Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2010 - 2 Sa 322/09

bei uns veröffentlicht am30.06.2010

Tenor

I. Die Berufung des Klägers wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung einer tarifvertraglichen Entfernungsentschädigung. Zum Sachverhalt heißt es im Tatbestand des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts S vom 11.11.2009 – 3 Ca 345/09 – u. a. wie folgt:

2

Der Kläger ist als Forstarbeiter im Landesdienst Mecklenburg-Vorpommern im Nationalpark A V, Revier Z, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in forstwirtschaftlichen Verwaltungen, Einrichtungen und Betrieben der Länder (TV-Forst) vom 18.12.2007, am 01.01.2008 in Kraft getreten, Anwendung.

3

Der Kläger fährt täglich mit seinem Privat-Pkw von seinem Wohnort zum Ausstellungsgebäude S W im Revier Z und zurück.

4

Für die Monate Januar bis Dezember 2008 zahlte das beklagte Land an den Kläger eine Entfernungsentschädigung nach § 23 Abs. 7 TV-Forst. Im Oktober 2008 erhielt der Kläger eine Entfernungsentschädigung iHv. 79,20 EUR, im November 2008 iHv. 108,90 und im Dezember 2008 iHv. 71,70 EUR.

5

§ 23 Abs. 7 TV-Forst lautet wie folgt:

6

"Benutzt der/die Beschäftigte sein/ihr Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung, erhält er/sie eine Entfernungsentschädigung. Die Entfernungsentschädigung wird ab dem 31. km gewährt; Hinfahrt und Rückfahrt sind jeweils gesondert zu betrachten. Sie beträgt bei einem Kraftfahrzeug mit einem Hubraum

7

a) bis 600 ccm

0,18 EUR,

b) von mehr als 600 ccm

0,30 EUR.

8

Mit neu eingestellten Beschäftigten kann abweichend von Satz 1 auch ein anderer Ort als der Wohnort für die Gewährung der Entfernungsentschädigung im Arbeitsvertrag vereinbart werden.

9

Verlegt der/die Beschäftigte aus persönlichen Gründen seinen/ihren Wohnsitz, erhöht sich dadurch der Anspruch auf Entfernungsentschädigung nach den Sätzen 1 bis 4 nicht."

10

Das beklagte Land sah zunächst in Übereinstimmung mit dem im Land für Tarifrecht zuständigen Finanzministerium einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung auch dann als gegeben an, wenn der Beschäftigte keine wechselnden – also verschiedenen – Arbeitsstellen, sondern nur eine einzige Arbeitsstelle hat und sah die Formulierung "erste und letzte Arbeitsstelle" nur als Berechnungsgrundlage an.

...

11

In der Folge wies das beklagte Land alle Dienststellen, die Beschäftigte im Geltungsbereich des TV-Forst haben, an, die Entfernungsentschädigung nicht mehr zu zahlen, wenn dauerhaft keine wechselnden Arbeitsstellen vorliegen bzw. wenn von den Beschäftigten mit ihrem Fahrzeug stets der gleiche Treffpunkt angefahren wird, von welchem aus dann mit einem Betriebsfahrzeug verschiedene Arbeitsstellen angefahren werden oder wenn ein Betriebsfahrzeug bestellt wird.

12

Eine Klage auf Zahlung einer Entfernungsentschädigung von 1.210,20 EUR nebst Zinsen hat das Arbeitsgericht S abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt: Nach dem Wortlaut der Tarifnorm sei es erforderlich, dass mehrere Arbeitsstellen angefahren werden. Der Kläger habe jedoch eine ständige Arbeitsstelle, die er täglich mit seinem Privat-Pkw anfährt und verläßt. Soweit der Kläger seinen Dienst nicht im Ausstellungsgebäude verrichtet, sondern sich im Revier fortbewegen muss, tut er dies entweder zu Fuß oder mit dem Dienstfahrrad. Unter § 23 Abs. 7 TV-Forst falle aber nur der Waldarbeiter, der zumindest wechselnde Arbeitsstellen mit seinem Privat-Pkw nutze. Auch auf betriebliche Übung könne der Kläger sich nicht stützen.

