Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 05. Okt. 2017 - 2 V 163/17

published on 05/10/2017 00:00
Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 05. Okt. 2017 - 2 V 163/17
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Gericht

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Tenor

Der Bescheid über die Festsetzung von Branntweinsteuer vom 25. November 2016 wird bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens, spätestes bis 1 Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung von der Vollziehung ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten sich über Frage, ob auf Grund eines von der Antragstellerin veranlassten Transportes von Bioethanol aus ihrem Steuerlager in Deutschland mit einem Binnenschiff in ein Steuerlager eines Kunden in den Niederlanden Branntweinsteuer i.H.v. ... € entstanden ist. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Steuer trotz der Tatsache, dass sie nicht entsprechend § 21 Abs. 1 Branntweinsteuerverordnung (BrStV) dem zuständigen Hauptzollamt vor der Beförderung unter Verwendung des EDV-gestützten Beförderungs- und Kontrollsystems den Entwurf des elektronischen Verwaltungsdokuments (eVD) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz übermittelt habe (Excise Movement and Control System -EMCS-Verfahren-), auf Grund von Fehlern im EDV-System des Antragsgegners, die einer Übermittlung entgegengestanden hätten, nicht entstanden sei.

2

Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin, die bis zum Jahr 2009 unter „A“ firmierte, ist ausweislich der Eintragung im Handelsregister die Herstellung und der Vertrieb von Bioethanol (Agraralkohol) sowie ähnlichen Produkten, die aus Getreide oder anderen agrarischen Rohstoffen erzeugt werden, einschließlich der Feststoffe.

3

Die Antragstellerin beabsichtigte am 1. Juni 2015 einen Ladung von ... Liter „Bioethanol KN Code 2207 1000 für den Kraftstoffbereich“ von ihrem Tanklager in Z mit einem Binnenschiff zu einem Abnehmer in den Niederlanden, der Y, zu befördern. Der Bioethanol wurde sodann in der Zeit vom 1. Juni 2015 bis 5. Juni 2015 transportiert und nachfolgend in das Steuerlager der Y. in den Niederlanden aufgenommen, die den Bioethanol als Beimischung im Kraftstoffe für Endabnehmer in den Niederlanden weiter veräußern wollte. Zur Abwicklung der Beförderung bediente sich die Antragstellerin der Dienstleistung der X GmbH aus Z.

4

Der Versand sollte im Steueraussetzungsverfahren mit eVD erfolgen. Bei dem Versuch der elektronischen Eröffnung eines entsprechenden Verfahrens über das EMCS-XPRESS-System erschien die Fehlermeldung „12: falscher Wert“ mit dem Hinweis, dass die Ware mit dem angegebenen „Verbrauchsteuer-Produktcode“ vom Empfänger nicht empfangen werden könne, obwohl die zutreffende Steuernummer des niederländischen Empfängers eingetragen wurde. Der Grund hierfür war, dass die dem niederländischen Empfänger zugeteilte Steuerlagernummer zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in der nationalen deutschen zentralen Stammdatenbank (SEED-Datenbank; System for Exchange of Excice Data) eingetragen war. Eine nochmalige Prüfung aller eingegebenen Daten führte zu keinen Abweichungen, so dass sich die Dienstleisterin X dazu entschied, das Ausfallverfahren zu nutzen. Hierbei verabsäumte sie, die Nutzung des Ausfallverfahrens vorab dem Antragsgegner anzuzeigen und sich eine für das Ausfallverfahren benötigte sog. Ticketnummer zuteilen zu lassen. An Stelle dessen gab sie in dem bei der Beförderung mitgeführten Begleitdokument im Ausfallverfahren (Ausfalldokument) als Ticketnummer einen Teil der Rechnungsnummer bzw. Kundennummer des niederländischen Empfängers an. Am 12. Juni 2015 wurde versucht, das erstellte Ausfalldokument im Zuge einer Nacherfassung mit einem eVD abzulösen, wobei jedoch erneut die o.g. Fehlermeldungen angezeigt wurde. Nachdem daraufhin der Servicedesk des Zentrums für Informationsbearbeitung und Informationstechnik (ZIVIT; jetzt Informationstechnik Zentrum Bund) um Hilfe gebeten wurde, und daraufhin Änderungen in der EMCS-Datenbank vorgenommen wurden, konnte am 16. Juni 2015 ein eVD erstellt werden, das sich auf die Lieferung vom 1. Juni 2015 bezog. Dieses wurde am 16. Juni 2015 zusammen mit der zweiten Ausfertigung des Ausfalldokuments dem Antragsgegner übersandt.

