Finanzgericht München Urteil, 14. März 2019 - 14 K 1773/17

bei uns veröffentlicht am14.03.2019

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein auf die Herstellung von Dämmstoffen spezialisiertes Unternehmen. Sie betreibt unter anderem ein Werk für Steinwolle-Produktion.

Der Herstellungsvorgang von Steinwolle bei ihr unterteilt sich in verschiedene Phasen: Zunächst wird das Rohmaterial, ein Gesteinsgemisch, bei ca. 1.600 - 1.800 °C aufgeschmolzen. In dem Rohstoffgemisch ist stets auch Eisen enthalten, das für die Produktion der Steinwolle nicht verwendbar ist und daher zunächst herausgelöst werden muss. Zu diesem Zweck wird das im Gestein enthaltene Eisenoxid während des Aufschmelzens durch eine chemische Reaktion zu elementaren Eisen reduziert und letzteres in einen schmelzflüssigen Zustand überführt, so dass es abgeschieden werden kann. Dies geschieht durch Einblasen von Druckluft im unteren Bereich des sog. Kupolofens. Durch den Verbrennungsprozess zur Energiegewinnung entsteht Kohlendioxid. Eine zu hohe Anreicherung von Kohlendioxid verhindert den Verbrennungsprozess. Aus diesem Grund muss über Heißluftventilatoren vorerhitzte Luft in den Ofen einströmen bzw. Abluft aus dem Ofen herausgeführt werden, um den Kohlendioxidgehalt zu reduzieren. Für den Betrieb der Ventilatoren für die Heißluft- und Druckluftzufuhr wird Strom verbraucht.

Nach dem Aufschmelzen und Herauslösen des Eisens erfolgt die Zerfaserung der Schmelze, die Imprägnierung und die Einbringung des Bindemittels. Es schließen sich die Formung, die Trocknung und Aushärtung des Vormaterials an. Letzter Schritt ist die Konfektionierung des Erzeugnisses etwa durch Schleifen, Besäumen oder Sägen. Auch in diesen Phasen der Produktion wird Strom zum Betrieb diverser Ventilatoren verwendet.

Im 2. Quartal 2013 verwendete die Klägerin zum Betrieb von Ventilatoren zur Herstellung von Steinwolle … MWh Strom.

Für dieses Quartal beantragte sie Steuerentlastungen gemäß §§ 9a, 9b, 10 des Stromsteuergesetzes in der Fassung des Jahres 2013 (StromStG) für mehrere der von ihr betriebenen Werke, unter anderem für das Werk zur Steinwolle-Produktion. Als erstattungsfähige Strommenge nach § 9a StromStG meldete sie insgesamt … MWh an.

Der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA -) setzte mit Bescheid vom 26. Februar 2015 eine Erstattung gemäß § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG für … MWh in Höhe von … € fest; den im Rahmen der Steinwolle-Produktion verbrauchten Strom für die Ventilatoren entlastete das HZA nicht nach § 9a StromStG.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 23 Juni 2017 als unbegründet zurückwies.

Am 19. Juli 2017 erhob sie Klage. Sie führt aus, mehrere Produktionsphasen seien zu unterscheiden.

Die Schmelze des Steingemisches und die Herauslösung des Eisens aus dem Gemisch durch Erhitzung sowie Herbeiführung einer chemischen Reduktion im Kupolofen falle unter § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG, hilfsweise unter § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG. Für den Betrieb von Heißluftventilatoren sowie der Druckluftzufuhr werde Strom verbraucht. Diese Vorgänge seien erforderlich, damit der im Ofen herbeigeführte Verbrennungsprozess nicht zum Erliegen komme. Aufgrund des untrennbaren Zusammenhangs zwischen der durch die Erhitzung ermöglichten chemischen Reaktion und der strombetriebenen Ventilatoren unter Druckluftzufuhr sei der hierfür verbrauchte Strom als nach § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG erstattungsfähig anzusehen. Dem stehe das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 7. September 2017 C-465/15, Hüttenwerke Krupp Mannesmann, (ECLI:ECLI:EU:C:2017:640, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern - ZfZ - 2017, 338) nicht entgegen. Die Entscheidungen des EuGH hätten nämlich in der Regel keine weitreichenden Bindungswirkung für nationale Gerichte. Darüber hinaus bestünden zwischen dem vom EuGH entschiedenen Einzelfall und dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt erhebliche Unterschiede, insbesondere sei hier das entstehende Roheisen anders als bei dem vom EuGH zu beurteilenden Sachverhalt ein Nebenprodukt. Hilfsweise lägen die Voraussetzungen des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG vor. Der Einsatz der Ventilatoren sei für den Schmelzprozess so wesentlich, dass er nicht hinweggedacht werden könne. Unzutreffend sei die Auffassung des HZA, dass Strom, welcher als sog. Kraftstrom verwendet werde, nicht befreit sei. Hierfür ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift keinerlei Anhaltspunkt. Zudem sei auch der Sinn und Zweck des § 9a StromStG zu berücksichtigen. Dieser bestehe in der Entlastung energieintensiver Prozesse und Verfahren, zum einen um dadurch den Endpreis für den Verbraucher zu verringern, zum anderen um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zu stärken. Diesen Zielen laufe die Beschränkung auf unmittelbar zur Wärmeerzeugung eingesetzten Strom zuwider. Aus der Notifizierung der Bundesrepublik Deutschland an die Kommission der Europäischen Union für die Befreiung des § 9a Abs. 1 StromStG gehe hervor, dass der Ausschluss der Besteuerung nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Spiegelstrich 5 der Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vom 27. Oktober 2003 (Energiesteuerrichtlinie - EnergieStRL-) und die Entlastung gemäß § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG deckungsgleich sein sollten. Die Entscheidung des EuGH in ECLI:ECLI:EU:C:2017:640, ZfZ 2017, 338 treffe hierzu keine Aussage. Denn dort sei es um die Verwendung von Strom im Rahmen der Metallerzeugung und -bearbeitung, nicht aber wie hier um die Verwendung von Strom für mineralogische Verfahren gegangen. Die Klägerin regt eine Vorlage an den EuGH an.

Bei den übrigen Produktionsphasen finde zwar keine chemische Reduktion statt, diese Prozesse seien aber nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei, weil der für den Betrieb der Ventilatoren verwendete Strom produktionsnotwendig sei.

Dem Ergebnis stehe nicht das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Juni 2015 VII R 11/14 (BFH/NV 2015, 1526) entgegen, welches noch zwischen Kraft- und Wärmestrom unterscheide. Diesem Urteil liege der Sachverhalt zugrunde, wonach Strom zum Betrieb von Gebläse zur Kühlung eines Produkts verwendet worden sei. Dort fehle es - im Gegensatz zum Streitfall - am untrennbaren Zusammenhang zwischen der Wärmeerzeugung und der zum Betrieb der Heißluftventilatoren und Luftzufuhr und -abfuhr entnommenen Strommenge.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 26. Februar 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2017 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin gemäß § 9a StromStG eine zusätzliche Steuerentlastung für … MWh für das 2. Quartal 2013 gewährt wird.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 14. März 2019 Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig, weil der Klägerin kein Entlastungsanspruch gem. § 9a StromStG für den zum Betrieb von Ventilatoren verwendeten Strom zusteht.

1. Diese Vorschrift ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass sie sog. Kraftstrom, d. h. Strom, der unmittelbar zum Antrieb eines Motors, z. B. in Pumpen, Lüftern oder Gebläsen verwendet wird, nicht umfasst.

a) Gem. § 9a Abs. 1 StromStG wird auf Antrag die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes

  • 1.für die Elektrolyse,

  • 2.für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien, Asphalt, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen und mineralischen Düngemitteln zum Trocknen, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte, oder

  • 3.für die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von Metallerzeugnissen für die Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen Erzeugnissen und zur Oberflächenveredlung und Wärmebehandlung jeweils zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder sonstigen Wärmebehandlung oder

  • 4.für chemische Reduktionsverfahren entnommen hat.

b) Gem. Art. 1 EnergieStRL erheben die Mitgliedstaaten nach Maßgabe dieser Richtlinie Steuern auf Energieerzeugnisse und Strom (Art. 2 Abs. 2 EnergieStRL).

Ausgenommen hiervon ist aber gem. Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Spiegelstrich 3 und 5 EnergieStRL elektrischer Strom, der hauptsächlich für die Zwecke der chemischen Reduktion, bei der Elektrolyse, bei Prozessen in der Metallindustrie und für mineralogische Verfahren verwendet wird. Auch für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck gilt die Richtlinie nicht (Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Spiegelstrich 2 EnergieStRL). Soweit Strom nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, steht es den Mitgliedstaaten frei, diesen zu befreien oder zu besteuern. Der Umfang der Ausnahmen vom Anwendungsbereich begrenzt unionsrechtlich zugleich die Möglichkeit zur Befreiung für die Mitgliedstaaten, weil der Strom ansonsten - sofern wie hier keine andere unionsrechtliche Befreiung greift - zu besteuern ist.

Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL ist im Licht des 22. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie zu verstehen, wonach für Energieerzeugnisse im Wesentlichen dann gemeinschaftliche Rahmenvorschriften gelten sollten, wenn sie als Heizstoff oder Kraftstoff verwendet werden. Aus diesem Erwägungsgrund ergibt sich, dass es der Art und Logik des Steuersystems entspricht, u. a. die Verwendung von Energieerzeugnissen zu zweierlei Zwecken vom Anwendungsbereich der Rahmenvorschriften auszunehmen, und dass elektrischer Strom, der in ähnlicher Weise verwendet wird, ebenso behandelt werden sollte (EuGH-Urteil in ECLI:ECLI:EU:C:2017:640, ZfZ 2017, 338, Leitsatz, Rn 25; vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 1526, Rz 9). Elektrischer Strom, der für den Antrieb von Winderzeugern verwendet wird, mit denen Luft komprimiert wird, die danach in einem Hochofenprozess zur Roheisenherstellung durch chemische Reduktion von Eisenerz genutzt wird, wird nicht hauptsächlich für Zwecke der chemischen Reduktion, sondern zum Betrieb von Elektromotoren verwendet (EuGH-Urteil in ECLI:ECLI:EU:C:2017:640, ZfZ 2017, 338, Leitsatz). Entgegen der Auffassung der Klägerin hat diese EuGH-Entscheidung nicht nur für die Auslegung des für die Metallverarbeitung verwendeten Stroms Bedeutung. Vielmehr bezieht sich die Begründung des EuGH (Rn 25) allgemein auf den gesamten Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL. Daher ist sog. Kraftstrom nicht vom Anwendungsbereich der EnergieStRL ausgenommen, so dass hierfür eine generelle nationale Befreiung unionsrechtlich ausscheidet.

c) Aus dem Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) folgt die Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie (in der vom EuGH entschiedenen Auslegung) entspricht. Besteht ein Auslegungsspielraum, ist das nationale Gericht verpflichtet, diesen so weit wie möglich auszuschöpfen (BFH-Urteil vom 19. Januar 2016 XI R 38/12, BStBl II 2017, 567, Rz 81 m.w.N.).

Eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 9a Nr. 2 StromStG, wonach sog. Kraftstrom nicht von der Befreiung umfasst ist, ist möglich und somit geboten. Denn die in dieser Vorschrift aufgezählten Verwendungen des Stroms, nämlich zum Trocknen, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern lassen es zu, dass damit Strom nicht erfasst ist, der als Kraftstrom verwendet wird (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 1526, Rz 7, 12 zu der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung der Vorschrift). Hinzu kommt, dass in der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 9a StromStG zum 1. Januar 2011 durch das Gesetz zur Änderung Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes vom 1. März 2011 (BGBl. I 2011, 282) die in dieser Vorschrift bislang aufgeführten und die durch die Änderung neu hinzukommenden Verwendungen des Stroms als Wärmebehandlungen bezeichnet werden (BT-Drucks. 17/3055, S. 17); dies deutet ebenfalls darauf hin, dass nur Strom, der zur Wärmeerzeugung verwendet wird, nach § 9a StromStG befreit ist. Ferner soll nach der Gesetzesbegründung zur Einführung dieser Vorschrift Art. 2 Abs. 4 Buchst b EnergiestRL die unionsrechtliche Grundlage sein (vgl. BT-Drucks 16/1172, S. 47 f.). Damit kommt zum Ausdruck, dass - wie die Klägerin zutreffend vorträgt - die nationale Befreiung entsprechend der Reichweite dieser Bestimmung ausgestaltet werden sollte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 1526, Rz 8).

Auch für § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG lässt die Formulierung „für chemische Reduktionsverfahren“ diese Einschränkung auf Kraftstrom zu. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 3180) zum 1. Januar 2007 eingeführt. Nach dem Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf dieses Gesetzes vom 26. Oktober 2006 soll mit dieser Vorschrift ebenfalls von Artikel 2 Abs. 4 Spiegelstrich 3 EnergieStRL Gebrauch gemacht werden (BT-Drucks. 16/3178, S. 7), so dass deren Grenzen zu beachten sind.

