertes auswirkt.

8

Würde man anderes annehmen, würde dies auch deshalb zu nicht sinnvollen Ergebnissen führen, weil die Unwirksamkeit eines Vergleiches, der zugleich mehrere Rechtsstreite erledigen soll, in allen diesen Rechtsstreiten angegriffen werden kann. Würde dann - in der Konsequenz der Auffassung, welcher die Kammer nicht folgt - der Streitwert jedes dieser Verfahren sich daran orientieren, welche Leistungen nach dem Vergleich geschuldet sind, würde die Summe Streitwerte ein Vielfaches der nach dem Vergleich insgesamt geschuldeten Leistungen erreichen (BGH, KostRspr. ZPO § 3 Nr. 119).

9

Soweit das Oberlandesgericht Hamm in der bereits zitierten Entscheidung vom 14. Dezember 1979 abweichend von der oben dargelegten Einordnung der Kammer davon ausgeht, die Wirksamkeit des Vergleiches werde von demjenigen, welcher ihn anficht, nicht lediglich als eine für die Fortsetzung des Rechtsstreits zu klärende Vorfrage, sondern unmittelbar zur Entscheidung gestellt (OLG Hamm, Beschluss vom 14. Dezember 1979, 23 W 578/79, Rn. 12), zitierte es hierzu mehrere höchstrichterliche Entscheidungen. Diese tragen indes nach der Bewertung der Kammer nicht die vom Oberlandesgericht Hamm vertretene Meinung:

10

In der ersten dieser Entscheidungen bejahte der Bundesgerichtshof ein Feststellungsinteresse für die Feststellung der Wirksamkeit eines Antrages auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Prozessvergleiches innerhalb des Verfahrens, in welchem der Vergleich geschlossen wurde (BGH, Urteil vom 10. Januar 1974, III ZR 2/72, Rn. 15 ff.). Dies bedeutet indes nicht, dass ein solcher Feststellungsantrag prozessual immer als gestellt gilt. Im Gegenteil bezeichnete der Bundesgerichtshof den in dem Verfahren, das er zu entscheiden hatte, gestellten Feststellungsantrag als Zwischenfeststellungsantrag, also als solchen nach § 256 Absatz 2 ZPO, der immer zusätzlich gestellt sein muss.

11

In der zweiten zitierten Entscheidung verneinte der Bundesgerichtshof für den Regelfall das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen als unwirksam erachteten Vergleich mit der Begründung, dass es ihrer nicht wegen der Möglichkeit der Feststellung der Unwirksamkeit innerhalb des Verfahrens bedürfe (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1970, VIII ZR 85/69, Rn. 13). des diesen wurde indes jeweils nur entschieden, dass es an einem Feststellungsbedürfnis für einen separaten Prozess über die Wirksamkeit eines Vergleiches fehle. Dies setzt indes nur die Möglichkeit einer die Unwirksamkeit feststellenden Entscheidung voraus, und hierfür genügt wiederum die Zulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrages.

12

Da keine zusätzlichen Zwischenfeststellungsanträge zur Wirksamkeit der im Vergleich enthaltenen materiellen Regelungen gestellt wurden, war der Gegenstandswert für die Gerichtskosten des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens nach dem ursprünglichen Klagantrag zu bemessen.

13

Da Gebühren für den Vergleich nur hinsichtlich der Vergütung der Rechtsanwälte, nicht aber die Gerichtsgebühren anfallen, und von Amts wegen nur über den Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren zu befinden ist, war über einen abweichenden Gegenstandswert für den Vergleich nicht zu befinden.