Landesarbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 09. Juni 2017 - 7 Sa 231/16

bei uns veröffentlicht am09.06.2017
vorgehend
Arbeitsgericht Bamberg, 4 Ca 718/15, 19.04.2016

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tenor

Urteil:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – vom 19.04.2016 wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,00 € (in Worten: einhundertfünfzigtausend Euro) zu zahlen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeldansprüche.

Die Klägerin begann am 01.10.2008 in der Praxisgemeinschaft Dr. med. U... und Dr. med. G... eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten. Die Ausbildung sollte zum 30.09.2011 beendet sein.

Mit Schreiben vom 05.02.2011 bewarb sich die Klägerin beim Beklagten und teilte mit, dass sie ihre Ausbildung im Juli 2011 abschließen werde. Der Bewerbung war ein Zwischenzeugnis vom 23.12.2010 beigefügt. Darin heißt es u.a.:

Sie erlernte die Labortätigkeit (Urinstatus, Blutzuckerbestimmung, Sterilisieren von chirurgischem Besteck), sehr bald konnte sie selbständig Blutentnahmen und das Anlegen von Infusionen sowie intrakutane und intramuskuläre Injektionen durchführen und zeigte dabei ein umsichtiges und sicheres Verhalten.

Unter dem 06.06.2011 vereinbarten die Parteien, das Berufsausbildungsverhältnis zwischen der Klägerin und Herrn Dr. U... mit allen Rechten und Pflichten nahtlos zum 06.06.2011 zu übernehmen.

Seit August 2006 sieht die TRBA (Technische Regelung für biologische Arbeitsstoffe) 250 verschärfte Sicherheitsanforderungen beim Umgang mit spitzen oder scharfen medizinischen Instrumenten vor. Diese Instrumente sind durch geeignete sichere Arbeitsgeräte zu ersetzen, bei denen keine oder eine geringere Gefahr von Verletzungen besteht. Solche Instrumente sind insbesondere Sicherheitskanülen. Sicherheitskanülen sind mit einer klappbaren Abdeckkappe versehen, mit der die benutzte Nadel unmittelbar nach Gebrauch einhändig gesichert wird.

Die nicht mit einer derartigen Klappe versehenen Nadeln wurden mittels eines sog. Recappinggefäßes gesichert. Bei einem Recappinggefäß handelt es sich um einen kegelförmigen Ständer, der statt einer Spitze eine Öffnung enthält. In die Öffnung wird die Abdeckung für eine Nadel eingelegt. Die benutzte Nadel wird in die Abdeckung abgestreift und ist dann durch diese geschützt.

Beim Beklagten waren Sicherheitskanülen nicht im Gebrauch. Der Beklagte und seine beiden Arzthelferinnen, Frau T... und Frau H..., waren, schon bevor die Klägerin beim Beklagten die Arbeit aufgenommen hatte, übereingekommen, die bisherigen Nadeln und nicht die Sicherheitskanülen zu verwenden.

Das beim Beklagten verwendete Recappinggefäß schloss mit einer Plattform ab, die mit einem ca. 2 mm hohen Rand umgeben war und eine Öffnung enthielt (vgl. Bl. 311 ff d.A.).

Am 24.05.2011 arbeitete die Klägerin erstmals in der Praxis des Beklagten zur Probe. Frau H... begleitete den Beklagten bei der Behandlung der Patienten, Frau T... (jetzt: Frau M...) war am Empfang tätig. Frau T... war zu diesem Zeitpunkt schwanger.

Der Beklagte erteilte im Lauf des Vormittags die Weisung, von einem Patienten, der an Hepatitis C erkrankt war, Blut zu entnehmen. Die Weisung wurde über ein internes Meldesystem über die Computeranlage an Frau T... weitergegeben.

Die Klägerin führte die Blutentnahme durch. Dabei verwendete die Klägerin das Recappinggefäß. Die Klägerin stach sich die Nadel in den Finger. Dadurch infizierte sie sich mit Hepatitis C.

Die Klägerin erhob am 29.12.2014 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Bamberg.

Das Arbeitsgericht wies mit Urteil vom 19.04.2016 die Klage ab.

Das Urteil wurde der Klägerin am 28.04.2016 zugestellt.

Die Klägerin legte am 19.05.2016 gegen das Urteil Berufung ein und begründete sie am 26.07.2016. Die Berufungsbegründungsfrist war bis 28.07.2016 verlängert worden.

Die Klägerin trägt vor, sie habe den Beklagten darüber informiert, dass sie bei ihrem vorherigen Arbeitgeber lediglich Blutabnahmen unter Verwendung von Sicherheitskanülen durchgeführt habe. Sie habe den Beklagten gebeten, ihr Sicherheitskanülen zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte habe dies abgelehnt und verlangt, sie solle die Blutentnahme mit Hilfe des Vakuumsystems durchführen. Sie habe erklärt, sie fühle sich dabei nicht wohl, weil sie noch nie ohne Sicherheitskanülen Blut abgenommen habe. Der einzige Hinweis des Beklagten sei gewesen, dass sie Handschuhe anziehen solle.

Ihr sei per e-mail die Weisung erteilt worden, bei dem mit Hepatitis C infizierten Patienten im Labor Blut abzunehmen.

Die Klägerin führt unter Bezugnahme auf ein im Auftrag der zuständigen Berufsgenossenschaft erstelltes Gutachten des Universitätsklinikums Erlangen vom 25.10.2013 (Bl. 9 ff d.A.) aus, sie leide als Folge der Interferontherapie unter rheumatoider Arthritis. Damit verbunden seien Bewegungseinschränkungen und Schmerzen in mehreren Gelenken. Sie habe Schwindelattacken, Herzrasen und Konzentrationsstörungen als Folge von Durchschlafstörungen. Ferner habe sie jeden Tag Kopfschmerzen. Dadurch hervorgerufen sei eine schwere Traurigkeit bis hin zur Depression.

Die Klägerin trägt vor, sie müsse regelmäßig Pantoprazol 40 mg (jeden zweiten Tag 1x), Methotrexat (MTX) 20 mg (1x pro Woche), Folsan (1x pro Woche), Humira 40 mg (alle 14 Tage), Vitamin D, Palexia (Opiat; täglich) und Novaminsulfon 400 mg (bei Bedarf) einnehmen.

Auf Dauer sei sie nicht in der Lage, partnerschaftlich mit jemandem zusammenzuleben. Einem Kinderwunsch stehe die Einnahme von MTX entgegen. Solange sie dieses Mittel nehme, sei eine Schwangerschaft nicht möglich. Werde es abgesetzt, habe sie fürchterliche Schmerzen in den Gelenken.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 19.04.2016 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld, dessen Höhe  in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von EUR 50.000,-, zu bezahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Der Beklagte beantragt:

I.

Die Berufung wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte macht geltend, ein Haftungstatbestand sei nicht gegeben. Insbesondere liege kein Vorsatz vor. Er trägt vor, er habe die Klägerin nicht angewiesen, bei dem Patienten Blut abzunehmen, er habe lediglich eine allgemeine Anweisung erteilt.

Der Beklagte führt aus, eine Kausalität zwischen dem Unfall und den Gesundheitsbeeinträchtigungen bestehe nicht. Es gebe auch bei Jugendlichen schwere rheumatische Erkrankungen ohne erkennbare Ursache.

Der Klägerin sei ein Mitverschulden anzulasten. Sie habe beim Recapping die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet.

Der von der Klägerin geltend gemacht Betrag sei zu hoch.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gemäß Beweisbeschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 20.12.2016 (Bl. 238 d.A.) ist Frau M… uneidlich als Zeugin vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 286 bis 290 d.A.).

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 b) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 ArbGG.

Die Berufung ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld, §§ 253 Absatz 2, 249, 611, 241 Absatz 2, 282, 280, 823 Absatz 2 BGB iVm Ziffer 4.1.2.8 der TRBA 250, § 104 Absatz 1 SGB VII.

Der Beklagte hat gegen ihm obliegende arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen sowie die zugunsten der Klägerin bestehenden arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften verletzt.

Als Arbeitgeber der Klägerin oblag es ihm, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitsmittel, die er der Klägerin zur Verfügung stellte, den Unfallverhütungsbestimmungen entsprachen. Dies war nicht der Fall. In der Praxis des Beklagten wurden insbesondere nicht die seit 2008 vorgeschriebenen Sicherheitskanülen verwendet. Vielmehr wurden die herkömmlichen Kanülen ohne Sicherheitsklappe benutzt und die gebrauchten Kanülen im Wege des sogenannten Recappings entsorgt.

Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Insbesondere ist unstreitig, dass der Beklagte und seine beiden Arzthelferinnen, bevor die Klägerin die Ausbildung beim Beklagten fortsetzte, übereinkamen, die nicht mehr vorschriftsmäßigen Kanülen sowie die damit verbundene Entsorgung beizubehalten.

Infolge der Pflichtverletzung hat die Klägerin eine Körperverletzung erlitten.

Die Klägerin hat am 24.05.2011 einem Patienten, der mit Hepatitis C infiziert war, mit einer herkömmlichen Kanüle Blut abgenommen und, als sie die benutzte Kanüle im Wege des Recappings entsorgte, sich in den Finger gestochen. Die Verletzung führte dazu, dass die Klägerin an Hepatitis C erkrankte.

Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls selbst sowie die Infizierung mit Hepatitis C sind unstreitig.

Das erkennende Gericht geht auch davon aus, dass sich der Unfall so ereignet hat, wie die Klägerin ihn geschildert hat. Der Beklagte hat dies zwar zunächst mit Nichtwissen bestritten. Ob dies noch aufrechterhalten bleibt, nachdem die Klägerin in der Sitzung am 20.12.2016 an dem vom Beklagten mitgebrachten Recappinggefäß demonstrierte, wie sich der Unfall ereignete, ist unklar. Der Beklagte stützt, worauf noch einzugehen ist, hierauf seinen Einwand des Mitverschuldens der Klägerin. Im Übrigen enthält das vom Beklagten gefertigte Gedächtnisprotokoll vom 24.05.2011 (Bl. 239 d.A.) eine Bestätigung des Sachvortrags der Klägerin. Dort heißt es, bezogen auf den Umstand, dass sich die Klägerin gestochen hatte, „Dies obwohl alle Helferinnen in der Vergangenheit wiederholt auf das Verbot des recapping hingewiesen wurden“.

Die Klägerin hat über die Erkrankung mit Hepatitis C hinaus weitergehende gesundheitliche Beeinträchtigungen, die auf die Infektion zurückzuführen sind.

Infolge der medikamentösen Dualtherapie der Hepatitis C mit einem Interferonprodukt (PEG-Interferon-Alpha-2a) und Ribavirin stellte sich bei der Klägerin eine rheumatoide Arthritis ein, die bis heute anhält.

Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts wurde diese Erkrankung durch die medikamentöse Behandlung der Hepatitis C ausgelöst.

Das erkennende Gericht folgt insoweit dem Sachvortrag der Klägerin. Es ist von der Richtigkeit der Behauptungen der Klägerin insbesondere wegen des Gutachtens des Universitätsklinikums Erlangen vom 25.10.2013 überzeugt, § 286 ZPO.

Das Gutachten wurde zwar nicht im vorliegenden Verfahren in Auftrag gegeben. Es stellt indes auch kein Privatgutachten der Klägerin dar, sondern wurde auf Veranlassung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege eingeholt. Der Beklagte erhebt gegen die Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen insbesondere keine Einwände.

Die Gutachter kommen zum Ergebnis, ein kausaler Zusammenhang zwischen der Hepatitisinfektion und der Interferontherapie und dem Auftreten der rheumatoiden Arthritis sei sehr wahrscheinlich. Dies wird im Einzelnen begründet, wobei einerseits darauf abgestellt wird, dass eine interferonbasierte antivirale Therapie häufig Autoimmunphänomene hervorrufe, und andererseits auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Interferonbehandlung und der Beschwerdesymptomatik hingewiesen wird. Auch bei Annahme einer genetischen Disposition der Klägerin geht das Gutachten davon aus, dass die Interferonbehandlung als wesentlicher Auslöser für die rheumatoide Arthritis anzusehen ist.

Andere Gründe für den Ausbruch der Erkrankung sind nicht ersichtlich. Der Einwand des Beklagten, auch Jugendliche erkrankten an Rheuma, ohne dass hierfür eine Ursache erkennbar sei, ist nicht geeignet, Zweifel an der Kausalität zwischen der Interferonbehandlung und der rheumatoiden Arthritis zu begründen. Zwar trifft es zu, dass auch Kinder und Jugendliche an Rheuma erkranken (juvenile idiopathische Arthritis). Deren Ursache ist unbekannt. Vorliegend besteht hingegen ein konkreter Auslöser für das Auftreten der Erkrankung der Klägerin. So ist, wie bereits ausgeführt wurde, die Interferonbehandlung der Klägerin häufig die Ursache für eine rheumatoide Arthritis.

Eine andere theoretisch bestehende Ursache für die Erkrankung erscheint demnach nach Überzeugung des erkennenden Gerichts ausgeschlossen.

Der Beklagte haftet für den aus diesem Unfall resultierenden (immateriellen) Schaden.

Der Haftung des Beklagten steht § 104 Absatz 1 SGB VII nicht entgegen.

Allerdings liegt ein Versicherungsfall im Sinne der zitierten Vorschrift vor. Bei der Verletzung der Klägerin handelte es sich um einen Arbeitsunfall, §§ 7 Absatz 1, 8 Absatz 1, 2 Absatz 1 Ziffer 2 SGB VII. Der Unfall ereignete sich während der Tätigkeit der Klägerin im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses.

Im Übrigen hat die Berufsgenossenschaft den Unfall der Klägerin als Arbeitsunfall anerkannt mit der Folge, dass das erkennende Gericht an diese Feststellung gebunden ist, § 108 Absatz 1 SGB VII.

Der Beklagte kann sich nicht auf das Haftungsprivileg des § 104 SGB VII berufen.

Soll das Haftungsprivileg nach § 104 SGB VII, der die Bestimmung des § 636 Absatz 1 Satz 1 RVO abgelöst hat, entfallen, erfordert dies einen „doppelten“ Vorsatz. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt.

Danach muss sich der Vorsatz des Handelnden zum einen auf die Verletzungshandlung beziehen. Zum anderen muss der Vorsatz aber auch den Verletzungserfolg umfassen. Es ist zumindest bedingter Vorsatz erforderlich.

Allein der Verstoß gegen zugunsten von Arbeitnehmern bestehende Schutzpflichten indiziert noch keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 104 SGB VII. Es verbietet sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen.

So wird ein Arbeitgeber trotz eines Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften meistens darauf hoffen, es werde kein Unfall eintreten.

Diese Ausführungen sind einer Verallgemeinerung im Sinne eines Erfahrungssatzes auf tatsächlichem Gebiet allerdings nicht zugänglich.

Insbesondere gibt es umgekehrt nicht einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt. Stets kommt es vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Es kann naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht.

Vorsatz enthält ein „Wissens“- und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Die Annahme eines bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Die objektive Erkennbarkeit der Tatumstände reicht nicht aus. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Handelnde darauf vertraut, der Schaden werde nicht eintreten (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 20.06.2013 ‒ 8 AZR 471/12; juris).

Der Beklagte hat gegen die bestehenden Schutzvorschriften vorsätzlich verstoßen.

Dies ergibt sich daraus, dass der Beklagte und seine Mitarbeiterinnen Frau T… und Frau H… sich unstreitig darüber einig waren, die herkömmlichen und nicht die vorgeschriebenen Sicherheitskanülen zu verwenden. Die Verwendung der bisherigen Kanülen war zwangsläufig mit der Entsorgung der benutzten Kanülen über das Recappingsystem verbunden.

Das erkennende Gericht ist aufgrund der gesamten Umstände davon überzeugt, dass der Beklagte hinsichtlich des Schadenseintritts mit bedingtem Vorsatz handelte, § 286 ZPO. Es liegt insbesondere eine Reihe von Umständen vor, die es ausschließen, dass der Beklagte auf einen glücklichen Ausgang vertrauen konnte. Vielmehr hat er es dem Zufall überlassen, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklichte oder nicht.

Der Tag des Unfalls war der erste Arbeitstag beim Beklagten, d.h., die Klägerin musste sich grundsätzlich in eine neue Praxis mit einer neuen Organisation und einer neuen Arbeitsweise eingewöhnen und sich dort zurechtfinden. So wurde in der Praxis des Beklagten Blut mittels eines Vakuumblutabnahmesystems entnommen, bei Dr. U… wurde ein anderes Entnahmesystem verwendet. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin, das der Beklagte letztlich nicht bestreitet. Vielmehr hat er ausgeführt, die Klägerin sei von Frau T… in das bei ihm angewendete Blutabnahmesystem eingewiesen worden.

Die Klägerin befand sich noch in der Ausbildung, auch wenn diese sich bereits dem Ende näherte. So hatte sie, wie sich aus dem Zeugnis des Dr. U… ergibt, zwar auch bereits Blutentnahmen durchgeführt. Dies geschah indes mit einem anderen Blutentnahmesystem als dem in der Praxis des Beklagten.

Erschwerend kam hinzu, dass der Klägerin insbesondere keine Sicherheitskanülen zur Verfügung gestellt wurden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Sicherheitskanülen verlangte. Diese hatten, da sie durch die TRBA 250 vorgeschrieben waren, auch ohne ein entsprechendes Verlangen der Klägerin bereit zu sein.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme waren zwar Sicherheitskanülen vorhanden. Diese befanden sich indes, wie die Zeugin M… aussagte, nicht griffbereit, sondern waren in einer Schublade verstaut, die, wie die Zeugin ausführte, eine Art kleines Lager beinhaltete. In einer anderen Schublade waren die Utensilien untergebracht, die im täglichen Betrieb verwendet wurden.

Die Klägerin wurde weder vom Beklagten noch von Frau T…, der der Beklagte die Klägerin anvertraut hatte, darauf hingewiesen, dass Sicherheitskanülen vorrätig waren. Insbesondere ist dies vom Beklagten nicht geltend gemacht worden. Angesichts des Umstandes, dass die ohne die Klägerin gefasste Entscheidung, entgegen der geänderten Schutzvorschriften die bisherigen Kanülen weiter zu benutzen, der Klägerin nicht bekannt war, wäre es zwingend notwendig gewesen, der Klägerin durch aktives Tätigwerden die Möglichkeit zu geben, auf die (vorhandenen) Sicherheitskanülen zuzugreifen.

Der Beklagte kann nicht damit gehört werden, es werde bestritten, dass die Klägerin, wie sie vorträgt, bei Herrn Dr. U… nur mit den Sicherheitskanülen gearbeitet habe.

Es ist bereits nicht erkennbar, welche rechtliche Relevanz dies vorliegend haben soll. Auch wenn dies der Fall gewesen sein sollte, entband dies den Beklagten nicht von seiner Verpflichtung, der Klägerin Sicherheitskanülen zur Verfügung zu stellen. Allenfalls hätte, sollte die Klägerin bereits bei Herrn Dr. U… die herkömmlichen Nadeln verwendet haben, dies dazu geführt, dass der Beklagte darauf hätte vertrauen dürfen, sie könne die Blutentnahme auch mit den nicht mehr zugelassenen Kanülen sicher durchführen. Die Verwendung von Sicherheitskanülen war bereits seit geraumer Zeit verpflichtend. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie normalerweise in einer Arztpraxis verwendet wurden und werden. Der Beklagte hat sich insoweit bei der Klägerin indes nicht versichert. So macht er selbst nicht geltend, er habe die Klägerin hierzu befragt und die entsprechende Auskunft erhalten.

Dem Beklagten war daher zwangsläufig bekannt, dass die Klägerin bei der angewiesenen Blutabnahme Kanülen ohne Sicherheitsklappe verwendete. Dies entsprach der Handhabung beim Beklagten.

Der Umstand, der bei der Frage des Maßes des Verschuldens am schwersten wiegt, ist indes die Tatsache, dass die Klägerin unter diesen Umständen bei einem Patienten Blut abnehmen musste, der bekanntermaßen an Hepatitis C litt.

Zwar hat der Beklagte der Klägerin nicht persönlich die Anweisung erteilt, dem Patienten Blut zu entnehmen. Vielmehr erfolgte die Anweisung, wie üblich, über das interne System per Computer. Es kam allerdings nur die Klägerin als diejenige in Betracht, die dem Patienten Blut entnahm.

Frau T… schied hierfür aus. Sie war schwanger und durfte deshalb nicht nur selbst kein Blut abnehmen, sondern sich während der Blutentnahme nicht einmal im Labor aufhalten. Damit fiel sie auch als Betreuungsperson für die Klägerin aus, konnte ihr also nicht helfend zur Seite stehen. Vielmehr war die Klägerin bei der Blutabnahme auf sich allein gestellt.

Frau H… kam nicht in Frage, weil sie mit dem Beklagten bei der Patientenbehandlung mitging.

Da der Beklagte sonst keine Mitarbeiterinnen mehr beschäftigte, blieb lediglich die Klägerin übrig, um dem infizierten Patienten, wie angeordnet, Blut zu entnehmen.

