Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 24. Feb. 2016 - 11 Sa 1038/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.09.2014 – 19 Ca 9825/13 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über eine Entschädigung wegen Diskriminierung.
3Die am 1961 in der früheren S geborene Klägerin hat von 1978 bis 1984 in L das Studium der Fachrichtung Informatik absolviert. Sodann war sie in M als Systemprogrammiererin bis in das Jahr 1998 beschäftigt. Im Jahre 2000 erfolgte eine Anstellung in D , zunächst bei der S GmbH als Anwendungsentwicklerin sowie darauf folgend als Programmiererin bei der Sch GmbH bis zum Jahre 2003. In den Jahren 2006 bis 2007 war sie als Softwareentwicklerin bei der C AG beschäftigt. Seitdem ist die Klägerin arbeitslos. Wegen der weiteren Einzelheiten des Lebenslaufs wird auf Bl. 53 d. A. verwiesen.
4Die Klägerin nahm in der Zeit vom 16.07.2012 bis 27.07.2012 mit Erfolg an einer Schulung zum Thema „Java Webprogrammierung“ und in der Zeit vom 30.07.2012 bis 10.08.2012 zum Thema „Java Webprogrammierung – Fortgeschrittene Techniken“ mit einem Stundenumfang von je 80 Stunden teil. Ferner hat die Klägerin im Zeitraum vom 25.02.2013 bis 22.03.2013 erfolgreich an einer vierwöchigen beruflichen Qualifizierung zu der Thematik „Apps-Programmierung Android“ teilgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Zertifikate über die Schulungsmaßnahmen vom 27.07.2012, 10.08.2012 und 22.03.2013 wird auf Bl. 80 ff. d. A. Bezug genommen.
5Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen, das Kunden in den Industriebereichen Pharma, Food, Chemie, Biotech, Medizin, Kosmetik und Logistik betreut. Softwareentwickler bei der Beklagten stehen von der Angebotsphase bis zu Projektrealisierung in ständigem Kundenkontakt. Sie haben die fachlichen Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und in genau formulierte Anforderungen (Lastenhefte, Pflichtenhefte, Workshop-Protokolle, Anforderungsanalysen, Lösungsvorschläge und Angebote) zu überführen und zu bewerten. Diese Dokumente werden vom Kunden und von der Geschäftsführungsebene gelesen. Die Dokumente sind auch für die Implementierungsphase von Relevanz, die Softwareentwicklung unterliegt Qualifizierungs- und Validierungsprozessen.
6Die Klägerin bewarb sich mit E-Mail vom 07.09.2013 (Bl. 6 d. A.) auf eine im Internet veröffentlichte Stellenanzeige der Beklagten. Dort wurde ein „Java/Entwickler (m/w)“ in Vollzeit gesucht mit u.a. fundierten Kenntnissen in den Technologien Java, SQL, JSP, HTML, JavaScript, Eclipse und Tomcat. Sehr gute D kenntnisse in Wort und Schrift seien eine Voraussetzung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellenannonce wird auf Bl. 5 d. A. verwiesen.
7Nachdem die Beklagte der Klägerin mit E-Mail vom 09.09.2013 mitgeteilt hatte, dass die Klägerin im laufenden Auswahlverfahren nicht berücksichtigt werden könne, hat die Klägerin von der Beklagten mit E-Mail vom 10.09.2013 (Bl. 8 d. A.) erfolglos die Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung wegen des Alters, des Geschlechts und der r Herkunft in Höhe von 15.000,00 € verlangt.
8Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.09.2014 (Bl. 107 ff. d. A.) die Klage, mit der die Klägerin ihr Entschädigungsverlangen weiter verfolgt, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin werde nicht wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt. Die Anforderungen an die d Sprache seien aufgrund des Stellenprofils gerechtfertigt. Bereits der Zusatz „(m/w)“ zeige, dass die Beklagte sowohl männliche als auch weibliche Java-Entwickler gesucht habe. Anhaltspunkte für eine Altersdiskriminierung enthalte die Stellenausschreibung nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
9Gegen das ihr am 11.10.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.11.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 22.12.2014 begründet.
10Die Klägerin geht davon aus, dass sie wegen des Alters durch Einstellung eines jüngeren Bewerbers sowie wegen des Geschlechts und der ethnischen Herkunft diskriminiert worden sei. Die Annonce einer Vollzeitstelle stelle ebenso eine mittelbare Diskriminierung dar wie das Anforderungsmerkmal sehr guter D kenntnisse. Es liege eine Mehrfachdiskriminierung und eine intersektionelle Benachteiligung vor. Die Beklagte habe der Klägerin durch Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch die Chance auf Einstellung versagt. Es sei sittenwidrig, wenn der Klägerin vorgehalten werde, sie sei nicht ausreichend qualifiziert und sie damit ausgegrenzt werde.
11Die Klägerin beantragt,
12unter Abänderung des am 12.09.2014 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln (Az.: 19 Ca 9825/13) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 15.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit als Entschädigung für die Mehrfachdiskriminierung zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Entschädigungsbegehren der Klägerin sei mangels subjektiver Ernsthaftigkeit der Bewerbung rechtsmissbräuchlich. Gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung spreche u.a. die Vielzahl erhobener Entschädigungsklagen sowie die zahlreichen Mängel in der Bewerbung als auch Lücken im Lebenslauf. Die geforderten fundierten Fachkenntnisse seien bei der Klägerin offenkundig nicht vorhanden. Die Klägerin bewerbe sich ausschließlich auf Stellenanzeigen von denen sie annehme, dass sie diskriminierende Formulierungen enthalten würden. Die ausgeschriebene Stelle sei aufgrund des Projektbezugs als Teilzeit-Arbeitsverhältnis ungeeignet gewesen. Die Beklagte beschäftige im Entwicklungsteam überdurchschnittlich weibliche Entwicklerinnen. Angesichts der mit der Bewerbung gezeigten Sprachkenntnisse hätte die Beklagte im Falle der Einstellung zur Qualitätswahrung sämtliche von der Klägerin verfassten Texte von einer zweiten Person lektorieren lassen müssen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Sitzungsniederschrift vom 24.02.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
19II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit überzeugender Argumentation, der sich das Berufungsgericht anschließt und auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsinstanz rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
201. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Das AGG bestimmt in § 3 Abs. 1 AGG die unmittelbare, in § 3 Abs. 2 AGG die mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Nach der gesetzlichen Beweislastregelung des § 22 AGG hat die Klägerin zunächst Indizien vorzutragen und im Streitfalle zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Nur wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die weniger günstige Behandlung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt ist, darf auch davon ausgegangen werden, dass ein (erster) Anschein einer Benachteiligung dargelegt worden ist (BAG, Urteil vom 25.04.2013 – 8 AZR 287/08 – m.w.N.).
212. Selbst wenn die Beklagte einen anderen Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und jemanden anderes eingestellt hätte – was die Beklagte in Abrede stellt und von der Klägerin widersprüchlich behauptet wird - mangelt es der Klägerin an der objektiven Eignung für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Java-Entwickler, so dass keine ungünstige Behandlung der Klägerin in einer vergleichbaren Situation im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG anzunehmen ist.
22a) Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung oder Beförderung, liegt bereits dann vor, wenn der Bewerber nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschieden wird. Hier liegt die Benachteiligung in der Versagung einer Chance. Der Bewerber muss sich aber in einer vergleichbaren Situation mit dem Konkurrenten befunden haben. Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt zunächst voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Für die Beurteilung der damit stets erforderlichen objektiven Eignung ist nicht nur auf das formelle und bekannt gegebene Anforderungsprofil, das der Arbeitgeber erstellt hat, zurückzugreifen und abzustellen. Maßgeblich sind vielmehr die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Bewerber in redlicher Weise stellen durfte (BAG, Urteil vom 14.11.2013 – 8 AZR 997/12 – m.w.N.).
23b) Die Klägerin hat bisher nicht als Java-Entwicklerin gearbeitet. Sie legt auch nicht schlüssig dar, dass sie fundierte Kenntnisse in der Java-Entwicklung hat. Sie kann lediglich darauf verweisen, dass sie an zwei etwa zweiwöchigen Weiterbildungskursen im Bereich „Java-Webprogrammierung“ im Jahre 2012 im Umfang von jeweils 80 Stunden am Institut für Berufliche Weiterbildung vier Wochen an einer beruflichen Qualifizierung der a AG teilgenommen hat. Welchen konkreten Inhalt die unterrichteten Kurse hatten und welcher Bezug zur Java-Entwicklung besteht, ist ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen. Es ist auch nicht konkret nachvollziehbar welche Kenntnisse in HTML, JSP, Eclipse und Tomcat in den genannten Kursen vermittelt wurden. Ebenso unklar bleibt, wieso die Schulung zur „Apps-Programmierung Android“ von inhaltlicher Relevanz für die in der Stellenanzeige geforderten Fachkenntnisse sein soll. Die Klägerin hat auch – anders als in der Stellenanzeige gefordert – überhaupt keine einschlägige Projekterfahrung aufzuweisen. Selbst wenn in Weiterbildungskursen nicht nur theoretische, sondern auch praktische Inhalte vermittelt worden sind, so ersetzt das nicht die notwendige Projekterfahrung (vgl.: LAG, Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.09.2014 – 1 Sa 215/14 -). Betriebswirtschaftliche Kenntnisse in den Branchen der Prozessindustrie hat die Klägerin nicht ansatzweise aufzuweisen. Dass es sich bei den geforderten Fachkenntnissen und der Projekterfahrung um überzogene Anforderungen handelt, die nicht durch die wahrzunehmenden Aufgaben gedeckt sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Bei der ausgeschriebenen Tätigkeit handelt es sich um eine solche, die nicht nur der Neu- und Weiterbildung der ERP-Software dient, sondern zu den Aufgaben des Stelleninhabers gehören Anforderungsanalyse, Konzeptionierung, Aufwandsabschätzung und Umsetzung kundenspezifischer Lösungskonzepte, wobei Einführungsprojekte auch vor Ort beim Kunden zu unterstützen sind.
243. Darüber hinaus gilt Folgendes:
25a) Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt nicht darin, dass die Beklagte in der Stellenanzeige die männliche Form „Java-Entwickler“ gewählt hat, denn durch den unmittelbar anschließenden Zusatz (m/w) hat sie deutlich gemacht, dass sie sowohl männliche als auch weibliche Java-Entwickler sucht (vgl. hierzu: LAG Hamm, Urteil vom 04.02.2014– 7 Sa 1026/13 -).
26b) Die fehlende Ausschreibung der Arbeitsstelle als Teilzeitstelle und die von der Klägerin vorgetragene unterdurchschnittliche Repräsentanz von Frauen im IT-Bereich begründen nicht die indizielle Annahme einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts. Die Ausschreibung als Vollzeitstelle macht lediglich deutlich, welchen Arbeitsumfang die Beklagte auf der ausgeschriebenen Position benötigt (vgl.: LAG Hamburg, Urteil vom 19.02.2014 – 3 Sa 39/13 -). Zudem ist die Ausschreibung als Vollzeitstelle sachlich gerechtfertigt. Der Einsatz des Java-Entwicklers eignet sich im vorliegenden Fall nicht für eine Teilzeitarbeit. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass insbesondere in der Phase zum Übergang in den Echtbetrieb des ERP-Systems der ganztägige Einsatz des Java-Entwicklers im Rahmen des Projektteams notwendig ist. Eine Teilzeitbeschäftigung ist nicht nur mit Zeitverlusten, sondern auch mit erhöhten Risiken und Aufwand hinsichtlich der Weitergabe des Projekt-Know-Hows verbunden. Die bloße Nichteinladung einer Frau zu einem Vorstellungsgespräch begründet nicht den Anschein einer Benachteiligung wegen des Geschlechts, selbst wenn im IT-Bereich mehr Männer als Frauen beschäftigt werden, da die unterschiedliche Beschäftigungsquoten vielfältige Gründe haben können, wie etwa die geschlechtsbezogene unterschiedlich hohe Anzahl einschlägiger Ausbildungen und Bewerbungen (BAG, Urteil vom 25.04.2013 – 8 AZR 287/08 -).
27d) Für die Annahme einer Altersdiskriminierung fehlt jedweder Anhaltspunkt in der Stellenanzeige, wie bereits das Arbeitsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat.
28e) Das Erfordernis sehr guter Deutschkenntnisse in Wort und Schrift stellt im Streitfall bereits kein Indiz mittelbarer Herkunftsdiskriminierung dar, jedenfalls ist es nach § 3 Abs. 2 AGG im Hinblick auf ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Die von der Beklagten annoncierte Stelle als Java-Entwickler ist keine reine Programmiertätigkeit, sondern in einen sensiblen Kundenkontakt eingebettet. Die geforderten Sprachkenntnisse sind nachvollziehbar erforderlich für eine sachgerechte Kundenkommunikation, Ermittlung der Bedürfnisse des Kunden und Projektumsetzung. Dabei kommt den schriftlichen Sprachkenntnissen in der deutschen Sprache besondere Bedeutung aufgrund der Umsetzung in Lastenhefte, Pflichtenhefte, Workshop-Protokolle, Anforderungsanalysen, Lösungsvorschläge und Angebote zu. Die sprachlich fehlerfreie Dokumentation ist durchgehend erforderlich bis hinein in die Qualifizierungs- und Validierungsprozesse. Es ist grundsätzlich ein rechtmäßiges Ziel, an einen Arbeitnehmer bestimmte sachgerechte Anforderungen an die Sprachbeherrschung zu stellen. Es ist nicht Sinn der Diskriminierungsverbote, dem Arbeitgeber eine Arbeitsorganisation vorzuschreiben, die nach seiner Vorstellung zu schlechten Arbeitsergebnissen führt (vgl.: BAG, Urteil vom 28.01.2010 – 2 AZR 764/08 – m.w.N.). Die Klägerin erfüllt nicht die Anforderung sehr guter schriftlicher Deutschkenntnisse. Sie ist (kaum) in der Lage, sich fehlerfrei schriftlich zu äußern. Dies zeigt sich bereits anschaulich an ihrer Bewerbung mit einer Vielzahl von orthographischen und grammatikalischen Fehlern und wird bestätigt durch die von ihr in den Prozess eingeführten Schriftstücke.
29III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1ZPO.
30IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.
31R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
32Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 11. Juli 2012 - 4 Sa 596/11 - wird zurückgewiesen.
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Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung und auf Unterlassung von Benachteiligungen von Stellenbewerbern wegen ihres Alters.
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Die Beklagte schaltete im April 2009 eine Stellenanzeige für ein „S Graduate Program Traineeprogramm für Führungsnachwuchskräfte (m/w) im Bereich Human Resources“. In dieser heißt es ua.:
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„Das S Graduate Program (SGP) ist ein internationales Traineeprogramm für unseren Führungsnachwuchs und bereitet Sie auf spätere Managementaufgaben im In- und Ausland vor. Für die Zukunftsgestaltung unseres Unternehmens suchen wir ambitionierte und hochqualifizierte Hochschulabsolventen, für die soziale Kompetenz und Verantwortungsbereitschaft selbstverständlich sind. Für unsere Sektoren und Corporate Units suchen wir Trainees für den Bereich Human Resources mit den Studienrichtungen Jura, BWL, Psychologie, Pädagogik sowie anverwandte.
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…
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Ausbildung
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Sie haben Ihr Studium überdurchschnittlich gut mit der Studienrichtung Jura, BWL, Psychologie, Pädagogik abgeschlossen.
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Ihr Studienschwerpunkt liegt idealerweise im Bereich Arbeitsrecht, Personal, Arbeits- und Organisationspsychologie, Wirtschaftspädagogik oder anverwandte.
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Unser Traineeprogramm richtet sich speziell an Berufseinsteiger, d.h. Ihr Abschluss sollte maximal 1 Jahr zurückliegen oder in den nächsten Monaten angestrebt werden.
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Erfahrungen
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Erste interkulturelle Erfahrungen haben Sie bereits durch ein Studium und/oder Praktika in einem für Sie fremdsprachigen Kulturraum von mindestens 6 Monaten erworben.
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Im Rahmen anspruchsvoller und studienrelevanter Praktika und/oder Werkstudententätigkeiten haben Sie einschlägige praktische Erfahrungen im Bereich Personal erworben.
