Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2016 - 8 Sa 323/16
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.02.2016 – 12 Ca 707/15 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.225,81 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.01.2015 zu zahlen.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 580,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.02.2015 zu zahlen.
3) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung für 2015 in Höhe von 857,14 € brutto zu zahlen.
4) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 90 % und die Beklagte 10 %.
3. Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten in der Berufung nur noch über Lohnzahlungsansprüche für die Zeit vom 19.12.2014 bis 18.01.2015 bzw. hilfsweise Urlaubsabgeltungsansprüche für 16 Urlaubstage aus beendetem Arbeitsverhältnis.
3Der Kläger war vom 01.07.2014 bis 21.01.2015 als Vertriebsleiter bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttogehalt von 9.000,00 € brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 21.01.2015, deren Wirksamkeit das Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt hat. Dem Kläger stand nach dem Arbeitsvertrag ein Jahresurlaub von 28 Tagen zu. Im Jahr 2014 waren dies 14 Urlaubstage, die er unstreitig nicht genommen hat. Für das Jahr 2015 besteht unstreitig ein Urlaubsabgeltungsanspruch von 2 Tagen.
4Der Kläger verbrachte unstreitig die Zeit vom 19.12.2014 bis zum 18.01.2015 auf M , ohne dafür von der Beklagten Urlaub oder eine sonstige Freistellung gewährt bekommen.
5Die Beklagte zahlte für diesen Zeitraum keinen Lohn.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
7Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der hier streitigen Lohnansprüche abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 196 – 211 d. A.) wird verwiesen. Die Berufung des Klägers richtet sich insoweit gegen diese Entscheidung. Der Kläger behauptet unter Beweisantritt, auch auf M für die Beklagte gearbeitet zu haben. Seine Arbeit sei nicht an den Geschäftssitz der Beklagten in K gebunden gewesen. Er habe europaweit Kunden akquiriert. So habe er mit spanischen und portugiesischen Kunden sehr zeitintensiv, aufwändig und örtlich teilweise unterschiedlich über Tage Verhandlungen darüber geführt, welche Produkte eingeführt, vertrieben und marktfähig gemacht werden können.
8Hilfsweise beruft sich der Kläger, auf einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 2014 von 14 Tagen und 2015 von 2 Tagen. Wegen der Berechnung wird auf den Klägerschriftsatz vom 04.10.2016 (unter Ziffer 3.) verwiesen.
9Der Kläger beantragt,
10das angefochtene insoweit Urteil abzuändern als der Lohn für den Zeitraum 19.12.2014 bis zum 18.01.2015 abgewiesen wurde und die Beklagte zu verurteilen an den Kläger weitere 3.774,19 € brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 06.01.2015 (Restlohn 12/14) und weitere 5.555,71 € brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 05.02.2015 (Restlohn 1/15) zu bezahlen.
11Die Beklagte beantragt
12die Zurückweisung der Berufung.
13Sie trägt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag vor, der Kläger habe entgegen seinem pauschalen Vortrag auf M nicht gearbeitet, er sei auch nicht angewiesen worden seine Arbeitsleistung dort zu erbringen. Der Urlaubsanspruch für 2014 sei verfallen.
14Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16I. Die Berufung ist zulässig, in der Sache hat sie zu einem geringen Teil Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der in der Berufung noch streitigen Ansprüche überwiegend zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht für den streitigen Zeitraum kein Lohnanspruch zu. Der Kläger hat gegen die Beklagte lediglich - auf sein Hilfsvorbringen - einen Urlaubsabgeltungsanspruch für2 Urlaubstage aus 2015 in Höhe von 857,14 € brutto nebst Zinsen.
171. Zu Recht hat das Arbeitsgericht einen Lohnanspruch des Klägers aus§ 611 BGB iVm dem Arbeitsvertrag der Parteien für den Zeitraum vom 19.12.2014 bis 18.01.2015 abgewiesen. In dieser Zeit hat sich der Kläger unstreitig - ohne Urlaubsgewährung oder eine sonstige Freistellung - auf M aufgehalten. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung im streitigen Zeitraum nicht schlüssig vorgetragen. Die Beklagte trägt vor, sie habe den Kläger nicht angewiesen, seine Arbeitsleistung in dieser Zeit von M aus zu erbringen und bestreitet, dass er dort für sie gearbeitet hat. Dazu trägt der Kläger vor, seine Arbeit sei nicht an den Geschäftssitz der Beklagten in K gebunden gewesen, er habe europaweit Kunden akquiriert, er habe mit spanischen und portugiesischen Kunden sehr zeitintensiv, aufwändig und örtlich teilweise unterschiedlich über Tage Verhandlungen darüber geführt, welche Produkte eingeführt, vertrieben und marktfähig gemacht werden können. Diesem pauschalen Vortrag fehlt es an jedweder Konkretisierung (wann, mit wem, wo, welche Tätigkeit?). Im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagte ist das Klägervorbringen unsubstantiiert und daher unbeachtlich. Einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen bedurfte es somit nicht. Wegen der weiteren Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.
182. Auf das Hilfsvorbringen des Klägers, war die Beklagte in Höhe von857,14 € brutto (Urlaubsabgeltung für 2 Tage aus 2015) nebst Zinsen zu verurteilen.
19a. Der Kläger hat seine Klage zulässigerweise hilfsweise auf einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung von 16 Tagen gestützt in Höhe von insgesamt 6.857,12 € brutto, davon für 14 Tage aus 2014 in Höhe von 5.999,98 € brutto und für 2 Tage aus 2015 in Höhe von 857,14 € brutto. Dem Kläger stand nach dem Arbeitsvertrag ein Jahresurlaub von 28 Tagen zu. Im Jahr 2014 waren dies 14 Urlaubstage, die er unstreitig nicht genommen hat. Für das Jahr 2015 besteht unstreitig ein Urlaubsabgeltungsanspruch von 2 Tagen.
20b. Dem Kläger steht kein Urlaubsabgeltungsanspruch von 14 Tagen aus 2014 in Höhe von 5.999,98 € brutto zu.
21aa. Der Urlaub aus 2014 ist gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 BUrlG verfallen, weil er nicht im jeweils laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen wurde und für eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr die dafür erforderlichen dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe nicht vorlagen.
22bb. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch für die verfallenen 14 Urlaubstage gemäß § 275 Abs. 1 und 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 283 Satz 1,§ 286 Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB zu (vgl. dazu LAG Berlin-Brandenburg vom 12.06.2014 – 21 Sa 221/14). Das Berufungsgericht schließt sich zur Begründung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22.04.2016 (4 Sa 1095/15) an:
231. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (und ihm folgend das Landesarbeitsgericht München vom 06.05.2015 – 8 Sa 982/14 – Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig unter dem Aktenzeichen9 AZR 541/15) begründen den Schadensersatzanspruch entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (dazu noch unten III.) nicht aus dem Gesichtspunkt des Verzugs, sondern aus dem Gesichtspunkt der zu vertretenden Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1 – 3, § 283 BGB i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB) – ein Schadensersatzanspruch, der sich nach dieser Rechtsprechung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 251 Abs. 1 BGB in einen Abgeltungsanspruch umwandelt (insofern auch für den aus Verzugsgesichtspunkten begründeten Schadensersatzanspruch: BAG, 06.08.2013 – 9 AZR 956/11). Anders als das BAG meinen die beiden Landesarbeitsgerichte, dass es nicht darauf ankomme, ob der Arbeitgeber sich zum Zeitpunkt des Untergangs des originären Urlaubsanspruchs, mithin zum Zeitpunkt des Endes des Kalenderjahres, in Verzug befand. Vielmehr habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, werde der Schadensersatzanspruch begründet, es sei denn, der Arbeitgeber habe die nicht rechtzeitige Urlaubsgewährung nicht zu vertreten. Denn mit dem Untergang des Urlaubsanspruchs werde dessen Erfüllung unmöglich, so dass der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 3, § 283 Satz 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen könne. Es komme deshalb nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verzug gesetzt habe.
24Dass der Arbeitnehmer im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (siehe unten III.) den Urlaub nicht erst verlangen müsse, sondern der Arbeitgeber verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer den Urlaub auch ohne vorherige Aufforderung von sich aus rechtzeitig zu gewähren, leiten diese Landesarbeitsgerichte aus Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 04.11.2003 (Arbeitszeitrichtlinie) ab. Dazu wird von ihnen zunächst darauf verwiesen, dass der Urlaubsanspruch dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers diene (wie es sowohl der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – als auch der des EUGH– z. B. 20.01.2009 – C-350/06 - und - C-520/06 – entspreche). Es handele sich also um Arbeitsschutzrecht, was auf unionsrechtlicher Ebene dadurch deutlich werde, dass der Anspruch in Artikel 7 der Arbeitszeitrichtlinie geregelt sei. Für das Arbeitsschutzrecht aber sei anerkannt, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten zum Gesundheitsschutz der bei ihm Beschäftigten auch ohne vorherige Aufforderung nachzukommen habe (z. B. BAG 06.05.2003 – 1 ABR 13/02 - und 20.05.2005– 5 AZR 52/05 –).
25Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen habe. Der Arbeitgeber könne nachfragen. Äußere der Arbeitnehmer auf Nachfrage keine Urlaubswünsche, könne der Arbeitgeber den Urlaub einseitig verbindlich festlegen, wie es auch vom Bundesarbeitsgericht anerkannt sei (BAG 24.03.2009– 9 AZR 983/07 –).