Diese Umstände waren dem Beklagten bekannt. Insbesondere war er sich des Risikos der Blutentnahme bewusst. Dies ergibt sich daraus, dass er, wie er selbst ausführt, Frau H… „extra aus dem Sprechzimmer schickte“ mit der Aufforderung, aufzupassen. Gleichwohl ließ er die Klägerin die Blutentnahme durchführen, anstatt dies selbst zu übernehmen oder zumindest Frau H… hierfür kurzzeitig abzustellen. Es ist vor allem gerade nicht so, wie der Beklagte geltend macht, dass er am 24.05.2011 Vorsicht walten ließ und der Klägerin eine erfahrene Helferin zur Seite stellte. Frau T… war unbeschadet ihrer fachlichen Eignung wegen ihrer ‒ dem Beklagten bekannten ‒ Schwangerschaft für die Erfüllung wesentlicher Aufgaben einer Arzthelferin verwehrt.

Angesichts dieser Umstände ist es nach Auffassung des erkennenden Gerichts völlig ausgeschlossen, auf einen glücklichen Ausgang hoffen zu können.

Der Beklagte ist zum Ersatz des durch den Unfall entstandenen Schadens verpflichtet. Der Schadensersatzanspruch umfasst insbesondere den von der Klägerin geltend gemachten immateriellen Schaden, §§ 249 Absatz 1, 253 BGB.

Der Klägerin steht wegen der Verletzung der Gesundheit eine billige Entschädigung in Geld zu, § 253 Absatz 2 BGB.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der „billigen Entschädigung“ meint sowohl nach dem Wortlaut als auch nach systematischer, historischer und teleologischer Auslegung eine angemessene Entschädigung, bei deren Bemessung der Tatrichter alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen darf. Das Schadensrecht geht gemäß § 249 BGB von dem Grundsatz der Totalreparation aller von dem Geschädigten erlittenen Vermögensschäden aus. Demgegenüber sieht das Gesetz bei dem Ausgleich der immateriellen Schäden, mithin solcher Einbußen, die sich wegen der Art der verletzten Rechtsgüter jeder vermögensrechtlichen Bewertung entziehen, gerade keine starre Regelung, sondern eine billige Entschädigung vor, ohne dem Tatrichter hinsichtlich der zu berücksichtigenden oder berücksichtigungsfähigen Umstände Vorgaben zu machen. Dem liegt auch der Gedanke zugrunde, dass bei der zusätzlich zu dem Ausgleich des Vermögensschadens zu leistenden billigen Entschädigung der Gedanke des Ausgleichs im Allgemeinen nicht dazu führen soll, den Schädiger in nachhaltige Not zu bringen. Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundessozialgerichts und des Bundesarbeitsgerichts rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtuungsfunktion). Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung. Dabei stehen die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. Bei den unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu berücksichtigenden Umständen hat die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen stets das ausschlaggebende Moment zu bilden; der von dem Schädiger zu verantwortende immaterielle Schaden, die Lebensbeeinträchtigung steht im Verhältnis zu den anderen zu berücksichtigenden Umständen immer an der Spitze.

Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers. Ein allgemein geltendes Rangverhältnis aller anderen zu berücksichtigenden Umstände lässt sich nicht aufstellen, weil diese Umstände ihr Maß und Gewicht für die Höhe der billigen Entschädigung erst durch ihr Zusammenwirken im Einzelfall erhalten (Bundesgerichtshof ‒ Vereinigte Große Senate ‒ Beschluss vom 16.09.2016 ‒ VGS 1/16; juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen steht der Klägerin nach Auffassung des erkennenden Gerichts ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,00 € zu.

Hier war zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin infolge der Infektion mit Hepatitis C auf Dauer unmittelbar gesundheitlich beeinträchtigt ist. Um die Hepatitis C zu behandeln, musste sie sich zweimal einer Interferonmedikation unterziehen. Diese Behandlungsphase dauerte bis Ende 2012. Bereits darin liegt eine einschneidende Lebensbeeinträchtigung.

Danach wird die Hepatitis C zwar als ausgeheilt betrachtet.

Die Klägerin litt aber nicht nur über ca. eineinhalb Jahre an der Hepatitis C, deren Folgewirkungen, insbesondere die längerfristigen Auswirkungen auf die Leber, offen sind.

Vielmehr erkrankte sie an rheumatoider Arthritis. Gerade die chronische rheumatische Arthritis führt bei der Klägerin zu einer erheblichen Lebensbeeinträchtigung.

Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass die Klägerin erst 20 Jahre alt war, als sich der Unfall ereignete. Dies ist ein Alter, in dem die Lebensplanung erst beginnt. Die Zukunftschancen sind bei der Klägerin in einer gravierenden Weise beeinträchtigt und reduziert. Dies betrifft nicht nur den beruflichen Bereich – die Klägerin ist zwischenzeitlich mit einem Grad von 80% schwerbehindert, teilweise erwerbsunfähig und kann den Beruf einer Arzthelferin nicht ausüben -, sondern vor allem auch den Bereich Ehe und Familie.

Der Beklagte bestreitet zwar, dass die Klägerin Probleme damit hat, eine längerfristige Partnerschaft einzugehen. Dass dies der Fall ist, liegt indes auf der Hand und bedarf keines weiteren Beweises, § 291 ZPO.

Einem potentiellen Partner wird an einer schwerkranken Frau nicht ohne weiteres gelegen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Partner den Wunsch hat, eine Familie zu gründen.

Die Verwirklichung eines Kinderwunsches ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber erheblich reduziert.

Die Erkrankung der Klägerin ‒ es handelt sich um eine Entzündung der Gelenke ‒ ist mit starken Schmerzen sowie mit einer Einschränkung ihrer Beweglichkeit verbunden. Eine Besserung ist nicht zu erwarten.

Die Klägerin ist gehalten, wegen der Erkrankung verschiedene Medikamente einzunehmen. Dies sind insbesondere das Rheumamittel MTX sowie Mittel gegen die Schmerzen. Der Beklagte bestreitet dies nicht.

Das Medikament MTX steht seiner Wirkungsweise wegen einer Schwangerschaft entgegen bzw. birgt die Gefahr von Missbildungen des Fötus. Es muss deshalb vor einer Schwangerschaft abgesetzt werden, was wiederum die Rheumabeschwerden vergrößert.

Dazu kommen die im Gutachten attestierten psychologischen Beeinträchtigungen, die bis zu depressiven Phasen reichen.

Mit zu berücksichtigen ist ferner das hohe Maß des Verschuldens des Beklagten, nicht zuletzt seine fehlende Einsicht. Noch im letzten Schriftsatz vom 24.04.2017 versucht der Beklagte darzustellen, dass das in seiner Praxis verwendete System mindestens genauso sicher sei wie die Sicherheitskanülen, obwohl sich mit dem Unfall der Klägerin genau das Risiko verwirklicht hat, das mit den Sicherheitskanülen minimiert werden sollte.

Das Gericht hält aus diesen Gründen ein hohes Schmerzensgeld für angemessen und erforderlich.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Beklagten zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 06.05.2004 (6 U 179/01; juris).

Der dortigen Klägerin wurde ein Schmerzensgeld von 36.000,00 € zugesprochen. Sie hatte sich als Reinigungskraft in einem Krankenhaus an einer mit Hepatitis C kontaminierten Nadel gestochen, die vorschriftswidrig in einem Müllsack entsorgt worden war. Zu dem Zeitpunkt war sie 34 Jahre alt, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Der Heilungsprozess dauerte ca. drei Jahre, danach konnte die dortige Klägerin wieder ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Im vorliegenden Fall sind die Auswirkungen der Verletzung weitaus gravierender, da die Klägerin nicht nur an Hepatitis C, sondern darüber hinaus an der rheumatoiden Arthritis erkrankte. Dabei fällt insbesondere der darauf beruhende Gesichtspunkt der Lebensplanung ins Gewicht.

Schließlich führt auch der Gesichtspunkt eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) nicht zu einem anderen Ergebnis.

Der Beklagte macht zwar geltend, dass die Klägerin beim Einführen der Nadel in das Sicherheitsbehältnis abgerutscht sei, sei nur unter Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt möglich. Der Durchmesser der Öffnung sei so groß, dass ein problemloses Einführen der Nadel völlig unproblematisch möglich sei. Die Klägerin treffe daher ein Mitverschulden.

Dies ist zu verneinen.

Das Verbot des Recappings resultiert daraus, dass dieses Entsorgungssystem als nicht sicher angesehen wurde. Es ist gerade der Sinn der Sicherheitskanüle, Verletzungen der vorliegenden Art zu verhindern. Der Beklagte stellte der Klägerin keine Sicherheitskanülen zur Verfügung, vielmehr war das Recappinggefäß in Gebrauch.

In der Übernahme einer gefährlichen Arbeit kann nicht ohne weiteres ein mitwirkendes Verschulden gesehen werden. Führt der Arbeitnehmer aufgrund der Weisung des Arbeitgebers oder seines Vertreters eine gefährliche Arbeit aus, so ist regelmäßig ein Mitverschulden zu verneinen (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 23.03.1983 ‒ 7 AZR 526/80; juris).

Dies gilt vor allem im vorliegenden Fall. So führt der Beklagte insbesondere nicht aus, was die Klägerin alternativ hätte tun sollen.

Das Ersturteil war daher aufzuheben und der Klägerin das Schmerzensgeld in dieser Höhe zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Anlass, § 72 Absatz 2 ArbGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 09. Juni 2017 - 7 Sa 231/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 09. Juni 2017 - 7 Sa 231/16

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 09. Juni 2017 - 7 Sa 231/16 zitiert 13 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 253 Immaterieller Schaden


(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. (2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbs

Zivilprozessordnung - ZPO | § 291 Offenkundige Tatsachen


Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 104 Beschränkung der Haftung der Unternehmer


(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 108 Bindung der Gerichte


(1) Hat ein Gericht über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 genannten Art zu entscheiden, ist es an eine unanfechtbare Entscheidung nach diesem Buch oder nach dem Sozialgerichtsgesetz in der jeweils geltenden Fassung gebunden, ob ein Versicher

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 09. Juni 2017 - 7 Sa 231/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 09. Juni 2017 - 7 Sa 231/16 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2016 - VGS 1/16

bei uns veröffentlicht am 16.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VGS 1/16 vom 16. September 2016 in den Strafsachen gegen Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 253 Bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB (vormals § 847 BG

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Juni 2013 - 8 AZR 471/12

bei uns veröffentlicht am 20.06.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 - 3 Sa 313/11 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

(1) Hat ein Gericht über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 genannten Art zu entscheiden, ist es an eine unanfechtbare Entscheidung nach diesem Buch oder nach dem Sozialgerichtsgesetz in der jeweils geltenden Fassung gebunden, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist.

