Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss, 23. Juni 2016 - 1 V 1044/16

bei uns veröffentlicht am23.06.2016

Tenor

1. Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 vom 24. November 2015 wird in Höhe von ...,... EUR im Jahr 2012 und in Höhe von ...,... EUR im Jahr 2013 ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
I.
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Gutschriften für den Erwerb von Silbergranulat.
1. Die Antragstellerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom ... gegründete GmbH, die mit Edelmetallen handelt. Sie führte ihre Geschäfte in den Streitjahren in der Nähe von X in angemieteten Räumlichkeiten aus, in denen sich auch eine eigene Schmelzanlage befand. Gesellschafter und Geschäftsführer waren die Eheleute a und b K (aK und bK). Die Antragstellerin hatte abgesehen von den Geschäftsführern und dem Sohn des Geschäftsführers keine Angestellten. aK betrieb u.a. bereits zwischen 2006 und 2011 als Einzelunternehmer einen Edelmetallhandel und war zudem Geschäftsführer einer anderen im Bereich des Metallrecyclings tätigen GmbH. Er ist --nach eigenen Angaben-- ein „ausgewiesener Metall-Recycling-Spezialist“.
2. Die Antragstellerin bezog zwischen August 2012 und Juni 2013 Silbergranulat von der Y-GmbH (Y-GmbH).
Silbergranulat entsteht dadurch, dass verflüssigtes Silber gesiebt und in kaltes Wasser gegossen wird. Dieser Prozess wird in Scheideanstalten durchgeführt. Silbergranulat hat üblicherweise einen Reinheitsgehalt (sog. Feinsilbergehalt) von 99,9 %. Auf dem Markt wird zertifiziertes und nicht zertifiziertes Silbergranulat gehandelt. Zur Zertifizierung sind nur Scheideanstalten berechtigt, die eine Zulassung der London Bullion Market Association (LBMA) besitzen; das waren in den Streitjahren in Deutschland für Silber ungefähr .... Die Scheideanstalten verpacken das Silbergranulat in verplombte Säcke und garantieren die Reinheit des Materials. Endabnehmer des Silbergranulats ist überwiegend die Industrie, die nur zertifiziertes Material verarbeiten darf. Das den streitigen Lieferungen zugrunde liegende Silbergranulat war nicht zertifiziert.
Nach den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt Z (Steuerfahndung) wurde die Y-GmbH im Jahr 2011 als Vorratsgesellschaft gegründet. Ein G U und ein R E erwarben die Geschäftsanteile an der Gesellschaft im Jahr 2012, benannten sie um und verlegten den Sitz nach W. Die Gesellschafter bestellten sich auch als Geschäftsführer. Sie waren im Hauptberuf Rechtsanwälte mit Kanzleien in V bzw. D. Für die Y-GmbH arbeiten u.a. ein F L als Fahrer (seit dem 14. September 2012) und eine P T im Sekretariat (seit dem 1. November 2012).
Die einzelnen Liefergeschäfte zwischen der Y-GmbH und der Antragstellerin kamen dadurch zustande, dass die Y-GmbH der Antragstellerin per Telefon eine bestimmte Menge Silbergranulat anbot. Die Antragstellerin erkundigte sich wiederum bei ihren Abnehmern, insbesondere der L-GmbH (L-GmbH), nach einer Abnahmemöglichkeit. Es kam zu einem Geschäft, falls die Antragstellerin ihrerseits einen Käufer fand.
Als Kaufpreis legten die Y-GmbH und die Antragstellerin den Börsenpreis (sog. Kitco-Preis) zugrunde, von dem sie einen festen Abschlag von 23 bis 25 EUR pro Kilogramm vornahmen. Die Antragstellerin und die L-GmbH ihrerseits zogen 13 bis 15 EUR pro Kilogramm vom Börsenpreis ab. Auf diese Weise verblieb bei der Antragstellerin eine Marge (Differenz von Verkaufs- und Einkaufspreis) von rd. 3 %.
Das in Leinensäcken verpackte Silbergranulat wurde bei der Y-GmbH in einen Pkw (Leihwagen aus V) verladen und von deren Fahrer zum Betrieb der Antragstellerin gebracht. Eine Transportversicherung gab es nicht.
Bei der Antragstellerin wurden die Säcke entleert und das Silbergranulat gewogen. Bei jeder Lieferung wurde rd. 1 kg Silbergranulat eingeschmolzen, zu einem Barren gegossen und die Qualität des Silbers mit einem Röntgenfluoreszenz-Gerät gemessen (sog. RFA-Analyse). Bei dem Schmelzvorgang waren in der Regel der Fahrer der Y-GmbH, ein von der Antragstellerin beauftragter selbständiger Schmelzmeister sowie entweder ihr Geschäftsführer oder dessen Sohn anwesend. Die Antragstellerin hielt den Pkw und die Personalien des Fahrers der Y-GmbH fest. Außerdem ließ sie sich vom Fahrer der Y-GmbH eine Geldempfangsvollmacht vorlegen. Die Antragstellerin händigte dem Fahrer der Y-GmbH Bescheinigungen über die Gewichts- und Qualitätsmessungen sowie die Gutschrift aus. Außerdem stellte sie der Y-GmbH die Schmelzkosten in Rechnung. Das Entgelt wurde dem Fahrer in etwa zur Hälfte in bar (im Einzelfall bis zu ... EUR pro Lieferung) ausgehändigt, der Rest wurde an die Y-GmbH überwiesen.
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Die Antragstellerin lieferte das Silbergranulat noch am gleichen Tag an die L-GmbH weiter. Die im Jahr 19... gegründete L-GmbH hat ihren Sitz in der Nähe von H. Die Ware wurde mit einem Pkw von der L-GmbH bei der Antragstellerin abgeholt. Die L-GmbH bezahlte ausschließlich per Überweisung. Sie veräußerte das Silbergranulat schließlich an Scheideanstalten.
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Die Antragstellerin erwarb von der Y-GmbH im Jahr 2012 insgesamt ...,... kg und im Jahr 2013 insgesamt ...,... kg Silbergranulat, zusammen ...,... kg. Hiervon veräußerte sie ...,... kg an die L-GmbH weiter. Zwischen der Y-GmbH und der Antragstellerin gab es wöchentlich ... bis ... Lieferungen mit einer Menge von jeweils ... bis ... kg. In einer Woche wurden bis zu ... kg geliefert. Die Y-GmbH war der einzige Großlieferant der Antragstellerin, die sonst nur von Privatleuten ankaufte.
12 
Die Y-GmbH versteuerte ihre Umsätze unter Abzug der Vorsteuern aus dem Bezug des Silbergranulats.
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3. Die Steuerfahndung kam zu dem Ergebnis, die Antragstellerin sei --ebenso wie die Y-GmbH und weiteren Vorlieferanten sowie die L-GmbH-- in ein Umsatzsteuerkarussell mit Silbergranulat eingebunden gewesen (Bericht vom 31. August 2015). Die Antragstellerin habe in der planmäßig hintereinander geschalteten --in der Regel aus vier bis sieben Gesellschaften bestehenden-- Liefer- und Rechnungskette als Zwischenhändlerin fungiert.
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Das Silbergranulat sei von einem Unternehmer mit Sitz im Inland (sog. Missing Trader) von einem ausländischen Lieferer zu einem Nettopreis erworben worden. Dieser Unternehmer habe beim Weiterverkauf der Ware aus dem Netto-Einkaufspreis einen Brutto-Verkaufspreis gemacht, die Umsatzsteuer aber nicht an den Fiskus abgeführt. Auf diese Weise sei eine „Marge“ bzw. „Gewinn“ von 19 % des Verkaufspreises geschaffen worden, der durch die Festlegung gestaffelter Abschläge vom Börsenpreis auf die weiteren Zwischenhändler (sog. Buffer) aufgeteilt worden sei. Die ursprüngliche Herkunft der Ware könne nicht geklärt werden; es sei aber nicht auszuschließen, dass es sich um zertifiziertes Silbergranulat aus Scheideanstalten gehandelt habe.
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Die Steuerfahndung wirft den Geschäftsführern der Antragstellerin vor, sie hätten von der Einbeziehung in eine betrügerische Lieferkette gewusst. Sie hätten es zumindest wissen müssen.
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4. Die Antragstellerin zog in ihren Umsatzsteuererklärungen 2012 und 2013 vom 19. Juli 2013 und 24. Mai 2014 die Vorsteuern aus den Gutschriften an die Y-GmbH in Höhe von ...,... EUR (im Jahr 2012) und von ...,... EUR (2013) ab.
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Der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) kürzte die Vorsteuern in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2012 und 2013 vom 24. November 2015 um diese Beträge.
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Die Antragstellerin legte am 3. Dezember 2015 gegen die geänderten Umsatzsteuer-bescheide 2012 und 2013 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide. Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. Februar 2016 ab.
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5. Mit Schriftsatz vom 13. April 2016 macht die Antragstellerin nunmehr beim Finanzgericht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013. Sie habe sich durch das Einholen eines Professoren-Gutachtens vor rechtlichen Schwierigkeiten geschützt.Es gebe sehr wohl auch bei Edelmetallen einen weit verzweigten Markt. Die Geschäfte der Y-GmbH seien von Rechtsanwälten, mithin von Organen der Rechtspflege geführt worden, denen sie vertraut habe. Ihr Geschäftsführer habe sich vor Ort vom ordentlichen Geschäftsbetrieb der Y-GmbH einschließlich der Schmelzanlage überzeugt. Außerdem habe man sich beim Steuerberater der Y-GmbH über die Einhaltung der steuerlichen Pflichten vergewissert. Die Verantwortlichen der Y-GmbH hätten versichert, das Silbergranulat stamme aus dem Recycling von Photovoltaik-Anlagen. Ihr Geschäftsführer habe die Vorlieferanten der Y-GmbH (einschließlich des sog. Missing Traders) und die Länge der Lieferkette nicht gekannt. Die Y-GmbH habe ihre Bezugsquellen aus Wettbewerbsgründen nicht offengelegt. Es sei nicht zertifiziertes Silbergranulat gehandelt worden, bei dem ein Abschlag vom Börsenkurs gerechtfertigt sei, weil dieses noch geschieden und zertifiziert werden müsse. Der von der Y-GmbH verlangte Preis habe nicht so weit unter dem Börsenpreis gelegen, dass sich eine kriminelle Herkunft aufdrängen musste.
20 
Die Antragstellerin beantragt,
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die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 vom 24. November 2015 in Höhe von ...,... EUR (2012) und von ...,... EUR (2013) auszusetzen.
22 
Das FA beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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6. Das FA hält die Vielzahl der Auffälligkeiten für überwältigend, selbst wenn einzelne Einwendungen der Antragstellerin zutreffen sollten. Die Menge des gehandelten Silbergranulats sei nicht branchenüblich. Üblich seien rd. 100 kg pro Woche, während die Antragstellerin bis zu ... kg pro Woche erworben habe. Die Antragstellerin habe schon kurz nach ihrer Gründung Umsätze in Millionenhöhe erzielt. Sie habe einen Großteil ihrer Wareneinkäufe in bar bezahlt. Das Silbergranulat sei unversichert mit einem Pkw durch Deutschland transportiert worden. Die Antragstellerin habe das Silbergranulat unter dem --öffentlich zugänglichen-- Börsenpreis erworben. Es gebe --von krimineller Herkunft der Ware abgesehen-- keinen Grund, dass die Y-GmbH das Silbergranulat nicht selbst zu dem Preis verkauft, den die Antragstellerin mit ihren Abnehmern vereinbart hat. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe als Branchenkenner diese Umstände durchschaut. Er sei die Geschäfte gleichwohl eingegangen, während andere Marktteilnehmer unter diesen Bedingungen von den Geschäften abgesehen hätten.
25 
7. Die Antragstellerin wird seit März 2013 nur noch von aK als Geschäftsführer vertreten. Sie verlegte im Jahr 2014 ihren Sitz nach L. Die L-GmbH übernahm ebenfalls im Jahr 2014 mit den Produktionsräumen der Antragstellerin auch deren Schmelzanlage.
26 
Die gegen die Eheleute aK und bK eingeleiteten Steuerstrafverfahren werden von der Staatsanwaltschaft N geführt. Über den Fortgang der ebenfalls eingeleiteten Steuerstrafverfahren gegen die Geschäftsführer der Y-GmbH und der L-GmbH ist nichts bekannt.
27 
Das FA hat den Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 mit Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2016 als unbegründet zurückgewiesen.
II.
28 
Der Antrag ist begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 vom 24. November 2015. Die Vollziehung der Bescheide hätte für die Antragstellerin auch eine unbillige Härte zur Folge.
29 
1. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts soll auf Antrag ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
30 
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheids bestehen dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen. Ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als sein Misserfolg (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239).
31 
Für eigene Ermittlungen des Gerichts besteht im Aussetzungsverfahren nur ein sehr begrenzter Raum (BFH-Beschluss vom 14. Februar 1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443). Das Gericht ist grundsätzlich auf präsente Beweismittel beschränkt und kann seiner Entscheidung in der Regel nur solche Tatsachen zugrunde legen, die sich entweder aus dem unstreitigen Sachvortrag oder zweifelsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Akten ergeben oder deren Vorliegen von dem Beteiligten, dessen Vorbringen sich auf diese Tatsachen stützt, im Einzelnen glaubhaft gemacht wurde (BFH-Beschluss vom 10. Juli 1997 V B 152/96, BFH/NV 1998, 357).
32 
2. Nach diesen Maßstäben steht der Antragstellerin der Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an die Y-GmbH zu.
33 
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann der Unter-nehmer als Vorsteuerbeträge die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt weiter voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG).
34 
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall --unstreitig-- vor. Die Y-GmbH war eine Unternehmerin, die das tatsächlich vorhandene Silbergranulat an die Antragstellerin lieferte. Die Gutschriften sind formal ordnungsgemäß.
35 
Die Y-GmbH schuldete in den Streitjahren die Umsatzsteuer aus diesen Lieferungen, da die Verlagerung der Steuerschuld in § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG ab dem Jahr 2011 nur die Lieferung von Gold umfasst und die Verlagerung der Steuerschuld für die Lieferung von Silber in § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG i.V.m. Anlage 4 erst ab dem 1. Oktober 2014 gilt.
36 
3. Der Vorsteuerabzug kann der Antragstellerin nach summarischer Prüfung auch nicht wegen Beteiligung an einer Steuerhinterziehung versagt werden.
37 
a) Das Recht auf Vorsteuerabzug kann dem Unternehmer verweigert werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Unternehmer, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Ein Unternehmer, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, ist nämlich für die Zwecke der MwStSystRL als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt (Urteile des Europäischen Gerichtshofs --EuGH-- vom 6. Juli 2006 C-439/04 und C-440/04, Kittel und Recolta Recycling, UR 2006, 594; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Dávid, UR 2012, 591, Rz. 40; BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315).
38 
Dagegen können Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftiger-weise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug --sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug-- einbezogen sind, auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (EuGH-Urteile vom 6. Juli 2006 C-439/04 und C-440/04, Kittel und Recolta Recycling, UR 2006, 594, Rz. 51; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Dávid, UR 2012, 591, Rz. 53).
39 
Welche Maßnahmen im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Unternehmer, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2015 C-277/14, PPUH Stehcemp, UR 2015, 917, Rz. 51). Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vor, kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer zwar nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen (EuGH-Urteile vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Dávid, UR 2012, 591, Rz. 60). Die Finanzbehörden können jedoch von dem Unternehmer, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen, zum einen zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Unternehmer ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder zum anderen entsprechende Unterlagen vorzulegen (EuGH-Urteile vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Dávid, UR 2012, 591, Rz. 61).
40 
b) Die Darlegungs- und Feststellungslast für die Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers trägt die Finanzbehörde (EuGH-Urteile vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Dávid, UR 2012, 591, Rz. 49; vom 6. September 2012 C-324/11, Tóth, UR 2012, 851, Rz. 51; vom 6. Dezember 2012 C-285/11, Bonik, UR 2013, 195, Rz. 43; vom 13. Februar 2014 C-18/13, Maks Pen, UR 2014, 861, Rz. 29; vom 22. Oktober 2015 C-277/14, PPUH Stehcemp, UR 2015, 917, Rz. 50). Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer ist --entgegen früherer Rechtsprechung des BFH-- nicht verpflichtet, einen echten „Negativbeweis“ dahingehend zu führen, dass er keine Anhaltspunkte für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden oder die Leistung hatte (Finanzgericht --FG-- Münster, Beschluss vom 12. Dezember 2013 5 V 1934/13 U, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 395). Verbleibende Zweifel gehen damit zu Lasten der Finanzbehörde.
41 
Die Regeln über die objektive Feststellungslast gelten auch im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (BFH-Beschluss vom 26. August 2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255).
42 
c) Im Streitfall gibt es keinen eindeutigen Beweis für die Bösgläubigkeit der Geschäftsführer der Antragstellerin: Kein Beteiligter der Lieferkette hat ein Geständnis abgelegt. Kein Beteiligter wurde bisher vor einem Strafgericht angeklagt oder verurteilt. Soweit ersichtlich, saß niemand --trotz der enormen Höhe der angeblich hinterzogenen Steuern-- in Untersuchungshaft. Die Steuerfahndung hat auch keine Vereinbarung der Mitglieder der Lieferkette über die Aufteilung der vom sog. Missing Trader hinterzogenen Umsatzsteuer feststellen können.
43 
Im Übrigen bestehen Zweifel in tatsächlicher Hinsicht, deren Klärung einem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist. So kann erst im Hauptsacheverfahren --insbesondere durch Einholen eines Sachverständigengutachtens oder Befragung von neutralen Branchenkennern-- abschließend geklärt werden, ob es --wie er sich im Streitfall darstellt-- einen „seriösen Markt“ für Silbergranulat gibt. Das FA verneint dies u.a. unter Hinweis auf die große Menge des gehandelten Silbergranulats, die hohe Marge der einzelnen Händler, die hohen Barzahlungen, die große Anzahl der Zwischenhändler in der Lieferkette, die endgültige Abrechnung anhand der RFA-Analyse und die Vereinbarung von festen Abschlägen vom Börsenpreis. Es beruft sich dabei teilweise auf die Aussagen von anonymen, auch dem Gericht nicht bekannten Personen, teilweise auf die Aussagen von Mitarbeitern von Konkurrenzunternehmen der Antragstellerin. Die Antragstellerin bestreitet vehement, dass es keinen seriösen Markt für Silbergranulat gebe. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, wann der Erwerb von Edelmetall im Rahmen eines „seriösen Marktes“ stattfindet und wann die Abweichungen vom Üblichen ein solches Ausmaß erreichen, dass von der Bösgläubigkeit des Erwerbers auszugehen ist, ist bisher nicht ergangen, so dass insoweit zumindest --was im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ausreicht-- ernstliche Zweifel bestehen (vgl. zum Vorsteuerabzug beim Erwerb von Edelmetallen auch FG Berlin -Brandenburg, Beschluss vom 3. April 2011 (Anm. der Dok-Stelle: vermutlich zutreffendes Datum 3. April 2014) 7 V 7027/14, EFG 2014, 1445, im Ergebnis bestätigt durch BFH-Beschluss vom 12. Februar 2015 V B 160/14, BFH/NV 2015, 861).
44 
Im Streitfall wurde zudem die Steuerhinterziehung durch Nichtabführen der Umsatzsteuer nicht vom Vorlieferanten der Antragstellerin (Y-GmbH) begangen, sondern vom ersten Lieferanten am Beginn der Kette (sog. Missing Trader). Zwar muss sich das Kennen oder Kennenmüssen der Einbeziehung in eine Steuerhinterziehung nicht auf den unmittelbaren Vorlieferanten beziehen. Kann man die Bösgläubigkeit des den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmers nicht schon an der Person des Vorlieferers (z.B. mangelndes Branchenwissen, fehlende Deutschkenntnisse, unseriöses Erscheinungsbild, nicht bestehender Unternehmenssitz) festmachen (vgl. dazu z.B. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Januar 2012 12 V 2793/11, nicht veröffentlicht, juris, zu einem Vorlieferanten, der ohne Deutschkenntnisse als fliegender Händler ohne eigenes Geschäftslokal große Mengen Gold anbot; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2013 1 K 1766/12, nicht veröffentlicht, juris, unter I.5. der Entscheidungsgründe, zu zwei Vorlieferanten, die keinerlei Branchenkenntnisse besaßen und von denen einer kein Deutsch sprach), müssen die vorhandenen Indizien umso überzeugender sein. Im Streitfall lässt insbesondere die Preisgestaltung nicht mit dem erforderlichen Maß an Überzeugung auf eine Bösgläubigkeit der Verantwortlichen der Antragstellerin schließen. So fällt der Abschlag vom Börsenpreis umso niedriger aus und ist damit umso unverdächtiger, je weiter hinten sich der Unternehmer in der Lieferkette befindet. Die Antragstellerin wird von der Steuerfahndung als vorletztes Glied der betrügerischen Kette (vor der L-GmbH) eingestuft.
45 
Es bestehen darüber hinaus vorliegend einige Anhaltspunkte, die gegen eine Bösgläubigkeit sprechen und damit ernstliche Zweifel in rechtlicher Hinsicht begründen: Die Antragstellerin hat nach ihrem unwidersprochenen Vortrag die Einhaltung der steuerlichen Pflichten der Y-GmbH überprüft, indem sie von deren Steuerberater Auskünfte einholte. Sie hat ein Rechtsgutachten über die von ihr zu beachtenden Sorgfaltspflichten eingeholt und die darin vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt. Die Steuerfahndung hat demgegenüber nicht nachgewiesen, dass dieses Gutachten nur zum Schein, insbesondere zur Vorlage bei den Finanzbehörden, angefertigt worden ist.
46 
Es ist schließlich zu berücksichtigen, dass nach Aktenlage innerhalb der Lieferkette mehrfach der Vorsteuerabzug versagt wurde (bei der Y-GmbH und deren Vorlieferanten, bei der Antragstellerin und bei der L-GmbH), während die Ausgangsleistungen jeweils unverändert besteuert werden. Dadurch wird das an sich berechtigte Anliegen, durch die Versagung des Vorsteuerabzugs die Neutralität des Umsatzsteuer in der unternehmerischen Lieferkette wieder herzustellen, in der Gesamtschau der Lieferkette über das notwendige Maß hinaus durchgesetzt.
47 
4. Die Vollziehung der Bescheide hätte für die Antragstellerin auch eine unbillige Härte zur Folge.
48 
Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Steuerpflichtigen führen würde (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1834).
49 
Davon ist im Streitfall auszugehen, da die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung zu einer Steuerschuld von rd. … Mio. EUR einschließlich Zinsen führen würde. Aus den Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen der Streitjahre ist ersichtlich, dass die Antragstellerin zur Begleichung dieser Steuerschuld nicht in der Lage ist. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung ist das Geschäft im Anschluss an die Ermittlungsmaßnahmen weitgehend zum Erliegen gekommen, so dass die Antragstellerin auch in der Zwischenzeit weder ausreichendes Vermögen noch Einnahmen erwirtschaftet haben wird, um die Steuern zu bezahlen. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass die Antragstellerin weiterhin die Umsatzsteuer aus dem Weiterverkauf des Silbergranulats schuldet (und bereits bezahlt hat), während der gesamte Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Ware gestrichen wurde.
50 
Allerdings ist selbst die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nicht losgelöst von der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide möglich. Jedoch verringert sich der anzulegende Maßstab für die Annahme ernstlicher Zweifel (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 342). Die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide ist bereits dann auszusetzen, wenn Zweifel an deren Rechtmäßigkeit nicht ausgeschlossen werden können (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2011 I S 7/11, BFH/NV 2012, 583). Im Streitfall können jedoch --wie ausgeführt-- Zweifel nicht ausgeschlossen werden.
51 
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde wird nicht zugelassen, da kein Beschwerdegrund i.S. des § 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 15 Vorsteuerabzug