Dementsprechend hat der BFH bereits entschieden, dass die Steuerentlastung für die Elektrolyse (§ 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG), für mineralogische Verfahren im Sinne des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG und für die Metallerzeugung und -bearbeitung (§ 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG) keinen Kraftstrom umfasst (BFH-Urteile vom 30. Juni 2015 VII R 52/13, BFH/NV 2015, 1523; in BFH/NV 2015, 1526).

2. Im Streitfall hat die Klägerin den streitigen Strom für den Betrieb von Ventilatoren verwendet, d.h. zum Antrieb von Elektromotoren. Dabei handelt es sich um Kraftstrom, der nicht unter die Entlastung des § 9a StromStG fällt. Unerheblich ist nach den dargestellten Grundsätzen, dass der Betrieb der Ventilatoren für die Reduktion bzw. allgemein für die Herstellung von Steinwolle produktionsnotwendig ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

4. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 14. März 2019 - 14 K 1773/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht München Urteil, 14. März 2019 - 14 K 1773/17

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht München Urteil, 14. März 2019 - 14 K 1773/17 zitiert 7 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Stromsteuergesetz - StromStG | § 10 Erlass, Erstattung oder Vergütung in Sonderfällen


(1) Die Steuer für nachweislich versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke, ausgenommen solche nach § 9 Absatz 2 oder Absatz 3, entnommen hat, wird auf Antrag nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze erl

Stromsteuergesetz - StromStG | § 9b Steuerentlastung für Unternehmen


(1) Eine Steuerentlastung wird auf Antrag gewährt für nachweislich nach § 3 versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen hat und der nicht von

Stromsteuergesetz - StromStG | § 9a Erlass, Erstattung oder Vergütung der Steuer für bestimmte Prozesse und Verfahren


(1) Auf Antrag wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes 1. für die Elektrolyse,2. für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, kera

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht München Urteil, 14. März 2019 - 14 K 1773/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Finanzgericht München Urteil, 14. März 2019 - 14 K 1773/17 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 19. Jan. 2016 - XI R 38/12

bei uns veröffentlicht am 19.01.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012  2 K 189/10 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 30. Juni 2015 - VII R 11/14

bei uns veröffentlicht am 30.06.2015

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 14. Januar 2014  7 K 566/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Urteil, 30. Juni 2015 - VII R 52/13

bei uns veröffentlicht am 30.06.2015

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 11. September 2013  4 K 133/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Auf Antrag wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes

1.
für die Elektrolyse,
2.
für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien und Erzeugnissen daraus, Katalysatorenträgern aus mineralischen Stoffen, Waren aus Asphalt und bituminösen Erzeugnissen, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen zum Trocknen, Kalzinieren, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte,
3.
für die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von Metallerzeugnissen für die Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen Erzeugnissen und zur Oberflächenveredlung und Wärmebehandlung jeweils zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder sonstigen Wärmebehandlung oder
4.
für chemische Reduktionsverfahren
entnommen hat.

(2) Erlass-, erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen hat.

(1) Eine Steuerentlastung wird auf Antrag gewährt für nachweislich nach § 3 versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen hat und der nicht von der Steuer befreit ist. Die Steuerentlastung wird jedoch für die Entnahme von Strom zur Erzeugung von Licht, Wärme, Kälte, Druckluft und mechanischer Energie nur gewährt, soweit die vorgenannten Erzeugnisse nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft genutzt worden sind. Abweichend von Satz 2 wird die Steuerentlastung auch für Strom zur Erzeugung von Druckluft gewährt, soweit diese in Druckflaschen oder anderen Behältern abgegeben wird. Die Steuerentlastung wird nicht für Strom gewährt, der für Elektromobilität verwendet wird.

(2) Die Steuerentlastung beträgt 5,13 Euro für eine Megawattstunde. Eine Steuerentlastung wird nur gewährt, soweit der Entlastungsbetrag nach Satz 1 im Kalenderjahr den Betrag von 250 Euro übersteigt.

(3) Entlastungsberechtigt ist derjenige, der den Strom entnommen hat.

(4) Die Steuerentlastung wird gewährt nach Maßgabe und bis zum Auslaufen der hierfür erforderlichen Freistellungsanzeige bei der Europäischen Kommission nach der Verordnung (EU) Nr. 651/2014. Das Auslaufen der Freistellungsanzeige ist vom Bundesministerium der Finanzen im Bundesgesetzblatt gesondert bekannt zu geben.

(1) Die Steuer für nachweislich versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke, ausgenommen solche nach § 9 Absatz 2 oder Absatz 3, entnommen hat, wird auf Antrag nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze erlassen, erstattet oder vergütet, soweit die Steuer im Kalenderjahr den Betrag von 1 000 Euro übersteigt. Eine nach § 9b mögliche Steuerentlastung wird dabei abgezogen. Die Steuer für Strom, der zur Erzeugung von Licht, Wärme, Kälte, Druckluft und mechanischer Energie entnommen worden ist, wird jedoch nur erlassen, erstattet oder vergütet, soweit die vorgenannten Erzeugnisse nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes genutzt worden sind. Abweichend von Satz 3 wird die Steuer auch in dem in § 9b Absatz 1 Satz 3 genannten Fall erlassen, erstattet oder vergütet. Erlass-, erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen hat. Die Steuerentlastung wird nicht für Strom gewährt, der für Elektromobilität verwendet wird.

(1a) (weggefallen)

(2) Erlassen, erstattet oder vergütet werden für ein Kalenderjahr 90 Prozent der Steuer, jedoch höchstens 90 Prozent des Betrags, um den die Steuer im Kalenderjahr den Unterschiedsbetrag übersteigt zwischen

1.
dem Arbeitgeberanteil an den Rentenversicherungsbeiträgen, der sich für das Unternehmen errechnet, wenn in dem Kalenderjahr, für das der Antrag gestellt wird (Antragsjahr), der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung 20,3 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung 26,9 Prozent betragen hätte, und
2.
dem Arbeitgeberanteil an den Rentenversicherungsbeiträgen, der sich für das Unternehmen errechnet, wenn im Antragsjahr der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung 19,5 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung 25,9 Prozent betragen hätte.
Sind die Beitragssätze in der Rentenversicherung im Antragsjahr niedriger als die in Satz 1 Nr. 2 genannten Beitragssätze, so sind die niedrigeren Beitragssätze für die Berechnung des Arbeitgeberanteils nach Satz 1 Nr. 2 maßgebend.

(3) Die Steuer wird nach den Absätzen 1 und 2 erlassen, erstattet oder vergütet, wenn

1.
das Unternehmen für das Antragsjahr nachweist, dass es
a)
ein Energiemanagementsystem betrieben hat, das den Anforderungen der DIN EN ISO 50001, Ausgabe Dezember 2011 oder Ausgabe Dezember 2018, entspricht, oder
b)
eine registrierte Organisation nach Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 761/2001, sowie der Beschlüsse der Kommission 2001/681/EG und 2006/193/EG (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 1), die durch die Verordnung (EG) Nr. 517/2013 (ABl. L 158 vom 10.6.2013, S. 1) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, ist, und
2.
die Bundesregierung
a)
festgestellt hat, dass mindestens der nach der Anlage zu § 10 für das Antragsjahr vorgesehene Zielwert für eine Reduzierung der Energieintensität erreicht wurde; die Feststellung erfolgt auf der Grundlage des Berichts, den ein unabhängiges wissenschaftliches Institut im Rahmen des Monitorings nach der Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Steigerung der Energieeffizienz vom 1. August 2012 (BAnz AT 16.10.2012 B1) erstellt hat, sowie
b)
die Feststellung nach Buchstabe a im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht hat.
Kleine und mittlere Unternehmen können anstelle der in Satz 1 Nummer 1 genannten Energie- und Umweltmanagementsysteme alternative Systeme zur Verbesserung der Energieeffizienz betreiben, die den Anforderungen der DIN EN 16247-1, Ausgabe Oktober 2012, entsprechen; kleine und mittlere Unternehmen sind solche im Sinn der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Abweichend von Absatz 3 wird die Steuer erlassen, erstattet oder vergütet

1.
für die Antragsjahre 2013 und 2014, wenn das Unternehmen nachweist, dass es im Antragsjahr oder früher begonnen hat, ein Energiemanagementsystem nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder ein Umweltmanagementsystem nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b einzuführen,
2.
für das Antragsjahr 2015, wenn
a)
das Unternehmen nachweist, dass es im Antragsjahr oder früher die Einführung eines Energiemanagementsystems nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a abgeschlossen hat, oder wenn das Unternehmen nachweist, dass es im Jahr 2015 oder früher als Organisation nach Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 registriert worden ist, und
b)
die Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind,
3.
für das Antragsjahr 2023, wenn das Unternehmen nachweist, dass es im Antragsjahr die Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 erfüllt und mit dem Antrag die Bereitschaft erklärt, alle in dem jeweiligen System des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 1 als wirtschaftlich vorteilhaft identifizierten Endenergieeinsparmaßnahmen umzusetzen.
Für kleine und mittlere Unternehmen gilt Absatz 3 Satz 2 entsprechend.

(5) Für Unternehmen, die nach dem 31. Dezember 2013 neu gegründet werden, gilt Absatz 4 mit der Maßgabe, dass

1.
an die Stelle des Jahres 2013 das Kalenderjahr der Neugründung und an die Stelle der Jahre 2014 und 2015 die beiden auf die Neugründung folgenden Jahre treten sowie
2.
ab dem Antragsjahr 2015 die Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind; Absatz 6 gilt entsprechend.
Als Zeitpunkt der Neugründung gilt der Zeitpunkt der erstmaligen Betriebsaufnahme. Neu gegründete Unternehmen sind nur solche, die nicht durch Umwandlung im Sinn des Umwandlungsgesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210; 1995 I S. 428), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 48 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung entstanden sind. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für das Antragsjahr 2023.

(6) Stellt die Bundesregierung fest, dass der nach der Anlage zu § 10 für das Antragsjahr vorgesehene Zielwert für eine Reduzierung der Energieintensität nicht erreicht wurde, erhalten die Unternehmen die Steuerentlastung abweichend von Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a

1.
zu 60 Prozent, wenn die Bundesregierung festgestellt hat, dass der nach der Anlage zu § 10 vorgesehene Zielwert für eine Reduzierung der Energieintensität mindestens zu 92 Prozent erreicht wurde,
2.
zu 80 Prozent, wenn die Bundesregierung festgestellt hat, dass der nach der Anlage zu § 10 vorgesehene Zielwert für eine Reduzierung der Energieintensität mindestens zu 96 Prozent erreicht wurde.
Die Feststellung, ob die Voraussetzungen nach Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 vorliegen, erfolgt im Rahmen der Bekanntmachung der Bundesregierung nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b.

(7) Der Nachweis nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe a erste Alternative ist von den Unternehmen zu erbringen durch

1.
Umweltgutachter oder Umweltgutachterorganisationen, die nach dem Umweltauditgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2002 (BGBl. I S. 3490), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2509) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung als Umweltgutachter tätig werden dürfen, in ihrem jeweiligen Zulassungsbereich, oder
2.
Konformitätsbewertungsstellen, die von der nationalen Akkreditierungsstelle für die Zertifizierung von Energiemanagementsystemen nach der DIN EN ISO 50001 akkreditiert sind.

(8) Der Erlass, die Erstattung oder die Vergütung wird gewährt nach Maßgabe und bis zum Auslaufen der hierfür erforderlichen Freistellungsanzeige bei der Europäischen Kommission nach der Verordnung (EU) Nr. 651/2014. Das Auslaufen der Freistellungsanzeige ist vom Bundesministerium der Finanzen im Bundesgesetzblatt gesondert bekannt zu geben.

(9) DIN-, DIN EN- und DIN EN ISO-Normen, auf die in diesem Gesetz verwiesen wird, sind in der Beuth Verlag GmbH, Berlin, erschienen und bei der Nationalbibliothek archivmäßig gesichert niedergelegt.

(1) Auf Antrag wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes

1.
für die Elektrolyse,
2.
für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien und Erzeugnissen daraus, Katalysatorenträgern aus mineralischen Stoffen, Waren aus Asphalt und bituminösen Erzeugnissen, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen zum Trocknen, Kalzinieren, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte,
3.
für die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von Metallerzeugnissen für die Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen Erzeugnissen und zur Oberflächenveredlung und Wärmebehandlung jeweils zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder sonstigen Wärmebehandlung oder
4.
für chemische Reduktionsverfahren
entnommen hat.

