Finanzgericht Köln Urteil, 26. Juni 2014 - 3 K 1906/12

ECLI:ECLI:DE:FGK:2014:0626.3K1906.12.00
26.06.2014

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Abgabenordnung - AO 1977 | § 164 Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung


(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets

Abgabenordnung - AO 1977 | § 129 Offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsakts


Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem sch

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Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2007 verstorbenen Ehemanns (E). E hatte im Streitjahr (2000) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. In ihrer am 22. Oktober 2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute Unterhaltsaufwendungen für ihren Sohn (S) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus der Erklärung ergab sich, dass S als Student in Frankreich lebte und dort einen gemeinsamen Haushalt mit Ehefrau und zwei Kindern unterhielt. Die Klägerin und E teilten die eigenen Einkünfte des S, die sich im Streitjahr tatsächlich auf 31.047 DM beliefen, durch vier und gaben sie nur in Höhe von 7.762 DM an. Darüber hinaus gaben sie in der Anlage N der Steuererklärung die von E im Streitjahr bezogenen und auf der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen pauschalbesteuerten Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 7.020 DM nicht an.

2

In dem am 24. Oktober 2001 vom zuständigen Sachbearbeiter freigegebenen Einkommensteuerbescheid vom 7. November 2001 berücksichtigte das FA die Unterhaltsaufwendungen für S in Höhe von 6.938 DM als außergewöhnliche Belastungen. Das FA ging dabei von eigenen Einkünften des S in Höhe von 7.762 DM aus. Im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ließ es die erwähnten Arbeitgeberleistungen unberücksichtigt.

3

S hatte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 9. Oktober 2001 beim FA abgegeben. Er war vom selben Sachbearbeiter bereits mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 veranlagt worden, nachdem dieser am 12. Oktober 2001 die abschließende Zeichnung vorgenommen hatte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich auf 31.047 DM.

4

Das FA änderte den Bescheid vom 7. November 2001 am 19. Dezember 2002 gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) und § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Es berücksichtigte die Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und kürzte die Werbungskosten des E bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend. Darüber hinaus ließ das FA in diesem Bescheid wegen der Höhe der Einkünfte des S die Unterhaltsaufwendungen nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu.

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Allerdings berücksichtigte das FA im während des Klageverfahrens gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 2. Juli 2009 die Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.920 DM.

6

Das FG vertrat die Auffassung, das FA habe die Änderung des Bescheids zu Recht auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen und auf § 129 AO bezüglich der Werbungskosten gestützt.

7

Der Sachbearbeiter des FA habe erst im Verfahren betreffend die Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids Kenntnis davon erlangt, dass S über höhere zu berücksichtigende Einkünfte verfügt habe. Aus dem Vortrag der Beteiligten und aus den Akten folge nichts Gegenteiliges. Der vom FA vorgetragene und mit dem Akteninhalt übereinstimmende Geschehensablauf spreche dafür, dass erst im Zuge der Überprüfung, wie der pauschalbesteuerte Aufwendungsersatz für beruflich veranlasste Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in den Vorjahren behandelt worden sei, der neue Sachbearbeiter auch die Einkünfte des S überprüft habe.

8

Dem FA könne die Kenntnis des (früheren) Sachbearbeiters aus den Akten des S für den Steuerfall der Klägerin nicht zugerechnet werden. Zwar seien der zuständigen Dienststelle des FA der Inhalt der dort geführten Akten sowie die dem zuständigen Sachbearbeiter für seine Arbeit zugänglichen Dateien bzw. elektronischen Akten zuzurechnen, ohne dass es auf dessen individuelle Kenntnis im Einzelfall ankomme. Dabei komme es jedoch nur auf die denselben Steuerfall, d.h. die dasselbe Steuersubjekt betreffenden Akten an. Eine Tatsache sei nicht bekannt, wenn der Bearbeiter von ihr im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines anderen Steuerfalls Kenntnis erlangt habe, weil dies die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen der innerhalb des FA zuständigen Personen überspanne. Dem Sachbearbeiter müsse und könne der Inhalt sämtlicher in seinem Veranlagungsbezirk geführten Akten nicht bei der Bearbeitung einer jeden Steuerfestsetzung bekannt sein.

9

Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht könne dem FA nicht entgegengehalten werden. Für den Sachbearbeiter des FA habe keine besondere Veranlassung bestanden, bei der Veranlagung der Klägerin und des E die Steuerakten des S beizuziehen, um die Akten zu überprüfen. Die Angaben zu den Unterhaltsaufwendungen seien aus sich heraus nachvollziehbar gewesen, so dass eine besondere Überprüfung nicht angezeigt gewesen sei.

10

Die Voraussetzungen des § 129 AO lägen vor. Bei der erstmaligen Veranlagung habe der Sachbearbeiter offenkundig die pauschalversteuerten Arbeitgeberleistungen übersehen, obwohl diese aus der der Steuererklärung beigefügten Lohnsteuerkarte ohne weiteres ersichtlich gewesen seien. Es sei aber nicht ersichtlich, dass der Sachbearbeiter den Fahrtkostenersatz aufgrund eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums unberücksichtigt gelassen habe. Für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe nicht der geringste vernünftige Grund. Im Gegenteil: Die offenbare Unrichtigkeit sei so offenkundig, dass sie jeglichen begründeten Zweifel hieran ausschließe.

11

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

12

Sie beantragt, das angefochtene Urteil, den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19. Dezember 2002 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

13

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA durfte zwar den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid wegen des ursprünglich nicht berücksichtigten Aufwendungsersatzes gemäß § 129 AO ändern. Zur Frage, ob das FA auch berechtigt war, denselben Bescheid im Hinblick auf die Berücksichtigung von Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu berichtigen, fehlt es jedoch an ausreichenden Feststellungen.

