Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 07. Okt. 2015 - 1 Ta 231/15
Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird
Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom
27.03.2015 (7 Ca 3698/12) aufgehoben und die
Prozesskostenhilfe weiterhin ratenfrei gewährt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Das als „Widerspruch“ bezeichnete Schreiben der Klägerin vom 17.04.2015 ist als zulässige sofortige Beschwerde i. S. v. § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 u. 3 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 11 a Abs. 1 ArbGG auszulegen. Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
41. Über die sofortige Beschwerde der Klägerin war zu entscheiden, denn das Beschwerdeverfahren ist nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Zwar ist mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 04.08.2015 (92 IK 304/15) über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nach überwiegender Auffassung, der sich das Gericht anschließt, wirkt sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Prozesskostenhilfepartei indes nicht auf das Prozesskostenhilfeverfahren aus (BAG 03.08.2011 – 3 AZB 8/11 – NZA 2011, 1243; BGH 04.05.2006 – IX ZA 26/04 – NJW-RR 2006, 1208; OLG Rostock 28.11.2014 – 1 W 82/14 – MDR 2015, 297; KG 07.09.2007 – 17 W 10/07 – NJOZ 2008, 533; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, vor § 239 Rn. 8 m. w. N.).
52. Das eröffnete Insolvenzverfahren steht auch einer in Betracht kommenden Ratenzahlungsanordnung nicht grundsätzlich entgegen. Denn die Vorschriften der Insolvenzordnung betreffen nicht die Befriedigung einzelner Insolvenzgläubiger aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners (BGH 14.01.2010 – IX ZR 93/09 - ZIP 2010, 380). Auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens verbleibt dem Schuldner angesichts der allgemeinen Pfändungsfreigrenzen von seinem Einkommen ein Betrag, der von dem Insolvenzverfahren nicht erfasst wird (LAG Schleswig-Holstein 23.09.2009 – 6 Ta 153/09 -; KG 07.09.2007 – 17 W 10/07 – NJOZ 2008, 533). So ist es auch hier. Die von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See an die Klägerin gezahlte Erwerbsminderungsrente in Höhe von monatlich 1.223,39 EUR unterfällt mit Rücksicht auf die Unterhaltspflichten der Klägerin den Pfändungsfreigrenzen gemäß §§ 850 c Abs. 1 ZPO, 850 Abs. 2 ZPO.
63. Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin i. S. v. § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO – in der bisherigen Gesetzesfassung, die für das Verfahren gemäß § 40 EGZPO weiterhin maßgeblich ist –, die Anlass zu einer Ratenzahlungsanordnung geben könnte, liegt indes nicht vor. Die Berechnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin ergibt kein einzusetzendes Vermögen i. S. v. § 115 Abs. 2 ZPO.
7a) An Einkünften steht der Klägerin nur die Rentenzahlung in Höhe von 1.223,39 EUR monatlich zu. Entgegen der Berechnung des Arbeitsgerichts steht das Kindergeld nach der Neufassung des § 1612 b BGB dem Kind selbst zu und erhöht nicht die Einkünfte der Prozesskostenhilfepartei (LAG Köln, 15.06.2015 – 1 Ta 209/15 -).
8b) Von den Einkünften sind der Unterhaltsfreibetrag für die Klägerin gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO in Höhe von 462,00 EUR und gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO derjenige für den Sohn T in Höhe von 165,00 EUR (349,00 EUR – 184,00 EUR Kindergeld) abzuziehen.
9Für die Tochter C L ist kein weiterer Freibetrag abzugsfähig, denn gemäß § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO mindern sich die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Personen. Insoweit sind das Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR sowie die Unterhaltszahlung des Vaters in Höhe von 210,00 EUR monatlich anzurechnen.
10c) Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens darüber hinaus gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO an Kosten für Unterkunft und Heizung 500,00 EUR Mietkosten sowie 150,00 EUR Heizkosten als abzugsfähige Kosten berücksichtigt.
11Für diese Zahlungen hat die Klägerin ungeachtet der gerichtlichen Aufforderungen aktuelle Zahlungsbelege zwar nicht vorlegen können. Im Hinblick auf das im Beschwerdeverfahren geltende Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) bleiben die von dem Arbeitsgericht berücksichtigten Abzugsposten indes für die Berechnung weiterhin maßgeblich.
12d) Die Einkünfte der Klägerin in Höhe von 1. 223,39 EUR abzüglich der Freibeträge und der Wohnungskosten ergeben kein freies, einsetzbares Einkommen. Mithin hat es bei der ratenfreien Gewährung von Prozesskostenhilfe zu verbleiben.
13II.
14Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass das Arbeitsgericht nach den gesetzlichen Vorschriften verpflichtet ist, zu gegebener Zeit die wirtschaftlichen Verhältnisse erneut zu überprüfen und dabei auch der Frage nachgehen kann, ob Zahlungen für die Unterkunft tatsächlich geleistet werden.
15III.
16Der Beschluss ist nach den gesetzlichen Bestimmungen unanfechtbar.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.
(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.
(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,
- 1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken; - 2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.
(4) (weggefallen)
(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:
- 1.
- a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge; - b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 2.
- a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist; - b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen; - 4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; - 5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.
(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.
(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.