13

Dieses Urteil ist dem Kläger am 27.11.2009 zugestellt worden. Er hat dagegen Berufung eingelegt, die am 28.12.2009, einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Nachdem aufgrund eines rechtzeitig eingegangenen Antrages die Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.2.2010 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung an einem Montag, 01.03.2010, beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

14

Der Kläger ist der Auffassung, die Tarifparteien hätten eine Beschäftigung an verschiedenen Arbeitsstellen nicht als anspruchsbegründend vorausgesetzt. Dies ergebe sich auch aus dem Vorläufer der Entfernungsentschädigung (MTW-O § 34 Abs. 1 Satz 1), wonach ein Wegegeld immer gezahlt werde, wenn die Entfernung zur Arbeitsstelle mehr als 7 km (Hin- und Rückweg) betrage. Auch die Durchführungshinweise der TdL zu § 23 Abs. 7 würden dieses Ergebnis stützen. Auch könne von einer festen Arbeitsstelle des Klägers nicht ausgegangen werden. Der Kläger beginne und beende seinen Tag zwar im Ausstellungsgebäude. Dazwischen sei er jedoch in dem weitläufigen Revier tätig. Der Tarifnorm sei nicht zu entnehmen, dass der Weg zwischen den Arbeitsstellen mit einem Kraftfahrzeug zurückgelegt werden müsse.

15

Der Kläger beantragt,

16

1. unter Abänderung des am 11.11.2009 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts S, Az.: 3 Ca 345/09, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 1.210,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

17

2. Das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger weitere EUR 620,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

19

Es tritt der angefochtenen Entscheidung bei. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

21

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Es kann daher zunächst auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen werden. Zu den Angriffen der Berufung gilt Folgendes:

22

Es kann dahinstehen, ob der Vorläufer des § 23 Abs. 7, der § 34 MTW-O ein Wegegeld für die Entfernung vom Wohnort zur Arbeitsstelle gewährt hat. Mit der Neufassung des § 23 Abs. 7 TV-Forst haben die Tarifparteien die Ansprüche grundsätzlich auf eine neue Stufe stellen wollen. Ferner ist bei der Auslegung dieser Tarifnorm zu berücksichtigen, dass es dem Arbeitsrecht grundsätzlich fremd ist, dass der Arbeitgeber für die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstelle finanziell verantwortlich ist. Dies wäre insbesondere bei größeren Entfernungen, die allein auf privaten Lebensentscheidungen der einzelnen Arbeitnehmer beruhen, auch hin und wieder grob unbillig.

23

Unter diesem Blickwinkel spricht die Formulierung "zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle" dafür, dass die Tarifparteien den Geltungsbereich dieser Norm auf die Arbeitnehmer beschränken wollten, bei denen die erste und die letzte Arbeitsstelle während des Arbeitstages regelmäßig wechseln. Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. Der Kläger beginnt und verläßt seine Arbeit jeweils an der gleichen Stelle. Damit ist er nicht der typische Arbeitnehmer in einer forstwirtschaftlichen Einrichtung. Dessen Arbeit wird gerade von wechselnden Einsatzorten in der Weise geprägt, dass der erste und der letzte Einsatzort nicht miteinander identisch sind. Es wird eingeräumt, dass der Gesichtspunkt, dass die Tarifnorm keinen Ausschluss der Entfernungsentschädigung für die Arbeitnehmer enthält, die nur an einer Arbeitsstelle tätig sind, für den Kläger spricht. Man könnte daher auch vertreten, dass die Tarifvertragsparteien für diese Arbeitnehmer eine Gleichbehandlung gewollt hätten.

24

Angesichts der ausdrücklichen Regelung hinsichtlich der ersten und letzten Arbeitsstelle sprechen jedoch nach Auffassung des Gerichts die besseren Argumente dafür, dass die Entschädigung nur den Arbeitnehmern zugute kommen soll, bei denen die erste und letzte Arbeitsstelle grundsätzlich unterschiedlich sind. Den Durchführungshinweisen zu § 23 Abs. 7 der TdL kommt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu, da die Tarifgemeinschaft zu erkennen gegeben hat, dass er an der bisherigen Auslegungspraxis nicht mehr festhält. Dies ergibt sich auch aus der beigefügten Auskunft vom 29. März 2010 (Blatt 199 d. A.).

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.