(2) Erlass-, erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 14. Januar 2014  7 K 566/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Anlage zur Herstellung von Floatglas (Basisglas) zur Weiterverarbeitung zu Multifunktionsglas. Hierfür werden die für die Glasherstellung benötigten Ausgangsstoffe bei einer Temperatur von ca. 1 500°C geschmolzen. Sodann wird die Glasschmelze von einer Seite mit einer Temperatur von über 1 000°C in eine längliche Wanne mit flüssigem Zinn geleitet, auf dem die leichtere Glasmasse schwimmt. Am anderen Ende der Wanne hat das Glas, das anschließend durch Beschichten, Tempern und Schneiden weiterverarbeitet wird, eine Temperatur von ca. 600°C. Das kontrollierte Senken der Temperatur von ca. 1 000°C auf ca. 600°C wird insbesondere durch den Einsatz von Lüftern und Gebläsen erreicht. Für den zum Schmelzen, Floaten und Kühlen im Jahr 2009 verwendeten Strom beantragte die Klägerin eine Stromsteuerentlastung nach § 9a des Stromsteuergesetzes (StromStG - hier und im Folgenden in der im Streitjahr geltenden Fassung), die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) zunächst gewährte. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin den Strom im Rahmen der genannten Prozesse nicht nur als Wärmestrom, sondern auch als Kraftstrom zum Antrieb u.a. von Lüftern und Gebläsen verwendete. Daraufhin setzte das HZA mit Steueränderungsbescheid vom 4. Juli 2011 den Steuerentlastungsbetrag nach § 9a StromStG auf... € und den Steuerentlastungsbetrag nach § 10 StromStG auf... € fest, so dass sich unter Berücksichtigung einer Erhöhung des Entlastungsanspruchs nach § 10 StromStG noch ein Rückforderungsbetrag ergab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

2

Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Steuerentlastung nach § 9a StromStG für den als Kraftstrom für den Antrieb von Lüftern und Gebläsen eingesetzten Strom. Ebenso wie die Parallelvorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) sei § 9a StromStG so zu verstehen, dass auch bei der Herstellung von Glas und Glaswaren nur die ausdrücklich genannten Wärmeprozesse steuerlich begünstigt seien. Die Regelung differenziere nicht zwischen der Herstellung von Glas und Glaswaren einerseits und der Herstellung anderer mineralogischer Erzeugnisse andererseits. Der Gesetzgeber habe für alle genannten Produkte den Oberbegriff Erzeugnisse verwendet. Auch der Vergleich mit § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG, der die Metallerzeugung und -bearbeitung betreffe, führe nicht zu einer anderen Auslegung. Aus der Aufzählung der mit einer Wärmeveränderung verbundenen Prozesse ergebe sich, dass bei den in § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG genannten mineralogischen Verfahren nur der Strom entlastungsfähig sei, der für die im Gesetz aufgeführten Wärmebehandlungen eingesetzt werde, so dass eine Steuerentlastung für Kraftstrom, der z.B. für den Betrieb von Motoren, Antrieben, Prozessrechnern, Steuerungen und Leitständen verbraucht werde, nicht in Betracht komme. Eine solche Differenzierung sei sowohl den Gesetzesmaterialien als auch Art. 2 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) zu entnehmen. Diese Bestimmung habe der Gesetzgeber mit der Normierung der in § 9a StromStG festgelegten Entlastungstatbestände in nationales Recht umsetzen wollen, wobei die Entlastung für mineralogische Verfahren für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom identisch ausgestaltet worden sei.

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG. Entgegen der Auffassung der Revision bezögen sich die in dieser Vorschrift genannten thermischen Prozesse nur auf die "vorgenannten Erzeugnisse", nicht jedoch auf die "Herstellung von Glas und Glaswaren", die keine Erzeugnisse seien. Diese Interpretation werde durch die systematische Gegenüberstellung des für die Metallerzeugung und -bearbeitung vorgesehenen Entlastungstatbestands des § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG gestützt. Denn dort habe der Gesetzgeber der Aufzählung der thermischen Prozesse das Wort "jeweils" vorangestellt. Das Gesetz spiegele die künstliche Differenzierung zwischen sogenanntem Wärme- und Kraftstrom nicht wider. Wärmeeinwirkung und Abkühlung des Glases seien ein produktionstechnisch verbundener Vorgang. Die kontrollierte Abkühlung zur Vermeidung von Sprüngen --das Entspannen-- sei die zwingende Folge der Wärmebehandlung. Im Streitfall diene der Betrieb der Lüfter und Gebläse unmittelbar einem thermischen Prozess. Diese Rechtsauffassung werde durch das Motiv des Gesetzgebers, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des energieintensiven Produzierenden Gewerbes zu erhalten, bestätigt. Die vom FG vorgenommene einschränkende Auslegung finde keine Stütze in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL. Die Flachglasherstellung sei als ein mineralogisches Verfahren einzustufen, daher existierten in diesem Produktionsbereich keine unionsrechtlichen Vorgaben für die Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom.

4

Das HZA schließt sich der Rechtsauffassung des FG an. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG sei lediglich der Strom entlastungsfähig, der im Rahmen der Herstellung von Glas und Glaswaren zum Schmelzen, Warmhalten oder Entspannen eingesetzt werde. Aus Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL ergebe sich nichts anderes. Danach solle Strom ebenso wie Energieerzeugnisse behandelt werden. Strom, der zur Erzeugung mechanischer Energie entnommen werde, unterfalle dem Anwendungsbereich der EnergieStRL und sei daher grundsätzlich zu besteuern. Im Übrigen stehe es dem Gesetzgeber frei, den Umfang der Entlastung festzulegen und diese auf bestimmte Wärmebehandlungen zu beschränken. Schließlich führe die von der Klägerin vertretene Auslegung zu einer selektiven Förderung von Unternehmen, die sich mit der Glasherstellung befassen, gegenüber Unternehmen, die andere mineralogische Verfahren anwenden, so dass die steuerliche Förderung als nach Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union unzulässige Beihilfe einzustufen wäre. Dieses Ergebnis habe der Gesetzgeber durch eine Gleichbehandlung aller mineralogischen Erzeugnisse verhindern wollen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin für Strom, den sie im Rahmen der Flachglasherstellung zum Antrieb von Lüftern und Gebläsen einsetzt, kein Entlastungsanspruch nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG zusteht.

6

1. Nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG wird auf Antrag die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, mineralischen Isoliermaterialien, Asphalt und mineralischen Düngemitteln zum Brennen, Schmelzen, Warmhalten oder Entspannen der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte entnommen hat.

7

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin lassen sich die Regelungen des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG nicht dahin deuten, dass die als abschließend zu betrachtende Aufzählung von Wärmebehandlungsprozessen und die damit verbundene Einschränkung des Entlastungstatbestands nur andere Erzeugnisse als Glas und Glaswaren betreffen. Vielmehr bezieht sich der Begriff "vorgenannte Erzeugnisse" auf alle Produkte, die in der Vorschrift aufgezählt sind, d.h. auf Glas und Glaswaren, Erzeugnisse aus Beton, Zement und Gips und auf alle sonst konkret bezeichneten Produkte. Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, ist der Begriff "Erzeugnisse" als Oberbegriff zu verstehen. Nach der Deutung der Revision, die von einem engen Begriffsverständnis ausgeht, würden von der Beschränkung lediglich Erzeugnisse aus Beton, Zement oder Gips erfasst. Hätte der Gesetzgeber eine solche Beschränkung beabsichtigt, wäre die von ihm gewählte Formulierung unverständlich. Denn in diesem Fall hätte es nahe gelegen, für die beabsichtigte Beschränkung des Entlastungstatbestands die Formulierung "und zum Brennen, Schmelzen, Warmhalten oder Entspannen von Erzeugnissen aus Beton, Zement oder Gips" zu verwenden. Der Umstand, dass bestimmte Wärmebehandlungen für diese Produkte schwerlich in Betracht kommen dürften, belegt, dass der Ansicht der Revision nicht gefolgt werden kann.

8

b) Auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift lassen sich keine Anhaltspunkte für ein restriktives Verständnis und für eine Sonderstellung von Glas und Glaswaren entnehmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung wurden die in § 9a Abs. 1 StromStG genannten Verwendungen von Strom zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Produzierenden Gewerbes auf Grundlage des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL von der Besteuerung ausgenommen (BTDrucks 16/1172, S. 47 f.). Nach dieser Bestimmung gilt die EnergieStRL nicht für Energieerzeugnisse, die für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoffe verwendet werden, für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck, für mineralogische Verfahren und für elektrischen Strom, der hauptsächlich für die Zwecke der chemischen Reduktion, bei der Elektrolyse und bei Prozessen in der Metallindustrie verwendet wird sowie für elektrischen Strom, wenn er mehr als 50 % der Kosten für ein Erzeugnis ausmacht. Aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie sind die genannten Verwendungen deshalb ausgewiesen, weil der Gemeinschaftsgesetzgeber die Energie- und Stromsteuer als verwendungsorientierte Steuer auf Energieleistungen ausgestalten wollte. Besteuert werden soll die Gewinnung von Wärme oder das Generieren motorischer Leistung.

9

Diese Intention wird durch Abs. 22 der Erwägungsgründe belegt. Danach sollen Energieerzeugnisse den Rahmenvorschriften unterliegen, wenn sie als Heizstoff oder Kraftstoff verwendet werden, weshalb es der Art und Logik des Steuersystems entspricht, die Verwendung von Energieerzeugnissen zu zweierlei Zwecken und zu anderen Zwecken als als Kraft- oder Heizstoff sowie für mineralogische Verfahren vom Anwendungsbereich der Rahmenvorschriften auszunehmen. Ebenso sollte elektrischer Strom behandelt werden, der in ähnlicher Weise verwendet wird. Als mineralogische Verfahren gelten nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstricht 5 EnergieStRL die Verfahren, die nach der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 (VO Nr. 3037/90) des Rates vom 9. Oktober 1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 293/1) unter die NACE-Klasse DI 26 "Verarbeitung nichtmetallischer Mineralien" fallen. Innerhalb der Klasse DI 26 VO Nr. 3037/90 nimmt die Herstellung von Glas und Glaswaren (Gruppe 26.1) neben den anderen Gruppen, wie z.B. Gruppe 26.2 (keramische Erzeugnisse) oder Gruppe 26.6 (Erzeugnisse aus Beton, Zement und Gips) keine Sonderstellung ein. Da der Gesetzgeber mit der in § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG getroffenen Regelung Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL umsetzen und die in den Abteilungen DI 26 und DJ 27 VO Nr. 3037/90 aufgeführten Tätigkeiten erfassen wollte (vgl. zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG BTDrucks 16/1172, S. 44, sowie Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 VII R 50/09, BFHE 231, 443, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2011, 366), ist eine Auslegung des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG geboten, die eine stromsteuerrechtliche Gleichbehandlung aller aufgeführten Erzeugnisse, einschließlich Glas und Glaswaren, gewährleistet.

10

2. Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin ein Entlastungsanspruch nur in Bezug auf den Wärmestrom, nicht jedoch hinsichtlich des zu motorischen Zwecken als Kraftstrom verwendeten Stroms zu.

11

a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei dem Unternehmen der Klägerin um ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 StromStG handelt. Demzufolge hat das HZA zu Recht eine Steuerentlastung für den Strom gewährt, den die Klägerin im Rahmen der Herstellung von Flachglas als Wärmestrom, z.B. zum Betrieb der Roofheizung, verwendet hat. Denn der Strom wird in diesen Fällen zum Warmhalten, Entspannen oder zur sonstigen Wärmebehandlung des Glases verwendet. Den im Gesetz genannten Vorgängen ist gemeinsam, dass bei ihnen unter Verwendung von Strom erzeugte thermische Energie eingesetzt wird, mit der auf mineralogische Erzeugnisse zur Erreichung eines bestimmten Ziels eingewirkt werden soll. Dabei handelt es sich um bei Glas und anderen mineralogischen Erzeugnissen gebräuchliche Wärmebehandlungsarten, mit denen Aggregatzustände verändert, bestimmte Temperaturen gesteigert oder aufrechterhalten oder Spannungen abgebaut werden.

12

b) Soweit die Klägerin Strom zum Antrieb von Lüftern und Gebläsen verwendet, sind die Voraussetzungen des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG nicht erfüllt. Denn der Strom wird nicht als Wärmestrom, d.h. zur Erzeugung der zum Brennen, Schmelzen, Warmhalten oder Entspannen erforderlichen Wärme, sondern für die Generierung motorischer Leistung verwendet. Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die in ihrer steuerrechtlichen Wirkung mit der Parallelvorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG in Einklang steht, bezieht sich der Prozess des Entspannens lediglich auf eine Wärmebehandlung, selbst wenn unter dem Begriff des Entspannens nicht nur eine kontrollierte Senkung einer sehr hohen Temperatur unter ständiger Zuführung und Reduzierung von Wärme, sondern auch eine Kühlung ohne Wärmezufuhr verstanden werden könnte. Denn bei der Verwendung von Strom kann eine solche Kühlung, wie der Streitfall belegt, nur durch die Erzeugung motorischer Leistung zum Antrieb von Lüftern und Gebläsen erreicht werden. Eine Steuerentlastung des zum Entspannen benötigten Kraftstroms wäre jedoch gegenüber den zuvor geregelten Steuerentlastungen für den zum Brennen, Schmelzen und Warmhalten benötigten Wärmestrom eine solch bedeutsame Ausnahme vom Grundprinzip der steuerlichen Begünstigung von Wärmebehandlungen, dass der Gesetzgeber --wenn er im Fall des Entspannens auch den Kraftstrom hätte in die Entlastung mit einbeziehen wollen-- eine ausdrückliche Regelung getroffen hätte. Aufgrund dieser Erwägungen kommt eine Begünstigung des zum Antrieb von Lüftern und Gebläsen verwendeten Kraftstroms nicht in Betracht.