15

1. Soweit das FA im angefochtenen Bescheid bei den Einkünften des Klägers die Werbungskosten gekürzt hat, ergibt sich die Änderungsbefugnis aus § 129 AO. Die Würdigung des FG, dem FA sei insoweit beim Erlass des ursprünglichen Bescheids ein die Berichtigung ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum nicht unterlaufen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

16

a) Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem "Versehen" beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein.

17

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden.

18

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt. Ob ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 129 Rz 4).

19

Ein Fehler ist dann "offenbar" i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (Senatsentscheidung vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694).

20

b) Im Streitfall hat das FG die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen als Folge eines versehentlichen Erfassungsfehlers im Wesentlichen mit der Begründung angenommen, für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe "nicht der geringste vernünftige Grund". Für das FG war offensichtlich maßgeblich, dass sich nach Aktenlage ein Hinweis auf einen solchen, die Berichtigung ausschließenden Irrtum nicht belegen lässt. Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung, die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen sei ein offen zutage liegender Umstand, noch nachvollziehbar. Ohne eine entsprechende Kenntlichmachung in den Akten kann nicht davon ausgegangen werden, der Bearbeiter hätte den Ansatz bewusst außer Betracht lassen wollen.

21

2. Anhand der Feststellungen des FG kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob das FA den angefochtenen Bescheid wegen neuer Tatsachen ändern durfte.

22

a) Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheids ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung des BFH, s. etwa Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 80 ff.)

23

b) Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist.

24

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es dabei nicht auf die Kenntnis der "Finanzbehörde" als solche, sondern auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle an (a.A. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 31).

25

Dabei ist allerdings dieser Stelle grundsätzlich das bekannt, was sich aus den bei ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; kritisch zur Rechtsprechung von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 173 AO Rz 183 ff.). Zu den Akten gehören alle Schriftstücke, die bei der Dienststelle vorliegen oder sie im Dienstgang erreichen. Bekannt sind der zuständigen Dienststelle in diesem Sinn auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen zur Verfügung gestellt werden (Senatsentscheidung vom 13. Januar 2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479). Ist dem Bearbeiter der zuständigen Dienststelle im Zeitpunkt der Veranlagung der Inhalt der Akten nach diesen Grundsätzen bekannt, so können die hier aufgeführten Tatsachen nicht mehr nachträglich bekannt werden und damit auch nicht mehr Grundlage für die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein (BFH-Urteile vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492; vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220).

26

Ergibt sich die Tatsache oder das Beweismittel nicht aus den Akten, kommt es auf die Kenntnis derjenigen Person oder Stelle innerhalb der Finanzbehörde an, die für die Bearbeitung des Streitfalls organisationsmäßig berufen war (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458). Zu diesen Personen zählen regelmäßig der Sachbearbeiter, der Sachgebietsleiter und der Vorsteher (BFH-Urteil vom 14. November 2007 XI R 48/06, BFH/NV 2008, 367). Bekannt sind diejenigen Tatsachen und Beweismittel, die der zuständige Finanzbeamte in Ausübung seines Amtes erlangt. Rein privates Wissen des Beamten ist demgegenüber der Finanzbehörde nicht zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458).

27

c) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht die Auffassung vertreten, dass dem FA nur der Inhalt der Akten als bekannt gelten kann, die in der zuständigen Dienststelle für den zu veranlagenden Steuerpflichtigen geführt werden (BFH-Urteil in BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220; Urteil des FG Köln vom 13. März 2003  6 K 5158/99, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1060; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 188; Frotscher in Schwarz, AO, § 173 Rz 123; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 56.4 unter Bezugnahme auf ein Urteil des FG Düsseldorf vom 31. Oktober 1991  14 K 185/87 E; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 65). Tatsachen, die sich aus den Akten anderer Steuerpflichtiger ergeben, gelten auch dann nicht als bekannt, wenn für deren Bearbeitung dieselbe Person zuständig ist. Denn maßgeblich ist grundsätzlich die tatsächliche Kenntnis der Finanzbehörde, nicht das Kennenkönnen oder Kennenmüssen. Soweit die Rechtsprechung aktenkundige Tatsachen stets als bekannt voraussetzt, handelt es sich um eine wesentliche Einschränkung und Ausnahme vom Grundsatz der subjektiven Gegebenheiten. Der Ausnahmecharakter gebietet die Beschränkung auf zugängliche (s. dazu von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 190) und den Steuerpflichtigen unmittelbar betreffende Akten.

28

d) Der Streitfall ist gleichwohl nicht spruchreif. Denn das FG hat nicht aufgeklärt, ob der für die Veranlagung der Klägerin und des S zuständige Sachbearbeiter in sonstiger Weise im maßgeblichen Zeitpunkt positive Kenntnis von der Höhe der Einkünfte des S hatte (s. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 367). Hierzu bestand deshalb Anlass, weil der für die Klägerin und E zuständige Sachbearbeiter nur wenige Tage zuvor den S veranlagt hat. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ihm die hieraus bekannt gewordene Höhe der Einkünfte des S noch im Gedächtnis war oder ihm die Bruchstücke seiner Erinnerung jedenfalls Anlass gaben, die Steuerakten des S beizuziehen. Denn der zuständige Bearbeiter muss sich jedenfalls das Wissen aus einem anderen steuerlichen Verfahren dann zurechnen lassen, wenn zur Hinzuziehung des entsprechenden Vorgangs nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand mit der Folge, dass das Unterlassen der Beiziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach sich zöge (BFH-Urteil vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047).

29

Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang aufklären müssen, ob der zuständige Sachbearbeiter im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E aufgrund der wenige Tage zuvor erfolgten Bearbeitung des Steuerfalls des S positive Kenntnis von dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Klägerin sowie von dessen Einkünften im Streitjahr besaß. Kann der Sachverhalt nicht (mehr) aufgeklärt werden, ist nach den Regeln der Beweislast zu entscheiden (s. dazu Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 53, m.w.N.).