26

Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Revision gegeben § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2010 - 2 Sa 322/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2010 - 2 Sa 322/09

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2010 - 2 Sa 322/09 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2010 - 2 Sa 322/09 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2010 - 2 Sa 322/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Arbeitsgericht Stralsund Urteil, 11. Nov. 2009 - 3 Ca 345/09

bei uns veröffentlicht am 11.11.2009

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. 3. Der Streitwert wird auf 1.210,20 Euro festgesetzt. Tatbestand 1 Die Parteien streiten um die Zahlung einer tarifvertraglichen Entfernungsentschä

Referenzen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf 1.210,20 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung einer tarifvertraglichen Entfernungsentschädigung für den Zeitraum Oktober 2008 bis einschließlich September 2009.

2

Der Kläger ist als Forstarbeiter im Landesdienst Mecklenburg-Vorpommern im Nationalpark Amt Vorpommern, Revier Zingst, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in forstwirtschaftlichen Verwaltungen, Einrichtungen und Betrieben der Länder (TV-Forst) vom 18.12.2007, am 01.01.2008 in Kraft getreten, Anwendung.

3

Der Kläger fährt täglich mit seinem Privat-PkW von seinem Wohnort zum Ausstellungsgebäude Sundische Wiese im Revier Zingst und zurück.

4

Für die Monate Januar bis Dezember 2008 zahlte das beklagte Land an den Kläger eine Entfernungsentschädigung nach § 23 Abs. 7 TV-Forst, im Oktober 2008 erhielt der Kläger eine Entfernungsentschädigung iHv. 79,20 Euro, im November 2008 iHv. 108,90 und im Dezember 2008 iHv. 71,70 Euro.

5

§ 23 Abs. 7 TV-Forst lautet wie folgt:

6

"Benutzt der/die Beschäftigte sein/ihr Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung, erhält er/sie eine Entfernungsentschädigung. Die Entfernungsentschädigung wird ab dem 31. km gewährt; Hinfahrt und Rückfahrt sind jeweils gesondert zu betrachten. Sie beträgt bei einem Kraftfahrzeug mit einem Hubraum

7

 a) bis 600 ccm

 0,18 Euro

 b) von mehr als 600 ccm

 0,30 Euro.

8

Mit neu eingestellten Beschäftigten kann abweichend von Satz 1 auch ein anderer Ort als der Wohnort für die Gewährung der Entfernungsentschädigung im Arbeitsvertrag vereinbart werden.

9

Verlegt der/die Beschäftigte aus persönlichen Gründen seinen/ihren Wohnsitz, erhöht sich dadurch der Anspruch auf Entfernungsentschädigung nach den Sätzen 1 bis 4 nicht."

10

Das beklagte Land sah zunächst in Übereinstimmung in dem im Land für Tarifrecht zuständigen Finanzministerium einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung auch dann als gegeben an, wenn der Beschäftigte keine wechselnden - also verschiedenen- Arbeitsstellen, sondern nur eine einzige Arbeitsstelle hat und sah die Formulierung "erste und letzte Arbeitsstelle" nur als Berechnungsgrundlage an.

11

Die Vertreter des Landes Baden-Würtemberg haben die Anwendungspraxis der Länder zu dieser Regelung in der Sitzung des Forstausschusses der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) am 08./09.09.2008 auf die Tagesordnung gesetzt. Im Ergebnis erachtete der Forstausschuss die Rechtsauffassung des Landes Baden-Würtemberg, die Formulierung "erste und letzte Arbeitsstelle" sei klarer Indikator dafür, dass die Tarifparteien bei der Vereinbarung dieser Tarifnorm grundsätzlich von ständig wechselnden Arbeitsstellen in der Waldarbeit ausgegangen seien, als schlüssig» Der Forstausschuss bat, die ggfs. abweichende Anwendungspraxis zu überprüfen und unter Berücksichtigung der beschriebenen Sachgründe, die Anwendung dieser Tarifregelung zu vereinheitlichen (Auszug Niederschrift FA 1./2008, Anlage B 2 , Bl. 46,  47 d. A.) .

12

In der Folge wies das beklagte Land alle Dienststellen, die Beschäftigte im Geltungsbereich des TV-Forst haben, an, die Entfernungsentschädigung nicht mehr zu zahlen, wenn dauerhaft keine wechselnden Arbeitsstellen vorliegen bzw. wenn von den Beschäftigten mit ihrem Fahrzeug stets der gleiche Treffpunkt angefahren wird, von welchem aus dann mit einem Betriebsfahrzeug verschiedene Arbeitsstellen angefahren werden oder wenn ein Betriebsfahrzeug bestellt wird. Des Weiteren erfolgte die Anweisung, die Rückforderung im Rahmen der Ausschlussfrist geltend zu machen.