(2) Das Gericht hat sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Absatz 1 ergangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt das Gericht dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 - 3 Sa 313/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt (im Folgenden: Beklagte) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die er aufgrund an asbestfaserhaltigen Bauteilen durchgeführter Arbeiten erleiden sollte.

2

Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten als Angestellter tätig. Von 1994 bis Mai 1995 war er bei dem Sozialamt der Beklagten in der Abteilung Obdachlosenhilfe beschäftigt und als Betreuer für Asylbewerber, Asylanten und Flüchtlinge im Asylbewerberheim A in D eingesetzt. Dieses Gebäude war bis Januar 1990 als Kindereinrichtung genutzt worden. Zum 1. Februar 1990 war diese Nutzung wegen der möglichen Freisetzung von Asbestfasern in einer die Gesundheit gefährdenden Konzentration eingestellt worden. Die Asbestkontamination der Innenwände des Gebäudes infolge der Verwendung des Baustoffes Sokalit war dem Bürgermeister der Beklagten aufgrund eines Schreibens des Hochbauamtes vom 11. November 1991 bekannt.

3

Die Beklagte beabsichtigte, Anfang des Jahres 1995 das Gebäude des Asylbewerberheims grundlegend zu sanieren. Der Kläger führte mit drei weiteren Angestellten der Beklagten, drei Zivildienstleistenden sowie zwölf bis 15 Asylbewerbern auf Weisung des Abteilungsleiters des Sozialamtes S sowie des Heimleiters Sch in der Zeit vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 dort folgende Sanierungsarbeiten durch:

        

-       

Demontage der Rippenheizkörper,

        

-       

Abspachteln der aufgeblühten Wandoberflächen,

        

-       

Entfernen vorhandener Tapetenreste,

        

-       

Aufbringen der Klebemasse,

        

-       

Anbringen von Gipskartonplatten auf den Wänden,

        

-       

Verspachteln der Fugen zum Aufbringen eines Farbanstrichs.

4

Insgesamt leisteten die eingesetzten Personen etwa 800 Arbeitsstunden. Eine besondere Aufklärung über die Art und Weise der durchzuführenden Tätigkeiten sowie die Anweisung zum Tragen von Schutzbekleidung und Atemschutzgeräten erfolgte nicht.

5

Anfang Mai 1995 wies ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der Folgearbeiten abstimmen sollte, den Kläger darauf hin, dass bei den Sanierungsarbeiten asbesthaltiger Staub freigesetzt werde und derartige Arbeiten nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden dürften. Der Kläger leitete diese Information an den zuständigen Abteilungsleiter S weiter. Dieser erklärte, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt und drängte auf die Fortsetzung der Arbeiten.

6

Einer der beteiligten Zivildienstleistenden schaltete daraufhin das staatliche Gewerbeaufsichtsamt D ein. Dieses stellte fest, dass durch das Abkratzen und Abschaben der verbauten Sokalitverkleidungen eine extreme Exposition von Asbestfasern aus dem lockeren Faserverband bewirkt worden sei. Materialproben der Sokalitplatten ergaben einen Fasergehalt von bis zu 40 % Chrysotilasbest. Das Gewerbeaufsichtsamt verfügte am 5. Mai 1995 die sofortige Einstellung der Arbeiten und die Versiegelung des Gebäudes.

7

Anlässlich einer Erkrankung des Klägers im Jahre 2006 vermutete der behandelnde Arzt das Vorhandensein von Krebserregern als Auslöser. Dieser Verdacht, der sich letztlich nicht bestätigte, veranlasste den Kläger, sich näher mit der Problematik auseinanderzusetzen, ob die damaligen Sanierungsarbeiten, während derer er Asbestfasern eingeatmet hatte, für ihn das Risiko einer Krebserkrankung erhöht haben oder in Zukunft zum Ausbruch einer Krebserkrankung führen könnten.

8

Mit Anwaltsschreiben vom 6. September 2006 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihre uneingeschränkte Schadensersatzpflicht dem Grunde nach für alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aufgrund der in der Zeit vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 geleisteten Sanierungsarbeiten im Asylbewerberheim entstanden sind und noch entstehen werden, anzuerkennen. Die Beklagte lehnte eine Haftung unter Hinweis auf den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 ab.

9

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er bereits jetzt mit einer Feststellungsklage die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes grundsätzlich feststellen lassen könne.

10

Weiter meint er, der Beklagten sei der Vorwurf vorsätzlichen Handelns zu machen. Die Kenntnis der Beklagten über die gesundheitsschädigende Wirkung des asbestfaserhaltigen Materials gehe zum einen aus dem Schreiben des Hochbauamtes vom 11. November 1991 und zum anderen aus den vom Ausschuss für Gefahrstoffe bereits 1994 beschlossenen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) hervor. Sein direkter Vorgesetzter, der Abteilungsleiter S, habe sogar, nachdem der Kläger ihn über die Aussage des Mitarbeiters der Baufirma D informiert hatte, erklärt, dass das Vorhandensein asbesthaltigen Materials allgemein bekannt sei, und auf die Fortführung der Arbeiten gedrängt. Dieses Verhalten seines Vorgesetzten müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, welche er aufgrund der nach Weisung der Beklagten im Zeitraum vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim in D, A, ausgeführten Arbeiten erleidet, unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

13

Sie hat gemeint, es fehle bereits an einem Feststellungsinteresse für den Feststellungsantrag. Dem Kläger sei es auch nicht gelungen, die haftungsbegründende Kausalität für einen eventuellen Schaden aufzuzeigen.

14

Die Beklagte bestreitet ferner, dass die die Arbeiten im Asylbewerberheim anordnenden Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt haben. Es habe niemand den Eintritt eines Gesundheitsschadens billigend in Kauf genommen. Daher stünde einem Schadensersatzanspruch des Klägers auch der Haftungsausschluss des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO entgegen. Die Mitarbeiter Sch und S hätten gerade darauf vertraut, dass kein Gesundheitsschaden bei dem Kläger eintreten werde. Die Annahme eines bedingten Vorsatzes sei lebensfremd.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 28. April 2011 (- 8 AZR 769/09 - AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14) das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Nach erneuter Verhandlung hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf die beantragte Feststellung.

17

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse sei zu bejahen. Der Feststellungsantrag sei auch begründet. § 636 Abs. 1 RVO stehe einem Schadensersatzanspruch des Klägers nicht entgegen, da sich die Beklagte die Kenntnis des damaligen Vorgesetzten des Klägers, des Abteilungsleiters S, zurechnen lassen müsse. Dieser habe eine Schädigung des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen. Dies ergebe sich daraus, dass das Gebäude zum 1. Februar 1990 geschlossen worden sei, weil sowohl die Außen- als auch die Innenwände des Gebäudes mit asbesthaltigem Material verkleidet gewesen seien. Dass auch der Abteilungsleiter S über dieses Wissen konkret verfügt habe, folge aus seiner Antwort, die er dem Kläger gegeben habe, nachdem dieser ihn darüber informiert gehabt habe, dass ihn ein Mitarbeiter der Firma D darauf aufmerksam gemacht habe, an den Wänden dürfe nur mit einer besonderen Schutzausrüstung gearbeitet werden. Der Abteilungsleiter habe geantwortet, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt. Er habe jedoch nicht eine sofortige Einstellung der Arbeiten verfügt, sondern auf die weitere Fortsetzung derselben gedrängt. Der Abteilungsleiter habe nach alledem so leichtfertig gehandelt, dass er eine mögliche Gesundheitsverletzung der mit den Sanierungsarbeiten Beschäftigten, darunter auch des Klägers, in Kauf genommen haben müsse. Es habe auch keiner fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse bedurft, um die von den Sanierungsarbeiten ausgehende Gefahr zu erkennen. Allein das Wissen, dass die ehemals in dem Gebäude betriebene Kindereinrichtung wegen der Asbestgefahr geschlossen werden musste und die Sanierungsarbeiten allein von spezialisierten Fachfirmen durchgeführt werden durften, genüge, um auf die besonders große Leichtfertigkeit des Handelns des verantwortlichen Abteilungsleiters zu schließen.

18

B. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

19

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse ist nach § 256 Abs. 1 ZPO gegeben. Dies hat der Senat in der vorliegenden Streitsache bereits entschieden (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 24 ff., AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

20

II. Die Feststellungsklage ist auch begründet.

21

1. Die Beklagte haftet dem Kläger grundsätzlich für solche Schäden, die dieser aufgrund der Arbeiten vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim der Beklagten erleidet. Der Senat hat im vorliegenden Rechtsstreit entschieden, dass eine Haftung der Beklagten (nur noch) von der Frage abhängt, ob eine Herbeiführung eines möglichen Arbeitsunfalls in Form einer Gesundheitsschädigung durch den Abteilungsleiter des Klägers, S, vorsätzlich erfolgt ist. Zur diesbezüglichen Feststellung hat er den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 31 ff., AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

22

2. Der Abteilungsleiter S handelte mit Vorsatz in Bezug auf die Pflichtverletzung und in Bezug auf eine in Zukunft möglicherweise noch auftretende Gesundheitsschädigung des Klägers.

23

a) Das Eingreifen des Haftungsprivilegs nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung erfordert einen „doppelten“ Vorsatz. Der Vorsatz des Handelnden muss sich zum einen auf die Verletzungshandlung beziehen. Zum anderen muss der Vorsatz aber auch den Verletzungserfolg umfassen. Allein der Verstoß gegen zugunsten von Arbeitnehmern bestehende Schutzpflichten indiziert noch keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls iSd. § 636 Abs. 1 RVO. Es verbietet sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen (vgl. BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 50, AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

24

Vorsatz enthält ein „Wissens“- und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 10). Die Annahme eines bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Die objektive Erkennbarkeit der Tatumstände reicht nicht aus (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - aaO). Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Handelnde darauf vertraut, der Schaden werde nicht eintreten (Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 276 Rn. 10).

25

b) Das Verschulden und die einzelnen Arten des Verschuldens, insbesondere auch der Begriff der Fahrlässigkeit, sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung ihrer Voraussetzungen liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob der Tatrichter von den richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt sowie Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 43, AP BGB § 280 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4). Eine Aufhebung des Berufungsurteils durch das Revisionsgericht darf nur erfolgen, wenn eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch den Tatsachenrichter festzustellen ist (BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - Rn. 48, AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Dagegen genügt es für die Aufhebung eines landesarbeitsgerichtlichen Urteils nicht, wenn im Streitfall auch eine andere Beurteilung als die des Landesarbeitsgerichts möglich wäre und das Revisionsgericht, hätte es die Beurteilung des Verschuldensgrades selbst vorzunehmen, zu dem Ergebnis gekommen wäre, es liege ein anderer Verschuldensgrad als der vom Berufungsgericht angenommene vor (BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - aaO).

