Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. Juni 2015 - 13 K 4131/13

bei uns veröffentlicht am10.06.2015

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist der Kindergeldanspruch für ein volljähriges behindertes Pflegekind, das im Rahmen des betreuten Wohnens in Familien (BWF) im Haushalt des Klägers lebt.
Am 29. April 2013 übersandte die B der Familienkasse den Kindergeldantrag des am 13. Oktober 1961 geborenen Klägers für die am 28. Oktober 1959 geborene C und teilte mit, C habe seit früher Kindheit eine geistige Behinderung, auf Grund derer sie auch in Zukunft nicht in der Lage sein werde, für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Sie arbeite in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Sie beziehe Eingliederungshilfe und lebe seit dem 28. Juni 1993 im Rahmen des betreuten Wohnens bei der Familie des Klägers. Die Mutter des Klägers sei altersbedingt nicht mehr in der Lage, C ausreichend zu versorgen, da die geistige Behinderung viel Förderung, Kraft und Pflege abverlange. C sei deshalb innerhalb der Familie zum Kläger und seiner Ehefrau umgezogen. Zwischen ihr und der gesamten Familie sei in den letzten 20 Jahren ein sehr starkes familienähnliches Band entstanden, sie nehme den Kläger und seine Ehefrau als Autoritätspersonen an.
Aus dem beigefügten Kindergeldantrag ergibt sich, dass C seit dem 1. April 2013 im Haushalt des Klägers lebt. Aus dem ebenfalls beigefügten unbefristet gültigen Schwerbehindertenausweis der C ergibt sich ein Grad der Behinderung von 80 sowie die Merkzeichen G und H. Laut Bestätigung des Versorgungsamts vom 31. Januar 1978 wurde bei C eine geistige Behinderung -endogenes Ekzem- festgestellt.
Mit Bescheid vom 6. Mai 2013 lehnte die Familienkasse den Kindergeldantrag des Klägers mit der Begründung ab, bei der Wohnform „begleitetes Wohnen in Familien“ liege kein Pflegekindschaftsverhältnis im Sinne des Einkommensteuergesetzes vor, da es an dem familienähnlichen Band fehle. Ein familienähnliches Band liege vor, wenn das Kind wie zur Familie angehörig angesehen und behandelt werde. Dies werde dann angenommen, wenn zwischen den Steuerpflichtigen und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern bestehe. Bei dem begleitenden Wohnen in Familien sprächen bereits die Bestimmungen der Vereinbarung hierüber gegen ein familienähnliches Band, weil bei der Betreuung und Versorgung im Haushalt Mitbestimmungs- und Kontrollrechte des Trägers bestünden.
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch und trug vor, C sei in den letzten 20 Jahren zu einem Mitglied in der Familie geworden, seit sie am 28. Juni 1993 als Pflegekind seiner Mutter in der Familie aufgenommen worden sei. Es verbinde sie ein enges familienähnliches Band. Sie kenne seine Kinder seit der ersten Stunde, sei dabei gewesen, als sein Vater verstorben sei und erlebe jetzt mit, wie seine Mutter altersbedingt abbaue. Die jetzt erfolgte Aufnahme als Pflegekind basiere auf dem bereits bestehenden familienähnlichen Band und geschehe in der Absicht, diese Beziehung weiter zu vertiefen. Die Aufnahme in seiner Familie sei auf unbestimmte Dauer angelegt. Die Eltern von C seien bereits verstorben.
Mit Einspruchsentscheidung vom 19. November 2013 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, C sei im Alter von 53 Jahren in den Haushalt des Klägers aufgenommen worden. Beim betreuten Wohnen in Familien sprächen bereits die Bestimmungen über das begleitete Wohnen gegen ein familienähnliches Band. So solle das Kind beim betreuten Wohnen in Familien als Gast behandelt werden. Die Betreuung und Versorgung werde auch nicht eigenverantwortlich vorgenommen, vielmehr bestünden Mitbestimmungs- und Kontrollrechte des Trägers. Der Träger müsse über alle wesentlichen Veränderungen informiert werden und führe regelmäßige Gespräche mit der Gastfamilie und dem in den Haushalt aufgenommenen erwachsenen Behinderten. Diese Umstände ähnelten nicht dem Familienverhältnis zwischen Eltern und Kindern, sondern eher der Unterbringung in anderen Formen des betreuten Wohnens. Für das Vorliegen eines familienähnlichen Bandes sei auch auf das bestehende Autoritätsverhältnis zwischen Eltern und Kindern abzustellen, welches sich bereits daraus ableite, dass die Eltern wesentlich älter seien als das Kind. Der Kläger und C seien jedoch annähernd gleich alt, und C lebe erst seit April 2013 im Haushalt des Klägers. Zuvor habe sie bei dessen Mutter gelebt. Anhaltspunkte für ein Autoritätsverhältnis seien nicht ersichtlich.
Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, C lebe seit über 20 Jahren in seiner Familie. Die ursprüngliche Pflegemutter sei seine Mutter gewesen, die jetzt selbst pflegebedürftig geworden sei. Er kenne C von Anfang an. Als er vor 18 Jahren geheiratet habe, hätten er und seine Ehefrau zunächst ein Nebengebäude auf dem Bauernhof seiner Mutter bewohnt. Vor einigen Jahren seien sie in ein neues Haus ins Dorf unweit des Bauernhofs gezogen. Es habe schon immer ein ständiger enger familiärer Kontakt mit C bestanden. C sei in keiner Weise zu einer eigenständigen Lebensführung in der Lage. Sie habe nur eingeschränkte Lese- und Schreibfähigkeiten, könne auch etwas rechnen, aber nicht mit Geld umgehen. Sie sei leicht beeinflussbar und müsse davor geschützt werden, auch in einfachen finanziellen Angelegenheiten von anderen ausgenutzt zu werden. Das gelte auch für ihre persönlichen und sozialen Lebensbereiche. Auch Haushaltsarbeiten könne sie nicht unbeaufsichtigt ausführen. Sie benötige Unterstützung in Geld- und Vermögensangelegenheiten, bei der Beschaffung von Kleidern, bei der Körper- und Gesundheitspflege und beim Umgang mit Behörden. Insgesamt könnten ihre kognitiven Fähigkeiten denen eines zehnjährigen Kindes gleichgesetzt werden. Er und seine Ehefrau hätten in den letzten Jahren schon seine Mutter bei der Pflege von C unterstützt. Im April 2013 habe seine Mutter den Bauernhof aufgeben und in ein Pflegeheim ziehen müssen. Daraufhin hätten er und seine Ehefrau C ganz zu sich in das Haus genommen, wo sie ein eigenes Zimmer mit Nasszelle bewohne. Heute sei C voll in das Leben und die Haushaltsführung seiner Familie integriert. Er und seine Ehefrau seien die maßgeblichen Bezugspersonen, auf die sie höre. Ihre leiblichen Eltern seien verstorben, zu ihren Geschwistern bestehe nur ein gelegentlicher Kontakt. Seit April 2013 besuche sie eine Werkstatt für behinderte Menschen, zu der sie nach entsprechender Einübung selbstständig mit dem Bus fahre. Insgesamt benötige sie eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, die er und seine Familie garantiere. Da zu C, die einem zehnjährigen Kind gleichzustellen sei, ein emotionales familienähnliches Verhältnis bestehe, das auch bereits längere Zeit begründet und auf längere Dauer angelegt sei, und da er und seine Ehefrau auch die Autoritätspersonen für C seien, sei der Kindergeldanspruch begründet. Die Beklagte verweise auf den nach dem Pflegevertrag begleitenden Betreuungsdienst. Dieser ersetze nicht die erforderliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung der behinderten Frau, sondern diene der Anleitung und Unterstützung der Pflegefamilie. Es handele sich um wenige Einzelbesuche vor Ort, im Übrigen um telefonische Beratungen und überörtliche Veranstaltungen.
Der Kläger hat zur Untermauerung seines Vorbringens u.a. folgende Unterlagen vorgelegt: Auflistung der Ehefrau des Klägers über die Bereiche, in denen C Anleitung und Hilfe braucht, dazu auch Bestätigung der B vom 20. Mai 2014, Intelligenztest von C vom 7. November 2013, nach dem das Intelligenzalter im Durchschnitt 7,7 Jahre betrage, Auflistung der Urlaubszeiten und -orte von C vom 11. Dezember 2014, Vertrag Betreutes Wohnen in Familien (BWF), Bescheinigung der Behindertenwerkstätte vom 8. Dezember 2014.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 6. Mai 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 19. November 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für das Pflegekind C ab April 2013 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
10 
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
11 
Sie trägt vor, Zweifel bestünden insbesondere an dem für die Annahme eines familienähnlichen Bandes geforderten Autoritätsverhältnis zwischen Pflegeeltern und Pflegekind. Als C im April 2013 in den Haushalt des Klägers gewechselt habe, sei sie 53 Jahre alt gewesen, der Kläger 51 Jahre und seine Ehefrau 47 Jahre. Zuvor habe C im Haushalt der Mutter des Klägers gewohnt. Zwar habe es nach dem Vortrag des Klägers auch zu dieser Zeit regelmäßige familiäre Kontakte und Besuche gegeben, es sei aber davon auszugehen, dass C den Kläger und seine Ehefrau eher als Geschwister als als Eltern angesehen habe. Das Autoritätsverhältnis leite sich aber im Regelfall bereits daraus ab, dass die Eltern wesentlich älter seien als das Kind und langjährig auf die Entwicklung des Kindes Einfluss nähmen. Andere besondere Umstände, aus denen sich ein Autoritätsverhältnis ergebe, seien hier nicht gegeben. Ein familienähnliches Band setze zudem voraus, dass die ideelle Beziehung zwischen den Beteiligten bereits über einen längeren Zeitraum bestanden habe. Nur dies entspreche dem typischen Eltern-Kind-Verhältnis, das sich gegenüber einem bereits Volljährigen schon über viele Jahre entwickelt habe. C habe von 1993 bis März 2013 bei der Mutter des Klägers gewohnt. Der Kläger habe 1996 geheiratet und sei danach in ein Nebengebäude auf dem Hof seiner Mutter und später in ein anderes Haus im Dorf umgezogen. Es sei davon auszugehen, dass er neben seiner beruflichen Tätigkeit und seiner eigenen Familie (die Söhne seien 1998 und 2000 zur Welt gekommen) zu C kein dem typischen Eltern-Kind-Verhältnis entsprechendes Verhältnis entwickelt habe. Daran änderten auch vorausgegangene Besuche von C im Haus des Klägers nichts. Weiterhin ließen sich die im Vertrag „Betreutes Wohnen in Familien“ enthaltenen Regelungen über Entlastungszeit, Urlaubszeit und Kündigungsrecht mit einem familienähnlichen, auf längere Dauer berechneten Band schlecht vereinbaren.
12 
Mit Beschluss des Senats 20. April 2015 ist der Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen worden.
13 
In der mündlichen Verhandlung ist ein Vertreter der Beklagten nicht erschienen. Die Beklagte hat ihr Fehlen angekündigt und entschuldigt.
14 
Der Kläger und für den Kläger teilweise seine anwesende Ehefrau haben auf Nachfrage angegeben, das eigene Haus, in dem sie jetzt lebten, bewohnten sie seit etwa 10 Jahren. Es sei etwa 3 Minuten zu Fuß vom Hof der Mutter entfernt. Im Haus befinde sich im Erdgeschoss der Wohnbereich, also Wohnzimmer, Esszimmer, Küche, im Untergeschoss habe Frau C ihr Zimmer mit einem Bad. Die Zimmer der Söhne und das Schlafzimmer befänden sich im 1. Obergeschoss. Für das Untergeschoss bestehe zwar ein separater Eingang, dieser werde jedoch nicht benutzt, auch Frau C benutze ihn nicht. Das Treppenhaus im Haus sei offen. Die Mahlzeiten würden gemeinsam eingenommen. Die Freizeit verbrächten sie mit Frau C zusammen, früher auch gemeinsam mit den Kindern, seit diese Teenager seien, auch ohne diese. Abends führten sie mit Frau C in der Regel eine halbstündige Unterhaltung über die Erlebnisse des Tages, dann gebe es das gemeinsame Abendessen. Frau C helfe dann dabei, die Vesperbrote für den nächsten Tag zu richten. Sie gingen mit Frau C gemeinsam einkaufen, da diese gerne einkaufe, freitags habe sich ein Besuch mit ihr bei McDonalds eingebürgert. Die Umstellung nach dem Einzug in ihrem Haus sei zwar groß gewesen, sei aber relativ schnell gegangen. Sie hätten die Ernährung und die Kleidung von Frau C verändert, Frau C habe auch eingesehen, dass sie 40 kg zu schwer gewesen sei. Sie hätten Frau C ja bereits gekannt, eine gewisse Beziehung sei bereits da gewesen. Frau D sei demenzkrank gewesen, es habe sich um einen langsamen Prozess gehandelt, weshalb sie schon früher, intensiv aber mindestens die letzten ein- bis zwei Jahre, hätten bei der Betreuung von Frau C eingreifen müssen, da die Mutter z.B. die Ernährung nicht mehr in den Griff bekommen habe. Nach dem Umzug von Frau C zu ihnen hätten sie erst einmal Urlaub zusammen gemacht, um eine Zäsur zu schaffen. Hilfe der B hätten sie dabei kaum benötigt, es habe die monatlichen Besuche gegeben. Unabhängig von der Familie habe Frau C jeweils einmal im Jahr eine Wochenendfreizeit und eine längere Freizeit mit der B unternommen, sonst sei sie mit ihnen in Urlaub gefahren. Die im Vertrag vorgesehene Entlastungszeit nähmen sie einmal im Jahr für 4 bis 5 Tage in Anspruch, wenn sie zum Skifahren führen, weil Frau C dies nicht mitmachen könne. In dieser Zeit sei Frau C dann bei Frau E, einer Bekannten aus dem Ort.
15 
Zu dem Vertrag „Betreutes Wohnen in Familien“ hat der Prozessbevollmächtigte geltend gemacht, die Gestaltung des Vertrages beruhe auf Auflagen und Vorgaben des Sozialleistungsträgers. Die Ausgestaltung solle bestimmte Selbstbestimmungsrechte des Behinderten festschreiben und diene damit dem Schutz des Behinderten vor Ausbeutung oder Ausnutzung und gebe nichts für die Frage her, ob zwischen dem Pflegekind und der Pflegefamilie ein familienähnliches Band bestehe oder nicht.
16 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der beigezogenen Kindergeldakten der Beklagten (ein Heft) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17 
Das Gericht konnte den Rechtsstreit trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da diese in der rechtzeitig zugestellten Ladung hierauf hingewiesen worden ist (§ 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Beklagte hat ihr Fernbleiben angekündigt und entschuldigt.
18 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
19 
Der Ablehnungsbescheid vom 6. Mai 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 19. November 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum April 2013 bis November 2013 (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 70/09, BFH/NV 2012, 1446) keinen Anspruch auf Kindergeld für die in seinen Haushalt aufgenommene C.
20 
Nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht ein Kindergeldanspruch für Kinder i.S. des § 32 Abs. 1 EStG. Kinder sind nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch Pflegekinder. Ein Pflegekind ist nach dem in § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG enthaltenen Klammerzusatz eine Person, mit der der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.
21 
Der Klammerzusatz stellt eine Legaldefinition dar, d.h. die hierin enthaltenen Umstände sind echte Tatbestandsvoraussetzungen und nicht nur erläuternde Nebenbestimmungen.
22 
Ein familienähnliches Band liegt vor, wenn das Kind wie zur Familie angehörig angesehen und behandelt wird. Dies setzt voraus, dass zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht. Da das Gesetz Pflegekinder in eine Reihe mit leiblichen Kindern, Adoptivkindern, Stief- und Enkelkindern stellt und das Pflegekindschaftsverhältnis steuerrechtlich unter Umständen über das 25. Lebensjahr hinauswirkt und weiterhin zur Gewährung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld führen kann, ist ein besonders enges Band erforderlich.
23 
Nach der Rechtsprechung ist erforderlich, dass das Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsverhältnis seine Grundlage in einer ideellen Dauerbindung findet; dabei ist nicht allein auf die äußeren Lebensumstände, sondern auch darauf abzustellen, ob das Pflegekind in der Familie eine natürliche Einheit von Versorgung, Erziehung und „Heimat“ findet - also nicht nur Kostgänger ist, sondern wie zur Familie gehörig angesehen und behandelt wird. Aus der Parallele zum Eltern-Kind-Verhältnis ergibt sich zudem, dass auch zwischen dem Pflegeelternteil und dem Pflegekind ein Autoritätsverhältnis bestehen muss, aufgrund dessen sich das Pflegekind der Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsmacht des Pflegeelternteils unterwirft.
24 
Vor dem Hintergrund des Umstands, dass die körperliche Versorgung und die Erziehung des Pflegekindes, die Voraussetzung für die Annahme eines familienähnlichen Bandes sind, bei einem gesunden Volljährigen in der Regel keine entscheidende Rolle mehr spielen, hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass sich ein familienähnliches Band mit einem bereits Volljährigen nur bei Vorliegen besonderer Umstände begründen lässt.
25 
Insoweit ist zum einen der psychischen Verfassung der zu pflegenden Person, insbesondere einer eventuellen Unfähigkeit zu eigener Lebensgestaltung, im Einzelfall Bedeutung beizumessen.
26 
Während bei Bestehen einer körperlichen Behinderung, einer Sinnesbehinderung (z.B. Blindheit, Gehörlosigkeit) oder einer Sprachbehinderung die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in der Regel bereits am Fehlen eines Erziehungsverhältnisses scheitern wird, kommt bei Behinderungen im Bereich der geistigen Fähigkeiten oder der seelischen Gesundheit die Entstehung eines familienähnlichen Bandes grundsätzlich auch bei einem Volljährigen in Betracht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Erbringung umfänglicher Pflege- und Unterstützungsleistungen und ein damit verbundenes hohes Maß an persönlicher Zuwendung gegenüber einem geistig oder seelisch behinderten Menschen zugleich auch ein familienähnliches Band begründet. Denn dies hätte zur Folge, dass jedes Pflegeverhältnis zwischen einer Person und einem in dieser Form Behinderten zugleich auch ein Pflegekindschaftsverhältnis begründen würde. Zwar reicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch für die Annahme einer Behinderung aus, dass die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Um den Behinderten aber in ein Aufsichts-, Betreuungs- und vor allem Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern stellen zu können, muss die Behinderung so schwer sein, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspricht.
27 
Weiter ist erforderlich, dass trotz der Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten Möglichkeiten und die Bereitschaft zu einer erzieherischen Einwirkung gegeben sein müssen. Ist eine erzieherische Einwirkungsmöglichkeit der pflegenden Person auf die zu pflegende Person als ausgeschlossen zu betrachten, ähnelt ein solches Pflegeverhältnis mehr dem zu einem Kostgänger als dem zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern. Daher ist die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in einem solchen Fall in der Regel ausgeschlossen.
28 
Auch wenn die geistig behinderte oder seelisch kranke Person umfangreicher Überwachung, Anweisung und Unterstützung bedarf, folgt daraus allein noch nicht, dass sie wie zur Familie gehörig anzusehen wäre. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, aus denen sich eine Vergleichbarkeit zu den Verhältnissen leiblicher Kinder und eine Zugehörigkeit zur Familie ergeben. Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, wie sich die Wohn- und Lebensverhältnisse der zu pflegenden Person innerhalb der Familie darstellen (welche Räume stehen den einzelnen Familienangehörigen allein oder zur Mitbenutzung zur Verfügung?), in welchem Verhältnis die zu pflegende Person zu den anderen Familienangehörigen steht (Eingliederung in die Rolle eines Kindes gegenüber „Pflegeeltern“ und etwaigen „Pflegegeschwistern“) und ob sie in die familiäre Lebensgestaltung eingebunden ist (z.B. Teilnahme an gemeinsamen Mahlzeiten, Freizeit- und Urlaubsaktivitäten etc.). Ferner ist in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob und inwieweit die Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben in familienähnlicher Weise von der pflegenden Person selbst wahrgenommen werden bzw. ob und inwieweit in nicht familienähnlicher Weise andere, insbesondere nicht haushaltszugehörige „familienfremde“ Personen (z.B. Betreuungsfachkräfte des Trägers der Familienpflege), solche Aufgaben erfüllen.
29 
Da insbesondere die erzieherische Einwirkungsmöglichkeit sich im Eltern-Kind-Verhältnis aus einem Autoritätsverhältnis ableitet, ist eine solche Autoritätsstellung der pflegenden Person gegenüber der zu pflegenden Person auch Voraussetzung für das Vorliegen eines familienähnlichen Bandes. Diese leitet sich im Verhältnis zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern im Regelfall bereits daraus ab, dass die Eltern wesentlich älter sind als das Kind und über das ihnen zustehende Erziehungsrecht langjährig auf die Entwicklung des Kindes Einfluss nehmen können bzw. schon genommen haben. Erfüllt die pflegende Person diese Voraussetzungen nicht, müssen andere besondere Umstände vorliegen, aus denen sich im Einzelfall die Entstehung eines Autoritätsverhältnisses zwischen der pflegenden und der gepflegten Person ergibt (z.B. langjährige Übernahme der Elternrolle für ein minderjähriges behindertes Geschwisterteil bei Vollwaisen).
30 
Da der Pflegekindbegriff nach der Legaldefinition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG voraussetzt, dass der Steuerpflichtige mit dem Pflegekind durch ein familienähnliches Band „verbunden ist“, muss die ideelle Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Pflegekind bereits über einen längeren Zeitraum bestanden haben, bevor von einer ideellen Bindung ausgegangen werden kann. Dies entspricht auch dem typischen Eltern-Kind-Verhältnis, das sich gegenüber einem bereits Volljährigen in der Regel schon über viele Jahre entwickelt hat.
31 
Demgegenüber zielt das Tatbestandsmerkmal, wonach es sich um ein „auf längere Dauer berechnetes“ Band handeln muss, darauf ab, wie sich die zukünftige Entwicklung des Verhältnisses zwischen der pflegenden Person und der gepflegten Person darstellt. Insoweit muss aus Sicht der pflegenden Person beabsichtigt sein, die bereits entstandene familiäre Bindung auch zukünftig langjährig aufrecht zu erhalten (zu alledem vgl.: BFH, Urteil vom 9. Februar 2012 III R 15/09, BStBl II 2012, 739, m.w.N.).
32 
In Anwendung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Fall zwar schon davon ausgegangen werden, dass C wie zur Familie des Klägers angehörig angesehen und behandelt wird. Sie verfügt -wie die Söhne des Klägers auch- über ein eigenes Zimmer, das in das Haus der Familie integriert ist, und sie nimmt sowohl an den Mahlzeiten der Familie als auch an den Abendbeschäftigungen, sonstigen Freizeitgestaltungen und teilweise auch an den Urlauben der Familie teil. Der Kläger hat nachgewiesen, dass die geistige Behinderung bei C sich dergestalt auswirkt, dass ihr Intelligenzalter im Durchschnitt 7,7 Jahre beträgt, also das eines Kindes, und dass sie wie ein solches Kind in allen elementaren Bereichen des Lebens wie Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege und Hygiene, sowie Vermögenssorge und soziale Kontakte Hilfe und Anleitung benötigt, die der Kläger und seine Ehefrau leisten und die von Frau C auch angenommen werden. Die Einzelrichterin hat nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung auch keinen Zweifel daran, dass die Zugehörigkeit von C zum Haushalt des Klägers -wie vorgetragen- auf längere Dauer angelegt ist.
33 
Weitere Voraussetzung für die Annahme eines Pflegekindverhältnisses im Sinne des Kindergeldrechts ist -wie oben dargelegt- jedoch auch, dass die ideelle Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Pflegekind bereits über einen längeren Zeitraum bestanden hat, weil der Steuerpflichtige nur so mit den Pflegekind durch ein familienähnliches Band „verbunden“ ist. Daran fehlt es hier.
34 
C befindet sich erst seit April 2013 im Haushalt des Klägers, sodass im Streitzeitraum April 2013 bis November 2013 (noch) nicht von einer über einen längeren Zeitraum andauernden Bindung ausgegangen werden kann.
35 
Insoweit hat der Kläger zwar geltend gemacht, dass das familienähnliche Band auch schon vor der Aufnahme von Frau C in seinen Haushalt bestanden habe, weil der Umzug von C von der bisherigen Pflegemutter, seiner Mutter, zu ihm und seiner Familie praktisch wie ein Umzug innerhalb der Familie anzusehen sei, das Band zu Frau C damit in den letzten 20 Jahren entstanden sei und C alle Entwicklungen in der Familie wie die Geburt seiner Söhne, den Tod seines Vaters und den altersbedingten Abbau seiner Mutter unmittelbar miterlebt habe. Mindestens in den letzten ein- bis zwei Jahren hätten sie darüber hinaus schon intensiv in die Betreuung von Frau C eingreifen müssen, weil seine Mutter z.B. die Ernährung nicht mehr in den Griff bekommen habe.
36 
Der Kläger verkennt jedoch, dass das geforderte familienähnliche Band einem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechen muss. Bis zu ihrem Umzug in den Haushalt des Klägers bestand ein solches langjähriges Verhältnis nur zu der Mutter des Klägers, nicht aber auch zum Kläger und seiner Ehefrau, auch wenn diese zur Familie gehörten, in dem gemeinsamen Umfeld von Pflegemutter und C präsent und letzterer damit vertraut waren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seiner Heirat im Dezember 1996 den Haushalt seiner Mutter verlassen hat, um mit seiner Ehefrau zunächst in ein Nebengebäude auf dem Hof seiner Mutter zu ziehen. Seit nunmehr 10 Jahren leben der Kläger und seine Familie in einem anderen Haus im Ort. So intensiv die Unterstützung der Mutter des Klägers gewesen sein mag, die der Kläger und seine Ehefrau insbesondere in den letzten zwei Jahren bei der Betreuung von C leisten mussten, ein dem Eltern-Kind-Verhältnis ähnliches Verhältnis ist dadurch (noch) nicht entstanden. Denn dieses setzt schon nach dem Gesetzeswortlaut die Aufnahme des Pflegekindes in den eigenen Haushalt voraus und damit ein umfassendes Aufsichts-, Erziehungs-, und Betreuungsverhältnis. Unterstützungsleistungen reichen für die Annahme eines familienähnlichen Bandes daher nicht aus. Nach dem Umzug von C in den Haushalt des Klägers wurden nach den Einlassungen des Klägers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung gravierende Veränderungen z.B. in Kleidung und Ernährung von Frau C vorgenommen. Der Kläger und seine Ehefrau sprachen hierbei selbst von einer großen Umstellung, zu deren Abmilderung zunächst ein gemeinsamer Urlaub angetreten wurde. Erst jetzt musste Frau C sich darauf einstellen, den Kläger und seine Ehefrau in quasi in letzter Instanz als Autorität zu akzeptieren. Dass dies relativ rasch gelungen ist, daran zweifelt das Gericht nicht, dies wird auch von der B in ihrem Schreiben vom 20. Mai 2014 ausführlich bestätigt. Die Dauer des so entstandenen Bandes reicht für eine Kindergeldberechtigung aber noch nicht aus.
37 
Weiterhin teilt das Gericht die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach die Bestimmungen in dem das Pflegeverhältnis zwischen dem Kläger und C regelnden Vertrag über Betreutes Wohnen in Familien (BWF) der Annahme eines familienähnlichen Bandes entgegenstehen. Denn bei dem Träger der Konzeption „Betreutes Wohnen in Familien“, der B, verbleiben auch nach der Aufnahme des behinderten Erwachsenen in den Haushalt einer Familie Beratungs- und Kontrollfunktionen. So sollen nach § 3 des Vertrags regelmäßige, vierwöchentliche Beratungsbesuche bei der Familie durchgeführt werden. Die Familie ist verpflichtet, der Trägerin über die persönliche Entwicklung und über besondere Vorkommnisse sowie Veränderungen in den Lebensumständen der behinderten Erwachsenen, im Vertrag als Klientin bezeichnet, Bericht zu erstatten (§ 4 Abs. 2 des Vertrags). Es können Hausbesuche bei der Familie durchgeführt werden (§ 4 Abs. 3 des Vertrags). Nicht „familienähnlich“ ist es auch, dass der Klientin nach § 7 des Vertrags ein Urlaubsanspruch von 28 Tagen gegenüber der Familie zusteht (in diesem Sinne auch FG München, Urteil vom 8. April 2009 10 K 784/08, EFG 2009, 1208). Der Klägerseite ist zuzugeben, dass diese Regelungen Selbstbestimmungsrechte des Behinderten formulieren und damit dem Schutz des Behinderten vor Ausbeutung oder Ausnutzung dienen sollen. Danach nicht vereinbar mit einem familienähnlichen Verhältnis sind aber in jedem Fall die Regelungen über die Entlastungszeit, die der Familie zusteht und während der das Pflegekind anderweitig untergebracht und versorgt werden muss (§ 6 des Vertrags) und über das Recht zur Kündigung des Vertrags innerhalb einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende (§ 11 des Vertrags). Die vertraglichen Gestaltungen des Verhältnisses zwischen der Familie des Klägers und C entsprechen somit eher denen anderer Formen des Betreuten Wohnens.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Gründe