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Rechtsnachfolger der zwischenzeitlich verstorbenen ursprünglichen Klägerin (Erblasserin). Diese war seit November 1998 verwitwet und daher für den Veranlagungszeitraum 1999 einzeln veranlagt worden; dabei wurde nach § 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Splittingtarif angewandt (sog. Verwitwetensplitting). Die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2000 und 2001 reichte sie im Oktober 2001 und im September 2002 beim seinerzeit zuständigen Finanzamt (FA) ein. Obwohl sie auf dem Mantelbogen der Erklärung zutreffend erklärt hatte, seit dem 24. November 1998 verwitwet zu sein, hakte der Veranlagungssachbearbeiter die Angaben der Erblasserin ab, ohne in den Feldern, die Kennziffern für die elektronische Datenverarbeitung enthalten, Eintragungen zu machen. Infolgedessen wurde die Einkommensteuer für 2000 am 23. November 2001 und für 2001 am 2. Oktober 2002 unter Anwendung des Splittingtarifs festgesetzt. Der Bescheid für 2000 wurde am 2. Oktober 2002 nach § 10d EStG geändert und die Steuer wiederum nach dem Splittingtarif ermittelt.

2

Am 22. August 2003 änderte das FA die Bescheide für 2000 und 2001 nach § 129 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer nach der Grundtabelle fest.

3

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, es sei auszuschließen, dass die fehlerhafte Anwendung der Splittingtabelle auf einer unterlassenen Sachverhaltsaufklärung oder einer fehlerhaften Gesetzesanwendung beruhe. Die Übernahme der aus dem Jahr 1999 für die Veranlagungsart gespeicherten Kennzahl beruhe auf einer Flüchtigkeit oder Gedankenlosigkeit des Veranlagungssachbearbeiters, der die Angaben zum Familienstand übersehen habe.

4

Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde tragen die Kläger vor, das FG-Urteil weiche vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. November 1992 XI R 40/91 (BFH/NV 1993, 509) sowie vom Urteil des FG Baden-Württemberg vom 9. Februar 2006  3 K 57/02 ab. Ein bloßes Übersehen des Hinweises "verwitwet seit ... 1998" könne im Streitfall nicht angenommen werden, da die Erklärungen keine Besteuerungsmerkmale eines Ehegatten enthielten, anlässlich der Verwitwung eine neue Steuernummer erteilt worden sei und der gleiche Fehler bei zwei Veranlagungen verschiedener Jahre vorgekommen sei. Zudem sei eine Entscheidung durch den BFH zur Rechtsfortbildung erforderlich, da zwar das bewusste völlige Außerachtlassen und Nichtprüfen von Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich als mechanisches Versehen anzusehen sei, sich aber die Frage stelle, ob nicht eine Änderung nach § 129 AO ausgeschlossen sei, wenn der Veranlagungssachbearbeiter die notwendigen Überlegungen zur Veranlagungsart nicht anstelle und aufgrund gespeicherter Stammdaten eine falsche Veranlagungsart durchführe, weil die Wahl der Veranlagungs- bzw. der Tabellenart durch komplexe Besteuerungsmerkmale bestimmt werde.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

6

1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

7

a) Das FG-Urteil weicht nicht vom BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 509 ab. In jener Sache hatte die Veranlagungssachbearbeiterin zwar zunächst eine Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus einer Beteiligung übersehen, diesen Fehler aber bemerkt und daraufhin eine neue --wiederum falsche-- Gewinnermittlung vorgenommen, bei der sich ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum nicht ausschließen ließ; ihren danach verbliebenen Zweifeln ging sie trotz eines Prüfhinweises nicht nach. Gegen ein bloßes mechanisches Versehen sprach darüber hinaus, dass die Unachtsamkeit nicht offen zutage lag.

8

Der Streitfall ist demgegenüber durch ein zwar wiederholtes, aber "einfaches" Übersehen der Tatsache gekennzeichnet, dass der Ehemann der Erblasserin bereits 1998 --und nicht erst im Vorjahr des jeweiligen Veranlagungszeitraums-- verstorben war; der Fehler war zudem offenkundig und ein Rechtsfehler angesichts des eindeutigen und leicht verständlichen Wortlautes des § 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen.

9

Ob jede Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachaufklärung bzw. fehlerhaften Tatsachenwürdigung auszuschließen ist, beurteilt sich im Übrigen nach den Verhältnissen des Einzelfalles, vor allem nach Aktenlage. Die Entscheidung darüber ist im Wesentlichen eine Tatfrage, die nach § 118 Abs. 2 FGO revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (BFH-Urteile vom 19. März 2009 IV R 84/06, BFH/NV 2009, 1394; vom 21. Januar 2010 III R 22/08, BFH/NV 2010, 1410).

10

b) Eine Abweichung des FG-Urteils vom Urteil des FG Baden-Württemberg vom 9. Februar 2006  3 K 57/02 könnte nicht zur Zulassung der Revision führen, da dieses durch das Senatsurteil in BFH/NV 2010, 1410 aufgehoben wurde.