(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuera

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(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

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(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und

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(1) Für nach § 3a Absatz 2 im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. (2) Fü

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(1) Hat der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und führt er einen Umsatz in einem ander

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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Nov. 2013 - 1 K 1766/12

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Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen.2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand   1 Streitig ist, inwieweit der Kl im Streitjahr 2010 aus Altgoldlieferungen ein Vorsteuerabzug zusteht.

Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss, 16. Jan. 2012 - 12 V 2793/11

bei uns veröffentlicht am 16.01.2012

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt.2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe   I. 1 Streitig ist das Recht zum Vorsteuerabzug. 2 Das Unternehmen des Antragstellers hat den Handel mit Edelmetallen - mit Altgol

Bundesfinanzhof Beschluss, 26. Okt. 2011 - I S 7/11

bei uns veröffentlicht am 26.10.2011

Tatbestand 1 I. Streitig ist im Rahmen eines Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) die Rechtmäßigkeit von Steuerfestsetzungen des Streitjahres 2006, in denen e

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(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und führt er einen Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat aus, an dem eine Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat nicht beteiligt ist, so ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet, wenn die Steuer in dem anderen Mitgliedstaat von dem Leistungsempfänger geschuldet wird und keine Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Führt der Unternehmer eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 in einem anderen Mitgliedstaat aus, so ist die Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, auszustellen. In dieser Rechnung sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Wird eine Abrechnung durch Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 über eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 vereinbart, die im Inland ausgeführt wird und für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Absatz 1 und 5 schuldet, sind die Sätze 2 und 3 und Absatz 5 entsprechend anzuwenden.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung im Sinne des § 3c Absatz 1 im Inland aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j teilnimmt.

(3) Führt der Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, verpflichtet. In der Rechnung sind auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Satz 1 gilt auch für Fahrzeuglieferer (§ 2a). Satz 2 gilt nicht in den Fällen der §§ 1b und 2a.

(4) Eine Rechnung über die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs muss auch die in § 1b Abs. 2 und 3 bezeichneten Merkmale enthalten. Das gilt auch in den Fällen des § 2a.

(5) Führt der Unternehmer eine Leistung im Sinne des § 13b Absatz 2 aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Absatz 5 die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet; Absatz 1 bleibt unberührt. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung nach § 14 Absatz 4 Satz 1 Nummer 8 wird nicht angewendet.

(6) In den Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 hat die Rechnung die Angabe „Sonderregelung für Reisebüros“ und in den Fällen der Differenzbesteuerung nach § 25a die Angabe „Gebrauchtgegenstände/Sonderregelung“, „Kunstgegenstände/Sonderregelung“ oder „Sammlungsstücke und Antiquitäten/Sonderregelung“ zu enthalten. In den Fällen des § 25 Abs. 3 und des § 25a Abs. 3 und 4 findet die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) keine Anwendung.

(7) Wird in einer Rechnung über eine Lieferung im Sinne des § 25b Abs. 2 abgerechnet, ist auch auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers hinzuweisen. Dabei sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) findet keine Anwendung.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Für nach § 3a Absatz 2 im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.

(2) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats:

1.
Werklieferungen und nicht unter Absatz 1 fallende sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers;
2.
Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens;
3.
Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen;
4.
Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Nummer 1 bleibt unberührt;
5.
Lieferungen
a)
der in § 3g Absatz 1 Satz 1 genannten Gegenstände eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g und
b)
von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter Buchstabe a fallen;
6.
Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nummer 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nummer 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, zertifizierten Emissionsreduktionen nach § 2 Nummer 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, Emissionszertifikaten nach § 3 Nummer 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes sowie von Gas- und Elektrizitätszertifikaten;
7.
Lieferungen der in der Anlage 3 bezeichneten Gegenstände;
8.
Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen. Nummer 1 bleibt unberührt;
9.
Lieferungen von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendstel, in Rohform oder als Halbzeug (aus Position 7108 des Zolltarifs) und von Goldplattierungen mit einem Goldfeingehalt von mindestens 325 Tausendstel (aus Position 7109);
10.
Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
11.
Lieferungen der in der Anlage 4 bezeichneten Gegenstände, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
12.
sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Nummer 1 bleibt unberührt.

(3) Abweichend von den Absatz 1 und 2 Nummer 1 entsteht die Steuer für sonstige Leistungen, die dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden, spätestens mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, in dem sie tatsächlich erbracht werden.

(4) Bei der Anwendung der Absätze 1 bis 3 gilt § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Satz 2 und 3 entsprechend. Wird in den in den Absätzen 1 bis 3 sowie in den in Satz 1 genannten Fällen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist.

(5) In den in den Absätzen 1 und 2 Nummer 1 bis 3 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist; in den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe a, Nummer 6, 7, 9 bis 11 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist. In den in Absatz 2 Nummer 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 4 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Erdgas schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Wiederverkäufer von Erdgas im Sinne des § 3g ist. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Elektrizität schuldet der Leistungsempfänger in den Fällen die Steuer, in denen der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne des § 3g sind. In den in Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 8 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 12 Satz 1 genannten Leistungen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Die Sätze 1 bis 6 gelten vorbehaltlich des Satzes 10 auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b, Nummer 7 bis 12 ausgegangen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen. Die Sätze 1 bis 7 gelten nicht, wenn bei dem Unternehmer, der die Umsätze ausführt, die Steuer nach § 19 Absatz 1 nicht erhoben wird. Die Sätze 1 bis 9 gelten nicht, wenn ein in Absatz 2 Nummer 2, 7 oder 9 bis 11 genannter Gegenstand von dem Unternehmer, der die Lieferung bewirkt, unter den Voraussetzungen des § 25a geliefert wird. In den in Absatz 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b und Nummer 7 bis 12 genannten Fällen schulden juristische Personen des öffentlichen Rechts die Steuer nicht, wenn sie die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich beziehen.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers besteht

1.
in einer Personenbeförderung, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Absatz 5) unterlegen hat,
2.
in einer Personenbeförderung, die mit einem Fahrzeug im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 durchgeführt worden ist,
3.
in einer grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr,
4.
in der Einräumung der Eintrittsberechtigung für Messen, Ausstellungen und Kongresse im Inland,
5.
in einer sonstigen Leistung einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland steht, oder
6.
in der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung), wenn diese Abgabe an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn erfolgt.

(7) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 und 5 ist ein Unternehmer, der im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete weder einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat; dies gilt auch, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat. Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Drittlandsgebiet hat. Hat der Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 5 aus, gilt er hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn die Betriebsstätte an diesem Umsatz nicht beteiligt ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Leistung ausgeführt wird. Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer im Sinne der Sätze 1 und 2 ist.

(8) Bei der Berechnung der Steuer sind die §§ 19 und 24 nicht anzuwenden.

(9) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Absatz 1 Satz 3), der andere an Stelle des Leistungsempfängers Steuerschuldner nach Absatz 5 ist.

(10) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach den Absätzen 2 und 5 auf weitere Umsätze erweitern, wenn im Zusammenhang mit diesen Umsätzen in vielen Fällen der Verdacht auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall aufgetreten ist, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen Steuermindereinnahmen führen. Voraussetzungen für eine solche Erweiterung sind, dass

1.
die Erweiterung frühestens zu dem Zeitpunkt in Kraft treten darf, zu dem die Europäische Kommission entsprechend Artikel 199b Absatz 3 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der Fassung von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 2013/42/EU (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) mitgeteilt hat, dass sie keine Einwände gegen die Erweiterung erhebt;
2.
die Bundesregierung einen Antrag auf eine Ermächtigung durch den Rat entsprechend Artikel 395 der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2013/42/EG (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) gestellt hat, durch die die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt werden soll, in Abweichung von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG, die zuletzt durch die Richtlinie 2013/61/EU (ABl. L 353 vom 28.12.2013, S. 5) geändert worden ist, die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für die von der Erweiterung nach Nummer 1 erfassten Umsätze zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen einführen zu dürfen;
3.
die Verordnung nach neun Monaten außer Kraft tritt, wenn die Ermächtigung nach Nummer 2 nicht erteilt worden ist; wurde die Ermächtigung nach Nummer 2 erteilt, tritt die Verordnung außer Kraft, sobald die gesetzliche Regelung, mit der die Ermächtigung in nationales Recht umgesetzt wird, in Kraft tritt.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
I.
Streitig ist das Recht zum Vorsteuerabzug.
Das Unternehmen des Antragstellers hat den Handel mit Edelmetallen - mit Altgold, Bruchgold, Zahngold, Goldmünzen, Feingold und Schmuckstücken aus Gold, Silber oder Platin - zum Gegenstand.
Mit den Steuererklärungen für die Besteuerungszeiträume des Kalenderjahres 2009 hatte er die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer mit insgesamt 1.657.189 Euro angegeben. Im Kalenderjahr 2010 gab er die Bemessungsgrundlage und die abziehbaren Vorsteuerbeträge wie folgt an:
für     
        