26Das LAG Berlin-Brandenburg gelangt in seinem Urteil sodann dazu, dass keine Anhaltspunkte gegeben seien, dass der dortige Beklagte die Nichterfüllung des Urlaubsanspruches im Sinne des § 280 Satz 2 BGB nicht zu vertreten habe. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Kläger, wenn der Beklagte ihm für das Jahr 2012 Urlaub habe gewähren wollen, nicht bereit gewesen sei, diesen zu nehmen. Auch das Landesarbeitsgericht München (06.05.2012 – 8 Sa 982/14 –) diskutiert die Frage des Vertretenmüssens im Sinne des § 280 Abs. 2 BGB nur unter dem Gesichtspunkt, ob der Arbeitgeber überfordert sei, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt habe und ob ein Mitverschulden des Arbeitnehmers vorliege.
272. In der rechtswissenschaftlichen Literatur unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob das Urteil des EUGH in der Rechtssache B vom 12.06.2014 (C-118/13) dazu zwingt, das nationale Recht so auszulegen, dass es für die Verpflichtung des Arbeitgebers, Urlaub zu erteilen, nicht darauf ankommen kann, dass der Arbeitnehmer im Vorfeld einen entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. z. B: Preis/Sagan/Mehrens/Witschen § 7 Rn. 33: B – Urteil gibt keine Anhaltspunkte für eine solche Verpflichtung des Arbeitgebers; Polzer/Kafka NJW 2015, 2292: Tendenzaussage des EUGH, dass der Arbeitgeber aktiv werden muss und sich nicht darauf berufen kann, dass der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat; ähnlich Kloppenburg jurisPR – ArbR 29/2014 Anm 1).
283. Der EUGH hat in der B -Entscheidung vom 12.06.2014 (C-118/13) allerdings die Frage des LAG Hamm, ob Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen sei, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer im Hinblick auf den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit des Arbeitnehmers bei der Arbeitszeitgestaltung Urlaub bis zum Ablauf des Kalenderjahres oder spätestens bis zum Ablauf eines für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Übertragungszeitraums auch tatsächlich zu gewähren, ohne dass es darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer einen Urlaubsantrag gestellt habe, nicht ausdrücklich beantwortet. Vielmehr hat der EUGH zu den Vorlagefragen gleich eingangs ausgeführt, dass das vorlegende Gericht mit den zu prüfenden drei Fragen im Wesentlichen wissen möchte, ob Artikel 7 dahin auszulegen sei, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehe, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergehe, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende und ob bejahendenfalls eine solche Abgeltung davon abhänge, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt habe. Die weiteren Ausführungen des EUGH sprechen allerdings dafür, dass dieser grundsätzlich – auch unabhängig von dem Sonderfall des Todes des Arbeitnehmers – der Auffassung ist, dass der Anspruch auf finanzielle Vergütung bzw. Abgeltung nicht davon abhängen kann, dass der Arbeitnehmer im Vorfeld einen Antrag auf Gewährung des Urlaubs oder auf Gewährung der finanziellen Vergütung gestellt hat. So heißt es in Randnote 23 des Urteils, dass Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie in seiner Auslegung durch den Gerichtshof
29„…für die Eröffnung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung keine andere Voraussetzung auf (stellt) als diejenige, dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet ist und dass zum anderen der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte“.
30Ähnlich heißt es in Randnote 27 nochmals:
31„Da Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 für die Eröffnung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung außer der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine weitere Voraussetzung aufstellt, kann eine solche Vergütung außerdem nicht davon abhängig gemacht werden, dass im Vorfeld ein entsprechender Antrag gestellt wurde“.
32Aus diesem Grundsatz leitet der EUGH sodann ab, dass auch im Fall des Todes des Arbeitnehmers eine Vergütung nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass im Vorfeld ein entsprechender Antrag gestellt wurde (Randnoten 29 und 30).
33Da das deutsche Recht insoweit zumindest Auslegungsspielräume eröffnet, weil § 7 BUrlG eine entsprechende Antragstellung oder ein entsprechendes Verlangen des Arbeitnehmers nicht ausdrücklich statuiert und die Ableitung einer entsprechenden Tatbestandsvoraussetzung allein aus dem Wort „Anspruch“ in § 1 BUrlG zweifelhaft erscheint und auch § 7 Abs. 1 Satz 1, nach welchem bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Beschäftigten zu berücksichtigen sind, nicht zwingend erfordert, dass dieser entsprechende Wünsche zuvor geäußert hat (BAG, 24.03.2009 –9 AZR 983/07), sprechen überzeugende Gründe der unionsrechtskonformen Auslegung dafür, dass die Rechtsansicht der Landesarbeitsgerichte Berlin-Brandenburg und München richtig ist, dass es nicht darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer den Urlaub zuvor verlangt hat, dass der Arbeitgeber vielmehr verpflichtet ist, den Urlaubsanspruch nach dem BUrlG von sich aus zu erfüllen, sodass der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach Ende des Kalenderjahres bzw. gegebenenfalls des Übertragungszeitraums nicht auf Verzug des Arbeitgebers gestützt werden muss, sondern auf Unmöglichkeit, mithin auf §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB, gestützt werden kann.
344. Demgegenüber hat das Bundesarbeitsgericht in mehr als 30jähriger ständiger und in zahlreichen Entscheidungen immer wieder bestätigter Rechtsprechung für die Entstehung des Schadensersatzanspruches das Vorliegen von Schuldnerverzug des Arbeitgebers zum Zeitpunkt des Verfalls des Urlaubsanspruches verlangt. Nach dieser Rechtsprechung schuldet der Arbeitgeber Ersatz für den verfallenden Urlaubsanspruch nur dann, wenn er mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug geraten ist und aus diesem Grund die durch den Zeitablauf eingetretene Unmöglichkeit des Urlaubsanspruchs nach §§ 280 Abs. 1, 287 Satz 2 BGB zu verantworten hat (vgl. z. B. BAG 18.03.1997 – 9 AZR 994/95 –, juris-Rn. 18). Zur Herbeiführung des Verzuges verlangt das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung eine Mahnung, was bedeutet, dass die Urlaubsansprüche geltend gemacht werden müssen und der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine zeitlich festgelegte Befreiung von der Arbeitspflicht verlangen muss (BAG a. a. O., juris-Rn. 19). Dieses hat das Bundesarbeitsgericht später dahingehend abgemildert, dass es auch ausreichen kann, dass der Arbeitnehmer verlangt, ihm den Urlaub zu gewähren und es dem Arbeitgeber überlässt, den Urlaubszeitraum festzulegen (vgl. z. B: BAG 17.05.2001– 9 AZR 197/10 –).
35Diese Rechtsprechung wurde mit Urteil vom 05.09.1985(6 AZR 86/82) begründet und in zahlreichen Entscheidungen fortgeführt (vgl. z. B. 26.06.1986– 8 AZR 75/83 –; 17.05.2001 – 9 AZR 197/10 – und zuletzt 19.01.2016 – 9 AZR 507/14 – ).
36Das Bundesarbeitsgericht hat also auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Sache B offensichtlich keinen Anlass gesehen, von seiner jahrzehntelangen gefestigten Rechtsprechung abzugehen.
375. Aber auch auf der Basis der in den Grundlagen überzeugenden neueren Rechtsprechung der Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und München steht dem Kläger der Anspruch im Ergebnis nicht zu.
38Der Anspruch des Klägers aus §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB setzt nämlich, auch wenn nach dieser Rechtsprechung Verzug nicht erforderlich ist, voraus, dass der Schuldner die Pflichtverletzungzu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Auch wenn der Arbeitgeber sich insofern exkulpieren muss, so sind im vorliegenden Fall unstreitige Tatsachen gegeben, die das Verschulden des Beklagten ausschließen:
39Der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht es, dass der Arbeitgeber nicht von sich aus ohne ein entsprechendes Verlangen des Arbeitnehmers den Urlaub erteilen muss.
40Es kann aber nicht als schuldhaft angesehen werden, wenn ein Arbeitgeber, hier der Beklagte, dieser jahrzehntelangen ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt. Dass ein Sich-Verlassen auf höchstrichterliche Rechtsprechung exkulpiert, entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung zu den Fällen der Wiedereinsetzung nach § 234 ZPO. Hier wird grundsätzlich ein strenger Maßstab an die Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten angelegt. Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss dieser den sicheren Weg wählen (vgl. z. B. BGH 03.11.2010– XII ZB 197/10 –). Umgekehrt aber darf der Prozessbevollmächtigte sich auf bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung verlassen (BGH 19.12.2012 – XII ZB 169/12 –). Das gilt sogar dann, wenn verschiedene Senate des obersten Gerichts in einer Rechtsfrage divergieren (BGH a. a. O.).
41Erst recht muss daher das Verschulden eines Arbeitgebers ausscheiden, wenn er sich an eine jahrzehntelange, ungebrochene und bei dem zuständigen obersten Gericht einhellige Rechtsprechung hält.
42c. Dem Kläger steht für das Jahr 2015 unstreitig ein Urlaubsabgeltungsanspruch von 2 Tagen zu. Die Beklagte ist demnach verpflichtet, an den Kläger 857,14 € brutto (9.000,00 € : 21 Arbeitstage =428.57 € x 2).
43II. Nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens haben der Kläger 90 % und die Beklagte 10 % von den Kosten des Rechtsstreits zu tragen(§ 92 Abs. 1 ZPO).
44III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2016 - 8 Sa 323/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2016 - 8 Sa 323/16
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2016 - 8 Sa 323/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.225,81 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 06.01.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 580,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2015 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.
