Finanzgericht München Urteil, 13. März 2019 - 7 K 484/17

bei uns veröffentlicht am13.03.2019

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abgabenordnung (AO) in eine versäumte Einspruchsfrist zu gewähren ist.

Die Klägerin ist eine GmbH und eine Verwaltungsgesellschaft im Sinne des Kapitalanlagengesetzbuches (KAGB). Sie verwaltet Immobilien-Sondervermögen in Form von Spezial- und Publikumsfonds.

Die Klägerin schloss mit der X AG im November 2005 einen Dienstleistungsvertrag. Dadurch sollte der Klägerin die Erfahrung und das Fachwissen der Stabsabteilung „Financial Control“ der X AG zugänglich gemacht werden. Die Klägerin beauftragte die X AG, die ihr auf dem Gebiet des Rechnungswesens (Finanzbuchhaltung) obliegenden Aufgaben zu übernehmen. Der Vereinbarung war in Anlage 1 eine Auflistung der anfallenden Dienstleistungen beigefügt. X AG war berechtigt, die vereinbarten Dienstleistungen nach vorheriger Zustimmung durch die Hinzunahme von Subunternehmen zu erbringen (§ 1 Nr. 2 des Dienstleistungsvertrags). Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 14. November 2005 sowie die Anlagen verwiesen.

Die X AG schloss aus Kapazitätsgründen mit der Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einen Vertrag über die Erbringung von steuerlichen Beratungsleistungen.

Für die Streitjahre 2007-2011 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Die Prüfung erfolgte federführend durch das Finanzamt A, wobei das von der Klägerin verwaltete Sondervermögen durch das Finanzamt B geprüft wurde.

Der in der Folgezeit erstellte Prüfungsbericht vom 4. Januar 2016 erging durch das Finanzamt A. Dabei enthielt der Prüfungsbericht unter Nr. 46 folgenden Hinweis:

„Eine Auswertung des Berichts ist bis zum formellen Abschluss der Betriebsprüfung bei dem Sondervermögen … (2010-2011) durch das Finanzamt B Abt. Betriebsprüfung und der Veranlagung der angepassten Steuererklärung 2007 bis 2011 (siehe Tz. 21 des Berichts) zurückzustellen. In jedem Fall ist der Vorbehalt der Nachprüfung hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011 erst nach Abschluss der Betriebsprüfung des Sondervermögens aufzuheben.“

Dem Prüfungsbericht vom 4. Januar 2016 war als Anlage 11 ein Teilbericht des Bundeszentralamts für Steuer vom 5. August 2015 über die Mitwirkung an der Außenprüfung bei der Klägerin beigefügt, in dem die umsatzsteuerliche Vorsteuerproblematik im Zusammenhang mit allgemeinen Verwaltungsleistungen behandelt wurde. Gleichzeitig enthielt der Prüfungsbericht als Anlage 12 einen Berichtsauszug zur Prüfung des Sondervermögens … Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 4. Januar 2016 sowie die Anlagen hierzu verwiesen.

Die Veranlagungsstelle des Beklagten (Finanzamt) wertete nach Rücksprache mit dem Betriebsprüfer für das Sondervermögen … den Prüfungsbericht aus und erließ am 17. Mai 2016 Änderungsbescheide für die Streitjahre u.a. in Sachen Körperschaftsteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung der Festsetzungen aufgehoben. Der Prüfer hatte zuvor mitgeteilt, dass lediglich die Erstellung des Teilberichts noch ausstehe, die umsatzsteuerlichen Feststellungen aber bereits im Prüfungsbericht des Finanzamts A enthalten seien. Die Änderungsbescheide wurden aufgrund einer Empfangsvollmacht der Z KG bekannt gegeben.

Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 legte die Klägerin Einspruch gegen die Änderungsbescheide ein. Gleichzeitig beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie gab an, dass die Prüfung der geänderten Bescheide durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Y vorgenommen worden sei. Diese habe keinerlei Hinweise auf eine erforderliche Einspruchseinlegung gegeben. Im Übrigen seien in den Bescheiden für Umsatzsteuer 2010 und 2011 auch Feststellungen der noch nicht abgeschlossenen Außenprüfung berücksichtigt worden. Insoweit greife § 126 Abs. 3 i.V.m. § 110 Abs. 2 AO.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2017 wurde der Einspruch gegen die streitgegenständlichen Änderungsbescheide vom 17. Mai 2016 als unzulässig verworfen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage und begehrt die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung. Sie macht geltend, dass die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO vorlägen. Sie habe die Fristenkontrolle konzernintern auf die X AG als Hilfsperson übertragen, ohne diese als steuerliche Vertreterin zu ermächtigen. Die X AG habe es versäumt, sie auf den Ablauf der Einspruchsfrist hinzuweisen. Daher habe sie keine Kenntnis vom Fristablauf und folglich keine Möglichkeit zur fristgerechten Erhebung eines Einspruchs gehabt. Ein Verschulden der X AG könne ihr nicht zugerechnet werden.

Die Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei kein steuerlicher Vertreter, deren Verschulden ihr zugerechnet werden könne. Der Steuerberatungsvertrag mit der Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe nicht die zur Wahrung von Fristen erforderlichen Handlungen umfasst. Jedoch sei die Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufgrund des geschlossenen Beratungsvertrags mit der X AG verpflichtet gewesen, auf den Ablauf der streitgegenständlichen Fristen hinzuweisen. Dieser Hinweis sei seitens der Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht erfolgt.

Sie habe die X AG fortlaufend unterwiesen. Es seien alle notwendigen Informationen und Unterlagen zur Verfügung gestellt worden. Insbesondere seien sämtliche Steuerbescheide überlassen worden. Es habe auch eine regelmäßige Beaufsichtigung stattgefunden. Einspruchsfristen seien bis dato immer ordnungsgemäß geführt worden. Sie sei stets über den Ablauf solcher Fristen informiert worden.

Auch aus der bestehenden Empfangsvollmacht der Z KG kann nicht geschlossen werden, dass diese für die Fristüberwachung verantwortlich gewesen sei. Eine Empfangsvollmacht beschränke sich lediglich auf die Entgegennahme von Verwaltungsakten.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2017 insoweit aufzuheben, als der Einspruch gegen die Änderungsbescheide vom 17. Mai 2016 in Sachen Körperschaftsteuer 2007 bis 2011, Gewerbesteuermessbetrag 2007 bis 2011 sowie Umsatzsteuer 2007 bis 2011 als unzulässig verworfen wurde.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt macht geltend, Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Aus dem Dienstleistungsvertrag mit der X AG könne nicht geschlossen werden, dass durch die X AG eine Fristenkontrolle zu erfolgen habe.

Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf die Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2017, die vom Finanzamt vorgelegten Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der mit Schreiben vom 19. Juli 2016 eingelegte Einspruch der Klägerin gegen die streitgegenständlichen Bescheide vom 17. Mai 2016 war verspätet und wurde zu Recht als unzulässig verworfen. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist sind nicht erfüllt.

1. Die Klage ist nicht deshalb unzulässig, weil die Klägerin die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung begehrt. Die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung ist dann möglich und geboten, wenn die Beschwer des Klägers allein in der Einspruchsentscheidung liegt (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 14.03.2012 X R 50/09, BFHE 237, 14, BStBl II 2012, 536). Dies ist u.a. dann der Fall, wenn das Finanzamt den Einspruch zu Unrecht aus verfahrensrechtlichen Gründen verworfen hat (BFH-Urteil vom 20.11.2008 III R 66/07, BFHE 223, 317, BStBl II 2009, 185). Soweit die Klägerin geltend macht, dass ihr Einspruch zu Unrecht wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen worden und ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei, macht sie solche verfahrensrechtlichen Gründe geltend.

2. Im Streitfall ging der Einspruch gegen die streitgegenständlichen Änderungsbescheide vom 17. Mai 2016 erst am 20. Juli 2016 beim Finanzamt ein. Der Einspruch wurde daher nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) und damit verspätet eingelegt. Eine Wiedereinsetzung in diese versäumte Einspruchsfrist nach § 110 AO kann im Streitfall nicht gewährt werden.

2.1. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Verschuldet ist die Fristversäumnis, wenn die gebotene und den Umständen nach zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Jedes Verschulden - auch einfache Fahrlässigkeit - schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BFH-Urteil vom 04.03.1998 XI R 44/97, BFH/NV 1998, 1056; ebenso zum vergleichbaren § 56 FGO: BFH-Beschluss vom 06.11.2014 VI R 39/14, BFH/NV 2015, 339). Es ist nicht auf die allgemein im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt abzustellen, sondern es sind die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu würdigen (Bruns in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 143. Lieferung, § 110 AO, Rn. 19).

Die Anforderungen an die Maßnahmen zur Überwachung der Fristen bzw. deren Einhaltung sind an den Umständen des Einzelfalles sowie an der auf Grund der Anzahl der zu überwachenden Fristen erforderlichen Organisation zu messen (Bruns in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 143. Lieferung, § 110 AO, Rn. 31).

2.2. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Begriff des Vertreters i.S. des § 110 Abs. 1 Satz 2 AO ist weit auszulegen. Notwendig ist, dass die Vornahme der fristwahrenden Handlung und damit das für die Fristversäumnis ursächliche schuldhafte Verhalten in den Aufgabenbereich des Dritten fallen. Wird er ohne eigene Entscheidungsbefugnis für den zur Fristwahrung Berufenen lediglich als Hilfsperson (Bote o.ä.) tätig, kommt eine auf § 110 Abs. 1 Satz 2 AO gestützte Verschuldenszurechnung nicht in Betracht (BFH-Urteile vom 28.11.1990 VI R 174/87, BFH/NV 1991, 502; vom 12.12.2007 XI R 11/07, HFR 2008, 665).

2.3. Wird eine Hilfsperson, d.h. eine nicht zur Vertretung bestellte oder beauftragte Person, bei fristwahrenden Maßnahmen tätig, wird deren Verschulden dem Beteiligten nicht zugerechnet (Bruns in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 143. Lieferung, § 110 AO, Rn. 26).

Sofern ein Verschulden einer Hilfsperson vorliegt, muss der Steuerpflichtige für deren Verschulden nur einstehen, sofern er bei Auswahl, Unterweisung und Beaufsichtigung der Hilfspersonen schuldhaft (Eigenverschulden) gehandelt hat (vgl. BFH-Urteil vom 19.07.1994 II R 74/90, BFHE 175, 302, BStBl II 1994, 946; Bruns in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 143. Lieferung, § 110 AO, Rn. 28). Ein Büroversehen begründet nur dann kein Verschulden, wenn es allein für die Fristversäumung ursächlich war (BFH, Beschluss vom 19.03.1996 VII S 17/95, BFH/NV 1996, 818).

Um ein Eigenverschulden des Steuerpflichtigen verneinen zu können, müssen Hilfspersonen über die Fristgebundenheit von Maßnahmen hinreichend informiert werden. Das Verschulden einer Hilfsperson geht nur dann nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen, wenn dieser auf die Bedeutung und Eilbedürftigkeit des Schriftstücks ausdrücklich hingewiesen worden ist. Hat der Steuerpflichtige in dieser Weise im Rahmen der äußersten, den Umständen nach angemessenen und vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt dafür gesorgt, dass der Schriftsatz rechtzeitig zur Post gegeben wird, braucht er die Anordnung der Versendung weder persönlich zu überwachen noch ist er gehalten, sich durch eine nachträgliche Rückfrage über die Befolgung seiner Anweisung zu vergewissern (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.1988 X R 80/87, BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266).

2.4. Im Streitfall ist ein Verschulden nach § 110 Abs. 1 AO im Hinblick auf die versäumte Frist zur Einspruchseinlegung gegen die streitgegenständlichen Änderungsbescheide vom 17. Mai 2016 zu beurteilen. Dabei ist unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen und dem Vorbringen der Beteiligten davon auszugehen, dass die Klägerin keinen Vertreter zur Einspruchserhebung beim Finanzamt bestellt hatte, sondern die Einspruchsberechtigung bei ihr verbleiben sollte. Tatsächlich wurde der verfristete Einspruch auch durch die Klägerin eingelegt. Die Klägerin kann sich im Streitfall nicht dadurch exkulpieren, dass sie qualifizierte Steuerfachleute bei der Prüfung der streitgegenständlichen Bescheide einschaltete. Vielmehr ist ihr nach den Umständen des Streitfalls ein Organisationsverschulden (Eigenverschulden) hinsichtlich der Fristversäumnis vorzuwerfen.