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…
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Zusätzliche Informationen
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…
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Ergreifen Sie die Initiative und senden uns Ihre aussagekräftige Online-Bewerbung mit Ihrem persönlichen Anschreiben, Ihrem Lebenslauf und allen relevanten Zeugnissen.“
- 3
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Der am 11. Mai 1973 geborene Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 24. April 2009 für dieses Traineeprogramm. Im Jahre 1999 hatte er in Bayern die Erste Juristische Staatsprüfung mit 6,58 Punkten („befriedigend“) und im Jahre 2001 die Zweite Juristische Staatsprüfung mit 5,60 Punkten („ausreichend“) abgelegt. Von 2003 bis 2005 war der Kläger zunächst als selbständiger Rechtsanwalt und in den Jahren 2006 und 2007 als Angestellter einer Versicherungsgesellschaft (zuletzt als Leiter einer fünfköpfigen Juristengruppe) tätig gewesen. Im Jahre 2008 hatte er in Südafrika (Universität Stellenbosch) den Grad eines „Master of Laws“ erworben. Zur Zeit der Stellenausschreibung war der Kläger erneut als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Seiner Onlinebewerbung fügte der Kläger die Zeugnisse seiner beiden Staatsexamina nicht bei und teilte auch seine Examensnoten nicht mit.
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Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 29. April 2009 mittels E-Mail eine Absage. Hierauf forderte sie der Kläger mit Schreiben vom 24. Juni 2009 auf, es künftig zu unterlassen, Bewerber bei der Stellenvergabe wegen ihres Alters zu benachteiligen. Weiter verlangte er materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG sowie eine immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 20.000,00 Euro. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juni 2009 ab.
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Mit seiner am 23. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger einen Unterlassungs- und einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht.
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Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei wegen seines Alters diskriminiert worden. Die Beklagte habe sich mit ihrer Stellenausschreibung speziell an Berufseinsteiger gewandt, deren Hochschulabschluss maximal ein Jahr zurückliege. Deshalb sei eine zumindest mittelbare Benachteiligung wegen des Alters zu vermuten. Er habe sich im Übrigen mit der letztlich erfolgreichen Bewerberin in einer vergleichbaren Situation befunden und sei einer der am besten qualifizierten Bewerber gewesen. Seine Benachteiligung wegen des Alters sei auch nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus stehe ihm der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung nach den § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB, § 15 AGG zu. Dies ergebe sich auch aus dem unionsrechtlichen Grundsatz des „effet utile“ (Effektivitätsgrundsatz).
- 7
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Stellenbewerber im Auswahlverfahren für eine Stelle als Trainee wegen des Alters zu benachteiligen,
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und
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 20.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 9. Juli 2009.
- 8
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Sie bestreitet das Bestehen eines Entschädigungs- und Unterlassungsanspruchs. Mit den in ihrer Ausschreibung verwendeten Begriffen „Berufseinsteiger“ oder „Hochschulabsolvent“ sei keine unmittelbare oder mittelbare Altersdiskriminierung verbunden, weil alle Bewerber unabhängig von ihrem Alter angesprochen würden, die diese Kriterien erfüllten. Der Kläger sei auch nicht aufgrund seines Alters aus dem Kreis der Bewerber ausgeschieden, sondern allein wegen der nicht nachgewiesenen Qualifikationsanforderungen (Zeugnisse mit Examensnoten) und der Nichteinhaltung der geforderten Bewerbungsformalitäten. Dem Kläger fehle im Übrigen bereits die objektive Eignung für die Teilnahme an dem Traineeprogramm. Er habe sich nicht in einer vergleichbaren Situation mit der letztlich zum Zuge gekommenen Bewerberin befunden. Mit ihrem Traineeprogramm wolle sie besonders talentierte Hochschulabsolventen für spätere Aufgaben als Führungskräfte in ihrem Unternehmen vorbereiten. Das Programm sei als weitere Ausbildungsstation von Hochschulabsolventen unmittelbar im Anschluss an ihre Universitätsgrundausbildung konzipiert. Sinn eines solchen Traineeprogrammes sei das Erlangen praktischer Fähigkeiten im unmittelbaren Anschluss an die Hochschulausbildung. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass Nachwuchspersonal für einen künftigen Führungskräftebedarf ausgebildet und möglichst lange an das Unternehmen gebunden werde. Es liege bereits in der Natur eines solchen Programms, dass die Teilnehmer Berufseinsteiger ohne Berufserfahrung und ohne berufspraktische Vorprägung seien. Im Übrigen verschließe sie sich keineswegs Bewerbungen von berufserfahrenen Hochschulabsolventen. Schließlich bezweifelt die Beklagte die Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers.
- 10
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm stehen weder ein Unterlassungs- noch ein Entschädigungsanspruch zu.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung des Klägers nicht ernsthaft gewesen sei, lägen nicht vor. Der Kläger habe ausreichende Indizien nach § 22 AGG vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen. Die Angabe in der Ausschreibung, dass sich das Traineeprogramm speziell an Berufseinsteiger richte, und der Hochschulabschluss maximal ein Jahr zurückliegen solle, stelle eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 2 AGG dar. Hierdurch würden typischerweise Bewerber mit einem höheren Lebensalter von der Bewerbung ausgeschlossen.
- 13
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Jedoch habe die Beklagte ausreichende Anhaltspunkte für die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung der Bewerber nach § 3 Abs. 2, §§ 8 und 10 AGG vorgetragen. Eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals könne durch ein legitimes Ziel und die Wahl von verhältnismäßigen Mitteln zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Zu den rechtmäßigen Zielen gehörten auch privatautonom bestimmte Ziele des Arbeitgebers, zB betriebliche Notwendigkeiten und Anforderungen an persönliche Fähigkeiten des Arbeitnehmers. Vorliegend sei es das Ziel der Beklagten, mit dem zweijährigen Traineeprogramm qualifiziertes Nachwuchspersonal für den Führungskräftebedarf im Bereich Human Resources zu gewinnen. Hoch qualifizierte Hochschulabgänger erhielten durch die Teilnahme an dem Traineeprogramm eine Chance, sich für den Kreis der künftigen Führungskräfte zu qualifizieren. Ein solches Traineeprogramm gleiche damit mehr einem Berufspraktikum als einer Berufstätigkeit, es sei ein Programm zur beidseitigen Förderung beruflicher Perspektiven. Das Programm sei mithin auf Hochschulabsolventen zugeschnitten, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. So sollten Nachwuchskräfte unternehmensspezifisch ausgebildet und langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Zugleich weise das Programm einen sozialen Bezug auf, da es den Einstieg von Berufsanfängern in das Berufsleben erleichtere. Die Beklagte decke ihren Personalbedarf im Übrigen auch durch Bewerber mit mehrjähriger Berufserfahrung. Der Kläger werde damit als potentieller Bewerber für eine Anstellung bei der Beklagten nicht gänzlich ausgeschlossen. Er habe nur nicht zu der Zielgruppe der Teilnehmer an ihrem Traineeprogramm gehört, da seine universitäre Ausbildung zehn Jahre zurückliege und er bereits über eine fünfjährige berufliche Tätigkeit verfüge. Unter Berücksichtigung der unternehmerischen Ziele erweise sich das Traineeprogramm daher als verhältnismäßig.
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Aufgrund der damit anzunehmenden Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Bewerbern unterschiedlicher Altersgruppen stehe dem Kläger auch der von ihm geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Antrag einen vollstreckungsfähigen Inhalt habe und damit dem Bestimmtheitsgebot entspreche und ob der Kläger ausreichend aktivlegitimiert sei.
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B. Die Entscheidung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der für angemessen erachteten Entschädigung mit 20.000,00 Euro beziffert.
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II. Die Klage ist in Bezug auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch unbegründet. Da der Kläger durch die Nichtberücksichtigung im Bewerbungsverfahren nicht in unzulässiger Weise wegen seines Alters benachteiligt worden ist, steht ihm kein Anspruch auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu.
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1. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG und fällt daher unter den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob er für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 18). Die objektive Eignung eines Bewerbers ist vielmehr für die Frage bedeutsam, ob eine „vergleichbare Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vorliegt(vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 29). Auch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es nicht an, weil ihr Fehlen allenfalls den Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers begründen könnte (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24).
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2. Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber ist mithin auch derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 18, BAGE 142, 143).
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3. Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch innerhalb der Fristen der § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.
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a) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG), nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt (vgl. BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 55 ff., BAGE 141, 48). Die Ablehnung der Bewerbung wurde dem Kläger mittels E-Mail vom 29. April 2009 mitgeteilt. Der Kläger machte mit Schreiben vom 24. Juni 2009 einen Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch sowie einen Unterlassungsanspruch außergerichtlich geltend. Mangels anderweitigen Sachvortrags der Parteien ist daher - unter Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeiten - davon auszugehen, dass die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG gewahrt ist.
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b) Der Kläger hat seinen Entschädigungs- und Unterlassungsanspruch durch die beim Arbeitsgericht am 23. September 2009 eingegangene Klage auch innerhalb der dreimonatigen Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.
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4. Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG voraus. § 15 Abs. 2 AGG enthält zwar nur eine Rechtsfolgenregelung; jedoch ist für die Voraussetzungen des Anspruchs auf § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG zurückzugreifen. Dies ergibt sich bereits aus dem systematischen Zusammenhang (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30).
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Die Beklagte hat den Kläger weder unmittelbar noch mittelbar in unzulässiger Weise (§§ 1, 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) benachteiligt.
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a) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - zu denen auch das Alter zählt - eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die nachteilige Maßnahme muss dabei unmittelbar an das verbotene Merkmal anknüpfen bzw. mit diesem begründet werden (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 - Rn. 33, BAGE 138, 166).
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Im Streitfalle fehlt es bereits an einer unmittelbaren Benachteiligung, weil sich der Kläger nicht in einer „vergleichbaren Situation“ mit den zu einem Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerbern bzw. der letztlich erfolgreichen Bewerberin befand.
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aa) Zwar erfuhr der Kläger - bereits im Zeitpunkt der Absage - eine weniger günstige Behandlung als die später tatsächlich eingestellte Bewerberin. Darüber hinaus war auch die Behandlung des Klägers im Vergleich mit den zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen (letztlich gleichfalls erfolglosen) Bewerbern weniger günstig. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung oder Beförderung, liegt nämlich bereits dann vor, wenn der Bewerber nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschieden wird. Hier liegt die Benachteiligung in der Versagung einer Chance (st. Rspr., vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 22).
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bb) Der Kläger befand sich jedoch mit den zu einem Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerbern und der letztlich erfolgreichen Bewerberin nicht „in einer vergleichbaren Situation“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG).
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(1) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt zunächst voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35).
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Für die Beurteilung der damit stets erforderlichen objektiven Eignung ist nicht nur auf das formelle und bekannt gegebene Anforderungsprofil, das der Arbeitgeber erstellt hat, zurückzugreifen und abzustellen. Maßgeblich sind vielmehr die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Bewerber in redlicher Weise stellen durfte. Zwar darf der Arbeitgeber über den einer Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers grundsätzlich frei entscheiden. Durch überzogene Anforderungen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des Allgemeinen Diskriminierungsschutzes de facto beseitigen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 36).
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Es ist grundsätzlich zulässig, in einem Stellenprofil eine bestimmte Mindestnote oder sonstige besondere Qualifikationen zu fordern (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 36). Hierzu ist ein Arbeitgeber vor allem dann berechtigt, wenn es um die Gewinnung von Führungsnachwuchs oder die Besetzung von Führungsstellen geht. Hierin liegen mit Blick auf die besonderen Anforderungen in solchen Positionen keine überzogenen oder willkürlichen Auswahlkriterien.
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(2) Die Beklagte hat in ihrer Stellenanzeige „ambitionierte und hochqualifizierte“ Hochschulabsolventen für den Bereich Human Resources mit den Studienrichtungen Jura, BWL, Psychologie, Pädagogik „sowie anverwandte“ gesucht. Zudem hat sie unter der Rubrik „Ausbildung“ gefordert: „Sie haben Ihr Studium überdurchschnittlich gut mit der Studienrichtung Jura, BWL, Psychologie, Pädagogik abgeschlossen.“ Diese spezifische Anforderung ist mit Blick auf die - als „Mission“ bezeichnete - gewünschte Gewinnung (und Bindung) von Führungsnachwuchs für spätere Managementaufgaben im In- und Ausland gerechtfertigt und unbedenklich.
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Der Kläger verfügt zwar über das - hier aufgrund der Fokussierung auf „Hochschulabsolventen“ maßgebliche - erste juristische Staatsexamen. Allerdings erfüllt seine dabei erzielte Abschlussnote nicht die hohe Anforderung eines „überdurchschnittlich gut(en)“ Examens. Auch wenn man die Besonderheiten des juristischen Examens, insbesondere in Bayern, berücksichtigt, so handelt es sich bei einem Examen mit 6,58 Punkten um keinen solchen überdurchschnittlich guten Abschluss. Soweit der Kläger der Auffassung ist, es genüge bereits ein „überdurchschnittliches“ Examen, das er im statistischen Vergleich auch erzielt habe, geht dies fehl. Die Anforderung „überdurchschnittlich gut“ ist nämlich - aus der hier maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers, dh. des Lesers der Stellenanzeige - nicht so zu lesen: „überdurchschnittlich und damit gut“. Vielmehr muss es sich zunächst um ein „gutes“ und sodann sogar „überdurchschnittlich gutes“ Examen handeln, mithin nicht nur um ein bloß „überdurchschnittliches“, sondern herausragendes Zeugnis. Dabei hat die Beklagte nach ihrem Sachvortrag im Falle der auch angesprochenen Juristen ein „gut“ nicht gefordert, sondern ein „befriedigend im oberen Bereich“ ausreichen lassen. Dies belegt auch der systematische Zusammenhang der Stellenausschreibung. So werden ausdrücklich „hochqualifizierte Hochschulabsolventen“ als Führungsnachwuchs gesucht. Das lediglich „befriedigende“ „Prädikatsexamen“ (im unteren Notenbereich) des Klägers ist kein Ausweis einer Hochqualifizierung. Daher war ein bloß „überdurchschnittliches“ Examen nicht ausreichend. Juristen mit knapp „befriedigendem“ Staatsexamen hat die Beklagte erkennbar nicht ansprechen wollen.
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Auf eine später gewonnene Qualifikation - wie das zweite juristische Staatsexamen - kam es der Beklagten ersichtlich nicht an. Der Kläger vermag sich daher auf dieses nicht mit Erfolg zu berufen.
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(3) Nach alledem entsprach der Kläger von vornherein nicht den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle. Sein Defizit war so erheblich, dass eine weitere Prüfung seiner Bewerbung nicht ernstlich in Betracht gekommen wäre. Es kam deshalb auch nicht darauf an, dass die Beklagte aufgrund der diesbezüglich lückenhaften Stellenbewerbung (keine Angabe der Examensnote) des Klägers von dessen Examensnote keine Kenntnis hatte, weil es diesem bereits an der maßgeblichen objektiven Eignung fehlte. Da das AGG vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen und nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren will, steht einem objektiv ungeeigneten Bewerber kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu(vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 34). Deshalb kann bei objektiver Nichteignung des Bewerbers auch bei Nichtkenntnis des Arbeitgebers von der Nichteignung kein Entschädigungsanspruch des abgelehnten Bewerbers entstehen.
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(4) Im Streitfalle war die objektive Nichteignung des Klägers aufgrund der objektiv gegebenen Umstände offensichtlich. Deshalb spielte die Frage keine Rolle, wer für die objektive Eignung oder Nichteignung eines Bewerbers die Darlegungs- und Beweislast trägt.
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b) Da der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet war, scheidet auch eine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG wegen seines Alters aus. Auch ein Entschädigungsanspruch wegen mittelbarer Diskriminierung setzt eine konkrete Betroffenheit des Benachteiligten voraus (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 51). Damit stellt sich das Verbot der mittelbaren Diskriminierung letztlich als Hilfsmittel zur Durchsetzung des eigentlichen Verbots unmittelbarer Diskriminierung dar (vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2. Aufl. Rn. 246; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 20; so auch: Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 127, die das Verbot der mittelbaren Diskriminierung als Beweiserleichterung für das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung betrachten). Scheidet eine konkrete Betroffenheit eines abgelehnten Bewerbers wegen dessen objektiver Ungeeignetheit für die ausgeschriebene Stelle aus, so scheitert daran auch ein Entschädigungsanspruch wegen einer möglicherweise vorliegenden mittelbaren Diskriminierung.
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III. Die Unterlassungsklage ist unzulässig. Es fehlt für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch bereits an der erforderlichen, von Amts wegen zu prüfenden Prozessführungsbefugnis und damit an einer Prozessvoraussetzung.
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Der Kläger macht - ohne konkrete Selbstbetroffenheit und gewissermaßen „stellvertretend“ für (andere) Bewerber bei künftigen Ausschreibungen der Beklagten - einen „vorbeugenden Unterlassungsanspruch“ im Sinne einer „Popularklage“ geltend.