5. Der Urteilsstreitwert beträgt 99.000,00 €.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher Kündigungen, einer ordentlichen auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung sowie um Zahlung von Lohn.
3Die Parteien standen bereits seit 2004 in unternehmerischer Verbindung als Geschäftspartner und vertrieben u.a. gemeinsam die eigene Marke . Die Lizenzrechte für liegen seit 2013 ausschließlich bei der Beklagten. Mit Vertrag vom 30.06.2014 vereinbarten die Parteien sodann den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wurde ab 01.07.2014 als Vertriebsleiter für die Marken , , und eingestellt. Bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche im Innen‑ und Außendienst wurde ein monatliches Gehalt von 9.000,00 € vereinbart. Zur Nebentätigkeit sieht der Arbeitsvertrag folgendes vor in Ziffer 6:
4"Die Übernahme von Nebenbeschäftigungen, die in Konkurrenz zur übernommenen Arbeitsleistung stehen, bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung der ."
5Ferner war eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum Quartalsende vereinbart. Unter Ziffer 9 erfolgte ein Verweis auf die Vorschriften des Tarifvertrages des Groß‑ und Außenhandels in der jeweils geltenden Fassung (vgl. Bl. 3 - 4 d.A.).
6Die Beklagte kündigte zunächst mit Schreiben vom 15.01.2015 unter Berufung auf betriebliche Gründe das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2015 (Bl. 5 - 6 d.A.). Sie bezieht sich hierfür auf eine am 19.12.2014 getroffene Unternehmerentscheidung zur Einstellung des Vertriebes in der bisherigen Form mit sofortiger Wirkung. Mit Schreiben vom 21.01.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich (Bl. 7 d.A.). Sie stützt diese außerordentliche Kündigung auf einen Eingriff des Klägers in die Kundenbeziehungen, eigenmächtige Urlaubnahme bzw. unentschuldigtes Fehlen und Spesenbetrug. Gegen diese beiden Kündigungen richtet sich die am 26.01.2015 beim Arbeitsgericht Köln eingegangene Klage, mit der der Kläger auch Vergütung für Dezember 2015 in Höhe von 9.000,00 € brutto verlangt und insoweit auf die Abrechnung für Dezember (Anlage K 4 = Bl. 16 d.A.) verweist.
7Mit Klageerweiterung vom 12.02.2015 begehrt der Kläger Vergütung für Januar 2015. Mit weiterer Klageerweiterung vom 19.03.2015 begehrt der Kläger Vergütung für Februar 2015 und wendet sich gegen eine weitere außerordentliche Kündigung vom 04.03.2015 (Bl. 31 d.A.). Diese Kündigung stützt die Beklagte unter anderem auf Konkurrenztätigkeit während des Kündigungsschutzprozesses. Mit weiterer Klageerweiterung vom 09.04.2015 begehrt der Kläger Vergütung für März 2015 und wendet sich gegen eine weitere außerordentliche Kündigung vom 26.03.2015 (Bl. 75 d.A.).
8Der Kläger bestreitet den Wegfall seines Arbeitsplatzes und weist darauf hin, dass erst sechs Monate zuvor seine Stelle geschaffen worden sei. Seine bisherige Tätigkeit als Selbstständiger sei seit Juli 2014 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses fortgeführt worden, was im Hinblick auf die besondere arbeitsvertragliche Beziehung zu berücksichtigen sei. Er betreibe und habe im Nebenerwerb in Kenntnis und ständiger Duldung der Beklagten eine Handelsvertretung betrieben, über die er ursprünglich auch die Waren vertrieben habe, die er dann in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer für die Beklagte vertreten habe. Der Vorwurf einer vermeintlichen und rechtlichen Selbstbeurlaubung sei nicht gerechtfertigt. Zum einen habe die Beklagte unbefugt das Passwort für den E‑Mail‑Account geändert, über den er seine Geschäftskorrespondenz geführt habe; die Änderung des Passworts ohne seine Zustimmung verstoße gegen Datenschutz. Es sei ihm kein Spesenbetrug vorzuwerfen. Er habe die ihm überlassene Kreditkarte der Beklagten für eine Vielzahl von geschäftlichen Essen benutzt und am 27.11.2014 zwei israelische Geschäftspartner bewirtet. Nur versehentlich habe er das Essen mit der dienstlichen Kreditkarte bezahlt und später dann den Beleg in der Buchhaltung der Beklagten zum Zwecke der Barauszahlung vorgelegt und dieses Geld erhalten. Er sei zur Erstattung bereit. Der Vorwurf weiteren Spesenbetrugs und der eigenmächtigen Urlaubnahme sei falsch, denn am 12.01.2015 habe er Repräsentanten der Firma und am 16.01.2015 Herrn von der bewirtet. Wegen der weiteren Vorwürfe – Eingriff in Kundenbeziehungen bzw. Gefährdung von Geschäftsbeziehungen - führt er folgendes an: Er könne der Firma gegenüber keine Aussage mit dem Inhalt getätigt haben, dass ‑Produkte ab sofort direkt bei ihm bestellt werden könnten, da er außer Stande sei, eine sofortige Lieferung mit den geforderten Produkten zu gewährleisten; er sei lediglich im Vertrieb tätig. Auch sei er wegen dieses Ereignisses nicht abgemahnt worden. Bezüglich des Vorwurfes betreffend die sei aus dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich, warum diese Firma die angegebenen Produkte nicht mehr bei der Beklagten bestelle. Auch insoweit fehle an einer Abmahnung. Auch der behauptete Einfluss auf die Firma sei nicht ersichtlich, zumal in der dortigen E‑Mail von einem " " die Rede sei, während er die Vornamen und trage. Zu der Firma habe er lediglich wegen der Vereinbarung zum Verkauf von LED‑Leuchten, die er im Nebenerwerb vertreibe, Kontakt; er beliefere diese nicht regelmäßig mit und .
9Den mit Schriftsatz vom 29.01.2016 angekündigten Klageerweiterungsantrag hat der Kläger ausdrücklich nicht zum Gegenstand dieses Rechtsstreits gemacht.
10Der Kläger hat beantragt,
11- 12
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 15.01.2015 nicht aufgelöst worden ist;
- 14
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 21.01.2015 nicht aufgelöst worden ist;
- 16
3. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag von 9.000,00 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2015 an den Kläger zu zahlen;
- 18
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.000,00 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2015 zu zahlen;
5. die Beklagte wird verurteilt, den Lohn des Klägers für Februar 2015 in Höhe von 9.000,00 € brutto ordnungsgemäß abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2015 an den Kläger zu zahlen;
206. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 04.03.2015 nicht aufgelöst worden ist;
217. die Beklagte zu verurteilen, den Lohn des Klägers in Höhe von 9.000,00 € brutto für den Monat März 2015 ordnungsgemäß abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2015 an den Kläger zu zahlen;
228. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.03.2015 nicht aufgelöst worden ist.
23Die Beklagte hat beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Hinsichtlich der ordentlichen auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung behauptet sie eine Unternehmerentscheidung am 19.12.2014 auf einer Geschäftsführersitzung, die durch die wirtschaftliche Situation im Geschäftsfeld begründet gewesen sei. Der Vertrieb der Marken , , und bei Großhändlern und Importeuren solle ab dem 15.01.2015 nicht mehr durch einen Vertriebsleiter anhand persönlicher Besuche und Kontakte der Kunden durchgeführt werden, sondern nur noch anhand telefonischer und sonstiger Bestellungen (beispielsweise nach Katalog). Kundenpflege und persönliche Kontakte würden seit dem 15.01.2015 bei Bedarf lediglich durch die beiden Geschäftsführer der Beklagten unmittelbar wahrgenommen. Teilweise verbliebene Aufgaben des Klägers würden seit dem 15.01.2015 von den beiden Geschäftsführern wahrgenommen.