5

Mit Bescheid vom 25. November 2016 setzte der Antragsgegner für die am 1. Juni 2015 erfolgte Entnahme von ... Liter unvergällten Branntweines mit einem Alkoholgehalt von 99,9%vol (... IA) eine Branntweinsteuer von ... € fest (... €/hlA), da der Branntwein nach Auffassung des Antragsgegners aus dem Steuerlager der Antragstellerin entnommen, nicht unter Steueraussetzung befördert sondern in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sei. Die Steuer sei gem. § 143 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Branntweinmonopolgesetz (BranntwMonG) entstanden.

6

Ebenfalls mit Bescheid vom 25. November 2016 lehnte der Antragsgegner einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 Abgabenordnung (AO) ab. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 Einspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.

7

Gegen den Steuerbescheid vom 25. November 2016 legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 07. Dezember 2016 ebenfalls Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Über den Einspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.

8

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 16. Januar 2017 ab. Zur Begründung führte er aus, dass eine wirksame Eröffnung einer Beförderung unter Steueraussetzung nicht vorliege, da hierzu vor Beginn der Beförderung ein eVD hätte vorliegen müssen, bei dessen Verwendung es sich um eine materielle Voraussetzung des Steueraussetzungsverfahrens handele.

9

Die Inanspruchnahme des Ausfallverfahrens gemäß § 21 BrStV sei im vorliegenden Sachverhalt ausgeschlossen, da es am Nachweis mangele, dass tatsächlich eine technische Störung im Fachverfahren EMCS vorgelegen habe, die es der Antragstellerin unmöglich gemacht habe, die vorgesehenen Nachrichten auf dem für den Teilnehmer üblichen Kommunikationsweg zu übermitteln oder zu empfangen, und dass die technische Störung nicht in zumutbarer Zeit oder nicht mit zumutbarem Aufwand behoben werden konnte. Hinzu komme, dass die Antragstellerin auch verabsäumt habe, die Inanspruchnahme des Ausfallverfahrens beim Servicedesk und dem Hauptzollamt am 1. Juni 2015 anzuzeigen, weshalb auch keine Ticketnummer für das Ausfallverfahren vergeben worden sei. Der von der Dienstleisterin der Antragstellerin verwendete Vordruck für das Ausfallverfahren habe ebenfalls nicht den formalen Anforderungen entsprochen, da eine veraltete Version des Ausfalldokuments verwendet worden sei, die auch nicht rechtswirksam unterschrieben sei. Die Mitteilung an das Hauptzollamt, dass das Ausfallverfahren genutzt worden sei, sei erst am 16. Juni 2015 und damit erst rund 2 Wochen nach der erfolgten Beförderung erfolgt. In diesem Zusammenhang sei auch erst das Exemplar des Ausfalldokuments vorgelegt worden.

10

Bei den am 1. Juni 2015 sechsfach generierten Emails mit der dargestellten Fehlermitteilung, handele es sich jedoch um eine Mitteilung anhand einer Software der Beteiligten, d.h. um keine Zollmitteilung. Insofern gehe auch die Annahme der Antragstellerin viel, dass das EMCS-Verfahren zu diesem Zeitpunkt eine technische Störung gehabt habe, da die Fehlermeldung nicht in EMCS hinterlegt sei. Vorliegend habe der Eingabefehler der Antragstellerin bereits beim Softwareanbieter der Teilnehmersoftware (AEB-Dienstleister) die entsprechenden Fehlermitteilungen verursacht. Der Beweis, dass ein Versuch das EMCS-Verfahren zu eröffnen mehrfach durchgeführt worden sei und dies aus technischen, von Seiten des Zolls zu verantwortenden Gründen nicht möglich gewesen sei, hätte nur dann erfolgen können, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt das ZIVIT beteiligt worden wäre, was jedoch unterlassen worden sei. Es sei offenbar so, dass eine EMCS-Fehlermeldung im zollseitigen System deshalb nicht vorliegen könne, weil das von der Antragstellerin eingeleitete EMCS-Verfahren bereits durch den oben genannten Softwareanbieter nicht an den Zoll weitergeleitet, sondern automatisiert an die Antragstellerin zurückgegeben worden sei.