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So wie eine abstrakte Diskriminierung ohne konkrete eigene Benachteiligung einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG nicht auszulösen vermag, begründet auch der Gesichtspunkt der „Generalprävention“ keinen Unterlassungsanspruch. Es fehlt an einer nationalen gesetzlichen Grundlage für einen solchen „generalpräventiven“ Unterlassungsanspruch. Auch Europarecht begründet einen derartigen Anspruch nicht.
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1. Einen vom konkreten Bewerbungsverfahren losgelösten, einer „Popularklage“ ähnelnden Anspruch auf Unterlassung - künftiger - diskriminierender Ausschreibungen bzw. auf - künftige - diskriminierungsfreie Neuausschreibungen ist aus dem AGG nicht herzuleiten. Im Übrigen haben selbst konkret betroffene Stellenbewerber, die einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot geltend machen, während eines laufenden Auswahlverfahrens keinen Anspruch auf Unterlassung einer Ausschreibung und auf Neuausschreibung (vgl. BayVGH 4. Dezember 2012 - 7 ZB 12.1816 - BayVBl. 2013, 308).
- 42
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Lediglich für den Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft ist in § 17 Abs. 2 AGG iVm. § 23 Abs. 3 BetrVG bei einem groben Verstoß des Arbeitgebers ein Unterlassungsanspruch vorgesehen und kommt dann auch bei diskriminierenden Stellenausschreibungen in Betracht. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche ergeben sich für Stellenbewerber auch nicht aus § 21 Abs. 1 AGG. § 21 AGG betrifft nicht den Schutz von Beschäftigten und Bewerbern vor Benachteiligungen, sondern ausschließlich den Schutz vor Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr im Sinne des § 19 AGG.
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2. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.
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Die europäischen Richtlinien zur Durchsetzung der Gleichbehandlung, die durch das AGG umgesetzt worden sind, verlangen, dass in den Mitgliedstaaten alle Personen, die sich durch Ungleichbehandlung aufgrund eines verpönten Merkmals für in ihren Rechten verletzt halten, den Gerichtsweg beschreiten können (Art. 7 Abs. 1 RL 2000/43/EG und Art. 9 Abs. 1 RL 2000/78/EG). Die Richtlinien fordern darüber hinaus, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die nach nationalem Recht für die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinien zu sorgen haben, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung am Gerichtsverfahren beteiligen können. Diese Mindestanforderungen (Art. 6 Abs. 1 RL 2000/43/EG und Art. 8 Abs. 1 RL 2000/78/EG)erfüllt das nationale Recht. Zwar ist für die durch Gesetz vorgeschriebenen Einrichtungen zur Unterstützung der Integration behinderter Menschen (Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, Integrationsfachdienste, vgl. Kap. 5 bis 7 SGB IX) ein allgemeines Klagerecht nicht vorgesehen, jedoch können Antidiskriminierungsverbände nach § 23 Abs. 2 AGG im gerichtlichen Verfahren als Beistände Benachteiligter auftreten. Die Popularklage einzelner Betroffener ist dem deutschen Recht dagegen grundsätzlich fremd (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 33).
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3. Der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union(AEUV) bedurfte es nicht. Insoweit hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits in seinem Urteil vom 10. Juli 2008 (- C-54/07 - [Feryn] Rn. 37 - 39, Slg. 2008, I-5187) ausgeführt, die Richtlinie 2000/43/EG verpflichte nicht zu bestimmten Sanktionen, sondern belasse den Mitgliedstaaten die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des festgelegten Ziels geeignet sind. Auch wenn die Sanktionen neben anderen Maßnahmen darin bestehen könnten, dass dem Arbeitgeber nach den entsprechenden Vorschriften im nationalen Recht aufgegeben werde, die festgestellte diskriminierende Praxis zu unterlassen, ist eine solche Sanktion nicht zwingend, sondern steht unter dem Vorbehalt des nationalen Rechts. Diese Rechtsprechung - und damit die Freiheit der Mitgliedstaaten - hat der Gerichtshof jüngst ausdrücklich bestätigt (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 36 ff.).
- 46
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
-
Hauck
Böck
Breinlinger
Lüken
Soost
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 11.04.2013
– 3 Ca 1560/12 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung.
3Die Klägerin ist 1961 in X/Russland geboren worden. In der Zeit von 1978 bis 1984 absolvierte sie am M Institut für Luftfahrtgerätebau ein Studium mit der Fachrichtung Informatik. Während dieses Studiums erwarb sie die Qualifikation als sachbearbeitende Übersetzerin für die englische Sprache (Bl. 19 d.A.). Ausweislich der Bescheinigung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein vom 15.02.1999 ist dieses Studium, welches mit der Qualifikation einer Systemtechnik-Ingenieurin abgeschlossen wurde, einem in der Bundesrepublik Deutschland durch Diplomprüfung abgeschlossenen Studium der Fachrichtung Informatik als gleichwertig anerkannt worden. Wegen der vorbezeichneten Bescheinigung wird auf die Kopie Bl. 11 d.A. Bezug genommen.
4Nach Abschluss des Studiums war die Klägerin zunächst bis 1998 als Systemprogrammiererin in Moskau tätig, bevor sie in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. Von Beginn des Jahres 2000 bis zum 31.03.2003 arbeitete die Klägerin u.a. im Bereich der Software-Entwicklung. Seit dem 01.04.2003 ist sie arbeitslos. Wegen der Einzelheiten der beruflichen Tätigkeiten wird auf den Lebenslauf Bl. 10 d.A. Bezug genommen.
5Bereits im Jahre 1998 bestand die Klägerin die deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studierender an der Fernuniversität-Gesamthochschule in Hagen (Bl. 17 d.A.); im Rahmen der Einbürgerung der Klägerin hatte sie einen Deutschsprachtest zu absolvieren, der unter dem 30.04.2001 „gute Deutschkenntnisse“ bescheinigte.
6In der Zeit vom 16.07.2012 bis 10.08.2012 nahm die Klägerin beim Institut für Berufliche Bildung AG mit Sitz in I an einer Qualifizierungsmaßnahme „Java Web-Programmierung“ und „Java Web-Programmierung - Fortgeschrittene Techniken“ im Umfang von jeweils 80 Stunden teil. Die hierüber erteilten Zertifikate weisen alsErgebnis einen „sehr guten Erfolg“ aus. Auf die Kopien Bl. 22 ff. d.A. wird Bezug genommen.
7Die Beklagte mit Sitz in H ist ein Software-Service-Unternehmen, welches seine Kunden primär direkt an deren Standort mit unterschiedlichen Beratungsleistungen im IT-Bereich unterstützt. Sie verfügt über Standorte in B, C1, H, I, J, T, X1 und X2. Die Beklagte vereinbart mit ihren Kunden Werk- oder Dienstleistungsverträge, im Einzelfall auch Arbeitnehmerüberlassungsverträge. Insgesamt beschäftigt sie derzeit etwa 100 Beschäftigte, wovon etwa 10 Personen freiberuflich für die Beklagte tätig sind.
8Unter dem 13.08.2012 veröffentlichte die Beklagte eine Stellenanzeige, die im Wesentlichen folgenden Inhalt hatte:
9„Java Developer (m/w) für den Standort I
10Globel Player? Oder Familiäres Umfeld? Warum nicht Beides! Wir bieten unseren Mitarbeitern anspruchsvolle Projekte bei namhaften Unternehmen in direkter Nähe zu unseren Standorten (…). …
11Beim Kunden überzeugen wir mit maßgeschneiderten IT-Lösungen aus unseren vier Kompetenzbereichen:
12…
13Ihre Aufgaben
14- 15
Erhebung von Anforderungen beim Kunden sowie Durchführung von Machbarkeitsstudien und Aufwandsschätzungen
- 16
Konzeptionierung und Implementierung von Softwarekomponenten in Java und Oracle
- 17
Erstellung und Pflege der Konzept- und Spezifikationsdokumente
- 18
Durchführung der Technischen Tests und der Abnahmen
Was Sie mitbringen
20…
21- 22
Teamorientierung, überzeugendes Auftreten, Reisebereitschaft und Beratungskompetenz
- 23
…
- 24
Sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse in Wort und Schrift
Was Sie bei uns erwartet
26- 27
Ein sicherer Job mit Perspektive in einem dynamischen Team
- 28
…
- 29
Ein eigener Firmenwagen
- 30
…“
Wegen der Einzelheiten der Stellenanzeige wird auf die Kopie Bl. 5 d.A. Bezug genommen.
32Am 14.08.2012 bewarb sich die Klägerin bei der Beklagten auf die ausgeschriebene Stelle unter Benutzung des von der Beklagten erbetenen Online-Formulars. Auf das Bewerbungsschreiben Bl. 6 d.A. wird verwiesen.
33Dem Bewerbungsschreiben waren die Zeugnisse der Klägerin einschließlich der Zertifikate über die Qualifizierungsmaßnahme in „Java“ beigefügt.
34Ohne die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, erteilte die Beklagte ihr eine Absage mit folgendem Wortlaut:
35„Sehr geehrte Frau N,
36nochmals vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse an unserem Unternehmen. Zwischenzeitlich haben wir alle eingegangenen Bewerbungen sorgfältig geprüft. Anhand der Unterlagen versuchten wir uns ein Bild zu verschaffen, wer von den Gesamtvoraussetzungen wie Ausbildung, Art und Dauer der Berufserfahrung und Gehaltswünschen am ehesten unserem Anforderungsprofil entspricht. Die Auswahl ist uns nicht leicht gefallen. Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Bewerbung nicht in die engste Wahl genommen haben. Bitte sehen Sie in dieser Entscheidung kein abschließendes und persönliches Werturteil Ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen.
37…“
38Auf den Ausdruck der E-Mail der Beklagten vom 28.08.2012 Bl. 7 d.A. wird verwiesen.
39Am gleichen Tage – am 28.08.2012 – erschien eine identische Stellenanzeige wie diejenige, auf die die Klägerin sich beworben hatte.
40Mit der vorliegenden am 10.09.2012 beim Arbeitsgericht Bocholt eingegangenen Klage, verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag, verlangt die Klägerin „wegen Nichteinstellung als Folge der Mehrfachdiskriminierung“ die Zahlung von insgesamt sechs Bruttomonatsgehältern (18.000,-- €) von der Beklagten.
41Die Klägerin hat vorgetragen:
42Die von der Beklagten erteilte Absage könne nicht wegen fachlicher Gründe erfolgt sein, da sie alle Stellenanforderungen erfülle. Sie gehe daher davon aus, dass sie in jedem Falle zu einem Vorstellungsgespräch hätte eingeladen werden müssen. So aber bestehe im Sinne hinreichender Indizien eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Diskriminierung wegen des Geschlechts, des Lebensalters und der russischen Herkunft.
43In der Stellenanzeige werde durch die Anforderung „sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse in Wort und Schrift“ eine Bewerberin nicht deutscher Herkunft mittelbar diskriminiert. Eine solche Anforderung sei typischerweise geeignet, um entsprechende Bewerber zu benachteiligen. Für sie als Zuwanderin sei der Nachweis sehr guter Deutschkenntnisse gar nicht möglich, da im Einbürgerungstest lediglich „gute Deutschkenntnisse“ als Maximalanforderung genannt seien. Da sie das Ergebnis des Deutschsprachtestes der Einbürgerung den Bewerbungsunterlagen beigefügt habe, hätte die Beklagte ohne weiteres erkennen können, dass sie das diskriminierende Merkmal „sehr gute Deutschkenntnisse“ nicht habe erfüllen können. Eine solche Anforderung sei im Übrigen im Bereich der Software-Entwicklung überhaupt nicht notwendig, wie sie bereits daraus dokumentiere, dass sie im entsprechenden Bereich in Deutschland bereits in zwei Unternehmen erfolgreich tätig gewesen sei. Für die Programmierung in „Java“ seien keinesfalls sehr gute Deutschkenntnisse erforderlich.
44Darüber hinaus habe eine „Feldstudie des Instituts für Zukunft der Arbeit über ethnische Diskriminierungen im deutschen Arbeitsmarkt“ nachgewiesen, dass 23,08 % der Unternehmen der IT-Branche nur Bewerbungen mit deutschem ethnischen Hintergrund positiv berücksichtigen würden.
45Darüber hinaus werde die Klägerin wegen ihres weiblichen Geschlechts zumindest mittelbar diskriminiert. Eine Anfrage an das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung habe ergeben, dass im Bereich der Datenverarbeitung Fachleute nur 18,5 % Frauen beschäftigt sind. Darüber hinaus verlange die Beklagte in ihrer Stellenbeschreibung als Anforderung „Reisebereitschaft“, was ebenfalls eine mittelbare Frauendiskriminierung darstelle, da Frauen in häufigerem Maße aufgrund familiärer Bindungen weniger reisebereit sein können als Männer.
46Im Internetauftritt der Beklagten lasse sich nachlesen, dass der einzig wichtige Beschäftigungsbereich in der Softwareentwicklung ausschließlich aus Männern bestehe, was auch für die Leitungsebene gelte. Wegen der Einführung der Frauenquote müsse ein rein männlicher Beschäftigungs- und Geschäftsführungsbereich als Indiz für Diskriminierung des weiblichen Geschlechts berücksichtigt werden.
47Im Internetauftritt werde ein Team dargestellt, welches männlich sei und daher auch einen männlichen Bewerber erwarte.
48Darüber hinaus werde die Klägerin wegen ihres Alters diskriminiert, da die Stellenanzeige von einem „dynamischen Team“ spreche. Im Übrigen sei allgemein bekannt, dass Frauen nicht deutscher Herkunft im Alter um die 50 Jahre am häufigsten diskriminiert würden.
49Soweit die Beklagte meine, dass sich aus der Stellenanzeige ergebe, dass die von der Beklagten ausgeschriebene Tätigkeit überwiegend beim Kunden stattfinde, weshalb hohe Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit gestellt würden, so zeige die Anzeige doch, dass keine überwiegende Sprachtätigkeit vorliege.
50Unter Hinweis auf die Rechtsprechung einiger Landesarbeitsgerichte, des Bundesarbeitsgerichts wie auch des Europäischen Gerichtshofes hat die Klägerin gemeint, hinreichende Indizien für eine Diskriminierung vorgetragen zu haben mit der Folge, dass sich die Beweislast umkehre.
51Die Klägerin hat beantragt,
52die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin sechs Bruttomonatsgehälter gleich 18.000,-- € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Anhängigkeit der Klage als Entschädigung zu zahlen.
53Die Beklagte hat beantragt,
54die Klage abzuweisen.
55Sie hat vorgetragen:
56Die Beklagte hat die Klägerin weder unmittelbar noch mittelbar diskriminiert, als sie eine Absage erteilte. Der Inhalt der Absage vom 18.08.2012 sei ein Standardschreiben gewesen, welches die Beklagte stets bei Absagen benutze.
57Es habe insgesamt auf die Anzeige vom 13.08.2012 neun Bewerbungen gegeben. Wegen der Einzelheiten dieser Bewerbungen wird auf die Tabelle in der Klageerwiderung Bl. 77 d.A. verwiesen.
58Die Beklagte habe die Stellenanzeige nicht geschaltet, weil sie einen konkreten Beschäftigungsbedarf gehabt habe, sondern um den Arbeitsmarkt zu sondieren. Dies mache sie regelmäßig, um sodann bei entstehendem Bedarf auf potientielle Interessenten zugreifen zu können.
59Auf die Stellenanzeige vom 13.08.2012 sei demzufolge kein einziger Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden; ebenso habe es keine Einstellung gegeben. Das wiederholte Erscheinen der Anzeige sei lediglich dem Inhalt des Inseratauftrages geschuldet und nicht der Sache.
60Schon von daher könne eine Benachteiligung der Klägerin nicht eingetreten sein.
61Im Übrigen sei das Anforderungsmerkmal „sehr gutes Deutsch“ nicht als willkürlich anzusehen, da Bewerber in Fremdunternehmen in Deutschland eingesetzt werden und dabei kommunikativ mit anderen zusammen arbeiten sollen. Die Anforderung „sehr gutes Deutsch“ sei daher zur Erreichung dieses rechtsmäßigen Ziels der Kommunikationsfähigkeit erforderlich und angemessen.
62Die Beklagte beschäftige Mitarbeiter/innen aus der Ukraine, Portugal, Indien, Iran, Spanien, Mexiko, Kroatien, Rumänien, Russland, Kasachstan und Syrien; ihre Altersstruktur reiche von 24 bis 57 Jahre. Auch hieran sei ersichtlich, dass eine mittelbare Diskriminierung nicht erfolgt sei.