13

Das Arbeitsgericht Regensburg hat im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten, in welchen es um die Zahlung der Entfernungsentschädigung ging, Tarifauskünfte bei der TdL sowie der IG Bauen-Agrar-Umwelt eingeholt. Durch Urteil vom 15.04.2009 zu dem Aktenzeichen 3 Ca 2442/08 des Arbeitsgerichts Regensburg ist eine Klage auf Zahlung einer Entfernungsentschädigung rechtskräftig abgewiesen worden.

14

Der Kläger ist der Auffassung, die Formulierung in § 23 Abs. 7 TV-Forst spräche keineswegs eindeutig dafür, dass die Entschädigung nur mit Mitarbeitern mit ständig wechselnden Arbeitsstellen erhalten sollten. Hiergegen spräche zum Einen, dass eine Einsatzwechseltätigkeit als Anspruchsvoraussetzung im Vertragstext nicht erwähnt ist. Auch die gehe die TdL in ihren Durchführungshinweisen vom 03.02 .2008 nicht von wechselnden Arbeitsstellen aus. Als Beispiel für einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung werde ausdrücklich auf den Seiten 46 und 47 der Forstwirt B angeführt, welcher unmittelbar im Forstbetrieb arbeitet, der 45 km von der Wohnung des Forstwirts entfernt liegt. Die tarifschließende IG Bauen-Agrar-Umwelt sei bei Vertragsschluss jedenfalls nicht davon ausgegangen, dass die Entfernungsentschädigung nur Beschäftigten mit wechselnden Arbeitsstellen zustehen solle. Da das beklagte Land für die Monate Januar bis Dezember 2008 die Entfernungsentschädigung anstandslos und ohne Vorbehalt gezahlt habe, habe der Kläger, eine fehlende rechtliche Verpflichtung unterstellt, unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung einen Anspruch auf Zahlung der Entschädigung erworben.

15

Des Weiteren behauptet der Kläger, er habe noch immer regelmäßig wechselnde Arbeitsstellen. Er habe keinen festen Dienstort. Er sei vergleichbar mit dem Waldarbeiter, der morgens von daheim ins Revier fahre und dort aufgrund unterschiedlicher Arbeitsaufträge an verschiedenen Einsatzstellen Holz ernte, Pflanzungsarbeiten ausführe, Landschaftspflege betreibe o. a. Wegen der weiteren diesbezüglichen Ausführungen wird auf Seite 3 und 4 des Schriftsatzes des Klägers vom 28.10.2009 (Bl. 68, 69 d. A.) Bezug genommen.

16

Der Kläger beantragt,

17

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 1.210,20 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

Das beklagte Land beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger habe keine wechselnden Arbeitsstellen iSd. § 23 Abs. 7 TV-Forst, da er entweder im Ausstellungsgebäude Sundische Wiese im Revier Zingst Ausstellungsdienst verrichte oder mit dem aus dienstlichen Gründen zur Verfügung gestellten Dienstfahrrad weiter zur Wacht im Bereich zur Sundischen Wiese fahre. Des Weiteren beruft sich das beklagte Land auf das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 15.04.2009 (Anlage B 6 , Bl. 57 - 65 d. A.).

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 11.11.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist unbegründet.

23

Die Erwägungen, auf denen die Entscheidung des Gerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, werden gem. § 313 Abs. 3 ZPO wie folgt kurz zusammengefasst:

I.

24

Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung einer Entfernungsentschädigung gem. § 23 Abs. 7 TV-Forst. Denn der Kläger hat keine wechselnden Arbeitsstellen iSd. § 23 Abs. 7 TV-Forst.

1.

25

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwort laut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel können weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder die praktische Tarifübung ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, so BAG, Urteil vom 17.10.2007, NZA 2008, 713).

2.