2.4.1. Aus dem Dienstleistungsvertrag mit der X AG vom 14. November 2005 ergibt sich keine Bevollmächtigung in Steuersachen, sondern lediglich die Vereinbarung von unterstützenden Dienstleistungen im Bereich Rechnungswesen und Finanzbuchhaltung. Nach Anlage 1 zum Vertrag vom 14. November 2005 waren lediglich Hilfestellungen im Bereich Tax Reporting (Meldung an Organträger bei Umsatzsteuervoranmeldungen, Mitarbeit bei den Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuererklärungen) vereinbart. Eine Bevollmächtigung der X AG zur Einspruchseinlegung gegen Steuerbescheide im Namen der Klägerin war nicht vorgesehen. Damit sind sowohl die X AG als auch die von dieser im weiteren Verlauf eingeschaltete Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Rahmen des § 110 AO als Hilfspersonen zu qualifizieren, deren mögliches Verschulden bei der verspäteten Einspruchseinlegung nicht gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 AO der Klägerin zuzurechnen ist.

2.4.2. Nach den Umständen des Streitfalls verblieb mangels Bevollmächtigung einer dritten Person die Verantwortung für eine fristgerechte Einspruchseinlegung bei der Klägerin. Es oblag somit ihr, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass der Zugang der streitgegenständlichen Änderungsbescheide erfasst und das Ende der Einspruchsfrist zutreffend berechnet wird sowie der rechtzeitige Zugang des Einspruchs beim Finanzamt gewährleistet ist. Dass vorliegend von der Klägerin organisatorische Maßnahmen ergriffen wurden, eine fristgerechte Einspruchseinlegung zu gewährleisten, wurde weder dargelegt noch sind hierfür Anhaltspunkte ersichtlich.

Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde die Berechnung des Ablaufs der Einspruchsfrist sowie die inhaltliche Prüfung der Änderungsbescheide der X AG übertragen. Durch diese Einbindung steuerlich qualifizierter Dritter allein, kann sich die Klägerin jedoch nicht exkulpieren. Vielmehr hätte die Klägerin nach den Umständen des Streitfalls, um ein eigenes Verschulden auszuschließen, zum einen die streitgegenständlichen Bescheide vom 17. Mai 2016 zeitnah der X AG bzw. der Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft übermitteln und zum anderen organisatorisch Maßnahmen ergreifen müssen, damit zumindest die Fristberechnung noch so frühzeitig übermittelt bzw. angefordert wird, um die Einspruchsfrist wahren zu können. Dem Vorbringen der Klägerin sowie den vorliegenden Unterlagen ist nicht zu entnehmen, dass dies geschah.

Vielmehr gibt die Klägerin in ihrem Einspruchsschreiben vom 19. Juli 2016 an, dass sie die streitgegenständlichen Bescheide Mitte Juni 2016 an die Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft weiterleitete. Vor dem Hintergrund, dass die streitgegenständlichen Änderungsbescheide bereits am 17. Mai 2016 ergingen, erfolgte dies folglich erst kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist. In dieser Situation hätte die Klägerin, sofern sie selbst nicht in der Lage gewesen sein sollte, den Ablauf der Einspruchsfrist selbst zu berechnen, entweder um eine kurzfristige Fristberechnung bitten oder vorsorgliche Einspruch einlegen müssen. Denn aufgrund des Prüfungsberichts war für die Klägerin erkennbar, dass von den Steuererklärungen und ursprünglichen Steuerfestsetzungen abgewichen wurde.

Auch der Verweis der Klägerin darauf, dass sie in der Vergangenheit über den Ablauf der Einspruchsfristen stets informiert worden sei, rechtfertigt keine Annahme einer schuldlosen Fristversäumnis. Denn es ist nicht erkennbar bzw. dargelegt, dass bei der Klägerin selbst organisatorische Maßnahmen (z.B. Fristenkontrollbuch) ergriffen wurden, um die Gefahr einer Fristversäumnis zu bannen. Sollte man in Fällen, in denen besonders steuerlich qualifizierte Dritte nicht bevollmächtigt werden, sondern lediglich als Hilfspersonen eingeschaltet werden, konkrete organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Fristversäumnissen durch den Steuerpflichtigen als entbehrlich ansehen, droht die Gefahr, dass vermeidbare Fristversäumnisse ohne Konsequenzen bleiben. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb man im Rahmen des § 110 AO zwar von jedem steuerlich unbewanderten Steuerpflichten erwartet, anhand der Rechtsbehelfsbelehrung:das Ende der Einspruchsfrist zu berechnen und rechtzeitig Einspruch einzulegen, jedoch im Streitfall, in dem die Klägerin selbst aufgrund ihrer Unternehmenstätigkeit rechtliche Expertise besitzt, sich durch die bloße Einschaltung von Steuerfachleuten exkulpieren können sollte.

2.4.3. Allein der Hinweis, die Hilfspersonen seien sorgfältig ausgewählt, unterwiesen und beaufsichtigt worden, genügt in der im Streitfall gegebenen Konstellation nicht, zu einer schuldlosen Fristversäumnis zu kommen. Denn die Hilfspersonen (u.a. Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) wurden im Streitfall nicht in den eigentlichen Prozess der Einspruchseinlegung (Versand des Einspruchs) eingebunden, sondern allenfalls in vorgeschaltete Prozesse (Fristberechnung, inhaltliche Kontrolle). Sofern diesen Hilfspersonen dabei vorwerfbare Fehler unterlaufen, müssen diese kausal für die verspätete Einspruchseinlegung sein und dürfen nicht von einem Eigenverschulden des Steuerpflichtigen überlagert sein. Ein solches vorwerfbares Verhalten der Klägerin ist aber darin zu sehen, dass nicht sichergestellt worden war, dass die Prüfung des Ablaufs der Einspruchsfrist zeitnah erfolgte.

Die Fristversäumnis kann auch der Hinweis nicht entschuldigen, dass eine abschließende inhaltliche Prüfung der streitgegenständlichen Bescheide durch die Y Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bis zum Ablauf der Einspruchsfrist nicht erfolgt war. Denn auch wenn sich die Klägerin zur Überprüfung von Steuerbescheiden qualifizierter Dritter bedient, steht eine ausstehende abschließende inhaltliche Prüfung der Einspruchseinlegung nicht entgegen. Vielmehr erfordert die in diesen Fällen gebotene und den Umständen nach zumutbare Sorgfalt gerade eine vorsorgliche Einspruchseinlegung.

3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch nicht durch Verweis auf § 126 Abs. 3 AO erreicht werden.

3.1. Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden, so gilt die Versäumung der Einspruchsfrist als nicht verschuldet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 AO).