63Die Beklagte bestreite nicht, dass die Klägerin über sehr gute Deutschkenntnisse verfüge. Allerdings habe sie Zweifel, ob die Klägerin das Anforderungsprofil der Stellenanzeige erfülle, da sie eine tatsächliche Erfahrung mit „Java-Programmierung“ nicht aufweisen könne, sondern den von ihr dargelegten Qualifizierungslehrgang absolviert habe. Ein solcher mit je 80 Stunden könne eine effektive Tätigkeit im Bereich der „Java-Programmierung“ nicht ersetzen.
64Das Arbeitsgericht Bocholt hat Beweis erhoben im Kammertermin vom 11.04.2013 durch Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugin C. Die Zeugin C hat ausgesagt,
65„auf die Anzeige vom 13.08.2012 ist keine der Bewerber zu einem Gespräch eingeladen worden. Bis heute ist auch noch kein Java Deloper eingestellt worden. Dieses gilt für das ganze Haus, nicht nur für I“.
66Auf das Protokoll vom 11.04.2013, hier Bl. 128 d.A., wird verwiesen.
67Durch Urteil vom 11.04.2013, der Klägerin am 08.08.2013 zugestellt, hat dasArbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es einerseits ausgeführt, dass das Arbeitsgericht Zweifel habe, ob die Klägerin sich ernsthaft auf die ausgeschriebene Stelle beworben habe. Diese Zweifel würden sich daraus ergeben, dass das von der Klägerin erstellte Bewerbungsschreiben in der Formatierung auch nicht ansatzweise eine Kenntnis in Informatik erkennen lasse. Andererseits sei eine Diskriminierung schon deswegen ausgeschlossen, weil nach Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugin C feststehe, dass weder eine andere Person zum Vorstellungsgespräch eingeladen, noch eingestellt worden sei.
68Wegen der Einzelheiten der Entscheidung des Arbeitsgerichts Bocholt wird auf Bl. 131 bis 137 d.A. Bezug genommen.
69Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden, beim Landesarbeitsgericht am 05.09.2013 vorab per Telefax eingegangenen und mit Schriftsatz vom 07.10.2013, am selben Tage vorab per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründeten Berufung.
70Die Klägerin trägt vor:
71Die angegriffene Entscheidung sei insofern fehlerhaft, als dass es das erstinstanzliche Gericht als fraglich angesehen habe, ob sich die Klägerin ernstlich auf die Stelle der Beklagten hat bewerben wollen. Sie habe ein ausführliches Bewerbungsschreiben verfasst und dabei umfassende Bewerbungsunterlagen beigefügt. Von ihrer Qualifikation her sei sie für die ausgeschriebene Stelle ohne Einschränkung geeignet gewesen, was die Klägerin auch in erster Instanz umfassend vorgetragen habe. Der Rückschluss in der angegriffenen Entscheidung von der Formatierung des Bewerbungsschreibens, die im Übrigen den Vorgaben des Online-Formulars der Beklagten folge, auf eine angebliche fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung sei nicht nachvollziehbar.
72Im Übrigen habe die angegriffene Entscheidung zu Unrecht eine Benachteiligung schon deswegen ausgeschlossen, weil nach der durchgeführten Beweisaufnahme kein Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen oder eingestellt worden sei. Die Klägerin gehe davon aus, dass die Aussage der Zeugin C keinesfalls hinreichend substantiiert sei, da sie weder erkennen lasse, aus welchem Grunde die Zeugin C diese Aussage hat tätigen können, noch welche Hintergründe für diese Aussage maßgeblich seien. Die Aussage hätte vor dem Hintergrund der Beweislast bei der Beklagten deutlich detaillierter sein müssen.
73Rein rechtlich sei höchst richterlich noch nicht entschieden worden, welche Bedeutung im Sinne des AGG dem – nach wie vor bestrittenen – Vortrag der Beklagten beizumessen sei, dass weder ein Bewerber eingeladen, noch einer eingestellt worden sei. Die Klägerin gehe mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass in der Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch die Versagung einer Chance liege, was bereits für die Annahme einer Diskriminierung ausreiche.
74Der Vortrag der Beklagten, die Stellenanzeige sei quasi „auf Vorrat“ geschaltet worden, sei zum einen unglaubwürdig, zum anderen rechtlich irrelevant, weil dies ein geheimer Vorbehalt sei, der für einen Bewerber nicht erkennbar zu Tage getreten sei. Durch den Wortlaut der Absage vom 28.08.2012 dokumentiere die Beklagte selbst, dass es sich eben nicht um eine Bewerbung auf Vorrat gehandelt habe.
75Die Beklagte habe darüber hinaus widersprüchlich vorgetragen, indem sie zunächst dargelegt habe, auf die ausgeschriebene Stelle sei kein Bewerber eingeladen oder eingestellt worden, um sodann im Ablehnungsschreiben anderes mitzuteilen. Die Beklagte habe nicht hinreichend Auskunft darüber erteilt, welche Umstände sie zu dem vorgetragenen Schritt bewogen hätten, niemanden einzustellen.
76Außerdem habe die Beklagte die Klägerin nicht von ihrer im Rechtsstreit vorgetragenen Entscheidung, niemanden einzustellen, unverzüglich unterrichtet, womit sie ihre gesetzliche Pflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX verletzt habe. Insoweit gehe die Klägerin davon aus, dass die Beklagte nicht die Beschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX erfülle.
77Mangels Erfüllung des entsprechenden Auskunftsanspruchs liege ein weiteres Indiz für die mittelbare Benachteiligung der Klägerin vor mit der Folge, dass die Beklagte die volle Beweislast für eine Nichtdiskriminierung trage.
78Unter Berufung auf ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen im Übrigen beantragt die Klägerin,
79unter Abänderung des am 11.04.2013 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Bocholt , 3 Ca 1560/12,
80- 81
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin sechs Brutto-Monatsgehälter = 18.000,-- € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Anhängigkeit der Klage als Entschädigung zu zahlen,
- 83
2. hilfsweise zum Antrag zu 1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.000,-- € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Anhängigkeit der Klage als Entschädigung zu zahlen.
85Die Beklagte beantragt,
86die Berufung zurückzuweisen.
87Sie trägt vor:
88Eine Benachteiligung der Klägerin sei bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte weder einen Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen noch einen solchen eingestellt habe. Die Aussage der Zeugin C sei insoweit eindeutig; mehr als die Tatsache, dass es nicht zu einem Vorstellungsgespräch und nicht zu einer Einstellung gekommen sei, hätte die Zeugin nicht bekunden können.
89Damit stehe aber auch fest, dass der Klägerin im Verhältnis zu anderen Bewerbern im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Chance versagt worden ist. Die Entscheidung, nach einer zunächst ausgeschriebenen Stelle keine Besetzung vornehmen zu wollen, sei eine unternehmerische Entscheidung, die die Beklagte autonom und diskriminierungsfrei habe treffen können. Die Beklagte habe alle Bewerber gleich behandelt, sodass eine Diskriminierung von vornherein ausscheide.
90Das Vorbringen der Beklagten sei auch nicht widersprüchlich; insbesondere schulde sie keine Auskunft über Kriterien, die für die Einstellung eines ausgewählten Bewerbers maßgeblich gewesen sein könnten, da eine derartige Entscheidung eben nicht getroffen worden ist. Eine Entscheidung im Hinblick darauf, „ob“ überhaupt eine Stelle geschaffen werden solle, unterliege keiner gerichtlichen Überprüfung. Wenn der Arbeitgeber, also die Beklagte, sich nach einer Stellenausschreibung entschließe, eine Stelle nicht zu besetzen, gleich, ob diese Entscheidung noch vor Eingang von Bewerbungen erfolge, oder danach, so unterliege dies seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und müsse nicht näher begründet werden.
91Rein vorsorglich verbleibe es dabei, dass die Stellenanforderung „sehr gutes Deutsch“ sachlich gerechtfertigt gewesen sei und dass der Vortrag der Klägerin zur Alters- und Geschlechterdiskriminierung nicht hinreichend substantiiert sei, um eine Beweislast bei der Beklagten auszulösen.
92Soweit die Klägerin im Übrigen meine, dass sich aus dem Vortrag der Beklagten zu den eingegangenen Bewerbungen ergebe, dass die Beklagte überhaupt nicht auf Qualifikationen erachtet habe, so sei anzumerken, dass dieser Sachvortrag in Form einer tabellarischen Darstellung der Beklagten eine Reaktion auf den Diskriminierungsvorwurf der Kläger im gerichtlichen Verfahren sei.
93Im Übrigen verteidigt die Beklagte die angegriffene Entscheidung insgesamt als zutreffend.
94Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.
95Entscheidungsgründe
96I.
97Die Berufung der Klägerin als Rechtsmittel gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht gemäß den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 ff. ZPO eingelegt und begründet.
98II.
99Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet, da ihr kein Anspruch auf angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, zusteht.
1001.
101Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Die Klägerin ist nämlich als Bewerberin „Beschäftigte“ im Sinne des AGG. Insoweit ist die gesetzliche Fiktion des § 6 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative AGG maßgeblich, wonach als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gelten. Zutreffende Anspruchsgegnerin ist die Beklagte, da sie im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 AGGArbeitgeberin ist. Wenn es auch in § 6 AGG heißt, dass Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes jemand ist, wer „Personen nach Abs. 1“ des § 6 AGG beschäftigt, so ist doch aufgrund der vorstehend beschriebenen gesetzlichen Fiktion des Beschäftigten Arbeitgeber derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet. Diese Voraussetzungen sind zweifelsohne aufgrund der unstreitig von der Beklagten geschalteten Stellenanzeige gegeben.
1022.
103Ein möglicher Anspruch der Klägerin ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil sie die gesetzlichen Fristen gemäß §§ 15 Abs. 4 AGG, 61 b Abs. 1 ArbGG versäumt hätte. Denn nach ihrem unstreitigen Vorbringen hat sie die Absage der Beklagten auf ihre Bewerbung auf die Stellenanzeige vom 13.08.2012 am 28.08.2012 erhalten; die vorstehende Klage ist am 10.09.2012 beim Arbeitsgericht Bocholt eingegangen.
1043.
105Ein Anspruch der Klägerin ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Bewerbung vom 14.08.2012 um eine nicht ernsthafte Bewerbung gehandelt hätte.
106a)
107Eine Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG, § 3 Abs. 1 und 2 AGG setzt nach überwiegender Auffassung in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wie auch in der Literatur voraus, dass die Bewerberin/der Bewerber objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht kommt und eine subjektiv ernsthafte Bewerbung vorliegt (vgl. bereits zu § 611 a BGB, BAG Urteil vom 12.11.1998, 8 AZR 365/99; LAG Berlin, Urteil vom 14.07.2004, 15 Sa 417/04, jeweils m.w.N.). Ausgangspunkt auch nach Inkrafttreten des AGG ist, dass nur ein sich subjektiv ernsthaft Bewerbender im Sinne des AGG benachteiligt werden kann (ausdrücklich LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.08.2007, 3 Ta 119/07 bei juris Rdnr. 16 m.w.N.).
108b)
109Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt, dass der Klägerin die subjektive Ernsthaftigkeit ihrer Bewerbung vom 14.08.2012 nicht mit der Begründung abgesprochen werden kann, es bestünden Zweifel an ihren beruflichen Fähigkeiten aufgrund der Formatierung des Bewerbungsschreibens. Denn nach Auffassung der Berufungskammer gibt es zur ausgeschriebenen Stelle eines „Java Developer (m/w)“ keinen Bezug zu dem Erfordernis einer ansprechenden Formatierung eines Bewerbungsschreibens, zumal die Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, dass sich diese Formatierung im Wesentlichen durch die Verwendung des von der Beklagten bereit gestellten Online-Formulars gehandelt hat; die Klägerin hat sich nicht als Schreibkraft, sondern als Software-Entwicklerin beworben. Das aber eine Qualifikation der Klägerin für die ausgeschriebene Stelle grundsätzlich ausgeschlossen ist, lässt sich auch selbst dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, weil sie lediglich Zweifel an einer bestmöglichen Eignung der Klägerin aufgrund fehlender Berufserfahrung im Bereich des Java-Developments in der Person der Klägerin geäußert hat (vgl. für das Erfordernis subjektiver Ernsthaftigkeit der Bewerbung und objektive Eignung der Person auch BAG, Urteil vom 28.05.2009, 8 AZR 536/08 bei juris Rdnr. 25 m.w.N.; LAG Berlin Brandenburg, Urteil vom 31.10.2013, 21 Sa 1380/13 bei juris).
110Nach alledem hatte die Berufungskammer keinen Zweifel am Vorliegen einer subjektiv ernsthaften Bewerbung der Klägerin auf die Stellenanzeige vom 13.08.2012.
1114.
112Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der begehrten Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG scheitert indessen daran, dass die Beklagte nicht gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 AGG verstoßen hat. Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wird; diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn entweder eine unmittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG vorliegt, die nicht aufgrund der §§ 8 – 10 AGG gerechtfertigt ist oder aber eine mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG gegeben ist, die nach der ebenfalls in § 3 Abs. 2 AGG enthaltenen Rechtfertigungsbestimmung durch ein rechtsmäßiges Ziel nicht sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels weder angemessen noch erforderlich sind.
113Von der übergreifenden Definition in § 3 Abs. 1 Satz 1 ausgehend, liegt eine Benachteiligung wiederum vor, wenn eine Person eine weniger ungünstige Behandlung erfährt, wobei in den Fällen, in denen es keine Vergleichspersonen gibt, auch eine hypothetische Betrachtung infrage kommt (vgl. Annuß, Betriebsberater 2006, S. 1629 ff. (1631) mwN.).
114Hiervon ausgehend fehlt es bereits an einer Benachteiligung der Klägerin, da die Beklagte weder einen Bewerber/eine Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, noch die ausgeschriebene Stelle besetzt hat.
115Zwar geht die erkennende Berufungskammer mit der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass in den Fällen, in denen eine Bewerberin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist, bereits eine Benachteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG liegen kann, da insoweit der Bewerberin die Chance genommen wird, sich im Verhältnis zu anderen, eingeladenen Bewerbern darzustellen, um so den potenziellen Arbeitgeber von sich überzeugen zu können (st.Rsp. seit BAG, Urteil vom 13.10.2011, 8 AZR 608/10, AP AGG § 15 Nr. 9; LAG Nürnberg, Urteil vom 05.10.2011, 2 Sa 171/11 bei juris Rd. 63). Ebenso ist anerkannt, dass es in den Fällen, in denen eine „Vorstellungsrunde“ mit einigen Bewerbern stattgefunden hat, es gleichwohl nicht zu einer Einstellung kommt, eine Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 AGG durch eine bloße Nichtbesetzung in der Stelle nicht ausgeschlossen ist. Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 23.08.2012, 8 AZR 285/11, dem die erkennende Berufungskammer ausdrücklich folgt, beschrieben, dass die ungünstigere Behandlung bereits in der Versagung einer Chance liege und es daher nicht darauf ankomme, ob es im Zuge des Auswahlverfahrens später tatsächlich zu einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers komme.
116Der Streitfall liegt jedoch anders.
117Nach dem in der angegriffenen Entscheidung zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalt, der sich nach Vernehmung der Zeugin C ergeben hat, geht auch die Berufungskammer davon aus, dass feststeht, dass es ein Auswahlverfahren im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung nicht gegeben hat, da es weder zu einer Bewerbereinladung noch zu einer Stellenbesetzung gekommen ist. Dabei bedurfte es an dieser Stelle auch keiner Frage der Darlegung- und Beweislast vor dem Hintergrund der Beweislastregel des § 22 AGG, da die Beklagte sich jedenfalls die Aussage der vernommenen Zeugin C zu eigen gemacht hat, indem sie sich zunächst auf sie berufen und sodann im Berufungsrechtszug stets auf die Aussage der Zeugin C zurückgegriffen hat.