26

c) Nach diesen Grundsätzen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht angenommen hat, dem Vorgesetzten des Klägers, S, sei der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens zu machen, weil er es billigend in Kauf genommen habe, dass neben den übrigen Betroffenen der Kläger infolge der angewiesenen Sanierungsarbeiten eine durch Asbest bewirkte Gesundheitsschädigung erfährt.

27

Das Landesarbeitsgericht hat dies damit begründet, es sei der Leitungsebene der Beklagten und dem Abteilungsleiter S bekannt gewesen, dass das fragliche Gebäude, welches früher als Kindereinrichtung gedient hatte, deshalb zum 1. Februar 1990 geschlossen wurde, weil sich herausgestellt hatte, dass die Innenwände mit asbesthaltigem Material verkleidet waren und von Asbest eine Gesundheitsgefährdung für die sich in dem Gebäude aufhaltenden Personen ausging. Auf Vorhalt des Klägers Anfang Mai 1995, dass derartige Arbeiten nur von einer Fachfirma ausgeführt werden dürften, habe der Abteilungsleiter geantwortet, dass das Vorhandensein asbesthaltigen Materials allgemein bekannt sei, und auf die weitere Fortsetzung der Arbeiten gedrängt. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Tatsachengericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob es eine Tatsache, wozu auch innere Tatsachen gehören, als wahr oder unwahr erachtet. Revisionsrechtlich ist nur zu prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze verstößt (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 13). Im vorliegenden Fall ist ein Fehler des Berufungsgerichts nicht zu erkennen. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil diese vom Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Tatsachen im Wesentlichen unstreitig sind.

28

Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt, gibt es nicht. Zwar hat der Senat entschieden, dass ein Arbeitgeber trotz eines Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften meistens darauf hoffen wird, es werde kein Unfall eintreten (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - Rn. 50, AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Diese Ausführungen sind einer Verallgemeinerung im Sinne eines Erfahrungssatzes auf tatsächlichem Gebiet allerdings nicht zugänglich. Stets kommt es vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.

29

Es kann naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 11). Davon ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis ausgegangen, indem es entscheidend auf die Tatsache abgestellt hat, dass der Abteilungsleiter den Kläger mit der Sanierung der Räume in der oberen Etage des Asylbewerberheims beauftragt hat, obwohl die gesundheitsschädliche und krebserzeugende Wirkung, die durch das Einatmen von Asbeststaub hervorgerufen werden kann, bereits seit 1995 bekannt war.

30

Dass das Berufungsgericht aufgrund dieser Tatsache und dem Drängen des Abteilungsleiters auf Fortsetzung der Sanierungsarbeiten, nachdem er durch den Kläger auf die Asbestgefahren hingewiesen worden war, angenommen hat, der Abteilungsleiter habe eine mögliche Gesundheitsschädigung des Klägers billigend in Kauf genommen, lässt eine Überschreitung des dem Landesarbeitsgericht zustehenden Beurteilungsspielraumes nicht erkennen und ist revisionsrechtlich daher nicht zu beanstanden.

31

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Andreas Henninger    

        

    Umfug    

                 

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VGS 1/16
vom
16. September 2016
in den Strafsachen
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2
BGB (vormals § 847 BGB aF) können alle Umstände des Falles berücksichtigt
werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten
können dabei nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
BGH, Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16. September 2016 - VGS 1/16 -
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
hier: Vorlage gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG
ECLI:DE:BGH:2016:160916BVGS1.16.0

Die Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs haben am 16. September 2016 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Galke, Prof. Dr. Meier-Beck, Prof. Dr. Bergmann, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Stresemann , den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, die Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum und Prof. Dr. Büscher, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Milger, die Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Ellenberger und Dr. Eick, die Richter am Bundesgerichtshof Felsch, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Franke, Prof. Dr. Jäger und Dr. Schäfer, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider und die Richter am Bundesgerichtshof Seiters, Schilling, Dr. Berger, Prof. Dr. Krehl und Gericke

beschlossen:
Bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB847 BGB aF) können alle Umstände des Falles berücksichtigt werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten können dabei nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Gründe:

A.

I.

1
Der Große Senat für Zivilsachen hat durch Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) entschieden, dass bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 847 BGB (aF, jetzt § 253 Abs. 2 BGB, so genanntes "Schmerzensgeld") alle Umstände des Falles berücksichtigt werden können, darunter auch die wirtschaftlichen Verhältnisse von Schädiger und Geschädigtem. Dem sind die Zivil- und die Strafsenate des Bundesgerichtshofs bisher gefolgt.
2
Der 2. Strafsenat beabsichtigt, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Seiner Auffassung nach sind bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen. Der 2. Strafsenat hat bei dem Großen Senat für Zivilsachen und bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Der Große Senat für Zivilsachen und der 1., 4. und 5. Strafsenat haben dies bejaht. Der 3. Strafsenat hat mitgeteilt, er halte an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Bemessung des Schmerzensgeldes auch auf der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers beruhen dürfe. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten müssten hingegen unberücksichtigt bleiben; insoweit halte er an seiner entgegenstehenden Rechtsprechung nicht fest.
3
Der 2. Strafsenat hat nach Abschluss des Anfrageverfahrens den Vereinigten Großen Senaten des Bundesgerichtshofs gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG die folgenden Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt: 1. Dürfen bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden? 2. Wenn ja, nach welchem Maßstab können sie berücksichtigt werden?

II.

4
Anlass der Vorlage des 2. Strafsenats sind zwei Revisionsverfahren, in denen das Landgericht den Geschädigten auf deren Adhäsionsanträge hin jeweils Schmerzensgeld zugesprochen hat. Hiergegen richten sich die nach Teilverwerfung noch anhängigen Revisionen der Angeklagten.
5
Zu den beiden Revisionsverfahren im Einzelnen:
6
1. Das Verfahren 2 StR 137/14
7
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin S. S. 12.000 Euro sowie an die Nebenklägerinnen A. S. und M. je 5.000 Euro, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen.
8
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erzielte der alleinstehende und kinderlose 49jährige Angeklagte als Stapelladerfahrer zuletzt ein monatliches Einkommen von 1.200 Euro, wovon er 500 Euro an Mietkosten aufzubringen hatte. Er war schuldenfrei.
9
Bei der Bemessung der Schmerzensgelder hat das Landgericht auf die Tatumstände und die Folgen der Taten für die Geschädigten abgestellt. Dagegen ist dem Urteil nicht erkennbar zu entnehmen, dass das Landgericht auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Geschädigten berücksichtigt hat.
10
b) Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Urteil nicht erkennen lasse, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer gebührend berücksichtigt worden seien (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 503/13; Urteil vom 19. Februar 2014 - 2 StR 239/13, NJW 2014, 1544, 1545). Im Übrigen hat er die Verwerfung des Rechtsmittels beantragt (§ 349 Abs. 2 StPO).
11
2. Das Verfahren 2 StR 337/14
12
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den obigen Taten zu ersetzen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind."
13
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der 52jährige Angeklagte als Montierer angestellt und verdiente monatlich 860 Euro netto. Seit 2011 lebte er bei seiner damaligen Lebensgefährtin, mit der er ein 2006 geborenes gemeinsames Kind hat.
14
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Landgericht neben den Tatumständen und den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Geschädigten berücksichtigt.
15
b) Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Der Generalbundesanwalt hat auch in diesem Verfahren beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen. Das Landgericht habe keine Feststellungen zu möglichen künftigen Schäden getroffen, weshalb das für den Feststellungsausspruch erforderliche Feststellungsinteresse nicht vorliege. Die darüber hinaus erfolgte Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgelds sei jedenfalls der Höhe nach nicht zureichend begründet. Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigter , die bei der Bemessung des Schmerzensgelds regelmäßig zu berücksichtigen seien, genügten nicht. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten verhielten sich die Feststellungen nur vage, insbesondere werde nicht mitgeteilt , ob der Beschwerdeführer Vermögen oder Schulden habe. Auch seine Wohn- und Lebenssituation nach Bekanntwerden der Taten gehe aus den Urteilsgründen nicht hervor. Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Geschädigten fehlten ganz. Im Übrigen sei das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
16
3. Der 2. Strafsenat hat in beiden Verfahren die Revisionen der Angeklagten entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwaltes als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldund den Strafausspruch gerichtet haben (Beschlüsse vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14).
17
Unter Zugrundlegung seiner oben dargelegten Auffassung beabsichtigt der 2. Strafsenat, die Adhäsionsentscheidung in dem Verfahren 2 StR 137/14 aufrechtzuerhalten, weil die Bemessung des Schmerzensgeldes unter Außerachtlassung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten - entgegen der bisherigen Rechtsprechung - nicht zu beanstanden sei.
18
In dem Verfahren 2 StR 337/14 beabsichtigt der 2. Strafsenat, den Schmerzensgeldanspruch nur dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und im Übrigen von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen. Das Schmerzensgeld habe die Strafkammer - entgegen der bisherigen Rechtsprechung - schon deshalb rechtsfehlerhaft bemessen, weil sie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten ausdrücklich berücksichtigt habe.

III.