11

2. Eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung ist nicht erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Die Frage, ob eine Änderung wegen offenbarer Unrichtigkeit ausscheidet, wenn der Veranlagungssachbearbeiter notwendige Überlegungen nicht anstellt, ist durch die BFH-Rechtsprechung bereits beantwortet. Nach dem Senatsurteil in BFH/NV 2010, 1410 ist § 129 AO nicht von Verschuldenserwägungen abhängig; für die Anwendbarkeit der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob der Bearbeiter bei gehöriger Sorgfalt sein Versehen hätte erkennen und die offenbare Unrichtigkeit bei der Steuerfestsetzung hätte vermeiden können. Ob die Rechtslage in diesem Sinne auch bereits im Zeitpunkt des Eingangs dieser Beschwerde geklärt war, kann dahinstehen, denn der maßgebende Zeitpunkt für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ist der der Beschlussfassung des BFH (BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 I B 141/05, BFH/NV 2007, 928; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 256, m.w.N.).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2007 verstorbenen Ehemanns (E). E hatte im Streitjahr (2000) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. In ihrer am 22. Oktober 2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute Unterhaltsaufwendungen für ihren Sohn (S) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus der Erklärung ergab sich, dass S als Student in Frankreich lebte und dort einen gemeinsamen Haushalt mit Ehefrau und zwei Kindern unterhielt. Die Klägerin und E teilten die eigenen Einkünfte des S, die sich im Streitjahr tatsächlich auf 31.047 DM beliefen, durch vier und gaben sie nur in Höhe von 7.762 DM an. Darüber hinaus gaben sie in der Anlage N der Steuererklärung die von E im Streitjahr bezogenen und auf der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen pauschalbesteuerten Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 7.020 DM nicht an.

2

In dem am 24. Oktober 2001 vom zuständigen Sachbearbeiter freigegebenen Einkommensteuerbescheid vom 7. November 2001 berücksichtigte das FA die Unterhaltsaufwendungen für S in Höhe von 6.938 DM als außergewöhnliche Belastungen. Das FA ging dabei von eigenen Einkünften des S in Höhe von 7.762 DM aus. Im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ließ es die erwähnten Arbeitgeberleistungen unberücksichtigt.

3

S hatte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 9. Oktober 2001 beim FA abgegeben. Er war vom selben Sachbearbeiter bereits mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 veranlagt worden, nachdem dieser am 12. Oktober 2001 die abschließende Zeichnung vorgenommen hatte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich auf 31.047 DM.

4

Das FA änderte den Bescheid vom 7. November 2001 am 19. Dezember 2002 gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) und § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Es berücksichtigte die Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und kürzte die Werbungskosten des E bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend. Darüber hinaus ließ das FA in diesem Bescheid wegen der Höhe der Einkünfte des S die Unterhaltsaufwendungen nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu.

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Allerdings berücksichtigte das FA im während des Klageverfahrens gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 2. Juli 2009 die Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.920 DM.

6

Das FG vertrat die Auffassung, das FA habe die Änderung des Bescheids zu Recht auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen und auf § 129 AO bezüglich der Werbungskosten gestützt.

7

Der Sachbearbeiter des FA habe erst im Verfahren betreffend die Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids Kenntnis davon erlangt, dass S über höhere zu berücksichtigende Einkünfte verfügt habe. Aus dem Vortrag der Beteiligten und aus den Akten folge nichts Gegenteiliges. Der vom FA vorgetragene und mit dem Akteninhalt übereinstimmende Geschehensablauf spreche dafür, dass erst im Zuge der Überprüfung, wie der pauschalbesteuerte Aufwendungsersatz für beruflich veranlasste Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in den Vorjahren behandelt worden sei, der neue Sachbearbeiter auch die Einkünfte des S überprüft habe.

8

Dem FA könne die Kenntnis des (früheren) Sachbearbeiters aus den Akten des S für den Steuerfall der Klägerin nicht zugerechnet werden. Zwar seien der zuständigen Dienststelle des FA der Inhalt der dort geführten Akten sowie die dem zuständigen Sachbearbeiter für seine Arbeit zugänglichen Dateien bzw. elektronischen Akten zuzurechnen, ohne dass es auf dessen individuelle Kenntnis im Einzelfall ankomme. Dabei komme es jedoch nur auf die denselben Steuerfall, d.h. die dasselbe Steuersubjekt betreffenden Akten an. Eine Tatsache sei nicht bekannt, wenn der Bearbeiter von ihr im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines anderen Steuerfalls Kenntnis erlangt habe, weil dies die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen der innerhalb des FA zuständigen Personen überspanne. Dem Sachbearbeiter müsse und könne der Inhalt sämtlicher in seinem Veranlagungsbezirk geführten Akten nicht bei der Bearbeitung einer jeden Steuerfestsetzung bekannt sein.

9

Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht könne dem FA nicht entgegengehalten werden. Für den Sachbearbeiter des FA habe keine besondere Veranlassung bestanden, bei der Veranlagung der Klägerin und des E die Steuerakten des S beizuziehen, um die Akten zu überprüfen. Die Angaben zu den Unterhaltsaufwendungen seien aus sich heraus nachvollziehbar gewesen, so dass eine besondere Überprüfung nicht angezeigt gewesen sei.

10

Die Voraussetzungen des § 129 AO lägen vor. Bei der erstmaligen Veranlagung habe der Sachbearbeiter offenkundig die pauschalversteuerten Arbeitgeberleistungen übersehen, obwohl diese aus der der Steuererklärung beigefügten Lohnsteuerkarte ohne weiteres ersichtlich gewesen seien. Es sei aber nicht ersichtlich, dass der Sachbearbeiter den Fahrtkostenersatz aufgrund eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums unberücksichtigt gelassen habe. Für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe nicht der geringste vernünftige Grund. Im Gegenteil: Die offenbare Unrichtigkeit sei so offenkundig, dass sie jeglichen begründeten Zweifel hieran ausschließe.

11

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

12

Sie beantragt, das angefochtene Urteil, den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19. Dezember 2002 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

13

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA durfte zwar den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid wegen des ursprünglich nicht berücksichtigten Aufwendungsersatzes gemäß § 129 AO ändern. Zur Frage, ob das FA auch berechtigt war, denselben Bescheid im Hinblick auf die Berücksichtigung von Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu berichtigen, fehlt es jedoch an ausreichenden Feststellungen.