17 
Das Gericht konnte den Rechtsstreit trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da diese in der rechtzeitig zugestellten Ladung hierauf hingewiesen worden ist (§ 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Beklagte hat ihr Fernbleiben angekündigt und entschuldigt.
18 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
19 
Der Ablehnungsbescheid vom 6. Mai 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 19. November 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum April 2013 bis November 2013 (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 70/09, BFH/NV 2012, 1446) keinen Anspruch auf Kindergeld für die in seinen Haushalt aufgenommene C.
20 
Nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht ein Kindergeldanspruch für Kinder i.S. des § 32 Abs. 1 EStG. Kinder sind nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch Pflegekinder. Ein Pflegekind ist nach dem in § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG enthaltenen Klammerzusatz eine Person, mit der der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.
21 
Der Klammerzusatz stellt eine Legaldefinition dar, d.h. die hierin enthaltenen Umstände sind echte Tatbestandsvoraussetzungen und nicht nur erläuternde Nebenbestimmungen.
22 
Ein familienähnliches Band liegt vor, wenn das Kind wie zur Familie angehörig angesehen und behandelt wird. Dies setzt voraus, dass zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht. Da das Gesetz Pflegekinder in eine Reihe mit leiblichen Kindern, Adoptivkindern, Stief- und Enkelkindern stellt und das Pflegekindschaftsverhältnis steuerrechtlich unter Umständen über das 25. Lebensjahr hinauswirkt und weiterhin zur Gewährung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld führen kann, ist ein besonders enges Band erforderlich.
23 
Nach der Rechtsprechung ist erforderlich, dass das Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsverhältnis seine Grundlage in einer ideellen Dauerbindung findet; dabei ist nicht allein auf die äußeren Lebensumstände, sondern auch darauf abzustellen, ob das Pflegekind in der Familie eine natürliche Einheit von Versorgung, Erziehung und „Heimat“ findet - also nicht nur Kostgänger ist, sondern wie zur Familie gehörig angesehen und behandelt wird. Aus der Parallele zum Eltern-Kind-Verhältnis ergibt sich zudem, dass auch zwischen dem Pflegeelternteil und dem Pflegekind ein Autoritätsverhältnis bestehen muss, aufgrund dessen sich das Pflegekind der Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsmacht des Pflegeelternteils unterwirft.
24 
Vor dem Hintergrund des Umstands, dass die körperliche Versorgung und die Erziehung des Pflegekindes, die Voraussetzung für die Annahme eines familienähnlichen Bandes sind, bei einem gesunden Volljährigen in der Regel keine entscheidende Rolle mehr spielen, hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass sich ein familienähnliches Band mit einem bereits Volljährigen nur bei Vorliegen besonderer Umstände begründen lässt.
25 
Insoweit ist zum einen der psychischen Verfassung der zu pflegenden Person, insbesondere einer eventuellen Unfähigkeit zu eigener Lebensgestaltung, im Einzelfall Bedeutung beizumessen.
26 
Während bei Bestehen einer körperlichen Behinderung, einer Sinnesbehinderung (z.B. Blindheit, Gehörlosigkeit) oder einer Sprachbehinderung die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in der Regel bereits am Fehlen eines Erziehungsverhältnisses scheitern wird, kommt bei Behinderungen im Bereich der geistigen Fähigkeiten oder der seelischen Gesundheit die Entstehung eines familienähnlichen Bandes grundsätzlich auch bei einem Volljährigen in Betracht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Erbringung umfänglicher Pflege- und Unterstützungsleistungen und ein damit verbundenes hohes Maß an persönlicher Zuwendung gegenüber einem geistig oder seelisch behinderten Menschen zugleich auch ein familienähnliches Band begründet. Denn dies hätte zur Folge, dass jedes Pflegeverhältnis zwischen einer Person und einem in dieser Form Behinderten zugleich auch ein Pflegekindschaftsverhältnis begründen würde. Zwar reicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch für die Annahme einer Behinderung aus, dass die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Um den Behinderten aber in ein Aufsichts-, Betreuungs- und vor allem Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern stellen zu können, muss die Behinderung so schwer sein, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspricht.
27 
Weiter ist erforderlich, dass trotz der Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten Möglichkeiten und die Bereitschaft zu einer erzieherischen Einwirkung gegeben sein müssen. Ist eine erzieherische Einwirkungsmöglichkeit der pflegenden Person auf die zu pflegende Person als ausgeschlossen zu betrachten, ähnelt ein solches Pflegeverhältnis mehr dem zu einem Kostgänger als dem zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern. Daher ist die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in einem solchen Fall in der Regel ausgeschlossen.
28 
Auch wenn die geistig behinderte oder seelisch kranke Person umfangreicher Überwachung, Anweisung und Unterstützung bedarf, folgt daraus allein noch nicht, dass sie wie zur Familie gehörig anzusehen wäre. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, aus denen sich eine Vergleichbarkeit zu den Verhältnissen leiblicher Kinder und eine Zugehörigkeit zur Familie ergeben. Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, wie sich die Wohn- und Lebensverhältnisse der zu pflegenden Person innerhalb der Familie darstellen (welche Räume stehen den einzelnen Familienangehörigen allein oder zur Mitbenutzung zur Verfügung?), in welchem Verhältnis die zu pflegende Person zu den anderen Familienangehörigen steht (Eingliederung in die Rolle eines Kindes gegenüber „Pflegeeltern“ und etwaigen „Pflegegeschwistern“) und ob sie in die familiäre Lebensgestaltung eingebunden ist (z.B. Teilnahme an gemeinsamen Mahlzeiten, Freizeit- und Urlaubsaktivitäten etc.). Ferner ist in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob und inwieweit die Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben in familienähnlicher Weise von der pflegenden Person selbst wahrgenommen werden bzw. ob und inwieweit in nicht familienähnlicher Weise andere, insbesondere nicht haushaltszugehörige „familienfremde“ Personen (z.B. Betreuungsfachkräfte des Trägers der Familienpflege), solche Aufgaben erfüllen.
29 
Da insbesondere die erzieherische Einwirkungsmöglichkeit sich im Eltern-Kind-Verhältnis aus einem Autoritätsverhältnis ableitet, ist eine solche Autoritätsstellung der pflegenden Person gegenüber der zu pflegenden Person auch Voraussetzung für das Vorliegen eines familienähnlichen Bandes. Diese leitet sich im Verhältnis zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern im Regelfall bereits daraus ab, dass die Eltern wesentlich älter sind als das Kind und über das ihnen zustehende Erziehungsrecht langjährig auf die Entwicklung des Kindes Einfluss nehmen können bzw. schon genommen haben. Erfüllt die pflegende Person diese Voraussetzungen nicht, müssen andere besondere Umstände vorliegen, aus denen sich im Einzelfall die Entstehung eines Autoritätsverhältnisses zwischen der pflegenden und der gepflegten Person ergibt (z.B. langjährige Übernahme der Elternrolle für ein minderjähriges behindertes Geschwisterteil bei Vollwaisen).
30 
Da der Pflegekindbegriff nach der Legaldefinition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG voraussetzt, dass der Steuerpflichtige mit dem Pflegekind durch ein familienähnliches Band „verbunden ist“, muss die ideelle Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Pflegekind bereits über einen längeren Zeitraum bestanden haben, bevor von einer ideellen Bindung ausgegangen werden kann. Dies entspricht auch dem typischen Eltern-Kind-Verhältnis, das sich gegenüber einem bereits Volljährigen in der Regel schon über viele Jahre entwickelt hat.
31 
Demgegenüber zielt das Tatbestandsmerkmal, wonach es sich um ein „auf längere Dauer berechnetes“ Band handeln muss, darauf ab, wie sich die zukünftige Entwicklung des Verhältnisses zwischen der pflegenden Person und der gepflegten Person darstellt. Insoweit muss aus Sicht der pflegenden Person beabsichtigt sein, die bereits entstandene familiäre Bindung auch zukünftig langjährig aufrecht zu erhalten (zu alledem vgl.: BFH, Urteil vom 9. Februar 2012 III R 15/09, BStBl II 2012, 739, m.w.N.).
32 
In Anwendung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Fall zwar schon davon ausgegangen werden, dass C wie zur Familie des Klägers angehörig angesehen und behandelt wird. Sie verfügt -wie die Söhne des Klägers auch- über ein eigenes Zimmer, das in das Haus der Familie integriert ist, und sie nimmt sowohl an den Mahlzeiten der Familie als auch an den Abendbeschäftigungen, sonstigen Freizeitgestaltungen und teilweise auch an den Urlauben der Familie teil. Der Kläger hat nachgewiesen, dass die geistige Behinderung bei C sich dergestalt auswirkt, dass ihr Intelligenzalter im Durchschnitt 7,7 Jahre beträgt, also das eines Kindes, und dass sie wie ein solches Kind in allen elementaren Bereichen des Lebens wie Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege und Hygiene, sowie Vermögenssorge und soziale Kontakte Hilfe und Anleitung benötigt, die der Kläger und seine Ehefrau leisten und die von Frau C auch angenommen werden. Die Einzelrichterin hat nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung auch keinen Zweifel daran, dass die Zugehörigkeit von C zum Haushalt des Klägers -wie vorgetragen- auf längere Dauer angelegt ist.
33 
Weitere Voraussetzung für die Annahme eines Pflegekindverhältnisses im Sinne des Kindergeldrechts ist -wie oben dargelegt- jedoch auch, dass die ideelle Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Pflegekind bereits über einen längeren Zeitraum bestanden hat, weil der Steuerpflichtige nur so mit den Pflegekind durch ein familienähnliches Band „verbunden“ ist. Daran fehlt es hier.
34 
C befindet sich erst seit April 2013 im Haushalt des Klägers, sodass im Streitzeitraum April 2013 bis November 2013 (noch) nicht von einer über einen längeren Zeitraum andauernden Bindung ausgegangen werden kann.
35 
Insoweit hat der Kläger zwar geltend gemacht, dass das familienähnliche Band auch schon vor der Aufnahme von Frau C in seinen Haushalt bestanden habe, weil der Umzug von C von der bisherigen Pflegemutter, seiner Mutter, zu ihm und seiner Familie praktisch wie ein Umzug innerhalb der Familie anzusehen sei, das Band zu Frau C damit in den letzten 20 Jahren entstanden sei und C alle Entwicklungen in der Familie wie die Geburt seiner Söhne, den Tod seines Vaters und den altersbedingten Abbau seiner Mutter unmittelbar miterlebt habe. Mindestens in den letzten ein- bis zwei Jahren hätten sie darüber hinaus schon intensiv in die Betreuung von Frau C eingreifen müssen, weil seine Mutter z.B. die Ernährung nicht mehr in den Griff bekommen habe.
36 
Der Kläger verkennt jedoch, dass das geforderte familienähnliche Band einem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechen muss. Bis zu ihrem Umzug in den Haushalt des Klägers bestand ein solches langjähriges Verhältnis nur zu der Mutter des Klägers, nicht aber auch zum Kläger und seiner Ehefrau, auch wenn diese zur Familie gehörten, in dem gemeinsamen Umfeld von Pflegemutter und C präsent und letzterer damit vertraut waren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seiner Heirat im Dezember 1996 den Haushalt seiner Mutter verlassen hat, um mit seiner Ehefrau zunächst in ein Nebengebäude auf dem Hof seiner Mutter zu ziehen. Seit nunmehr 10 Jahren leben der Kläger und seine Familie in einem anderen Haus im Ort. So intensiv die Unterstützung der Mutter des Klägers gewesen sein mag, die der Kläger und seine Ehefrau insbesondere in den letzten zwei Jahren bei der Betreuung von C leisten mussten, ein dem Eltern-Kind-Verhältnis ähnliches Verhältnis ist dadurch (noch) nicht entstanden. Denn dieses setzt schon nach dem Gesetzeswortlaut die Aufnahme des Pflegekindes in den eigenen Haushalt voraus und damit ein umfassendes Aufsichts-, Erziehungs-, und Betreuungsverhältnis. Unterstützungsleistungen reichen für die Annahme eines familienähnlichen Bandes daher nicht aus. Nach dem Umzug von C in den Haushalt des Klägers wurden nach den Einlassungen des Klägers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung gravierende Veränderungen z.B. in Kleidung und Ernährung von Frau C vorgenommen. Der Kläger und seine Ehefrau sprachen hierbei selbst von einer großen Umstellung, zu deren Abmilderung zunächst ein gemeinsamer Urlaub angetreten wurde. Erst jetzt musste Frau C sich darauf einstellen, den Kläger und seine Ehefrau in quasi in letzter Instanz als Autorität zu akzeptieren. Dass dies relativ rasch gelungen ist, daran zweifelt das Gericht nicht, dies wird auch von der B in ihrem Schreiben vom 20. Mai 2014 ausführlich bestätigt. Die Dauer des so entstandenen Bandes reicht für eine Kindergeldberechtigung aber noch nicht aus.
37 
Weiterhin teilt das Gericht die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach die Bestimmungen in dem das Pflegeverhältnis zwischen dem Kläger und C regelnden Vertrag über Betreutes Wohnen in Familien (BWF) der Annahme eines familienähnlichen Bandes entgegenstehen. Denn bei dem Träger der Konzeption „Betreutes Wohnen in Familien“, der B, verbleiben auch nach der Aufnahme des behinderten Erwachsenen in den Haushalt einer Familie Beratungs- und Kontrollfunktionen. So sollen nach § 3 des Vertrags regelmäßige, vierwöchentliche Beratungsbesuche bei der Familie durchgeführt werden. Die Familie ist verpflichtet, der Trägerin über die persönliche Entwicklung und über besondere Vorkommnisse sowie Veränderungen in den Lebensumständen der behinderten Erwachsenen, im Vertrag als Klientin bezeichnet, Bericht zu erstatten (§ 4 Abs. 2 des Vertrags). Es können Hausbesuche bei der Familie durchgeführt werden (§ 4 Abs. 3 des Vertrags). Nicht „familienähnlich“ ist es auch, dass der Klientin nach § 7 des Vertrags ein Urlaubsanspruch von 28 Tagen gegenüber der Familie zusteht (in diesem Sinne auch FG München, Urteil vom 8. April 2009 10 K 784/08, EFG 2009, 1208). Der Klägerseite ist zuzugeben, dass diese Regelungen Selbstbestimmungsrechte des Behinderten formulieren und damit dem Schutz des Behinderten vor Ausbeutung oder Ausnutzung dienen sollen. Danach nicht vereinbar mit einem familienähnlichen Verhältnis sind aber in jedem Fall die Regelungen über die Entlastungszeit, die der Familie zusteht und während der das Pflegekind anderweitig untergebracht und versorgt werden muss (§ 6 des Vertrags) und über das Recht zur Kündigung des Vertrags innerhalb einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende (§ 11 des Vertrags). Die vertraglichen Gestaltungen des Verhältnisses zwischen der Familie des Klägers und C entsprechen somit eher denen anderer Formen des Betreuten Wohnens.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. Juni 2015 - 13 K 4131/13 zitiert 9 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder


(1) Kinder sind1.im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken i

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Einkommensteuergesetz - EStG | § 63 Kinder


(1) 1Als Kinder werden berücksichtigt 1. Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1,2. vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten,3. vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel. 2§ 32 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 91


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkü

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Bundesfinanzhof Urteil, 09. Feb. 2012 - III R 15/09

bei uns veröffentlicht am 09.02.2012

Tatbestand 1 I. Die am 3. November 1954 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) nahm im Jahr 1999 die am ... 1952 geborene Frau S in ihren Haushalt auf. Sie b

Bundesfinanzhof Urteil, 22. Dez. 2011 - III R 70/09

bei uns veröffentlicht am 22.12.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebt gemeinsam mit der am … 1968 geborenen G sowie mit deren am … 1977 geborenen Bruder H in e

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebt gemeinsam mit der am … 1968 geborenen G sowie mit deren am … 1977 geborenen Bruder H in einem Haus, das G und H im Juli 2004 gemietet hatten. G ist blind und zu 100 % behindert, H zu 70 %. Seit Januar 2008 sind der Kläger und G verheiratet.

2

Im September 2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für G und H, da die beiden seine Pflegekinder seien. Die Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Kindergeldantrag durch Bescheid vom 10. Januar 2006 ab, da kein Pflegekindschaftsverhältnis vorliege.

3

Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006). Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 225). Es verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 zu zahlen, im Übrigen wies es die Klage ab.

4

Das FG beurteilte die Klage als unzulässig, soweit sie den Zeitraum ab Juli 2006 betraf, da die Familienkasse insoweit keine Verwaltungsentscheidung getroffen habe und auch kein Vorverfahren stattgefunden habe.

5

Nach Ansicht des FG war die Klage insoweit begründet, als der Kläger Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 begehrte. Der Kläger sei mit G und H durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden. Ein familienähnliches Band mit bereits volljährigen Kindern könne angenommen werden, wenn ein geistig oder seelisch behinderter Volljähriger in seinen Fähigkeiten derart eingeschränkt sei, dass er ohne Pflegekindschaftsverhältnis in einem Heim leben müsste. Dies sei bei G anzunehmen. Ab Mai 2006 scheide ein Pflegekindschaftsverhältnis zu G allerdings aus, weil zwischen ihr und dem Kläger seit dem 1. Mai 2006 eine Partnerschaft bestanden habe, die später in eine Ehe übergegangen sei. Zu H bestehe ebenfalls ein familienähnliches Band, da dieser aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.

6

Zur Begründung der von ihm eingelegten Revision trägt der Kläger vor, die Klage sei insoweit zulässig, als er Kindergeld für den Zeitraum ab Juli 2006 begehre. Hierfür sprächen Gründe der Prozessökonomie. Kindergeld sei auch insoweit zu zahlen, als das FG einen Anspruch für G ab Mai 2006 verneint habe. Es entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, bei einer partnerschaftlichen Beziehung stets ein Pflegekindschaftsverhältnis zu verneinen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, des Ablehnungsbescheides vom 10. Januar 2006 sowie der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für G und H ab September 2005 bis Juni 2006 zu gewähren, sie außerdem zu verpflichten, über die Kindergeldanträge für die Monate Juli 2006 bis September 2009 für G und H unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und die Revision der Familienkasse zurückzuweisen.

8

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den Anspruch auf Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 betrifft, und die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Die Familienkasse trägt vor, zwischen dem Kläger sowie G und H bestehe kein familienähnliches Band. Ein solches wäre nur dann zu bejahen, wenn G und H in ihrer geistigen Entwicklung einem Kind gleichstünden. Dies sei bei beiden zu verneinen. G und H hätten rechtswirksam einen Mietvertrag über das Haus abgeschlossen, das sie später gemeinsam mit dem Kläger bewohnt hätten. Auch die Entwicklung der Beziehung zwischen G und dem Kläger spreche dafür, dass G nicht geistig und seelisch so eingeschränkt gewesen sei, dass sie einem Kind gleichgestanden habe. Auch zwischen dem Kläger und H bestehe kein familienähnliches Band. Mit einem Grad der Behinderung von 70 % sei er nicht derart eingeschränkt, dass er in seiner Entwicklung einem Kind gleichstehe.

Entscheidungsgründe

10

II. Auf die Revision der Familienkasse wird das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben, als es den Anspruch auf Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 betrifft. Insoweit wird die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).

11

1. Die Revision der Familienkasse hat Erfolg, da das FG zu Unrecht der Ansicht war, der Kläger habe G und H als Pflegekinder in seinen Haushalt aufgenommen.

12

a) Kindergeld wird nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch für Pflegekinder gewährt. Pflegekinder sind nach der gesetzlichen Definition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.

13

b) Das Gesetz verlangt die Aufnahme des Pflegekindes in den Haushalt des Steuerpflichtigen oder Kindergeldberechtigten. Dieser muss in einer eigenen Wohnung ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen und sich persönlich und finanziell an der Haushaltsführung beteiligen. Der Steuerpflichtige (Kindergeldberechtigte) muss Eigentum oder Besitz an der Wohnung haben (Dürr in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 32 Rz 31).

14

c) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die Wohnung, in welcher der Kläger sowie G und H lebten, hatten letztere bereits durch den Vertrag vom 1. Juli 2004 angemietet. Erst später, nach der Vermutung des FG im September 2005, zog der Kläger in diese Wohnung ein. Der Kläger hat somit nicht G und H in seinen Haushalt aufgenommen, vielmehr nahmen G und H den Kläger in ihren Haushalt auf, den sie zuvor begründet hatten.