118Die Einwände, die die Klägerin auch im Berufungsrechtszug gegen die Aussage der Zeugin C erhoben hat, sind nicht geeignet, die Überzeugung von der Tatsache, es habe weder ein Auswahlverfahren, noch eine Einstellung gegeben, infrage zu stellen. Die Zeugin C hat nämlich ausweislich des Protokolls des Arbeitsgerichts Bocholt, gegen dessen Inhalt Einwände nicht erhoben worden sind, bekundet
119„Auf die Anzeige vom 13.08.2012 ist keiner der Bewerber zu einem Gespräch eingeladen worden. Bis heute ist auch noch kein Java Developer eingestellt worden. Dieses gilt für das ganz Haus, nicht nur für I.“
120Diese Aussage vermochte die nach § 286 ZPO, geforderte volle Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit des Beklagtenvorbringens zu begründen. § 286 ZPO erfordert dabei nicht nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Tatsache zutrifft. Vielmehr muss das Gericht nach den Maßstäben den § 286 ZPO die volle Überzeugung davon gewinnen, dass eine streitige Tatsachenbehauptung wahr ist, was wiederum nicht ausschließt, dass Zweifel verbleiben. Auch wenn danach eine absolute Sicherheit nicht vorliegen muss, so muss das Gericht doch die persönliche Gewissheit besitzen, dass eine behauptete Tatsache zutrifft (vgl. Zöller, ZPO/Greger; § 286 Rn. 21 ff.; MünchK zur ZPO/Prütting, § 286 Rn. 15 ff).
121Diese Überzeugung lässt sich aus der Aussage der Zeugin C gewinnen, da sie in sich widerspruchsfrei, kurz und knapp gehalten den Kern der Beweisfrage unmittelbar beantwortet hat. Die Zeugin hat sich weder in Widersprüche verwickelt, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie sich davon hat leiten lassen, Mitarbeiterin in der Personalabteilung der Beklagten zu sein.
122Es war auch nicht geboten, von der Zeugin C eine umfassendere Aussage zu verlangen. Der Vortrag der Beklagten beinhaltete nämlich, dass weder eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bei irgendeinem Bewerber auf die streitgegenständliche Stellenanzeige hin stattgefunden hat und dass es auch nicht zu einer Einstellung gekommen ist. Mehr kann die Zeugin C insoweit nicht bekunden; sie ist nicht gehalten, eine Aussage zu den Gründen zu treffen, die die Beklagte im Rechtsstreit dafür vorgetragen hat, warum sie sich dazu entschlossen hat, eine Stellenbesetzung nicht vorzunehmen. Die für die Beklagte maßgeblichen Gründe dafür, eine Stelle überhaupt nicht zu besetzen, sind nicht Gegenstand einer möglichen Benachteiligung der Klägerin; diese hätte – wie dargelegt – allenfalls angenommen werden können, wenn die Klägerin anders als andere Bewerberinnen oder Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden wäre.
123Die Aussage der Zeugin C wird auch nicht durch den übrigen Akteninhalt infrage gestellt; insbesondere nicht durch die von der Beklagten formulierte Absage vom 28.08.2012. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass in dieser Absage von einer Auswahl die Rede ist und davon, die Bewerbung der Klägerin sei nicht in die engste Wahl genommen worden. Dass indessen ein Bewerbungsverfahren im Sinne einer Auswahlrunde stattgefunden hat oder aber die Stelle tatsächlich besetzt worden ist, ergibt sich auch aus dieser Absage nicht. Aus diesem Grunde bedurfte es auch keiner Auseinandersetzung der Kammer mit der Behauptung der Beklagten, bei der Absage vom 28.08.2012 würde es sich um einen standardisierten Text handeln, der stets von der Beklagten verwendet werde.
124Nach alledem fehlt es bereits an einer Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG.
1255.
126Auch wenn man der Auffassung der Klägerin folgen würde, dass eine Benachteiligung gemäß der §§ 7 Abs. 1; 1 AGG nicht aufgrund der obigen Erwägungen ausgeschlossen ist, bestünde kein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG, da die Beklagte die Klägerin auch aus anderen Gründen weder unmittelbar (§ 3 Abs. 1 AGG) noch mittelbar (§ 3 Abs. 2 AGG) benachteiligt hat.
127a)
128aa)
129Eine gegebenenfalls unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG wegen des verpönten Merkmals „Geschlecht“ gemäß § 1 AGG liegt nicht darin, dass die Beklagte in der Stellenanzeige vom 13.08.2012 die männliche Form „Mitarbeitern“ genannt hat, nachdem in der Überschrift der Anzeige im Fettdruck „Java Developer (m/w) …“ formuliert ist. Denn durch den Zusatz „m/w“ hat die Beklagte deutlich gemacht, dass sowohl männliche als auch weibliche „Java Developer“ gesucht werden. Wenn die Beklagte sodann im Fließtext der Anzeige zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten nicht weiter differenziert, so ändert dies nichts an der Tatsache, dass sie in der eigentlichen Bezeichnung der Stelle ausdrücklich kenntlich gemacht hatte, dass sowohl männliche als auch weibliche Beschäftigte gesucht würden (so auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.11.2012, 2 Sa 217/12, bei juris Rn. 56).
130bb)
131Ebenso liegt keine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts darin, dass die Beklagte in der Stellenanzeige eine Reisebereitschaft verlangte. Soweit die Klägerin meint, dass durch das Merkmal der Reisebereitschaft eher Frauen betroffen sind, sich gegebenenfalls aufgrund stärkerer Bindung an den Haushalt nicht auf eine solche Stelle zu bewerben, so bedurfte es keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob diese Auffassung sich tatsächlich als zutreffend erweist. Da nämlich das Anforderungsmerkmal der Reisebereitschaft nicht unmittelbar an eines der verpönten Merkmale gemäß § 1 AGG anknüpft, könnte es sich nur um eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG handeln, die indessen im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung des Zieles sich als angemessen und erforderlich erweisen. Es verbleibt nämlich in der Organisationshoheit der Beklagten, darüber zu befinden, ob sie eine Funktion im Betrieb oder Unternehmen mit dem Aufgabengebiet verbindet, vor Ort beim Kunden tätig zu sein. Die Klägerin hat dies zwar im Hinblick darauf, dass die Beklagte über verschiedene Niederlassungen verfügt, grundsätzlich in Abrede gestellt; indessen war die erkennende Kammer gehalten, auf die gesamte Stellenanzeige abzustellen, da es sich nur bei der Stellenanzeige um das „Verfahren“ im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG handelt, welches zur Prüfung einer mittelbaren Benachteiligung heranzuziehen ist (zum Erfordernis des Abstellens auf die Stellenanzeige als Ganzes vgl. auch LAG Nürnberg, Urteil vom 05.10.2011, 2 Sa 171/11 bei juris Rn. 71).
132Die Stellenanzeige wiederum beschreibt die Tätigkeit in anspruchsvollen Projekten bei namhaften Unternehmen in der Nähe zu den Standorten. Damit hat die Beklagte, zusätzlich durch die Beschreibung im Aufgabenbereich „beim Kunden“ deutlich gemacht, dass die in der Stellenanzeige genannte Tätigkeit keine solche im Büro der Beklagten ist, sondern Reisen zum Kunden erfordert. Ob und in welchem Umfang solche Reisen im Sinne einer Reisebereitschaft in einem größeren Entfernungsradius mit jeweiligem Sitz zu absolvieren sind oder nicht, beschreibt die Stellenanzeige nicht näher und muss sie auch nicht näher beschreiben, da der Radius sicherlich einsatzbezogen ist.
133cc)
134Die Auffassung schließlich der Klägerin, die Beklagte erwarte bei einer Darstellung eines bislang aus Männern bestehenden Teams ebenfalls als Bewerber einen Mann, teilt die Berufungskammer nicht. Es ist unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehbar, warum in einem bislang männlichen Team kein weibliches Teammitglied beschäftigt werden solle.
135c)
136Die Beklagte hat die Klägerin auch nicht wegen des verpönten Merkmals der „ethnischen Herkunft“ im Sinne des § 1 AGG benachteiligt.
137aa)
138Zwar kann in dem Abstellen auf das Geburtsland der Klägerin der Begriff der „ethnischen Herkunft“ grundsätzlich betroffen sein. Dieser Begriff wird zwar weder in § 1 AGG, noch in der zugrunde liegenden Antidiskriminierungsrichtlinie des Rates der europäischen Union vom 29.06.2000 (Richtlinie 2000/43/EG) näher definiert. Angeknüpft wird bei dem Merkmal der ethnischen Herkunft an die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer sprachlichen und/oder kulturelle Merkmale verbundene Gesellschaft, wobei die bloße Staatsangehörigkeit nicht maßgeblich ist (Annuß aaO, S. 630). Indessen soll das Merkmal der ethnischen Herkunft einen möglichst lückenlosen Schutz für ethnisch motovierten Benachteiligungen gewährleisten, so dass auch Fälle erfasst sein können, in denen der Betroffene nicht deutscher Herkunft ist (ausführlich BAG, Urteil vom 21.06.2012, 8 AZR 364/11 bei juris Rn. 30 ff; insoweit zweifelnd, ob die Tatsache, dass die Klägerin in Russland geboren ist, dem Merkmal der ethnischen Herkunft zuzuordnen ist LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.11.2012, aaO, bei juris Rn. 50 mwN zur Literatur).
139bb)
140Jedenfalls ist auch das Anforderungsmerkmal der sehr guten Deutsch- und Englischkenntnisse im Sinne des § 3 Abs. 2 sachlich gerechtfertigt mit der Folge, dass eine mittelbare Benachteiligung bereits tatbestandlich nicht gegeben ist. Auch hierbei ist – worauf die erkennende Berufungskammer bereits oben unter 5.b) hingewiesen hat – auf die Stellenanzeige und das dort enthaltene Anforderungsprofil als Ganzes abzustellen. Die Stellenanzeige insgesamt indessen hat nicht die für die Diskriminierungsvermutung im Sinne des § 22 AGG erforderliche Indizwirkung, da die Funktionsbeschreibung, die sie enthält, für den potentiellen Bewerber ausreichend deutlich macht, dass die Anforderung hinsichtlich der Sprachkenntnisse allein aufgrund stellenbezogener Erfordernisse erfolgt ist. Die Berufungskammer folgt insoweit vollinhaltlich der Entscheidung des LAG Nürnberg vom 05.10.2011 aaO bei juris Rn. 72, in der das LAG festgestellt hat:
141„So stellt sich die Beklagte selbst als Dienstleister vor und damit alsArbeitgeber, der für andere Dienstleistungen erbringt. Der Bewerber soll kommunikativ sein … und dies bei einem namhaften Unternehmen.
142…
143Auch wird als Aufgabe die Abstimmung mit angrenzenden Bereichen wie Entwicklung und Systemtest genannt. Damit wird bereits in der Stellenanzeige deutlich, dass es hier nicht um eine reine Programmiertätigkeit im „stillen Kämmerlein“ der Beklagten geht, sondern, dass der Bewerber in einem fremden Unternehmen in Deutschland eingesetzt werden soll und dabei eben auch kommunikationsfähig sein muss. …, deutet zumindest die sachliche Rechtfertigung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG für die Anforderung „sehr gutes Deutsch“ in ausreichendem Maße an. Es ist nämlich grundsätzlich ein rechtmäßiges Ziel, an einen Arbeitnehmer bestimmte Anforderungen in der Sprachbeherrschung zu stellen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 28.01.2010 – 2 AZR 764/08). Dass hier sehr gutes Deutsch verlang wird, ist nicht als willkürlich anzusehen, da der Bewerber in einem Fremdunternehmen in Deutschland eingesetzt werden … soll.
144…
145Insbesondere ist der Arbeitgeber nicht gehalten, die Tätigkeit im Interesse der Diskriminierungsfreiheit gewissermaßen aufzuspalten in einen Programmierteil und einen Kommunikationsteil (vgl. BAG vom 28.01.2010 – 2 AZR 764/08).“
146Genau solche Anforderungen enthält die Stellenanzeige der Beklagten vom 13.08.2012, da sie den Einsatz in anspruchsvollen Projekten bei namhaften Unternehmen, nämlich Kunden der Beklagten, die Erhebung von Anforderungen beim Kunden, die Durchführung technischer Tests und Abnahmen und Beratungskompetenz formuliert. Der Kundeneinsatz wird darüber hinaus dadurch deutlich, dass ein eigener Firmenwagen in Aussicht gestellt ist.
147Dementsprechend hatte die Berufungskammer den Ausführungen des LAG Nürnberg, aaO nichts hinzuzufügen. (Im Ergebnis so auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.11.2012, aaO).
148d)
149Die Beklagte hat die Klägerin auch nicht wegen des verpönten Merkmals „Alter“ im Sinne des § 1 AGG diskriminiert. So hat zwar die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Formulierung „dynamisches Team“ eine Altersdiskriminierung sein könne und hierzu auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23.06.2010, 5 Sa 14/10 (u.a. NZA-AR 2010, S. 629 ff) hingewiesen. Dabei hat die Klägerin allerdings übersehen, dass in der Entscheidung des LAG Hamburg aaO nicht von einem „dynamischen“ Team, sondern von einem „jungen Team“ die Rede war.
150Eine solche Formulierung hat die Beklagte indessen in der Stellenanzeige vom 13.08.2012 nicht benutzt, sondern lediglich von einem „dynamischen Team“ gesprochen. Einen Bezug zum verpönten Merkmal des Alters im Sinne des § 1 AGG vermag die erkennende Berufungskammer hierin nicht zu sehen (so auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.11.2012, aaO, bei juris Rn. 59 ff mwN).
151e)
152Soweit die Klägerin allgemein die Überlegungen angestellt hat, eine Benachteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG iVm § 3 Abs. 2 AGG würde sich daraus ergeben, dass in der IT-Branche allgemein weibliche Beschäftigte unterrepräsentiert seien und generell das Zusammentreffen weibliches Geschlecht, Migrantin, über 50 Jahre, für die Branche eine Indiztatsache für eine Diskriminierung darstelle, so konnte die erkennende Berufungskammer dem nicht folgen.
153Es mag zwar unter den von der Klägerin unter Bezugnahme auf Studien angeführte tatsächliche Anzahl der Beschäftigten in der Branche zutreffen, dass tatsächlich eine Unterrepräsentanz weiblicher Beschäftigter, von Migranten und über 50-jährigen gegeben ist; ein Indiz für eine Diskriminierung im Sinne des § 1 AGG ist es nicht.
154Die Berufungskammer war nämlich gehalten, auf das konkrete Verhalten der Beklagten abzustellen, da insoweit der Vorwurf der Benachteiligung ihr gegenüber und nicht gegenüber der Gesellschaft als solcher zu prüfen ist. So ist auch anzumerken, dass angesichts des Hinweises der Klägerin im Termin zur Verhandlung vor der Berufungskammer vom 04.02.2014, in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Ausschluss Teilzeitbeschäftigter von bestimmten Leistungen eine mittelbare Diskriminierung darstelle, was auf den Fall der Unterrepräsentanz in einer Branche übertragbar sei, darauf hinzuweisen ist, dass genau die Fälle der mittelbaren Diskriminierung bei Ausschluss Teilzeitbeschäftigter stets zum Gegenstand hatten, dass der Arbeitgeber bestimmte Leistungen gewährte, von denen dann wiederum Teilzeitbeschäftigte ausgenommen waren. Das entspricht der gängigen, wie auch der früheren und zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit der Entscheidung zum Ausschluss Teilzeitbeschäftigter bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Urteil vom 06.04.1982, 3 AZR 134/79, u.a. NJW 1982, S. 2013 – 2015. Die Unterrepräsentanz in der Branche hingegen beschreibt kein konkret auf die Beklagte bezogenes Indiz ihres Einstellungsverhaltens bezogen auf Geschlecht, Herkunft und Alter.
155Die Klägerin darf insoweit nicht verkennen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 21.06.2012, 8 AZR 364/11), dem die Berufungskammer folgt, in den Fällen, in denen Quoten oder Statistiken als Indizien für eine Diskriminierung herangezogen werden, und zwar als mögliche Hilfstatsachen, stets weitere Voraussetzung ist, dass sie sich konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen und aussagekräftig sind, was sein Verhalten gegenüber der Merkmalsträgergruppe anbelangt (BAG, aaO, bei juris Rn 36 mN zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts). Solche Anhaltspunkte sind indessen nicht ersichtlich.
156Damit erweist sich das Anforderungsprofil für die Funktionsbeschreibung der Stelle als ein solches, welches die Beklagte im Rahmen ihrer unternehmerischen Organisationsentscheidung aufstellen durfte, als diskriminierungsfrei im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG.
1576.
158Eine Benachteiligung der Klägerin ist auch nicht deswegen im Sinne des § 22 AGG, § 7 Abs. 1 AGG zu vermuten, weil die Beklagte die Klägerin nicht unverzüglich davon unterrichtet hatte, sie beabsichtige generell derzeit keine Stellenbesetzung. Die Klägerin, die sich ausdrücklich auf die Bestimmungen des § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX berufen hat, nimmt damit für sich in Anspruch, dass ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX eine entsprechende Benachteiligung vermuten lassen kann.
