Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 11. Sept. 2015 - 4 Sa 424/15
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 19.03.2015 – 6 Ca 106/15 d – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darüber ob dem Kläger für die Monate Dezember 2014 sowie für Januar und Februar 2015 Karenzentschädigung in Höhe von je 2.400,00 € zusteht.
3Der Streit geht darum, ob folgende, in Ziffer 12 c) des Arbeitsvertrages, unstreitig ein Formulararbeitsvertrag, enthaltene Klausel
4„Der Arbeitgeber behält sich das Recht vor, einen Vertrag über ein Wettbewerbsverbot mit dem Arbeitnehmer im Fall der Kündigung durch den Arbeitnehmer abzuschließen.“
5nur eine rechtlich unverbindliche Bekundung, in Zukunft einen Vertrag über ein Wettbewerbsverbot abzuschließen, enthält (wovon offenbar die Beklagte ausgeht und wovon auch das Arbeitsgericht ausgegangen ist), oder ob sie ein bedingtes Wettbewerbsverbot enthält (wovon der Kläger ausgeht).
6Der Kläger meint, dieses bedingte Wettbewerbsverbot sei als solches unverbindlich, sodass er, der sich unstreitig daran gehalten hat, „das gesetzliche Mindestmaß der Karenzentschädigung“ von 50 % der monatlichen Vergütung zu beanspruchen habe.
7Wegen des übrigen, insgesamt unstreitigen Tatsachenvorbringens der Parteien sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).
8Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.03.2015 die Klage abgewiesen.
9Gegen dieses ihm am 09.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.04.2015 Berufung eingelegt und diese am 08.05.2015 begründet. Wegen der Rechtsausführungen, mit denen der Kläger die Berufung begründet, wird auf die Berufungsbegründung, Blatt 39 ff. d. A., Bezug genommen.
10Der Kläger beantragt,
11unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 19. März 2015, 6 Ca 106/15 d, die Beklagte verurteilen,
121. an den Kläger 2.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2015 zu bezahlen,
132. an den Kläger 2.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2015 zu bezahlen,
143. an den Kläger 2.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2015 zu bezahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insoweit wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 740 ff. d. A.) Bezug genommen.
18Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hatte in der Sache keinen Erfolg.
211. Die streitige Klausel enthält weder eine unverbindliche Absichtserklärung noch ein bedingtes Wettbewerbsverbot. Sie enthält vielmehr einen Vorvertrag (vgl. dazu BAG 14.07.2010 – 10 AZR 291/09). In einem solchen Vorvertrag über ein Wettbewerbsverbot kann die Verpflichtung von beiden Teilen oder nur von einem Teil eingegangen werden (BAG a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist die Klausel so auszulegen, dass der Kläger bindend verpflichtet werden sollte, eine Wettbewerbsabrede einzugehen, wenn er selbst das Arbeitsverhältnis kündigte und der Arbeitgeber das verlangte.
22a) Die Klausel regelt ausdrücklich, dass sich der Arbeitgeber das „Recht“ vorbehält, einen entsprechenden Vertrag über ein Wettbewerbsverbot mit dem Arbeitnehmer im Fall der Kündigung durch den Arbeitnehmer abzuschließen.
23b) Der Kläger hat insofern Recht damit, dass auch die Tatsache, dass sich diese Klausel in einem offenbar zumindest mit gewissen rechtlichen Kenntnissen formulierten Formularvertrag befindet, dagegen spricht, dass es sich um eine lediglich unverbindliche Absichtserklärung handeln sollte.
242. Ein solcher Vorvertrag, der den Arbeitnehmer ohne zeitliche Begrenzung zum Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verpflichtet, ist für den Arbeitnehmer grundsätzlich unverbindlich (BAG a.a.O.). Aufgrund des unverbindlichen Vorvertrages kann der Arbeitnehmer grundsätzlich wie bei einem bedingten Wettbewerbsverbot entweder Wettbewerbsfreiheit ohne Karenzentschädigung oder Wettbewerbsenthaltung zu den Bedingungen des Vorvertrages wählen (BAG a.a.O.).