15

2. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

16

a) Soweit der Kläger hinsichtlich eines Kindergeldanspruchs für G für die Monate Mai und Juni 2006 unterlegen ist, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass ihm insoweit kein Kindergeld für G zusteht. Auf die Frage, ob eine "partnerschaftliche" Beziehung einem Pflegekindschaftsverhältnis entgegensteht, kommt es somit nicht an.

17

b) Zutreffend hat das FG die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen, als sie die Zeit nach dem Monat der Einspruchsentscheidung (Juni 2006) betrifft. Insoweit ist der Kläger nicht klagebefugt i.S. von § 40 Abs. 2 FGO.

18

aa) Der angegriffene Ablehnungsbescheid vom 10. Januar 2006 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 enthalten keine das Kindergeld ab Juli 2006 ablehnende Regelung. Denn die Familienkasse kann im Falle eines zulässigen, in der Sache aber unbegründeten Einspruchs gegen einen Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheid längstens eine Regelung des Kindergeldanspruchs bis zu dem Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung treffen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 2011 III R 54/09, BFH/NV 2011, 1858; vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203). Dieser zeitliche Regelungsumfang wird durch eine Klageerhebung nicht verändert. Insbesondere ist das gerichtliche Verfahren keine Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens. Im Hinblick auf die von der Verfassung vorgegebene Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes) ist es die Aufgabe der Gerichte, das bisher Geschehene bzw. das Unterlassen auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht jedoch, grundsätzlich der Verwaltung zustehende Funktionen auszuüben.

19

bb) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus Gründen der Prozessökonomie vertreten.

20

Die vom Bundessozialgericht (BSG) für das sozialgerichtliche Verfahren abweichend vertretene Auffassung, wonach bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungs- (§ 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes --SGG--) bzw. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen einen Verwaltungsakt, durch den die Gewährung laufender Zahlungen abgelehnt wird, auch über die nach der Widerspruchsentscheidung abgelaufenen Zeiträume zu entscheiden ist (vgl. BSG-Urteil vom 11. Dezember 2007 B 8/9b SO 12/06 R, SozR 4-3500 § 21 Nr. 1), ist auf das finanzgerichtliche Verfahren in Kindergeldsachen nicht übertragbar. Das BSG ging bei dieser Entscheidung davon aus, dass der im sozialgerichtlichen Verfahren angegriffene Bescheid die Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat. Demgegenüber trifft ein Aufhebungs- oder Ablehnungsbescheid im Kindergeldrecht --auch wenn er keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung enthält-- längstens eine Regelung des Kindergeldanspruchs bis zum Monat der Bekanntgabe der letzten Verwaltungsentscheidung.

21

Im finanzgerichtlichen Verfahren kann der Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle gemacht werden, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Gründe der Prozessökonomie oder der sozialen Fürsorge (s. BSG-Urteil vom 28. April 1960  8 RV 1341/58, BSGE 12, 127) rechtfertigen es nicht, eine Klage ohne das Vorliegen zwingender Sachurteilsvoraussetzungen als zulässig anzusehen (s. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Januar 1986  5 C 36/84, Bayerische Verwaltungsblätter --BayVBl-- 1986, 406; vom 30. April 1992  5 C 1/88, BayVBl 1992, 760).

22

cc) Soweit die Senatsentscheidungen vom 2. Juni 2005 III R 66/04 (BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184) sowie vom 30. Juni 2005 III R 80/03 (BFH/NV 2006, 262) dahingehend verstanden werden könnten, dass die Finanzgerichte bei Klagen gegen Kindergeld-Ablehnungsbescheide die Anspruchsberechtigung bis zum Monat der finanzgerichtlichen Entscheidung zu prüfen haben, hält der Senat aufgrund der vorstehenden Erwägungen hieran nicht mehr fest.

(1)1Als Kinder werden berücksichtigt

1.
Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1,
2.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten,
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.
2§ 32 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.3Voraussetzung für die Berücksichtigung ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).4Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.5Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen.6Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, werden nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a.7Kinder im Sinne von § 2 Absatz 4 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes werden nicht berücksichtigt.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der im Inland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 1 Satz 3 erster Halbsatz bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnsitzstaat und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Tatbestand

1

I. Die am 3. November 1954 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) nahm im Jahr 1999 die am ... 1952 geborene Frau S in ihren Haushalt auf. Sie betreut S seit dem 8. Oktober 1999 im Rahmen der "Familienpflege für erwachsene geistig und körperlich behinderte Menschen". Daneben befanden sich im Haushalt eine leibliche Tochter und drei weitere Pflegekinder (davon zwei mit Behinderung). S ist seit ihrer Geburt schwerbehindert. Der Grad ihrer Behinderung betrug zunächst 50. Es wurde eine geistige Behinderung festgestellt. Seit dem 26. Februar 2007 wurde der Grad der Behinderung mit 90 und eine geistige Behinderung festgestellt. S bezieht seit April 1997 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Aufgabenkreis des vom Vormundschaftsgericht für S bestellten Betreuers umfasst die Vermögensangelegenheiten, die Aufenthaltsbestimmung, die Mitwirkung bei Maßnahmen der Heilbehandlung und Gesundheitsfürsorge und die Entgegennahme der Post. Das Sozialamt gewährt seit September 2006 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen i.S. der §§ 53 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch -Sozialhilfe--. Die Klägerin erhält ein Betreuungsentgelt, das sich zusammensetzt aus einem Betrag für den durch das eigene Einkommen der S nicht gedeckten Grundbedarf und einem weiteren Betrag, der als Pflegegeld gezahlt wird.

2

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte mit Bescheid vom 18. September 2007 den Antrag der Klägerin, ihr Kindergeld für die nach ihrer Ansicht als Pflegekind anzusehende S zu gewähren, ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2007 als unbegründet zurück. Die Familienkasse sah die Voraussetzungen eines Pflegekindschaftsverhältnisses als nicht gegeben an.

3

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt und verpflichtete die Familienkasse, unter Aufhebung des angegriffenen Bescheids und der Einspruchsentscheidung über den Kindergeldantrag für die Zahlungszeiträume ab Januar 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG erneut zu entscheiden (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1210). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass auch zu einem bereits volljährigen Behinderten das für ein Pflegekindschaftsverhältnis erforderliche familienähnliche Band begründet werden könne. Bei S liege eine Behinderung vor, die eine Betreuungsbedürftigkeit begründe. Daher habe bereits im Januar 2002 ein familienähnliches Band zwischen der Klägerin und S bestanden, im Rahmen dessen die Klägerin zu S in einem Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern gestanden habe. Die Familienpflege sei auch im Fall von S eine nicht nur vorübergehende Wohnmöglichkeit für eine erwachsene behinderte Person, die nicht selbständig leben könne und deshalb sonst der Hilfe in einem Heim bedürfe. Es sei nicht erforderlich, dass die betreute Person derart schwer geistig oder seelisch behindert sei, dass sie in ihrer Entwicklung einem Kind gleich stehe.

4

Zur Begründung ihrer Revision macht die Familienkasse geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und verletze daher Bundesrecht. Um bei Aufnahme eines Volljährigen ein Pflegekindschaftsverhältnis entstehen zu lassen, müsse die behinderte Person in ihrer geistigen Entwicklung einem Kind gleichstehen. Aufgrund des vorliegenden nervenärztlichen Gutachtens vom 12. Februar 2007 sei bei S jedoch von einer leichten bis mittelschweren geistigen und psychischen Behinderung auszugehen. Da S zudem noch über einen langen Zeitraum gearbeitet habe, könne unter keinem Gesichtspunkt davon ausgegangen werden, dass sie in ihrer geistigen Entwicklung einem Kind gleichstehe und sich ein Pflegekindschaftsverhältnis zur Klägerin habe entwickeln können.

5

Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG.

9

1. a) Nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht ein Kindergeldanspruch für Kinder i.S. des § 32 Abs. 1 EStG. Kinder sind nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch Pflegekinder. Ein Pflegekind ist nach dem in § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710) enthaltenen Klammerzusatz eine Person, mit der der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Die Neufassung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist dem Streitfall zugrunde zu legen. Denn gemäß § 52 Abs. 40 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2003 ist die geänderte Fassung in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Diese Rückwirkung gilt auch für das Kindergeld, wenn dieses noch nicht bestandskräftig festgesetzt bzw. die Festsetzung noch nicht bestandskräftig abgelehnt ist (vgl. Senatsurteil vom 21. April 2005 III R 53/02, BFH/NV 2005, 1547).

10

Der Klammerzusatz stellt eine Legaldefinition dar (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Oktober 2004 VIII R 69/02, BFH/NV 2005, 524), d.h. die hierin enthaltenen Umstände sind echte Tatbestandsvoraussetzungen und nicht nur erläuternde Nebenbestimmungen (ebenso Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 44).

11

b) Ein familienähnliches Band liegt vor, wenn das Kind wie zur Familie angehörig angesehen und behandelt wird. Dies setzt voraus, dass zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 524, m.w.N.). Da das Gesetz Pflegekinder über § 32 Abs. 1, Abs. 6 Satz 7 EStG und § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG in eine Reihe mit leiblichen Kindern, Adoptivkindern, Stief- und Enkelkindern stellt und das Pflegekindschaftsverhältnis steuerrechtlich unter Umständen über das 27. Lebensjahr bzw. --nach Absenkung der Altersgrenze durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I 2006, 1652, BStBl I 2006, 432)-- über das 25. Lebensjahr hinauswirken und weiterhin zur Gewährung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld führen kann, ist ein besonders enges Band erforderlich (vgl. hierzu bereits Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Januar 1971 GrS 6/70, BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274).

12

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist erforderlich, dass das Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsverhältnis seine Grundlage in einer ideellen Dauerbindung findet; dabei ist nicht allein auf die äußeren Lebensumstände, sondern auch darauf abzustellen, ob das Pflegekind in der Familie eine natürliche Einheit von Versorgung, Erziehung und "Heimat" findet - also nicht nur Kostgänger ist, sondern wie zur Familie gehörig angesehen und behandelt wird (BSG-Urteile vom 22. September 1993  10 RKg 6/92, SozR 3-5870 § 2 Nr. 20, und vom 19. November 1997  14/10 RKg 18/96, Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte 48, 188). Aus der Parallele zum Eltern-Kind-Verhältnis ergibt sich zudem, dass auch zwischen dem Pflegelternteil und dem Pflegekind ein Autoritätsverhältnis bestehen muss, aufgrund dessen sich das Pflegekind der Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsmacht des Pflegeelternteils unterwirft (ebenso BSG-Urteil vom 29. August 1962  7 RKg 7/61, BSGE 17, 265; Felix, Kindergeldrecht, § 63 EStG Rz 31; Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 EStG Rz 9). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

13

c) Vor dem Hintergrund des Umstands, dass die körperliche Versorgung und die Erziehung des Pflegekindes, die Voraussetzung für die Annahme eines familienähnlichen Bandes sind, bei einem gesunden Volljährigen in der Regel keine entscheidende Rolle mehr spielen, hat der BFH bereits entschieden, dass sich ein familienähnliches Band mit einem bereits Volljährigen nur bei Vorliegen besonderer Umstände begründen lässt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 524).

14

aa) Insoweit ist zum einen der psychischen Verfassung der zu pflegenden Person, insbesondere einer eventuellen Unfähigkeit zu eigener Lebensgestaltung, im Einzelfall Bedeutung beizumessen.

15

Während bei Bestehen einer körperlichen Behinderung, einer Sinnesbehinderung (z.B. Blindheit, Gehörlosigkeit) oder einer Sprachbehinderung die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in der Regel bereits am Fehlen eines Erziehungsverhältnisses scheitern wird, kommt bei Behinderungen im Bereich der geistigen Fähigkeiten oder der seelischen Gesundheit die Entstehung eines familienähnlichen Bandes grundsätzlich auch bei einem Volljährigen in Betracht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Erbringung umfänglicher Pflege- und Unterstützungsleistungen und ein damit verbundenes hohes Maß an persönlicher Zuwendung gegenüber einem geistig oder seelisch behinderten Menschen zugleich auch ein familienähnliches Band begründet (vgl. hierzu BSG-Urteil in SozR 3-5870 § 2 Nr. 20). Denn dies hätte zur Folge, dass jedes Pflegeverhältnis zwischen einer Person und einem in dieser Form Behinderten zugleich auch ein Pflegekindschaftsverhältnis begründen würde (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4. April 1975 VI R 218/72, BFHE 115, 477, BStBl II 1975, 636). Zwar reicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch für die Annahme einer Behinderung aus, dass die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Um den Behinderten aber in ein Aufsichts-, Betreuungs- und vor allem Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern stellen zu können, muss die Behinderung so schwer sein, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspricht (ebenso die Verwaltung, vgl. Abschn. 63.2.2.3 Abs. 3 Satz 6 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG--, Stand 2011, BStBl I 2009, 1033, BStBl I 2011, 21, 716).