13

3. Die vom erkennenden Senat getroffene Auslegung des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG steht nicht in Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben. Wie bereits ausgeführt, hat der nationale Gesetzgeber mit dieser Regelung Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 5 EnergieStRL umgesetzt und von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Einsatz elektrischen Stroms, der für mineralogische Verfahren verwendet wird, eigenständig steuerrechtlich zu regeln. Strom, der für den genannten Zweck eingesetzt wird, ist ausdrücklich vom Anwendungsbereich der EnergieStRL ausgenommen, so dass es dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleibt, ob und in welchem Umfang er sich für eine Steuerbelastung oder Steuerbefreiung entscheidet (zur grundsätzlich vergleichbaren Regelung in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2 EnergieStRL vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2013 VII R 24/12, BFHE 243, 96, 99 f., ZfZ 2014, 52).

14

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Auf Antrag wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes

1.
für die Elektrolyse,
2.
für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien und Erzeugnissen daraus, Katalysatorenträgern aus mineralischen Stoffen, Waren aus Asphalt und bituminösen Erzeugnissen, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen zum Trocknen, Kalzinieren, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte,
3.
für die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von Metallerzeugnissen für die Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen Erzeugnissen und zur Oberflächenveredlung und Wärmebehandlung jeweils zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder sonstigen Wärmebehandlung oder
4.
für chemische Reduktionsverfahren
entnommen hat.

(2) Erlass-, erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen hat.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012  2 K 189/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten nach der in diesem Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Larentia + Minerva vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14 (EU:C:2015:496, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2015, 901) weiterhin um die Höhe des Vorsteuerabzugs der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Holding, aus Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung sowie um das Vorliegen einer Organschaft.

2

Die Klägerin ist eine AG, deren einzige Aktionärin zunächst die X-GmbH & Co. KG war. Sie erwirbt, betreibt und veräußert Seeschiffe. Daneben erwirbt und verwaltet sie insbesondere im Bereich der Schifffahrt in- und ausländische Beteiligungen und Finanzanlagen.

3

Durch eine im Rahmen ihres Börsengangs erfolgte Aktienemission erhöhte die Klägerin ihr Kapital im Jahr 2006 (Streitjahr) von ... € um ... €. Für die Emission entstanden Kosten, die mit Umsatzsteuer in Höhe von 373.347,57 € belastet waren. Nach dem Börsenprospekt beabsichtigte sie, die Klägerin, sich als internationale Anbieterin in der Branche der entgeltlichen Überlassung von Container- und Tankerschiffen zu positionieren.

4

Die sog. Schiffscharter führte die Klägerin nach ihrem Konzept über sog. Schiffskommanditgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG aus, die --u.a. zur Verringerung des Haftungsrisikos-- Eigentümerinnen und Betreiberinnen der Schiffe werden und Fremdkapitalanteile aufnehmen sollten.

5

Die Klägerin war Mehrheitskommanditistin an den jeweiligen Schiffskommanditgesellschaften mit einer Beteiligungsquote von mehr als 99 %. Die weiteren Kommanditisten waren jeweils die X-GmbH & Co. KG sowie der jeweilige Vertragsreeder.

6

Die jeweilige Komplementärin und die Klägerin führten die Geschäfte der Schiffskommanditgesellschaften.

7

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistung eine Vergütung in Höhe von jährlich ... € zzgl. Umsatzsteuer. Die Höhe dieser Vergütung wurde auf der Grundlage der Kosten für die Aktienemission und einer durchschnittlichen betrieblichen Nutzungsdauer eines Seeschiffs von 20 Jahren kalkuliert. Außerdem hatte die Klägerin einen Aufwendungsersatzanspruch.

8

Zur Finanzierung des Erwerbs und des Betriebs des jeweiligen Seeschiffs wurde bei den Schiffskommanditgesellschaften eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die im Wesentlichen durch die Klägerin mittels einer Kapitaleinlage erbracht wurde. Nach den jeweils gleich gestalteten Gesellschaftsverträgen lag der Gesellschaftszweck der operativen Schiffskommanditgesellschaften in der Verwaltung eigenen Vermögens, in dem Erwerb, in dem Betrieb, in der Veräußerung von (bestimmten) Seeschiffen, in dem Abschluss von Charterverträgen und Derivaten sowie in der Vereinbarung aller hiermit im Zusammenhang stehenden Geschäfte.

9

Im Streitjahr gründete die Klägerin als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft vier solcher Schiffs-KGs jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG.

10

Die nach dem Konzept vorgesehene Erhöhung der Kapitaleinlage zur Finanzierung des Erwerbs von Seeschiffen belief sich bei den Tochtergesellschaften auf jeweils ... €. Überdies gewährte die Klägerin den Tochtergesellschaften kurzfristige verzinsliche Darlehen zur Zwischenfinanzierung in Höhe von jeweils rund ... €.

11

Die Tochtergesellschaften schlossen die für die Schiffscharter notwendigen Geschäfte selbst ab, wobei die Klägerin neben der X-GmbH & Co. KG in die wesentlichen Entscheidungen des Tagesgeschäfts eingebunden war.

12

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistungen von den Tochtergesellschaften im Streitjahr ein Entgelt in Höhe von ... € zzgl. Umsatzsteuer. Überdies erhielt sie im Streitjahr für die den Tochtergesellschaften gewährten Darlehen Zinsen in Höhe von ... €, Beteiligungserträge in Höhe von ... € sowie aus Anlagen von Teilen des mit den Aktienemissionen eingeworbenen Kapitals bei Kreditinstituten Zinsen in Höhe von ... €.

13

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Leistungen aus ihrer Geschäftsführungstätigkeit in Höhe von ... € (= ... € Umsatzsteuer) und machte u.a. den Abzug der im Zusammenhang mit der Aktienemission angefallenen Vorsteuerbeträge in Höhe von 373.347,57 € geltend.

14

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 15. Januar 2009 den Vorsteuerabzug. Der Einspruch blieb erfolglos; dabei hob das FA den Umsatzsteuerbescheid auf, weil die Klägerin keine Unternehmerin sei; denn sie greife nicht in die Geschäftsführung ihrer Tochtergesellschaften ein (Einspruchsentscheidung vom 27. August 2010).

15

Nach Durchführung eines Erörterungstermins im Klageverfahren gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin durch die damaligen Vorstände geschäftsführend bei den Tochterkommanditgesellschaften tätig gewesen sei und die Emissionskosten als Berechnungsgrundlage in die Vergütung für die Geschäftsführungstätigkeit eingeflossen seien.

16

Bereits im Klageverfahren trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie aufgrund einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft insgesamt wirtschaftlich tätig sei. Die Eingliederungsmerkmale lägen vor. Dass Personengesellschaften nicht Organgesellschaften sein könnten, sei unionsrechts- und verfassungswidrig.

17

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, indem es der Klägerin den geltend gemachten Vorsteuerabzug in voller Höhe gewährte. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 255 veröffentlicht.

18

Mit der Revision hat das FA geltend gemacht, die Klägerin sei im Streitjahr zwar Unternehmerin gewesen, die streitbefangenen Vorsteuerbeträge seien aber wegen ihrer auch nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbs und des Haltens von Beteiligungen aufzuteilen. Insbesondere seien auf den Streitfall die Grundsätze des EuGH-Urteils SKF vom 29. Oktober 2009 C-29/08 (EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099) nicht anwendbar, da diese Entscheidung auf --der hier nicht gegebenen Besonderheit-- beruhe, dass die Veräußerung zur Umstrukturierung eines Konzerns erfolgt sei.

19

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12 (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?

2. Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine juristische Person --nicht aber eine Personengesellschaft-- in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) 'in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist'?

3. Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen?"

20

Der EuGH hat die Fragen mit seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) beantwortet.

21

Nach Ergehen des EuGH-Urteils hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie bezüglich der im Streitjahr erfolgten Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften (darauf entfallendes Entgelt: ... €) auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verzichte und zur Steuerpflicht optiere. Sie habe im Oktober 2015 Rechnungen mit offenem Steuerausweis erteilt. Die Option sei wirksam. Das FA hat mitgeteilt, es habe über einen entsprechenden Änderungsantrag der Klägerin noch nicht entschieden.

22

Das FA macht geltend, auch nach der Vorabentscheidung sei ein voller Vorsteuerabzug für die Klägerin nicht zwingend. Insbesondere sei unklar, welchen Umfang die Tätigkeiten einer Holding nach Auffassung des EuGH haben müssten, damit diese eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Mehrwertsteuerrechts ausübe.

23

Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus den Ausführungen des EuGH zur Organschaft. Das Unionsrecht sei nicht berufbar. Eine Erweiterung der Organschaft auf Personengesellschaften sei dem Gesetzgeber vorbehalten, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgrund seines eindeutigen Wortlauts nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne. Die Vorschrift diene außerdem i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) der Vermeidung missbräuchlicher Praktiken.

24

Das FA trägt hilfsweise vor, es halte eine Vorsteueraufteilung für angemessen, die sich nach der Verwendung des eingeworbenen Kapitals richte. Da die Klägerin 95 % des eingeworbenen Kapitals für den Erwerb von Beteiligungen verwendet habe, seien lediglich 5 % der streitigen Vorsteuerbeträge (= 18.667,38 €) abziehbar.

25

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen für die im Zusammenhang mit der Aktienemission bezogenen Leistungen über den Betrag von 18.667,38 € hinaus geltend macht.

26

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

27

Sie trägt vor, ihr stehe dem Grunde nach der volle Vorsteuerabzug zu. Eine Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit scheide aus. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht wegen der Ausführung steuerfreier Umsätze ausgeschlossen. Der Vorsteuerabzug sei vielmehr aufgrund von § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG i.V.m. § 43 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vollständig zu gewähren; hinsichtlich der Zinserträge von Kreditinstituten lägen den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Hilfsumsätze vor. Außerdem habe sie, die Klägerin, mittlerweile teilweise zur Steuerpflicht optiert.

28

Bezüglich des Vorliegens einer Organschaft sieht die Klägerin aus "verfahrensökonomischen Gründen" von einer Stellungnahme ab.

29

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist nach Ergehen des EuGH-Urteils gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Revisionsverfahren beigetreten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Es trägt nur zur Organschaft vor.

30

Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG könne eine Person, die keine "juristische Person" sei, nicht als Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert werden. Der EuGH habe dem Senat die Prüfung aufgegeben, ob der Ausschluss von anderen Personen eine Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung darstelle. Sofern der Senat eine solche Maßnahme verneine, werde mangels direkten Berufungsrechts der Steuerpflichtigen auf die Vorschriften des Unionsrechts zu prüfen sein, ob es möglich ist, anderen Personen --insbesondere Personengesellschaften-- den Anwendungsbereich der Organschaftsregelung durch Auslegung des Begriffs "juristische Person" zu eröffnen. Nach Auffassung des BMF sei dies nicht möglich; dadurch würden die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten.

31

Soweit § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ferner für die Annahme einer Organschaft eine Eingliederung und damit ein Verhältnis der Unterordnung voraussetze, sei dies erforderlich und geeignet, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung der Organschaftsregelung vorzubeugen. Das Erfordernis eines Unterordnungsverhältnisses diene zudem der Rechtssicherheit; es stehe auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Eine anderweitige, unionsrechtskonforme Auslegung des Begriffs der Eingliederung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sei nicht möglich.

Entscheidungsgründe

32

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

33

Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug zu (s. dazu unter 1.). Die Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften und an ein Kreditinstitut sind allerdings vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie steuerfrei sind; es sind keine Hilfsumsätze (s. dazu unter 2.). Außerdem kommt das Vorliegen einer Organschaft in Betracht, so dass ggf. die Umsätze der Tochtergesellschaften im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid zu erfassen sind (vgl. unter 3.). Die Sache ist insoweit nicht spruchreif.

34

1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin als geschäftsleitender Holding der Vorsteuerabzug für die bezogenen Eingangsleistungen dem Grunde nach zusteht.

35

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, wobei allerdings u.a. bei steuerfreien Umsätzen für die Seeschifffahrt (§ 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG) die Vorsteuer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG abziehbar ist.