Das Unterbleiben der Anhörung oder der Begründung muss ursächlich für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist sein. Der erforderliche Kausalzusammenhang fehlt, wenn der Steuerpflichtige trotz Begründungsdefizits des Verwaltungsakts dessen (materielle) Fehlerhaftigkeit erkannt hat (BFH-Beschluss vom 10. 07.2001 III B 75/00, BFH/NV 2002, 5). Eine unterbliebene Anhörung ist dann für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist nicht ursächlich, wenn der Steuerpflichtige im Steuerbescheid auf die Abweichungen bzw. Änderungen hingewiesen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1984 VIII R 19/81, BFHE 143, 106, BStBl II 1985, 601).

3.2. Im Streitfall wurde - unabhängig davon, ob ein Begründungs- oder Anhörungsmangel vorliegt - die erforderliche Kausalität zwischen einem solchen Mangel und der verspäteten Einspruchseinlegung weder schlüssig dargelegt noch hinreichend belegt.

Die streitgegenständlichen Bescheide verweisen auf den Prüfungsbericht vom 4. Januar 2016 hin. Dadurch wurde die Klägerin hinreichend in die Lage versetzt, die Bescheide zielgerichtet materiell-rechtlich zu überprüfen und sich darüber klar zu werden, ob die Einlegung eines Rechtsbehelfs angezeigt ist (vgl. Rozek in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 250. Lieferung 11.2018, § 126 AO, Rn. 60).

Das gilt auch hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011. Zwar war zu dem Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide am 17. Mai 2016 die Betriebsprüfung beim Sondervermögen … für die Jahre 2010 und 2011 durch die Betriebsprüfung des Finanzamts B formell noch nicht abgeschlossen. Jedoch waren den Anlagen 11 und 12 zum Prüfungsbericht vom 4. Januar 2016 die in den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheiden 2010 und 2010 enthaltenen Änderungen zu entnehmen. Denn tatsächlich war die inhaltliche Prüfung abgeschlossen. Es stand lediglich die Erstellung des Teilberichts für das Sondervermögen … aus. Dem Prüfungsbericht war zu entnehmen, dass die Finanzverwaltung auch für diese Jahre den Vorsteuerabzug auf allgemeine Verwaltungsleistungen nicht gewähren will. Demzufolge ist insoweit kein Begründungs- oder Anhörungsmangel für die Versäumnis der Einspruchsfrist kausal.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 56


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Vers

Abgabenordnung - AO 1977 | § 110 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. (2) Der Antrag ist innerhal

Abgabenordnung - AO 1977 | § 126 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 125 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Verwaltungsakt erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,2. die erforderliche Begründung nac

Abgabenordnung - AO 1977 | § 355 Einspruchsfrist


(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den

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Bundesfinanzhof Beschluss, 06. Nov. 2014 - VI R 39/14

bei uns veröffentlicht am 06.11.2014

Tatbestand 1 I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen Einkommensteuer 2012 mit Urteil vom 31. März 2014 ab. Das Urteil wurd

Bundesfinanzhof Urteil, 14. März 2012 - X R 50/09

bei uns veröffentlicht am 14.03.2012

Tatbestand 1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wehren sich gegen eine Teileinspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2a der Abgabenordnung (AO), die das Finanzamt A

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(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wehren sich gegen eine Teileinspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2a der Abgabenordnung (AO), die das Finanzamt A erlassen hatte. Während des Revisionsverfahrens ist die Zuständigkeit auf das Finanzamt B übergegangen, das nunmehr Beklagter und Revisionsbeklagter ist (im Folgenden werden beide Finanzämter einheitlich als "FA" bezeichnet).

2

Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute, die im Streitjahr unterschiedliche Einkünfte erzielten. In ihrer Steuererklärung machten sie unter anderem Sonderausgaben für Vorsorgeaufwendungen in Höhe von insgesamt 30.841 € geltend. Das FA erkannte Sonderausgaben nur in Höhe von 10.138 € an. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und war gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO wegen verschiedener Punkte vorläufig.

3

Die Kläger legten am 8. Mai 2008 mittels eines Formulartexts Einspruch hinsichtlich der Abziehbarkeit von Rentenbeiträgen als Werbungskosten und der Nichtabziehbarkeit privater Steuerberatungskosten als Sonderausgaben ein. Soweit einzelne Fragen bereits durch Vorläufigkeitsvermerke erfasst seien, richte sich der Einspruch gegen die nicht von den Vorläufigkeitsvermerken erfassten Rechtsfragen.

4

Unter dem 19. Mai 2008 erging ein Änderungsbescheid wegen eines hier nicht streitigen Punktes. Der Vorbehalt der Nachprüfung sowie die Vorläufigkeitsvermerke blieben unverändert. Am 11. November 2008 erließ das FA unter Bezugnahme auf § 367 Abs. 2a AO eine Teileinspruchsentscheidung mit folgendem Inhalt:

5

        

 "Der Einspruch wird, soweit hierdurch über ihn entschieden wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Über folgende Teile des Einspruchs wird nicht entschieden:

-

Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Einkommensteuergesetz; beim Bundesfinanzhof anhängiges

Verfahren X R 9/07

-

Sonderausgabenabzug für private Steuerberatungskosten

Insoweit tritt durch diese Entscheidung keine Bestandskraft ein.

..."

6

Das FA erläuterte dazu, das Verfahren ruhe hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO im Hinblick auf das Verfahren X R 9/07, hinsichtlich der privaten Steuerberatungskosten nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO im Hinblick auf mehrere bei Finanzgerichten anhängige Verfahren. Im Übrigen hätten die Einspruchsführer keine Einwendungen erhoben. Die nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO gebotene volle Überprüfung führe nicht zu einer Änderung. Der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung sei sachdienlich. Hinsichtlich klar und eindeutig abgrenzbarer Teile ruhe das Verfahren. Es diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, das Einspruchsverfahren im Übrigen abzuschließen, damit die Steuerfestsetzung weitgehend in Bestandskraft erwachsen könne. Es sei Zweck des Rechtsbehelfsverfahrens, zügig eine Entscheidung in der eigenen Sache herbeizuführen, nicht aber, den Steuerfall möglichst lange "offen zu halten", um von künftigen Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu derzeit nicht strittigen Fragen "profitieren" zu können.