26

Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 7 TV-Forst soll der/die Beschäftigte eine Entfernungsentschädigung erhalten, der/die sein/ihr Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von seiner/ihrer Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung, erhalten. Bereits nach dem Wortlaut "erste Arbeitsstelle" und "letzte Arbeitsstelle" ist es erforderlich, dass der Beschäftigte an verschiedenen Arbeitsstellen eingesetzt wird. Für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle erhalten die Beschäftigten grundsätzlich keine Fahrtkostenentschädigung. Die am 01.01.2003 in Kraft getretene Neuregelung zur Entfernungsentschädigung im Forstbereich ist im Zusammenhang mit den Strukturveränderungen in den Forst Verwaltungen erfolgt. Gem. Ziffer 2.10.5 der Durchführungshinweise der zum TV-Forst vom 03.03,2008 berücksichtigt die Neuregelung des § 23 Abs. 7 TV-Forst die im Zusammenhang mit den Strukturveränderungen in den Forstverwaltungen der Länder eingetretene Situation, dass nunmehr teilweise sehr weite Wegstrecken von den Beschäftigten hin zu ihren Einsatzgebieten zurückgelegt werden müssen. Hinzu kommt der Umstand, dass die wechselnden Arbeitsstellen teilweise in entlegene und oft nur auf Waldwegen zugänglichen Bereich aufgesucht werden müssen. Voraussetzung für die Entfernungsentschädigung ist, dass der Kläger sein eigenes Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung benutzt. Den weiteren Durchführungshinweisen zur Entfernungsentschädigung lässt sich bezüglich der wechselnden Arbeitsstellen nichts Näheres entnehmen. Die aufgeführten Beispiele geben nur die Berechnung der Entfernungsentschädigung wieder.

27

Bereits nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 7 TV-Forst ist grundsätzlich eine wechselnde Tätigkeit an verschiedenen Arbeitsstellen erforderlich, da der Beschäftigte einen Mehraufwand hat, wenn er mit seinem Privat-PkW diese verschiedenen Arbeitsstellen, aber zumindest die erste (wechselnde) Arbeitsstelle an einem Arbeitstag anfahren muss. Voraussetzung der Entfernungsentschädigung ist es, dass der Beschäftigte an wechselnden Arbeitsstellen tätig wird und darüber hinaus diese wechselnden Arbeitsstellen, zumindest jedoch die erste, seines Arbeitstages mit seinem Kraftfahrzeug anfährt.

3.

28

Ausweislich der Seitens des beklagten Landes abgereichten Auskunft der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder vom 29.01.2009 gegenüber dem Arbeitsgericht Regensburg (Anlage B 5, Bl. 54 - 56 d. A.) geht die TdL davon aus, dass grundsätzlich ständig wechselnde Arbeitsstellen in der Waldarbeit Voraussetzung sind. Dies schließe nicht aus, dass der Beschäftigte an einem einzelnen Arbeitstag die aufgetragene Arbeit nur an einer Arbeitsstelle ausübt. Entscheidend sei vielmehr, dass - forsttypischerweise - sein Tätigkeitsfeld in der Waldarbeit im Laufe der Arbeitstage den Einsatz an wechselnden Arbeitsstellen erfordere. Dabei könne eine temporär beschränkte Tätigkeit an einem bestimmten örtlichen zugewiesenen Arbeitsbereich unschädlich sein. Dies gelte auch bei einem in den Arbeitsabläufen begründeten ständigen Wechsel zwischen einem festen Arbeitsort und wechselnden Einsatzorten. Auf eine Tarifauskunft der IG Bauen-Agrar-Umwelt kam es insoweit nicht an. Ausweislich des Urteils des Arbeitsgerichts Regensburg vom 15.04.2 0 09 zu dem Aktenzeichen 3 Ca 2442/OS setzt die Entfernungsentschädigung nicht zwingend täglich wechselnde Arbeitsstellen voraus. Ausweislich des Urteils hat die IG Bauen-Agrar-Umwelt behauptet, dass nicht beabsichtigt gewesen sei, die Entschädigung nur den Beschäftigten zukommen zu lassen, die wechselnden Arbeitsstellen hätten. Es sei keine Anspruchsvoraussetzung, dass ein Beschäftigter an einem Arbeitstag an mehr als nur einer Arbeitsstelle eingesetzt werde.

29

Dass ein Wechsel der Arbeitsstelle zumindest über mehrere Arbeitstage erforderlich ist, ergibt sich bereits unabhängig von einer Tarifauskunft aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 7 TV-Forst. Der Kläger hat seine ständige Arbeitsstelle im Ausstellungsgebäude Sundische Wiese im Revier Zingst. Ausweislich der Tarifauskunft der TdL sind unter dem Begriff "Arbeitsstelle" iSd. § 23 Abs. 7 TV-Forst konkrete unterschiedliche und forstspezifische Arbeits- bzw. Einsatzstellen des Beschäftigten im Geltungsbereich des TV-Forst zu verstehen. Die damit verbundenen Arbeits- bzw. Einsatzstellen im Forstbereich sollen dabei örtlich typischerweise wechselnd sein.