Bemessungsgrundlage
Vorsteuer
                                   
Januar
                 
1.637,81
                                   
        
- steuerpflichtig
198.317
        
        
- steuerfrei
1.481 
        
                                   
Februar
                 
802,55
                                   
        
- steuerpflichtig
202.255
        
        
- steuerfrei
15.100
        
                                   
März   
                 
551,42
                                   
        
- steuerpflichtig
199.571
        
        
- steuerfrei
31.801
        
                                   
April 
                 
95.595,19
                                   
        
- steuerpflichtig
956.628
        
        
- steuerfrei
4.306 
        
                                   
Mai     
                 
68.973,64
                                   
        
- steuerpflichtig
634.620
        
        
- steuerfrei
21.997
        
                                   
Juni   
                 
641.070,95
                                   
        
- steuerpflichtig
3.671.145
        
        
- steuerfrei
40.129
        
                                   
Juli   
                 
693.159,05
                                   
        
- steuerpflichtig
3.555.445
        
        
- steuerfrei
14.650
        
                                   
August
                 
34.816,98
                                   
        
- steuerpflichtig
605.890
        
        
- steuerfrei
19.760
        
                                   
September
                 
2.565,25
                                   
        
- steuerpflichtig
139.915
        
        
- steuerfrei
0       
        
                                   
Summe 
        
10.313.010
1.539.172,84
Der Antragsgegner sah jedoch für den Besteuerungszeitraum Juli 2010 davon ab, die nach § 168 Satz 2 der Abgabenordnung erforderliche Zustimmung zu erteilen(Vgl. Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 6.). Mit Schreiben vom 22. September 2010 forderte der Antragsteller den Antragsteller vielmehr auf, die von ihm abgezogenen Vorsteuerbeträge nachzuweisen.
Hierauf, mit Schreiben vom 5. Oktober 2010, legte der Antragsteller Unterlagen über die Vorsteuerbeträge vor, die er für Juli 2010 geltend macht. Danach soll er, der Antragsteller, im Juni und Juli 2010 von einem gewissen B (künftig: B) - ausweislich der folgenden Gutschriften - Schmuck- und Altgold wie folgt erworben haben:
FG-ABl.
Gutschrift
Nr.     
Menge 
Einnahmen
Entgelt
ausgewiesene
        
vom     
        
g       
                 
Umsatzsteuer
                                                              
69, 81
                 
4.488,99
109.790,29
92.260,75
17.529,54
53, 70
                 
4.488,99
989,98
831,92
158,06
                                                              
74    
                 
5.397,23
148.701,56
124.959,29
23.742,27
54    
                 
5.397,23
145.000,00
121.848,74
23.151,26
57    
                 
5.397,23
-5.701,56
-4.791,23
-910,33
                                                              
55    
                 
2.184,15
70.567,19
59.300,16
11.267,03
                                                              
75    
                 
3.826,44
105.414,85
88.583,91
16.830,94
56    
                 
3.826,44
101.830,94
85.572,22
16.258,72
59    
                 
3.826,44
144,45
121,39
23,06 
                                                              
76    
                 
5.406,65
136.992,92
115.120,10
21.872,82
58    
                 
5.406,65
136.992,92
115.120,10
21.872,82
                                                              
77    
                 
4.803,29
106.612,10
89.590,00
17.022,10
60    
                 
4.803,29
105.000,00
88.235,29
16.764,71
63    
                 
4.803,29
-1.150,00
-966,39
-183,61
                                                              
78    
                 
5.264,49
126.415,43
106.231,45
20.183,98
61    
                 
5.264,49
123.433,98
103.726,03
19.707,95
62    
                 
5.264,49
-849,99
-714,28
-135,71
                                                              
79    
                 
6.837,72
134.044,48
112.642,42
21.402,06
64    
                 
6.837,72
134.000,00
112.605,04
21.394,96
                          
6.837,72
130.974,94
110.062,98
20.911,97
                                                              
50, 65
                 
3.319,42
66.065,43
55.517,17
10.548,26
                          
3.319,42
62.203,89
52.272,18
9.931,71
67    
                 
3.319,42
-3.861,54
-3.244,99
-616,55
                                                              
71, 80
                 
6.370,59
96.900,36
81.428,87
15.471,49
66    
                 
6.370,59
95.471,49
80.228,14
15.243,35
                          
6.370,59
101.193,83
85.036,83
16.157,00
Der Antragsgegner kam jedoch - mit Bescheid vom 10. November 2010(Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 101.) - zu dem Ergebnis, dass die vorstehend ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abzuziehen sei. Er führte hierzu aus, die von dem Antragsteller vorgelegten Rechnungen würden jedenfalls - anders als von § 14 Abs. 4, 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gefordert - die wirkliche Anschrift des leistenden Unternehmers nicht enthalten. Der Antragsgegner errechnete den Betrag der - aus seiner Sicht nur - abziehbaren Vorsteuerbeträge daher nur mit 538.615,07 Euro. Er setzte deshalb die Vorauszahlung auf die Umsatzsteuer für Juli 2010 auf 136.919,48 Euro fest. Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein. Über diesen hat der Antragsgegner - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.
Außerdem hatte der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Bescheids auszusetzen. Dies lehnte der Antragsgegner allerdings mit seinem Schreiben vom 10. Dezember 2010(Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 154.) ab. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller - nachdem er die streitig Umsatzsteuer inzwischen offenbar bezahlt hat - die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids.
10 
Im Einzelnen trägt der Antragsteller vor, er arbeite als angestellter Zahntechniker in einer Zahnarztpraxis. Seit dem Jahre ... betreibe er auch den Handel mit Schmuck- oder Zahngold und mit Barrengold. Die Ware erwerbe er von Privatpersonen ebenso wie von Gewerbetreibenden. Er selbst würde das Gold - mit einem Gewinnaufschlag - an die Scheideanstalt Y in Z liefern. Seinen Lieferanten gegenüber würde er - aufgrund mündlicher oder jedenfalls stillschweigend getroffener Abrede - mit Gutschriften abrechnen. Dies sei in diesem Geschäftsfeld üblich und auch zweckdienlich. Zum einen würde der Goldpreis fortlaufend schwanken. Er müsse deshalb zweimal täglich neu festgesetzt werden. Zum anderen müsse er, der Antragsteller, zunächst den Goldgehalt der jeweiligen Lieferung ermitteln. Daher seien die Unternehmer, die die Ware anliefern würden, zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage, ihm, dem Antragsteller, Rechnungen vorzulegen. Ferner würde er, der Antragsteller, aufgrund des von ihm geschätzten Goldgehalts der jeweiligen Lieferung - als Anzahlung - zunächst einen nur vorläufigen Kaufpreis ansetzen.
11 
Die Gutschriften habe er, der Antragsteller, immer erst erstellt, wenn der Lieferant - im Streitfall: B - das Ladenlokal wieder verlassen habe. Daher habe er die Gutschriften dem B - wie allen anderen Lieferanten - stets erst bei dessen nächsten Besuch ausgehändigt. Da B ihn, den Antragsteller, annähernd wöchentlich, oft sogar mehrmals in einer Woche aufgesucht habe, habe er ihm die jeweilige Gutschrift zeitnah aushändigen können. Dafür, dass dies tatsächlich auch geschehen sei, spreche, dass B bei jeder Lieferung „auf den Anlagen zur Berechnung“ seine Unterschrift angebracht habe. Dies wiederum zeige etwa der Beleg vom 19. Juli 2010(FG-ABl. 51.), den der Antragsgegner mit der Anlage 2 zu seinem Schriftsatz vom 6. September 2011 dem Senat vorgelegt habe.
12 
Die Ursache dafür, dass sein Umsatz im April 2010 geradezu „explodiert“ sei, erklärt der Antragsteller damit, dass
13 
- er seinen Gewinnaufschlag ab Ende März 2010 gesenkt und zugleich
- seine Ankaufspreise in der Weise gebildet habe, dass er den Preis, der auf der Internetseite www.kitco.com abgebildet werde, jeweils um 1 Euro je Gramm vermindert habe.
14 
Auch habe er damals seine „Anzahlungspolitik“ geändert: Anders als seine Wettbewerber habe er seinen Lieferanten seitdem rund 80 bis 90 vom Hundert des geschätzten Warenwerts sofort ausbezahlt. Seine Wettbewerber hingegen hätten allenfalls 10 vom Hundert oder höchstens 5.000 Euro als Anzahlung geleistet, den verbleibenden Kaufpreis dagegen erst dann, wenn sie selbst die Gutschrift der Scheideanstalt erhalten hatten. Auch die Scheideanstalten selbst würden - nach einer ersten Analyse, welche eine Genauigkeit von immerhin rund 97 vom Hundert aufweise - lediglich 40 bis 50 vom Hundert des Warenwerts auszahlen. Dagegen hätten die Händler den Kaufpreis - nunmehr - von ihm, dem Antragsteller, nahezu vollständig bei Lieferung erhalten, auf Wunsch auch in bar. Damit hätten sie ihre Liquidität bei einer Lieferung an ihn sofort wiedererlangt, und nicht erst nach fünf bis sechs Tagen - wie bei einer Lieferung an seine Wettbewerber - oder nach zwei bis drei Wochen - wie bei Lieferungen an Scheideanstalten. Damit habe er seine Lieferanten in die Lage versetzt, ihre Umsätze entsprechend auszuweiten, nämlich anders als
15 
- bei den Lieferungen an seine Wettbewerber zu verdoppeln oder
- bei Lieferungen an Scheideanstalten zu verdreifachen oder gar zu vervierfachen.
16 
Dabei sei ferner zu berücksichtigen, dass gerade die Hingabe von Bargeld die Geschäfte mit Schmuck- und sonstigem Altgold beschleunigen würde. Zugleich würde einem besonderen Bedürfnis der Branche entsprochen: Die Einzelhändler würden das Schmuckgold regelmäßig nur im Austausch mit Bargeld veräußern. Händler - wie B - könnten aber im Voraus, also bevor sie einen Einzelhändler aufsuchen würden, nicht hinreichend genau abschätzen, welche Mengen dieser anbieten würde und welche Preise zu zahlen wären. Wollten sie aber einen ausreichenden Vorrat an Bargeld - etwa in der Größenordnung von 50.000 Euro - mit sich führen, müssten sie diesen ein oder zwei Tage vor einer Geschäftsreise bei ihrer Bank bestellen, da diese solche Beträge auch nicht vorrätig hätten.
17 
Nunmehr hätte er, der Antragsteller, auch gewerblich tätige Händler - und damit auch B - als Lieferanten gewinnen können. Selbstverständlich habe er sich bei B danach erkundigt, weshalb
18 
- dieser in der Lage sei, ihm derart umfangreiche Mengen zu liefern, und
- er „obwohl aus R stammend“ die Ware zu ihm, dem Antragsteller, nach X liefern würde.
19 
B habe hierzu erklärt, er würde ständig durch ganz Deutschland reisen und seine Ware zumeist bei kleineren Schmuck- oder Goldhändlern erwerben. Dementsprechend habe er mindestens zwei Mal angegeben, er käme gerade aus N. Die Namen seiner Lieferanten habe B aber verschwiegen. Dies sei aus Wettbewerbsgründen auch verständlich. Da B allerdings „nicht gut Deutsch“ gesprochen habe, sei er stets gemeinsam mit einem Herrn C (künftig: C) erschienen. Dieser habe übersetzt, und zwar sowohl bei den persönlichen als auch bei den Gesprächen, die sie am Telefon geführt hätten. B habe aber stets „das letzte Wort beim Abschluss des Geschäfts“ gehabt.
20 
Er, der Antragsteller, würde den C von früheren Geschäften her kennen. C sei damals für einen Unternehmer tätig gewesen, der zwei- oder dreimal eine Lieferung an ihn, den Antragsteller, ausgeführt habe. Im Juni 2010 habe C ihn, den Antragsteller, angerufen und mitgeteilt, dass er die Arbeitsstelle gewechselt habe. Er arbeite nun für B. C habe ihn mit B schließlich bekannt gemacht.
21 
B habe ferner nicht nur Bargeld entgegengenommen. Vielmehr habe er, der Antragsteller, diesem auch die folgenden Beträge überwiesen:
22 
am    
                                
                                         
2. Juli:
11.267,03 Euro(Vgl. Gutschrift Nr. 200-517, FG-ABl. 55.),
                       
                                         
6. Juli:
16.830,94 Euro(Vgl. Gutschrift Nr. 200-519, FG-ABl. 75.),
                       
                                         
13. Juli:
20.183,98 Euro(Vgl. Gutschrift Nr. 200-532/1, FG-ABl. 78.),
                       
                                         
22. Juli:
15.471,49 Euro(Vgl. Gutschrift Nr. 200-549, FG-ABl. 71, 80.),
                       
                                         
3. August:
1.860,80 Euro(Vgl. Gutschrift Nr. 200-563, Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 126.).
                       
23 
Der Antragsteller weist weiter darauf hin, dass der Antragsgegner im Streitfall das Vorliegen eines Mehrwertsteuerbetrugs lediglich unterstelle. Der Umstand, dass B offenbar weder eine Steueranmeldung abgegeben noch die Umsatzsteuer entrichtet habe, die auf die Umsätze entstanden sei, die B an ihn, den Antragsteller, ausgeführte habe, könne vielmehr auch darauf zurückzuführen sein, dass B alsbald nach diesen Geschäften „überfallen und beraubt“ worden sein könnte. Immerhin sei B „mit derart viel Gold ... durch die Gegend gereist“, dass er „sicher auch nicht ganz ungefährlich“ gelebt habe.
24 
Schließlich beruft sich der Antragsteller auch auf einen Vertrauensschutz. Hierfür nimmt er Bezug auf die folgenden - in den Umsatzsteuerakten für Juli 2010 als Abdruck abgelegten - Unterlagen:
25 
- (auszugsweise) von der Ausländerbehörde der Stadt R ausgestellter, auf B lautender Ausweis,
- Maestro-Karte(Vgl. Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 116.),
- auf B lautende Gewerbe-Anmeldung vom 10. Mai 2010(Vgl. Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 120 f.),
- „Erklärung für Umsatzsteuerzwecke“ vom 30. Juni 2010(FG-ABl. 112.),
- „Bescheinigung in Steuersachen“ des Finanzamts R vom 18. Juni 2010(Vgl. Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 118 f.).
26 
Ergänzend führt der Antragsteller hierzu aus, B habe die Erklärung vom 30. Juni 2010 auch selbst unterzeichnet.
27 
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Er ist weiterhin der Ansicht, die von ihm beanstandeten Gutschriften würden - anders als von § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG gefordert - gerade nicht die (vollständige) Anschrift des B ausweisen. Auch sei zweifelhaft, ob dem B die Gutschriften überhaupt ausgehändigt worden seien und ggf., bei welchen der Gutschriften dies geschehen sei. Jedenfalls für die Rechnungen, die der Antragsteller dem B mit seinem Schreiben vom 8. Oktober 2010 habe übersenden wollen (ABl. 68 bzw. 69 ff.), sei diese Frage zu verneinen. Darüber hinaus sei B auch nicht als der Unternehmer anzusehen, der die Lieferungen, dem streitigen Vorsteuerabzug zugrunde liegen sollen, tatsächlich ausgeführt habe. Soweit der Antragsteller einen Vertrauensschutz beanspruche, sei zu bedenken, dass
28 
- die Umsätze des Antragstellers „explosionsartig“ zugenommen hätten, ohne dass er entsprechende Werbe- oder sonstige Maßnahmen unternommen habe;
- die zusätzlichen Umsätze an ihn, den Antragsteller, nahezu ausschließlich von ... Staatsangehörigen ausgeführt worden seien;
- die Geschäftsbeziehung zu dem - angeblichen - Lieferanten jeweils nur wenige Wochen bestanden habe;
- fraglich sei, was den B als Flüchtling, der sich ganz offenkundig erst seit kurzem im Inland aufgehalten habe, befähigt habe, derart umfangreiche Mengen anzubieten und auch zu liefern.
II.
29 
1. Der Senat geht davon aus, dass im Streitfall das Begehren des Antragstellers entsprechend § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 113 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf gerichtet ist, die Vollziehung des Bescheids vom 10. November 2010 in Höhe des Betrags von 154.543,98 Euro aufzuheben.
30 
Der Senat entnimmt diesen Betrag zum einen dem Schriftsatz vom 4. August 2011 (Seite 3, 4, 5). Zum anderen errechnet er sich mit dem streitigen Vorsteuerbetrag wie folgt:
31 
abziehbare Vorsteuer laut
        
                 
- Steueranmeldung
693.159,05
                 
- Bescheid vom 10. November 2010
538.615,07
                 
streitige Vorsteuer
154.543,98
32 
Dieser Betrag leitet sich im Einzelnen auch wie folgt her:
33 
Gutschrift
Rechnung
Einnahmen
Entgelt
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer
vom     
Nr.     
                                   
                                                     
                 
989,98
831,92
158,06
158,06
                                                     
                          
121.848,74
23.151,26
        
                 
-5.701,56
-4.791,23
- 910,33
22.240,93
                                                     
                 
70.567,19
                          
                 
59.300,16
49.832,07
9.468,09
9.468,09
                                                     
                 
11.267,03
9.468,09
1.798,94
1.798,94
                                                     
                 
85.000,00
71.428,57
13.571,43
        
                 
16.830,94
14.143,65
2.687,29
16.258,72
                                                     
                 
101.830,94
85.572,22
                 
                                                     
                          
121,39
23,06
23,06
                                                     
                 
136.992,92
115.120,10
21.872,82
21.872,82
                                                     
                                                     
                 
105.000,00
88.235,29
16.764,71
        
                 
-1.150,00
-966,39
- 183,61
16.581,09
                                                     
                 
103.250,00
86.764,71
16.485,29
        
                 
20.183,98
16.961,33
 3.222,65
19.707,95
                 
-849,99
-714,28
-135,71
-135,71
                                                     
                 
134.000,00
112.605,04
21.394,96
21.394,96
                                                     
                 
66.065,43
55.517,17
10.548,26
        
                 
-3.861,54
-3.244,99
- 616,55
9.931,71
                                                     
                 
95.471,49
80.228,14
15.243,35
15.243,35
                                                     
Summe 
                                   
154.543,97
34 
Da das Gericht über das Begehren des Antragstellers nicht hinausgehen darf (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 113 Abs. 1 FGO), kann der Senat im Streitfall offenlassen, ob dieser Betrag wie folgt zu ändern wäre:
35 
                                   
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer
                                                     
Summe 
(bisher):
                          
154.543,97
                                                     
Gutschrift
Rechnung
Einnahmen
Entgelt
                 
vom     
Nr.     
                                   
                                                     
                 
134.000,00
112.605,04
21.394,96
        
                 
130.974,95
110.062,98
20.911,97
-482,99
                                                     
                 
95.471,49
80.228,14
15.243,35
        
                 
101.193,83
85.036,83
16.157,00
 913,65
                                                     
auf:   
                                   