16

Weiter ist erforderlich, dass trotz der Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten Möglichkeiten und die Bereitschaft zu einer erzieherischen Einwirkung gegeben sein müssen. Ist eine erzieherische Einwirkungsmöglichkeit der pflegenden Person auf die zu pflegende Person als ausgeschlossen zu betrachten, ähnelt ein solches Pflegeverhältnis mehr dem zu einem Kostgänger als dem zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern. Daher ist die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in einem solchen Fall in der Regel ausgeschlossen.

17

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus diesen Einschränkungen weder, dass der Kindergeldbezug für behinderte Pflegekinder über das 27. Lebensjahr hinaus nur bei geistiger Behinderung in Betracht kommt, noch folgt hieraus eine Ungleichbehandlung gegenüber behinderten leiblichen Kindern oder Adoptivkindern. Ist das familienähnliche Band zwischen dem allein körperlich behinderten Pflegekind bereits vor Eintritt der Volljährigkeit entstanden, scheitert ein Kindergeldbezug weder über das 18. Lebensjahr noch über das 25. bzw. 27. Lebensjahr hinaus an der mangelnden Pflegekindeigenschaft, sofern nicht das familienähnliche Band später aufgrund anderer Umstände wieder gelöst wurde. Dass die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem bereits volljährigen Behinderten eine Behinderung voraussetzt, aufgrund derer der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspricht, stellt auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Eltern von allein körperlich behinderten leiblichen Kindern oder Adoptivkindern dar. Vielmehr dient dieses Erfordernis gerade der Gleichbehandlung, weil bei leiblichen Kindern und Adoptivkindern das familiäre Band zu den kindergeldberechtigten Elternteilen bereits besteht. Die Auffassung der Klägerin, wonach es für die Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses ausreichend sei, wenn das Kind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfüllt, würde hingegen bei behinderten Kindern zu einem Leerlaufen der Tatbestandsvoraussetzung "familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band" führen, da ein Pflegekindschaftsverhältnis dann immer schon bei nicht zu Erwerbszwecken erfolgter Haushaltsaufnahme des behinderten Kindes und Ausscheiden aus dem Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern anzunehmen wäre.

18

bb) Auch wenn die geistig behinderte oder seelisch kranke Person umfangreicher Überwachung, Anweisung und Unterstützung bedarf, folgt daraus allein noch nicht, dass sie wie zur Familie gehörig anzusehen wäre. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, aus denen sich eine Vergleichbarkeit zu den Verhältnissen leiblicher Kinder und eine Zugehörigkeit zur Familie ergeben (ebenso BSG-Urteil in SozR 3-5870 § 2 Nr. 20). Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, wie sich die Wohn- und Lebensverhältnisse der zu pflegenden Person innerhalb der Familie darstellen (welche Räume stehen den einzelnen Familienangehörigen allein oder zur Mitbenutzung zur Verfügung?), in welchem Verhältnis die zu pflegende Person zu den anderen Familienangehörigen steht (Eingliederung in die Rolle eines Kindes gegenüber "Pflegeeltern" und etwaigen "Pflegegeschwistern") und ob sie in die familiäre Lebensgestaltung eingebunden ist (z.B. Teilnahme an gemeinsamen Mahlzeiten, Freizeit- und Urlaubsaktivitäten etc.). Ferner ist in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob und inwieweit die Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben in familienähnlicher Weise von der pflegenden Person selbst wahrgenommen werden bzw. ob und inwieweit in nicht familienähnlicher Weise andere, insbesondere nicht haushaltszugehörige "familienfremde" Personen (z.B. Betreuungsfachkräfte des Trägers der Familienpflege), solche Aufgaben erfüllen.

19

cc) Da insbesondere die erzieherische Einwirkungsmöglichkeit sich im Eltern-Kind-Verhältnis aus einem Autoritätsverhältnis ableitet, ist eine solche Autoritätsstellung der pflegenden Person gegenüber der zu pflegenden Person auch Voraussetzung für das Vorliegen eines familienähnlichen Bandes. Diese leitet sich im Verhältnis zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern im Regelfall bereits daraus ab, dass die Eltern wesentlich älter sind als das Kind (vgl. hierzu bereits BFH-Urteile in BFHE 115, 477, BStBl II 1975, 636, und vom 5. August 1977 VI R 187/74, BFHE 123, 380, BStBl II 1977, 832; BSG-Urteil vom 14. November 1961  11 RV 20/61, BSGE 15, 239) und über das ihnen zustehende Erziehungsrecht (§ 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuches) langjährig auf die Entwicklung des Kindes Einfluss nehmen können bzw. schon genommen haben. Erfüllt die pflegende Person diese Voraussetzungen nicht, müssen andere besondere Umstände vorliegen, aus denen sich im Einzelfall die Entstehung eines Autoritätsverhältnisses zwischen der pflegenden und der gepflegten Person ergibt (z.B. langjährige Übernahme der Elternrolle für ein minderjähriges behindertes Geschwisterteil bei Vollwaisen). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass das BSG im Urteil vom 7. August 1991  10 RKg 15/91 (SozR 3-5870 § 2 Nr. 16) auf das Erfordernis eines Altersunterschieds verzichtet. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass das BSG zum einen den Pflegekindbegriff aus seiner spezifischen sozialrechtlichen Funktion heraus interpretiert hat. Dagegen hat der Begriff des Pflegekindes in dem System der Einkommensteuer eine andere Funktion; insbesondere schließt eine engere Auslegung des steuerrechtlichen Pflegekindbegriffs anderweitige Steuerermäßigungen (z.B. §§ 33, 33a EStG) nicht aus (s. hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274). Zum anderen lagen auch in dem der BSG-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt besondere Umstände vor, aus denen das BSG eine Erziehungsfunktion ableitete (Behinderte stand in ihrer Entwicklung einem zehnjährigen Kind gleich und wurde von ihrer zur Pflegerin bestellten Nichte betreut).

20

dd) Da der Pflegekindbegriff nach der Legaldefinition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG voraussetzt, dass der Steuerpflichtige mit dem Pflegekind durch ein familienähnliches Band "verbunden ist", muss die ideelle Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Pflegekind bereits über einen längeren Zeitraum bestanden haben, bevor von einer ideellen Bindung ausgegangen werden kann. Dies entspricht auch dem typischen Eltern-Kind-Verhältnis, das sich gegenüber einem bereits Volljährigen in der Regel schon über viele Jahre entwickelt hat.

21

Demgegenüber zielt das Tatbestandsmerkmal, wonach es sich um ein "auf längere Dauer berechnetes" Band handeln muss, darauf ab, wie sich die zukünftige Entwicklung des Verhältnisses zwischen der pflegenden Person und der gepflegten Person darstellt. Insoweit muss aus Sicht der pflegenden Person beabsichtigt sein, die bereits entstandene familiäre Bindung auch zukünftig langjährig aufrecht zu erhalten. Dabei bestehen keine Bedenken, wenn im Regelfall eine beabsichtigte Dauer von zwei Jahren als ausreichend angesehen wird (ebenso Abschn. 63.2.2.3 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 DA-FamEStG). Da es nur auf die beabsichtigte Dauer ankommt, ist dagegen nicht entscheidend, dass die tatsächliche Dauer im Rückblick kürzer oder länger ausfällt.

22

2. Das FG hat diese Rechtsgrundsätze nur teilweise berücksichtigt und wird daher im zweiten Rechtsgang die noch fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.

23

Es hat zwar festgestellt, dass eine Behinderung vorliegt, die seit dem 26. Februar 2007 mit einem Grad von 90 festgestellt ist. Die darüber hinaus getroffenen Feststellungen, dass sich S im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe in Familienpflege befunden hat, für bestimmte Aufgabenbereiche einen Betreuer zugewiesen bekommen und eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten hat, tragen die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass sich S in einem Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis befunden haben muss, jedoch nicht.

24

a) Es ist zunächst noch aufzuklären, ob die geistige Behinderung so schwer war, dass der geistige Zustand von S dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entsprach. Insoweit ist auch der Umstand zu würdigen, dass die Behinderung für den Streitzeitraum Januar 2002 bis Januar 2007 noch mit einem Grad von 50 festgestellt war. Zudem sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die geistige Behinderung Raum für erzieherische Einwirkungsmöglichkeiten eröffnete.

25

b) Des Weiteren sind bislang keine Feststellungen zu den Wohn- und Lebensverhältnissen von S innerhalb der Familie, zum Verhältnis zu den übrigen Familienangehörigen, zur Einbindung in die familiäre Lebensgestaltung sowie zum Umfang der Wahrnehmung der Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben durch die Klägerin und die von dem Träger der Familienpflege eingeschaltete Betreuungsfachkraft getroffen worden.

26

c) Die Klägerin ist weder älter als S noch war ihr im Rahmen einer Personensorgeregelung eine Erziehungsfunktion eingeräumt worden. Besondere sonstige Umstände, die gleichwohl die Entstehung eines Autoritätsverhältnisses wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern begründen könnten, hat das FG bisher nicht festgestellt. Das langjährige Bestehen einer Betreuung käme als besonderer Umstand allenfalls dann in Betracht, wenn die Klägerin selbst als Betreuerin eingesetzt gewesen wäre und aus der tatsächlichen Durchführung der Betreuung Anhaltspunkte für die Entstehung eines Autoritätsverhältnisses abgeleitet werden könnten.

27

d) Hinsichtlich der zeitlichen Anforderungen an die zwischen der Klägerin und S bestehende Verbindung hat das FG zwar bereits festgestellt, dass sich S zu Beginn des Streitzeitraums (Januar 2002) bereits über einen längeren Zeitraum, nämlich seit Oktober 1999, im Haushalt der Klägerin befand. Festzustellen ist jedoch ggf. noch, ob die Klägerin beabsichtigte, nach Entstehung einer familiären Bindung diese auch zukünftig langjährig aufrecht zu erhalten.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebt gemeinsam mit der am … 1968 geborenen G sowie mit deren am … 1977 geborenen Bruder H in einem Haus, das G und H im Juli 2004 gemietet hatten. G ist blind und zu 100 % behindert, H zu 70 %. Seit Januar 2008 sind der Kläger und G verheiratet.

2

Im September 2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für G und H, da die beiden seine Pflegekinder seien. Die Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Kindergeldantrag durch Bescheid vom 10. Januar 2006 ab, da kein Pflegekindschaftsverhältnis vorliege.

3

Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006). Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 225). Es verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 zu zahlen, im Übrigen wies es die Klage ab.

4

Das FG beurteilte die Klage als unzulässig, soweit sie den Zeitraum ab Juli 2006 betraf, da die Familienkasse insoweit keine Verwaltungsentscheidung getroffen habe und auch kein Vorverfahren stattgefunden habe.

5

Nach Ansicht des FG war die Klage insoweit begründet, als der Kläger Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 begehrte. Der Kläger sei mit G und H durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden. Ein familienähnliches Band mit bereits volljährigen Kindern könne angenommen werden, wenn ein geistig oder seelisch behinderter Volljähriger in seinen Fähigkeiten derart eingeschränkt sei, dass er ohne Pflegekindschaftsverhältnis in einem Heim leben müsste. Dies sei bei G anzunehmen. Ab Mai 2006 scheide ein Pflegekindschaftsverhältnis zu G allerdings aus, weil zwischen ihr und dem Kläger seit dem 1. Mai 2006 eine Partnerschaft bestanden habe, die später in eine Ehe übergegangen sei. Zu H bestehe ebenfalls ein familienähnliches Band, da dieser aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.

6

Zur Begründung der von ihm eingelegten Revision trägt der Kläger vor, die Klage sei insoweit zulässig, als er Kindergeld für den Zeitraum ab Juli 2006 begehre. Hierfür sprächen Gründe der Prozessökonomie. Kindergeld sei auch insoweit zu zahlen, als das FG einen Anspruch für G ab Mai 2006 verneint habe. Es entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, bei einer partnerschaftlichen Beziehung stets ein Pflegekindschaftsverhältnis zu verneinen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, des Ablehnungsbescheides vom 10. Januar 2006 sowie der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für G und H ab September 2005 bis Juni 2006 zu gewähren, sie außerdem zu verpflichten, über die Kindergeldanträge für die Monate Juli 2006 bis September 2009 für G und H unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und die Revision der Familienkasse zurückzuweisen.