26Die Kündigung vom 21.01.2015 beruhe unter anderem auf rechtswidrigen Eingriffen des Klägers in Kundenbeziehungen. Durch E‑Mail vom 19.01.2015 habe der Geschäftsführer der Beklagten den Kunden der Gruppe mitgeteilt, dass der Kläger auf Grund der bereits erfolgten Freistellung nicht länger für die Beklagte tätig sei. Am 20.01.2015 habe er von Herrn der Gruppe eine Antwort dahingehend erhalten, dass der Kläger selbst die Gruppe Anfang 2015 - also noch vor Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung - telefonisch informiert habe, dass er die Produkte der Beklagten nicht länger vertreibe, der Gruppe aber Alternativen anbiete und eine weitere Zusammenarbeit mit der Beklagten für die Zukunft nach den Vorstellungen des Klägers entbehrlich sei (vgl. Anlage KE 2 = Bl. 58 d.A.). Am 15.01.2015 habe der Geschäftsführer der Beklagten dann nach Festlegung eines neuen Passworts für den E‑Mail‑Account dort Reiseunterlagen des Reisebüros " " aus Mannheim gefunden, aus denen sich ergebe, dass der Kläger die Zeit vom 19.12.2014 bis 18.01.2015 auf Mallorca verbracht habe bzw. verbringe. Es habe weder ein Urlaubsantrag noch eine Genehmigung vorgelegen, so dass der Kläger über vier Wochen unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei. Eine weitere Überprüfung der Kreditkartenabrechnung hinsichtlich der zu dienstlichen Zwecken überreichten Mastercard der Commerzbank am 15.01.2015 habe ergeben, dass der Kläger am 27.11.2014 71,00 € für eine Restaurantrechnung im Restaurant " " in Amsterdam beglichen habe. Diesen Beleg habe er - insoweit unstreitig - am 08.01.2015 bei der Beklagten persönlich eingereicht und sich die 71,00 € in bar auszahlen lassen. Dieser Sachverhalt erfülle den Tatbestand des Spesenbetrugs. Ferner habe der Kläger während seines Aufenthalts auf Mallorca private Restaurantbesuche mit der dienstlichen Spesenkarte bezahlt, und zwar am 12.01.2015 über 111,90 € und am 16.01.2015 über 113,26 €. Schließlich gefährde und schädige er die Geschäftsbeziehungen der Beklagten zu ihren Kunden. In einem Telefonat mit dem Geschäftsführer der , Herrn , am 19.01.2015 habe der Geschäftsführer davon erfahren, dass der Kläger Herrn bereits Anfang Januar 2015 mitgeteilt habe, dass das Unternehmen die von der Beklagten bisher vertriebenen Produkte - unter anderem - ab sofort direkt bei ihm bestellen könne. Ferner habe er angekündigt, dass er kurzfristig auch Alternativprodukte im Politurbereich, die die P4 Automotive bislang ebenfalls über die Beklagte bezogen habe, liefern könne. Am 16.02.2015 habe die Beklagte eine E‑Mail des Kunden erhalten, mit der dieser einen Auftrag storniert habe. Das Unternehmen sei ein langjähriger Kunde und beziehe mindestens seit 2010 von der Beklagten Polituren und seit Anfang 2014 . Beide Produkte würden von der Beklagten in spezieller Aufmachung mit dem Logo des Kunden geliefert. Der Geschäftsführer Tö ller habe auf Grund der Stornierung am 19.01.2015 die Einkäuferin der Firma kontaktiert, die ihm erklärt habe, dass das Unternehmen zwischenzeitlich einen günstigeren Lieferanten gefunden habe, mit dem es zusammenarbeiten wolle. Den Namen des Lieferanten habe die Einkäuferin nicht genannt. Die Beklagte habe jedoch kurze Zeit später erfahren, dass es sich hierbei um die Firma Ewald GmbH handele. Diesen Kontakt habe der Kläger hergestellt. Die Firma Ewald habe der Beklagten mitgeteilt, dass sie der Firma bereits im Januar und Februar 2015 6000 ausgeliefert habe. Ferner arbeite die Beklagte seit Frühjahr 2014 mit dem italienischen Unternamen zusammen, welche sie regelmäßig mit , , und weiteren Produkten beliefere. Einen Auftrag vom 17.02.2015 habe diese Firma durch E‑Mail vom 26.02.2015 storniert, da der Kläger dem Unternehmen ein besseres Angebot unterbreitet habe (Anlage KE 11 = Bl. 70 d.A.). In dieser E‑Mail nennt die Firma den Namen "Joseph". Die Firma habe im Übrigen am 08.06.2015 die Partnerschaft mit der Beklagten gekündigt. Der Kläger sei der neue Vertriebsleiter bei der Gruppe. Gegen den Zahlungsanspruch hat die Beklagte u.a. eingewendet, dass der Kläger ab dem 19.12.2014 seine Arbeitsleistung nicht zur Verfügung gestellt habe, sondern bis zum 18.01.2015 einen ungenehmigten Urlaub auf Mallorca verbracht habe.
27Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Sitzungsprotokolle verwiesen.
28Entscheidungsgründe
29Die zulässige Klage ist mit den Vergütungsansprüchen, soweit sie sich auf den Zeitraum 01. bis 18.12.2014 sowie 19. und 20.01.2015 beziehen, begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
30Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die außerordentliche Kündigung vom 21.01.2015 beendet worden. Darüber hinausgehende Vergütungsansprüche bestehen nicht. Auf die Frage der Rechtswirksamkeit der zum 31.03.2015 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 15.01.2015 oder die weiteren außerordentlichen Kündigungen vom 04. und 26.03.2015 kam es nicht mehr an.
31I. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die außerordentliche Kündigung vom 21.01.2015 beendet worden.
321. Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist das Kündigungsschutzgesetz gemäß §§ 1, 23 KSchG anzuwenden. Die gegen die außerordentliche Kündigung vom 21.01.2015 am 26.01.2015 eingegangene Klage ist rechtzeitig gemäß §§ 4, 13 KSchG eingereicht.
332. Die außerordentliche Kündigung vom 21.01.2015 ist gerechtfertigt. Es liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, der innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB zur Kündigung geführt hat.
34a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 – juris). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren; nach dieser Norm ist eine Kündigung grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (BAG 18. Mai 1994 – 2 AZR 626/93 –juris) oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98, juris; BAG 1. Juli 1999 - 2 AZR 676/98 – juris; BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - juris). Die am Maßstab des § 626 Abs.1 BGB vorzunehmende Prüfung einer außerordentlichen Kündigung hat zweistufig zu erfolgen. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet, ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 07. Juli 2011 – 2 AZR 355/10 – Juris; BAG 09. Juni 2011– 2 AZR 323/10 – Juris).
35b) Es liegen vorliegend wichtige Gründe im Sinne des § 626 BGB zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 21.01.2015 vor.
36aa) Ein Arbeitnehmer hat die angefallenen Spesen grundsätzlich korrekt abzurechnen. Unkorrektheiten berechtigen regelmäßig zu einer fristlosen Kündigung. Ein Spesenbetrug kann selbst dann als Grund zur fristlosen Entlassung ausreichen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und um einen geringen Betrag handelt (z.B. BAG 06.09.2007 – 2 AZR 246/06 – Juris mwN). Die Kammer ging von einem vollendeten Spesenbetrug in mindestens einem Fall aus. Der Kläger hat - insoweit unstreitig – die Restaurantrechnung vom 27.11.2014 des Restaurants Vapiano in Amsterdam über einen Betrag von 71,00 €, den er dort bereits über seine dienstliche Kreditkarte zu Lasten der Beklagten bezahlt und abgerechnet hat, erneut am 08.01.2015 bei der Beklagten eingereicht und sich den Betrag von 71,-- Euro bar auszahlen lassen. Hierdurch hat er sich einen Vermögensvorteil zu Lasten der Beklagten verschafft. Die Einlassung des Klägers, wonach die Einreichung versehentlich erfolgt sei, war unglaubhaft. Zwar trifft den Kündigenden die Darlegungs‑ und Beweislast auch für die diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund oder den notwendigen Vorsatz ausschließen (ständige Rechtsprechung z. B. BAG 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 -, Juris). Die Beklagte hat aber hierzu – vom Kläger unbestritten – vorgetragen, dass dieser Spesen nahezu ausschließlich über die dienstliche Kreditkarte bezahlt hat. Die Barzahlung am 27.11.2014 und die Abrechnung dieser Spesen mit der Buchhaltung der Beklagten erwiese sich damit als außergewöhnlicher Vorgang. Angesichts dieser Ausnahmesituation hätte es seitens des Klägers einer detaillierteren Schilderung bedurft, wieso er sich geirrt haben will.
37Mindestens Verdachtsmomente, die der Kläger nicht ausreichend entkräftet hat, blieben auch hinsichtlich der Bewirtungsaufwendungen am 12.01. und 16.01.2015 auf Mallorca zu Lasten der Beklagten bestehen. Der Kläger hat weder zum dienstlichen Anlass der am 16.01.2015 behaupteten – streitigen – Bewirtung des Herrn von der Firma , noch bezüglich der Bewirtung am 12.01.2015 zu Anlass und zu den konkreten Gesprächspartnern, die er nur mit „Repräsentanten der Firma “ bezeichnet hat, substantiiert vorgetragen.
38bb) Die Kammer ging ferner von einem Arbeitszeitbetrug aus, der ebenfalls generell als fristloser Kündigungsgrund geeignet ist (z.B. BAG 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 - Juris). Der Kläger hat sich im Zeitraum vom 19.12.2014 bis 18.01.2015 auf Mallorca aufgehalten, ohne hierfür Urlaub in Anspruch genommen zu haben. Soweit der Kläger hierzu eingewendet hat, er habe dort die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht, weist er ausschließlich auf die beiden im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Spesenbetruges streitigen Bewirtungen am 12. und 16.01.2015 hin. Dies reicht zur Konkretisierung einer Entkräftung des aufgrund der auslandsbedingten Abwesenheit vom Arbeitsort begründeten Vermutung liegenden Annahme, der Kläger habe sich selbstbeurlaubt, nicht aus. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag schuldet der Kläger eine wöchentliche Arbeitsleistung im Umfang von 40 Stunden. Besondere Freiheiten in Form einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung, die auch eine mehrwöchige Abwesenheit beinhaltet, lassen sich weder der Vereinbarung noch dem Vortrag des Klägers entnehmen. Auch hier verweist der Kläger lediglich darauf, die zwischen den Parteien bestehende Arbeitsbeziehung sei aufgrund der vorherigen – gleichberechtigten - Geschäftsbeziehungen von Besonderheiten geprägt. Die Beklagte wäre zu einer entsprechenden Einlassung nur dann in der Lage gewesen, wenn ein substantiiertes Vorbringen des Klägers vorgelegen hätte (16.03.2000 - 2 AZR 75/99 -, Juris). Der Einwand des Klägers, die Beklagte könne sich hinsichtlich der Reise vom 19.12.2014 bis zum 18.01.2015 nicht auf den Vorwurf einer eigenmächtigen Urlaubnahme bzw. ein unentschuldigtes Fehlen berufen, da sie eigenmächtig das Passwort des E‑Mail‑Accounts geändert und dadurch Einblick in die dort gespeicherten Reiseunterlagen genommen habe, geht fehl. Es handelt es sich vorliegend nicht um eine unzulässige Datenerhebung im Sinne des BDSG mit der Folge eines Verwertungsverbotes, zumal der vorgetragene Umstand bezüglich der Reisebuchung unstreitig ist. Die Zivilprozessordnung kennt selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Beweisverwertungsverbot. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt vielmehr die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, Juris; BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 – Juris). Bei dem E‑Mail‑Account handelt es sich zudem den nicht dem Kläger personell zugeordneten, sondern den allgemeinen E‑Mail‑Account der Beklagten.