36

Diese Vorschriften beruhten im Streitjahr auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Bei Umsätzen für die Seeschifffahrt sind Art. 17 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Art. 15 Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten (jetzt: Art. 169 Buchst. b i.V.m. Art. 148 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

37

b) Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu verwenden beabsichtigt.

38

c) Dazu hat der EuGH in seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) Folgendes entschieden:

    

"1. Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist."

39

aa) Der EuGH hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet (Rz 21, 25):

    

"21 Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, wenn sie die Durchführung von Transaktionen einschließen, die gemäß Art. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C-16/00, EU:C:2001:495, Rn. 22, und Portugal Telecom, C-496/11, EU:C:2012:557, Rn. 34).

    

...     

    

25 Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind daher die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und - wie oben in Rn. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist - insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft zugeordnet anzusehen. Folglich eröffnet die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer gemäß Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug. ..."

40

bb) Bezogen auf den Streitfall hat der EuGH ausgeführt (Rz 28 f.): 

    

"28 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass in den Ausgangsverfahren die Holdinggesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sind, die aus den Leistungen besteht, die sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbringen. Daher müsste die für die Kosten des Erwerbs dieser Leistungen gezahlte Mehrwertsteuer vollständig abgezogen werden, es sei denn, dass nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall dürfte das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

    

29 Somit könnte nur in dem Fall, dass das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Beteiligungen, die sich aus den Kapitaltransaktionen der Holdinggesellschaften der Ausgangsverfahren ergeben haben, zum Teil anderen Tochtergesellschaften zugeordnet worden sind, an deren Verwaltung sie nicht teilgenommen haben, die für die Kosten dieser Transaktionen gezahlte Mehrwertsteuer nur anteilig abgezogen werden, wie in der ersten Frage des vorlegenden Gerichts in Betracht gezogen wird. Denn in diesem Fall könnte das bloße Halten ihrer Anteile an diesen Tochtergesellschaften nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit dieser Holdinggesellschaften angesehen werden, und die Vorsteuer wäre in die Mehrwertsteuer aufzuteilen, die zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Holdinggesellschaften gehört, und in die, die zu ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten gehört."

41

d) Ausgehend davon hat das FG zu Recht entschieden, dass nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen das Halten der Anteile an den Tochter-KGs Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ist.

42

aa) Die Klägerin ist nach Auffassung des FG (Urteil S. 15 f.), des Senats (Beschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 38) und des EuGH (Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 28) Unternehmerin, deren Tätigkeit darin besteht, dass sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt Geschäftsführungsleistungen erbringt. Davon gehen nach einer tatsächlichen Verständigung auch die Klägerin und das FA übereinstimmend aus.

43

bb) Soweit das FA und der Senat im Vorlagebeschluss (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Frage 1 sowie Rz 40 bis 43) nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt gleichwohl eine nur teilweise Gewährung des Vorsteuerabzugs für möglich gehalten haben, widerspricht dies Rz 28 und 29 des EuGH-Urteils Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901).

44

e) Zwar trifft die Auffassung des FA, der Vorsteuerabzug könne zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden, grundsätzlich zu (vgl. EuGH-Urteile Halifax u.a. vom 21. Februar 2006 C-255/02, EU:C:2006:121, BFH/NV Beilage 2006, 260; Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, HFR 2013, 851; Italmoda u.a. vom 18. Dezember 2014 C-131/13, EU:C:2014:2455, HFR 2015, 200, Rz 43 ff.).

45

Allerdings hat das FG auf S. 16 f. des Urteils den Streitfall dahingehend gewürdigt, es liege keine missbräuchliche Praxis vor. Diese Würdigung ist auf Grundlage der vom FG getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359, unter II.2.a und b, Rz 21 und 23; BFH-Beschluss vom 19. Dezember 1986 V S 14/85, BFH/NV 1987, 271, unter 2., Rz 15).

46

2. Hingegen sind --entgegen der Auffassung des FG-- die Anlagen der Klägerin bei ihren Tochtergesellschaften und Kreditinstituten keine Hilfsumsätze i.S. des § 43 Nr. 3 UStDV.

47

a) Gemäß § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG kann das BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung u.a. nähere Bestimmungen darüber treffen, wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 4 UStG) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

48

b) Von dieser Befugnis hat der Verordnungsgeber mit § 43 UStDV Gebrauch gemacht. Danach sind die den folgenden steuerfreien Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind:

    

"3. ... Einlagen bei Kreditinstituten, wenn diese Umsätze als Hilfsumsätze anzusehen sind."

49

Die sich daraus ergebende Erleichterung besteht darin, dass Vorsteuerbeträge, die den in § 43 UStDV genannten Umsätzen zuzurechnen sind, nicht aufgeteilt werden müssen, sondern voll abziehbar sind (Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 704).

50

c) Unionsrechtliche Grundlage dieser Bestimmung in der UStDV war im Streitjahr Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach --vorbehaltlich der ohnehin bestehenden Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG-- der Anspruch auf Vorsteuerabzug auf der Grundlage eines Pro-rata-Satzes zu berechnen ist, der anhand von Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG ermittelt wird. Danach bleiben bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nach Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG u.a. die Hilfsumsätze im Bereich der Finanzgeschäfte außer Ansatz. Der Begriff "Hilfsumsatz" in § 43 Nr. 3 UStDV ist deshalb im Interesse einer unionsweit einheitlichen Auslegung (vgl. EuGH-Urteile Nordania Finans und BG Factoring vom 6. März 2008 C-98/07, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 34 f.; NCC Construction Danmark vom 29. Oktober 2009 C-174/08, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 24 ff.) richtlinienkonform entsprechend der Definition in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c MwStSystRL) auszulegen.

51

d) Der Zweck des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag, den die Kommission dem Rat am 29. Juni 1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 21), in der es heißt:

    

"Die in diesem Absatz genannten Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln. Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, d.h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen."

52

e) Deshalb kann nach der Rechtsprechung des EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit auch nicht als "Hilfsumsatz" i.S. von Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eingestuft werden, wenn sie die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellt (EuGH-Urteil Régie dauphinoise vom 11. Juli 1996 C-306/94, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 22; NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 30 und 31; s. auch EuGH-Urteil Nordania Finans und BG Factoring, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 22, 24 und 26, zu Investitionsgütern, die im Rahmen der laufenden Tätigkeit des Unternehmers --dort steuerpflichtig-- genutzt werden). Die von der Finanzverwaltung in Abschn. 15.18 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (im Streitjahr: Abschn. 210 Abs. 5 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005) vertretene Auffassung, dass Hilfsumsätze nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden dürfen, trifft insoweit zu.

53

f) Gemessen daran hat das FG zu Unrecht angenommen, es sei gemäß § 43 Nr. 3 UStDV keine Kürzung der Vorsteuer vorzunehmen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

54

aa) Dabei ist das FG zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Zwar unterliegen Darlehensumsätze einer Holding nur dann der Mehrwertsteuer, wenn sie entweder eine in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannte wirtschaftliche Tätigkeit des Leistenden oder die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen, ohne jedoch in Bezug auf letztere Hilfsumsätze i.S. des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu sein (vgl. EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest vom 14. November 2000 C-142/99, EU:C:2000:623, BFH/NV Beilage 2001, 37, Rz 27 ff.). Jedoch fallen die Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, weil sie nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand beruhen, sondern das Entgelt für die Überlassung von Kapital an die Tochtergesellschaften darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM vom 29. April 2004 C-77/01, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 65 ff.). Auch die Zinsen, die an die Klägerin als Entgelt für Kapitalanlagen gezahlt wurden, können nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen werden, da sie nicht auf dem bloßen Eigentum an dem Gegenstand beruhen, sondern die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital an die Bank darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 69). Die Klägerin als geschäftsleitende Holding handelte als Unternehmerin, soweit sie Mittel, die sie mit der Kapitalerhöhung eingeworben hatte, auf die genannte Weise einsetzte (vgl. EuGH-Urteil Régie dauphinoise, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 17).

55

bb) Auch reicht der Umstand, dass die Hilfsumsätze höher sind als die Umsätze aus der Haupttätigkeit, allein nicht aus, um ihre Einordnung als Hilfsumsätze auszuschließen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 77), soweit Gegenstände oder Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht oder nur in sehr geringem Umfang für diese Umsätze verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 76 und 78).

56

cc) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, im Streitfall seien die Anlagen der Klägerin bei Banken und die Darlehensgewährungen an die Tochtergesellschaften Hilfsumsätze, weil sie nicht den Gegenstand des Geschäftes der Klägerin darstellten. Diese Würdigung wird von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen; die Umsätze sind vielmehr bei der Klägerin schon deshalb keine Hilfsumsätze, weil sie --wie das FA in diesem Zusammenhang zu Recht geltend macht-- nach den tatsächlichen Feststellungen des FG zur Haupttätigkeit der Klägerin gehören. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach den Feststellungen auf S. 4 des FG-Urteils u.a. der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Finanzanlagen. Dazu zählen auch die genannten Umsätze, so dass nicht mehr konkret beurteilt werden muss, in welchem Umfang diese Umsätze für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordern, für die Mehrwertsteuer zu entrichten ist (vgl. dazu EuGH-Urteil NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 34). Auf die Frage, ob die Umsätze von Anfang an beabsichtigt oder Folge einer Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit der Klägerin waren, kommt es nach den Ausführungen unter c und d ebenfalls nicht mehr an.

57

g) Greift mithin § 43 Nr. 3 UStDV nicht zugunsten der Klägerin ein, wird das FG im 2. Rechtsgang zu prüfen haben, inwieweit die rechtzeitig erklärte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Oktober 2015 XI R 40/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2016, 353, Rz 56 f., m.w.N.) Option der Klägerin gemäß § 9 UStG zur Steuerpflicht ihrer an sich gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze wirksam ist und sich auf die bisher festgesetzte Umsatzsteuer und gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auf den Vorsteuerabzug auswirkt.

58

3. Außerdem kommt in Betracht, dass zwischen der Klägerin --wie von ihr geltend gemacht-- und ihren Tochtergesellschaften eine Organschaft besteht (s. dazu unter 4. bis 7.). Dies könnte Auswirkungen auf die Höhe der gegen die Klägerin für das Streitjahr festzusetzenden Umsatzsteuer haben.

59

a) Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dies führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen; die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze sind dem Organträger zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a, Rz 21; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA) vom 17. September 2014 C-7/13, EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 28). Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteile vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II.2., Rz 18; vom 13. Mai 2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868, unter II.3.a, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA), EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 29).

60

b) Ob eine Organschaft zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften besteht, ist auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen, da Streitgegenstand im finanzgerichtlichen Verfahren nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232, BFH/NV 2011, 712). Wären der Klägerin die Umsätze und Leistungsbezüge ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen, wäre die Umsatzsteuer im Rahmen der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ggf. in anderer Höhe festzusetzen.

61

c) Ob eine Organschaft besteht und weiter dazu führt, dass die Umsatzsteuer höher oder niedriger festzusetzen ist, kann nicht beurteilt werden, da das FG --aus seiner Sicht konsequenterweise-- nicht festgestellt hat, wie hoch die bisher (möglicherweise zu Unrecht) gegenüber den Tochtergesellschaften festgesetzte Umsatzsteuer ist.

62

4. Auch eine GmbH & Co. KG --wie dies auf die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- kann Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein.

63

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

64

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG beruhte im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 11 MwStSystRL), wonach es vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG jedem Mitgliedstaat frei steht, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln (sog. Mehrwertsteuergruppe).

65

c) Der EuGH hat zur Auslegung dieser Bestimmungen --für den BFH bindend-- Folgendes entschieden (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2):

    

"2. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat."

66

d) Zur Beschränkung von Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat der EuGH ausgeführt (vgl. Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 36 bis 43):

    

"36 Was die Antwort anbelangt, die in der Sache auf die zweite Frage zu geben ist, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), dessen Wortlaut dem von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie entspricht, festgestellt hat, dass diese Bestimmungen, die jedem Mitgliedstaat gestatten, mehrere Personen, die im Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässig und rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, ihre Anwendung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Irland, C-85/11, EU:C:2013:217, Rn. 36)

    

37 Daher ist erstens festzustellen, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie im Unterschied zu anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere ihren Art. 28a und 28b, die sich ausdrücklich auf 'juristische Personen' beziehen, nicht per se die Einheiten von seinem Anwendungsbereich ausschließt, die - wie die Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren - keine juristischen Personen sind.

    

38 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie sieht für die Mitgliedstaaten auch keine ausdrückliche Möglichkeit vor, den Wirtschaftsteilnehmern weitere Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe aufzubürden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 35), insbesondere nicht, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass ausschließlich juristische Personen Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe sein könnten.

    

39 Deshalb ist zu prüfen, ob der Spielraum der Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit haben, die Bildung solcher Mehrwertsteuergruppen in ihrem Gebiet zu gestatten, es ihnen erlaubt, die Einheiten, die keine juristischen Personen sind, vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie auszuschließen.