159Nach der Bestimmung des § 81 Abs. 1 Satz 9 hat der Arbeitgeber die Beteiligten im Sinne des § 81 SGB IX unverzüglich über die Gründe seiner Auswahlentscheidungen über Bewerbungen zu unterrichten, wenn er die Beschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX nicht erfüllt. Allerdings ist festzustellen, dass der Begriff der „Beteiligten“ im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX sich aus dem übrigen Sätzen dieser Vorschrift erschließt; bereits der Normenwortlaut beschreibt in § 81 Abs. 1 Satz 8 SGB IX, dass der betroffene schwerbehinderte Mensch beteiligt ist. Damit steht aber fest, dass die Indizwirkung einer nicht unverzüglichen Unterrichtung im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nur zum Tragen kommen kann, wenn es sich um die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen handele. Dementsprechend hat auch das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21.02.2013, 8 AZR 180/12, NZA 2013, S. 840 ff festgehalten, dass die Indizwirkung sich auf die Schwerbehinderung eines Bewerbers beziehe. Dann wäre aber Voraussetzung für eine Anwendung des § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX im Streitfall, dass die Klägerin schwerbehinderter Mensch im Sinne der Bestimmungen des SGB IX wäre. Hierzu hat sie weder etwas vorgetragen, noch ist aus den sonstigen Unterlagen, die sie zur Akte gereicht hat, etwas ersichtlich. Auch in den Bewerbungsunterlagen, die mit der Klageschrift eingereicht worden sind, findet sich ein Hinweis auf Schwerbehinderung nicht.
160Eine Benachteiligung im vorstehenden Sinne ist daher ausgeschlossen.
1617.
162Nach alledem steht damit fest, dass die Beklagte die Klägerin unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt hat mit der Folge, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG nicht zusteht. Auf die von der Klägerin vielfach aufgeworfenen Fragen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach § 22 AGG kam es daher nicht weiter an.
1638.
164Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung aus Art. 21 und Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EuGRC) zu. Näherer Ausführungen hierzu bedurfte es nicht, da jedenfalls Art. 51 EUGRC beschreibt, dass Ansprüche gegenüber privaten Arbeitgebern sich unmittelbar aus den Bestimmungen der EuGRC nicht ableiten lassen (MünchK zum BGB/Thüsing, 6. Aufl., AGG Einleitung Rn. 33).
1659.
166Abschließend weißt die erkennende Berufungskammer darauf hin, dass sie nicht gehalten war, Fragen im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit im Rahmen eines Vorabentscheidungsgesuchens dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Abgesehen davon, dass klärungsbedürftige Fragen, die im Licht richtlinienkonformer Auslegung zu betrachten sind, nicht ersichtlich sind, betrifft die Vorlagepflicht des Art. 267 Abs. 3 AEUV ausschließlich das Gericht, dessen Entscheidungen nicht anfechtbar sind. Dies ist nach allgemeinem Verständnis das Bundesarbeitsgericht.
167III.
168Die Berufung ist auch nicht mit dem von der Klägerin im Berufungsverfahren erstmals formulierten Hilfsantrag begründet. Insoweit hat die Klägerin dargelegt, dass der Hilfsantrag nur der Klarstellung diene, dass eine Entschädigungsleistung nach § 15 Abs. 2 AGG netto zu zahlen wäre; inhaltlich andere Fragen sind mit dem Hilfsantrag nicht verbunden. Aus diesem Grunde ist auf die vorstehenden Ausführungen zu II. vollinhaltlich zu verweisen.
169IV.
170Die Klägerin trägt die Kosten der erfolglosen Berufung nach § 97 ZPO.
171Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine besondere Bedeutung, weil die Entscheidung allein auf den Umständen des Einzelfalles beruht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2013 – 5 Ca 370/12 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung bei einer Stellenbewerbung. Die Klägerin ist über 50 Jahre alt und russischer Herkunft. Sie hat ein Informatikstudium absolviert.
- 2
Die Klägerin ist im Zusammenhang mit Klagen auf Zahlung von Entschädigungen wegen behaupteter Diskriminierung bundesweit aktiv. Auch die Beklagte war bereits in der Vergangenheit zweimal von der Klägerin auf Zahlung von Entschädigung gerichtlich in Anspruch genommen worden, jeweils erfolglos. Im Zusammenhang damit ist nach wie vor ein Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf Kostenerstattung offen.
- 3
Am 5. Juli 2012 schrieb die Beklagte eine Stelle als Softwareentwickler Microsoft.Net (w/m) ..... und eine Stelle als Softwareentwickler Microsoft.Net (w/m) ..... aus. Auf diese Positionen bewarb sich die Klägerin mittels des von der Beklagten eingerichteten Onlinebewerbungstools.
- 4
Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens lehnte die Beklagte die Klägerin als Kandidatin für beide ausgeschriebene Stellen mit Schreiben vom 5. Oktober 2012 ab.
- 5
Mit der Klage vom 19. September 2012 hat die Klägerin von der Beklagten ursprünglich die Bescheidung über ihre Bewerbungen begehrt. Nach Erhalt der Ablehnungen hat die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2012 auf Zahlung einer zeitlich unbegrenzten monatlichen Entschädigung in Höhe von € 1.000,00 € umgestellt. Mit Klagerweiterung vom 12. November 2012 hat die Klägerin eine zeitlich unbegrenzte Entschädigungszahlung in Höhe von € 3.000,00 monatlich begehrt.
- 6
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sie von der Beklagten wegen der Merkmale „Geschlecht“, „Alter“ und „russischer Herkunft“ nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und damit mehrfach diskriminiert worden sei.
- 7
Die Klägerin hat insoweit geltend gemacht, das Pflichteingabefeld "Anrede", welches einzig das Geschlecht des Bewerbers abfrage, und das Pflichteingabefeld "Geburtsdatum" würden indizieren, dass sie, die Klägerin, hinsichtlich ihres Geschlechts und ihres Alters diskriminiert worden sei. Ferner sei die Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral formuliert. Allein der Hinweis „(w/m)“ genüge nicht. Außerdem seien Frauen in der IT-Branche stark unterrepräsentiert. Ihre Anfragen an das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und an die Bundesagentur für Arbeit hätten ergeben, dass in Deutschland in der Berufsordnung 774 (Datenverarbeitungsfachleute) nur 18,5% Frauen beschäftigt würden. Hiervon bilde die Beklagte keine Ausnahme.
- 8
Weiter sei die Klägerin wegen der Abfrage der Sprachkenntnisse – „Muttersprache, Fließend, Fortgeschritten, Grundkenntnisse“ hinsichtlich des Merkmals „ethnische Herkunft“ benachteiligt worden.
- 9
Ferner sei ein weiteres starkes Indiz für die Diskriminierung das Vorverhalten der Beklagten. Die Klägerin habe sich bereits mehrmals bei der Beklagten beworben und sei immer abgelehnt worden. In zwei vorherigen Gerichtsverfahren habe sich die Beklagte geweigert, Auskunft über damals erfolgte Einstellungen zu gewähren.
- 10
Die Klägerin hat beantragt,
- 11
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zeitlich unbegrenzt Monatsgehalt von mindestens € 3.000,00 als Entschädigung für die vollständige zeitlich unbegrenzte Ausgrenzung wegen der Merkmale des § 1 AGG zu zahlen.
- 12
Die Beklagte hat beantragt,
- 13
die Klage abzuweisen.
- 14
Die Beklagte hat geltend gemacht:
- 15
Die Abfrage der Anredeform sei allein deswegen erfolgt, weil die webbasierten Bewerbungsmanagementsysteme auch den späteren Schriftverkehr mit den Bewerbern automatisiert übernähmen und nur auf diese Weise die richtige Anredeform bestimmt werden könne. Eine Vorauswahl aufgrund dieser Eingabe habe nicht stattgefunden.
- 16
Die Angabe des Geburtsdatums sei marktüblich und nicht aus Diskriminierungsgründen erfolgt. Gemeinsam mit dem Namen und der Anrede diene das Geburtsdatum mit zur Identifizierung der Person. Überdies werde das Geburtsdatum bereits aus den eingereichten Unterlagen wie Zeugnisse bekanntgeben.
- 17
Die Frage nach der Qualifikation der Sprachkenntnisse verfolge den Zweck, eine erste Einschätzung bezüglich der Einsetzbarkeit des Bewerbenden treffen zu können.
- 18
Die Beklagte habe die Klägerin nicht aus den von ihr behaupteten bzw. gemutmaßten Gründen nicht berücksichtigt, sondern ihr unter anderem deshalb eine Absage erteilt, weil die Qualifikationen der Klägerin die Beklagte nicht hätten überzeugen können. Seit Beginn ihrer Arbeitslosigkeit im Jahr 2003 sei die Klägerin nicht mehr als Softwareentwicklerin tätig. Dies stelle gerade im Bereich der Softwareentwicklung ein erhebliches Defizit dar. Darüber hinaus hätte man nach den bereits vorangegangenen früheren prozessualen Auseinandersetzungen ohnehin nicht mehr von einer gedeihlichen Zusammenarbeit ausgehen können. Sie, die Beklagte, habe auch kein Interesse an der Beschäftigung der Klägerin, da diese ihr aus einer titulierten Kostenerstattungsforderung noch Geld schulde.
- 19
Außerdem hat die Beklagte bestritten, dass die Klägerin sich subjektiv ernsthaft auf die ausgeschriebenen Positionen beworben habe. Insoweit hat die Beklagte auf weitere anhängige Gerichtsverfahren der Klägerin gegenüber zahlreiche Unternehmen wegen angeblicher Diskriminierung im Bewerbungsverfahren verwiesen und geltend gemacht, die Klägerin versuche, den Diskriminierungsschutz des AGG systematisch und professionell als dauerhafte Einnahmequelle zu missbrauchen. Dies dokumentiere auch der wohl versehentlich zu den Gerichtsakten gelangte Schriftsatz der Klägerin betreffend ein anderes Verfahren, in dem die Klägerin von einer anderen Firma zeitlich unbegrenzt einen monatlichen Betrag von mindestens € 1.000,00 als Entschädigung „für die vollständige zeitlich unbegrenzte Ausgrenzung wegen der Merkmale des § 1 AGG“ verlange. Das gesamte Verhalten der ständig gleichzeitig von verschiedenen Firmen Entschädigungszahlungen fordernden Klägerin mache jedenfalls deutlich, dass sie mit den streitgegenständlichen Bewerbungen vom Juli 2012 zu keiner Zeit ernsthaft die Absicht verfolgt habe, einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten abzuschließen, zumal sie bereits zuvor von der Beklagten mehrmals Absagen erhalten habe und nicht dafür Sorge trage, ihre Schulden gegenüber der Beklagten zu begleichen.
- 20
Mit Urteil vom 2. Mai 2013 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
- 21
Gegen das ihr am 8. Mai 2013 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 24. Mai 2013 bei Gericht eingegangenen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 8. August 2013 am 7. August 2013 begründeten Berufung.
- 22
Die Klägerin rügt, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lägen erhebliche Indizien für eine Diskriminierung vor. Die Abfrage des Geschlechts und des Geburtsdatums in einem automatischen Bewerbungssystem führe zu einer erheblich leichteren Sortierung und Bearbeitung von Bewerbern. Das Argument der Beklagten, dem sich das Arbeitsgericht angeschlossen habe, dass es eine sichere Unterscheidung von Bewerbern geben müsse, sei überhaupt nicht nachvollziehbar. Dies könne einfach mittels Vergabe einer laufenden ID-Nummer gewährleistet werden, was in der elektronischen Datenverarbeitung üblich sei.
- 23
Weiter macht die Klägerin geltend, auch allgemeine Statistiken könnten ein Indiz für eine Diskriminierung sein, und bestreitet mit Nichtwissen, dass die von ihr vorgelegten Statistiken auf die Beklagte nicht zuträfen.
- 24
Schließlich macht die Klägerin geltend, es lägen entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch Indizien für eine Diskriminierung wegen ihrer russischen Herkunft vor. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte danach gefragt habe, ob Deutsch die Muttersprache sei.
- 25
Die Klägerin beantragt,
- 26
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2013 – Az. 5 Ca 370/12 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin bis einschließlich September 2028 monatlich € 3.000,00 zu zahlen.
- 27
Die Beklagte beantragt,
- 28
die Berufung zurückzuweisen.
- 29
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
- 30
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 31
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I.
- 32
Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie ist zudem gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit auch im Übrigen zulässig.
II.
- 33
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
- 34
1. Ein etwaiger Entschädigungsanspruch der Klägerin wäre schon unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausgeschlossen.
- 35
Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, wobei eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung als unzulässig angesehen wird. § 242 BGB eröffnet damit die Möglichkeit, jede atypische Interessenlage zu berücksichtigen, bei der ein Abweichen von der gesetzlichen Rechtslage zwingend erscheint. Zur Konkretisierung atypischer Interessenlagen wurden Fallgruppen gebildet, in denen ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nahe liegt. Hierzu zählt die Fallgruppe des unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung. Im Falle von Ansprüchen nach § 15 AGG kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Erwerb der Rechtsstellung als Bewerber dann als unredlich erscheinen, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgte, um Entschädigungsansprüche zu erlangen (BAG vom 13. Oktober 2011 – 8 AZR 608/10 – m.w.N., juris).
- 36
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Klage als rechtsmissbräuchlich zu bewerten. Die Bewerbung der Klägerin bei der Beklagten diente nach Überzeugung der Kammer in erster Linie dazu, einen Anlass für die Erhebung einer weiteren Entschädigungsklage zu schaffen, ohne dass die Klägerin ernsthaft die Absicht hatte, von der Beklagten als Bewerberin berücksichtigt zu werden. Die Überzeugung der Kammer ergibt sich aus Folgendem:
- 37
Unstreitig tritt die Klägerin in einer Vielzahl von Verfahren bundesweit als sog. AGG-Klägerin auf. Hierin allein liegt allerdings kein ausreichender Umstand, der die Bewerbung bei der Beklagten als subjektiv nicht ernsthaft erscheinen ließe (vgl. BAG vom 13. Oktober 2011 a.a.O.). Jedenfalls im vorliegenden Verfahren kommen jedoch weitere Umstände hinzu, die das Vorgehen der Klägerin als rechtsmissbräuchlich erkennen lassen.
- 38
Die Klägerin hatte die Beklagte bereits in der Vergangenheit zu Unrecht auf Zahlung von Entschädigungen verklagt. Überdies schuldet sie der Beklagten nach wie vor die Kostenerstattung aus einer dieser Rechtsstreitigkeiten. Der Klägerin musste von daher von vornherein klar sein, dass ihre Bewerbung erfolglos bleiben würde, denn von einem Arbeitgeber kann nicht erwartet werden, dass er eine Bewerbung berücksichtigt oder dies auch nur ernsthaft in Erwägung zieht, wenn die Bewerberin ihn schon mehrfach zu Unrecht verklagt hat und ihm darüber hinaus die Kostenerstattung schuldig geblieben ist. Dass sich die Klägerin gleichwohl erneut bei der Beklagten beworben hat, deutet bereits darauf hin, dass es ihr letztlich nur darum ging, einen Anlass für die Erhebung einer Entschädigungsklage zu schaffen.
- 39
Hinzu kommen die von der Klägerin mit der Klage verfolgten Rechtsschutzziele. Zunächst hat die Klägerin am 19. September 2012 Klage auf Berücksichtigung und Beantwortung ihrer Bewerbungen vom 10. Juli 2012 erhoben, obwohl sie die Beklagte noch am 6. September 2012 an ihre Bewerbungen erinnert hatte. Eine Bewerberin, der es ernsthaft darum gegangen wäre, dass ihre Bewerbungen Berücksichtigung finden, wäre nicht so vorgegangen wie die Klägerin, sondern hätte zunächst abgewartet, ob in angemessener Zeit nach dem 6. September 2012 eine Absage oder eine sonstige Reaktion der Beklagten erfolgt wäre. Angemessen wäre insofern zumindest ein Zeitraum von einem Monat gewesen, denn Bewerbungsprozesse benötigen erfahrungsgemäß mitunter erhebliche Zeit, abhängig von der Anzahl der Bewerbungen und der Komplexität des Auswahlverfahrens. Die Erhebung der Klage weniger als zwei Wochen, nachdem die Klägerin an ihre Bewerbungen erinnert hatte, verdeutlicht, dass es der Klägerin letztlich auf eine erneute gerichtliche Auseinandersetzung mit der Beklagten ankam.