39cc) Schließlich hat der Kläger auch die Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und ihren Kunden gefährdet. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Gleichzeitig liegt hier ein Verstoß gegen die im Arbeitsvertrag unter Ziffer 6 ausdrücklich geregelte Tätigkeitsunterbindung ohne vorherige schriftliche Einwilligung der Beklagten vor. Bei Gefährdung von Geschäftsbeziehungen und unerlaubter Konkurrenztätigkeit handelt sich damit um erhebliche Pflichtverletzungen, welche an sich geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG 23.10.2014 - 2 AZR 644/13 -, Juris). Den Vortrag der Beklagten zur Abwerbung des Kunden P4 Automotive GmbH hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Die Beklagte hat auch die Gefährdung der Geschäftsbeziehungen zum Kunden ausreichend unter Berufung auf die vorgelegte Mail vom 20.01.2015 der Gruppe dargelegt. Dass der Kläger damit in schwerwiegender Weise in die Wettbewerbsinteressen der Beklagten eingreift, musste ihm ohne weiteres erkennbar sein. Ob der Kläger darüber hinaus in die Geschäftsbeziehungen mit dem Kunden und eingegriffen hat bzw. ob die dortigen Stornierungen auf den Einfluss des Klägers zurückgingen, was dieser bestritt, konnte demgegenüber dahinstehen.
40dd) Aus einer Gesamtbewertung der Vorfälle ergab sich ein nachvollziehbarer starker Vertrauensverlust bei der Beklagten. Aufgrund der exponierten Leitungsstellung des Klägers und im Hinblick auf die Offensichtlichkeit der Pflichtwidrigkeiten war eine Abmahnung der einzelnen Verhaltensweisen aus Sicht der Kammer in diesem Fall nicht notwendig. Der Kläger durfte nicht darauf vertrauen, dass er ohne Risiko des Bestandes seines Arbeitsverhältnisses für einen nicht unerheblichen Zeitraum der Arbeit fern bleibt, Spesen doppelt abrechnet, Bewirtungen von Kunden vornimmt, die im Nachhinein sogar die Geschäftsbeziehungen mit der beklagten abbrechen wollen und die dortigen Geschäftsbeziehungen zu Lasten der Beklagten eingreift oder einzugreifen versucht. Seine prozessualen Einlassungen lassen auch den Eindruck entstehen, dass der Kläger von einer Rechtmäßigkeit seines Tuns ausgeht und damit eine Abmahnung nicht zu der gewünschten Veränderung seiner Verhaltensweisen führen würde.
41c) Die 2‑Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten. Die vorgenannten Vorwürfe sind der Beklagten im Zeitraum ab dem 15.01.2015 und damit innerhalb der 2‑Wochenfrist zur Kenntnis gelangt.
42II. Da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis bereits durch die außerordentliche Kündigung vom 21.01.2015 fristlos beendet wurde, kam es auf die Rechtswirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 15.01.2015, die ihre Wirkung erst mit Ablauf des 31.03.2015 entfaltet hätte, genauso wenig an, wie auf die weiteren außerordentlichen Kündigungen vom 04.03.2015 und vom 26.03.2015.
43III. Die Zahlungsansprüche sind größtenteils unbegründet.
441. Die Zahlungsansprüche waren, soweit sie den Zeitraum ab dem 21.01.2015 betrafen, bereits deswegen unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 21.01.2015 durch wirksame Kündigung beendet wurde.
452. Die Zahlungsansprüche für Dezember 2014 waren, soweit sie nicht positiv tenoriert wurden, ebenfalls unbegründet. Ein Vergütungsanspruch für den Zeitraum 19.12. bis 31.012.2014 sowie für den Zeitraum 01. bis 18.01.2015 hätte gemäß § 611 BGB die Erbringung der Arbeitsleistung erfordert. Wie unter I. ausgeführt, bestand die vom Kläger nicht entkräftete Vermutung, dass dieser im Zeitraum 19.12.2014 bis 18.01.2015 keine Arbeitsleistung erbracht hat, so dass diesem auch kein Vergütungsanspruch gegenüberstand. Die für Dezember 2014 erteilte Abrechnung enthält kein Schuldanerkenntnis. Die Lohnabrechnung hat nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen (BAG 10.03.1987 - 8 AZR 610/84 -, Juris). Bei Irrtum kann grundsätzlich keine Seite die andere am Inhalt der Mitteilung festhalten. Die Beklagte hat hierzu unbestritten vorgetragen, dass ihr bei Erteilung der Abrechnung noch nicht bekannt war, dass der Kläger sich auf Mallorca aufgehalten hat und insoweit keine Arbeitsleistung erbracht hat.
46III. Die Klage ist mit einem Teil der Zahlungsansprüche begründet.
471. Der Zahlungsanspruch ist gemäß § 611 BGB für Dezember 2014, insbesondere im Zeitraum 01. bis 18.12.2014 in Höhe von anteiligen 5.225,81 € brutto begründet. Auf Basis eines Bruttomonatsgehalts von 9.000,00 € geteilt durch 31 Tage ergab sich ein Tagessatz von 290,32 € multipliziert mit 18 Tagen.
482. Ein weiterer Vergütungsanspruch für Januar ist für den 19. und 20.01.2015 (bis zum Zugang der außerordentlichen Kündigung) in Höhe von 580,65 € begründet.
493. Die Zinsforderung beruht im zuerkannten Umfang auf §§ 286, 288 BGB.
50IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 GKG sowie § 3 ZPO im Urteil festzusetzen.
(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.
(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. § 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.
Der Schuldner hat während des Verzugs jede Fahrlässigkeit zu vertreten. Er haftet wegen der Leistung auch für Zufall, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. § 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
Tenor
-
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. November 2011 - 19 Sa 700/11 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.
-
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 10. März 2011 - 1 Ca 1463/10 - wird auch insoweit zurückgewiesen, als die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.322,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.830,15 Euro brutto seit dem 1. Februar 2011 und aus 492,83 Euro brutto seit dem 5. Februar 2011 zu zahlen.
-
3. Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.
-
4. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger begehrt von der Beklagten, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, 2,67 Arbeitstage Erholungsurlaub, hilfsweise 2,67 Arbeitstage Ersatzurlaub abzugelten.
- 2
-
Die Beklagte beschäftigte den Kläger, der seine Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche erbrachte, im Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis zum 31. Januar 2011 als Mitarbeiter im Einkauf und der Produktentwicklung. Das monatliche Bruttoentgelt des Klägers betrug 4.000,00 Euro. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 28. April 2010 enthält ua. folgende Regelungen:
-
„§ 7Urlaub
1.
Der Mitarbeiter hat einen Anspruch auf Erholungsurlaub von 28 Arbeitstagen im Kalenderjahr. Bei Ein- oder Austritt im laufenden Kalenderjahr wird der Urlaub anteilig gewährt.
…
2.
Der Urlaub ist im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen oder krankheitsbedingt nicht möglich, kann der Urlaubsanspruch auf das nächstfolgende Kalenderjahr übertragen werden und ist dann bis spätestens 31. März zu nehmen.
Ist der Urlaub bis dahin, gleich aus welchen Gründen, nicht genommen, verfällt der Anspruch. Die Übertragung des Urlaubs auf das kommende Jahr bedarf einer schriftlichen Vereinbarung bis zum Ende des Kalenderjahres. …“
- 3
-
Der Kläger, dem die Beklagte im Jahr 2010 an insgesamt drei Arbeitstagen Urlaub erteilte, war vom 13. Oktober 2010 bis zum 15. Dezember 2010 durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 15. November 2010 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. Dezember 2010. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und machte in der Klageschrift vom 18. November 2010, die der Beklagten am 25. November 2010 zugestellt worden ist, ua. seinen Urlaubsanspruch geltend. Unter dem 22. Dezember 2010 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31. Januar 2011.
- 4
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe insgesamt 20,1 Arbeitstage Urlaub abzugelten.
- 5
-
Er hat zuletzt neben der Abweisung der Widerklage beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.322,98 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2011 zu zahlen.
- 6
-
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, sie schulde lediglich die Abgeltung von 14,5 Arbeitstagen.
- 7
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, 18 Arbeitstage Urlaub mit einem Bruttobetrag iHv. 3.322,98 Euro abzugelten. Im Übrigen hat es die auf die Urlaubsabgeltung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen, als der Kläger Urlaubsabgeltung für mehr als 15,33 Arbeitstage verlangt hat. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es den Kläger verurteilt, der Beklagten den - durch die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistete Zahlung - erlittenen Schaden in Höhe eines Teilbetrags von 496,50 Euro zu erstatten. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und die Abweisung der Widerklage.