    

40 Aus der Begründung des Kommissionsvorschlags (KOM[73] 950 endg.), der zum Erlass der Sechsten Richtlinie geführt hat, geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten ermöglichen wollte, die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z. B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 37).

        

41 Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 im Rahmen ihres Ermessensspielraums die Anwendung der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe bestimmten Beschränkungen unterwerfen können, sofern diese den Zielen der Richtlinie entsprechen, die auf die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und die Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzielt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 38 und 39).

    

42 Zwar enthielt die Sechste Richtlinie bis zum Inkrafttreten ihres durch die Richtlinie 2006/69 eingeführten Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 keine mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 vergleichbaren ausdrücklichen Bestimmungen, doch war den Mitgliedstaaten dadurch nicht die Möglichkeit genommen, vor diesem Inkrafttreten gleichwertige sachdienliche Maßnahmen zu erlassen, da die Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung durch die Mitgliedstaaten ein Ziel darstellt, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird, selbst wenn eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber fehlt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Halifax u. a., C-255/02, EU:C:2006:121, Rn. 70 und 71).

    

43 Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Ausschluss der Einheiten, die keine juristischen Personen sind, von der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe, wie er sich aus dem in den Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Recht ergibt, eine für diese Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme ist."

67

e) Die dem Senat vom EuGH in Leitsatz 2 und Rz 43 seines Urteils Larentia + Minerva aufgegebene Prüfung (vom FA zutreffend als "Prüfungsauftrag" bezeichnet) führt zu dem Ergebnis, dass der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG normierte generelle Ausschluss von Einheiten, die keine juristischen Personen sind, keine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung ist.

68

aa) Davon ist der Senat bereits in seinem Vorlagebeschluss ausgegangen (vgl. BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 73 "fernliegend").

69

bb) Dem sind die Kommission und der Generalanwalt gefolgt.

70

Der Generalanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 26. März 2015 C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:212, juris, Rz 73, 74 und 80):

    

"73. Auch wenn die Prüfung dieser Punkte dem vorliegenden Gericht obliegt, ist anzumerken, dass es im Wesentlichen bereits in seiner Vorlageentscheidung klargestellt hat, dass es zum einen keine Verbindung zwischen der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgestellten Bedingung, nach der alle Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe Rechtspersönlichkeit besitzen müssen, und der Verfolgung der in Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie genannten Ziele sieht und dass dieses Erfordernis zum anderen dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwiderlaufen könnte, soweit allein aufgrund der Rechtsform bestimmte Unternehmen von der Möglichkeit der Beteiligung an einer Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden.

74. Ich teile diese Ansicht.

    

80. Wie für das vorlegende Gericht und die Kommission ist jedoch auch für mich nur schwer ersichtlich, inwiefern eine Unterscheidung in Abhängigkeit von der Rechtsform oder dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Rechtspersönlichkeit der Unternehmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung erforderlich und geeignet sein sollte."

71

cc) Weder das FA noch das BMF sind dieser Beurteilung entgegengetreten.

72

dd) Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergeben sich keine Hinweise darauf, dass mit der Beschränkung der Organgesellschaften auf "juristische Personen" missbräuchliche Praktiken oder Verhaltensweisen und Steuerhinterziehung oder –umgehung verhindert werden sollten.

73

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG geht im Wesentlichen auf das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967 (UStG 1967) zurück. Der Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf enthält lediglich die Aussage, dass das Institut der Organschaft "zur Vermeidung unnötiger Verwaltungsarbeit in der Wirtschaft" beibehalten wird (vgl. BTDrucks zu V/1581, S. 10; BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.2.b aa, Rz 42; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, m.w.N.).

74

In der Gesetzesbegründung zum UStG 1980 heißt es zu § 2 Abs. 1 und 2 UStG nur (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 29): "Die Absätze 1 und 2 stimmen mit § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1973 überein. Artikel 4 Abs. 1 bis 4 der 6. Richtlinie erfordert keine Änderung dieser Vorschriften." Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses zu diesem Gesetzentwurf folgt nichts anderes (vgl. BTDrucks 8/2827, S. 6, 63 ff.). Allerdings sollen sich bei der Vorbereitung des UStG 1980 sowohl die Finanzverwaltung als auch die Wirtschaft einhellig für die Beibehaltung der Organschaft ausgesprochen haben. Die Organisationsstruktur vieler Unternehmen sei seit langem auf die Organschaft ausgerichtet. Auf Seiten der Finanzverwaltung führe die Organschaft zu einer gewissen Verwaltungsvereinfachung. Der Organkreis werde unter einer Steuernummer geführt und gebe nur eine Umsatzsteuererklärung ab. Der Verzicht auf die Organschaft hätte daher bei Wirtschaft und Verwaltung nicht nur erhebliche Mehrarbeit, sondern auch Kostensteigerungen mit sich gebracht (so Klezath, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1980, 5, 8; vgl. auch Klezath, DStZ 1986, 112, 114).

75

Selbst wenn man deshalb davon ausgeht, die "Verwaltungsvereinfachung" sei "auch" das Motiv des Gesetzgebers gewesen, die Rechtsfigur der Organschaft im UStG 1980 beizubehalten (so Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 784), ergibt sich daraus nichts für die hier zu prüfende Frage. Dieses Ziel der "Verwaltungsvereinfachung" findet sich zwar (neben dem Ziel der Verhinderung von Missbräuchen) ebenfalls in der Begründung zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 40). Es kann aber die Beschränkung der Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht rechtfertigen; vielmehr kommt es insofern --allein-- darauf an, ob diese Beschränkung eine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung ist (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015, 496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2 und Rz 43).

76

5. Allerdings entfaltet Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG keine unmittelbare Wirkung und ist deshalb auch nicht berufbar (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 3).

77

6. Ausgehend davon hat der Senat im Streitfall zu prüfen, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff "juristische Peron" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften umfasst (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsätze 2 und 3; vgl. auch Rz 114 der Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi, EU:C:2015:212, juris).

78

Dies ist jedenfalls für eine GmbH & Co. KG --wie dies für die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- zu bejahen.

79

a) Die Frage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG möglich ist, wird in der Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet (bejahend z.B. Diemer, Der Betrieb 2015, 1748; Korn, Beratersicht zur Steuerrechtsprechung 2015, 39; Nieskens, Betriebs-Berater 2015, 2074, 2076; Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 43/2015, Anm. 6, unter C. a.E.; wohl auch Hummel, Umsatzsteuer-Rundschau 2015, 671, 680; Streit/ Rust, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2015, 2097, 2099 f.; tendenziell verneinend Eggers, Neue Wirtschafts-Briefe 2015, 2566, 2574; Eggers/Korf, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 710, 718; Grünwald, MwStR 2015, 587, 588; offen Birkenfeld, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 757, 758; Hartman, Die Steuerberatung 2016, 18). Das beigetretene BMF hält eine richtlinienkonforme Auslegung nicht für möglich.

80

b) Für die vorzunehmende Prüfung, ob eine richtlinienkonforme Auslegung einer nationalen Vorschrift möglich ist, gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) folgende Grundsätze:

81

aa) Aus dem Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) folgt die Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie (in der vom EuGH entschiedenen Auslegung) entspricht (BVerfG-Beschluss vom 8. April 1987  2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223, unter B.2.c cc, Rz 45). Besteht ein Auslegungsspielraum, ist das nationale Gericht verpflichtet, diesen so weit wie möglich auszuschöpfen; mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden i.S. eines Optimierungsgebotes (BVerfG-Beschluss vom 26. September 2011  2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, BVerfGK 19, 89, unter B.II.1.b, Rz 46). Auch die Befugnis zur Rechtsfortbildung steht dem nationalen Richter zu, und zwar auch im Steuerrecht (BVerfG-Beschlüsse vom 22. Dezember 1992  1 BvR 1333/89, HFR 1993, 327, unter II.1., Rz 7; vom 16. Februar 2012  1 BvR 127/10, HFR 2012, 545, unter IV.1.a, Rz 23 f.; vom 17. September 2013  1 BvR 1928/12, HFR 2013, 1156, unter IV.1.a, Rz 33).

82

bb) Eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in dem Sinne, dass es auch eine GmbH & Co. KG umfasst, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG.

83

Denn steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet --wie hier dem Zivilrecht-- entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren; es besteht weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch für ein abweichendes Verständnis (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc, Rz 11, m.w.N.; BFH-Urteil vom 29. Januar 2015 V R 5/14, BFHE 249, 283, BStBl II 2015, 567, Rz 36).

84

cc) Im Übrigen gibt es auch außerhalb des Steuerrechts Beispiele für eine von der zivilrechtlichen Terminologie abweichende Auslegung des Begriffs "juristische Person".

85

So hat das BVerfG für Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) anerkannt, dass "juristische Personen" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften sein können (ständige Rechtsprechung seit dem BVerfG-Urteil vom 20. Juli 1954  1 BvR 114/54, BVerfGE 4, 7, unter C.3.b, Rz 15 f.; vgl. BVerfG-Urteil vom 29. Juli 1959  1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, unter C.I., Rz 40; BVerfG-Beschlüsse vom 11. Oktober 1966  2 BvR 477/64 u.a., BVerfGE 20, 257, unter B.I.2., Rz 27; vom 18. Oktober 1966  2 BvR 386/63, 2 BvR 478/63, BVerfGE 20, 283, unter B.II.2., Rz 47; vom 4. Dezember 1979  2 BvR 64/78, 2 BvR 460/79, BVerfGE 53, 1, unter B.I.1., Rz 55; s. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 1103/02, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3533, unter 2.a, Rz 6).

86

Im BVerfG-Beschluss vom 19. Juli 2000  1 BvR 539/96 (BVerfGE 102, 197, unter C.I., Rz 63) führt das BVerfG in Bezug auf zwei GmbH & Co. KGs (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 102, 197, unter A.II., Rz 5) sogar ausdrücklich aus, bei einem weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff sei das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf "juristische Personen des Privatrechts" anwendbar. Danach ist eine GmbH & Co. KG eine juristische Person i.S. des Art. 19 Abs. 3 GG.

87

Ferner geht das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) davon aus, dass "juristische Personen" (dort: i.S. des § 3 Abs. 10 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes) auch Personengesellschaften sein können und der Wortlaut "juristische Person" dieser Auslegung nicht entgegen steht (vgl. BVerwG-Urteil vom 1. Oktober 2015  7 C 8.14, Deutsches Verwaltungsblatt 2016, 188, unter 1.a bb(1), Rz 23).

88

c) Bezogen auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat Generalanwalt Mengozzi in Rz 115 seiner Schlussanträge (EU:C:2015:212, juris) angemerkt, die Kommission habe in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass das FG München (Urteil vom 13. März 2013  3 K 235/10, EFG 2013, 1434) mit der Feststellung, dass "kapitalistisch strukturierte" Personengesellschaften --wie die Tochtergesellschaften der Klägerinnen in den Ausgangsverfahren-- in den persönlichen Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG fallen könnten, den Versuch einer solchen mit dem Unionsrecht vereinbaren Auslegung unternommen habe.

89

d) Der Senat folgt mit Blick auf das Unionsrecht --insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsformneutralität (vgl. dazu Vorlagebeschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 74 und 75)-- der (offenbar sowohl von der Kommission als auch vom Generalanwalt unterstützten) Auffassung des FG München.

90

Denn eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat eine "kapitalistische Struktur" (Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44; vgl. auch Stadie in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 840). In der Rechtsprechung wird die GmbH & Co. KG der Form nach als Personengesellschaft gesehen; der Sache nach wird sie jedoch eher als GmbH gewertet Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 177a Anhang A Rz 3 f.). Steuerrechtlich sind die ehemals erheblichen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG in vielerlei Hinsicht mittlerweile durch den Gesetzgeber eingeebnet worden (Blaum in Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rz I 3175). Die GmbH & Co. KG unterliegt außerdem aufgrund der §§ 264a ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) weitgehend denselben Regeln der Rechnungspublizität und Prüfungspflicht wie eine Kapitalgesellschaft (Blaum in Westermann, a.a.O., Rz I 3176). Sie kann wie eine juristische Person unselbständig dem Willen eines anderen Rechtsträgers (nämlich des Organträgers) unterworfen sein, da bei ihr lediglich eine GmbH und damit eine juristische Person als Komplementärin gemäß § 164 HGB die Geschäfte führt (so zutreffend Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44).

91

e) Deshalb kann § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" (jedenfalls) auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

92

f) Die Auffassung des Senats, dass auch eine GmbH & Co. KG als "juristische Person" i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG anzusehen ist, weicht zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (DStR 2016, 219) ab.