15

1. Soweit das FA im angefochtenen Bescheid bei den Einkünften des Klägers die Werbungskosten gekürzt hat, ergibt sich die Änderungsbefugnis aus § 129 AO. Die Würdigung des FG, dem FA sei insoweit beim Erlass des ursprünglichen Bescheids ein die Berichtigung ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum nicht unterlaufen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

16

a) Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem "Versehen" beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein.

17

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden.

18

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt. Ob ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 129 Rz 4).

19

Ein Fehler ist dann "offenbar" i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (Senatsentscheidung vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694).

20

b) Im Streitfall hat das FG die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen als Folge eines versehentlichen Erfassungsfehlers im Wesentlichen mit der Begründung angenommen, für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe "nicht der geringste vernünftige Grund". Für das FG war offensichtlich maßgeblich, dass sich nach Aktenlage ein Hinweis auf einen solchen, die Berichtigung ausschließenden Irrtum nicht belegen lässt. Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung, die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen sei ein offen zutage liegender Umstand, noch nachvollziehbar. Ohne eine entsprechende Kenntlichmachung in den Akten kann nicht davon ausgegangen werden, der Bearbeiter hätte den Ansatz bewusst außer Betracht lassen wollen.

21

2. Anhand der Feststellungen des FG kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob das FA den angefochtenen Bescheid wegen neuer Tatsachen ändern durfte.

22

a) Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheids ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung des BFH, s. etwa Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 80 ff.)

23

b) Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist.

24

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es dabei nicht auf die Kenntnis der "Finanzbehörde" als solche, sondern auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle an (a.A. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 31).

25

Dabei ist allerdings dieser Stelle grundsätzlich das bekannt, was sich aus den bei ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; kritisch zur Rechtsprechung von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 173 AO Rz 183 ff.). Zu den Akten gehören alle Schriftstücke, die bei der Dienststelle vorliegen oder sie im Dienstgang erreichen. Bekannt sind der zuständigen Dienststelle in diesem Sinn auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen zur Verfügung gestellt werden (Senatsentscheidung vom 13. Januar 2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479). Ist dem Bearbeiter der zuständigen Dienststelle im Zeitpunkt der Veranlagung der Inhalt der Akten nach diesen Grundsätzen bekannt, so können die hier aufgeführten Tatsachen nicht mehr nachträglich bekannt werden und damit auch nicht mehr Grundlage für die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein (BFH-Urteile vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492; vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220).

26

Ergibt sich die Tatsache oder das Beweismittel nicht aus den Akten, kommt es auf die Kenntnis derjenigen Person oder Stelle innerhalb der Finanzbehörde an, die für die Bearbeitung des Streitfalls organisationsmäßig berufen war (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458). Zu diesen Personen zählen regelmäßig der Sachbearbeiter, der Sachgebietsleiter und der Vorsteher (BFH-Urteil vom 14. November 2007 XI R 48/06, BFH/NV 2008, 367). Bekannt sind diejenigen Tatsachen und Beweismittel, die der zuständige Finanzbeamte in Ausübung seines Amtes erlangt. Rein privates Wissen des Beamten ist demgegenüber der Finanzbehörde nicht zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458).

27

c) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht die Auffassung vertreten, dass dem FA nur der Inhalt der Akten als bekannt gelten kann, die in der zuständigen Dienststelle für den zu veranlagenden Steuerpflichtigen geführt werden (BFH-Urteil in BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220; Urteil des FG Köln vom 13. März 2003  6 K 5158/99, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1060; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 188; Frotscher in Schwarz, AO, § 173 Rz 123; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 56.4 unter Bezugnahme auf ein Urteil des FG Düsseldorf vom 31. Oktober 1991  14 K 185/87 E; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 65). Tatsachen, die sich aus den Akten anderer Steuerpflichtiger ergeben, gelten auch dann nicht als bekannt, wenn für deren Bearbeitung dieselbe Person zuständig ist. Denn maßgeblich ist grundsätzlich die tatsächliche Kenntnis der Finanzbehörde, nicht das Kennenkönnen oder Kennenmüssen. Soweit die Rechtsprechung aktenkundige Tatsachen stets als bekannt voraussetzt, handelt es sich um eine wesentliche Einschränkung und Ausnahme vom Grundsatz der subjektiven Gegebenheiten. Der Ausnahmecharakter gebietet die Beschränkung auf zugängliche (s. dazu von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 190) und den Steuerpflichtigen unmittelbar betreffende Akten.

28

d) Der Streitfall ist gleichwohl nicht spruchreif. Denn das FG hat nicht aufgeklärt, ob der für die Veranlagung der Klägerin und des S zuständige Sachbearbeiter in sonstiger Weise im maßgeblichen Zeitpunkt positive Kenntnis von der Höhe der Einkünfte des S hatte (s. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 367). Hierzu bestand deshalb Anlass, weil der für die Klägerin und E zuständige Sachbearbeiter nur wenige Tage zuvor den S veranlagt hat. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ihm die hieraus bekannt gewordene Höhe der Einkünfte des S noch im Gedächtnis war oder ihm die Bruchstücke seiner Erinnerung jedenfalls Anlass gaben, die Steuerakten des S beizuziehen. Denn der zuständige Bearbeiter muss sich jedenfalls das Wissen aus einem anderen steuerlichen Verfahren dann zurechnen lassen, wenn zur Hinzuziehung des entsprechenden Vorgangs nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand mit der Folge, dass das Unterlassen der Beiziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach sich zöge (BFH-Urteil vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047).

29

Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang aufklären müssen, ob der zuständige Sachbearbeiter im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E aufgrund der wenige Tage zuvor erfolgten Bearbeitung des Steuerfalls des S positive Kenntnis von dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Klägerin sowie von dessen Einkünften im Streitjahr besaß. Kann der Sachverhalt nicht (mehr) aufgeklärt werden, ist nach den Regeln der Beweislast zu entscheiden (s. dazu Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 53, m.w.N.).