Entscheidungsgründe
- 8
-
Die zulässige Revision ist weitgehend begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen zu Unrecht abgeändert und die Klage teilweise abgewiesen. Über den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Bruttobetrag iHv. 2.830,15 Euro hinaus ist die Beklagte verpflichtet, weitere 2,67 Arbeitstage Urlaub mit einem Bruttobetrag iHv. 492,83 Euro abzugelten. Die Beklagte hat diesen Betrag allerdings nicht bereits ab dem 1. Februar, sondern erst ab dem 5. Februar 2011 gemäß den gesetzlichen Vorschriften über den Schuldnerverzug mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Der von der Beklagten in der Berufungsinstanz im Wege der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Erstattung des durch die angedrohte Zwangsvollstreckung entstandenen Schadens besteht nicht.
- 9
-
I. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet ist, sieben Arbeitstage Urlaub abzugelten.
- 10
-
1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Das Arbeitsverhältnis der Parteien, das am 1. Mai 2010 begann, endete infolge der Kündigung des Klägers vom 22. Dezember 2010 am 31. Januar 2011. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Anspruch auf mindestens sieben Arbeitstage gesetzlichen Mindesturlaub aus den Jahren 2010 und 2011.
- 11
-
2. Der Kläger, der seine Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche erbrachte, erwarb nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit (§ 4 BUrlG) am 31. Oktober 2010 (§§ 186, 187 Abs. 2 Satz 1, § 188 Abs. 2 BGB) einen Anspruch auf 20 Arbeitstage gesetzlichen Mindesturlaub (§ 3 Abs. 1 BUrlG). Mit Ablauf der Wartezeit entsteht der volle Urlaubsanspruch für das gesamte Urlaubsjahr und nicht etwa nur für die bis dahin abgelaufenen sechs Monate (Neumann/Fenski BUrlG 10. Aufl. § 4 Rn. 59). Da die Beklagte diesen Anspruch durch die Gewährung von drei Arbeitstagen Urlaub teilweise erfüllte (§ 362 Abs. 1 BGB), hatte der Kläger nach seiner Genesung am 16. Dezember 2010 Anspruch auf 17 Arbeitstage gesetzlichen Mindesturlaub, von denen zwölf am 31. Dezember 2010 verfielen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG). Der Urlaub geht nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur insoweit auf den Übertragungszeitraum des Folgejahres über, als er wegen eines Übertragungsgrundes nicht mehr vollständig erfüllt werden kann. Ansonsten erlischt der erfüllbare Teil mit Ablauf des Kalenderjahres. Dies gilt auch im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr so rechtzeitig gesund und arbeitsfähig wird, dass er in der verbleibenden Zeit zumindest einen Teil seines Urlaubs nehmen kann (vgl. BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 420/10 - Rn. 28). Dies waren im Zeitraum vom 16. bis zum 31. Dezember 2010 zwölf Arbeitstage Urlaub. Der Kläger beantragte bereits mit der Klageschrift, die der Beklagten am 25. November 2010 zugegangen ist, Urlaub und überließ die Festlegung der zeitlichen Lage der Beklagten. Die übrigen fünf Arbeitstage Urlaub wurden in das Jahr 2011 übertragen, weil der Kläger infolge seiner Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 13. Oktober bis zum 15. Dezember 2010 aus persönlichen Gründen nicht in der Lage wahr, diesen Urlaub bis zum Ablauf des Urlaubsjahres zu nehmen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG). Zu den fünf übertragenen Arbeitstagen Urlaub traten am 1. Januar 2011 20 Arbeitstage gesetzlicher Mindesturlaub hinzu (§ 3 Abs. 1 BUrlG), die allerdings infolge des Ausscheidens des Klägers am 31. Januar 2011 auf - aufgerundet - zwei Arbeitstage Urlaub gekürzt wurden (§ 5 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 BUrlG).
- 12
-
3. Auf der Grundlage eines monatlichen Bruttogehalts iHv. 4.000,00 Euro beträgt der von der Beklagten geschuldete Abgeltungsbetrag 1.292,31 Euro brutto (4.000,00 Euro mal drei Monate geteilt durch 65 Arbeitstage mal sieben Arbeitstage Urlaub).
- 13
-
II. Darüber hinaus hat der Kläger Anspruch auf Abgeltung von zwölf Tagen Ersatzurlaub. Anspruchsgrundlage sind § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB. Soweit ihm danach ein Betrag zusteht, der über den seitens des Arbeitsgerichts zuerkannten Betrag iHv. 3.322,98 Euro hinausgeht, ist das insoweit klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte lediglich verurteilt, 18 Arbeitstage Urlaub abzugelten, ohne dass der Kläger seinen darüber hinausgehenden Anspruch weiterverfolgt hätte.
- 14
-
1. Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um (vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 11, BAGE 138, 58).
- 15
-
2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Als mit Ablauf des Urlaubsjahres am 31. Dezember 2010 zwölf Arbeitstage des dem Kläger zustehenden gesetzlichen Mindesturlaubs verfielen, befand sich die Beklagte mit der Urlaubsgewährung im Verzug.
- 16
-
a) Die Beklagte war unbeschadet des zwischen den Parteien geführten Kündigungsschutzverfahrens verpflichtet, dem Kläger Urlaub zu gewähren. Der Anspruch war erfüllbar. Der Arbeitgeber ist rechtlich nicht gehindert, einem Arbeitnehmer in einem unwirksam gekündigten und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu erteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien einen Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses führen (so zuletzt BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 760/11 - Rn. 11).
- 17
-
b) Infolge der Zustellung der Klageschrift am 25. November 2010, mit der der Kläger ua. die Gewährung von Urlaub verlangte, befand sich die Beklagte nach der Genesung des Klägers ab 16. Dezember 2010 mit der Urlaubsgewährung im Verzug. Ohne dass es einer Mahnung bedurfte, trat der Verzug nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein, weil die Beklagte die Erfüllung der geltend gemachten Urlaubsansprüche ernsthaft und endgültig verweigerte.
- 18
-
aa) Stellt der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Abrede und erteilt er trotz einer entsprechenden Aufforderung des Arbeitnehmers den verlangten Urlaub nicht, entbehrt eine Mahnung des Arbeitnehmers regelmäßig ihres Sinns, den Arbeitgeber zur fristgerechten Urlaubsgewährung anzuhalten. Wenn keine besonderen Umstände entgegenstehen, darf der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen, er werde ihm keinen Urlaub gewähren. Eine Mahnung erwiese sich in diesem Falle als eine bloße Förmelei (BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 760/11 - Rn. 14).
- 19
-
bb) Daran gemessen durfte der Kläger nach seiner erfolglosen Aufforderung, ihm Urlaub zu gewähren, annehmen, die Beklagte beharre auf der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. Dezember 2010 und werde sich weiterhin weigern, ihm nach dem Ende seiner Arbeitsunfähigkeit ab 16. Dezember 2010 Urlaub zu gewähren. Besondere Umstände, die dieser Annahme entgegenstehen könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Die Beklagte hat solche auch nicht behauptet.
- 20
-
c) Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch grundsätzlich in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um. Ist das Arbeitsverhältnis - wie im Streitfall - beendet, schuldet der Arbeitgeber nach § 251 Abs. 1 BGB statt der Gewährung von Ersatzurlaub Schadensersatz in Geld(vgl. BAG 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 12). Der Kläger hat demnach einen Anspruch auf Abgeltung von zwölf Tagen Ersatzurlaub. Der von der Beklagten zu seiner Abgeltung zu zahlende Betrag beliefe sich auf 2.215,38 Euro (4.000,00 Euro mal drei Monate geteilt durch 65 Arbeitstage mal zwölf Arbeitstage Ersatzurlaub). Unter Berücksichtigung des abzugeltenden Urlaubsanspruchs, ergäbe sich ein Abgeltungsanspruch in einer Gesamthöhe von 3.507,69 Euro. Da das Arbeitsgericht die Klage rechtskräftig abgewiesen hat, soweit der Kläger eine 3.322,98 Euro brutto übersteigende Urlaubsabgeltung verlangt hat, ist der Senat daran gehindert, dem Kläger einen hierüber hinausgehenden Betrag zuzuerkennen.
- 21
-
III. Der von dem Kläger erhobene Zahlungsanspruch ergibt sich bereits als Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nicht darauf an, ob ihm darüber hinaus ein Anspruch auf arbeitsvertraglichen Mehrurlaub zusteht. Der Senat braucht somit nicht darüber zu befinden, ob die Regelung in § 7 Nr. 1 des Arbeitsvertrags, der zufolge der Kläger Urlaubsansprüche im Jahr des Eintritts in das Arbeitsverhältnis nur anteilig erwirbt, wirksam ist. Soweit der gesetzliche Mindesturlaub betroffen ist, konnten die Parteien von der gesetzlichen Regelung in § 4 BUrlG nicht zu Ungunsten des Klägers abweichen(§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG).
- 22
-
IV. Die Beklagte hat die Klageforderung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (§ 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Zinslauf begann allerdings nicht, wie der Kläger geltend macht, am 1. Februar 2011, sondern erst am 5. Februar 2011. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des ihm zustehenden Urlaubs entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird zu diesem Zeitpunkt fällig. § 7 Abs. 4 BUrlG enthält jedoch keine Bestimmung einer Leistungszeit iSd. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB(vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 45). Soweit der Kläger bereits mit der Klageschrift seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend gemacht hat, liegt hierin keine Mahnung, da die Klageschrift der Beklagten am 25. November 2010 und damit vor der Fälligkeit des Anspruchs am 1. Februar 2011 zugestellt worden ist. Der Verzug trat daher erst infolge der Zustellung des vom 31. Januar 2011 datierenden Schriftsatzes am 4. Februar 2011 ein. Die Beklagte befand sich ab dem Folgetag, dem 5. Februar 2011, mit der Abgeltung im Verzug (§ 187 Abs. 1 BGB).