93

aa) Der V. Senat des BFH hat in diesem Urteil entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann. Dies setzt zwar nach Auffassung des V. Senats des BFH voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Der V. Senat geht aber ebenfalls davon aus, dass eine GmbH & Co. KG --um die es auch im dortigen Verfahren ging-- Organgesellschaft sein kann (vgl. den Sachverhalt der Entscheidung sowie die Entscheidungsgründe unter II.4., Rz 60). Andernfalls hätte er die Klage abweisen müssen.

94

bb) Insoweit besteht Übereinstimmung. Ob der erkennende Senat der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil in DStR 2016, 219 im Übrigen zustimmen kann, ist im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.

95

cc) Zwar hatte der V. Senat im Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78 (BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362) u.a. entschieden, eine KG könne auch dann nicht unselbständig i.S. von § 2 Abs. 2 UStG sein, wenn ihr persönlich haftender Gesellschafter eine juristische Person ist (vgl. Leitsatz 2). Diese Aussage ist aber durch das BFH-Urteil in DStR 2016, 219 überholt.

96

g) Deshalb kommt auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH gemäß § 11 FGO in Betracht.

97

Für die Zulässigkeit einer Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung ist Voraussetzung, dass die vorgelegte Rechtsfrage sowohl für die Entscheidung des Senats, von der der anrufende Senat abweichen will, als auch für die Entscheidung des anrufenden Senats entscheidungserheblich ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262, unter C.I.2., Rz 14; vom 9. Oktober 2014 GrS 1/13, BFHE 247, 291, BStBl II 2015, 345, Rz 29; vom 14. April 2015 GrS 2/12, BFHE 250, 338, BStBl II 2015, 1007, Rz 31; BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, Rz 35).

98

Bestehen in Bezug auf die Rechtsfrage, ob eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann, lediglich Unterschiede in der Begründung, nicht aber im Ergebnis der beiden Urteile, liegt keine Abweichung i.S. des § 11 Abs. 2 FGO vor (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 212/82, BFHE 152, 146, BStBl II 1988, 309, Rz 25; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 11 FGO Rz 35; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 11 Rz 11; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 7).

99

Auch eine Anrufung des Großen Senats des BFH gemäß § 11 Abs. 4 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage setzt deren Entscheidungserheblichkeit voraus (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in HHSp, § 11 FGO Rz 105; Gräber/Herbert, a.a.O., § 11 Rz 26, m.w.N.).

100

7. Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, vorliegt, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden.

101

a) Insoweit hat der EuGH im Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) in Rz 44 und 45 ausgeführt:

    

"44 Zweitens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, dass jeder Mitgliedstaat diejenigen Personen als einen Steuerpflichtigen behandeln kann, die in seinem Gebiet ansässig, rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Das bloße Bestehen enger Verbindungen zwischen diesen Personen kann daher in Ermangelung weiterer Anforderungen nicht zu der Annahme führen, dass der Unionsgesetzgeber die Regelung über die Mehrwertsteuergruppe allein den Einheiten hat vorbehalten wollen, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden.

    

45 Das Vorliegen eines solchen Unterordnungsverhältnisses lässt zwar vermuten, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen bestehen, doch kann es - wie der Generalanwalt in Nr. 99 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - nicht grundsätzlich als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe notwendige Voraussetzung angesehen werden. Etwas anderes würde nur in den Ausnahmefällen gelten, in denen eine solche Bedingung in einem bestimmten nationalen Kontext eine für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung sowohl erforderliche als auch geeignete Maßnahme ist."

102

b) Generalanwalt Mengozzi hat in Rz 99 seiner Schlussanträge Larentia + Minerva (EU:C:2015:212, juris), auf die der EuGH Bezug genommen hat, dazu Folgendes ausgeführt:

    

"99. Auch wenn dem vorlegenden Gericht die Prüfung obliegt, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, frage ich mich jedoch, ob eine nationale Maßnahme, die eine solche Intensität der Verbindungen zwischen Personen verlangt, damit sie einen Mehrwertsteuerpflichtigen bilden, nicht über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinausgeht. Abgesehen von besonderen, einem bestimmten Mitgliedstaat eigenen Umständen, die dem Gerichtshof im vorliegenden Verfahren jedoch nicht unterbreitet worden sind, ist allgemein gesehen nämlich schwer zu verstehen, aus welchen Gründen die Verfolgung der genannten Ziele zwingend ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe erfordern sollte, damit die Voraussetzung des Vorliegens enger Beziehungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht erfüllt ist. Auch wenn das Vorliegen eines solchen Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe zweifellos eine hinreichende Bedingung für die Erreichung dieser Ziele und die Erfüllung der in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie aufgestellten Voraussetzung ist, zweifle ich doch daran, dass sie unbedingt erforderlich ist."

103

Der erkennende Senat hat im gegenwärtigen Verfahrensstadium die nach Rz 45 und 46 der Vorabentscheidung (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) ihm obliegende Prüfung noch nicht vorzunehmen. Es ist unklar, ob diese Prüfung im Streitfall vorgenommen werden muss; denn es fehlen Feststellungen dazu, welche finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften bestehen. Diese Feststellungen sind vorrangig und müssen vom FG im zweiten Rechtsgang zunächst nachgeholt werden.

104

Deshalb muss der Senat nicht entscheiden, ob er der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14 (DStR 2016, 226) folgt, für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bestehe eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht (vgl. BFH-Urteil in DStR 2016, 226, unter II.1.c cc, Rz 34 ff.).

105

8. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Auf Antrag wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes

1.
für die Elektrolyse,
2.
für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien und Erzeugnissen daraus, Katalysatorenträgern aus mineralischen Stoffen, Waren aus Asphalt und bituminösen Erzeugnissen, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen zum Trocknen, Kalzinieren, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte,
3.
für die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von Metallerzeugnissen für die Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen Erzeugnissen und zur Oberflächenveredlung und Wärmebehandlung jeweils zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder sonstigen Wärmebehandlung oder
4.
für chemische Reduktionsverfahren
entnommen hat.

(2) Erlass-, erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 11. September 2013  4 K 133/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellt Kupfer und verschiedene Edelmetalle her. Für die Metallerzeugung und Metallbearbeitung sowie die Elektrolyse setzt sie Strom ein. Im Rahmen der Kupferherstellung durch Elektrolyse wird das Rohkupfer in ein Bad aus verdünnter Schwefelsäure gehängt, in dem es sich langsam auflöst. Gegenüber der Anodenplatte wird eine Edelstahlplatte positioniert, die als Kathode dient. Zwischen Anoden- und Kathodenplatten (Kupfer und Edelstahl) wird eine elektrische Spannung so angelegt, dass der elektrische Strom über die Platten nur durch das Säurebad laufen kann. Dabei transportiert er das aufgelöste Kupfer von der Anode (Kupferplatte) zur Kathode (Edelstahlplatte), auf der es in Form hochreinen Metalls wieder abgeschieden wird. Alle anderen Metalle oder Nichtmetalle verbleiben entweder in der Lösung oder fallen als ungelöster Schlamm auf den Boden der Elektrolyse-Zellen. Weiterer Strom wird unter anderem für die Bewegung des Elektrolyts, das Umpumpen der säurehaltigen Lösung, den Transport der Platten mittels Maschinen oder die Luftreinigung benötigt.

2

Für 2007 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) antragsgemäß eine Steuerentlastung für den für die Elektrolyse eingesetzten Strom nach § 9a Abs. 1 Nr. 1 des Stromsteuergesetzes (StromStG - hier und im Folgenden in der im Streitjahr geltenden Fassung) und für die Metallerzeugung und -bearbeitung nach § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG gewährt. Aufgrund des Ergebnisses einer Außenprüfung forderte das HZA mit Bescheid vom 13. Dezember 2010 Stromsteuer mit der Begründung zurück, für Strom, der z.B. zum Antrieb von Motoren als Kraftstrom oder in Mess-, Steuerungs- oder Überwachungseinrichtungen sowie im Rahmen der Elektrolyse an anderer Stelle als unmittelbar an den Elektroden verwendet werde, könne keine Steuerentlastung gewährt werden.

3

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, eine Steuerentlastung sei lediglich hinsichtlich des als "Wärmestrom" verbrauchten Stroms zu gewähren. Wie der Wortlaut des § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG belege, sei die Steuerbegünstigung auf Strom beschränkt, der zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder zur sonstigen Wärmebehandlung entnommen werde. Demzufolge würden nur Vorgänge mit Wärmeerzeugung erfasst. Die Beschränkung stehe in Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, denn nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 3. Anstrich der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) gelte die Richtlinie nicht für elektrischen Strom, der hauptsächlich bei der Elektrolyse und bei Prozessen in der Metallindustrie verwendet werde, so dass den Mitgliedstaaten ein Gestaltungsspielraum verbleibe. Es sei geboten, den Begünstigungstatbestand restriktiv auszulegen, wobei nicht übersehen werde, dass § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) weiter gefasst sei.

4

Obwohl § 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG keine Einschränkung in Bezug auf bestimmte Prozesse enthalte, sei eine solche bereits der Wendung "für die Elektrolyse" zu entnehmen. Demgegenüber habe der Unionsgesetzgeber die weitere Formulierung "bei der Elektrolyse" gewählt. Die Entlastung sei auf den Kern der Elektrolyse zu beschränken, der sich darauf reduziere, eine Spannung an die Elektroden (Anode und Kathode) zu legen, die durch die Elektrolytlösung geleitet werde. Dieser Grundvorgang stelle bereits die Elektrolyse dar, so dass eine Steuerentlastung für Strom, der zum Antrieb von Motoren oder Maschinen verwendet werde, nicht in Betracht komme.

5

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, für das Argument des FG, nach dem die in der EnergieStRL verwendete Formulierung "bei der Elektrolyse" einen weiteren Anwendungsbereich impliziere als die in § 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG verwendete Formulierung "für die Elektrolyse", fehlten sprachliche Anhaltspunkte. Da eine nähere Bestimmung des Begriffs der Elektrolyse weder der EnergieStRL noch dem StromStG zu entnehmen sei, sei der begünstigte Prozess aus seinem technischen Verständnis heraus auszulegen, das eine Aufteilung in einen Kernprozess und Nebenprozesse verbiete. Daher könne nicht allein auf den Stromdurchfluss an den Elektroden abgestellt werden. Zur Elektrolyse sei z.B. auch der Strom erforderlich, mit dem Pumpen betrieben würden, um das Elektrolyt in Bewegung zu halten. Da Strom kein Energieerzeugnis sei, könne die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Verwendung von Energieerzeugnissen zu zweierlei Verwendungszwecken auf den Streitfall nicht übertragen werden, zumal Strom in ein anderes Erzeugnis nicht eingehen könne. Bei Strom sei die Unterscheidung zwischen Kraft- und Wärmestrom nicht relevant. Das Urteil des FG weiche von der Entscheidung des Thüringer FG vom 29. März 2012  2 K 667/10 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2012, Beilage Nr. 4, S. 62) ab, das den Entlastungstatbestand weiter ausgelegt habe. Dass eine extensive Auslegung geboten sei, belege die in § 17a Abs. 5 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) normierte Regelung, nach der das Laden und Wiederaufladen von Batterien keine Elektrolyse i.S. des § 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG sei. In Bezug auf die Metallerzeugung könne § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht entnommen werden, dass nur solcher Strom entlastungsfähig sei, der zur Umwandlung in Wärmeenergie dem Leitungsnetz entnommen werde. Eigentlicher Verbrauchsvorgang sei die Entnahme. In Schmelzöfen könne Strom sowohl in Form von mechanischer Energie als auch in Form von Wärmeenergie eingesetzt werden. Ein Erfordernis, den entnommenen Strom in Wärmeenergie umzuwandeln, habe der Gesetzgeber nicht festgelegt.

6

Darüber hinaus habe das FG eine falsche Rechtsnorm angewandt. Nicht beachtet habe das FG, dass § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG mit Wirkung zum 1. Januar 2007 geändert worden sei und eine völlig neue Struktur erhalten habe. Die einschränkende Aufführung von Wärmeprozessen beziehe sich jetzt nur noch auf die Herstellung bestimmter Produkte (Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteile, gewalzte Ringe und pulvermetallurgische Erzeugnisse). Daher sei eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache an das FG nach "§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung" geboten.

7

Das HZA schließt sich im Wesentlichen der Begründung des FG an. Es weist auf den 22. Erwägungsgrund der EnergieStRL hin, dem entnommen werden könne, dass Strom, der zur Erzeugung mechanischer Energie verwendet wird, den Bestimmungen der EnergieStRL unterliege und grundsätzlich zu besteuern sei. Die Elektrolytumwälzung gehöre nicht zum eigentlichen Prozess der Elektrolyse; vielmehr handele es sich um einen Hilfsprozess. Eine restriktive Auslegung der Entlastungstatbestände diene dem effektiven Gesetzesvollzug und entspreche der Intention des Gesetzgebers. Der Ergänzung der in § 17a StromStV getroffenen Regelungen um den Ausnahmetatbestand des § 17a Abs. 5 StromStV könne im Umkehrschluss nicht entnommen werden, dass alle Nebenprozesse einer Elektrolyse von der Stromsteuer freizustellen seien. Schließlich werde die Rechtsauffassung des HZA durch die Senatsurteile vom 7. August 2012 VII R 35/11 (BFH/NV 2013, 382) und vom 29. Oktober 2013 VII R 24/12 (BFHE 243, 96, ZfZ 2014, 52) gestützt.