11

Am 17. Februar 2017 hat die Antragstellerin um Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht nachgesucht.

12

Sie trägt vor, dass der Antragsgegner durch die Festsetzung des streitigen Steuerbescheides mehrfach gegen die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht des § 88 AO sowie gegen das Branntweinmonopolgesetz, gegen § 163 AO verstoßen habe. Außerdem verstoße im vorliegenden Fall die Festsetzung der Steuer wegen Unverhältnismäßigkeit gegen das EU-Verbrauchssteuerrecht. Der Steuerbescheid gehe zudem in mehrfacher Weise von einem falschen Sachverhalt sowie von haltlosen Unterstellungen aus.

13

Wenn der Antragsgegner behaupte, dass die Ursache des am 1. Juni 2015 aufgetretenen Fehlers nicht in seinem EMCS-System gelegen habe, so sei er hierfür beweispflichtig, da für die Antragstellerin keinerlei Möglichkeit bestehe, das EMCS-System des Antragsgegners zu überprüfen. Der Antragsgegner hingegen sei seiner Ermittlungspflicht in keiner Weise nachgekommen sondern behaupte einfach, ohne irgendeinen Beleg, dass der Fehler sich in den Systemen der Antragstellerin befunden habe. Es gebe hingegen mit der E-Mail über eine Fehlermeldung des Zolls einen Beleg dafür, dass es Probleme mit der Durchführung des EMCS-Systems gegeben habe. Eine Beweislastumkehr ergebe sich auch daraus, dass der Antragsgegner seinen Dokumentationspflichten nicht nachgekommen sei. Denn es existiere bei Zurückweisung von eVD Dokumenten keine Dokumentation darüber, aus welchem Grund die Erzeugung des eVD abgewiesen worden sei. Somit sei es auch nicht möglich zu klären, ob das eVD aus Gründen, die in der Sphäre des Zolls liegen, abgewiesen worden sei. Damit sei die Antragstellerin in vollem Umfang ihrer Darlegungspflicht für einen Ausfall des Systems und für die Zulässigkeit einer Beförderung im Ausfallverfahren nach § 29 BrStV nachgekommen.

14

Die Antragstellerin räume ein, dass der Dienstleister X eine falsche Ticketnummer in das Ausfalldokument eingetragen habe und zudem ein veraltetes Formblatt verwendet und daher bei der Durchführung des Transports im Ausfallverfahren nicht alle erforderlichen Formalitäten restlos eingehalten worden seien. Dennoch führe allein dieser Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen noch nicht zu einer Steuerentstehung, da der Transport letztlich durch korrekte Aufnahme in das Steuerlager des niederländischen Empfängers ordnungsgemäß ohne Gefährdung des staatlichen Steueranspruchs beendet worden sei. In einem solchen Fall sei es der Steuerbehörde aber nach der Rechtsprechung des EuGH verwehrt, wegen bloßer Formfehler die Steuer entstehen zu lassen, da dieses unverhältnismäßig sei. Das deutsche Verbrauchssteuerrecht sei europarechtskonform auszulegen.

15

Unabhängig davon sei die Möglichkeit der Durchführung eines Ausfallverfahrens aber auch schon deshalb zulässig, weil es nicht darauf ankomme, aus wessen Sphäre der Fehler stamme. Dieses ergebe sich aus § 29 Abs. 1 S. 1 BrStV, wonach das Ausfallverfahren dann genutzt werden könne, wenn das EDV-gestützte Beförderungs- und Kontrollsystem nicht zur Verfügung stehe. Diese Norm mache keinen Unterschied danach, ob der Systemausfall vom Steuerpflichtigen oder von der Zollverwaltung verursacht worden sei und könne dies auch nicht, da ansonsten bei Systemausfällen beim Steuerpflichtigen keinerlei Transporte mehr durchgeführt werden könnten. Auch die von der Zollverwaltung herausgegebene Verfahrensanweisung zum IT-Verfahren EMCS weise unter Punkt 9.2 aus, dass das Ausfallverfahren dann zulässig sei, "wenn der Teilnehmer oder das zuständige Hauptzollamt wegen technischer Störungen nachweisbar nicht in der Lage sei, die für EMCS vorgesehenen Nachrichten auf dem für den Teilnehmer üblichen Kommunikationsweg zu übermitteln".