154.974,63
36 
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
37 
Auf Antrag hat das Gericht die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts nur auszusetzen und ggf. aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO). Dabei kann sich das Gericht darauf beschränken, anhand der von den Beteiligten vorgelegten Schriftsätze und der von dem Finanzamt übersandten Akten sowie ggf. der anderen bei ihm bereits vorhandenen (sog. präsenten) Beweismittel zu entscheiden. Finanzstreitsachen wegen Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung sind nämlich lediglich sog. summarische Verfahren (BFH-Beschluss vom 4. Oktober 1991, VIII B 93/90, BStBl II 1992, 59 unter 3e; Koch in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 69, Rdnrn. 120, 121). Zum einen sind sie eilbedürftig; zum anderen ist der Beschluss des Gerichts stets lediglich vorläufig, da er allenfalls so lange Bestand haben kann, bis die "Hauptsache" (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO) bestandskräftig (vgl. § 47 FGO) oder rechtskräftig (vgl. §§ 120, 116 FGO) geworden ist. Für das Beweismaß genügt, dass die Beteiligten ihre Angaben glaubhaft machen (Koch in Gräber, § 69 FGO, Rdnr. 121). Eine streitige Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt wird (Stapperfend in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 96, Rdnr. 42).
38 
Nach diesen Grundsätzen vermag das Gericht im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 10. November 2010 nicht zu erkennen. Vielmehr hat der Antragsgegner hinsichtlich der streitigen Beträge zu Recht den Vorsteuerabzug verweigert:
39 
Der Unternehmer kann grundsätzlich die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt ferner voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Der Vorsteuerabzug ist jedoch zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen war (BFH-Urteil vom 19. Mai 2010, XI R 78/07,BFH/NV 2010, 2132, unter II. 2. b, aa, m. w. Nachw.).
40 
Ein solcher Betrug etwa des sog. Vorlieferanten liegt namentlich dann vor, wenn nach dessen Tatplan die fällige - auf seine Umsätze entstandene - Mehrwertsteuer ganz oder teilweise unbezahlt bleiben soll (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union [EuGH] vom 11. Mai 2006, Rs. C-384/04, Federation of Technological Industries, Deutsches Steuerrecht [DStR] 2006, 897). Allerdings soll der Grundsatz der steuerlichen Neutralität (nur)die Neutralität der Umsatzsteuer hinsichtlich der Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten gewährleisten. Dies gilt aber nicht, wenn diese durch den Missbrauch des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems verletzt wird (EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006, Rs. C-439/04 und 440/04, Kittel und Recolta Recycling, DStR 2006, 1274, Rdnrn. 48 ff., m. w. Nachw.). Deshalb würde sich ein Steuerpflichtiger nur betrügerisch oder missbräuchlich auf das Recht auf Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) berufen, wenn er wusste oder für ihn jedenfalls hinreichende Verdachtsgründe dafür bestanden, dass die fällige - aufgrund der entsprechenden, an ihn ausgeführten Lieferung der betreffenden Waren entstandene - Umsatzsteuer ganz oder teilweise unbezahlt bleiben sollte (vgl. EuGH-Urteil vom 11. Mai 2006, Rs. C-384/04, Federation of Technological Industries, DStR 2006, 897).
41 
Die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 erfüllt sind, trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Steuerpflichtige. Das gilt -entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch, soweit es um die Frage geht, ob der Steuerpflichtige vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten wusste oder diesen zumindest kennen konnte (BFH-Urteile vom 19. April 2007, V R 48/04, BStBl II 2009, 315, und vom 12. August 2009, XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, unter II. 1. b). Die Schwierigkeit eines Negativbeweises ändert die Verteilung der Beweislast grundsätzlich nicht. Denn denjenigen, der sich auf das Nichtvorliegen von Tatsachen oder Umständen beruft, kann die Feststellungslast ohnehin nur treffen, wenn der Gegner - wie im Streitfall der Antragsgegner - substantiiert Tatsachen oder Umstände vorgetragen hat, die für das Vorliegen des Positivums sprechen(BFH-Urteil vom 19. April 2007, V R 48/04, BStBl II 2009, 315):
42 
Zum einen steht im Streitfall offenbar fest, dass B weder eine Steueranmeldung für Juli 2010 abgegeben noch die insoweit entstandene Umsatzsteuer entrichtet hat. Zum anderen trägt auch der Antragsteller allenfalls Umstände vor, nach denen B - jedenfalls aus der Sicht eines Unternehmers, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt - die Umsatzsteuer, die auf die Umsätze entstanden war, die er an den Antragsteller ausführte, letztlich nicht entrichten würde.
43 
Die Umstände, unter denen B im Streitfall auftrat, entsprechen dem Grundfall des sog. Missing-Traders (BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 2004, V B 180/03, BFH/NV 2004, 988, unter II. 2. a, m. w. Nachw., und vom 29. November 2004, V B 78/04, BStBl II 2005, 535, unter II. 1. c.). Solche Unternehmer verzichten regelmäßig darauf, einen auf Dauer angelegten Geschäftsbetrieb einzurichten. Meist werden sie als bloße Strohmänner (vgl. allerdings zum bloß „vorgeschobenen" Strohmanngeschäft, auch BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002, V B 108/01, BStBl II 2004, 622, unter II. 4. c, a. E., m. w. Nachw.) handeln. Mit vorsichtigen Kaufleuten werden sie deshalb nicht ohne weiteres Geschäfte abschließen können. Vielmehr werden sie die Gefahr vermeiden wollen, im Wege der Haftung nach § 25d UStG für die Steuer in Anspruch genommen zu werden, die der innergemeinschaftliche Erwerber in seiner Rechnung ausweist, aber möglicherweise nicht entrichten will. Möglicherweise werden sie aber auch befürchten, etwa gestohlene oder sonst abhanden gekommene Sachen zu beziehen (vgl. § 935 Abs. 1 BGB) oder sich gar wegen einer Hehlerei (§§ 259 ff. StGB) oder einer Geldwäsche (§ 261 StGB) strafbar zu machen (vgl. etwa BGH-Urteil vom 24. Januar 2006, 1 StR 357/05, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 1297, zum Verhältnis zwischen leichtfertiger Geldwäsche und Hehlerei). Vorsichtige Kaufleute, die darüber hinaus auch um ihre Gewährleistungsansprüche (§ 433 Abs. 1 Satz 2, §§ 434 ff. in Verbindung mit § 478 BGB, § 377 HGB) besorgt sind, würden deshalb - anders als offenbar der Antragsteller - ohne eine abschließende Gewissheit über den Goldgehalt der Ware jedenfalls den - angeblichen - Warenwert nicht schon vorab - d. h. vor der endgültigen Wertermittlung - auszahlen.
44 
Dass B im Streitfall als Missing-Trader eingeschaltet war, der die auf seine Umsätze entstandene Umsatzsteuer jedenfalls nicht entrichten wollte, war im Streitfall - jedenfalls aus der Sicht eines Unternehmers, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt - auch für den Antragsteller von vornherein zu befürchten:
45 
Den Angaben des Antragstellers lässt sich zunächst entnehmen, dass B offenbar ein fliegender Händler war, ohne ausreichende eigene Sprachkenntnisse, ohne eigenes Geschäftslokal und ohne eigene Internetseite, der außerdem offenbar auch nicht über das Eigenkapital verfügte, das für den von ihm betriebenen Geschäftsumfang nötig gewesen wäre. Das für diesen Geschäftsumfang benötigte Kapital will ihm - jedenfalls nach seinen Angaben - der Antragsteller mit seiner im Vergleich zu seinen Wettbewerbern äußerst raschen und deshalb für die Flüssigkeit eines Lieferanten vorteilhaften Zahlungsweise verschafft haben. Zweifel daran, dass tatsächlich die von dem Antragsteller geltend gemachte Zahlungsweise der entscheidende Grund dafür war, dass seine Umsätze im April 2010 geradezu „explodierten“, wecken insoweit aber die Angaben auf der Internetseite der Scheideanstalt Y in Z (www.xxxx.xx unter Leistungen / Edelmetall-Recycling, zuletzt eingesehen am: 28. Dezember 2011 um 16:45 Uhr). Dort bietet die Scheideanstalt an: „Durch Finanzierungen und Vorauszahlungen beugen wir Ihren Kursrisiken vor und schaffen somit schnellstmögliche Liquidität.“
46 
Ferner sprechen die Angaben des Antragstellers dazu, woher er den C kannte, wie dieser ihm den B als Lieferanten vermittelte und auch - angeblich - als Übersetzer diente, dafür, dass B als bloßer Strohmann handelte, ohne dass hierfür nachvollziehbare Gründe erkennbar gewesen wären. Schließlich ist auch ein anderer Sachgrund als die Aussicht auf einen schnellen Gewinn nicht ersichtlich, weshalb sich der Antragsteller auf die Geschäfte mit B einließ. Er ergibt sich insbesondere nicht aus dem Gegenstand des Handels (wie z. B. die Bewältigung einer Handelsstufe vom Einzelhändler zum Großhändler, die Veredelung oder eine sonstige Bearbeitung der Ware oder, dass der Antragsteller den Transport der Ware übernahm, weil er diesen schneller, sicherer oder zu günstigeren Preisen durchführen konnte, als es etwa B möglich war). Umgekehrt hat der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass gerade der Umstand, dass er dem B den mutmaßlichen Geldwert seiner Lieferungen sofort und in vollem Umfang ausbezahlt hat, den B dazu veranlasst hatte, auf die unmittelbare Belieferung einer Scheideanstalt zu verzichten, und stattdessen ihn, den Antragsteller, zu beliefern.
47 
Dass B - wie jedenfalls von dem Antragsgegner angenommen - die von ihm geschuldete, auf die Lieferungen an den Antragsteller entstandene Umsatzsteuer möglicherweise
48 
- nicht entrichtet hat und
- sich dies auch von vornherein vorbehalten hatte,
49 
scheint auch den Gepflogenheiten dieses Marktes zu entsprechen (vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages [BT] zu dem Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2010, BT-Drucks. 17/3549 vom 28. Oktober 2010, unter B. zu Art. 4 Nr. 8 Buchst. a, Doppelbuchst. bb [§ 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG], S. 27). Im Hinblick hierauf stellt sich auch nicht (mehr) die Frage, in welcher Weise sich im Streitfall ein Unternehmer verhalten hätte, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes angewendet hätte. Vielmehr liegt - weil sich die Abnehmer bei Händlern wie B ganz offensichtlich nicht vergewissern können, dass diese ihren steuerlichen Pflichten nachkommen - die Annahme nahe, dass ein solcher Unternehmer von Geschäften mit B von vornherein Abstand genommen hätte. Er hätte sich jedenfalls - gerade mit Blick auf die dem Antragsteller bekannten Umstände - nicht von
50 
- dem von der Stadt R ausgestellten, auf B lautenden Ausweis,
- der Maestro-Karte(Vgl. Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 116.),
- der auf B lautenden Gewerbe-Anmeldung vom 10. Mai 2010(Vgl. Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 120 f.),
- dessen „Erklärung für Umsatzsteuerzwecke“ vom 30. Juni 2010(FG-ABl. 112.),
- der „Bescheinigung in Steuersachen“ des Finanzamts R vom 18. Juni 2010(Vgl. Umsatzsteuerakten für Juli 2010, Bl. 118 f.).
51 
blenden lassen.
52 
Dagegen sind Anhaltspunkte tatsächlicher Art, nach denen B aus anderen Umständen - etwa Tod, Raub oder nicht vorhersehbarer Insolvenz - gehindert war, die fällige Umsatzsteuer zu entrichten, weder von dem Antragsteller nachgewiesen oder wenigstens glaubhaft gemacht noch sonst nach Aktenlage ersichtlich.
53 
Ob die Gutschriften im Streitfall den Vorgaben von § 14 Abs. 4, 5 UStG entsprechen kann der Senat nach alledem offenlassen.
III.
54 
Der Antragsteller trägt gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist, inwieweit der Kl im Streitjahr 2010 aus Altgoldlieferungen ein Vorsteuerabzug zusteht.
I.
Die Kl ist eine Gesellschaft, die Gold an- und verkauft.
Ab 2008 wurde ihr und weiteren Unternehmen ihrer Branche zunehmend Altgold, vor allem in Gestalt von Schmuck, von Personen angeboten, die dort zuvor noch nicht in Erscheinung getreten waren. Sie nahm das Material entgegen, analysierte es, ließ es bei einer Scheideanstalt scheiden und verkaufte das gewonnene Edelmetall an eine Bank. Ihren Lieferanten zahlte sie ein Entgelt, das sich nach den Tagespreisen richtete.
2. a) Ende 2008 erhielt die Steuerfahndung X einen Hinweis, dass bei einer ortsansässigen Bank regelmäßig und in kurzen Zeitabständen von der Kl ausgestellte Barschecks mit hohen sechsstelligen Beträgen vorgelegt würden. Nach dem Eindruck der Bank handelte sich bei den Scheckvorlegern vornehmlich um Personen ausländischer Abstammung, denen oft deutsche Sprachkenntnisse fehlten. Den Bankangestellten fiel auf, dass die genannten Personen häufig von offensichtlich ebenfalls aus dem Ausland stammenden Personen begleitet wurden, die angeblich als Dolmetscher oder Beauftragte fungierten. Das ihr für Edelmetallhändler ungewohnt vorkommende Erscheinungsbild der Scheckvorleger ließ die Bank den Verdacht der Geldwäsche schöpfen.
Bei ihren Ermittlungen stellte die Steuerfahndung X fest, dass die so in Erscheinung getretenen Lieferanten der Kl ihre Unternehmen regelmäßig neu gegründet hatten. Vor diesem Hintergrund erschienen ihr die bei der Kl erfolgten Edelmetallanlieferungen branchenunüblich hoch.
b) Die Steuerfahndung X suchte am 14. November 2008 die Geschäftsräume der Kl auf, um dort in einem gegen deren Lieferanten L geführten Steuerstrafverfahren zu ermitteln. L, im Ausland geboren und unter einer Adresse in Y gemeldet, war arbeitslos. Der deutschen Sprache selbst nicht mächtig, war er regelmäßig von einem Ausländer namens T begleitet worden, der sich gegenüber der Kl als Dolmetscher ausgegeben und die Goldgeschäfte abgewickelt hatte. L hatte eine am 9. September 2008 ausgestellte Gewerbeanmeldung vorgelegt, in der als Geschäftszweck Einzel- und Großhandel mit Textilien und Haushaltswaren sowie An- und Verkauf von Edelmetallen angegeben war. Im Zeitraum zwischen 14. Oktober 2008 und 14. November 2008 hatte er der Kl alle zwei bis drei Tage Altgold im Nettowert von insgesamt x,x Mio. EUR geliefert. Da der Kl die stetig steigenden Mengen zu groß geworden waren, hatte der Geschäftsführer der Kl dem L den Rat erteilt, einen Teil des Altgoldes an ein anderes Unternehmen zu liefern. Dieses hatte L bei der Steuerfahndung X angezeigt.
In einem Gespräch am 14. November 2008 wies die Steuerfahndung X den Geschäftsführer der Kl auf die Verdachtsmerkmale hin, die nach ihren bis dahin geführten Ermittlungen für Umsatzsteuerbetrügereien im Goldhandel typisch waren:
- Unternehmen, die von Branchenfremden neu gegründet wurden
- als Unternehmer auftretende Personen mit ausländischem Hintergrund, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren und von Dritten begleitet wurden, die sich als Dolmetscher oder Bevollmächtigte ausgaben
- Verhandlungen beim Goldankauf, die von Dritten geführt wurden
- regelmäßige, in rascher Zeitfolge erfolgte Lieferungen in zunehmenden Mengen
- Lieferanten, die nicht über Preise verhandelten
- Wunsch nach schnellstmöglicher Bezahlung der Goldlieferungen.
Bei Durchsicht der klägerischen Buchführung fielen der Steuerfahndung weitere Lieferanten auf. Zwischen 8. und 14. November 2008 hatte eine A GmbH Altgold im Nettowert von x,x Mio. EUR angeliefert. Frau A ist eine Ausländerin, die unter einer Adresse in Z auftrat. Als sich die Kl die Steuernummer der A GmbH bestätigen lassen wollte, erhielt sie von deren angeblicher Steuerberatung eine Steuernummer, die auf eine Bau GmbH lautete. Als die Steuerfahndung am 24. November 2008 das Firmengelände der Kl observierte, stellte sie fest, dass Frau A von zwei Ausländern namens Ü und N begleitet wurde und sich selbst völlig passiv verhielt. Bei ihrer Festnahme durch die Kriminalpolizei konnte A keinen festen Wohnsitz in Deutschland nachweisen. Zu den Goldlieferungen befragt, machte sie keine Angaben. Das Wort führte ihr Begleiter, ein Ausländer namens Ü. Er gab sich als Angestellter der A GmbH aus und führte die entsprechenden Geschäftspapiere mit sich. Die Kl wurde am 24. November 2008 darüber informiert, dass Frau A der Umsatzsteuerhinterziehung verdächtig sei.
10 