8

Entgegen der Auffassung der Revision habe das FG die zutreffende Fassung des § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG angewandt. Im Übrigen beziehe sich die abschließende Aufzählung der Wärmeprozesse auf alle vorgenannten Tätigkeitsbereiche, also auch auf die Erzeugung und Bearbeitung von Metallen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin nur insoweit ein Entlastungsanspruch nach § 9a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StromStG zusteht, als der Strom bei der Metallerzeugung als Wärmestrom unmittelbar zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder zur sonstigen Wärmebehandlung und für die Elektrolyse zur Erzeugung einer Spannung an den Elektroden verwendet wird. Daher erweist sich der angefochtene Rückforderungsbescheid als rechtmäßig.

10

1. Nach § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG der im Streitjahr geltenden Fassung wird auf Antrag die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von Metallerzeugnissen für die Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen Erzeugnissen und zur Oberflächenbehandlung und Wärmebehandlung jeweils zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder zur sonstigen Wärmebehandlung entnommen hat.

11

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG die im Streitjahr geltende Fassung des § 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG und nicht die vorhergehende Version angewandt. Dies belegt der Umstand, dass in der Urteilsbegründung ausdrücklich auf "§ 9a Abs. 1 Nr. 3 StromStG in der ab dem 01.01.2007 geltenden Fassung" Bezug genommen wird. Zudem hat das FG bei der wörtlichen Wiedergabe der in der Norm aufgeführten Wärmeprozesse auch diejenigen Prozesse aufgeführt, die infolge der Gesetzesänderung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die Vorschrift neu aufgenommen worden sind, nämlich "Erwärmen" und "sonstige Wärmebehandlung". Dass das FG den Wortlaut des Entlastungstatbestands unter Nr. I.1. der Urteilsbegründung nur verkürzt wiedergegeben hat, lässt demgegenüber nicht den Schluss zu, dass das FG sein Urteil in Unkenntnis der geltenden Rechtslage getroffen hat, wie die Revision behauptet.

12

b) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei dem Unternehmen der Klägerin um ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 StromStG handelt. Demzufolge hat das HZA zu Recht eine Steuerentlastung für den Strom gewährt, den die Klägerin im Rahmen der Kupfererzeugung zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder zur sonstigen Wärmebehandlung des Kupfers verwendet hat. Den im Gesetz genannten Vorgängen ist gemeinsam, dass bei ihnen unter Verwendung von Strom erzeugte thermische Energie eingesetzt wird, mit der auf Metalle zur Erreichung eines bestimmten Ziels eingewirkt werden soll. Dabei handelt es sich um bei Metallen gebräuchliche Wärmebehandlungsarten, mit denen Aggregatzustände verändert, bestimmte Temperaturen gesteigert oder aufrechterhalten oder Spannungen durch Glühen abgebaut werden.

13

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich die als abschließend zu betrachtende Aufzählung von Wärmebehandlungsprozessen nicht dahin deuten, dass es lediglich auf die Entnahme des Stroms zur Metallerzeugung ankommt, so dass auch der Einsatz von Strom zur Erzeugung mechanischer Energie erfasst wird. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht begünstigt ist der Einsatz von Strom zum Antrieb von Motoren und zum Betrieb von Rechnern und Maschinen. Dabei kann der Auffassung der Revision nicht gefolgt werden, die den Entlastungstatbestand einschränkende Aufzählung der Wärmeprozesse beziehe sich nur auf die Herstellung der genannten Metallerzeugnisse und lasse die Metallerzeugung und -bearbeitung unberührt. Das den aufgeführten Wärmeprozessen vorangestellte Adverb "jeweils" gebietet eine Deutung der Vorschrift, nach der die Einschränkung sämtliche Vorgänge erfassen soll, bei denen Metalle oder Metallerzeugnisse hervorgebracht werden. Ein solches Verständnis der Norm legt auch ihre Entstehungsgeschichte nahe. In der vor dem 1. Januar 2007 geltenden Fassung kann sich die Aufzählung der Wärmebehandlungen nur auf die Metallerzeugung und -bearbeitung bezogen haben. In der Begründung für die Gesetzesänderung finden sich keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber diese Einschränkung mit Wirkung ab 1. Januar 2007 hat aufgeben wollen (BTDrucks 16/2709, S. 19 f.). Vielmehr ist der Begründung lediglich zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich des Entlastungstatbestands auf weitere Prozesse und Verfahren ausgedehnt werden sollte. Bei diesem Befund kann aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber hinter dem Wort Wärmebehandlung weder ein Komma noch ein Semikolon eingefügt hat, nicht darauf geschlossen werden, dass die Beschränkung der Begünstigung auf die genannten Wärmebehandlungen nur für die zweite Variante gelten sollte.

14

c) Diese Auslegung steht nicht in Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben. Mit der vom nationalen Gesetzgeber getroffenen Regelung hat dieser von der durch Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 3 EnergieStRL eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Einsatz elektrischen Stroms, der hauptsächlich bei Prozessen in der Metallindustrie verwendet wird, eigenständig steuerrechtlich zu regeln. Strom, der für den genannten Zweck verwendet wird, ist ausdrücklich vom Anwendungsbereich der EnergieStRL ausgenommen, so dass es dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleibt, ob und in welchem Umfang er sich für eine Steuerbelastung oder Steuerbefreiung entscheidet (zur grundsätzlich vergleichbaren Regelung in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2 EnergieStRL vgl. Senatsurteil in BFHE 243, 96, 99 f., ZfZ 2014, 52). Dies gilt auch dann, wenn sich Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 3 EnergieStRL --aufgrund der Formulierung "hauptsächlich"-- dahin deuten ließe, dass auch die Verwendung von Strom zur Erzeugung mechanischer Energie in den Fällen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgewiesen wäre, in denen ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Metallerzeugung besteht.

15

2. Nach § 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG wird auf Antrag die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für die Elektrolyse entnommen hat.

16

a) Das EnergieStG setzt den Begriff der Elektrolyse voraus, ohne ihn näher zu bestimmen. Seine Bedeutung erschließt sich aus dem Wortbestandteil "lyse", der auf das griechische Wort lýsis (Auflösung, Zersetzung) zurückzuführen ist. Der Wortbestandteil "Elektro-" deutet darauf hin, dass der Vorgang durch Verwendung elektrischen Stroms bewirkt wird. Demnach bedeutet Elektrolyse nach allgemeinem Sprachverständnis eine durch elektrische Energie herbeigeführte Zersetzung bzw. Auflösung. In der Physik ist unter Elektrolyse die Zersetzung von Elektrolyten mit Hilfe des elektrischen Stroms zu verstehen, wobei es sich um Reduktions-Oxidations-Vorgänge handelt, die sich an den Elektroden, die mit einer Gleichspannungsquelle verbunden sind und in eine Schmelze oder Flüssigkeit eintauchen, abspielen (Lenk/Gellert, Fachlexikon, ABC Physik, S. 356; vgl. auch "Elektrolyse" in Brockhaus, 21. Aufl.: Aufspaltung einer chemischen Verbindung unter Einwirkung des elektrischen Stroms).

17

Nach dem Wortlaut des Begünstigungstatbestands muss der Strom, für den eine Steuerentlastung begehrt wird, für die Elektrolyse entnommen worden sein. Dem FG ist darin zuzustimmen, dass die Präposition "für" eine Deutung nahelegt, nach der ein Einsatz elektrischer Energie erforderlich ist, der unmittelbar auf die Herbeiführung des Zersetzungsprozesses, d.h. des eigentlichen elektrolytischen Prozesses, abzielt. Dieses Normverständnis schließt eine Steuerentlastung für Strom aus, der zur Erzeugung mechanischer Energie, z.B. zum Antrieb von Motoren, eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang trifft die Behauptung der Klägerin nicht zu, das FG, das den Begriff der Elektrolyse auf das Anlegen einer Spannung an die Elektroden reduziert hat, sei vom Urteil des Thüringer FG in ZfZ 2012, Beilage Nr. 4, S. 62 abgewichen. In seinem Urteil hat das Thüringer FG den Vorgang der Formation an den Elektroden einer Batterie, durch die an der positiven Elektrode Bleioxyd zu Bleidioxyd oxidiert und an der negativen Elektrode Bleioxyd zu sog. Bleischwamm reduziert wird, aufgrund der damit einhergehenden Stoffgewinnung als der eigentlichen Elektrolyse zugehörig angesehen. Für den Streitfall lässt sich dieser Entscheidung nichts entnehmen; denn über die Verwendung von Strom zum Antrieb von Motoren und Maschinen hatte das Thüringer FG nicht zu befinden.

18

b) Entgegen der Auffassung der Revision gebietet die mit Wirkung zum 30. September 2011 in Kraft getretene Ausnahmeregelung des § 17a Abs. 5 StromStV keine extensive Auslegung des streitbefangenen Entlastungstatbestands. Danach gelten das Laden und das Wiederaufladen von Batterien und Akkumulatoren nicht als Elektrolyse oder chemische Reduktionsverfahren i.S. des § 9a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 StromStG. Die Frage nach der Besteuerung von Wärme- oder Kraftstrom stellt sich bei diesen Vorgängen nicht. Vielmehr weist die Regelung darauf hin, dass der Gesetzgeber den eigentlichen Ladevorgang als einen elektrolytischen Prozess versteht, der jedoch an der für die Elektrolyse festgelegten Steuerbegünstigung nicht teilhaben soll. Insoweit wird der Anwendungsbereich des Entlastungstatbestands eingeschränkt und gerade nicht erweitert. Das Gegenargument der Klägerin, im Umkehrschluss seien alle anderen zur Elektrolyse gehörenden Prozesse vom Entlastungstatbestand erfasst, vermag deshalb nicht zu überzeugen, weil der Verordnungsgeber keine Nebenprozesse, sondern in einem bestimmten Fall den eigentlichen Kernprozess der Elektrolyse von der Steuerentlastung ausgenommen hat.

19

c) Sinn und Zweck des § 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG sowie die unionsrechtlichen Vorgaben erfordern keine extensive Auslegung der Vorschrift unter Einbeziehung sog. Kraftstroms. Ausweislich der Gesetzesbegründung wurden die in § 9a Abs. 1 StromStG genannten Verwendungen von Strom auf Grundlage des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL von der Besteuerung ausgenommen (BTDrucks 16/1172, S. 47 f.). Nach dieser Bestimmung gilt die EnergieStRL nicht für Energieerzeugnisse, die für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoffe verwendet werden, für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck, für mineralogische Verfahren und für elektrischen Strom, der hauptsächlich für die Zwecke der chemischen Reduktion, bei der Elektrolyse und bei Prozessen in der Metallindustrie verwendet wird sowie für elektrischen Strom, wenn er mehr als 50 % der Kosten für ein Erzeugnis ausmacht. Aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie sind die genannten Verwendungen ausgewiesen, weil der Unionsgesetzgeber die Energie- und Stromsteuer als verwendungsorientierte Steuer auf Energieleistungen ausgestalten wollte. Besteuert werden soll insbesondere die Gewinnung von Wärme oder das Generieren motorischer Leistung.

20

Einer engen Auslegung des § 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG und dem damit verbundenen Ausschluss der Steuerbegünstigung für sog. Kraftstrom steht das Unionsrecht daher nicht entgegen. Vielmehr entspricht es dem Sinn und Zweck der Strombesteuerung, die Verwendung von Strom zum Antrieb von Pumpen, Förderbändern und Ventilatoren der Besteuerung zu unterwerfen und von der für die Elektrolyse vorgesehenen Steuerbefreiung auszunehmen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der Besteuerung von Strom, der bei der Elektrolyse eingesetzt wird, ein weitreichender Gestaltungsspielraum verbleibt. Infolge der Ausweisung der Stromverwendung in solchen Fällen aus dem sachlichen Anwendungsbereich der EnergieStRL handelt es sich nämlich um einen nicht harmonisierten Bereich.

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Auf Antrag wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes

1.
für die Elektrolyse,
2.
für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien und Erzeugnissen daraus, Katalysatorenträgern aus mineralischen Stoffen, Waren aus Asphalt und bituminösen Erzeugnissen, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen zum Trocknen, Kalzinieren, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte,
3.
für die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von Metallerzeugnissen für die Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen Erzeugnissen und zur Oberflächenveredlung und Wärmebehandlung jeweils zum Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen oder sonstigen Wärmebehandlung oder
4.
für chemische Reduktionsverfahren
entnommen hat.

(2) Erlass-, erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen hat.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.