- 23
-
V. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von 496,50 Euro aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil abgeändert, ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch eine zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Indem der Senat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts insoweit aufhebt, als das Landesarbeitsgericht die Klage auf Urlaubsabgeltung teilweise abgewiesen hat, erwächst das Urteil des Arbeitsgerichts in Rechtskraft.
- 24
-
VI. Die Beklagte hat die Kosten der Revision und der zweiten Instanz zu tragen (§ 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO). Die Kosten der ersten Instanz waren gegeneinander aufzuheben, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
-
Brühler
Krasshöfer
Suckow
Ropertz
Frank
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. § 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.
(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.
(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 27. Mai 2014 - 7 Sa 32/14 - aufgehoben.
-
2. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 12. Dezember 2013 - 4 Ca 722/13 - wird zurückgewiesen.
-
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über Urlaubsansprüche des Klägers aus dem Jahr 2012.
- 2
-
Die Beklagte beschäftigt den Kläger seit 1968 als Technikumsmitarbeiter in einer Fünftagewoche. Die Parteien wenden auf ihr Arbeitsverhältnis den zwischen der Beklagten und der IG Metall geschlossenen Haustarifvertrag vom 26. März 2012 an. Dieser verweist in § 2 Ziff. 1 Buchst. a auf den Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 23. Juni 2008 (MTV), in dem ua. Folgendes geregelt ist:
-
„§ 18 Urlaubsregelung
A. Allgemeine Bestimmungen
1. Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr (Urlaubsjahr) Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. …
…
7. Der Anspruch auf Urlaub erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde. ...
…
B. Urlaubsdauer
1. Die Urlaubsdauer beträgt 30 Arbeitstage, wenn die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers auf 5 Tage je Kalenderwoche verteilt ist.
…“
- 3
-
Im Jahr 2012 gewährte die Beklagte dem Kläger an zwölf Arbeitstagen Urlaub. Die Beklagte genehmigte darüber hinaus den vom Kläger beantragten Urlaub vom 20. Dezember 2012 bis zum 18. Januar 2013. Vom 14. Dezember 2012 bis zum 7. Juni 2013 war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Nach seiner Genesung beantragte der Kläger, ihm vom 10. Juni bis zum 3. Juli 2013 Urlaub zu gewähren. Die Beklagte gewährte dem Kläger Urlaub vom 10. bis zum 21. Juni 2013 verbunden mit dem Hinweis, zehn Tage des aus dem Jahr 2012 stammenden Urlaubs seien bereits verfallen.
- 4
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünden noch zehn Urlaubstage aus dem Jahr 2012 zu. Das Fristenregime des MTV unterscheide sich nicht vom Fristenregime des BUrlG.
- 5
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt
-
festzustellen, dass ihm aus dem Jahr 2012 zehn Urlaubstage bzw. zehn Tage bezahlte Freistellung zustehen.
- 6
-
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der vom Kläger beanspruchte Urlaub sei mit Ablauf des 31. März 2013 verfallen.
- 7
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 8
-
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert und der Klage stattgegeben. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere zehn Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2012. Die Beklagte hat den aus dem Jahr 2012 stammenden Anspruch des Klägers auf gesetzlichen Mindesturlaub durch die Gewährung von 20 Arbeitstagen Urlaub erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Der darüber hinausgehende Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub ging ungeachtet der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers mit Ablauf des 31. März 2013 unter. Ein Anspruch des Klägers auf Ersatzurlaub besteht nicht, da sich die Beklagte vor diesem Zeitpunkt nicht in Verzug mit der Urlaubsgewährung befand.
- 9
-
I. Der Kläger erwarb zu Beginn des Jahres 2012 gemäß § 18 Abschn. B Ziff. 1 MTV, der gemäß § 2 Ziff. 1 Buchst. a des Haustarifvertrags auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, einen Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub. Im Laufe des Jahres nahm der Kläger an zwölf Arbeitstagen Urlaub mit der Folge, dass der Urlaubsanspruch des Klägers insoweit durch Erfüllung unterging (§ 362 Abs. 1 BGB).
- 10
-
1. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts erfüllte die Beklagte nicht nur den Anspruch auf den tariflichen Mehrurlaub, sondern auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Unterscheidet eine tarifvertragliche Regelung hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen gesetzlichen und arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen und räumt sie den Arbeitnehmern einen über den gesetzlichen Anspruch hinausgehenden Anspruch auf Erholungsurlaub ein, kommt ein Rückgriff auf die Auslegungsregel in § 366 Abs. 2 BGB ebenso wenig in Betracht wie eine analoge Anwendung dieser Vorschrift. Denn es handelt sich insoweit um einen einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruht (BAG 17. November 2015 - 9 AZR 275/14 - Rn. 18).
- 11
-
2. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Frage, ob § 366 Abs. 2 BGB auf Urlaubsansprüche anzuwenden ist, werde vom Senat nicht einheitlich beantwortet, geht sein Hinweis auf die Entscheidungen vom 16. Juli 2013 (- 9 AZR 914/11 -) und 15. Oktober 2013 (- 9 AZR 302/12 -) fehl. In diesen Entscheidungen ging es nicht um die Erfüllung von gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüchen, sondern um eine (etwaige) Tilgungsbestimmung des Arbeitgebers iSv. § 366 Abs. 1 BGB bei der Zahlung von Urlaubsabgeltung.
- 12
-
II. Der tarifliche Mehrurlaub im Umfang von zehn Tagen verfiel gemäß § 18 Abschn. A Ziff. 7 Satz 1 MTV am 31. März 2013.
- 13
-
1. Gemäß § 18 Abschn. A Ziff. 7 Satz 1 MTV erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaub drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde.
- 14
-
2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Verfalls lagen im Streitfall mit Ablauf des 31. März 2013 vor. Der Kläger machte den restlichen tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2012 im Umfang von zehn Arbeitstagen nicht vor seinem Verfall gegenüber der Beklagten erfolglos geltend. Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den von ihm beantragten Urlaub, liegt eine erfolglose Geltendmachung im Tarifsinne unabhängig davon nicht vor, ob der Arbeitnehmer den Urlaub später tatsächlich antritt. Dies ergibt die Auslegung der maßgeblichen Tarifvorschrift (zu den auf Tarifverträge anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 17 mwN, BAGE 134, 184).
- 15
-
a) Bereits der Wortlaut des § 18 Abschn. A Ziff. 7 Satz 1 MTV spricht gegen die seitens des Klägers präferierte Auslegung, der zufolge der Arbeitnehmer den Urlaub auch dann erfolglos geltend macht, wenn der Arbeitgeber ihn antragsgemäß genehmigt, der Arbeitnehmer ihn aber infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen kann. Die Tarifvorschrift spricht von einer Geltendmachung des Urlaubs, nicht aber von Urlaubsnahme. Der Arbeitnehmer macht seinen Urlaub gegenüber dem Arbeitgeber geltend, wenn er diesen auffordert, ihm Urlaub zu gewähren. Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub - unter Zusage der Zahlung von Urlaubsentgelt (vgl. BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 21) -, hat die Geltendmachung Erfolg, da der Arbeitgeber die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung vorgenommen hat (vgl. BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 19). Die spätere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers (vgl. § 9 BUrlG) ist ein nachträgliches Erfüllungshindernis, das aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt.
- 16
-
b) Mit der Tarifierung der Einschränkung „es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde“ haben die Tarifvertragsparteien im Interesse einer Kodifizierung eine umfassende Regelung der tariflichen Urlaubsansprüche treffen wollen. Dabei haben sie in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Senats, der zufolge dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs ein Anspruch auf (Ersatz-)Urlaub zusteht, wenn der Arbeitgeber einen fristgerecht gestellten Urlaubsantrag ablehnt (vgl. im Einzelnen BAG 3. Juni 2014 - 9 AZR 944/12 - Rn. 10), bestimmt, dass dem Arbeitnehmer der Anspruch verbleibt, wenn er den Arbeitgeber vor dem Verfall des Urlaubs in Verzug gesetzt hat.
- 17
-
3. Die über den 31. März 2013 fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers gibt kein anderes Ergebnis vor. Während der Anspruch des Klägers auf gesetzlichen Mindesturlaub über das erste Quartal des Jahres 2013 hinaus fortbestand (vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff., BAGE 142, 371), ging der Anspruch des Klägers auf tariflichen Mehrurlaub mit Ablauf des 31. März 2013 unter. Die Tarifbestimmung des § 18 Abschn. A Ziff. 7 Satz 1 MTV ist insoweit wirksam, als sie einen Verfall des tariflichen Mehrurlaubs regelt.
- 18
-
a) Die Parteien des MTV haben den tariflichen Mehrurlaub einem eigenständigen Fristenregime unterstellt. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 15. Dezember 2015 (- 9 AZR 747/14 - Rn. 15 ff.) zur wortgleichen Vorgängerregelung in § 25 Abschn. A Ziff. 7 Satz 1 des MTV vom 1. Dezember 1973 idF vom 24. Mai 2002 entschieden (vgl. ferner zur strukturell ähnlichen Vorschrift des § 12 Abschn. I Ziff. 11 des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie vom 24. Juni 1992 idF vom 16. März 2009 BAG 17. November 2015 - 9 AZR 275/14 - Rn. 27 f.). Die Abweichung vom gesetzlichen Fristenregime hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer das Risiko trägt, dass der Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub infolge Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbar ist.