7

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger die Aufhebung der Teileinspruchsentscheidung, da diese sich nicht mit dem Einspruch befasse, sondern nur den Zweck verfolge, den Steuerbescheid hinsichtlich aller anderen Punkte bestandskräftig werden zu lassen. Ferner trugen sie zum Umfang ihrer privaten Steuerberatungskosten vor. In der mündlichen Verhandlung erklärte das FA, die Ruhensanordnung sei betreffend die Steuerberatungskosten um die beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahren X R 40/08 und X R 10/08 sowie der Vorläufigkeitsvermerk auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu ergänzen. Mit Bescheid vom 5. Februar 2010 setzte es dies um.

8

Das Finanzgericht (FG) hat mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 374 veröffentlichten Urteil die Klage abgewiesen.

9

Mit der Revision machen die Kläger weiter geltend, die Teileinspruchsentscheidung sei nicht sachdienlich gewesen. Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/3036 zu § 367 Abs. 2a AO) sei eine Teileinspruchsentscheidung bei teilweiser Entscheidungsreife sinnvoll. Sie diene nicht nur zur Entlastung der Steuerverwaltung. Eine generelle Anwendung auf sogenannte "Masseneinspruchsverfahren" lasse sich dem nicht entnehmen, zumal sich die Frage aufdränge, warum eine Streitfrage, die zahlreiche Steuerpflichtige betreffe, wie ein Einspruch zweiter Klasse behandelt werden solle.

10

Eine Teileinspruchsentscheidung sei nur sinnvoll, wenn ihr ein tatsächlicher Streitpunkt zugrunde liege.

11

Der Sache des FA diene die Teileinspruchsentscheidung ebenfalls nicht. Die Steuerfestsetzung 2006 könne nach § 164 AO, ggf. auch noch nach § 177 AO, geändert werden, so dass ohnehin keine Rechtssicherheit eintrete.

12

Das einzige Ergebnis der Teileinspruchsentscheidung bestehe darin, aus einem Verfahren zwei zu machen. Das führe zu zusätzlichen Verfahrensfragen, Rechtsunsicherheiten und Abgrenzungsfragen und nicht zu einer Straffung des Verfahrens. Sämtliche Ziele des § 367 Abs. 2a AO würden verfehlt. Das automatisierte und ungeprüfte Erlassen von Teileinspruchsentscheidungen führe dazu, dass sowohl die Pflicht der über den Einspruch entscheidenden Behörde, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO), als auch der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) faktisch beseitigt werde. Ruhende Einsprüche würden generell zu faktischen Vorläufigkeitsvermerken herabgestuft. Dies widerspreche der Absicht des Gesetzgebers.

13

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG vom 17. August 2009 und die Teileinspruchsentscheidung des FA vom 11. November 2008 aufzuheben.

14

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

15

Das FA meint, das Vorbringen der Kläger lasse erkennen, dass sie sich lediglich die Möglichkeit zum Nachschieben eventuell weiterer als rechtswidrig zu rügenden Punkte offenhalten wollten. Die Teileinspruchsentscheidung verwehre ihnen keine Rechte, sondern straffe das Verfahren und erreiche einen (Teil-)Rechtsfrieden. Zusätzliche Verfahrensfragen, Rechtsunsicherheiten und Abgrenzungsfragen seien nicht erkennbar.

16

Es sei nicht zutreffend, dass in Massenfällen ohne Prüfung des Einzelfalls automatisch Teileinspruchsentscheidungen erlassen würden. Allerdings sei der Umfang der Überprüfung von der Begründung abhängig. Auch die Kläger hätten keine Einwände gegen den materiellen Regelungsgehalt der Teileinspruchsentscheidung, sondern nur gegen das Verfahren erhoben. Dem Ziel, den Einspruch aus taktischen Gründen (Nachschieben etwaiger weiterer Punkte) offenhalten zu wollen, fehle aber das Rechtsschutzbedürfnis.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Kläger durch den Erlass der Teileinspruchsentscheidung nicht in ihren Rechten verletzt sind.

18

1. Gegenstand von Klage und Revisionsverfahren ist, wie das FG bereits zu Recht entschieden hat, entgegen § 44 Abs. 2 FGO nicht der ursprüngliche Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung, sondern allein die Teileinspruchsentscheidung. Wie sich aus § 40 Abs. 2 FGO sowie § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt, ist die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung dann möglich und geboten, wenn die Beschwer des Klägers allein in der Einspruchsentscheidung liegt (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1987 II R 167/81, BFHE 152, 200, BStBl II 1988, 377). Da sich die Kläger nur gegen die Rechtmäßigkeit der Teileinspruchsentscheidung wenden und die verfahrensrechtliche Lage wiederherzustellen begehren, die vor deren Erlass bestand, ist die isolierte Anfechtung der Teileinspruchsentscheidung zulässig.

19

2. Die Teileinspruchsentscheidung war formell und materiell rechtmäßig.

20

Nach § 367 Abs. 1 AO entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, über den Einspruch durch Einspruchsentscheidung. Nach § 367 Abs. 2a Satz 1 AO kann die Finanzbehörde vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Nach § 367 Abs. 2a Satz 2 AO hat sie in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

21

a) Der --zulässige-- Einspruch war gegen den gesamten Einkommensteuerbescheid gerichtet.

22

Wenn mit einem Einspruch einzelne Punkte gerügt werden, bedeutet das, dass der Einspruch auf streitige und unstreitige Bestandteile des Bescheids gerichtet ist. Wie sich aus der Verpflichtung zur vollständigen Überprüfung nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO ergibt, bezieht sich ein Einspruch grundsätzlich unabhängig von seiner Begründung auf den gesamten Bescheid. Entgegen der Auffassung der Kläger sind daher auch die ("unbenannten") Teile des Bescheids zu prüfen, die nicht ausdrücklich angegriffen worden sind; das Einspruchsverfahren ist ein "verlängertes Veranlagungsverfahren" (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 367 AO Rz 141, m.w.N.).

23

b) Es ist verfahrensrechtlich grundsätzlich zulässig, über den Einspruch nur insoweit zu entscheiden, als er sich auf nicht ausdrücklich benannte Streitpunkte bezieht.

24

aa) So gut wie jede Einspruchsentscheidung enthält auch eine Entscheidung über nicht benannte Streitpunkte. Das gilt sowohl dann, wenn der Einspruch bestimmte Streitpunkte konkretisiert, als auch dann, wenn er gänzlich ohne Begründung bleibt. Zweifelsohne kann und muss auch über die zuletzt genannten Einsprüche entschieden werden.