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tatbestand

1

I. Im Streitjahr 2005 erzielte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Wegen Arbeitslosigkeit bezog sie vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2005 Lohnersatzleistungen in Höhe von 10.764 €. Die Bescheinigung hierüber legte sie ihrer Steuererklärung für das Streitjahr bei, die am 6. Juni 2006 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) einging.

2

Der zuständige Bearbeiter trug in Sachbereich 47 zu Kennziffer 120 "Lohnersatzleistungen" den Betrag "10764" ein und vermerkte vor der Kennziffer "lag vor".

3

Der Einkommensteuerbescheid vom 25. August 2006 erging ohne Berücksichtigung der Lohnersatzleistungen. Es wurde Einkommensteuer in Höhe von 1.720 € festgesetzt.

4

Im Rahmen der Bearbeitung des Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 stellte das FA fest, dass die Lohnersatzleistungen im Streitjahr 2005 nicht berücksichtigt worden waren. Es berichtigte den Steuerbescheid nach § 129 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer unter Einbeziehung der Tarifprogression nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes auf nunmehr 2.795 € fest.

5

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1757 veröffentlichten Gründen statt.

6

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

7

Das FA beantragt,

das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010  5 K 98/08 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10

2. Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem "Versehen" beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Dezember 1967 VI R 85/67, BFHE 90, 468, BStBl II 1968, 191; vom 24. Mai 1977 IV R 44/74, BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853; vom 13. Februar 1979 VIII R 53/77, BFHE 127, 302, BStBl II 1979, 458).

11

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen (BFH-Urteile vom 2. August 1974 VI R 137/71, BFHE 113, 169, BStBl II 1974, 727; vom 22. November 1974 VI R 138/72, BFHE 114, 346, BStBl II 1975, 350). Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (BFH-Urteile vom 28. November 1952 III 258/51 S, BFHE 57, 14, BStBl III 1953, 6; vom 17. April 1969 V R 21/66, BFHE 95, 484, BStBl II 1969, 474; vom 4. Februar 1972 III R 28/68, BFHE 105, 439, BStBl II 1972, 679).

12

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt (vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1977 VI R 153/76, BFHE 123, 1, BStBl II 1977, 853; vom 9. Oktober 1979 VIII R 226/77, BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62) oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2008 VII B 23/07, BFH/NV 2008, 814).

13

Ein Fehler ist dann "offenbar" i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteile vom 2. April 1987 IV R 255/84, BFHE 149, 490, BStBl II 1987, 762; vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638; BFH-Beschluss vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277).

14

3. Im Streitfall hat das FG die Nichtberücksichtigung der Lohnersatzleistungen im Einkommensteuerbescheid vom 25. August 2006 als Folge eines versehentlichen Erfassungsfehlers angesehen, weil insbesondere die Eintragung der Lohnersatzleistungen im Erklärungsvordruck unter Sachbereich 47 Kennziffer 120 darauf schließen lasse, dass diese hätten erfasst werden sollen. Einen Sach- oder Rechtsirrtum schloss es insoweit aus, weil der Progressionsvorbehalt für --dem Grunde nach steuerfreie-- Lohnersatzleistungen Veranlagungsbeamten bekannt sei. Diese nachvollziehbare Würdigung des festgestellten Sachverhalts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

15

Auch die Würdigung des FG, der Fehler sei bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts nicht für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich zu erkennen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das FG konnte auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis kommen, es sei weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt für jeden unvoreingenommenen Dritten augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar, dass die Eingabe der streitigen Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben war. An diese Feststellungen einschließlich der tatsächlichen Würdigung der Umstände des Streitfalles sieht sich der Senat revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535; BFH-Beschlüsse vom 10. Mai 2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316; vom 28. Juni 2006 VII B 305/05, BFH/NV 2006, 1793).

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die verfahrensrechtliche Frage, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) befugt war, einen Feststellungsbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) --i.V.m. § 129 AO-- zu ändern, obwohl der zugrundeliegende bekanntgegebene Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

2

Materiell-rechtlich geht es um den Abzug von Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte des Streitjahrs (2002) für die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, die eine Zahnarztpraxis betreibt.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin gelangte die Betriebsprüferin zu der Auffassung, dass verschiedene Finanzkonten nicht aus betrieblichen Gründen eingerichtet worden waren und die im Zusammenhang damit verbuchten Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten keine Betriebsausgaben darstellten.

4

Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 9. Mai 2007 einen auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO gestützten Änderungsbescheid für das Streitjahr, mit dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend höher festgestellt wurden, obwohl der ursprüngliche Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

5

Den Einspruch, mit dem die Klägerin die rechtliche Möglichkeit einer Änderung der Einkünftefeststellung bestritt, wies das FA als unbegründet zurück. Die Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids vom 26. September 2003 sei nach § 129 AO zulässig gewesen. Der fehlende Nachprüfungsvorbehalt im ursprünglichen Bescheid sei eine offenbare Unrichtigkeit; aus einer Aktennotiz der Sachbearbeiterin (auf einem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel) und der Speicherung des Steuerfalls als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im "Veranlagungsspiegel" werde deutlich, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung habe erlassen wollen; die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei ausgeschlossen.

6

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg, da das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 838 veröffentlichten Urteil eine Änderungsgrundlage verneinte. Zu Unrecht stütze sich das FA auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO.

7

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe im Streitfall die Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO bestanden.

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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG Düsseldorf vom 1. Februar 2010  11 K 5113/08 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und den geänderten Feststellungsbescheid vom 10. Juni 2010 aufzuheben.