c) Auf Verlangen ihrer Hausbank stellte die Kl Anfang 2009 von der Zahlung durch Barschecks auf Überweisungen um. Gleichzeitig verlegte sie den Beginn ihrer Annahmezeiten von 7.00 Uhr auf 6.00 Uhr vor und ermöglichte damit, dass die Überweisungen an ihre Lieferanten noch am frühen Nachmittag des Einlieferungstages per Blitzgiro erfolgen konnten. Lieferanten warteten manchmal schon um 2 Uhr nachts vor dem Grundstück der Kl auf die Annahme ihrer Ware, darunter Personen, die Altgold im Wert von mehr als x Mio. EUR in Plastiktüten transportierten. Die Tatsache, dass die Kl als einziges Unternehmen der Branche den Ankaufspreis noch am Ankaufstag zu 100 % auszahlte, sprach sich im Kreis der Lieferanten herum. Später hinzugekommene Neukunden erklärten, dass dies der Grund gewesen sei, bei der Kl anzuliefern.
11 
3. a) Im Oktober 2009 erfuhr die Steuerfahndung, dass auch ein andernorts durch Anlagegoldverkäufe aufgefallener F e.V. zum Kundenkreis der Kl zählte. Bei der Kl hatte sich der Verein telefonisch durch seinen gesetzlichen Vertreter angemeldet. Sämtliche Anlieferungen waren durch eine Frau F erfolgt, die eine Vollmacht vorgelegt hatte. Bei den zunächst angelieferten Tranchen stellte der Geschäftsführer der Kl einen für Altschmuck ungewöhnlich hohen Feingehalt an Gold fest. Auf sein Verlangen hin wurde der Altschmuck später nur noch in seinem Originalzustand geliefert. Von 3. September 2009 bis 25. Januar 2010 bot der F e.V. der Kl Altgold zum Nettopreis von rund x Mio. EUR an. Bei seiner am 15. Februar 2010 durchgeführten Zeugenvernehmung räumte der Geschäftsführer der Kl ein, dass ihm in seiner langjährigen Berufstätigkeit noch kein eingetragener Verein Altgold angeboten habe.
12 
b) Eine Firma Ö lieferte der Kl von 7. Dezember 2009 bis 6. Mai 2010 Altgold im Wert von ca. ... Mio. EUR. Sie legte der Kl eine am 19. Oktober 2009 ausgestellte Gewerbeanmeldung vor, die als Geschäftszweck neben dem An- und Verkauf von Gold- und Edelmetallen auch Großhandel mit Holzwaren, Verlegung von Bodenbelägen, Bautenschutz und Gebäudereinigung, Im- und Export von Kraftfahrzeugen, An- und Verkauf von Non-Food-Artikeln sowie An- und Verkauf von Antiquitäten auswies. Im Gegensatz zur Kl stellte ein Konkurrent die Ankäufe von der Firma Ö nach wenigen Lieferungen ein. Dort wurde festgestellt, dass es den von der Firma Ö angegebenen Firmensitz „... Straße x“ in M nicht gab. Als es bei einigen ihm von der Firma Ö als Vorlieferanten genannten Juwelieren Nachforschungen angestellt hatte, war ihm mitgeteilt worden, dass man dort die Firma Ö nicht kenne.
13 
c) Die Firma D lieferte der Kl von 30. März 2010 bis 3. Juni 2010 Altgold im Nettowert von ca. ... Mio. EUR. D ist ein Ausländer, der kaum deutsch spricht und keinen Wohnsitz in Deutschland hatte. Er wurde bei der Kl von einem Ausländer namens M eingeführt, der zuvor auch schon für die Firma Ö Altgold angeliefert hatte. Als sich die Firma D als Neukunde anmeldete, sprach der Geschäftsführer ausschließlich mit M. D, der dem Gespräch nur beigewohnt hatte, trat bei der Kl danach nicht mehr in Erscheinung. Die Anlieferungen für die Firma D wurden ausschließlich von M vorgenommen. Eine Vollmacht des M ließ sich die Kl nicht vorlegen.
14 
4. Wegen der hohen Umsatzzuwächse der Kl seit 2008 fand in ihrem Hause am 9. Juli 2010 eine Besprechung zwischen Vertretern der Finanzverwaltung und ihrer Geschäftsführung statt. Dabei erklärten die Beamten der Finanzverwaltung, es sei ihnen aufgefallen, dass bei der Kl besonders viele Altgoldlieferanten verkehrten, gegen die steuerstrafrechtlich ermittelt werde. Sie teilten dem Geschäftsführer der Kl mit, dass sie die Methoden, mit denen diese die Zuverlässigkeit ihrer Lieferanten prüfe, nicht für ausreichend hielten. Es sei erforderlich, dass sich die Kl von der Identität ihrer Lieferanten überzeuge, indem sie sich deren Ausweispapiere persönlich vorlegen lasse. Die Bitte der Kl, ihr die Namen verdächtiger Lieferanten mitzuteilen, lehnten die Finanzbeamten ab. Sie wiesen die Verantwortlichen der Kl darauf hin, dass die Steuerfahndung X beim größten Teil des angebotenen Altgoldes von einem umsatzsteuerbetrügerischen Hintergrund ausgehe. Die Ermittlungsergebnisse belegten, dass die Altgoldlieferanten ihre Ware teilweise zu über den Tageskursen liegenden Preisen kauften. Es sei zu vermuten, dass die „Handelsspanne“ bzw. der daraus resultierende Gewinn in der beim Goldankauf ausbezahlten Umsatzsteuer bestehe. Es sei zu beobachten, dass erhebliche Beträge der von den Ankäufern auf inländische Konten überwiesenen Gutschriftbeträge sofort bar abgehoben und ins EU-Ausland verbracht würden. Zunehmend fielen auch Ankäufe aus Mitgliedstaaten auf, die dort zu „Nettopreisen“ erfolgten und unter Umgehung der Erwerbsbesteuerung in die Bundesrepublik verbracht würden.
15 
Die von den Finanzbehörden ausgestellten Bescheinigungen seien nicht geeignet, eine Aussage über die Unternehmereigenschaft der Lieferanten zu treffen. Von einer Kenntnis oder einem Kennenmüssen unlauterer Absichten des Lieferanten sei insbesondere dann auszugehen, wenn der Goldankäufer einen Preis gutschreibe, der unter dem marktüblichen Preis liege. Wenn die Kl den Vorsteuerabzug vornehmen und behalten wolle, müsse sie die Unternehmereigenschaft ihres Altgoldlieferanten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns überprüfen. Die Sorgfaltspflicht könne sich an § 4 Geldwäschegesetz orientieren. Die Kl und ihre Mitarbeiter hätten ihre Branchenerfahrung und ihre speziellen Material- und Marktkenntnisse einzusetzen und ggf. auch Recherchen vorzunehmen. Unerlässlich sei eine saubere und zweifelsfreie Überprüfung der Identität der Geschäftspartner und ihrer Bevollmächtigten. Erhöhte Sorgfalt sei geboten, wenn die Kl von strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Lieferanten erfahre. Die Auswahl und der Umfang der jeweils zu klärenden Kriterien richteten sich im Einzelfall nach dem Gesamtbild des anbietenden Geschäftspartners. Entscheidend sei letztlich der Eindruck, welchen der Lieferer oder sein Vertreter in einem persönlichen Gespräch hinterlasse.
16 
Als Orientierungshilfe übergab der Bekl der Kl ein Merkblatt mit Merkmalen, die sich nach den Erfahrungen der Steuerfahndung als für Straftaten im Altgoldhandel typisch herausgestellt hatten. Bei den Lieferanten handle es sich meist um Personen, die gemessen an dem avisierten Geschäftsumfang weder über ausreichende Branchen- oder Materialkenntnisse noch über kaufmännische Kenntnisse verfügten. Dies lasse sich durch branchenbezogene Testfragen, durch Fragen zu bisherigen Tätigkeiten und nach den Gründen für den Einstieg in den Edelmetallhandel feststellen. Verdächtig seien als Lieferer auftretende Personen, die aufgrund nicht ausreichender deutscher Sprachkenntnisse von angeblichen Dolmetschern oder Beratern begleitet würden. In solchen Fällen sei darauf zu achten, ob diese die Gesprächsführung übernähmen und über die Modalitäten der Geschäfte entschieden, ohne die als Lieferanten vorgeschobenen Personen ernsthaft zu fragen. Da Umsatzsteuerbetrüger ihren Wohnsitz häufig erst kurze Zeit vor Beginn ihrer gewerblichen Tätigkeit im Inland begründet hätten, solle eine Meldebescheinigung gefordert werden, aus der hervorgehe, wann und von welchem Wohnsitz aus die Anmeldung an der aktuellen Adresse erfolgte. Häufig entsprächen das Auftreten und das Erscheinungsbild der verdächtigen Personen nicht der Seriosität, die man im Edelmetallgeschäft gewohnt sei. Goldankäufer sollten deshalb prüfen, ob sie solchen Personen Wertsachen anvertrauen würden oder ob sie diese früher in ihren Kundenstamm aufgenommen hätten. Bezogen auf die Unternehmen krimineller Lieferanten falle auf, dass diese oft neu gegründet worden seien oder eine Änderung von einem zuvor branchenfremden Geschäftszweck in einen Edelmetallhandel erfahren hätten. Dementsprechend seien nicht nur die aktuelle Gewerbeanmeldung und ggf. ein Handelsregisterauszug, sondern auch Erkundigungen über bisherige oder aktuelle weitere Tätigkeiten beim Gewerbeamt einzuholen. Oft bestehe eine unüblich große Distanz zwischen Geschäftssitz und Wohnort des Unternehmers, des gesetzlichen Vertreters oder Bevollmächtigten oder der Geschäftssitz befinde sich bei einem sog. Büroserviceunternehmen, Business Center oder Telefonservice. Insoweit sei eine Internetrecherche unter Eingabe der Geschäftsadresse in Suchmaschinen und Branchenbüchern hilfreich. Dies gelte auch, wenn der Wohnsitz die Geschäftsanschrift sei. Bei großen Liefermengen sei verdächtig, wenn das Unternehmen weder im Internet noch in Branchenbüchern zu finden sei. Auch ein fehlender Festnetz- und Faxanschluss müsse misstrauisch machen. Verdächtig sei es auch, wenn bei der Geschäftsanbahnung oder im Laufe der Geschäftsbeziehung tägliche bzw. wöchentliche Liefermengen avisiert würden. Dies gelte insbesondere dann, wenn bei der Frage nach der Herkunft des Goldes nur wenige, ausschließlich gewerbliche Vorlieferanten genannt würden. Auch erhebliche Steigerungen der Liefermengen müssten misstrauisch machen. Hinweise für eine beabsichtigte Umsatzsteuerhinterziehung könnten ferner die Anlieferung des Materials durch wechselnde Personen, das Fehlen ernsthafter Preisverhandlungen, der Wunsch nach Zahlungen auf Konten eines Dritten, wechselnde Bankverbindungen oder Bankverbindungen außerhalb des Geschäfts- oder Wohnsitzes sein.
II.
17 
Die streitgegenständlichen Ankäufe:
18 
1. Anfang April 2010 trat die ausländische Staatsangehörige U an die Kl heran. Auf Verlangen des Geschäftsführers der Kl legte sie eine Bescheinigung des Finanzamtes H vom 12. Januar 2010, ihren ausländischen Personalausweis, ihre Gewerbeanmeldung vom 6. November 2009 und ein Musterexemplar von ihr verwendeter Rechnungsvordrucke vor, auf dem unter der Firma „U Schmuck“ die Anschrift „... Weg x, Plz H“, eine Mobiltelefonnummer, ihre inländische Bankkontonummer und ihre Steuernummer abgedruckt waren. Nachdem die Kl hiervon Kopien gefertigt und U ihre Umsatzsteuerpflichtigkeit versichert hatte, vereinbarten die Parteien, über die Altgoldlieferungen im Gutschriftverfahren abzurechnen. U unterschrieb die Vereinbarung und versah sie mit einem Stempelabdruck mit ihrem Namen und der Anschrift „... Weg x, Plz H“.
19 
Zwischen 15. und 30. April 2010 lieferte U an 10 Tagen knapp ... Kilogramm Altgold bei der Kl an. Die Kl erteilte darüber Gutschriften über Entgelte im Gesamtbetrag von ...,... EUR und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ...,... EUR. Die Gutschriften sandte sie an die ihr von U genannte Anschrift im ... Weg x in H, die gutgeschriebenen Beträge überwies sie per Blitzgiro an U. In ihrer am 24. Juni 2010 beim Bekl eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung für April 2010 zog sie Vorsteuer in Höhe von ...,... EUR ab.
20 
U hatte sich am 3. November 2009 unter Vorlage ihres Passes und eines auf den 1. November 2009 datierten Mietvertrages beim Einwohnermeldeamt der Stadt H unter der Anschrift „... Weg x, Plz H“ mit Hauptwohnsitz angemeldet. Der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge vernommene Umsatzsteuer-Sonderprüfer Fe vom Finanzamt H suchte das genannte Gebäude am 11. Mai 2010 auf. Den Namen „U“ fand er weder auf den Briefkästen noch auf den Haustürklingeln. Die von ihm befragte Frau M, die --wären die Angaben von Frau U richtig gewesen-- deren unmittelbare Wohnungsnachbarin hätte sein müssen, konnte sich an eine Frau U nicht erinnern. Es sei ihr aber aufgefallen, dass hin und wieder Post im Flur gelegen habe. Eine vom Zeugen Fe eingeholte Auskunft bei der Vermietungsgesellschaft Immo GmbH in D ergab, dass dort keine Mieterin „Frau U“ bekannt war. Der Mietvertrag stamme nicht von der Immo GmbH, es habe auch keinen Herrn „Ö.“ gegeben, der befugt gewesen sei, für die Vermieterin Mietverträge zu unterschreiben.
21 
Gegenüber dem Gewerbeamt der Stadt H hatte U am 6. November 2009 behauptet, im ... Weg x in H ein Gewerbe für den Verkauf von Schmuck zu betreiben. Nach Vorlage der Gewerbeanmeldung und eines Fragebogens zu ihrer steuerlichen Erfassung hatte das Finanzamt H der U eine Steuernummer erteilt. Mit Schreiben vom 12. Januar 2010 hatte es ihr bescheinigt, dass sie unter dieser Steuernummer für die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer geführt werde und dass die vom Finanzamt festgesetzten und fälligen Steuern entrichtet worden seien.
22 
U hat für ihre Altgoldlieferungen an die Kl keine Umsatzsteuer angemeldet. Sie ist spurlos verschwunden.
23 
2. In einem Lokal erfuhr der damals in R wohnhafte ausländische Staatsangehörige P im April 2010, dass mit dem Handel mit Altgold Geld zu verdienen sei. Ein sich als S vorstellender Mann erklärte ihm, er müsse dazu nur ein Bargeldkonto eröffnen, seinen vorhandenen Gewerbebetrieb erweitern und sich eine Bescheinigung seines Finanzamts beschaffen, wonach er seinen steuerlichen Pflichten nachkomme. Mit den genannten Unterlagen solle P dann ein Kundenkonto bei einem Goldankäufer eröffnen. S begleitete P zur Bank, wo letzterer ein Bargeldkonto eröffnete. Am 3. Mai 2010 erklärte P gegenüber der Stadt R, dass er seinen Betrieb für Raumausstattung, Fliesen-, Platten- und Mosaiklegen, Garten- und Landschaftsbau, Abbruch und Demontage, Kleintransporte und Trockenbau um den Handel mit Metallwaren erweitere.
24 
Das Gespräch zur Neuaufnahme des Kunden P im Mai 2010 führte der Geschäftsführer der Kl nicht mit diesem, sondern mit S. Die von S übergebene Vollmachtsurkunde erhielt die Erklärung, dass P in den nächsten Tagen persönlich bei der Kl vorbeikommen wolle; eine Unterschrift P‘s und ein Datum fehlten. Die Kl ließ sich eine Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU vorlegen, wonach P Staatsbürger der EU und zum freien Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt sei, eine Kopie der Gewerbeummeldung vom 3. Mai 2010, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer P’s und eine Bescheinigung des Finanzamts E, wonach dieser seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten versteuern dürfe. Da die Kl im Gutschriftverfahren abrechnen wollte, nahm sie eine „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ zu ihren Akten, wonach sie für die abgeschlossenen Geschäfte die Abrechnungslast trägt. Darin wird erklärt, P sei umsatzsteuerpflichtig und zum gesonderten Ausweis der Steuer berechtigt und werde beim Finanzamt E unter der Steuernummer .../... geführt. Die Vereinbarung enthält ferner die Versicherung, dass P der KL eine Änderung seiner umsatzsteuerlichen Verhältnisse umgehend mitteile. Die „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ trägt die Unterschrift „P“ sowie das Datum 11. Mai 2010. P bestreitet, diese Unterschrift geleistet zu haben.
25 
Für P wurden zwischen 12. Mai 2010 und 29. Juli 2010 in insgesamt ... Fällen rund ... Kilogramm Altgold bei der Kl angeliefert. Die Anlieferungen erfolgten durch S; P bestreitet, jemals selbst im Hause der Kl gewesen zu sein. Für das gelieferte Gold berechnete der KL Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ...,... EUR. Über sämtliche Lieferungen erteilte sie Gutschriften, die sie an P sandte; S erhielt Mehrfertigungen. Ein Postrücklauf erfolgte nicht. Die gutgeschriebenen Beträge überwies die Kl auf die Konten P‘s.
26 
Für seine Bankkonten hatte P dem S und dessen Mitarbeiter N Vollmachten erteilt. Diese hoben die dorthin von der Kl überwiesenen Beträge ab. P erhielt für seine Mitwirkung an den Goldlieferungen lediglich insgesamt ... EUR. Umsatzsteuer aus den Lieferungen an die Kl meldete er nicht an.
27 
3. Am 1. Juli 2010 erschien im Hause der Kl der Ku. Er legte ihrem Geschäftsführer eine mit „29.06.2010“ datierte Vollmacht vor, wonach er bevollmächtigt sei, im Namen der in Z ansässigen Telefon GmbH Erklärungen und Unterschriften zu leisten und mit der Kl einen Kooperationsvertrag für die Abgabe von Edelmetallen zu vereinbaren. Die am 18. Mai 2010 gegründete Telefon GmbH hatte am 29. Juni 2010 eine Gewerbe-Ummeldung vorgenommen, weil sie über den Handel und Vertrieb von Telekommunikationsdienstleistungen sowie die Erbringung von Serviceleistungen im Geschäftsfeld Telekommunikation hinaus künftig auch den Groß- und Einzelhandel mit Edelmetallen betreiben wollte. Die Kl nahm neben der Gewerbe-Ummeldung vom 29. Juni 2010, eine Kopie des ausländischen Personalausweises des Telefon GmbH-Geschäftsführers K, eine Kopie des in H ausgestellten deutschen Personalausweises des Ku, eine am 29. Juni 2010 vom Finanzamt für Körperschaften Z ausgestellte Bescheinigung, wonach die Telefon GmbH dort unter der Steuernummer .../... geführt werde und einen am 10. Juni 2010 erstellten Handelsregisterauszug der Telefon GmbH zu ihren Akten. Die Kl ließ Ku eine „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ unterzeichnen, wonach die Abrechnungslast für die abgeschlossenen Geschäfte bei ihr liege. In der Vereinbarung wird erklärt, dass die Telefon GmbH umsatzsteuerpflichtig und zum gesonderten Ausweis der Steuer berechtigt sei und beim Finanzamt Z unter der Steuernummer .../... geführt werde. Die Vereinbarung enthält ferner die Versicherung, dass die Telefon GmbH der Kl. eine Änderung ihrer umsatzsteuerlichen Verhältnisse umgehend mitteile.