253. Dieses gilt allerdings nur, wenn sonstige gesetzliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Vorvertrages bzw. des Wettbewerbsverbots eingehalten sind, zu dessen Abschluss der Vorvertrag verpflichtet. Dieses gilt z. B. für die Form des § 74 Abs. 1 (vgl. BAG a.a.O.), die Voraussetzung, dass die in § 74 Abs. 1 HGB genannte Anlage die entsprechende Form einhält (BAG a.a.O.), dafür, dass es an der für den Vorvertrag erforderlichen Bestimmtheit nicht fehlt (vgl. BAG a.a.O.) und dass auch das mit dem Vorvertrag geregelte Wettbewerbsverbot auch ansonsten nicht nichtig, sondern nur unverbindlich wäre. Im vorliegenden Fall fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit und daran, dass überhaupt ein Vorvertrag über ein Wettbewerbsverbot mit einer Karenzentschädigung vereinbart ist.
26a) Ein Vorvertrag ist nur wirksam, wenn er ein solches Maß an Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit und Vollständigkeit enthält, dass im Streitfall der Inhalt des Vertrages richterlich festgestellt werden kann, notfalls durch richterliche Vertragsergänzung (BGH 21.10.1992 – XII ZR 173/90; 20.09.1989 – VIII ZR 143/88).
27Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Es ist (ganz anders als in dem vom BAG am 14.07.2010 – 10 AZR 291/09 – entschiedenen Fall – vgl. dortRn. 3 ff., 31 ff.) gerade keine, die genaueren Bedingungen des Wettbewerbsverbots enthaltene Anlage zum Vertrag unterzeichnet worden. Hier ist (wie in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall im dortigen § 10 Abs. 4 – vgl. die Klausel entsprechend Rn. 3 des zitierten Urteils) lediglich vereinbart, dass unter den genannten Voraussetzungen ein „Vertrag über ein Wettbewerbsverbot“ abgeschlossen werden sollte. Irgendwelche Anhaltspunkte für den näheren Inhalt ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag nicht. Der Vorvertrag ist damit völlig unbestimmt und auch nicht bestimmbar, schon gar nicht vollständig. Auch eine teilweise Nichtigkeit unter Aufrechterhaltung einer wirksamen Grundverpflichtung zum Abschluss eines Wettbewerbsverbots kommt nicht in Betracht (BAG a.a.O. Rn. 32).
28Schon daran scheitert der Klageanspruch.
29b) Zudem hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Wettbewerbsverbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, nichtig und nicht nur unverbindlich sind (vgl. BAG 15.01.2014 – 10 AZR 243/13 m.w.N.). Zwar hat das Bundesarbeitsgericht im Wesentlichen Großzügigkeit bei der Frage herrschen lassen, ob eine Entschädigung vereinbart ist. Es hat sogar eine Vertragsbestimmung ausreichen lassen, dass im Übrigen die gesetzlichen Vorschriften der § 74 ff. gelten sollen (BAG 31.07.2002 – 10 AZR 513/01; vgl. auch BAG 28.06.2006 – 10 AZR 407/05). Haben aber die Arbeitsvertragsparteien überhaupt keine Andeutung in dem Vertrag aufgenommen, dass eine Karenzentschädigung bezahlt werden soll, dann ist das Wettbewerbsverbot nichtig.
30So liegt es hier. Weder ist irgendwo eine Karenzentschädigung erwähnt, noch ist auf die §§ 74 ff. Bezug genommen worden.
31Würde man – wie es der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vertrat – in einem solchen Fall stets unter Verweis auf ergänzende Vertragsauslegung davon ausgehen, dass ein Wettbewerbsverbot mit Karenzentschädigung vereinbart werden sollte, dann wäre die gesamte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Nichtigkeit bei einer Vereinbarung ohne Entschädigung obsolet.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
33RECHTSMITTELBELEHRUNG
34Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
35Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
Annotations
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.
(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:
- 1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit, - 2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder - 3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.
(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.