- 19
-
b) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die eigenständige Tarifregelung im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub krankheitsbedingt arbeitsunfähiger Arbeitnehmer unwirksam ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 1 BUrlG iVm. § 134 BGB). Für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den tariflichen Mehrurlaub, bleibt sie wirksam (vgl. BAG 12. November 2013 - 9 AZR 551/12 - Rn. 13).
- 20
-
III. Den nach dem 31. März 2013 verbleibenden Anspruch des Klägers auf acht Arbeitstage gesetzlichen Mindesturlaub erfüllte die Beklagte mit der Gewährung von Urlaub im Zeitraum vom 10. bis zum 21. Juni 2013 (§ 362 Abs. 1 BGB).
- 21
-
IV. Der Klageantrag hat auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Satz 1 BGB liegen nicht vor. Hat der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch auf Gewährung von Ersatzurlaub um (vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 11, BAGE 138, 58). Als der Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub mit Ablauf des tariflichen Übertragungszeitraums am 31. März 2013 verfiel, befand sich die Beklagte mit der Urlaubsgewährung nicht in Verzug.
- 22
-
1. Dem Antrag des Klägers, mit dem er Urlaub vom 20. Dezember 2012 bis zum 18. Januar 2013 begehrte, hat die Beklagte entsprochen. Die von ihr geschuldete Erfüllungshandlung, die Freistellung des Klägers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung mit der konkludenten Zusage, das Urlaubsentgelt an den Kläger zu zahlen, hat sie erbracht. Die Beklagte hat es nicht zu vertreten, dass der Leistungserfolg ausgeblieben ist (vgl. § 287 Satz 1 BGB). Grund hierfür war allein die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers, also ein Umstand aus der Sphäre des Klägers als Gläubiger des Urlaubsanspruchs.
- 23
-
2. Als der Kläger nach seiner Genesung Urlaub vom 10. Juni bis zum 3. Juli 2013 beantragte, war der Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub bereits untergegangen.
- 24
-
V. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§ 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO).
-
Brühler
Suckow
Klose
Pielenz
Kranzusch
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die minderjährige Klägerin nimmt den Beklagten, ihren Vater, mit ihrem am 31. August 2009 beim Amtsgericht eingereichten Antrag auf Unterhalt in Anspruch.
- 2
- Das der Klage teilweise stattgebende Urteil ist dem Beklagten am 10. November 2010 zugestellt worden. Am 9. Dezember 2010 hat der Beklagte Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Berufung beantragt, die ihm das Beschwerdegericht antragsgemäß unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt hat. Dieser Beschluss ist Letzterem am 26. Oktober 2011 zugestellt worden. Nachdem er am 17. November 2011 darauf hingewiesen worden war, dass bislang kein Wiedereinsetzungsgesuch eingegangen sei, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 1. Dezember 2011 hinsichtlich des versäumten Wiedereinsetzungsantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, wegen der versäumten Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und ferner die Berufung begründet.
- 3
- Das Beschwerdegericht hat die Berufung unter Ablehnung der Wiedereinsetzung bezüglich der versäumten Berufungsbegründungsfrist verworfen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
- 5
- Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG richtet sich das Verfahren nach den bis zum 31. August 2009 maßgeblichen Bestimmungen, weil es vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist (Senatsurteil BGHZ 184, 13 = FamRZ 2010, 357 Rn. 7).
- 6
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN).
- 7
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
- 8
- a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 9
- Es könne dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten hinsichtlich der versäumten Wiedereinsetzungsfrist für die Einlegung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei. Entscheidend sei, dass jedenfalls hinsichtlich der versäumten Frist für die Begründung der Berufung die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vorlägen. Dem Beklagten sei durch Beschluss vom 19. Oktober 2011 antragsgemäß Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung bewilligt und sein Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Damit sei das bestehende Hindernis behoben gewesen; dieBerufung hätte innerhalb der einmonatigen Frist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO begründet werden können und müssen. Da die Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 26. Oktober 2011 erfolgt sei, hätte die Berufungsbegründung spätestens am Montag, dem 28. November 2011, vorliegen müssen. Sie sei jedoch erst am 1. Dezember 2011 und damit verspätet eingegangen.
- 10
- Der Auffassung, die Rechte der mittellosen Partei würden mit der dargestellten , am Wortlaut der Wiedereinsetzungsvorschriften orientierten Gesetzesauslegung unangemessen beschränkt, weil für die Anfertigung der Berufungsbegründung nur ein Monat Zeit verbleibe, werde nicht gefolgt. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs habe ausführlich und überzeugend dargelegt, dass die angenommene Benachteiligung der mittellosen Partei nicht existiere. Insbesondere sei der Partei, die erfolgreich um Prozesskostenhilfe nachgesucht habe, das anzufechtende Urteil schon über einen längeren Zeitraum bekannt, wenn ihr die Bewilligungsentscheidung des Berufungsgerichts zugehe. Darüber hinaus sei durch die Bewilligungsentscheidung sogar bereits die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels bescheinigt. Unter diesen Umständen bestehe kein hinreichender Grund, den Lauf der vom Gesetzgeber vorgesehenen einmonatigen Frist für die Begründung der Berufung entgegen dem Wortlaut von § 234 Abs. 2 ZPO nicht an die tatsächliche Behebung des Hindernisses - nämlich den Zugang der Prozesskostenhilfebewilligung - anzuknüpfen, sondern alsBehebung des Hindernisses erst die Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch hinsichtlich der versäumten Frist zur Einlegung des Rechtsmittels zu betrachten. Dem Gesetzgeber sei bei der Neufassung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Problematik bekannt gewesen. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs habe die Gesetzesänderung gerade dazu gedient, die Anforderungen der Rechtsprechung umzusetzen, indem einem Rechtsmittelführer, dem Prozesskostenhilfe nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist gewährt worden sei, ein Monat Zeit für die Begründung verbleibe.
- 11
- Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt habe der Prozessbevollmächtigte des Beklagten damit rechnen müssen, dass die im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 2008 (XII ZB 184/05) dargelegte Rechtsauffassung Gefolgschaft finden würde und sein prozessuales Verhalten darauf einstellen müssen.
- 12
- b) Das hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht stand. Dabei kann dahin stehen, ob für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist hinsichtlich der Begründung der Berufung die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses oder erst die Mitteilung der Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch hinsichtlich der versäumten Frist zur Einlegung des Rechtsmittels maßgeblich ist. In jedem Fall hätte das Berufungsgericht dem Beklagten Wiedereinsetzung gewähren müssen.
- 13
- aa) Nach der Entscheidung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Juni 2007 (BGHZ 173, 14 = FamRZ 2007, 1640) beginnt die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Nachholung der Berufungsbegründung erst mit der Mitteilung der Wiedereinsetzungsentscheidung.
- 14
- Zutreffend hat das Beschwerdegericht allerdings darauf hingewiesen, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 11. Juni 2008 (XII ZB 184/05 - NJW-RR 2008, 1313 Rn. 10 ff., 14) - als obiter dictum - zum Ausdruck gebracht hat, dass die Wiedereinsetzungsfrist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO seiner Auffassung nach bereits mit Bekanntgabe des Prozesskostenhilfebeschlusses zu laufen beginnt (ebenso für die Beschwerdebegründung in einer Familienstreitsache OLG Zweibrücken FamRZ 2012, 1238).
- 15
- bb) Unbeschadet der Frage, welcher der vorgenannten Auffassungen zu folgen ist, hätte das Berufungsgericht dem Beklagten jedenfalls Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist zur Begründung der Berufung gewähren müssen.
- 16
- Unschädlich ist, dass der Beklagte eine solche Wiedereinsetzung nicht beantragt hat, sondern - aus seiner Sicht konsequent - den Standpunkt vertreten hat, die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO habe mangels Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist noch nicht zu laufen begonnen.
- 17
- Bei dieser Sachlage hätte das Oberlandesgericht gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO von Amts wegen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erwägen und, weil den Prozessbevollmächtigten des Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch kein Verschulden i.S.d. § 233 ZPO trifft, gewähren müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 16).
- 18
- Allerdings kann eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Prozessbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die Partei, die dem Anwalt die Prozessführung überträgt, vertraut zu Recht darauf, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist. Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert (Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 19 mwN).
- 19
- Nach diesen Maßstäben war der Prozessbevollmächtigte des Beklagten allerdings nicht gehalten, vorsorglich die Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses als Fristbeginn für die Einreichung der Berufungsbegründung zu notieren , denn er durfte sich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung verlassen. Anders als im Fall der Senatsentscheidung, die zu dem hier im Streit stehenden Fristbeginn lediglich ein obiter dictum enthält (Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 - XII ZB 184/05 - NJW-RR 2008, 1313 Rn. 10 ff., 14), kam es in dem vom XI. Zivilsenat entschiedenen Fall auf die Streitfrage an (BGHZ 173, 14 = FamRZ 2007, 1640). Hinzu kommt, dass zwei weitere Senate die Auffassung des XI. Zivilsenats in obiter dicta übernommen haben (BGH Beschlüsse vom 26. Mai 2008 - II ZB 19/07 - NJW-RR 2008, 1306 Rn. 16; vom 17. Mai 2010 - II ZB 12/09 - MDR 2010, 947 Rn. 13 und BGHZ 176, 379 = NJW 2008, 3500 Rn. 6).
- 20
- 3. Gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, weil das Beschwerdegericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellung dazu getroffen hat, ob dem Beklagten Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren ist. Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 26.10.2010 - 353 F 203/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 06.03.2012 - 12 UF 257/10 -
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.