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Zu einer Änderung in der vom FA verfolgten Weise sei erforderlich, dass sich der Vorbehaltsvermerk schon im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Aktenverfügung befunden habe. Es dürfe nicht erkennbar sein, dass die Abweichung zwischen bekanntgegebenem Bescheid und Aktenverfügung auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des seinerzeit handelnden Finanzbeamten beruhte (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400). Im Streitfall sei für eine außenstehende unbeteiligte Person nicht eindeutig erkennbar gewesen, wann der handschriftliche Vermerk angebracht worden sei. Somit sei auch nicht eindeutig erkennbar, ob die vorliegende Abweichung zwischen bekanntgegebenem Steuerbescheid und Aktenausfertigung nicht doch auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des zuständigen Sachbearbeiters beruht habe. Aus den Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sei eine Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids nicht zulässig gewesen.

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Während des Revisionsverfahrens ist für das Streitjahr am 10. Juni 2010 ein geänderter Bescheid zur Feststellung der Einkünfte für 2002 ergangen. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass dadurch die Grundlagen des Streitstoffs nicht berührt werden.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Das FG-Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des zunächst angefochtenen Feststellungsbescheids ist während des Revisionsverfahrens der weitere Änderungsbescheid vom 10. Juni 2010 getreten, der gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Soweit einem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrundeliegt, kann es keinen Bestand haben (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt Senatsurteile vom 11. April 2012 VIII R 28/09, BFHE 237, 100, BStBl II 2012, 496, und vom 28. September 2011 VIII R 10/08, BFHE 235, 361, BStBl II 2012, 315, m.w.N.). Auch wenn die Änderung nicht die Grundlagen des Streitstoffs berührt, kann der Senat nicht in der Sache entscheiden, sondern muss die Sache zurückverweisen, weil das FG den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat.

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2. Ein Steuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (§ 164 Abs. 1 AO), kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Vorbehalt ist eine Nebenbestimmung i.S. von § 120 AO, die mit dem Bescheid ergeht, mithin Teil des Bescheids wird. Entscheidend ist der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids (Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 164 Rz 8b, m.w.N.).

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Weist der dem Steuerpflichtigen bekanntgegebene Steuerbescheid den Vorbehalt der Nachprüfung versehentlich nicht aus, kann der Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in diesem Punkt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO korrigiert werden (BFH-Urteile vom 22. August 1989 VIII R 110/86, BFH/NV 1990, 205; vom 27. März 1996 I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509; vom 17. November 1998 III R 2/97, BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62; vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004), wenn die unterbliebene Aufnahme des Vorbehalts in dem Steuerbescheid auf einem mechanischen Fehler --ähnlich den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Schreib- und Rechenfehlern-- beruht. Die Vorschrift des § 129 AO erfasst somit die Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht (Klein/ Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 4) und die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler ausgeschlossen werden kann (BFH-Urteil vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539, m.w.N.; vgl. Klein/Brockmeyer/ Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 12). Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 129 Rz 38; a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 AO Rz 6).

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Ob ein mechanisches Versehen vorlag, ist folglich anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, d.h. insbesondere --aber nicht nur-- unter Einbeziehung des gesamten Inhalts der Steuerakten. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es nicht an (s. etwa BFH–Urteile in BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, a.a.O., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 129 Rz 38; eher unentschlossen Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz 70; kritisch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 129 AO Rz 4 ff.).

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Ist hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts eine offenbare Unrichtigkeit zu bejahen, muss das Finanzamt den betroffenen Bescheid nicht zunächst nach § 129 AO berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO ändern zu können; vielmehr kann in einem derartigen Fall eine unmittelbare Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen (BFH-Urteile in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400, m.w.N.; in BFH/NV 2010, 2004).

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3. Die angefochtene Entscheidung des FG entspricht nicht diesen Maßstäben und hält damit revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

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a) Das FG hat in seinen Urteilsgründen eine Reihe von Umständen aufgeführt, die auch aus seiner Sicht für eine gewollte Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts in den ursprünglichen Feststellungsbescheid sprachen, nämlich dass der Steuerfall in der Vergangenheit durch die Betriebsprüfung geprüft worden war und in Zukunft wieder geprüft werden sollte, dass der Feststellungsbescheid im "Veranlagungsspiegel" mit einem Nachprüfungsvorbehalt gespeichert wurde und dass auf der Feststellungserklärung 2002 ein Notizzettel mit einem entsprechenden Hinweis ("VdN + vorl. wegen hoher Zinsen") klebte. Das FG hat zudem festgestellt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Nichtaufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung auf einer bewussten Entscheidung des Sachbearbeiters beruhen könnte.

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b) Gleichwohl hat das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint mit der Begründung, dass die in der Akte befindliche Durchschrift des Bescheids keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt und damit der eigentliche Wille des FA nicht hinreichend zum Ausdruck komme. "Aus Gründen der Rechtssicherheit" sei zu verlangen, dass das Versehen des FA zumindest so deutlich zu Tage trete wie im Falle der abgehefteten Durchschrift des Steuerbescheids mit Nachprüfungsvorbehalt in den Steuerakten, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass ein angeblich mechanisches Versehen nachgeschoben werde, ohne dass sicher verifizierbar sei, ob es tatsächlich vorlag. Dieser Befund gehe nach Beweislastgrundsätzen zulasten des FA.

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c) In der näheren Begründung geht das FG davon aus, dass die Speicherung der streitbefangenen Feststellung im "Veranlagungsspiegel" --als unter Vorbehalt der Nachprüfung stehend-- bei der Prüfung einer offenbaren Unrichtigkeit als nur verwaltungsinterner, nicht nach außen in Erscheinung tretender Umstand unbeachtlich bleiben müsse.