19
Der 2. Strafsenat hat die Vorlage an die Vereinigten Großen Senate im Wesentlichen wie folgt begründet:
20
1. Auf die Vermögenslage des Geschädigten komme es nicht an.
21
Die Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse sei mit dem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden, jedem Menschen in gleichem Maße, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 87, 209, 228) und dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) nicht vereinbar (so auch OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 43; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld , 7. Aufl., Rn. 1375 ff.; Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 129; Vieweg/Lorz in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75; vgl. auch Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2014, 32. Aufl., S. 18).
22
Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass nicht die erlittene körperliche oder seelische Beeinträchtigung selbst, sondern nur der Ausgleich hierfür unterschiedlich bemessen werde (vgl. Schneider, ZAP 2004 [Beilage 2], S. 7; Jaeger/Luckey aaO Rn. 1377). Nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätzen habe weder der Wohlhabende ein rechtlich anerkennenswertes größeres finanzielles Interesse an einem Ausgleich einer erlittenen Beeinträchtigung noch der Arme ein geringeres. Danach gehe es umgekehrt auch fehl, bei im Wesentlichen gleichen körperlichen oder seelischen Leiden die schlechte Vermögenslage des Armen als anspruchserhöhend oder den Reichtum des Wohlhabenden als anspruchsmindernd anzusetzen. Entsprechend könne dem wohlhabenden Geschädigten weder ein größeres noch eine geringeres Interesse an Genugtuung durch Zahlung eines Geldbetrages zuerkannt werden als dem armen Geschädigten. Denn die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter stünden dem Betroffenen nicht nach Maßgabe seiner Vermögensverhältnisse zu, sondern unabhängig davon. Im Ergebnis sei dies die überwiegende Ansicht im Schrifttum (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 253 Rn. 16; Staudinger/Schiemann aaO; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 96; Münch-KommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 38; Spindler in Bamberger /Roth, BGB, § 253 Rn. 42; Vieweg/Lorz aaO; Jaeger/Luckey aaO Rn. 1375 ff., 1386; Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., S. 220 f.; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 126 f., 146 ff.; Pecher, AcP 171, 44, 69; aA etwa Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 847 Rn. 30; RGRK-BGB/Kreft, 12. Aufl., § 847 Rn. 43).
23
2. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers dürften nicht berücksichtigt werden.
24
Der Schmerzensgeldanspruch sei vom Gesetzgeber gerade nicht als Strafe, sondern als Schadensersatzanspruch ausgestaltet worden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 224 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151, 156; vgl. auch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 28, 43; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Müller, VersR 1993, 909 f.; Knöpfel, AcP 155, 139 ff.; Pecher AcP 171, 44, 70). Dies spreche dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Schädigers entsprechend dem allgemeinen Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 276 Rn. 28 mwN) bei der Bemessung der Entschädigung, auch und gerade im Rahmen der Ausgleichsfunktion, keine Rolle spielen dürfe (so auch Palandt/Grüneberg aaO § 253 Rn. 17).
25
Zu einer anderen Betrachtung zwinge auch nicht die Genugtuungsfunktion der Entschädigung. Denn der Gedanke der Genugtuung könne, ungeachtet seiner im Schrifttum umstrittenen Funktion (vgl. statt aller Staudinger /Schiemann aaO Rn. 30 ff. mwN), innerhalb eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht bezwecken, dem Schädiger ein zu bemessendes Übel zuzufügen (mit der Folge, dass unbillige Härten zu vermeiden wären).

IV.

26
Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) können die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers oder des Geschädigten zu berücksichtigen sein. Soweit sich keine Anhaltspunkte für Besonderheiten ergeben, bedarf es hierzu aber weder ausdrücklicher Feststellungen im Urteil, noch muss der Einfluss der wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Bemessung ausdrücklich erörtert werden.

B.

I.

27
Die Vorlage ist zulässig. Die von dem 2. Strafsenat aufgeworfenen Rechtsfragen waren gemäß § 132 Abs. 2 und 3 GVG den Vereinigten Großen Senaten vorzulegen, weil der 2. Strafsenat beabsichtigt, nicht nur von der Rechtsprechung anderer Strafsenate, sondern auch von der des Großen Senats für Zivilsachen sowie der des III. und des VI. Zivilsenats abzuweichen. Die vorgelegten Rechtsfragen waren nach der - grundsätzlich maßgeblichen (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, NJW 2015, 3800, 3801; BGHSt 42, 139, 144, jeweils mwN) - rechtlichen Wertung des vorlegenden Senats ergebnisrelevant und deshalb erheblich.
28
Ob die Vorlage zudem wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 4 GVG (vgl. Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 3. Aufl., § 132 GVG, Rn. 16; a.A. Franke in Löwe-Rosenberg, StPO, § 132 GVG, Rn. 41, dem nach aber der jeweilige Große Senat die Sache den Vereinigten Großen Senaten vorlegen kann) zulässig wäre, kann offen bleiben.

II.