16

Die Argumentation des Antragsgegners, wonach eine Beförderung ohne vorherige Einholung einer Ticketnummer im Ausfallverfahren nur dann möglich sei, wenn seitens des ZIVIT eine so genannte Master-Ticketnummer veröffentlicht wurde, gehe fehl. Eine solche Nummer werde nur dann vergeben, wenn wegen einer Störung in den Systemen der Zollverwaltung ein EMCS-Verfahren nicht eröffnet werden könne. Der Teilnehmer könne dann das Ausfallverfahren unter Bezug auf die erzeugte Master-Ticketnummer eröffnen. Die Master Ticketnummer sei damit ein Instrument zur Überbrückung von Ausfällen in den Systemen des Zolls. Sie hätte daher auch bei dem streitgegenständlichen Systemausfall am 1. Juni 2015 veröffentlicht werden müssen, um der Antragstellerin eine entsprechende Eröffnung des Ausfallverfahrens unter Referenz auf die entsprechende Ticketnummer zu ermöglichen. Dieser Verpflichtung sei der Antragsgegner bzw. der ihm zuzurechnende ZIVIT – Helpdesk aber nicht nachgekommen, da derartige fehlgeschlagene EMCS-Eröffnungsversuche erst gar nicht im System der Zollverwaltung dokumentiert werden. Auch insoweit wirke sich daher der bereits dargestellte Verstoß gegen Dokumentationspflichten im Sinne eines "venire contra factum proprium" aus. Der Antragsgegner könne nicht einerseits die gebotene Master-Ticketnummer nicht veröffentlichen und gleichzeitig der Antragstellerin zum Vorwurf machen, das Verfahren ohne eine Master Ticketnummer begonnen zu haben.

17

Die Ablehnung des Billigkeitsantrages nach § 163 AO sei ebenfalls rechtswidrig, da sachliche Billigkeitsgründe gegeben seien. Unter anderem liege eine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Denn entsprechend des Sinn und Zwecks des BranntwMonG solle der Konsum durch Endverbraucher mit der Steuer belegt werden. Die Erzeugnisse würden in den Niederlanden letztlich nach entsprechender Verarbeitung als Kraftstoff an Endverbraucher veräußert. Es sei davon auszugehen, dass die Y die hierfür in den Niederlanden anfallende Verbrauchssteuer ordnungsgemäß abführe. Soweit aber in Deutschland und den Niederlanden eine Verbrauchssteuer anfallen würde, läge eine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Die Abwälzung des vom Antragsgegner festgesetzten Steuerbetrages in Höhe von ca. x Mio. € auf die Kunden der Antragstellerin sei nicht möglich, da Ethanol zu Weltmarktpreisen von ca. 0,50 €/LA gehandelt werde und der Steuerbetrag je Liter Alkohol von 13,03 €/LA den Warenwert um ein Vielfaches übersteige. Die Antragstellerin verfüge über keinen Preisgestaltungsspielraum, der ihr eine Abwälzung der Steuer auf die Kunden im Nachhinein ermöglichen würde. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Antragsbegründung verwiesen.

18

Es liege auch ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot und den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung vor, wenn eine Strafsteuer von ca. x Mio. € allein auf Grund eines fehlerhaften Formblattes festgesetzt werde.

19

Das rigide Festhalten an bloßen Formvorschriften verstoße auch gegen die von den Mitgliedsstaaten einzuhaltenden Vorgaben der EU-Verbrauchsteuerrichtlinie, wozu auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip gehöre. So habe der EuGH in den Urteilen vom 02. Juni 2016 (C-355/14 und C-418/14) entschieden, dass das Beharren auf bloßen Formalitäten in Konstellationen, in denen kein inhaltlicher Verstoß gegen das Verbrauchssteuerrecht vorliege und damit keine Steuergefährdung bestehe, wegen Unverhältnismäßigkeit unzulässig sei. Der EuGH messe damit im Ergebnis verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Überwachung des Umgangs mit verbrauchssteuerpflichtigen Waren eine rein dienende Funktion zu. Die dienende Funktion solle sicherstellen, dass Herstellung, Umgang, Lagerung und Transport von verbrauchsteuerpflichtigen Waren so zu erfolgen habe, dass keine Gefährdung des Steueraufkommens zu befürchten sei, Wenn aber im konkreten Einzelfall zweifelsfrei feststehe, dass keine Steuergefährdung drohe, dürfe die bloße Nichteinhaltung von Formalitäten vielleicht zu angemessenen Bußgeldern, aber nicht zur Entstehung der Steuer führen.