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Diese Annahme ist keine den BFH bindende Tatsachenfeststellung (§ 118 Abs. 2 FGO), sondern sie beruht auf unzutreffenden rechtlichen Maßstäben. Nach der Rechtsprechung des BFH sind alle bekannten Umstände --auch außerhalb der eigentlichen Steuerakten-- zu berücksichtigen, aus denen sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten ein --ggf. bereits im Vorfeld der Steuerfestsetzung unterlaufenes oder angebahntes-- Versehen klar und eindeutig ergibt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509 zu einem Fehler im EDV-Programm; in BFH/NV 2000, 539 zur Handakte des Prüfers; in BFH/NV 2010, 2004 zum unterlassenen Vorbehaltsvermerk bei Stempelung der Feststellungserklärung mit einer den Vorbehalt bedeutenden Ziffer und trotz einer den Vorbehalt nahelegenden allgemeinen Dienstanweisung). Die entscheidende Frage, ob ein offenbares mechanisches Versehen vorlag oder ob insoweit eine bewusste Entscheidung bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden kann, ist anhand des objektiv gegebenen Sachverhalts zu beantworten. Zu diesem Sachverhalt können auch elektronisch gespeicherte Daten, wie hier die Eintragung im Veranlagungsspiegel, gehören, sofern sie ohne weiteres sichtbar gemacht werden können. Mit Rücksicht auf die zunehmende EDV-technische Abwicklung von Verwaltungsvorgängen kann die Offenbarkeit eines Umstands nicht allein von seiner Erscheinung in Papierform abhängen. Insbesondere gibt es keinen Grund, bei der anhand des bekannten Sachverhalts vorzunehmenden Beurteilung einen vom FG festgestellten tatsächlichen und objektiven Umstand auszublenden, nur weil er EDV-technischer Natur ist. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der im vorliegenden Zusammenhang bemühten gedanklichen Hilfsfigur des unvoreingenommenen Dritten, für den das mechanische Versehen als solches offenbar sein muss, die Kenntnis dieses objektiven Umstands versagt bleiben soll, wenn gerade dieser Umstand geeignet ist, ein mechanisches Versehen zu offenbaren.

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d) Der Entscheidung steht nicht das BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10 (BFH/NV 2012, 694) entgegen. Dieses Urteil bestätigt im Ergebnis die Vorentscheidung, in der das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint hatte. Es stützt sich aber auf die bisherige, dort im Einzelnen zitierte Rechtsprechung des BFH und enthält keinen abstrakten Rechtssatz, der der hier getroffenen Entscheidung widerspräche. Soweit der BFH sich im Urteil in BFH/NV 2012, 694 an die tatsächlichen Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung (Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010  5 K 98/08, EFG 2010, 1757) und die tatsächliche Würdigung der Umstände revisionsrechtlich nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden sah, ist auch daraus keine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen zu entnehmen. Das FG hatte geurteilt, dass in seinem Fall weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar gewesen sei, dass die gebotene Eingabe von Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben sei. Vielmehr seien weitere --zum Teil rechtliche-- Überlegungen "bzw." ein zusätzlicher (ergänze: rechnerischer) Abgleich mit den in der EDV gespeicherten Daten erforderlich, um auf eine fehlende Erfassung schließen zu können. Damit unterscheidet sich der dort entschiedene Fall wesentlich vom Streitfall, in dem es entscheidend darauf ankommt, ob der Schluss auf ein nur versehentliches Unterlassen aus den vom FG festgestellten Tatsachen zu ziehen ist. Ob der Senat im Übrigen der Rechtsauffassung des FG des Landes Sachsen-Anhalt in EFG 2010, 1757 folgen könnte, kann dahingestellt bleiben.

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4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen.

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a) Auch wenn die festgestellte Eintragung im Veranlagungsspiegel geeignet erscheint, eine offenbare Unrichtigkeit bei Erlass des fraglichen Bescheids zu indizieren, ist eine abschließende Beurteilung im Streitfall noch nicht möglich, weil der maßgebliche Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG nicht festgestellt, wer die Eintragungen im Veranlagungsspiegel vorgenommen hat und ob dies "beim Erlass" des betreffenden Bescheids geschehen ist. Es hat in diesem Zusammenhang auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Eintragungen automatisch (programmgesteuert) erfolgen bei Eingabe der Daten für den Feststellungsbescheid, was prima facie gegen die Möglichkeit einer Abweichung des bekanntgegebenen Bescheids vom Inhalt des Veranlagungsspiegels sprechen würde, oder ob die Eintragungen im Veranlagungsspiegel im Streitfall (noch) persönlich vorgenommen worden sind.

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b) Bei verbleibenden Ungewissheiten wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung ggf. zu klären haben, ob der Vermerk auf dem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel bei Erlass des ursprünglichen Bescheids oder aber erst danach gefertigt wurde. Diese Frage betrifft nicht unmittelbar den Gesetzestatbestand des § 129 AO; Ausgangspunkt der gebotenen Sachverhaltsaufklärung ist in diesem Fall vielmehr ein bereits festgestellter, offenkundiger tatsächlicher Umstand, nämlich ein inhaltlich auf den zu erlassenden Feststellungsbescheid bezogener Aktenvermerk, der als solcher für ein nur versehentliches Abweichen vom tatsächlich Gewollten und damit eine Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO spricht, dessen Vorliegen bei Erlass des Bescheids aber --ohne im erstinstanzlichen Urteil benannte konkrete Gründe-- in Zweifel gezogen wird. Wird die Frage nach dem Zeitpunkt der Fertigung des Vermerks entscheidungserheblich, muss das FG versuchen, den Sachverhalt auch insoweit aufzuklären (§ 76 Abs. 1 FGO; vgl. zur Sachverhaltsaufklärung in Fällen des § 129 AO BFH-Urteile vom 29. Januar 2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139; vom 30. November 1989 IV R 76/88, BFH/NV 1991, 457), bevor es eine Beweislastentscheidung trifft, wie es dies im angefochtenen Urteil getan hat.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.