8

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den Anspruch auf Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 betrifft, und die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Die Familienkasse trägt vor, zwischen dem Kläger sowie G und H bestehe kein familienähnliches Band. Ein solches wäre nur dann zu bejahen, wenn G und H in ihrer geistigen Entwicklung einem Kind gleichstünden. Dies sei bei beiden zu verneinen. G und H hätten rechtswirksam einen Mietvertrag über das Haus abgeschlossen, das sie später gemeinsam mit dem Kläger bewohnt hätten. Auch die Entwicklung der Beziehung zwischen G und dem Kläger spreche dafür, dass G nicht geistig und seelisch so eingeschränkt gewesen sei, dass sie einem Kind gleichgestanden habe. Auch zwischen dem Kläger und H bestehe kein familienähnliches Band. Mit einem Grad der Behinderung von 70 % sei er nicht derart eingeschränkt, dass er in seiner Entwicklung einem Kind gleichstehe.

Entscheidungsgründe

10

II. Auf die Revision der Familienkasse wird das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben, als es den Anspruch auf Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 betrifft. Insoweit wird die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).

11

1. Die Revision der Familienkasse hat Erfolg, da das FG zu Unrecht der Ansicht war, der Kläger habe G und H als Pflegekinder in seinen Haushalt aufgenommen.

12

a) Kindergeld wird nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch für Pflegekinder gewährt. Pflegekinder sind nach der gesetzlichen Definition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.

13

b) Das Gesetz verlangt die Aufnahme des Pflegekindes in den Haushalt des Steuerpflichtigen oder Kindergeldberechtigten. Dieser muss in einer eigenen Wohnung ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen und sich persönlich und finanziell an der Haushaltsführung beteiligen. Der Steuerpflichtige (Kindergeldberechtigte) muss Eigentum oder Besitz an der Wohnung haben (Dürr in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 32 Rz 31).

14

c) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die Wohnung, in welcher der Kläger sowie G und H lebten, hatten letztere bereits durch den Vertrag vom 1. Juli 2004 angemietet. Erst später, nach der Vermutung des FG im September 2005, zog der Kläger in diese Wohnung ein. Der Kläger hat somit nicht G und H in seinen Haushalt aufgenommen, vielmehr nahmen G und H den Kläger in ihren Haushalt auf, den sie zuvor begründet hatten.

15

2. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

16

a) Soweit der Kläger hinsichtlich eines Kindergeldanspruchs für G für die Monate Mai und Juni 2006 unterlegen ist, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass ihm insoweit kein Kindergeld für G zusteht. Auf die Frage, ob eine "partnerschaftliche" Beziehung einem Pflegekindschaftsverhältnis entgegensteht, kommt es somit nicht an.

17

b) Zutreffend hat das FG die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen, als sie die Zeit nach dem Monat der Einspruchsentscheidung (Juni 2006) betrifft. Insoweit ist der Kläger nicht klagebefugt i.S. von § 40 Abs. 2 FGO.

18

aa) Der angegriffene Ablehnungsbescheid vom 10. Januar 2006 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 enthalten keine das Kindergeld ab Juli 2006 ablehnende Regelung. Denn die Familienkasse kann im Falle eines zulässigen, in der Sache aber unbegründeten Einspruchs gegen einen Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheid längstens eine Regelung des Kindergeldanspruchs bis zu dem Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung treffen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 2011 III R 54/09, BFH/NV 2011, 1858; vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203). Dieser zeitliche Regelungsumfang wird durch eine Klageerhebung nicht verändert. Insbesondere ist das gerichtliche Verfahren keine Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens. Im Hinblick auf die von der Verfassung vorgegebene Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes) ist es die Aufgabe der Gerichte, das bisher Geschehene bzw. das Unterlassen auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht jedoch, grundsätzlich der Verwaltung zustehende Funktionen auszuüben.

19

bb) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus Gründen der Prozessökonomie vertreten.

20

Die vom Bundessozialgericht (BSG) für das sozialgerichtliche Verfahren abweichend vertretene Auffassung, wonach bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungs- (§ 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes --SGG--) bzw. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen einen Verwaltungsakt, durch den die Gewährung laufender Zahlungen abgelehnt wird, auch über die nach der Widerspruchsentscheidung abgelaufenen Zeiträume zu entscheiden ist (vgl. BSG-Urteil vom 11. Dezember 2007 B 8/9b SO 12/06 R, SozR 4-3500 § 21 Nr. 1), ist auf das finanzgerichtliche Verfahren in Kindergeldsachen nicht übertragbar. Das BSG ging bei dieser Entscheidung davon aus, dass der im sozialgerichtlichen Verfahren angegriffene Bescheid die Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat. Demgegenüber trifft ein Aufhebungs- oder Ablehnungsbescheid im Kindergeldrecht --auch wenn er keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung enthält-- längstens eine Regelung des Kindergeldanspruchs bis zum Monat der Bekanntgabe der letzten Verwaltungsentscheidung.

21

Im finanzgerichtlichen Verfahren kann der Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle gemacht werden, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Gründe der Prozessökonomie oder der sozialen Fürsorge (s. BSG-Urteil vom 28. April 1960  8 RV 1341/58, BSGE 12, 127) rechtfertigen es nicht, eine Klage ohne das Vorliegen zwingender Sachurteilsvoraussetzungen als zulässig anzusehen (s. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Januar 1986  5 C 36/84, Bayerische Verwaltungsblätter --BayVBl-- 1986, 406; vom 30. April 1992  5 C 1/88, BayVBl 1992, 760).

22

cc) Soweit die Senatsentscheidungen vom 2. Juni 2005 III R 66/04 (BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184) sowie vom 30. Juni 2005 III R 80/03 (BFH/NV 2006, 262) dahingehend verstanden werden könnten, dass die Finanzgerichte bei Klagen gegen Kindergeld-Ablehnungsbescheide die Anspruchsberechtigung bis zum Monat der finanzgerichtlichen Entscheidung zu prüfen haben, hält der Senat aufgrund der vorstehenden Erwägungen hieran nicht mehr fest.

(1)1Als Kinder werden berücksichtigt

1.
Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1,
2.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten,
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.
2§ 32 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.3Voraussetzung für die Berücksichtigung ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).4Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.5Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen.6Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, werden nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a.7Kinder im Sinne von § 2 Absatz 4 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes werden nicht berücksichtigt.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der im Inland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 1 Satz 3 erster Halbsatz bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnsitzstaat und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Tatbestand

1

I. Die am 3. November 1954 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) nahm im Jahr 1999 die am ... 1952 geborene Frau S in ihren Haushalt auf. Sie betreut S seit dem 8. Oktober 1999 im Rahmen der "Familienpflege für erwachsene geistig und körperlich behinderte Menschen". Daneben befanden sich im Haushalt eine leibliche Tochter und drei weitere Pflegekinder (davon zwei mit Behinderung). S ist seit ihrer Geburt schwerbehindert. Der Grad ihrer Behinderung betrug zunächst 50. Es wurde eine geistige Behinderung festgestellt. Seit dem 26. Februar 2007 wurde der Grad der Behinderung mit 90 und eine geistige Behinderung festgestellt. S bezieht seit April 1997 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Aufgabenkreis des vom Vormundschaftsgericht für S bestellten Betreuers umfasst die Vermögensangelegenheiten, die Aufenthaltsbestimmung, die Mitwirkung bei Maßnahmen der Heilbehandlung und Gesundheitsfürsorge und die Entgegennahme der Post. Das Sozialamt gewährt seit September 2006 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen i.S. der §§ 53 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch -Sozialhilfe--. Die Klägerin erhält ein Betreuungsentgelt, das sich zusammensetzt aus einem Betrag für den durch das eigene Einkommen der S nicht gedeckten Grundbedarf und einem weiteren Betrag, der als Pflegegeld gezahlt wird.

2

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte mit Bescheid vom 18. September 2007 den Antrag der Klägerin, ihr Kindergeld für die nach ihrer Ansicht als Pflegekind anzusehende S zu gewähren, ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2007 als unbegründet zurück. Die Familienkasse sah die Voraussetzungen eines Pflegekindschaftsverhältnisses als nicht gegeben an.

3

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt und verpflichtete die Familienkasse, unter Aufhebung des angegriffenen Bescheids und der Einspruchsentscheidung über den Kindergeldantrag für die Zahlungszeiträume ab Januar 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG erneut zu entscheiden (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1210). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass auch zu einem bereits volljährigen Behinderten das für ein Pflegekindschaftsverhältnis erforderliche familienähnliche Band begründet werden könne. Bei S liege eine Behinderung vor, die eine Betreuungsbedürftigkeit begründe. Daher habe bereits im Januar 2002 ein familienähnliches Band zwischen der Klägerin und S bestanden, im Rahmen dessen die Klägerin zu S in einem Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern gestanden habe. Die Familienpflege sei auch im Fall von S eine nicht nur vorübergehende Wohnmöglichkeit für eine erwachsene behinderte Person, die nicht selbständig leben könne und deshalb sonst der Hilfe in einem Heim bedürfe. Es sei nicht erforderlich, dass die betreute Person derart schwer geistig oder seelisch behindert sei, dass sie in ihrer Entwicklung einem Kind gleich stehe.

4

Zur Begründung ihrer Revision macht die Familienkasse geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und verletze daher Bundesrecht. Um bei Aufnahme eines Volljährigen ein Pflegekindschaftsverhältnis entstehen zu lassen, müsse die behinderte Person in ihrer geistigen Entwicklung einem Kind gleichstehen. Aufgrund des vorliegenden nervenärztlichen Gutachtens vom 12. Februar 2007 sei bei S jedoch von einer leichten bis mittelschweren geistigen und psychischen Behinderung auszugehen. Da S zudem noch über einen langen Zeitraum gearbeitet habe, könne unter keinem Gesichtspunkt davon ausgegangen werden, dass sie in ihrer geistigen Entwicklung einem Kind gleichstehe und sich ein Pflegekindschaftsverhältnis zur Klägerin habe entwickeln können.

5

Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG.

9

1. a) Nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht ein Kindergeldanspruch für Kinder i.S. des § 32 Abs. 1 EStG. Kinder sind nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch Pflegekinder. Ein Pflegekind ist nach dem in § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710) enthaltenen Klammerzusatz eine Person, mit der der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Die Neufassung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist dem Streitfall zugrunde zu legen. Denn gemäß § 52 Abs. 40 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2003 ist die geänderte Fassung in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Diese Rückwirkung gilt auch für das Kindergeld, wenn dieses noch nicht bestandskräftig festgesetzt bzw. die Festsetzung noch nicht bestandskräftig abgelehnt ist (vgl. Senatsurteil vom 21. April 2005 III R 53/02, BFH/NV 2005, 1547).

10

Der Klammerzusatz stellt eine Legaldefinition dar (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Oktober 2004 VIII R 69/02, BFH/NV 2005, 524), d.h. die hierin enthaltenen Umstände sind echte Tatbestandsvoraussetzungen und nicht nur erläuternde Nebenbestimmungen (ebenso Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 44).

11

b) Ein familienähnliches Band liegt vor, wenn das Kind wie zur Familie angehörig angesehen und behandelt wird. Dies setzt voraus, dass zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 524, m.w.N.). Da das Gesetz Pflegekinder über § 32 Abs. 1, Abs. 6 Satz 7 EStG und § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG in eine Reihe mit leiblichen Kindern, Adoptivkindern, Stief- und Enkelkindern stellt und das Pflegekindschaftsverhältnis steuerrechtlich unter Umständen über das 27. Lebensjahr bzw. --nach Absenkung der Altersgrenze durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I 2006, 1652, BStBl I 2006, 432)-- über das 25. Lebensjahr hinauswirken und weiterhin zur Gewährung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld führen kann, ist ein besonders enges Band erforderlich (vgl. hierzu bereits Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Januar 1971 GrS 6/70, BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274).