25

bb) Wenn eine Einspruchsentscheidung auch nicht benannte Streitpunkte erfassen muss, so ist kein verfahrensrechtlicher Grund ersichtlich, dies für Teileinspruchsentscheidungen anders zu beurteilen. Das gilt entsprechend für eine (Teil-)Einspruchsentscheidung nur über nicht benannte Streitpunkte.

26

c) Die aus § 367 Abs. 2 Satz 1 AO folgende Verpflichtung des FA zur Überprüfung der Sache in vollem Umfang steht dem nicht entgegen. Ob das FA ihr nachgekommen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und ggf. im finanzgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Es ist allerdings keine Rechtsgrundlage dafür erkennbar, dass das FA Inhalt und Umfang dieser Prüfung im Rahmen der Einspruchsentscheidung darstellen müsste.

27

d) Sonstige verfahrensrechtliche Hindernisse für die Entscheidung über den unbenannten Teil des Einspruchs bestanden im Streitfall nicht. Insbesondere war das FA nicht verpflichtet, die Kläger vorher anzuhören.

28

aa) Nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO kann der Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Allein in der ablehnenden Entscheidung über einen Einspruch oder einen Teil desselben liegt jedoch keine Verböserung. Das zeigt sich bereits daran, dass die Vorschrift ausdrücklich nur die Änderung des Verwaltungsakts betrifft. Demzufolge gibt es keinen Anspruch auf Nichtentscheidung über einen Einspruch (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2006 X R 39/05, BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222).

29

bb) Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, dem Einspruchsführer vor der Entscheidung über den Einspruch rechtliches Gehör zu gewähren, damit er prüfen kann, ob er noch Einwendungen gegen den angefochtenen Bescheid vortragen will, besteht nicht. Insbesondere ist eine derartige Anhörungspflicht nicht aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes herzuleiten (a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 367 AO Rz 62). Dieses Gebot wird durch die Rechte konkretisiert, die es zu schützen gilt. Ein Rechtsanspruch aber, dass vorläufig keine Einspruchsentscheidung ergeht, besteht nicht.

30

cc) Es besteht auch keine Pflicht des FA, vor Erlass einer Teileinspruchsentscheidung eine Frist nach § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO zu setzen. Nach dieser Vorschrift kann in Fällen nicht begründeter Einsprüche dem Einspruchsführer eine Frist zur Angabe der Tatsachen gesetzt werden, durch deren Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt.

31

Abgesehen von der Frage allerdings, wann die Vorschrift in Fällen wie hier, in denen der Steuerpflichtige bereits eine Beschwer konkret bezeichnet hatte, tatbestandlich überhaupt einschlägig sein kann, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Für eine Ermessensreduzierung dahin, dass vor dem Erlass der Teileinspruchsentscheidung regelmäßig eine derartige Fristsetzung erforderlich wäre, bestehen keine Anhaltspunkte. Das FA darf vielmehr im Zweifel davon ausgehen, dass der Einspruchsführer, der seinen Einspruch bereits begründet hat, dies vollständig getan hat.

32

e) Die Teileinspruchsentscheidung war sachdienlich i.S. von § 367 Abs. 2a Satz 1 AO.

33

Es ist regelmäßig sachdienlich, wenn eine Teileinspruchsentscheidung das Einspruchsverfahren hinsichtlich aller nicht ausdrücklich angegriffener Bestandteile des Bescheids beendet. Das gilt unabhängig davon, ob sie es auch hinsichtlich benannter Streitpunkte ganz oder teilweise beendet.

34

aa) Ob Sachdienlichkeit vorliegt, ist, auch wenn es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, in vollem Umfange gerichtlich überprüfbar. Die Vorschrift unterscheidet zwischen der Sachdienlichkeit als Tatbestandsvoraussetzung und der mittels der Formulierung "kann" in das Ermessen der Finanzbehörde gestellten Rechtsfolge (so bereits BFH-Urteil vom 30. September 2010 III R 39/08, BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11, unter B.II.3.b aa, m.w.N., Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az. 1 BvR 1359/11).

35

bb) Das Gesetz definiert den Begriff der Sachdienlichkeit nicht. Sie ist daher an den Voraussetzungen und Wirkungen der Teileinspruchsentscheidung zu messen.

36

Die (Teil-)Einspruchsentscheidung ist ein (teilweiser) Abschluss des Einspruchsverfahrens und setzt daher (teilweise) Entscheidungsreife voraus. Soweit ein Einspruch entscheidungsreif ist, sollte über ihn auch entschieden werden. Andernfalls träte insoweit eine Verfahrensverzögerung ein, die ihrerseits eines sachlichen Grundes bedürfte. Das bedeutet, dass bei teilweiser Entscheidungsreife eines Einspruchs eine Teileinspruchsentscheidung im Allgemeinen sachdienlich ist, soweit keine besonderen Umstände entgegenstehen.

37

Daraus folgt, dass im Allgemeinen eine Teileinspruchsentscheidung auch unbenannte Streitpunkte zu erfassen hat. Diese können nur dann nicht entscheidungsreif sein, wenn sich aus der von Amts wegen durchgeführten Überprüfung des Gesamtfalls nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO ergibt, dass noch Aufklärungsbedarf besteht. Damit verwandelte sich der unbenannte Streitpunkt in einen konkret benennbaren Streitpunkt. Ergibt sich indes kein Aufklärungsbedarf, so bleiben die Streitpunkte unbenannt. Der Einspruch ist dann insoweit entscheidungs-, nämlich abweisungsreif.

38

cc) Die Rüge der Kläger, das FA habe lediglich Bestandskraft eintreten lassen wollen, geht fehl. Die Bestandskraft ist regelmäßige Rechtsfolge, wenn und soweit ein Bescheid nicht angegriffen wird.

39

Von derselben Vorstellung geht auch § 367 Abs. 2a Satz 2 AO aus. Wenn, wie dort vorgesehen, die Finanzbehörde ausdrücklich zu bestimmen hat, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll, dann gehören nicht benannte Teile zu den Teilen, hinsichtlich derer Bestandskraft eintreten soll. Wollte die Finanzbehörde eine umgekehrte Bestimmung treffen, so könnte sie dies nur dadurch erreichen, dass sie diejenigen Teile ausdrücklich bestimmt, hinsichtlich derer Bestandskraft eintreten soll, so dass die Vorschrift in ihr Gegenteil verkehrt würde.