- 40
Auch der dann geänderte Klagantrag weist darauf hin, dass es der Klägerin mit ihren Bewerbungen letztlich darum ging, einen Anlass für eine weitere Entschädigungsklage zu schaffen und damit den Diskriminierungsschutz aus § 1 AGG als Einnahmequelle zu missbrauchen. Den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihr zeitlich unbegrenzt monatlich € 1.000,00 (später erhöht auf monatlich € 3.000,00) zu zahlen, hat die Klägerin damit begründet, es sei nach den vorausgegangenen Absagen der Beklagten in den Jahren 2003, 2010 und 2011 offensichtlich, dass ihre Bewerbungen bei der Beklagten unabhängig von ihrer Qualifikation aussichtslos seien, und es sei ihr unzumutbar, sich weiter auf die ständig veröffentlichten Stellenanzeigen der Beklagten zu bewerben und Absagen zu bekommen. Deswegen müsse die Beklagte ihr zeitlich unbegrenzt den geforderten monatlichen Betrag zahlen. Die Beklagte habe es in der Hand, diese Verpflichtung zu beenden, indem sie die Klägerin ohne Probezeit einstelle. Mit diesen Ausführungen hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie selbst kein ernsthaftes Interesse an den streitbefangenen Bewerbungen hatte, sondern lediglich einen Grund dafür suchte, sich von der Beklagten künftig ihren Lebensunterhalt finanzieren zu lassen; eine Bewerberin, die ernsthaft an einer Stelle interessiert ist, würde dem Arbeitgeber nicht ansinnen, sie ohne Probezeit einzustellen.
- 41
Nachdem die Beklagte erstinstanzlich der Klägerin vorgehalten hatte, ihr Vorgehen sei rechtsmissbräuchlich, hat die Klägerin erwidert, es stehe der Beklagten frei, selbst auszuprobieren, wie es denn sei, dauerhaft arbeitslos zu sein, von Hartz IV zu leben, zahllose Bewerbungen zu schreiben und Absagen zu bekommen usw. Dann werde die Beklagte am besten verstehen, was man in einer Situation wie derjenigen der Klägerin alles machen könne und wolle und wie es sich anfühle. Diese Ausführungen der Klägerin zeigen letztendlich eine weitere Zielrichtung der Klage. Die Klägerin, die nach eigenem Bekunden mittellos ist und sehr hohe Schulden hat, erhebt eine Klage mit einem Zahlungsantrag, der zu einem sehr hohen Streitwert und für die Beklagte wegen der spätestens in zweiter Instanz erforderlichen anwaltlichen Vertretung zu Kosten von mindestens € 4.500,00 führt. Chancen, dass die Beklagte entsprechende Kostenerstattung von der Klägerin erlangt, bestehen angesichts der finanziellen Situation der Klägerin nicht. „Was man alles machen kann“ und „wie es sich anfühlt“, ist damit deutlich: Die Klägerin schädigt die Beklagte mit ihrer Klage, ohne dass eine realistische Aussicht auf Ersatz dieses Schadens besteht. Dabei macht sich die Klägerin den Umstand zu nutze, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren (abgesehen von Verfahren nach § 9 Abs. 2 Satz 2 ArbGG) – anders als im Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit – Vorschüsse nicht erhoben werden, selbst wenn eine Vielzahl zuvor erhobener Klagen erfolglos war und die sich hieraus ergebenden Kosten nicht beglichen sind. Ein solches Vorgehen, das letztlich dem Versuch der Erlangung einer Einnahmequelle und zugleich der Schädigung des Prozessgegners dient, ist rechtsmissbräuchlich.
- 42
2. Im Übrigen ist ein Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot des § 1 AGG von der Klägerin nicht schlüssig vorgetragen worden.
- 43
Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist, dass der Arbeitgeber gegen das sich aus § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG ergebende Benachteiligungsverbot verstößt. Erforderlich ist also eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Die Klägerin hat nicht schlüssig vorgetragen, dass eine Benachteiligung aus einem dieser Gründe erfolgt wäre oder dies jedenfalls vermutet werden könnte.
- 44
Nach der gesetzlichen Beweislastregelung des § 22 AGG genügt es, dass der Anspruchssteller Indizien vorträgt und im Streitfalle beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. An diese Vermutungsvoraussetzungen ist kein zu strenger Maßstab anzulegen. Es ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss für eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Benachteiligungsmerkmal zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Hat der Antragssteller ein Indiz vorgetragen, welches die überwiegende Wahrscheinlichkeit begründet, dass er wegen eines verpönten Merkmals benachteiligt worden ist, muss nunmehr der Arbeitgeber seinerseits den vollen Beweis führen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen (BAG vom 22.07.2010 - 8 AZR 1012/08, zitiert nach juris).
- 45
Die Klägerin hat keine hinreichenden Indizien für eine Diskriminierung aufgrund eines in § 1 AGG genannten Merkmals vorgetragen.
- 46
Die Klägerin stützt ihren Entschädigungsanspruch darauf, dass in dem Online-Bewerbungsformular unter anderem Angaben zu Alter, Geschlecht und Sprachkenntnisse gemacht werden konnten oder sollten. Das ist kein ausreichendes Indiz für eine Diskriminierung.
- 47
Jeder Mensch verfügt zwangsläufig über die Merkmale Alter und Geschlecht, die zusammen mit einer Fülle anderer Merkmale kennzeichnend für seine Person sind. Für eine Bewerbung ist es selbstverständlich erforderlich, die Merkmale zu kennen, die die Person individualisieren. Von keinem der erfragten Merkmale ist erkennbar, dass es auf eine Diskriminierung hindeutet. Das Alter ist für die Personalstruktur des Unternehmens wichtig, das Geschlecht für die Frauenförderung und der Umfang der Deutschkenntnisse für die Einsetzbarkeit.
- 48
Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, der Umstand, dass bei der Frage nach Deutschkenntnissen nach muttersprachlichen, fließenden oder fortgeschrittenen Kenntnissen bzw. Grundkenntnissen unterschieden wird, weise auf eine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft hin. Es ist keinerlei Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Frage nach deutschen Sprachkenntnissen dazu dienen soll, nach der Herkunft der Bewerber zu differenzieren. Bezüglich der Sprachkenntnisse macht es einen Unterschied, ob eine Sprache die Muttersprache ist oder ob sie – wenngleich möglicherweise fließend – eine Fremdsprache darstellt. Dies gilt nicht nur bei der Frage nach deutschen Sprachkenntnissen, sondern auch nach Kenntnissen anderer Sprachen, so wie die Beklagte in ihrem Online-Bewerbungsformular auch nach englischen Sprachkenntnissen fragt. Je nach Aufgabengebiet kann es auf bestmögliche Beherrschung einer Sprache ankommen, so dass es nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte auch nach der Grundlage der deutschen Sprachkenntnisse gefragt hat. Die Klägerin übersieht insofern, dass sich die Beklagte eines Online-Bewerbungsportals bedient, also eines formalisierten Verfahrens, und die Frage nach den Sprachkenntnissen sich auf die Qualifikation sämtlicher Bewerber für eine Vielzahl möglicher Stellen bezieht.
- 49
Es müssten daher von der Klägerin weitere Umstände vorgetragen werden, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass zumindest einer der von der Klägerin geltend gemachten Gründe (mit)ursächlich für die nachteilige Behandlung war. Ein solcher weiterer Umstand liegt nicht bereits darin, dass die Klägerin nach ihrer Behauptung für die Stelle geeignet ist bzw. die in der Stellenausschreibung geforderten Anforderungen erfüllt. Dass ein Bewerber, der zwar sämtlichen in der Stellenausschreibung geforderten Anforderungen genügt, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, begründet nicht den ersten Anschein, dass dies auf einem der Gründe des § 1 AGG (mit) beruht. Vielmehr kann dies vielfältige andere Ursachen haben. Dabei ist zu beachten, dass das AGG nicht die unsachliche Behandlung aus anderen als den in § 1 AGG genannten Gründen verbietet und von dem Arbeitgeber nicht verlangt, nur objektiv geeignete Bewerber bei seiner Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Klägerin als Frau im fortgeschrittenen Alter mit russischer Herkunft in der IT-Branche beworben hat, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch (auch) wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe unterblieben ist.
- 50
Allein das pauschale Vorbringen der Klägerin, in der IT-Branche würden Frauen diskriminiert, kann keine Indizwirkung für eine Benachteiligung der Klägerin wegen des Geschlechts entfalten. Soweit ihr Vortrag dahin zu verstehen ist, dass im IT-Bereich mehr Männer als Frauen beschäftigt werden, kann dies vielfältige Gründe haben, u.a. den, dass sich weniger Frauen als Männer um entsprechende Stellen bewerben (vgl. BAG vom 20.05.2010 - 8 AZR 287/08 (A), zitiert nach juris).
- 51
Soweit die Klägerin meint, die Tatsache, dass die Stellen als Vollzeitstellen ausgeschrieben worden seien, begründe die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts, weil Frauen häufiger als Männer daran gehindert seien, in Vollzeit zu arbeiten, ist dies abwegig. Mit derselben Argumentation könnten männliche Bewerber sich auf eine angebliche Diskriminierung wegen ihres Geschlechts berufen, wenn ein Arbeitgeber eine Teilzeitstelle ausschreibt. Die Ausschreibung als Vollzeitstelle macht lediglich deutlich, welchen Arbeitszeitumfang die Beklagte auf den ausgeschriebenen Positionen benötigt.
- 52
Auch die Tatsache, dass im Text der Stellenausschreibung von „Mitarbeiter“ bzw. „Mitarbeitern“ die Rede ist, ohne dass jeweils auch die weibliche Sprachform verwendet wird, ist kein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Durch die hervorgehobene Positionsbezeichnung in den Stellenausschreibungen mit dem Klammerzusatz (W/M) wird hinreichend deutlich, dass diese sich an Frauen wie Männer richten.
- 53
Wenn die Klägerin schließlich geltend macht, die Formulierung in beiden Stellenanzeigen, wonach die Beklagte „gute Entwicklungsperspektiven in einem dynamischen Zukunftsmarkt“ biete, stelle ein weiteres Indiz für eine Diskriminierung wegen des Alters dar, ist dies gleichfalls abwegig. Die Formulierung bezieht sich ersichtlich auf das Geschäftsfeld der Beklagten und nicht auf ein bevorzugtes Alter der Bewerber.
- 54
3. Selbst wenn im Übrigen davon ausgegangen würde, die Klägerin hätte das Vorliegen von Indizien im Sinne des § 22 AGG dargelegt, hätte die Beklagte den Beweis geführt, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Die Beklagte hat sich insofern darauf berufen, dass sie die Klägerin schon deswegen nicht eingestellt hätte, weil die Klägerin sie in der Vergangenheit mehrfach zu Unrecht verklagt hat und ihr überdies die Kostenerstattung aus einem der Vorverfahren nach wie vor schuldig geblieben ist. Dass dies bereits die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin erst gar nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen und sie nicht einzustellen, motiviert hat, leuchtet unmittelbar ein. Ein Arbeitgeber, der mehrfach zu Unrecht von einer Stellenbewerberin verklagt worden ist und überdies den sich hieraus für ihn ergebenden wirtschaftlichen Schaden selbst tragen muss, hat keinerlei Veranlassung, mit einer solchen Bewerberin in vertragliche Beziehungen zu treten. Eine gedeihliche Zusammenarbeit war insofern von vornherein nicht zu erwarten.
III.
- 55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S.1 ArbGG.
IV.
- 56
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da die hierfür gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.
Tenor
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1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juli 2008 - 16 Sa 544/08 - aufgehoben.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 30. Oktober 2007 - 3 Ca 749/07 - wird zurückgewiesen.
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3. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer von der Insolvenzschuldnerin (im Folgenden: Schuldnerin) ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die Kündigung den Kläger wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt.
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Der 1948 in Spanien geborene und dort aufgewachsene Kläger trat 1978 in die Dienste der Schuldnerin. Diese betrieb bis zur - am 1. August 2009 erfolgten - Insolvenzeröffnung ein Unternehmen der Automobilzulieferer-Industrie mit etwa 300 Arbeitnehmern. Bei der Schuldnerin besteht ein Betriebsrat.
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Der Kläger arbeitete in der Spritzgussabteilung. Pro Schicht waren dort etwa 20 bis 30 Werker und ein Einrichter an mehreren Maschinen tätig. Zu den Hauptaufgaben des Klägers zählten das Überwachen der automatischen Behälterfüllung, das Einpacken von Teilen sowie die Produktionskontrolle, jeweils nach mündlichen und schriftlichen Anweisungen. Er sollte ggf. Fehler und Störungen an den Produktionsanlagen und an den Produkten erkennen und melden. In einer am 30. Oktober 2001 erstellten und vom Kläger unterschriebenen Stellenbeschreibung war unter „Anforderungen an den Stelleninhaber“ auch die Kenntnis der deutschen Sprache in Wort und Schrift aufgeführt.
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Die von ihm verlangten Prüfungen nahm der Kläger nur nach Augenschein, unspezifisch und nicht nach Maßgabe des von der Schuldnerin vorgegebenen Prüfplans vor. Die Fehlercheckliste füllte er unvollständig aus. Zu der an sich vorgesehenen sog. messenden Prüfung war er nicht in der Lage. Sie wurde von einer dritten Person erledigt.
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Im September 2003 besuchte der Kläger auf Kosten der Schuldnerin während der Arbeitszeit einen Deutschkurs. Einen ihm aufgrund seines geringen Kenntnisstandes und der Einschätzung des Lehrers empfohlenen Folgekurs lehnte er ab. Im Juli 2004 forderte die Schuldnerin ihn auf, an einem als Firmenseminar angebotenen Deutschkurs im Hause teilzunehmen. Dem kam der Kläger nicht nach. Eine Praxisveranstaltung zur Werkerselbstprüfung - worunter die Prüfung der Arbeitsergebnisse durch die Arbeiter selbst verstanden wird - schloss der Kläger mit dem Gesamtergebnis „ungenügend“ ab. Bei mehreren sog. internen Audits wurde festgestellt, dass der Kläger nicht in der Lage war, Arbeits- und Prüfanweisungen zu lesen und zu verstehen, da ihm die geforderten Deutschkenntnisse fehlten. Im September 2005 ermahnte die Schuldnerin ihn und forderte ihn auf, seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Im Februar 2006 machte ihn die Schuldnerin darauf aufmerksam, er müsse mit einer betriebsbedingten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen, wenn er die nötigen Sprachkenntnisse nicht nachweisen könne. Ein Audit kam im April 2007 zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht in der Lage sei, die vom Kunden geforderten Vorgaben und Spezifikationen einzuhalten. Am 18. Mai 2007 kündigte die Schuldnerin das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats zum 31. Dezember 2007.
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Der Kläger hat geltend gemacht, er habe seit 29 Jahren seine Arbeit beanstandungsfrei ausgeübt. Die Qualitätsnormen erforderten nicht notwendig deutsche Sprachkenntnisse in Wort und Schrift. Die wesentlichen Arbeitsabläufe seien gleichgelagert, auch die auftauchenden Fehler seien in gleichgelagerte Kategorien einzuteilen. An seinem Arbeitsplatz könnten Vorgaben auch unter Zuhilfenahme mündlicher Erklärungen umgesetzt werden, die keinen großen Zeitaufwand erforderten.
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Der Kläger hat beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Mai 2007 nicht zum 31. Dezember 2007 aufgelöst wird, sondern fortbesteht;
2.
den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Maschinenbediener in der Abteilung Spritzguss in Vollzeit weiterzubeschäftigen.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und vorgetragen, die Schuldnerin sei seit 2004 - unstreitig - nach den Qualitätsnormen ISO 9001 und ISO/TS 16949 zertifiziert. Aufgrund der voranschreitenden Entwicklung in der Autozulieferer-Industrie müssten die Arbeitnehmer die Herstellung unterschiedlicher Produkte beherrschen. Allein im Arbeitsbereich des Klägers (Spritzguss) setze sie ca. 40 unterschiedliche Maschinen mit etwa 1.500 aktiven Einzelteilen ein. Deshalb müssten die Arbeitnehmer schriftliche Arbeits- und Prüfanweisungen nicht nur lesen, sondern auch verstehen können. Ohne Lektüre der sich stetig ändernden prozessbegleitenden Dokumente könne der Kläger seine Arbeit nicht ausführen. Nach dem Hauptaudit, aufgrund dessen die Zertifizierung für den gesamten Betrieb vergeben worden sei, fänden in regelmäßigen Abständen sog. Rezertifizierungsaudits statt. Würden Mängel festgestellt, müsse sie einen Maßnahmeplan vorlegen, durch den innerhalb von 90 Tagen die Normabweichung abgestellt werde. Mängel in den Produktionsverfahren könnten zum Auftragsverlust oder dazu führen, dass Neuaufträge nicht mehr erteilt würden. Freie Arbeitsplätze, auf denen der Kläger mit seinen Sprachkenntnissen eingesetzt werden könnte, seien nicht vorhanden.