12

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist erforderlich, dass das Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsverhältnis seine Grundlage in einer ideellen Dauerbindung findet; dabei ist nicht allein auf die äußeren Lebensumstände, sondern auch darauf abzustellen, ob das Pflegekind in der Familie eine natürliche Einheit von Versorgung, Erziehung und "Heimat" findet - also nicht nur Kostgänger ist, sondern wie zur Familie gehörig angesehen und behandelt wird (BSG-Urteile vom 22. September 1993  10 RKg 6/92, SozR 3-5870 § 2 Nr. 20, und vom 19. November 1997  14/10 RKg 18/96, Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte 48, 188). Aus der Parallele zum Eltern-Kind-Verhältnis ergibt sich zudem, dass auch zwischen dem Pflegelternteil und dem Pflegekind ein Autoritätsverhältnis bestehen muss, aufgrund dessen sich das Pflegekind der Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsmacht des Pflegeelternteils unterwirft (ebenso BSG-Urteil vom 29. August 1962  7 RKg 7/61, BSGE 17, 265; Felix, Kindergeldrecht, § 63 EStG Rz 31; Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 EStG Rz 9). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

13

c) Vor dem Hintergrund des Umstands, dass die körperliche Versorgung und die Erziehung des Pflegekindes, die Voraussetzung für die Annahme eines familienähnlichen Bandes sind, bei einem gesunden Volljährigen in der Regel keine entscheidende Rolle mehr spielen, hat der BFH bereits entschieden, dass sich ein familienähnliches Band mit einem bereits Volljährigen nur bei Vorliegen besonderer Umstände begründen lässt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 524).

14

aa) Insoweit ist zum einen der psychischen Verfassung der zu pflegenden Person, insbesondere einer eventuellen Unfähigkeit zu eigener Lebensgestaltung, im Einzelfall Bedeutung beizumessen.

15

Während bei Bestehen einer körperlichen Behinderung, einer Sinnesbehinderung (z.B. Blindheit, Gehörlosigkeit) oder einer Sprachbehinderung die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in der Regel bereits am Fehlen eines Erziehungsverhältnisses scheitern wird, kommt bei Behinderungen im Bereich der geistigen Fähigkeiten oder der seelischen Gesundheit die Entstehung eines familienähnlichen Bandes grundsätzlich auch bei einem Volljährigen in Betracht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Erbringung umfänglicher Pflege- und Unterstützungsleistungen und ein damit verbundenes hohes Maß an persönlicher Zuwendung gegenüber einem geistig oder seelisch behinderten Menschen zugleich auch ein familienähnliches Band begründet (vgl. hierzu BSG-Urteil in SozR 3-5870 § 2 Nr. 20). Denn dies hätte zur Folge, dass jedes Pflegeverhältnis zwischen einer Person und einem in dieser Form Behinderten zugleich auch ein Pflegekindschaftsverhältnis begründen würde (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4. April 1975 VI R 218/72, BFHE 115, 477, BStBl II 1975, 636). Zwar reicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch für die Annahme einer Behinderung aus, dass die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Um den Behinderten aber in ein Aufsichts-, Betreuungs- und vor allem Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern stellen zu können, muss die Behinderung so schwer sein, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspricht (ebenso die Verwaltung, vgl. Abschn. 63.2.2.3 Abs. 3 Satz 6 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG--, Stand 2011, BStBl I 2009, 1033, BStBl I 2011, 21, 716).

16

Weiter ist erforderlich, dass trotz der Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten Möglichkeiten und die Bereitschaft zu einer erzieherischen Einwirkung gegeben sein müssen. Ist eine erzieherische Einwirkungsmöglichkeit der pflegenden Person auf die zu pflegende Person als ausgeschlossen zu betrachten, ähnelt ein solches Pflegeverhältnis mehr dem zu einem Kostgänger als dem zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern. Daher ist die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in einem solchen Fall in der Regel ausgeschlossen.

17

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus diesen Einschränkungen weder, dass der Kindergeldbezug für behinderte Pflegekinder über das 27. Lebensjahr hinaus nur bei geistiger Behinderung in Betracht kommt, noch folgt hieraus eine Ungleichbehandlung gegenüber behinderten leiblichen Kindern oder Adoptivkindern. Ist das familienähnliche Band zwischen dem allein körperlich behinderten Pflegekind bereits vor Eintritt der Volljährigkeit entstanden, scheitert ein Kindergeldbezug weder über das 18. Lebensjahr noch über das 25. bzw. 27. Lebensjahr hinaus an der mangelnden Pflegekindeigenschaft, sofern nicht das familienähnliche Band später aufgrund anderer Umstände wieder gelöst wurde. Dass die Entstehung eines familienähnlichen Bandes zu einem bereits volljährigen Behinderten eine Behinderung voraussetzt, aufgrund derer der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspricht, stellt auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Eltern von allein körperlich behinderten leiblichen Kindern oder Adoptivkindern dar. Vielmehr dient dieses Erfordernis gerade der Gleichbehandlung, weil bei leiblichen Kindern und Adoptivkindern das familiäre Band zu den kindergeldberechtigten Elternteilen bereits besteht. Die Auffassung der Klägerin, wonach es für die Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses ausreichend sei, wenn das Kind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfüllt, würde hingegen bei behinderten Kindern zu einem Leerlaufen der Tatbestandsvoraussetzung "familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band" führen, da ein Pflegekindschaftsverhältnis dann immer schon bei nicht zu Erwerbszwecken erfolgter Haushaltsaufnahme des behinderten Kindes und Ausscheiden aus dem Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern anzunehmen wäre.

18

bb) Auch wenn die geistig behinderte oder seelisch kranke Person umfangreicher Überwachung, Anweisung und Unterstützung bedarf, folgt daraus allein noch nicht, dass sie wie zur Familie gehörig anzusehen wäre. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, aus denen sich eine Vergleichbarkeit zu den Verhältnissen leiblicher Kinder und eine Zugehörigkeit zur Familie ergeben (ebenso BSG-Urteil in SozR 3-5870 § 2 Nr. 20). Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, wie sich die Wohn- und Lebensverhältnisse der zu pflegenden Person innerhalb der Familie darstellen (welche Räume stehen den einzelnen Familienangehörigen allein oder zur Mitbenutzung zur Verfügung?), in welchem Verhältnis die zu pflegende Person zu den anderen Familienangehörigen steht (Eingliederung in die Rolle eines Kindes gegenüber "Pflegeeltern" und etwaigen "Pflegegeschwistern") und ob sie in die familiäre Lebensgestaltung eingebunden ist (z.B. Teilnahme an gemeinsamen Mahlzeiten, Freizeit- und Urlaubsaktivitäten etc.). Ferner ist in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob und inwieweit die Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben in familienähnlicher Weise von der pflegenden Person selbst wahrgenommen werden bzw. ob und inwieweit in nicht familienähnlicher Weise andere, insbesondere nicht haushaltszugehörige "familienfremde" Personen (z.B. Betreuungsfachkräfte des Trägers der Familienpflege), solche Aufgaben erfüllen.

19

cc) Da insbesondere die erzieherische Einwirkungsmöglichkeit sich im Eltern-Kind-Verhältnis aus einem Autoritätsverhältnis ableitet, ist eine solche Autoritätsstellung der pflegenden Person gegenüber der zu pflegenden Person auch Voraussetzung für das Vorliegen eines familienähnlichen Bandes. Diese leitet sich im Verhältnis zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern im Regelfall bereits daraus ab, dass die Eltern wesentlich älter sind als das Kind (vgl. hierzu bereits BFH-Urteile in BFHE 115, 477, BStBl II 1975, 636, und vom 5. August 1977 VI R 187/74, BFHE 123, 380, BStBl II 1977, 832; BSG-Urteil vom 14. November 1961  11 RV 20/61, BSGE 15, 239) und über das ihnen zustehende Erziehungsrecht (§ 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuches) langjährig auf die Entwicklung des Kindes Einfluss nehmen können bzw. schon genommen haben. Erfüllt die pflegende Person diese Voraussetzungen nicht, müssen andere besondere Umstände vorliegen, aus denen sich im Einzelfall die Entstehung eines Autoritätsverhältnisses zwischen der pflegenden und der gepflegten Person ergibt (z.B. langjährige Übernahme der Elternrolle für ein minderjähriges behindertes Geschwisterteil bei Vollwaisen). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass das BSG im Urteil vom 7. August 1991  10 RKg 15/91 (SozR 3-5870 § 2 Nr. 16) auf das Erfordernis eines Altersunterschieds verzichtet. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass das BSG zum einen den Pflegekindbegriff aus seiner spezifischen sozialrechtlichen Funktion heraus interpretiert hat. Dagegen hat der Begriff des Pflegekindes in dem System der Einkommensteuer eine andere Funktion; insbesondere schließt eine engere Auslegung des steuerrechtlichen Pflegekindbegriffs anderweitige Steuerermäßigungen (z.B. §§ 33, 33a EStG) nicht aus (s. hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274). Zum anderen lagen auch in dem der BSG-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt besondere Umstände vor, aus denen das BSG eine Erziehungsfunktion ableitete (Behinderte stand in ihrer Entwicklung einem zehnjährigen Kind gleich und wurde von ihrer zur Pflegerin bestellten Nichte betreut).

20

dd) Da der Pflegekindbegriff nach der Legaldefinition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG voraussetzt, dass der Steuerpflichtige mit dem Pflegekind durch ein familienähnliches Band "verbunden ist", muss die ideelle Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Pflegekind bereits über einen längeren Zeitraum bestanden haben, bevor von einer ideellen Bindung ausgegangen werden kann. Dies entspricht auch dem typischen Eltern-Kind-Verhältnis, das sich gegenüber einem bereits Volljährigen in der Regel schon über viele Jahre entwickelt hat.

21

Demgegenüber zielt das Tatbestandsmerkmal, wonach es sich um ein "auf längere Dauer berechnetes" Band handeln muss, darauf ab, wie sich die zukünftige Entwicklung des Verhältnisses zwischen der pflegenden Person und der gepflegten Person darstellt. Insoweit muss aus Sicht der pflegenden Person beabsichtigt sein, die bereits entstandene familiäre Bindung auch zukünftig langjährig aufrecht zu erhalten. Dabei bestehen keine Bedenken, wenn im Regelfall eine beabsichtigte Dauer von zwei Jahren als ausreichend angesehen wird (ebenso Abschn. 63.2.2.3 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 DA-FamEStG). Da es nur auf die beabsichtigte Dauer ankommt, ist dagegen nicht entscheidend, dass die tatsächliche Dauer im Rückblick kürzer oder länger ausfällt.

22

2. Das FG hat diese Rechtsgrundsätze nur teilweise berücksichtigt und wird daher im zweiten Rechtsgang die noch fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.

23

Es hat zwar festgestellt, dass eine Behinderung vorliegt, die seit dem 26. Februar 2007 mit einem Grad von 90 festgestellt ist. Die darüber hinaus getroffenen Feststellungen, dass sich S im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe in Familienpflege befunden hat, für bestimmte Aufgabenbereiche einen Betreuer zugewiesen bekommen und eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten hat, tragen die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass sich S in einem Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis befunden haben muss, jedoch nicht.

24

a) Es ist zunächst noch aufzuklären, ob die geistige Behinderung so schwer war, dass der geistige Zustand von S dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entsprach. Insoweit ist auch der Umstand zu würdigen, dass die Behinderung für den Streitzeitraum Januar 2002 bis Januar 2007 noch mit einem Grad von 50 festgestellt war. Zudem sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die geistige Behinderung Raum für erzieherische Einwirkungsmöglichkeiten eröffnete.

25

b) Des Weiteren sind bislang keine Feststellungen zu den Wohn- und Lebensverhältnissen von S innerhalb der Familie, zum Verhältnis zu den übrigen Familienangehörigen, zur Einbindung in die familiäre Lebensgestaltung sowie zum Umfang der Wahrnehmung der Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben durch die Klägerin und die von dem Träger der Familienpflege eingeschaltete Betreuungsfachkraft getroffen worden.

26

c) Die Klägerin ist weder älter als S noch war ihr im Rahmen einer Personensorgeregelung eine Erziehungsfunktion eingeräumt worden. Besondere sonstige Umstände, die gleichwohl die Entstehung eines Autoritätsverhältnisses wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern begründen könnten, hat das FG bisher nicht festgestellt. Das langjährige Bestehen einer Betreuung käme als besonderer Umstand allenfalls dann in Betracht, wenn die Klägerin selbst als Betreuerin eingesetzt gewesen wäre und aus der tatsächlichen Durchführung der Betreuung Anhaltspunkte für die Entstehung eines Autoritätsverhältnisses abgeleitet werden könnten.

27

d) Hinsichtlich der zeitlichen Anforderungen an die zwischen der Klägerin und S bestehende Verbindung hat das FG zwar bereits festgestellt, dass sich S zu Beginn des Streitzeitraums (Januar 2002) bereits über einen längeren Zeitraum, nämlich seit Oktober 1999, im Haushalt der Klägerin befand. Festzustellen ist jedoch ggf. noch, ob die Klägerin beabsichtigte, nach Entstehung einer familiären Bindung diese auch zukünftig langjährig aufrecht zu erhalten.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.