30

Der Kläger hat seine feste Arbeitsstelle im Nationalpark Amt Vorpommern, Revier Zingst. Seine feste Arbeitsstelle hat er im Ausstellungsgebäude Sundische wiese im Revier Zingst. Diese Arbeitsstelle fährt er mit seinem Privat-PkW an und fährt von dieser Arbeitsstelle mit seinem Privat - Pkw zurück. Er verrichtet entweder seinen Ausstellungsdienst im Ausstellungsgebäude oder führt ausweislich der von ihm abgereichten Arbeitsaufträge (Anlage K 4 f BL 97 - 99 d. A.) Wach- und Kontrolldienste sowie Führungen im Revier Zingst durch. Bei diesen Seitens des Klägers aufgeführten Arbeitsaufträgen handelt es sich nicht um wechselnde Arbeitsstellen, da die Arbeitsstelle im Ausstellungsgebäude Sundische Wiese im Revier Zingst liegt. Ferner erfolgt die Fortbewegung des Klägers im Revier entweder zu Fuss oder auf dem Dienstfahrrad. Der Kläger ist danach nicht mit dem Waldarbeiter vergleichbar, der morgens von daheim ins Revier fährt und dort aufgrund unterschiedlicher Arbeitsaufträge an verschiedenen Einsatzstallen forstspezifische Aufgaben erbringt. Denn unter § 23 Abs. 7 TV-Forst fällt nur der Waldarbeiter, der - wenn auch nicht an einem Arbeitstag - zumindest wechselnde Arbeitsstellen mit seinem Privat-PkW aufsucht« Soweit der Kläger ausführt, dass wenn Technik oder Arbeitsgeräte zu transportieren seien, er sein Privat- Kfz nutze, ergibt sich hieraus nicht, dass er einen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 23 Abs. 7 TV-Forst hat. Diesbezügliche Entschädigungsansprüche sind in § 23 TV-Forst geregelt, insbesondere in § 23 Abs. 5 TV-Forst. Denn in § 23 Abs. 5 TV-Forst ist eine Kraft fahr Zeugenentschädigung für Fahrten eines Mitarbeiters zur Erledigung eines dienstlichen Auftrages während der Arbeitszeit mit seinem eigenen Kraftfahrzeug enthalten.

II.

31

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aufgrund betrieblicher Übung. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige (gleichförmige) Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus der Arbeitnehmer einen konkreten Verpflichtungswillen des Arbeitgebers ableiten können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Dabei können Ansprüche aus betrieblicher Übung nur entstehen, wenn für den geltend gemachten Anspruch keine anderweitige Anspruchsgrundlage besteht. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber nur vermeintlich aufgrund vertraglicher Verpflichtung leistet (ErfK - Preis, 10. Auflage, 611 BGB, Rz 220 mwN.)

32

Vorliegend ergibt sich der geltend gemachte Anspruch aus § 23 Abs. 7 TV-Forst. Somit besteht für einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung eine tarifvertragliche Anspruchsgrundlage. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger keinen Anspruch aufgrund betrieblicher Übung. Es fehlt insoweit auch einem entsprechenden Bindungswillen des beklagten Landes, da es vermeintlich aufgrund des Tarifvertrages zunächst Entfernungsentschädigungen gezahlt hat.

33

Da der Kläger somit die Entfernungsentschädigung ohne Rechtsgrund Seitens des beklagten Landes erhalten hat, war er um die gezahlte Entfernungsentschädigung gem. § 812 Abs. 1 Satz BGB um diese bereichert. Das beklagte Land war berechtigt, insoweit im Rahmen der sechsmonatigen Ausschlussfrist die gezahlte Entfernungsentschädigung für die Monate Oktober bis einschließlich Dezember 2008 im Wege der Nachberechnung wieder einzuziehen.

34

Danach war die Klage abzuweisen.

III.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. 91 ZPO. Der gem. § 61 Abs. l ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert bemißt sich nach der Höhe der mit der Klage geltend gemachten Forderung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)