20

Die Antragstellerin legt zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags zum Versuch der Eröffnung des EMCS-Verfahrens am 1. Juni 2015 eine eidesstattliche Versicherung des ausführenden Mitarbeiters des Dienstleisters X vor.

21

Der Umstand, dass die Fehlermeldung am 1. Juni 2015 nicht  vom EMCS-System, sondern von der E-Mail des Dienstleisters G gekommen sei, sei lediglich der Zwischenschaltung des verwendeten Computerprogramms geschuldet. Das EMCS-System der Zollverwaltung habe letztlich eine Fehlermeldung an das AEB-Rechenzentrum gesandt, das seinerseits die Fehlermeldung automatisch Sekunden später weitergeleitet habe. Die Fehlermeldung lief damit im Ergebnis automatisiert vom EMCS-System des Antragsgegners über die Systeme der AEB in die Systeme der Antragstellerin. Die Ursache der Fehlermeldung liege damit in den Systemen des Antragsgegners und nicht, wie der Antragsgegner es darstellt, im Bereich der AEB begründet. Die AEB-Software sei auch von der Zollverwaltung offiziell geprüft und zertifiziert. Es handele sich letztlich um Konvertersoftware.

22

Die Antragstellerin beantragt,
die Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides vom 25. November 2016.

23

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

24

Zur Begründung verweist er zum einen auf seine Ausführungen im Bescheid über die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 16. Januar 2017.

25

Weiter führt er aus, dass die von der Antragstellerin in Bezug genommene Fehlermeldung im Zusammenhang mit der versuchten Eröffnung des EMCS-Verfahrens am 1. Juni 2015 gerade nicht vom Servicedesk ZIVIT erfolgt sei. Die von der Antragstellerin vorgelegte Mitteilung erfolgte vielmehr durch den von ihr beauftragten Dienstleister AEB, was an der E-Mail-Adresse G erkennbar sei. Eine Mitteilung durch den Servicedesk des Zolls hätte vielmehr unter der E-Mail-Adresse H erfolgen müssen, was der Antragstellerin als regelmäßige Teilnehmerin am EMCS-Verfahren auch hätte bekannt sein dürfen. Dennoch sei die Antragstellerin offenbar aufgrund der von Ihrem Dienstleister mitgeteilten Fehlermeldung davon ausgegangen, dass das elektronische Verfahren zur wirksamen Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens nach § 21 BrStV zum Zeitpunkt des Versandes der Ware nicht zur Verfügung stehe, weshalb sie ein Steueraussetzungsverfahren gemäß § 29 Abs. 1 BrStV im Ausfallverfahren eröffnen wollte.

26

Für die wirksame Eröffnung des Ausfallverfahrens wäre es erforderlich gewesen, dass die Antragstellerin das Hauptzollamt vor Beginn der 1. Beförderung in geeigneter schriftlicher Form über den Ausfall des EDV-gestützten Beförderungs- und Kontrollsystems unterrichtet hätte, es sei denn, es handele sich um einen von der Zollverwaltung veranlasst den Ausfall. Die Antragstellerin hätte somit vor Inanspruchnahme des Ausfallverfahrens entsprechend der Verfahrensanweisung zum EMCS-System eine Ticketnummer beim Servicedesk einholen müssen. Abgesehen davon hätte die 2. Ausfertigung des Ausfalldokumentes gemäß § 29 Abs. 2 BrStV unverzüglich dem zuständigen Hauptzollamt übermittelt werden müssen, wohingegen die 2. Ausfertigung erst am 16. Juni 2015 beim Hauptzollamt eingegangen sei. Sofern die Antragstellerin davon ausgehe, dass es sich um einen von der Zollverwaltung veranlassten Ausfall handele, so wäre zwar die Einholung einer Ticketnummer beim Servicedesk entbehrlich. In diesem Fall wäre jedoch für den betreffenden Ausfall seitens des ZIVIT eine so genannte Master-Ticketnummer veröffentlicht worden. Dieses ist hingegen nicht erfolgt.