29
Die erste Vorlagefrage ist - der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 6. Juli 1955 (GSZ 1/55, BGHZ 18, 149) folgend - dahin zu beantworten , dass bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB847 BGB aF) alle Umstände des Falles berücksichtigt werden können. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten können dabei nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
30
1. Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden (§ 253 Abs. 2 BGB). Der unbestimmte Rechtsbegriff der "billigen Entschädigung" meint sowohl nach dem Wortlaut als auch nach systematischer, historischer und teleologischer Auslegung eine angemessene Entschädigung, bei deren Bemessung der Tatrichter alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen darf.
31
a) Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnen die Worte "billig" oder "Billigkeit" das Angemessene, Passende, Rechte (so schon Rümelin, Die Billigkeit im Recht, 1921, S. 2 f.). In der Rechtslehre hat das Wort Billigkeit indes einen spezifischen Sinngehalt. Auch der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs ging davon aus, dass der Ausdruck "billig" eine feste technische Bezeichnung sei (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 153 mwN).
32
Billigkeit bezeichnet danach die Lösung für das Problem, dass allgemeine Gesetze, gerade weil sie eine allgemeine Regelung treffen, dem Einzelfall nicht ohne weiteres gerecht werden können. Funktion der Billigkeit ist die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen den abstrakt-generellen Regelun- gen des Gesetzes und den Besonderheiten des Einzelfalls, mithin die Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit (Rümelin aaO S. 43 ff.; Frey in Festschrift Röhl, 2003, S. 334 f.; Calliess, Zeitschrift für Rechtssoziologie 26 (2005), 35, 42 ff.; Lochstampfer, Die Billigkeit im Schadensrecht aus erfahrungswissenschaftlicher Sicht, 2005, S. 98; Rybarz, Billigkeitserwägungen im Kontext des Europäischen Privatrechts, 2011, S. 10 f.; Vetter in Festschrift Schapp, 2010, S. 473, 479 ff.).
33
Billigkeit sperrt sich gegen jede Generalisierung (Calliess, aaO, 48). Die Vorstellung, bestimmte Umstände des Einzelfalls könnten von vornherein aus abstrakt-generellen Erwägungen heraus der Berücksichtigung durch den Tatrichter entzogen werden, steht daher in einem unauflösbaren Widerspruch zu der Funktion des Billigkeitsgedankens. Vor diesem Hintergrund ist eine billige Entschädigung nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut eine solche, bei der der Tatrichter im Grundsatz alle Umstände des Einzelfalls und damit auch die Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigen darf (vgl. auch Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 140, 157). Davon zu unterscheiden sind die Fragen, welchen Umständen der Tatrichter welches Gewicht beimessen darf, inwieweit seine Entscheidung revisionsrechtlich überprüfbar und wie verfassungsrechtlichen Grundsätzen Geltung zu verschaffen ist (dazu unten unter c und d sowie 2.).
34
b) Auch die systematische Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass der Tatrichter alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen darf. Dabei ist die Vorschrift des § 253 Abs. 2 BGB zum einen im Zusammenhang mit den Regelungen zu sehen, die auf dem Billigkeitsgedanken beruhen (dazu unter aa). Zum anderen ist sie in den Gesamtzusammenhang des Schadensrechts zu stellen (dazu unter bb).
35
aa) Der Gedanke der Billigkeit durchzieht die gesamte Rechtsordnung (vgl. Rümelin aaO S. 34 und - nur beispielhaft - §§ 284, 1246 Abs. 1, § 1361a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 1381 BGB, §§ 91a, 1051 Abs. 3 ZPO, § 163 AO). Im Bürgerlichen Gesetzbuch wird an verschiedensten Stellen das Ausmaß einer Leistung nach billigem Ermessen bestimmt (z.B. §§ 315, 317, 660 Abs. 1, § 920 Abs. 2, § 971 Abs. 1 Satz 3, § 1576 Satz 1, § 1577 Abs. 2 Satz 2, § 1578b Abs. 1 und 2 BGB; s. auch - außerhalb des BGB - § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG). Der Funktion des Billigkeitsgedankens folgend will das Gesetz in diesen Fällen alle in Betracht kommenden Umstände des Falles und insbesondere die Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt wissen (vgl. BGH, Großer Senat für Zivilsachen , Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151 f.).
36
Im Schadensrecht verwendet das Gesetz den Begriff der Billigkeit neben § 253 Abs. 2 BGB in der Vorschrift des § 829 BGB, in der zwischenzeitlich aufgehobenen Vorschrift des § 1300 BGB sowie seit der Einführung eines allgemeinen Anspruchs auf Schmerzensgeld durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) unter anderem auch in § 8 Satz 2 ProdHaftG, § 13 Satz 2 UmweltHG, § 6 Satz 2 HaftpflichtG und § 11 Satz 2 StVG. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG spricht dagegen von einer angemessenen Entschädigung.
37
(1) Nach § 829 BGB hat - wer für einen von ihm verursachten Schaden auf Grund der §§ 827, 828 BGB nicht verantwortlich ist - gleichwohl, sofern der Schaden nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten erlangt werden kann, den Schaden insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den Verhältnissen der Beteiligten, eine Schadloshaltung erfordert.
38
Die verschuldensunabhängige Haftung aus § 829 BGB bildet im deliktischen Haftungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Ausnahme. Ein Schadensersatzanspruch aus § 829 BGB ist deshalb nicht schon dann zu ge- währen, wenn die Billigkeit es erlaubt, sondern nur dann, wenn die gesamten Umstände des Falles eine Haftung des schuldlosen Schädigers aus Billigkeitsgründen geradezu erfordern (st. Rspr., vgl. nur BGH, VI. Zivilsenat, Urteil vom 11. Oktober 1994 - VI ZR 303/93, BGHZ 127, 186, 192 f. mwN). Im Gegensatz zu dem Anspruch auf eine billige Entschädigung gemäß § 253 Abs. 2 BGB hängt im Rahmen des § 829 BGB schon das "Ob" des Billigkeitsanspruchs entscheidend von den gesamten Umständen ab, unter denen ein wirtschaftliches Gefälle vom Schädiger zum Geschädigten an erster Stelle steht (BGH, VI. Zivilsenat , Urteil vom 18. Dezember 1979 - VI ZR 27/78, BGHZ 76, 279, 284).
39
Dem Hinweis auf die Verhältnisse der Beteiligten in der Vorschrift des § 829 BGB kommt vor diesem Hintergrund - wie sich schon der Wendung "insbesondere" entnehmen lässt - die Bedeutung zu, die aufgrund des Billigkeitsgedankens ohnehin berücksichtigungsfähigen Verhältnisse der Beteiligten in dem von § 829 BGB geregelten besonderen Fall in den Vordergrund zu stellen. Daraus lässt sich entnehmen, dass (auch) im Rahmen der Bemessung der billigen Entschädigung des § 253 Abs. 2 BGB die Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden können, sie dort aber - anders als im Fall des § 829 BGB - nicht im Vordergrund stehen (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 152).
40
(2) Die Entstehungsgeschichte der zwischenzeitlich aufgehobenen Regelung des § 1300 BGB, wonach eine zuvor unbescholtene Verlobte bei Rücktritt vom Verlöbnis durch den Verlobten auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden war, eine billige Entschädigung verlangen konnte, spricht ebenfalls für die Auslegung des § 253 Abs. 2 BGB im vorgenannten Sinne. Der Gesetzgeber wollte den Richter bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gerade "nach keiner Richtung hin einenge(n)" (Hervorhebung im Original des im Folgenden zitierten Beschlusses). Dazu wird auf die Ausführungen des Großen Senats für Zivilsachen in seinem Beschluss vom 6. Juli 1955 (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 153 f.) Bezug genommen, denen auch aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen ist.
41
Die zwischenzeitlich erfolgte Aufhebung der Vorschrift steht dem nicht entgegen. Die Aufhebung erfolgte durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998 (BGBl. 1998 I S. 833), weil die Regelung als rechtspolitisch überholt angesehen wurde. Die Gesetzesbegründung verweist aber darauf, dass Ersatzansprüche nach § 825 BGB - in dessen Rahmen auch der immaterielle Schaden gemäß § 253 Abs. 2 BGB zu ersetzen ist (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 825 Rn. 7) - geltend gemacht werden können, soweit im Einzelfall ein Bedürfnis für den Ersatz verminderter Heiratsaussichten oder anderen immateriellen Schadens bestehe, sowie ein Rückgriff auf die allgemeinen Schadensersatzvorschriften der §§ 823 ff., § 253 Abs. 2 BGB möglich sei (BT-Drucks. 13/4898, S. 14 f.).
42
(3) Schließlich sollte mit der Überführung des Schmerzensgeldanspruchs vom Deliktsrecht (§ 847 BGB aF) in das allgemeine Schadensrecht (§ 253 Abs. 2 BGB) und der Erweiterung seiner Anwendbarkeit auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) keine Änderung der Auslegung des Begriffs der billigen Entschädigung verbunden sein (vgl. BTDrucks. 14/7752, S. 14 ff.; BT-Drucks. 14/8780, S. 21).
43
Im Gegenteil verweist die Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf, die Bestimmung eines angemessenen Schmerzensgeldes sei originäre Aufgabe der Gerichte, die hierbei die besonderen Umstände jedes Einzelfalls berücksichtigen müssten, was das Gesetz durch eine entsprechend flexible Formulie- rung sicherstellen müsse (BT-Drucks. 14/7752, S. 26). In jüngerer Zeit ist in der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ausgeführt, die Höhe der Entschädigung müsse angemessen sein, was der bewährten Regelung des Schmerzensgeldes in § 253 BGB entspreche. Damit bleibe dem Gericht der notwendige Beurteilungsspielraum erhalten, um die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen (Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung , BT-Drucks. 16/1780, S. 38). Dem folgend legt das Bundesarbeitsgericht § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG dahin aus, dass bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen ist, für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum besteht, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben (BAG, NJW 2010, 2970 Rn. 39).
44
bb) Der Anspruch auf eine billige Entschädigung für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, ist systematisch auch in den Gesamtzusammenhang des Schadensrechts zu stellen.
45
Das Schadensrecht geht von dem Grundsatz der Totalreparation aller von dem Geschädigten erlittenen Vermögensschäden aus (§§ 249 ff. BGB). Der Geschädigte erhält die ihm nach seinen Verhältnissen entstandenen Vermögensschäden ohne die Berücksichtigung weiterer Umstände des Einzelfalls - wie des Grads des Verschuldens oder der Verhältnisse des Schädigers - stets vollumfänglich ersetzt. Grundsätzlich kann allein ein Mitverschulden des Geschädigten die Ersatzpflicht mindern (§ 254 BGB). Eine etwaige durch die Ansprüche verursachte wirtschaftliche Not des Schädigers oder ein etwaiges erhebliches wirtschaftliches Gefälle zwischen (vermögendem) Geschädigtem und (vermögenslosem) Schädiger sind für die Entstehung des Anspruchs auch dann unerheblich, wenn die Haftung auf leichtester Fahrlässigkeit - beispielsweise auf einem so genannten Augenblicksversagen - beruht (vgl. BGH, Großer Se- nat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 158). Diese Umstände finden erst im Rahmen der Schuldnerschutzvorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts und des Instituts der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) im Insolvenzrecht Berücksichtigung.
46
Demgegenüber sieht das Gesetz bei dem Ausgleich der immateriellen Schäden, mithin solcher Einbußen, die sich wegen der Art der verletzten Rechtsgüter jeder vermögensrechtlichen Bewertung entziehen, gerade keine starre Regelung, sondern eine billige Entschädigung vor, ohne dem Tatrichter hinsichtlich der zu berücksichtigenden oder berücksichtigungsfähigen Umstände Vorgaben zu machen. Dem liegt auch der Gedanke zugrunde, dass bei der zusätzlich zu dem Ausgleich des Vermögensschadens zu leistenden billigen Entschädigung der Gedanke des Ausgleichs im Allgemeinen nicht dazu führen soll, den Schädiger in nachhaltige Not zu bringen (BGH, Großer Senat für Zivilsachen , Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 159 f.; VI. Zivilsenat , Urteil vom 16. Mai 1961 - VI ZR 112/60, VersR 1961, 727, 728; Pecher, AcP 171 (1971), 44, 69 f.; vgl. Knöpfel AcP 155 (1956), 135, 140 einerseits, 157 andererseits). Der Tatrichter soll bei der Bemessung der billigen Entschädigung vielmehr a l l e Umstände des Einzelfalls berücksichtigen dürfen.
47
c) Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch Sinn und Zweck des Schmerzensgeldes. Die eingehenden Erwägungen des Großen Senats für Zivilsachen in seinem Beschluss vom 6. Juli 1955 (GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 154 ff.) zu dieser Frage sind nach wie vor gültig. Auf sie wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
48
aa) Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts , des Bundessozialgerichts und des Bundesarbeitsge- richts rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung , die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtuungsfunktion , st. Rspr., grundlegend BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 154 ff.; BVerfG, NJW 2006, 1580 Rn. 18; BVerfG, NJW 2010, 433 Rn. 25; BGH, VI. Zivilsenat, Urteile vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 4 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117, 120 f.; vom 16. Mai 1961 - VI ZR 112/60, VersR 1961, 727 f.; vom 16. Dezember 1975 - VI ZR 175/74, VersR 1976, 660, 661; vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92, VersR 1993, 585; vom 16. Januar 1996 - VI ZR 109/95, VersR 1996, 382; III. Zivilsenat, Urteil vom 13. Januar 1964 - III ZR 48/63, VersR 1964, 389; BVerwG, NJW 1995, 3001, 3002; BAG, NJW 2010, 2970 Rn. 41; BSG, Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 103/11 R, juris Rn. 20 mwN; vgl. auch Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 28 ff.). Auch der 3. Strafsenat will an dieser herkömmlichen Auslegung des § 253 Abs. 2 BGB festhalten (Beschluss vom 5. März 2015 - 3 ARs 29/14, aaO Rn. 16).
49
Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht wegzudenken ist (zur Historie vgl. BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 155 ff.; Walter, Geschichte des Anspruchs auf Schmerzensgeld, 2004, S. 381 ff., 397), eine besondere Bedeutung. Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Schadensfall hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157; VI. Zivilsenat, Urteil vom 16. Januar 1996 - VI ZR 109/95, VersR 1996, 382). Eine entsprechende Bedeutung kommt der Genugtuungsfunktion zu, wenn der Geschädigte ausnahmsweise so gut gestellt ist, dass bei ihm durch keinerlei Geldbeträge ein Ausgleich für einen immateriellen Schaden herbeigeführt werden kann (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157).
50
bb) Daran hat sich durch die seit der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14. März 1990 (BGBl. I S. 478) mögliche Übertragbarkeit und Vererblichkeit des Anspruchs (vgl. BGH, VI. Zivilsenat, Urteil vom 6. Dezember 1994 - VI ZR 80/94, VersR 1995, 353 f.) nichts geändert. Mit der Änderung sollte nicht der höchstpersönliche Charakter des Schmerzensgeldes beseitigt, sondern lediglich den als unwürdig empfundenen Zuständen begegnet werden, zu denen es nach alter Rechtslage gerade bei schwersten Verletzungen gekommen war, weil die Angehörigen sich auf ein "makabres Wettrennen mit der Zeit" (BT-Drucks. 11/5423, S. 1) einlassen mussten, um beispielsweise bei andauernder Bewusstlosigkeit des Verletzten die gesetzlichen Erfordernisse erfüllen zu können (BGH, VI. Zivilsenat, Urteil vom 6. Dezember 1994 - VI ZR 80/94, aaO, 354; OLG Karlsruhe, NZV 1999, 210, 211).
51
cc) Die Anerkennung des Umstands, dass in Fällen, in denen der Verletzte wegen der Zerstörung seiner psychischen Funktionen weder einen Ausgleich noch Genugtuung empfinden kann, die Einbuße der Persönlichkeit infol- ge schwerer Hirnschädigung im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Wertentscheidung des Art. 1 Abs. 1 GG schon für sich einen auszugleichenden immateriellen Schaden darstellt, stellt die doppelte Funktion des Schmerzensgeldes nicht in Frage. In diesen Fällen steht die Zerstörung der Persönlichkeit - die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung (BGH, Großer Senat für Zivilsachen , Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157) - im Mittelpunkt und muss bei der Bemessung der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB einer eigenständigen Bewertung zugeführt werden, wobei wie auch sonst die Schwere der Schuld des Täters und die Leistungsfähigkeit des Schädigers berücksichtigt werden können (BGH, VI. Zivilsenat, Urteil vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 5 ff.; vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92, VersR 1993, 585, 586).
52
dd) Die Vereinigten Großen Senate können ihrer Entscheidung entsprechend dem vorzitierten Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen die doppelte Funktion des Schmerzensgeldes und den Genugtuungsgedanken ohne weiteres zugrunde legen. Der 2. Strafsenat stellt dies in dem Vorlagebeschluss nicht infrage (s. auch Beschlüsse vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 32 StR 337/14, r+s 2015, 94 Rn. 34 f.).
53
d) Der unbestimmte Rechtsbegriff der "billigen Entschädigung" ist im Ergebnis nach dem Wortlaut, systematisch, historisch und teleologisch dahin auszulegen , dass bei der Bemessung der "billigen Entschädigung" durch den Richter alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden dürfen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wie die einzelnen Umstände bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu gewichten sind.
54
aa) Dabei stehen die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund (vgl. BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157). Bei den unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu berücksichtigenden Umständen hat die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen stets das ausschlaggebende Moment zu bilden; der von dem Schädiger zu verantwortende immaterielle Schaden, die Lebensbeeinträchtigung steht im Verhältnis zu den anderen zu berücksichtigenden Umständen immer an der Spitze (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149,

167).