28 
Zwischen 2. Juli 2010 und 8. Oktober 2010 lieferte Ku in insgesamt x Fällen rund ... Kilogramm Altgold an die Kl. Das Material wurde von der Firma FM zur Kl gebracht, die dort für mindestens fünf weitere Lieferanten als Botin und Inkassobevollmächtigte auftrat. Über sämtliche Lieferungen erteilte die Kl Gutschriften, die sie an die ihr genannte Firmenanschrift der Telefon GmbH in der ... Allee x in Z sandte. Ein Postrücklauf war nicht zu verzeichnen. Die gutgeschriebenen Beträge einschließlich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer im Gesamtbetrag von ...,... EUR überwies sie auf das Bankkonto der Gesellschaft.
29 
Die der Kl gegenüber genannte Geschäftsadresse der Telefon GmbH in der ... Allee x in Z war die Anschrift eines Büroserviceunternehmens, das lediglich mit der Postannahme beauftragt war. Dessen Inhaberin erklärte der Umsatzsteuerprüferin In vom Finanzamt für Körperschaften in Z gegenüber, dass der Geschäftsführer der Telefon GmbH dort lediglich in regelmäßigen Abständen die Post abgeholt, aber keine wirtschaftlichen Tätigkeiten für die Gesellschaft entfaltet habe. Dementsprechend habe die Vergütung auch nur monatlich 38 EUR zuzüglich Umsatzsteuer betragen. Ergänzend wird auf den Aktenvermerk der Prüferin In vom 15. Dezember 2010 Bezug genommen. Umsatzsteuer aus den Lieferungen an die Kl meldete die Telefon GmbH nicht an.
30 
4. Am 23. Juli 2010 unterzeichnete der türkische Staatsangehörige Ya aus D das von der Kl für Altgoldlieferanten verwendete Formular „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“. Sein dazu verwendeter Stempel weist ihn als Inhaber eines Gewerbebetriebes für Kleintransporte und Kurierdienste sowie den An- und Verkauf von Edelmetallen aus. Es wurde vereinbart, dass die Abrechnungslast für die abgeschlossenen Geschäfte bei der Kl liege. In der Vereinbarung erklärt Ya, dass er umsatzsteuerpflichtig und zum gesonderten Ausweis der Steuer berechtigt sei und beim Finanzamt W unter der Steuernummer .../... geführt werde. Die Vereinbarung enthält ferner die Versicherung, dass der Unterzeichner der Kl eine Änderung seiner umsatzsteuerlichen Verhältnisse umgehend mitteile. Die Kl kopierte den Pass Ya‘s, dessen am 2. Juni 2010 bei der Stadt D erfolgte Gewerbeanmeldung, eine Bestätigung des Finanzamts W vom 23. Juni 2010, dass Ya unter der Steuernummer .../... für die Einkommensteuer geführt werde und dessen VR-BankCard.
31 
Am 26. Juli 2010, am 8. September 2010 und am 15. September 2010 lieferte Ya insgesamt rund x Kilogramm Altgold an die Kl. Vereinbarungsgemäß rechnete die Kl mit ihm über Gutschriften ab, die sie an die von ihm genannte Firmenanschrift sandte. Ein Postrücklauf erfolgte nicht. Die gutgeschriebenen Beträge einschließlich der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge im Gesamtbetrag von ...,... EUR überwies die Kl auf das Bankkonto Ya‘s.
32 
Ya hatte dem Finanzamt W anlässlich seiner Betriebseröffnung am 15. Juni 2010 einen ausgefüllten Fragebogen vorgelegt, wonach er die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen wolle. Mit Schreiben vom 2. August 2010 hatte sein Steuerberater dem Finanzamt mitgeteilt, dass sein Mandant rückwirkend zum 1. Juni 2010 die Istversteuerung beantrage. Beim Finanzamt W ließ Ya von seinem Steuerberater auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen für Juli und September 2010 einreichen und am 20. Juni 2012 die Umsatzsteuererklärung für 2010. Darin war die Umsatzsteuer aus den drei Lieferungen an Kl erklärt. Allerdings standen der Umsatzsteuerschuld Vorsteuerbeträge gegenüber, die aus Rechnungen einer H. GmbH in O und aus den von der Kl in Rechnung gestellten Scheidekosten in Höhe von brutto ...,... EUR stammten. Eine Gegenüberstellung der Rechnungen der H. GmbH an Ya und der Gutschriften der Kl ergibt folgendes Bild:
33 
Einkauf bei H. GmbH
Verkauf an Kl
Rechnungsdatum
Menge in g
Entgelt
Umsatzsteuer
Gutschriftsdatum
Menge in g
Entgelt
Umsatzsteuer
27.07.2010
...     
...,...EUR
...,...EUR
27.07.2010
...     
...,... EUR
 ...,...EUR
08.09.2010
...     
...,...EUR
...,...EUR
09.09.2010
...     
...,...EUR
...,...EUR
13.09.2010
...     
 ...,...EUR
...,...EUR
15.09.2010
...     
...,...EUR
 ...,...EUR
34 
Die Firma H. GmbH war im Bereich Hoch- und Tiefbau, Gerüstbau und Rohrleitungsarbeiten, Trockenbau, Schweißarbeiten sowie Einbau genormter Fertigteile, Gebäudereinigung und Durchführung von Kleintransporten tätig. Sie gab letztmals für April 2010 Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung erklärte Ya den Steuerfahndern, er habe das in X abgelieferte Gold von einem „Herrn H.“ bekommen, an den er auch den bei der Kl erzielten Erlös weitergegeben habe. Einen „Herrn H.“ gibt es indes nicht. Geschäftsführer der H. GmbH war ab 1. April 2010 ein gewisser Herr Ka, der seit dem Herbst 2010 verschwunden ist.
35 
Der Senat hat Ya in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommen. Befragt, wie er zum Goldgeschäft und an das von ihm an die Kl gelieferte Gold gekommen sei, erklärte er, bei einem Aufenthalt in einem Lokal in O habe ihm ein in einem benachbarten Lokal beschäftigter Landsmann erzählt, dass man mit der Lieferung von Altgold Geld verdienen könne. Er habe angenommen, dass ihm sein Landsmann mit seiner Einbeziehung in das Goldgeschäft etwas Gutes habe antun wollen. In O sei ihm zwar gesagt worden, er solle das ihm übergebene Gold zu einem Händler bringen, der Name der Kl sei aber nicht gefallen. Die Kl habe er durch Zufall im Internet entdeckt. Mit dem dortigen Chef habe er nicht gesprochen, auch beim Aufnahmegespräch nicht. Eine Unterhaltung habe nicht stattgefunden, er sei nicht gefragt worden, woher er sein Altgold beziehe. Befragt, wie die Kl zu den Kopien seines Passes, seiner am 2. Juni 2010 erfolgten Gewerbeanmeldung, der Bestätigung des Finanzamts W vom 23. Juni 2010 und der VR-BankCard gekommen sei, erklärte Ya, er habe diese Papiere immer in der Tasche gehabt. Er habe zwar das Formular „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ bei der Kl unterschrieben, wisse aber nicht, was es bedeutete. Die von der Kl erhaltenen Briefe habe er nicht verstanden und sie an seinen Steuerberater weitergegeben. Hinsichtlich der Herkunft der Mittel für an ihn erfolgte Goldlieferungen verstrickte sich der Zeuge Ya in Widersprüche. Im Laufe der Vernehmung erstreckten sich die Erklärungsbemühungen von Darlehen Verwandter bis zur vorweggenommenen Erbschaft vom Schwiegervater. Mit dem Goldgeschäft habe er, Ya, wieder aufgehört, weil „Spiele gespielt“ worden seien, die ihm nicht gefallen hätten. Letztlich habe er Verluste gemacht.
36 
5. Der ausländische Staatsangehörige Me lieferte im Zeitraum zwischen 1. September bis 28. Dezember 2010 ... Mal Altgold an die Kl, insgesamt rund ... Kilogramm. Bei der Neuaufnahme des Kunden kopierte der Geschäftsführer der Kl dessen Ausweis und nahm die Kopie zu den Akten. Darüber hinaus ließ er sich die Bankkarten Me‘s vorlegen. Aus der vorgelegten Gewerbeummeldung ist ersichtlich, dass Me am 22. Juli 2010 seinen Tischlerbetrieb in L um den Kauf und Verkauf von Edelmetall (Gold, Silber) erweitert hatte. Am 31. August 2010 unterzeichnete Me das von der Kl für Altgoldlieferanten verwendete Formular „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“. Es wurde vereinbart, dass die Abrechnungslast für die abgeschlossenen Geschäfte bei der Kl liege. In der Vereinbarung erklärt Me, dass er umsatzsteuerpflichtig und zum gesonderten Ausweis der Steuer berechtigt sei und beim Finanzamt U unter der Steuernummer .../... geführt werde. Die Vereinbarung enthält ferner die Versicherung, dass der Unterzeichner eine Änderung seiner umsatzsteuerlichen Verhältnisse umgehend mitteilen werde. Me übergab der Kl auch eine am 10. August 2010 vom Finanzamt T –Verwaltungsstelle U- gefertigte Mitteilung, wonach die Steuernummer .../... –.../... für seinen Betrieb „An- und Verkauf von Edelmetallen“ gelte: Die Steuernummer umfasse die Anlage EÜR. Dazu ist ausgeführt: „Wird der Gewinn für Ihren o.g. Betrieb/Ihre o.g. Tätigkeit nach § 4 Abs. 3 EStG durch den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt, ist eine Gewinnermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (Anlage EÜR) abzugeben. Von dieser Verpflichtung kann nur abgesehen werden, wenn die Summe der Betriebseinnahmen weniger als 17.500 EUR beträgt. In diesen Fällen kann an Stelle des amtlichen Vordrucks eine formlose Gewinnermittlung beigefügt werden.“ Im Abschnitt „Die Steuernummer umfasst folgende Steuerarten bzw. Besteuerungsvorgänge“ ist das Feld für die Umsatzsteuer nicht angekreuzt.
37 
Wie vereinbart, rechnete die Kl mit Me über Gutschriften ab. Die gutgeschriebenen Beträge einschließlich Umsatzsteuer in der Gesamtsumme in Höhe von ...,... EUR überwies sie auf die von Me angegebenen Bankkonten.
38 
Me hatte seinen Handwerkbetrieb am 10. März 2009 begonnen und im Fragebogen zu seiner steuerlichen Erfassung angegeben, als Kleinunternehmer handeln zu wollen. Die nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG mögliche Option zur Regelbesteuerung hat er nicht erklärt. Für das Jahr 2009 reichte Me weder eine Gewinnermittlung noch eine Umsatzsteuererklärung ein. Auch seine Umsätze aus den Goldanlieferungen bei der Kl im Jahr 2010 erklärte Me nicht.
39 
6. Am 23. September 2010 suchte der unter dem Falschnamen „K. Maker“ auftretende deutsche Staatsangehörige Ä geschäftlichen Kontakt zur Kl. Ein Ausländer namens „Reza“ hatte Ä im Frühsommer 2010 versprochen, er könne „eine Stange Geld verdienen“, wenn er von ihm, Reza, beschafftes Altgold bei der Kl anliefere. Daraufhin hatte sich Ä im Juli 2010 einen gefälschten ausländischen Pass auf den Namen „K. Maker“ besorgt. Unter dessen Vorlage hatte er bei der Stadt N zunächst unter der Anschrift „Ka ... Straße 7“ und wenig später unter der Anschrift „Ka ... Straße 5“ einen Wohnsitz angemeldet. Am 15. Juli 2010 hatte Ä beim Gewerbeamt der Stadt N unter dem Namen „K. Maker“ und unter der Anschrift „Ka ... Straße 7“ ein Gewerbe für den Handel mit Gold- und Edelmetallen angezeigt. Wenig später hatte er ebenfalls unter seinem Falschnamen mehrere Bankkonten eröffnet und sich EC-Karten ausstellen lassen. Ebenfalls unter Verwendung seines Falschnamens und der Anschrift „Ka ... Straße 5“ hatte er sich beim Finanzamt N steuerlich registrieren und eine Steuernummer zuteilen lassen. Das Finanzamt hatte ihm mit Schreiben vom 9. September 2010 bescheinigt, dass er unter dieser Steuernummer für die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer geführt werde und dass die vom Finanzamt festgesetzten und fälligen Steuern entrichtet worden seien.
40 
Auf Verlangen des Geschäftsführers der Kl legte Ä die Bescheinigung des Finanzamtes N vom 9. September 2010, seinen gefälschten Reisepass, seine Gewerbeanmeldung vom 15. Juli 2010, eine Bestätigung des Bundesamts für Steuern über die erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und seine von der N Bank ausgestellte EC-Karte vor. Daneben gab er eine Mobilfunktelefonnummer und eine inländische Festnetznummer an. Nachdem die Kl hiervon Kopien gefertigt und Ä die Umsatzsteuerpflichtigkeit des angeblichen Unternehmers „K. Maker“ versichert hatte, vereinbarten die Parteien, dass über die Altgoldlieferungen im Gutschriftverfahren abgerechnet werden solle. Wenige Tage später fragte die bei der Kl angestellte A bei der Steuerfahndung an, ob dort ein „K. Maker“ bekannt sei, was verneint wurde. Hätten die Finanzbehörden auf einen Hinterziehungsverdacht hingewiesen, wäre die Geschäftsbeziehung abgebrochen worden. Dies war im Hause der Kl so üblich und wurde in anderen Fällen praktiziert.
41 
Zwischen 28. September 2010 und 1. Dezember 2010 lieferte Ä alias „K. Maker“ ...-mal Altgold bei der Kl an, insgesamt rund ... Kilogramm. Diese erteilte darüber Gutschriften, die wie folgt betrugen:
42 
Im September 2010 
 ...,... EUR zuzüglich 
 ...,... EUR Umsatzsteuer,
im Oktober 2010
 ...,... EUR zuzüglich
 ...,... EUR Umsatzsteuer,
im November 2010
 ...,... EUR zuzüglich
...,... EUR Umsatzsteuer.
43 
Die Kl sandte die Gutschriften in die Ka ... Straße 5 in N. Keiner der Briefe kam zurück. Die gutgeschriebenen Beträge überwies sie auf die beiden vom vermeintlichen „Maker“ angegebenen Bankkonten. Die genannten Umsatzsteuerbeträge zog sie in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für September, Oktober und November 2010 als Vorsteuer ab.
44 
Am 28. November 2010 legte Ä alias „Maker“ der Kl eine ihm von dem Werttransunternehmen WERT erteilte Anlieferungsvollmacht vor und forderte sie auf, für die zukünftig geplanten Anlieferungen von Altgold die Überweisungen auf das Konto der Firma WERT vorzunehmen. Für eine Lieferung am 29. November 2010 geschah dies so; am Morgen des 30. November 2010 überwies die Kl ...,... EUR auf das Bankkonto der WERT. Als Ä der Kl am 1. Dezember 2010 erneut Material liefern wollte, wurde er von der Kriminalpolizei festgenommen. Der Kl war nicht bekannt, dass „K. Maker“ ein Falschname war. Umsätze aus seinen Goldanlieferungen bei der Kl erklärte Ä alias „Maker“ nicht.
45 
7. Ed hatte bei der Stadt K am 2. August 2010 einen Gewerbebetrieb angemeldet, dessen Gegenstand neben Kleintransporten, Kurierdiensten und Abbrucharbeiten der Handel mit Edelmetallen sein sollte. Als er sich bei der Kl als Neukunde bewarb, fertigte ihr Geschäftsführer Kopien der Gewerbeanmeldung und seines Ausweises und nahm sie zu den Akten. Darüber hinaus überprüfte er die Bankkarte Ed‘s. Am 22. Oktober 2010 unterzeichnete Ed das von der Kl für Altgoldlieferanten verwendete Formular „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“. Es wurde vereinbart, dass die Abrechnungslast für die abgeschlossenen Geschäfte bei der Kl liege. Ed erklärte, dass er umsatzsteuerpflichtig und zum gesonderten Ausweis der Steuer berechtigt sei und beim Finanzamt K unter der Steuernummer .../... geführt werde. Die Vereinbarung enthält ferner die Versicherung, dass der Unterzeichner eine Änderung seiner umsatzsteuerlichen Verhältnisse umgehend mitteile. Ed übergab der Kl auch eine vom Finanzamt K gefertigte Mitteilung, wonach er die Steuernummer .../... erhalte, ferner eine Bescheinigung des Finanzamtes K vom 22. Oktober 2010, dass er unter der genannten Steuernummer auch für Umsatzsteuerzwecke geführt werde.
46 
Zwischen 26. Oktober 2010 und 17. Dezember 2010 lieferte Ed in ... Fällen insgesamt rund x Kilogramm Altgold bei der Kl an. Wie vereinbart, rechnete die Kl mit ihm über Gutschriften ab, worin Umsatzsteuer im Gesamtbetrag von ...,... EUR gesondert ausgewiesen war. Die Kl überwies die gutgeschriebenen Beträge auf Ed’s Bankkonto.
47 
Beim Finanzamt K ließ Ed seine Steuerberaterin Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Oktober bis Dezember 2010 abgeben. Der Umsatzsteuer aus seinen Goldlieferungen waren Vorsteuerbeträge aus Rechnungen gegenüber-gestellt, die auf eine „Fa Itali Donna Gr... Straße x - Plz R ausgestellt waren. Weil die Firma Itali für Oktober bis Dezember 2010 keine Voranmeldungen abgegeben hatte, ermittelte die Steuerfahndung des Finanzamtes W. Dabei erhielt sie vom Bundeskriminalamt die Mitteilung, dass es sich bei der von der angeblichen Donna Itali verwendeten italienischen Identitätskarte um eine Fälschung handelte. Im Schriftverkehr mit dem Finanzamt, auf den Rechnungen und auf dem Firmenstempel wurden Telefon- und Faxnummern verwendet, bei denen es sich um Anschlüsse eines in R ansässigen Internet-Cafés handelte.