27

Letztlich sei entscheidend, dass die Antragstellerin nicht, wie vor Beginn der Beförderung erforderlich, ein wirksames Steueraussetzungsverfahren eröffnet habe. Die Durchführung des Ausfallverfahrens sei vorliegend nicht geboten gewesen. Das EMCS-Verfahren habe am 1. Juni 2015, dem Tag des Beginns der hier streitigen Beförderung, uneingeschränkt zur Verfügung gestanden. Bei dem von der Antragstellerin genannten Fehler handele es sich nicht um einen Fehler in dem Sinne, dass das EMCS-Verfahren nicht zur Verfügung gestanden habe, sondern vielmehr um einen Hinweis aufgrund der Datenbanksystematik im Zusammenhang mit Plausibilitätsproblemen hinsichtlich der Berechtigung der Empfängerin Y.

Entscheidungsgründe

28

II. 1. Der Antrag ist begründet.

29

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zu-tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (BFH-Beschlüsse vom 7. September 2007 V B 97/07, BFH/NV 2008, 120; vom 30. Oktober 2007 V B 170/07, BFH/NV 2008, 627, und vom 29. November 2007 I B 181/07, BStBl II 2008, 195, ständige Rechtsprechung). Der lediglich summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind der unstreitige Sachverhalt, die gerichtsbekannten Tatsachen und die präsenten Beweismittel zugrunde zu legen (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2007 I B 148/07, BFH/NV 2008, 542). Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, BFH/NV 1997, R 462, m.w.N.).

30

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend bestehen bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides über die Festsetzung von Branntweinsteuer vom 25. November 2016.

31

Nach § 143 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung der jeweiligen verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Entnahme aus dem Steuerlager, es sei denn, es schließt sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung oder eine Steuerbefreiung an. Vorliegend hat die Antragstellerin zwar zunächst die streitigen Waren aus ihrem Steuerlager entnommen. Bei summarischer Prüfung liegt aber trotz eines Fehler beim Ausfüllen der bei der Beförderung mitzuführenden Dokumente auf Grund einer von der Antragstellerin nicht zu vertretenen "Unzulänglichkeit" des vom Antragsgegner zur Verfügung gestellten EMCS-Systems eine sich an die Entnahme anschließende Beförderung unter Steueraussetzung im Ausfallverfahren gem. § 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Branntweinsteuerverordnung (BrStV) vor. Denn nach Auffassung des Senats lässt sich die Rechtsprechung des BFH, wonach nicht jegliche Ungenauigkeit bei der Erstellung des Entwurfs des eVD zur Steuerentstehung führt (BFH-Urteil vom 5. März 2014 VII B 105/13, BFH/NV 2014, 1190) auf die Erstellung des im Ausfallverfahren mitzuführenden Ausfalldokuments übertragen, wobei die abschließende Klärung der Frage, ob die Antragstellerin das Ausfallsverfahren überhaupt nutzen konnte bzw. ob tatsächlich ein von der Zollverwaltung veranlasster Ausfall des EDV-gestützten Beförderungs- und Kontrollsystems i.S.v. § 29 Abs. 2 Satz 2 BrStV vorliegt, einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt.

32

aa) Gem. § 138 Abs. 1 BranntwMonG gelten Beförderungen, soweit in dem Gesetz oder in den dazu ergangenen Rechtsverordnungen keine Ausnahmen vorgesehen sind, nur dann als unter Steueraussetzung durchgeführt, wenn sie mit einem elektronischen Verwaltungsdokument nach Art. 21 VStSystRL erfolgen. Danach handelt es sich bei der Verwendung des eVD um eine materielle Voraussetzung des Steueraussetzungsverfahrens, deren Nichterfüllung grundsätzlich zur Entnahme der Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr führt (BFH-Beschluss vom 09. April 2014 VII R 7/13, BFH/NV 2014, 1244). Ein (mit Hilfe des EMCS-Verfahrens zu erzeugendes) eVD hat die Klägerin unstreitig bei der Beförderung nicht mitgeführt.