40

Soweit beanstandet wird, die Negativbestimmung entspreche nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (Seer in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 367 AO Rz 64, und Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz 522), vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Die Negativbestimmung definiert den Umfang der Bestandskraft ebenso präzise wie die positive Bestimmung des Entscheidungsumfangs (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 367 Rz 20).

41

dd) Der Umstand, dass die Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO stand, beeinflusst die Sachdienlichkeit der Teileinspruchsentscheidung nicht (a.A. Seer in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 367 AO Rz 63). Der Vorbehalt der Nachprüfung ist von dem Einspruch unabhängig, berührt dessen Entscheidungsreife nicht und bewirkt andere Rechtsfolgen. Er ermöglicht die Änderung des Bescheids insbesondere nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO.

42

ee) Die Sachdienlichkeit der Teileinspruchsentscheidung wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie eine "Waffengleichheit" zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen --der seinerseits keinen Teileinspruch einlegen kann-- störte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 367 AO Rz 62).

43

Der Steuerpflichtige kann durch den Antrag auf (schlichte) Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO zumindest teilweise die Rechtswirkungen eines Teileinspruchs herbeiführen. Im Übrigen ist die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, ohne Geltendmachung einer Rechtsverletzung die Bestandskraft einer Steuerfestsetzung zu verhindern, nicht schützenswert.

44

ff) Der Senat kann offenlassen, in welchen Konstellationen es sachdienlich sein könnte, hinsichtlich des unbenannten Teils des Einspruchs Bestandskraft nicht eintreten zu lassen. Im Streitfall sind besondere Umstände, die eine derartige Entscheidung geböten oder auch nur nahelegten, nicht zu erkennen.

45

gg) Nicht ausschlaggebend ist, ob der Einspruch einer von vielen Einsprüchen in parallel gelagerten Fällen war (sogenannter Masseneinspruch). Weder ist die Möglichkeit der Teileinspruchsentscheidung auf derartige Fälle beschränkt noch rechtfertigt allein das Vorliegen eines solchen Falles ihren Erlass.

46

Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, soll sich die Teileinspruchsentscheidung zwar insbesondere bei Einsprüchen mit Bezug auf Musterverfahren anbieten (vgl. BTDrucks 16/3368, 25). Das sind typischerweise Masseneinsprüche. Typischerweise wird dann auch eine Teileinspruchsentscheidung sachdienlich sein. Wie aber bereits die Formulierung "insbesondere" zum Ausdruck bringt, sollte diese Konstellation weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Teileinspruchsentscheidung werden. Folgerichtig ist sie nicht Tatbestandsvoraussetzung geworden. Der für sich genommen berechtigte Einwand der Kläger, dass Rechtsschutz nicht davon abhängen könne, wie viele Steuerpflichtige ihn in Anspruch nehmen, geht daher ins Leere.

47

f) Die streitbefangene Teileinspruchsentscheidung lässt hinreichend genau erkennen, über welchen Teil des Einspruchs entschieden ist, und ist daher hinreichend bestimmt.

48

aa) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das FA die nicht bestandskräftig werdende Steuer nicht der Höhe nach betragsmäßig genau beschrieben hat. Eine solche Bezifferung, wie sie § 157 Abs. 1 Satz 2 AO für den Steuerbescheid als solchen verlangt, ist nicht erforderlich (a.A. wohl Pahlke/ Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 367 Rz 65). Vielmehr genügt eine thematische Umschreibung, die hinreichend genau erkennen lässt, inwieweit der Bescheid später noch änderbar ist.

49

Es ist kein Grund erkennbar, an die Bestimmung der Reichweite einer Teileinspruchsentscheidung strengere Anforderungen zu stellen als an einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO, der ebenfalls eine partielle Änderung eines im Übrigen bestandskräftig gewordenen Bescheids ermöglicht. Ein Vorläufigkeitsvermerk genügt den Bestimmtheitsanforderungen bereits dann, wenn er den Umfang der möglichen Änderung erkennbar macht (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1992 III R 47/91, BFHE 167, 290, BStBl II 1992, 588).

50

bb) Im Übrigen ist zwar den Klägern zuzustimmen, dass eine Teileinspruchsentscheidung keine inhaltlichen Unklarheiten über die Reichweite der Bestandskraft entstehen lassen darf. Bei undurchsichtiger Sach- und/oder Rechtslage ist dem bei Erlass einer Teileinspruchsentscheidung entsprechend Rechnung zu tragen. Der Streitfall allerdings lässt keine solchen Unsicherheiten erkennen.

51

g) Die Teileinspruchsentscheidung ist, wie sich aus der Formulierung "kann" ergibt, eine Ermessensentscheidung.

52

Das FA hat dazu im Rahmen der Entscheidung ausgeführt, dass über den Einspruch entschieden werde, soweit er entscheidungsreif sei. Weitere Ausführungen waren entbehrlich. Ist eine Teileinspruchsentscheidung sachdienlich, so ist sie in der Regel auch ermessensgerecht. Das Ermessen ist insoweit vorgeprägt, so dass es keiner weiteren Begründung bedarf (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11, unter B.II.3.c). Dass hier ein atypischer Fall vorläge, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den Fällen des § 168 Satz 2 innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung, einzulegen.

(2) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 ist unbefristet.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen Einkommensteuer 2012 mit Urteil vom 31. März 2014 ab. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 2. Juni 2014 zugestellt. Mit am 25. Juni 2014 (Telefax) beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenem Schreiben haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten Revision eingelegt. Die Vorsitzende des VI. Senats gab dem in dem Schreiben enthaltenen Antrag, die Revisionsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 2. September 2014 zu verlängern, statt. Mit am 3. September 2014 beim BFH eingegangenem Schreiben (Telefax) hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und eine weitere Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 17. September 2014 beantragt.

2

Mit Schreiben vom 4. September 2014 wies die Senatsvorsitzende den Prozessbevollmächtigten der Kläger darauf hin, dass die Revisionsbegründungsfrist nach § 120 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf einen vor Fristablauf gestellten Antrag hin verlängert werden könne. Da der Fristverlängerungsantrag am 3. September 2014, mithin nach Fristablauf am 2. September 2014, eingegangen sei, könne dem Antrag nicht entsprochen werden.

3

Mit am 15. September 2014 (Telefax) beim BFH eingegangenem Schreiben beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist. Im selben Schreiben begründete er die Revision.