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Das Arbeitsgericht hat nach Beweiserhebung über die Behauptung des Beklagten, die Fähigkeit, schriftliche in Deutsch abgefasste Arbeitsanweisungen und Dokumente lesen zu können, sei notwendig, die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers nach den Klageanträgen erkannt. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufgelöst.
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I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. KSchG).
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1. Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer nicht (mehr) die erforderliche Eignung oder Fähigkeit besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Erreichung des Vertragszwecks muss durch den in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Umstand nicht nur vorübergehend zumindest teilweise unmöglich sein (Senat 18. September 2008 - 2 AZR 976/06 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 23; 18. Januar 2007 - 2 AZR 731/05 - Rn. 15, BAGE 121, 32).
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2. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die ausreichende Kenntnis der deutschen Schriftsprache war eine wesentliche Anforderung an die persönliche Eignung des Klägers für die von ihm zu verrichtende Arbeit. Dieses Verlangen der Schuldnerin stellt keine mittelbare Diskriminierung aus ethnischen Gründen iSd. § 3 AGG dar. Der Kläger erfüllte die genannte Anforderung nicht. Mit einer Behebung dieses Mangels war nicht zu rechnen. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestand nicht.
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a) Nach den Feststellungen im Tatbestand des Berufungsurteils gehört zu den Hauptaufgaben des Klägers die Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten gemäß mündlicher und schriftlicher Anweisung. Unstreitig ist der Kläger nicht in der Lage, in deutscher Sprache abgefasste Anweisungen zu lesen und zu verstehen. Ihm fehlt damit eine persönliche Fähigkeit zur Erfüllung jedenfalls eines wesentlichen Teils seiner vertraglichen Pflichten.
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b) Die von der Schuldnerin gestellte Anforderung, nach schriftlichen, in deutscher Sprache abgefassten Arbeitsanweisungen zu arbeiten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ob sie auf einer vertraglichen Vereinbarung - wie es möglicherweise die Stellenbeschreibung vom 30. Oktober 2001 ist - beruhte oder auf der Ausübung des Direktionsrechts, kann offenbleiben. Weder als Vereinbarung über eine an die Fähigkeiten des Klägers gestellte Anforderung noch als Ausübung des vertraglichen Weisungsrechts (§ 106 GewO) verstößt sie gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft (§ 3 Abs. 2, § 1 AGG).
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aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 1 AGG liegt nicht vor. Die Anforderung, die deutsche Schriftsprache in dem verlangten Umfang zu beherrschen, knüpft nicht an eines der in § 1 AGG genannten Merkmale an. Die deutsche Schriftsprache kann unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Ethnie beherrscht werden, gleichgültig, wie man den Begriff der Ethnie im Einzelnen abgrenzt.
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bb) Es liegt auch keine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG vor. Ob der Kläger, allein weil er in Spanien geboren und dort zur Schule gegangen ist, das Diskriminierungsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer „Ethnie“ erfüllt - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - kann dahinstehen. Selbst wenn dies so wäre und selbst wenn, was angenommen werden mag, die Anforderung deutscher Schriftsprachkenntnisse spanische Arbeitnehmer - im Vergleich zu deutschen Arbeitnehmern - iSd. § 3 Abs. 2 Satz 1 AGG in besonderer Weise benachteiligen kann(vgl. Bissels/Lützeler BB 2009, 833; aA offenbar Hunold Anmerkung zur Entscheidung des LAG Hamm vom 17. Juli 2008 NZA-RR 2009, 13, 17; vgl. auch ArbG Berlin 29. September 2007 - 14 Ca 10356/07 - AuR 2008, 112; dazu kritisch: Maier AuR 2008, 112; Tolmein jurisPR-ArbR 4/2008 Anm. 3; Greßlin BB 2008, 115; vgl. auch ArbG Berlin 11. Februar 2009 - 55 Ca 16952/08 - NZA-RR 2010, 16), so war doch die Anforderung hier durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und waren auch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
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(1) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass im Streitfall ein rechtmäßiges Ziel iSd. § 3 Abs. 2 AGG vorlag.
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(a) Rechtmäßige Ziele iSd. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht ihrerseits diskriminierenden(vgl. EuGH 31. März 1981 - C-96/80 - [J.P. Jenkins] Rn. 11, Slg. 1981, 911) und auch sonst legalen Ziele sein. Dazu gehören auch privatautonom bestimmte Ziele des Arbeitgebers, zB betriebliche Notwendigkeiten und Anforderungen an persönliche Fähigkeiten des Arbeitnehmers (vgl. Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 74 f.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 32 f.; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 3 AGG Rn. 8, 9; BeckOK R/G/K/U/Roloff AGG § 3 Rn. 20; Lingemann/Müller BB 2007, 2006; Hunold Anmerkung zur Entscheidung des LAG Hamm vom 17. Juli 2008 NZA-RR 2009, 13, 17; Herbert/Oberrath DB 2009, 2434). Das Ziel ist im Wortlaut des Gesetzes nicht weiter eingeschränkt als durch die Bestimmung, dass es rechtmäßig sein muss. In der Gesetzesbegründung findet sich lediglich der Hinweis, es müsse ein sachlicher Grund gegeben sein (BR-Drucks. 329/06 vom 18. Mai 2006 S. 34). Damit ist auf die bis dahin bestehende Rechtslage zu § 611a BGB verwiesen, nach der jedes rechtmäßige, seinerseits nicht diskriminierende Ziel ausreichend war.
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(b) Das von der Schuldnerin mit der Forderung ausreichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache verfolgte Ziel bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Erfüllung der Norm ISO/TS 16949. Aus dieser Norm ergibt sich die berufliche Anforderung der Kenntnis der deutschen Schriftsprache für die von der Schuldnerin im Spritzguss beschäftigten Werker. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Erfüllung dieser Norm deshalb von Bedeutung ist, weil andernfalls keine Aufträge mehr akquiriert werden können. Damit liegt ein Ziel vor, das nicht diskriminierend und auch sonst rechtmäßig ist.
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(c) Sieht man als Ziel des Verlangens nach deutscher Schriftsprache iSd. § 3 Abs. 2 AGG nicht die Erfüllung der ISO-Norm als solche, sondern - unabhängig von deren Vorgaben - die möglichst optimale Erledigung der anfallenden Arbeit, so ist auch dieses Ziel rechtmäßig. Der Arbeitgeber hat ein durch Art. 12 GG geschütztes Recht, seiner unternehmerischen Tätigkeit so nachzugehen, dass er damit am Markt bestehen kann. Er darf auch die sich daraus ergebenden beruflichen Anforderungen an seine Mitarbeiter stellen. Wenn er dabei aus nicht willkürlichen Erwägungen schriftliche Arbeitsanweisungen gibt und Schriftkenntnisse voraussetzende Prüftätigkeiten seiner Arbeiter vorsieht, ist das nicht zu beanstanden. Es ist nicht Sinn der Diskriminierungsverbote, dem Arbeitgeber eine Arbeitsorganisation vorzuschreiben, die nach seiner Vorstellung zu schlechten Arbeitsergebnissen führt. Die Diskriminierungsverbote sollen vielmehr das wirtschaftliche Geschehen von sachlich nicht gerechtfertigten und vernunftgebundene Entscheidungen hemmenden, zB auf Vorurteilen beruhenden Erwägungen der Marktteilnehmer freihalten und auf diese Weise gerade im Gegenteil die Dynamik rationaler, sachbezogener, rechtmäßiger Erwägungen erhöhen (vgl. von Hoff SAE 2009, 293).
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(2) Das Mittel zur Erreichung dieses legitimen Ziels - die Forderung ausreichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache - war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erforderlich iSd. § 3 Abs. 2 AGG. Erforderlich ist ein Mittel zur Erreichung eines Ziels, wenn das Ziel ohne das Mittel nicht erreicht werden kann. So liegt es hier. Die Schuldnerin konnte die Erfüllung der Norm ISO/TS 16949 nicht nachweisen bzw. ihr unternehmerisches Ziel nicht erreichen, wenn die als Werker beschäftigten Arbeitnehmer die schriftlichen Arbeitsanweisungen und Prüfaufträge nicht lesen und verstehen und deshalb ihre Aufgaben nicht wie vorgesehen erfüllen können. Wenn das Landesarbeitsgericht demgegenüber meint, der Kläger habe in den vergangenen 29 Jahren seine „Fähigkeit“ unter Beweis gestellt und die meisten Fehler müssten ihm auch ohne genaue schriftliche Prüfanweisung sofort auffallen, dann misst es die „Erforderlichkeit“ des Mittels - nämlich der Anforderung, die deutsche Sprache zu beherrschen - nicht, wie nach § 3 Abs. 2 AGG geboten, an dem vom Arbeitgeber verfolgten Ziel, sondern an eigenen Vorstellungen von den Fähigkeiten, die ein Arbeitnehmer haben muss, um in etwa seinen Aufgaben gerecht zu werden. Außerdem darf der Arbeitgeber sowohl im Interesse seiner Wettbewerbsfähigkeit als auch in dem der Produktqualität und -sicherheit anstreben, nicht nur „die meisten“, sondern alle Fehler zu vermeiden. Dass dies - die vollständige Vermeidung von Fehlern - regelmäßig nicht gelingt, heißt nicht, dass es gar nicht erst beabsichtigt werden darf. Zu Unrecht würde dem Arbeitgeber sonst angesonnen, aus Gründen des Diskriminierungsschutzes Qualitätseinbußen bei seinen Produkten in Kauf zu nehmen und damit von der Verfolgung seiner rechtmäßigen Ziele abzusehen. Das steht mit den Vorgaben des Gesetzes nicht im Einklang.
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(3) Das Mittel zur Erreichung des Ziels ist auch angemessen. Ein weniger belastendes Mittel ist nicht ersichtlich. Die Vorstellung, die Tätigkeit des Klägers müsse im Interesse der Diskriminierungsfreiheit gewissermaßen aufgespalten werden in solche Bestandteile, die er ohne deutsche Sprachkenntnisse erledigen kann, und solche, bei denen er Deutsch lesen können muss, ist nicht richtig, macht aber besonders deutlich, dass die Forderung von Deutschkenntnissen unumgänglich ist: Wäre es anders, so müsste der Schuldnerin nicht - wie es das Landesarbeitsgericht aber tut - zugemutet werden, - offenbar zweisprachiges - Personal für die Übersetzung und mündliche Erläuterung von Arbeitsanweisungen vorzuhalten und weitere Kräfte für an sich von ihm zu erbringende Teiltätigkeiten (Messen) einzusetzen. Das Gesetz verlangt vom Arbeitgeber derart weitgehende organisatorische Umgestaltungen nicht.
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cc) § 3 Abs. 2 AGG verstößt in der hier zugrunde gelegten Auslegung nicht gegen Unionsrecht.
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(1) Auch der Europäische Gerichtshof misst die Rechtfertigung mittelbarer Diskriminierungen daran, ob die unterschiedliche Behandlung auf Gründen beruht, die ihrerseits nicht diskriminierend sind. So hat er bei der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung persönliche Leistungsfähigkeit und Arbeitsqualität ausdrücklich als zulässige Unterscheidungsmerkmale anerkannt (26. Juni 2001 - C-381/99 - Rn. 72, Slg. 2001, I-4961).
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(2) Zwar ist nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 5. März 2009 (- C-388/07 - [Age Concern England] EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9) und vom 18. Juni 2009 (- C-88/08 - [Hütter] EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 11) fraglich geworden, ob nur noch Maßnahmen und Regelungen zur Förderung des Allgemeinwohls iSd. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der RL 2000/78/EG als Rechtfertigungsgründe für unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters herangezogen werden können. Im Streitfall kommt es auf die in diesem Zusammenhang erörterten Fragen jedoch nicht an. Zum einen steht hier keine Altersdiskriminierung, sondern eine Benachteiligung aufgrund ethnischer Herkunft in Rede, so dass nicht Art. 6 der RL 2000/78/EG betroffen ist, sondern Art. 2 und Art. 4 der RL 2000/43/EG. Zu letzterer verhalten sich die genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nicht. Zum anderen betrifft Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG allein unmittelbare - nicht aber mittelbare - Diskriminierungen, worauf der Europäische Gerichtshof ausdrücklich hingewiesen hat(5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 62, aaO; vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Für sachliche Rechtfertigungen hat der Europäische Gerichtshof bei der Prüfung mittelbarer Diskriminierungen als entscheidend angesehen, dass die Rechtfertigungen nicht auf ihrerseits diskriminierenden Gründen beruhen dürfen. Er hat weiter ausgeführt, dass die betreffenden Maßnahmen jedenfalls durch solche Ziele gerechtfertigt werden, die auch unmittelbare Benachteiligungen rechtfertigen (5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 65 f., aaO). Da § 8 AGG in Übereinstimmung mit Art. 4 der hier einschlägigen RL 2000/43/EG wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen als Rechtfertigungsgrund für unmittelbare Diskriminierungen nennt, kann kein Zweifel bestehen, dass die hier in Betracht kommende Rechtfertigung dem Unionsrecht genügt.
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dd) Die Forderung von Kenntnissen der deutschen Schriftsprache verstößt auch nicht gegen Art. 39 Abs. 2 EGV. Nach dieser Vorschrift ist die auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer unzulässig. Für den Zugang zu Beschäftigungsverhältnissen sieht jedoch Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO 1612/68(Freizügigkeitsverordnung) vor, dass eine Ausnahme für Bedingungen gilt, welche die in Anbetracht der Besonderheit der zu vergebenden Stelle erforderlichen Sprachkenntnisse betreffen.
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c) Nach den Umständen des vorliegenden Falls war mit einer zukünftigen Behebung der durch die fehlenden Sprachkenntnisse des Klägers eingetretenen Vertragsstörung nicht zu rechnen. Einer „Abmahnung“ bedurfte es nicht. Bei personenbedingten Kündigungen sind „Abmahnungen“ jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer keine Bereitschaft zeigt, an der an sich möglichen Behebung des personenbedingten Leistungshindernisses mitzuwirken (vgl. Senat 18. September 2008 - 2 AZR 976/06 - Rn. 33, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 23). Der Kläger wusste seit 2001, dass die Schuldnerin Kenntnisse der deutschen Schriftsprache von ihm erwartete. Sie hat danach mehrere Versuche unternommen, ihm die nötigen Kenntnisse zu verschaffen. Sie hat ihn in den Jahren 2004, 2005 und 2006 darauf hingewiesen, dass er seine Sprachkenntnisse verbessern müsse. Sprachkurse wurden ihm immer wieder angeboten. Der Kläger ist darauf nicht eingegangen. Er kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, die Kurse seien nicht geeignet gewesen, seine Sprachmängel zu beseitigen. Er bezieht sich dazu auf einen Bericht der Firma M vom 23. April 2007. Aus diesem sind Anzeichen für Qualitätsmängel der angebotenen Sprachkurse nicht erkennbar.
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d) Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten auf freien Arbeitsplätzen bestanden nicht. Der Kläger hat insoweit allgemein auf den „Bereich Nacharbeit“ und den Versand verwiesen. Der Beklagte hat erwidert, auf diesen Arbeitsplätzen seien die Anforderungen an die deutsche Sprache eher höher als im bisherigen Arbeitsbereich des Klägers.
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3. Die abschließende Interessenabwägung führt zu keinem dem Kläger günstigen Ergebnis. Zu seinem Vorteil fallen sein fortgeschrittenes Lebensalter und die lange Beschäftigungszeit ins Gewicht. Diesem Umstand hat die Schuldnerin aber bereits dadurch Rechnung getragen, dass sie ihm mehrere Jahre Zeit zur Anpassung gegeben hat. Wenn der Kläger, ohne dass er irgendwelche Gründe hierfür genannt hätte, alle diese Angebote ausschlug, kann er nicht verlangen, dass die Schuldnerin ihren betrieblichen Ablauf letztlich allein deshalb entgegen ihren rechtmäßigen Interessen organisiert, weil er auf einem vertragswidrigen, wenn auch möglicherweise menschlich verständlichen Standpunkt verharrt.
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II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zur Last.
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Kreft
Eylert
Schmitz-Scholemann
Röder
Niebler
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
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eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.