33

bb) Allerdings wurde in § 138 Abs. 3 BranntwMonG das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, durch Rechtsverordnung (BrStV) das Verfahren der Beförderung unter Steueraussetzung entsprechend den Art. 21 bis 31 der VStSystRL und den dazu ergangenen Verordnungen sowie das Verfahren der Übermittlung des eVD und den dazu erforderlichen Datenaustausch zu regeln und dabei das Verfahren abweichend von Absatz 1 zu bestimmen. So regelt § 22 Abs. 1 BrStV zunächst dass, wenn Erzeugnisse unter Steueraussetzung aus einem Steuerlager im Steuergebiet in ein Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat befördert werden sollen, der Steuerlagerinhaber als Versender oder der registrierte Versender dem zuständigen Hauptzollamt vor Beginn der Beförderung unter Verwendung des EDV-gestützten Beförderungs- und Kontrollsystems den Entwurf des eVD nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz zu übermitteln haben. Auch dieses ist vorliegend nicht erfolgt.

34

Dennoch konnte die Antragstellerin bei summarischer Prüfung die Beförderung im Ausfallverfahren gem. § 29 BrStV beginnen, auch wenn das EMCS-System, worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist, nicht vollständig ausgefallen war, sondern es der Antragstellerin lediglich nicht möglich war, auf Grund von nicht im System gespeicherten Daten (Steuerlagernummer des niederländischen Empfängers) ein eVD zu erzeugen. Steht gem. § 29 Abs. 1 BrStV das EDV-gestützte Beförderungs- und Kontrollsystem nicht zur Verfügung, kann der Steuerlagerinhaber als Versender abweichend von § 21 BrStV nur dann eine Beförderung von Erzeugnissen unter Steueraussetzung beginnen, wenn ein Ausfalldokument nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck verwendet wird. Gem. § 29 Abs. 2 BrStV hat der Versender das zuständige Hauptzollamt vor Beginn der ersten Beförderung im Ausfallverfahren in geeigneter Form über den Ausfall des EDV-gestützten Beförderungs- und Kontrollsystems zu unterrichten. Eine Unterrichtung ist gem. § 29 Abs. 2 Satz 2 BrStV nicht erforderlich, wenn es sich um einen von der Zollverwaltung veranlassten Ausfall handelt.

35

(1) Vorliegend hat die Antragstellerin jedenfalls für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie bzw. der von ihr beauftragte Dienstleister das eVD deshalb nicht erzeugen konnte, da der niederländische Empfänger trotz vorhandenen Steuerlagers und vorhandener Verbrauchssteuernummer nicht in der SEED-Datei eingetragen war. Dieses hatte zur Folge, dass trotz vorliegender materiell-rechtlicher Befugnis kein Steueraussetzungsverfahren im EMCS-System eröffnet werden konnte. Es ist auch von der Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht, dass der von Ihnen beauftragte Dienstleister über eine entsprechende Softwareschnittstelle direkt mit dem EMCS- System korrespondiert und eine im EMCS-System erzeugte Fehlermeldung weitergeleitet hat. Insoweit kommt dem Umstand, dass die Fehlermeldung nicht unmittelbar vom Antragsgegner erzeugt wurde, jedenfalls für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung keine Bedeutung zu.

36

Hiermit liegt bei summarischer Prüfung auch ein Fall des § 29 Abs. 1 BrStV vor, so dass die Antragstellerin grundsätzlich eine Beförderung im Ausfallverfahren nutzen konnte. Zwar liegt kein vollständiger Ausfall des EDV-gestützten Beförderung und Kontrollsystems vor. Nach dem Sinn und Zweck des Ausfallverfahrens kommen die Ausfallverfahrensregelungen aber immer dann zur Anwendung, wenn der Teilnehmer oder das zuständige Hauptzollamt wegen technischer Störungen nachweisbar nicht in der Lage sind, die für EMCS vorgesehenen Nachrichten auf dem für den Teilnehmer üblichen Kommunikationsweg zu übermitteln oder zu empfangen (vgl. Milewski in Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG/StromStG, § 9d EnergieStG, Rz. 45). Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 BrStV liegen daher dann vor, wenn ein Erzeugen des eVD über das EMCS-System trotz Eingabe aller notwendigen und zutreffenden Daten nicht möglich ist. Dieses ist vorliegend der Fall.