55
Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden , die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie - was der 2. Strafsenat nicht in Zweifel zieht - der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (BGH, Großer Senat für Zivilsachen , Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157 ff.). Ein allgemein geltendes Rangverhältnis aller anderen zu berücksichtigenden Umstände lässt sich nicht aufstellen, weil diese Umstände ihr Maß und Gewicht für die Höhe der billigen Entschädigung erst durch ihr Zusammenwirken im Einzelfall erhalten (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 167 f.; Diederichsen, VersR 2005, 433). Auch hierzu sind die Ausführungen des Großen Senats für Zivilsachen in seinem Beschluss vom 6. Juli 1955 (GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157 ff.) weiterhin maßgebend.
56
bb) Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung des 2. Strafsenats eine isolierte Betrachtung dahin, ob es bei der Bemessung des Schmerzensgeldes generell-abstrakt zum einen auf die Vermögenslage des Geschädigten (Beschluss vom 8. Oktober 2014, 2 StR 137/14 und 2 St2 StR 337/14, r+s 2015, 94 Rn. 23 ff.), zum anderen auf die Vermögenslage des Schädigers (aaO, Rn. 33 ff.) ankommen dürfe (ebenso teilweise die Literatur, vgl. Pecher, AcP 171 (1971), 44, 69 f.; Ekkenga/Kuntz in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 253 Rn. 16), nicht Platz greifen. Denn es geht bei der Bemessung der billigen Entschädigung um eine Gesamtbetrachtung. Erst dadurch, dass der (Tat-)Richter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet, dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 168), ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist (vgl. auch Müller, VersR 1993, 909, 915 f.; MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 38; Vieweg/Lorz in jurisPK-BGB, Stand 1. Oktober 2014, § 253 Rn. 75).
57
cc) Die Betrachtung, dass es - generell-abstrakt - nicht zulässig ist, die Vermögenslage des Schädigers oder des Geschädigten einzubeziehen, hätte zudem zur Folge, dass die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes unausgesprochen negiert würde (so auch 3. Strafsenat, Beschluss vom 5. März 2015 - 3 ARs 29/14, aaO). Wenn der Genugtuungsgedanke eine Bedeutung behalten soll, sind "Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts" eben nicht in allen denkbaren Fällen abstrakt-generell von seinen Vermögensverhältnissen und insbesondere einem etwaigen wirtschaftlichen Gefälle zwischen den Parteien "gänzlich unabhängig" (2. Strafsenat, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 St2 StR 337/14, aaO Rn. 35). Die Verletzung einer "armen" Partei durch einen vermögenden Schädiger kann etwa bei einem außergewöhnlichen "wirtschaftlichen Gefälle" ein bei der Gesamtbetrachtung des Einzelfalles mit zu berücksichtigender Umstand sein.
58
2. Auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 253 Abs. 2 BGB gebietet es nicht - entgegen dem Wortlaut, der Systematik des Gesetzes und dem Sinn und Zweck der Norm -, dass der Tatrichter bestimmte Umstände des Einzelfalls wie die Vermögensverhältnisse der Parteien von vornherein nicht berücksichtigen darf.
59
a) Zur Begründung der gegenteiligen Ansicht wird unter anderem angeführt , eine unterschiedliche Bewertung von körperlichen und seelischen Leiden danach, ob der Betroffene finanziell besser oder schlechter gestellt sei, lasse sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Eine solche Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse sei mit dem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden , jedem Menschen in gleichem Maße ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften , seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden Wert- und Achtungsanspruch und jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) nicht vereinbar (ähnlich Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 43).
60
b) Dem ist nicht zu folgen. Damit wird die billige Entschädigung des § 253 Abs. 2 BGB mit der „Bewertung“ körperlicher oder seelischer Leiden gleichgesetzt. Das greift indes zu kurz, weil die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter als solche sich jeder Bewertung entziehen. Diese sind unverletzlich und unveräußerlich; ihr Wert ist unermesslich und unersetzlich (Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 2 GG; vgl. BVerfG, NJW 2004, 2371, 2372).
61
Das Gesetz kann diese Rechtsgüter nicht bewerten, sondern lediglich regeln, welche Folgen ihre Verletzung hat. Dabei kommen beispielsweise strafrechtliche , sozial- und verwaltungsrechtliche sowie zivilrechtliche Folgen einer Rechtsgutsverletzung in Betracht. Diese unterliegen jeweils ihrer eigenen Systematik und haben ihre eigenen Voraussetzungen.
62
c) Entsprechendes gilt hinsichtlich der schadensrechtlichen Folgen einer Verletzung der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter (vgl. auch BGH, 3. Strafsenat, Beschluss vom 5. März 2015 - 3 ARs 29/14, aaO Rn. 17). Es kommt darauf an, welche Folgen das Gesetz an die Rechtsverletzung knüpft, und ob diese Regelungen der Verfassung entsprechen.
63
aa) Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "billigen Entschädigung" durch den Großen Senat für Zivilsachen und die ständige Rechtsprechung dahin, dass der Tatrichter bei ihrer Bemessung alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen darf, beruht nicht auf einer unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) oder dem Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG).
64
Der soziale Wert und Achtungsanspruch eines Menschen, der es verbietet , ihn zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (vgl. BVerfG, NJW 2006, 1580 Rn. 12), sowie die Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit werden nicht dadurch beeinträchtigt oder verletzt, dass bei der Bemessung der Höhe eines zivilrechtlichen Anspruchs alle Umstände des Einzelfalls, darunter auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien, berücksichtigt werden d ü r f e n. Es obliegt vielmehr dem (Tat-)Richter, die Wertentscheidungen des Grundgesetzes bei der Bemessung der "billigen Entschädigung" , insbesondere bei der Auswahl und der im Verhältnis zueinander erfolgenden Gewichtung der fallprägenden Umstände im jeweiligen Einzelfall zu beachten. Bei besonderen Fallgestaltungen kann dem durch die Verfassung geschützten sozialen Achtungsanspruch gerade - auch - durch den Blick auf das Verhältnis der wirtschaftlichen Lage des Schädigers einerseits, des Geschädigten andererseits Genüge getan werden.
65
bb) Die herkömmliche Auslegung des allgemeinen Rechtsbegriffs der billigen Entschädigung, wonach der Tatrichter alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen darf, stellt auch keine Verletzung des Gleichheitssatzes dar (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht hat zu § 847 BGB aF bereits entschieden , dass die Vorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG, NJW 2000, 2187 f.) und gerade wegen der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "billige Entschädigung" Differenzierungen zulässt, die eine dem Gleichheitssatz entsprechende Anwendung ermöglichen.
66
(1) Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten in wesentlicher Hinsicht anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Eine solche Grundrechtsverletzung liegt nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne hinreichenden sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern ebenfalls dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass der Verfassungsgrundsatz lediglich die Gleichbehandlung der Bürger durch den nämlichen - zuständigen - Träger der öffentlichen Gewalt verlangt , nicht aber die Gleichbehandlung durch mehrere voneinander unabhängige Träger. Insbesondere verletzen abweichende Auslegungen derselben Norm durch verschiedene Gerichte das Gleichbehandlungsgebot nicht (BVerfG, NJW 2000, 2187 mwN).
67
(2) Da die herkömmliche Auslegung des Rechtsbegriffs der billigen Entschädigung für alle Normadressaten gleichermaßen gilt, liegt darin schon keine Ungleichbehandlung. Eine solche könnte höchstens durch die Rechtsprechung eines Gerichts - auch des Revisionsgerichts bei der Überprüfung der tatrichter- lichen Festsetzung des Schmerzensgeldes auf Rechtsfehler (vgl. BGH, VI. Zivilsenat , Urteile vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391; vom 19. September 1995 - VI ZR 226/94, VersR 1996, 380) - entstehen, wenn die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien im Hinblick auf andere von diesem Gericht getroffene Entscheidungen zu einer nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigten Ungleichbehandlung führte. Solche Rechtsprechung ist aber nicht ersichtlich.
68
Die verschiedentlich in diesem Zusammenhang geäußerte Befürchtung, die herkömmliche Auslegung des § 253 Abs. 2 BGB könne zu einer "Taxierung des Schmerzensgeldes nach sozialen Klassen" führen (vgl. auch Harbauer, VersR 1969, 589, 590), wird der bisherigen umfangreichen, differenzierten und einer gleichmäßigen, gerechten und billigen Bemessung der Entschädigung Sorge tragenden Rechtsprechungspraxis der Tatrichter (vgl. nur Hacks/Wellner/ Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2015, 33. Aufl., Nr. 1 - 3257), die die vom Verletzten erlittene Lebenshemmung ganz in den Vordergrund stellt, nicht gerecht.
69
cc) Die von dem Tatrichter in Ausfüllung seiner originären Aufgabe vorgenommene Bemessung der Entschädigung im Einzelfall sowie deren revisionsrechtliche Kontrolle durch den Bundesgerichtshof (BGH, VI. Zivilsenat, Urteile vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391; vom 19. September 1995 - VI ZR 226/94, VersR 1996, 380) unterliegt der verfassungsrechtlichen Überprüfung darauf, ob die Auslegung und Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruht (insbesondere Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) oder gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (vgl. BVerfG, NJW 2000, 2187 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat - soweit ersichtlich - in keinem Fall die Auslegung und Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB (oder des § 847 BGB aF) im Zu- sammenhang mit der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien beanstandet.

III.

70
Bei der zweiten Vorlagefrage des 2. Strafsenats geht es um den Maßstab , nach dem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten zu berücksichtigen sind. Dazu ist zunächst nochmals zu betonen, dass es bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, wie etwa die Vermögensverhältnisse des Schädigers oder des Geschädigten, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls geht. Diese hat der - rechtlicher Kontrolle unterliegende - Tatrichter zunächst sämtlich in den Blick zu nehmen, dann die fallprägenden Umstände zu bestimmen und diese im Verhältnis zueinander zu gewichten. Dabei ist in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen; hier liegt das Schwergewicht (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55 BGHZ 18, 149, juris Rn. 19).

IV.

71
Für die Frage, ob es im Urteil Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schädigers oder des Geschädigten bedarf und ob der Einfluss dieser Verhältnisse auf die Bemessung der billigen Entschädigung in den Urteilsgründen erörtert werden muss, ergibt sich danach:
72
Im Rahmen der bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld wie dargestellt gebotenen Gesamtbetrachtung steht in der Regel die infolge der Schädigung erlittene Lebenshemmung im Vordergrund. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der beiden Teile und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind daher nur geboten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten. Limperg Galke Meier-Beck VRiBGH Prof. Dr. Bergmann hat an der Entscheidung mitgewirkt, ist aber an der Unterschriftsleistung infolge Krankheit verhindert. Limperg Stresemann Fischer Sost-Scheible Raum Büscher Milger Ellenberger Eick Felsch Gehrlein Franke Jäger Schäfer Schneider Seiters Schilling Berger Krehl Gericke

Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.