48 
Der Senat hat Ed in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommen. Dieser erklärte, ein gewisser He habe ihn in den Goldhandel eingeführt. Dieser habe wohl Geschäftsbeziehungen zur Kl gehabt und ihn zum Aufnahmegespräch begleitet. In X seien sie vom Geschäftsführer der Kl empfangen worden. Das Gespräch habe zwischen 10 und 15 Minuten gedauert. Der Geschäftsführer habe gefragt, ob er ein Goldgeschäft habe. Er, Ed, habe dies verneint und erklärt, dass er sein Gold von Goldgeschäften beziehe. An den weiteren Inhalt des Gesprächs könne er sich nicht erinnern. In seiner Vernehmung vor Gericht erklärte Ed, er habe weder einschlägige Erfahrungen noch Geld besessen. He habe ihm aber gesagt, das mache nichts, die Goldankäufe würden auf Kommissionsbasis abgewickelt. Einmal habe er das bei der Kl anzuliefernde Gold von He bekommen, später von einem Ausländer, dessen Namen er nicht kenne. Bei dem Gold habe es sich um alten Schmuck gehandelt, der ihm in Mengen zwischen einem halben und einem Kilo in Plastiktüten übergeben worden sei. Befragt, warum sein Lieferant nicht selbst zur Kl gefahren sei, meinte Ed, dieser sei wohl zu sehr anderweitig beschäftigt gewesen. Man sei sehr früh morgens zur Kl gefahren, schon um 6 Uhr hätten auf dem Parkplatz der Kl viele Fahrzeuge gestanden. Dort habe er andere Goldlieferanten getroffen, denen er selbst niemals Gold anvertraut hätte. Diese Personen hätten einen ungepflegten Eindruck gemacht, Schuhe für 5 EUR getragen, aber zwei Taschen voll Gold mit sich geführt. Für ihn, Ed, habe der Goldhandel kein Risiko bedeutet, denn er habe das Geld ja immer bekommen, bevor er es an seinen Lieferanten weiterreichte. Mit dem Goldhandel habe er aufgehört, als sich keiner mehr bei ihm gemeldet habe. Im Januar 2011 seien seine Geschäftspartner verschwunden. Obwohl er selbst beim Goldhandel wohl keinen Verlust gemacht habe, fühle er sich im Nachhinein ausgenutzt und betrogen.
49 
8. Bei der Stadt C wurde unter dem Namen Öz am 26. August 2010 zum 1. Juli 2010 ein Gewerbebetrieb angemeldet, dessen Gegenstand der Handel mit Schmuck und Gold sein sollte. Der Betriebsinhaber wohnte angeblich in der „Su...Straße x, Plz C“, was tatsächlich aber nicht der Fall war. Geschäftsadresse sollte die X-Allee in D sein. Unter der Geschäftsanschrift ist ein Büroservice-Unternehmen ansässig, dass im Falle „Öz“ mit der Annahme und Weiterleitung von Post beauftragt war. Bevor sich die Kl am 4. November 2010 vom angeblichen „Öz“ zum ersten Mal Altgold und Altsilber liefern ließ, forderte ihr Geschäftsführer die Vorlage einer Kopie der Gewerbeanmeldung vom 26. August 2010, des --was er nicht wusste: gefälschten-- ausländischen Passes des „Öz“ und einer an diesen adressierten Mitteilung des Finanzamtes C vom 7. September 2010, wonach „Öz“ für Zwecke der Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer unter der Steuernummer .../... geführt werde. Darüber hinaus überprüfte er die Bankverbindung der ihm gegenüber als „Öz“ auftretenden Person, indem er sich die Eröffnung des Geschäftskontos bei der Bank bestätigen ließ. Am 3. November 2010 ließ sich die Kl ihr für Altgoldlieferanten verwendetes Formular „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ von „Öz“ unterzeichnen. Es wurde vereinbart, dass die Abrechnungslast für die abgeschlossenen Geschäfte bei der Kl liege. In der Vereinbarung wird erklärt, dass der mit Steuernummer, Geschäftsadresse und Telefonnummer bezeichnete Lieferant umsatzsteuerpflichtig und zum gesonderten Ausweis der Steuer berechtigt sei und beim Finanzamt C unter der Steuernummer .../... geführt werde. Die Vereinbarung enthält ferner die Versicherung, dass der Unterzeichner eine Änderung seiner umsatzsteuerlichen Verhältnisse umgehend mitteile.
50 
Zwischen 4. und 12. November 2010 lieferte die als „Öz“ auftretende Person x-mal Altgold bei der Kl an, insgesamt rund ... Kilogramm. Wie vereinbart, rechnete die Kl über Gutschriften ab, die an die Anschrift in der „X-Allee“ in D versandt wurden. Ein Postrücklauf erfolgte nicht. Die Kl überwies die Gutschriftbeträge einschließlich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer im Gesamtbetrag von ...,... EUR auf das Bankkonto des „Öz“. Umsatzsteuer aus den Goldanlieferungen bei der Kl wurde nicht angemeldet.
51 
9. Bei der Stadt C wurde am 26. August 2010 unter dem Namen Ba ein Gewerbebetrieb angemeldet, dessen Gegenstand der Handel mit Altgold sein sollte. Der Betriebsinhaber, der in Wahrheit Gü hieß, wohnte angeblich in der „Su...Straße x, Plz C“, Geschäftsadresse sollte die X-Allee in D sein. Unter der Geschäftsanschrift ist ein Büroservice-Unternehmen ansässig, dass lediglich mit der Annahme und Weiterleitung von Post beauftragt war. Bevor Gü alias Ba bei der Kl am 8. November 2010 zum ersten Mal Altgold anlieferte, ließ sich deren Geschäftsführer eine Kopie der Gewerbeanmeldung vom 26. August 2010 vorlegen, ferner den ausländischen Pass des angeblichen Ba sowie an diesen adressierte Bescheinigungen des Finanzamtes C vom 8. September 2010, wonach Ba für Zwecke der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer unter der Steuernummer .../... geführt werde, alle festgesetzten Steuern bezahlt seien und er zur Besteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten berechtigt sei. Am 8. November 2010 ließ sich die Kl ihr für Altgoldlieferanten verwendetes Formular „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ von der als Ba auftretenden Person unterzeichnen. Es wurde vereinbart, dass die Abrechnungslast für die abgeschlossenen Geschäfte bei der Kl liegen solle. In der Vereinbarung wird erklärt, dass der mit Steuernummer, Geschäftsadresse und Telefonnummer bezeichnete Lieferant umsatzsteuerpflichtig und zum gesonderten Ausweis der Steuer berechtigt sei und beim Finanzamt C unter der Steuernummer .../... geführt werde. Die Vereinbarung enthält ferner die Versicherung, dass der Unterzeichner eine Änderung seiner umsatzsteuerlichen Verhältnisse umgehend mitteile.
52 
Zwischen 8. und 17. November 2010 lieferte Gü alias Ba der Kl x-mal Altgold, insgesamt rund x Kilogramm. Über drei Lieferungen wurde vereinbarungsgemäß mit Gutschriften abgerechnet. Diese wurden an die Geschäftsanschrift des vermeintlichen Ba versandt und kamen von dort nicht zurück. Die Kl überwies die Gutschriftbeträge einschließlich der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer im Gesamtbetrag von ...,... EUR auf das ihr für Ba genannte Bankkonto. Umsatzsteuer aus den Goldanlieferungen bei der Kl wurde nicht angemeldet.
III.
53 
1. Nachdem U Ende Mai 2010 bei der vom Finanzamt H durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung an der von ihr verwendeten Anschrift im ... Weg x in H nicht angetroffen wurde und eine Kontaktaufnahme mit ihr auch sonst nicht möglich war, wertete das Finanzamt die Abrechnungen zwischen der Kl und U als „Scheinrechnungen“.
54 
2. Gegen P ermittelte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes VI. P machte dort am 19. Mai 2011 umfangreiche Angaben. Die Steuerfahndung kam zu dem Ergebnis, dass P selbst keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt habe. Unternehmer seien vielmehr Hintermänner gewesen, welche P vorgeschoben hätten.
55 
3. Die Altgoldlieferungen an die Kl waren Gegenstand einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung, welche das Finanzamt für Körperschaften Z bei der Telefon GmbH durchführte. Da sich diese der Anschrift eines Büroserviceunternehmens bediente, gelangte das Finanzamt für Körperschaften Z zu der Auffassung, dass der GmbH ein tatsächlicher Geschäftssitz und damit die Unternehmereigenschaft fehle.
56 
4. Gegen den zuvor jahrelang als Lagerarbeiter eines Gemüsehandels tätigen Ya ermittelte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes W. Nach der Vernehmung ging das Finanzamtes W davon aus, dass dieser nicht auf eigene Verantwortung und Rechnung gehandelt und kein Unternehmerrisiko getragen habe. Es stelle sich vielmehr so dar, dass er lediglich gegen einen Lohn in Höhe von ... EUR als Bote für andere gehandelt habe. Ya sei deshalb kein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts.
57 
5. Nach den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes W war Me aufgrund seiner Angaben im Fragebogen zur Gewerbeanmeldung beim zuständigen Finanzamt T als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG erfasst. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Me bereits im Januar 2010 die Absicht hatte, mit Gold zu handeln und dementsprechend einen Umsatz von mehr als 50.000 EUR zu erzielen. Me habe gegenüber dem Finanzamt auf die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung nicht verzichtet. Der Ausweis der Umsatzsteuer in einer Rechnung bzw. einer Gutschrift stelle keine Option zur Regelbesteuerung dar. Me sei als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG zu behandeln.
58 
6. Nachdem die Ermittlungen gegen „K. Maker“ zu dem Ergebnis geführt hatten, dass es sich dabei um einen von Ä verwendeten Falschnamen handelte und Ä nach seinen Angaben für Hintermänner handelte, sprach der Bekl „K. Maker“ die Unternehmereigenschaft ab. Die Kl könne deshalb aus den Gutschriften keine Vorsteuer abziehen.
59 
7 Bei seiner Vernehmung durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes W hatte Ed angegeben, das bei der Kl angelieferte Altgold von verschiedenen Personen erhalten und als deren Gehilfe zur Kl gebracht zu haben. Die von der Kl an ihn überwiesenen Erlöse habe er bis auf Beträge von jeweils ... EUR bis ... EUR an die Hintermänner weitergegeben. Die Steuerfahndungsstelle zog daraus den Schluss, dass Ed bei den Altgoldgeschäften kein Unternehmer gewesen sei.
60 
8. Da es sich bei Öz um einen Falschnamen gehandelt habe, er nie in der Su...Straße x in C ansässig gewesen sei und am angegebenen Betriebssitz „X-Allee“ in D auch kein Unternehmen betrieben habe, sprach die ermittelnde Steuerfahndung des Finanzamtes C „Öz“ die Unternehmereigenschaft ab.
61 
9. Der verwendete Falschname und die Tatsachen, dass er weder in der Su...Straße x in C ansässig war noch am angegebenen Betriebssitz „X-Allee “ in D ein Unternehmen betrieb, ließen die ermittelnde Steuerfahndung des Finanzamtes C zu der Schlussfolgerung gelangen, dass Ba kein Unternehmer sei.
IV.
62 
1. a) Auf der Grundlage des Prüfungsberichts betreffend U erließ der Bekl am 4. Februar 2011 einen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für April 2010, worin er den Vorsteuerabzug um ...,... EUR kürzte. Den dagegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2012 als unbegründet zurück.
63 
b) Aufgrund seiner aus der Aussage Ä‘s alias „K. Maker“ erlangten Erkenntnisse erließ der Bekl am 17. März 2011 Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für September 2010, Oktober 2010 und November 2010. Darin kürzte er den Vorsteuerabzug im September 2010 um ...,... EUR, im Oktober 2010 um ...,... EUR und im November 2010 um ...,... EUR. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies er mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 2012 als unbegründet zurück.
64 
2. Am 8. März 2012 reichte die Kl ihre Umsatzsteuererklärung für 2010 beim Bekl ein. Sie machte Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern in Höhe von ...,... EUR geltend. In diesem Betrag sind alle Vorsteuerbeträge aus den Geschäften mit den unter II. genannten Personen enthalten.
65 
3. a) Am 23. Mai 2012 hat die Kl wegen der Umsatzsteuervorauszahlungen für April 2010, September 2010, Oktober 2010 und November 2010 Klage erhoben.
66 
Am 16. August 2012 erließ der Bekl den Umsatzsteuerjahresbescheid für 2010. Darin versagte er nicht nur den Vorsteuerabzug aus Edelmetallankäufen von U und Maker, sondern auch noch von den oben unter II. genannten sieben weiteren Lieferanten. Die Vorsteuerkürzungen betragen wie folgt:
67 
U       
...,... EUR
P       
...,... EUR
Telefon GmbH    
...,... EUR
Ya    
...,... EUR
Me    
...,... EUR
K. Maker
...,... EUR
Ed    
...,... EUR
Öz    
...,... EUR
Ba    
...,... EUR
Summe 
...,... EUR
68 
Der Umsatzsteuerjahresbescheid für 2010 ist gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
69 
b) Nach Ansicht der Kl liegen sämtliche für ihren Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) erforderlichen Voraussetzungen vor. Alle ihr gegenüber als Lieferanten aufgetretenen Personen seien als Unternehmer im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen. Dies folge aus der „Strohmann-Rechtsprechung“ des Bundesfinanzhofs (BFH), die z.B. in dessen Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01 (Sammlung der Entscheidungen des BFH --BFHE-- 198, 208; Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2004, 622) veröffentlicht sei. Die Eigenschaft des Leistenden bestimme sich allein nach der zivilrechtlichen Rechtslage. Entscheidend sei, wer aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet werde. Leistender könne auch ein sog. „Strohmann“ sein. Trete jemand im Rechtsverkehr als „Strohmann“ im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der --aus welchen Gründen auch immer-- nicht selbst als Vertragspartner in Erscheinung treten wolle (sog. „Hintermann“), sei grundsätzlich nur der „Strohmann“ aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend seien dem „Strohmann“ Leistungen zuzurechnen, die der „Hintermann“ berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt habe. In Anwendung der Grundsätze der „Strohmann-Rechtsprechung“ sei selbst derjenige Lieferant als Unternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zu betrachten, welcher wie Ä (K. Maker) einen falschen Namen benutzt habe. Zivilrechtlich betrachtet habe Ä unter fremdem Namen gehandelt.
70 
Bei dem Lieferanten Me handle es sich auch dann um einen zum gesonderten Ausweis der Steuer berechtigten Unternehmer, wenn dieser beim Finanzamt als Kleinunternehmer registriert gewesen sein sollte. Dies folge z.B. aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 6. September 2012 Rs. C-324/11 - Gábor Tóth. Selbst wenn der Leistungserbringer nicht für mehrwertsteuerliche Zwecke registriert sei, stehe dem Leistungsempfänger das Recht zum Vorsteuerabzug zu, wenn die Rechnungen über die erbrachten Dienstleistungen alle nach Art. 226 der Richtlinie 2006/112 vorgeschriebenen Angaben enthielten, insbesondere diejenigen, die zur Bestimmung des Ausstellers der Rechnung und der Art der Dienstleistungen erforderlich seien.
71 
Der Kl könne nicht entgegengehalten werden, dass an den von der Telefon GmbH und von Öz angegebenen Geschäftsanschriften keine Gewerbebetriebe bestanden hätten. Ob dies der Fall war, habe nicht die Kl, sondern das Finanzamt prüfen müssen, als es der Telefon GmbH eine Steuernummer erteilt habe. Dies folge aus dem EuGH-Urteil vom 6. September 2012 Rs C-273/11 – Mecsek-Gabona Kft – (Umsatzsteuer-Rundschau --UR--2012, 796) das zwar zur Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ergangen sei, aber für die Erteilung einer Steuernummer gleichermaßen gelte.
72 
Der Vorsteuerabzug stehe der Kl auch aus Gründen des Gutglaubensschutzes zu. Nach der Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03, Deutsches Steuerrecht --DStR--2006, 133 - Optigen; vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und C-440/04, DStR 2006, 1274 - Kittel und Recolta; vom 21. Februar 2008 Rs. C-271/06, DStR 2008, 450 - Netto-Supermarkt) ergebe sich das Recht auf Vorsteuerabzug unmittelbar aus Art 167 MwStSystRL und damit unmittelbar aus § 15 UStG. Die Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 19. April 2007 V R 48/04, UR 2007, 693 und vom 30. April 2009 V R 15/07, UR 2009, 816), wonach die Vollständigkeit und Richtigkeit der Rechnungsangaben als materiell-rechtliche Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug eingestuft werden, verstoße eindeutig gegen die EuGH-Rechtsprechung zum Vertrauensschutz im Rahmen des Vorsteuerabzugs und verletze die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit. Die Auffassung des BFH, wonach Vertrauensschutz nur im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens gewährt werden könne, verstoße ebenfalls gegen diese Grundsätze. Faktisch führe sie dazu, dass die vom EuGH aufgestellten Grundsätze des Gutglaubensschutzes in einer Vielzahl von Fällen leerliefen. Auf der gleichen Linie liege die Kritik von Stadie, in: Rau/Dürrwächter UStG §15, Rn. 150 und 568, Englisch, UR 2009, 184, Drüen, Der Betrieb --DB-- 2010, 1847 und Heidner, UR 2002, 445 sowie des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 6. Dezember 2006 4 K 1356/02, juris.