4

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führte er aus, er sei der alleinige Sachbearbeiter und habe sich ab Mitte August mehrmals wöchentlich in ärztliche und therapeutische Behandlung begeben müssen. Deshalb habe er nur sporadisch drei bis vier Tage in der Woche für allenfalls zwei bis drei Stunden nachmittags die Kanzlei aufsuchen können. Zwar habe er mit dem Entwurf der Revisionsbegründung bereits am Freitag, dem 8. August 2014, begonnen und die Akten auf seinem Schreibtisch liegen gehabt. Wegen der Erkrankung seien aber in den nächsten drei Wochen umfangreiche Untersuchungen und Behandlungen erforderlich gewesen, die den Unterzeichner psychisch und physisch stark belastet hätten. Zudem habe er noch am 27. August 2014 einen annähernd zwei Stunden dauernden Hauptverhandlungstermin wahrnehmen müssen, aufgrund dessen eine umfangreiche Vorbereitung und Besprechung am 28. August 2014 erforderlich gewesen sei. Wegen der Erkrankung, des damit verbundenen Stresses und der Tatsache, dass er gleichwohl versucht habe, die anfallende Arbeit zu erledigen, sei ihm der Fristablauf durchgegangen. Erst bei Durchsicht der auf dem Schreibtisch befindlichen Akten habe er am 3. September 2014 festgestellt, dass die Revisionsbegründungsfrist am Vortag abgelaufen sei.

5

Zur Glaubhaftmachung seines Vortrags fügte der Prozessbevollmächtigte eine von ihm unterschriebene eidesstattliche Versicherung bei.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Münster vom 31. März 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 17. Juni 2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2013 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte in Höhe von 14.079 € nicht der Besteuerung unterworfen werden.

7

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Kläger ist als unzulässig zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO). Die Kläger haben die Revision nicht rechtzeitig begründet. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) kann nicht entsprochen werden.

9

1. Die Revisionsbegründung ist verspätet beim BFH eingegangen.

10

Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO).

11

Die erst am 15. September 2014 beim BFH eingegangene Revisionsbegründung war verspätet. Das angefochtene Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 2. Juni 2014 zugestellt. Die Revisionsbegründungsfrist wurde auf den vor Ablauf der gesetzlichen Revisionsbegründungsfrist gestellten Antrag hin durch die Vorsitzende um einen Monat bis zum Dienstag, dem 2. September 2014, verlängert. Eine weitere Verlängerung kam nicht in Betracht, weil der zweite Fristverlängerungsantrag nach Ablauf der Revisionsbegründungfrist gestellt wurde. Die Revisionsbegründung vom 15. September 2014 ging damit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ein.

12

2. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht entsprochen werden.

13

a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Revisionskläger ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten, und den Wiedereinsetzungsantrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt sowie die zur Begründung des Antrags vorgetragenen Tatsachen glaubhaft gemacht hat (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO). Der Revisionskläger muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--).

14

Verschuldet ist die Fristversäumnis, wenn die gebotene und den Umständen nach zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (z.B. BFH-Beschluss vom 22. Juni 1994 II R 104/93, BFH/NV 1995, 134). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind durch präsente Beweismittel (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO) glaubhaft zu machen.

15

b) Aus dem Vorbringen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ergibt sich im Streitfall nicht, dass eine unverschuldete Fristversäumnis vorliegt.

16

aa) Eine Erkrankung des Prozessbevollmächtigten stellt nur dann eine unverschuldete Verhinderung dar, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwerwiegend ist, dass es für den Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen (BFH-Beschlüsse vom 16. März 2005 X R 8/04, BFH/NV 2005, 1341; vom 24. März 2005 XI B 62/04, BFH/NV 2005, 1347; vom 13. Oktober 2006 XI R 4/06, BFH/NV 2007, 253; vom 10. Mai 2013 II R 5/13, BFH/NV 2013, 1428). Ein schlüssiger Wiedereinsetzungsantrag erfordert auch die Darlegung einer geeigneten Notfall-Vorsorge, die auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung die Funktionsfähigkeit des Büros, insbesondere die Überwachung von Fristsachen, gewährleistet. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen, wenn ein Prozessbevollmächtigter, der Mitglied einer Sozietät und für die Bearbeitung des Falls zuständig ist, erkrankt, die ebenfalls beauftragten übrigen Mitglieder der Sozietät es jedoch unterlassen, die erforderlichen fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 253; in BFH/NV 2013, 1428). Aus dem erforderlichen schlüssigen Vortrag eines Wiedereinsetzungsgrunds muss sich auch ergeben, dass die Fristversäumnis nicht auf einem Organisationsmangel beruht (BFH-Urteil vom 18. März 2014 VIII R 33/12, BFHE 246, 1).

17

bb) Im Streitfall ist bereits nicht ersichtlich, inwiefern die Erkrankung des Prozessbevollmächtigten der Kläger ab Mitte August für die Fristversäumnis ursächlich war. Es ist gerade nicht vorgetragen, dass sie so plötzlich und so schwer auftrat, dass jegliche Tätigkeit eingestellt werden musste und auch kein Vertreter bestellt werden konnte. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte sogar vorgetragen, dass er weiter --wenn auch zeitlich eingeschränkt-- tätig war und sogar einen umfangreichen Verhandlungs- und Besprechungstermin wahrgenommen hat. Angesichts dessen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es dem Prozessbevollmächtigten aufgrund seiner Erkrankung nicht einmal möglich gewesen ist, rechtzeitig einen weiteren Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist zu stellen. Auch fehlt es an Angaben dazu, ob und ggf. weshalb kein Vertreter bestellt wurde und welche Vorkehrungen zur Fristwahrung im Falle einer Erkrankung getroffen worden sind.

18

Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, dass die Fristversäumnis auch auf einem grundlegenden Organisationsmangel beruhen könnte. Denn die Erledigung eines fristwahrenden Schriftsatzes muss organisatorisch bis zu seiner Absendung (Ausgangskontrolle) überwacht werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 1982 VIII R 77/79, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229; vom 9. April 1987 V B 111/86, BFHE 149, 146, BStBl II 1987, 441). Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte nicht einmal dargelegt, dass ein Fristenkontrollbuch geführt wurde. Durch eine ordnungsgemäße Fristenüberwachung anhand eines Fristenkontrollbuchs hätte auch im Falle gesundheitlicher Beeinträchtigung des Sachbearbeiters verhindert werden können, dass Akten bis zum Fristablauf "auf dem Schreibtisch liegen bleiben".

19

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 125 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Verwaltungsakt erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsakts erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 5 können bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden, so gilt die Versäumung der Einspruchsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 110 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.