37

(2)  Bei summarischer Prüfung war eine Unterrichtung des Hauptzollamtes vor Beginn der Beförderung im Ausfallverfahren nicht erforderlich, da es sich vorliegend um einen von der Zollverwaltung veranlassten Ausfall im Sinne von § 29 Abs. 2 Satz 2 BrStV handelte. Die Pflege der notwendigen Daten in die SEED-Datenbank liegt nicht im beeinflussbaren Verantwortungsbereich der Antragstellerin sondern im Bereich des Antragsgegners.

38

Bei summarischer Prüfung liegen diese Voraussetzungen vor. Letztlich wird aber im Hauptsacheverfahren zu prüfen sein, ob nicht, wie von dem Antragsgegner behauptet, ein Softwarefehler im Bereich der Antragstellerin für die Nichterstellung des eVD verantwortlich ist.

39

(3) Die von der Antragstellerin im Rahmen des Ausfallverfahrens gemachten Formfehler, wie etwa die Nichtangabe einer Ticketnummer im Ausfalldokument oder auch die verspätete Übersendung des gemäß § 29 Abs. 5 BrStV nachträglich erzeugten eVD sind bei summarischer Prüfung nicht so beachtlich, dass sie zu einer Steuerentstehung führen würden. Denn nach Auffassung des Senats lässt sich die Rechtsprechung des BFH, wonach nicht jegliche Ungenauigkeit bei der Erstellung des Entwurfs des eVD zur Steuerentstehung führt (BFH-Urteil vom 5. März 2014 VII B 105/13, BFH/NV 2014, 1190) auf die Erstellung des im Ausfallverfahren mitzuführenden Ausfalldokuments übertragen.

40

(4) Auch vor dem Hintergrund, dass angesichts der vergleichsweise hohen Steuerbelastung der Branntweinsteuer zum Wert des vergällten Ethanols nach der Rechtsprechung des EuGH auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist (EuGH Urteil vom 2. Juni 2016 C-355/14, Polihim-SS; EUGH-Urteil vom 13. Juli 2017 C-152/16, Vakaru Baltijos laivu statykla), der bei lediglich geringfügiger Nichteinhaltung von Formvorschriften nicht mehr gewahrt wäre, war eine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.

41

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

42

3. Die Beschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.


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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mi
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published on 09/04/2014 00:00

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat ihren Firmensitz im Freihafen Hamburg und betreibt dort ein Steuerlager. Ohne für die jeweils aus dem S
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(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.

(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

1.
die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,
2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,
3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,
4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Auf dem Gebiet der von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern legen die obersten Finanzbehörden der Länder die Einzelheiten der Risikomanagementsysteme zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Steuergesetze im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen fest.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(1) Beförderungen gelten, soweit in diesem Gesetz oder den dazu ergangenen Rechtsverordnungen keine Ausnahmen vorgesehen sind, nur dann als unter Steueraussetzung durchgeführt, wenn sie mit einem elektronischen Verwaltungsdokument nach Artikel 20 der Systemrichtlinie erfolgen.

(2) Unbeschadet Absatz 1 gelten in den Fällen des § 10 Absatz 1 Nummer 2 und des § 11 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c Beförderungen nur dann als unter Steueraussetzung durchgeführt, wenn dem Inhaber des abgebenden Steuerlagers oder dem registrierten Versender eine Freistellungsbescheinigung nach Artikel 12 Absatz 1 der Systemrichtlinie vorliegt. Die Freistellungsbescheinigung ist während der Beförderung mitzuführen. Satz 2 gilt auch in den Fällen des § 11 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c.

(3) Abgesehen von den Fällen, in denen Energieerzeugnisse unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Steuerlager aufgenommen werden, können Energieerzeugnisse nur dann mit einem elektronischen Verwaltungsdokument unter Steueraussetzung vom Ort der Einfuhr befördert werden, wenn der Anmelder nach Artikel 5 Nummer 15 des Unionszollkodex oder jede andere Person, die nach Artikel 15 des Unionszollkodex unmittelbar oder mittelbar an der Erfüllung von Zollformalitäten beteiligt ist, den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats Folgendes vorlegt:

1.
die Verbrauchsteuernummer des registrierten Versenders,
2.
die Verbrauchsteuernummer des Steuerlagerinhabers oder des registrierten Empfängers, an den die Energieerzeugnisse versandt werden,
3.
im Falle von Beförderungen von Energieerzeugnissen in andere Mitgliedstaaten den Nachweis, dass die eingeführten Energieerzeugnisse vom Steuergebiet in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats versandt werden sollen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.