73 
Zwar habe der EuGH in seinem Urteil vom 6. Juli 2007 Rs. C-439/04 und C-440/04 -Kittel und Recolta- auch ausgesprochen, dass das nationale Gericht den Vorsteuerabzug zu verweigern habe, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war und dass dies selbst dann gelte, wenn eine Lieferung tatsächlich erfolgt sei und der Lieferant die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft erfülle. Der Kl könne jedoch nicht vorgeworfen werden, sie habe wissen müssen, dass ihre Lieferanten die von ihr erhaltene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführen. Dazu hätte sie deren kriminelles Verhalten mindestens billigend in Kauf nehmen müssen. Aus den englischen Sprachfassungen der einschlägigen Urteile des EuGH in diesem Bereich (z.B. vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03 - Optigen und vom 11. Mai 2006 Rs. C-384/04 - Federation of Technological IndURies -) -- „ought to know“-- folge, dass das „Wissen müssen“ mehr erfordere als Fahrlässigkeit. Angesichts der von der Kl entfalteten Aufklärungsbemühungen könne ihr kein bedingter Vorsatz angelastet werden. In seinen Urteilen vom 21. Juni 2012 Rs. C-80/11 und C-142/11 - Mahagében und Dávid (UR 2012, 591) und vom 6. September 2012 Rs. C-324/11 -Gábor Tóth- (UR 2012, 851) habe der EuGH auch entschieden, dass es der Steuerbehörde obliege, die objektiven Umstände rechtlich hinreichend nachzuweisen, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Die Steuerverwaltung könne von dem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen, zum einen zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Steuerpflichtiger ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder zum anderen entsprechende Unterlagen vorzulegen. Es sei nämlich grundsätzlich Sache der Steuerbehörden, bei den Steuerpflichtigen die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und Mehrwertsteuerhinterziehung aufzudecken und gegen den Steuerpflichtigen, der diese Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung begangen hat, Sanktionen zu verhängen. Nach Ansicht der Kl steht damit fest, dass der Bekl ihr nicht unter Verweis auf etwaige bloße Zweifel das Recht auf Vorsteuerabzug verwehren kann. Sie habe sämtliche Sorgfaltspflichten erfüllt, indem sie die ihr möglichen und zumutbaren Aufklärungsmöglichkeiten wahrgenommen habe. Ihr, der Kl, mehr abzuverlangen, verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Übermaßverbot. Im Ergebnis würde ihr die gesamte Verantwortung für die Zahlung der Mehrwertsteuer auferlegt.
74 
Entgegen dem Vorbringen des Bekl sei es in der Branche der Kl nicht üblich, Recherchen zur Markttätigkeit des Lieferanten vorzunehmen, dessen Betriebssitz durch Außendienstmitarbeiter überprüfen, Nachforschungen über dessen Vorlieferanten anstellen und die Ursachen signifikanter Umsatzsteigerungen aufklären. Selbst wenn man unterstelle, dass Branchenunternehmen solche weitergehenden Überprüfungsmaßnahmen vorgenommen hätten, könne diese Tatsache die Sorgfaltsanforderungen an die Kl nicht erhöhen. Der Sorgfaltsmaßstab ergebe sich allein aus den Vorgaben der bereits zitierten EuGH-Rechtsprechung. Darüber hinaus sei fraglich, ob die vom Bekl aufgezeigten Maßnahmen geeignet seien, einen Umsatzsteuerbetrug des Lieferanten auszuschließen. Mit der Unterstützung der Finanzbehörden habe die Kl nicht rechnen können. Als sie sich in einzelnen Verdachtsfällen an die Steuerfahndung und die Kriminalpolizei gewandt habe, sei ihr unter Hinweis auf das Steuergeheimnis Hilfe versagt worden. Es sei im Hause der Kl üblich gewesen, dass die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten abgebrochen wurden, wenn diese in den Verdacht der Steuerhinterziehung geraten seien. Bei einer Lieferantin habe die Kl die Umsatzsteuer sogar selbst an das Finanzamt abgeführt, um sicherzustellen, dass diese ihren umsatzsteuerrechtlichen Pflichten nachkommt.
75 
Auch die Hinweise des Bekl auf die steuerlichen Risiken beim Ankauf von Altgold und die übergebenen Merkblätter seien nicht dazu geeignet gewesen, die Sorgfaltsanforderungen an die Kl zu erhöhen. Wenn der Bekl einräume, dass seine eigenen Mittel nicht ausreichten, um Umsatzsteuerbetrüger vom Markt fernzuhalten, so könne er diese Defizite nicht durch die Inanspruchnahme der Kl ausgleichen und sie im Falle des Versagens seiner unzumutbaren Prüfungsanforderungen mit dem Risiko nicht abziehbarer Vorsteuer belasten.
76 
Die bei der Kl im Streitzeitraum zu verzeichnenden Umsatzsteigerungen seien kein Indiz für ihre Einbindung in Umsatzsteuerbetrügereien. Umsatzsteigerungen habe es auch bei anderen Unternehmen der Branche gegeben und es sei ja tatsächlich immer Ware geliefert worden. Die Tatsache, dass jemand vom gewohnten Erscheinungsbild anderer Goldlieferanten abweiche, bedeute noch nicht, dass man in ihm einen Steuerhinterzieher sehen müsse. Auch frühe Öffnungszeiten und kundenorientierte Zahlungsmodalitäten seien kein Beleg dafür, dass die Kl mit Umsatzsteuerbetrügereien ihrer Lieferanten gerechnet habe. Aus dem fehlenden Bemühen der Lieferanten um Preisverhandlungen habe die Kl keine Schlüsse ziehen müssen, da allen Kunden der tagesaktuelle Metallpreis abzüglich eines konstanten Satzes vergütet worden sei. Auch ein steuerehrlicher Lieferant habe deshalb einen Profit erzielen können. Die Kunden hätten auch ihre Bankkonten nicht auffällig oft gewechselt. Wenn eine Person über keinen Festnetzanschluss verfüge, begründe dies noch keinen Verdacht der Umsatzsteuerhinterziehung.
77 
Aufgrund des Umstandes, dass Me steuerrechtlich erfasst war, habe die Kll davon ausgehen dürfen, dass er auch zum gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer in einer Rechnung berechtigt war. Schließlich habe er dies mit seiner Unterschrift in der Vereinbarung über das Gutschriftverfahren bestätigt. Die Unterschriften auf den verschiedenen von der Telefon GmbH erhobenen Dokumenten zeigten keine Auffälligkeiten, die sich als Vorbereitungshandlungen für künftige Umsatzsteuerhinterziehungen darstellten. Alle Geschäfte, in denen Ku für die Telefon GmbH aufgetreten sei, seien mit deren Einverständnis erfolgt und ordnungsgemäß abgewickelt worden. Der Umstand, dass Öz und Ba dieselbe Geschäftsanschrift und den gleichen Telefonhauptanschluss hätten, sei nicht völlig außergewöhnlich und lasse nicht auf einen beabsichtigten Umsatzsteuerbetrug schließen.
78 
c) Nach Ansicht des Bekl sind bei den Altgoldankäufen von U, P, der Telefon GmbH, Ya, Me, Maker, Ed, Öz und Ba die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht erfüllt. Für Nicht- oder Kleinunternehmer erstellte Gutschriften berechtigten nicht zum Vorsteuerabzug. Der Ausweis der Vorsteuer in einer ordnungsgemäßen Rechnung bzw. Gutschrift sei nach der BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 1. Juli 2004 V R 33/01 (BStBl II 2004,861) unerlässlich. Die Angaben im Abrechnungspapier hätten eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers zu ermöglichen. Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssten grundsätzlich identisch sein (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01 --BStBl II 2004,622-- mit weiteren Nachweisen). Nach dem BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 61/05 (BStBl II 2008, 695) sei in der Rechnung die zutreffende Anschrift anzugeben. Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsstellung keine geschäftlichen Aktivitäten stattfinden, reiche nicht aus (BFH-Urteile vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620, und vom 19. April 2007 V R 48/04, BStBl II 2009, 315). Die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen trage der den Vorsteuerabzug Begehrende (z.B. BFH-Beschluss vom 3. August 2007 V B 73/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH/NV-- 2007, 2368). Im Streitfall lägen bei den oben genannten Lieferanten der Kl die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht vor, weil es sich bei Ya, P und Ed lediglich um Boten und keine selbständigen Unternehmer handle, Me Kleinunternehmer sei und in den Fällen U, Telefon GmbH, Ä alias Maker, Öz und Ba Gutschriften ohne die zutreffenden Anschriften der Unternehmer vorlägen.
79 
Selbst wenn im Streitfall die Rechnungen die Anforderungen der §§ 14 und 14a UStG erfüllen würden, sei der Vorsteuerabzug jedoch zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststehe, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Dies folge aus den EuGH-Urteilen vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03 - Optigen, und vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und C-440/04 - Kittel/Recolta. Nach Abschnitt 15.2 Abs. 2 Satz 5 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) sei nur derjenige Unternehmer in seinem Vertrauen geschützt, der alle Maßnahmen getroffen habe, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind. Der Umfang der Prüfungspflicht bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalles. In einer als missbrauchsanfällig bekannten Branche seien höhere Sorgfaltsanforderungen zu stellen als in anderen Bereichen. Mit diesem eingeschränkten Verlangen setze sich die Finanzverwaltung weder in Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung noch verstoße sie gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit.
80 
Durch das Tätigwerden verschiedener Steuerfahndungsstellen in ihrem Hause sei der Kl schon 2008 bekannt geworden, dass es im Zusammenhang mit dem Ankauf von Altgold häufig zu Umsatzsteuerhinterziehungen komme. Am 9. Juli 2010 sei mit ihrer Geschäftsleitung noch einmal ausführlich über die Problematik gesprochen worden; mit einem Schreiben der Steuerfahndung X sei sie darüber informiert worden, welche Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden sollten. Auf die Lieferanten U, P, Telefon GmbH, Ya, Me, Maker, Ed, Öz und Ba träfen jeweils mehrere Punkte zu, die in dem oben beschriebenen Kriterienkatalog der Steuerfahndung X enthalten seien. Bei allen habe es sich um Neukunden gehandelt, die Betriebe seien kurz vor der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen zur Kl entweder gegründet oder branchenfremd erweitert worden und die Liefermengen seien trotz erst kurz zuvor erfolgter Aufnahme des Altgoldhandels auffallend groß gewesen. U, Me, die Telefon GmbH und Ed hätten keine Festnetzverbindungen angegeben, Öz und Ba ihren Geschäftssitz bei einem Büroserviceunternehmen gehabt. Keiner der Betriebe habe Arbeitnehmer beschäftigt, obwohl teilweise auch andere Leistungen angeboten bzw. Altgold in erheblichen Mengen beschafft worden wären. Trotzdem habe sich die Kl bei den genannten Lieferanten darauf beschränkt, sich den Personalausweis, die Gewerbeanmeldung, Dokumente über das Vorhandensein einer Steuernummer und einer Bankverbindung vorlegen und die Lieferanten eine Zustimmungserklärung zur Abrechnung im Gutschriftverfahren unterzeichnen zu lassen.
81 
Obwohl die Kl nach § 148b Gewerbeordnung zur sorgfältigen Prüfung ihrer Lieferanten verpflichtet sei, habe sie im Umgang mit den eingeholten Nachweisen die notwendige Sorgfalt vermissen lassen: Die Behauptung des Geschäftsführers der Kl, er habe mit P in seinem Betrieb gesprochen, sei unglaubhaft. P habe in seiner Vernehmung durch die Steuerfahndung erklärt, nie in X gewesen zu sein. Auf vorgelegten Lichtbildern habe der Geschäftsführer der Kl den P nicht erkannt. Aufgrund der nicht unterzeichneten Vollmacht, der Anlieferung durch eine andere Person (S) und der Übersendung von Mehrfertigung der Gutschriften an diesen müsse davon ausgegangen werden, dass die Kl damit gerechnet habe, dass ihr Vertragspartner tatsächlich ein Hintermann und nicht der als Scheinunternehmer auftretende P sei.
82 
Die vom Geschäftsführer der Telefon GmbH unterschriebene Vollmacht für Ku erstrecke sich nur auf die Aufnahme eines Kooperationsvertrages mit der Kl, berechtige diesen aber nicht zu Goldlieferungen. Bei einem Vergleich der Unterschrift des Geschäftsführers K aus seinem Pass mit der Unterschrift auf der Vollmacht dränge sich der Verdacht auf, dass die Unterschriften nicht von derselben Person stammten. Außerdem seien die Vereinbarungen oder Vollmachten von K nur mit seinem Vornamen sowie mit dem Buchstaben „T“ unterschrieben worden.
83 
Die von Ya vorgelegte Bescheinigung des Finanzamtes W vom 23. Juni 2010 gelte nur für die Einkommensteuer, nicht für die Umsatzsteuer. Die Steuernummer im Firmenstempel weiche von der Steuernummer auf der Bescheinigung des Finanzamtes ab.
84 
Die Bescheinigung des Finanzamts T vom 10. August 2010 für Me enthalte nur die Bestätigung, dass dieser steuerlich geführt werde und verpflichtet sei, eine Anlage EÜR abzugeben. Aus dieser Mitteilung gehe eindeutig hervor, dass er unter dieser Steuernummer nicht umsatzsteuerlich geführt werde. Daraus folge, dass er Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG war.
85 
Öz und Ba hätten die Kl im selben Zeitraum beliefert. Der Kl sei nicht aufgefallen, dass beide denselben Wohnsitz und dieselbe Geschäftsadresse angegeben hätten. Beide hätten ihr Gewerbe am selben Tag angemeldet. Die angegebenen Telefonnummern (Öz: .../...-..., Ba: .../...-xyy) seien beide unter demselben Hauptanschluss gelaufen.
86 
Alle von der Steuerfahndung befragten Lieferanten hätten ausgesagt, sie hätten mit der Kl keine Preisverhandlungen geführt. Dies sei im seriösen Geschäftsverkehr völlig unüblich und für einen verständigen Empfänger der Ware ein klares Indiz dafür, dass der Lieferant seinen Profit aus der später nicht abgeführten Umsatzsteuer erzielen kann und will.
87 
Andere in X ansässige Branchenunternehmen hätten bei ihren Lieferanten Aufklärung über Umsatzsteigerungen verlangt und Nachforschungen über die Vorlieferanten in der Lieferkette angestellt. Sie hätten im Internet recherchiert, ob der Lieferant am Markt auftritt und durch Außendienstmitarbeiter vor Ort die Existenz der Lieferanten überprüft.
88 
Soweit die Kl den Vorsteuerabzug im Billigkeitswege über § 163 AO erreichen wolle und sich auf Vertrauensschutz berufe, könne diesem Begehren nicht entsprochen werden. Vertrauensschutz habe die Kl nicht verdient, weil sie nicht alle Überprüfungsmaßnahmen vorgenommen habe, die vernünftigerweise von ihr hätten verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben ihrer Lieferanten zu überzeugen. Außerdem halte der Bekl daran fest, dass über einen Erlass nach § 163 AO in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden sei.
89 
d) Die Kl beantragt,
90 
den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 16. August 2012 dahin zu än- dern, dass die abziehbare Vorsteuer um ...,... EUR erhöht wird,
91 
hilfsweise: die Revision zuzulassen.
92 
Für den Fall der Klagabweisung beantragt die Kl dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Entscheidung vorzulegen:
93 
1. Ist der Vorsteuerabzug auch dann zu versagen, wenn neben dem Käufer auch das Finanzamt von einem Betrug auf der Vorebene hätte wissen müssen, da dem Finanzamt die Lieferanten bekannt waren und das Finanzamt von der Betrugsanfälligkeit von Liefervorgängen im Goldbereich wusste?
94 
2. Ist bei der Frage des Gutglaubensschutzes eine Bescheinigung des Finanzamts, in der dem Lieferanten dessen Steuernummer und/oder die Erfüllung steuerlicher Pflichten und/oder die steuerliche Unbedenklichkeit bescheinigt wird, in besonderer Weise bei der Frage des Gutglaubensschutzes im Bereich des Vorsteuerabzuges zu berücksichtigen?
95 
Der Bekl beantragt,
96 
die Klage abzuweisen,
97 
hilfsweise: die Revision zuzulassen.
98 
Der dargestellte Sachverhalt beruht auf dem Inhalt der Akten (4 Bände Gerichtsakten nebst 2 Stehordnern mit Anlagen zu in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätzen, 1 Band Umsatzsteuerakten, 4 Bände Rechtsbehelfsakten), den Einlassungen des Geschäftsführers der Kl in der mündlichen Verhandlung und auf den Aussagen der dort vernommenen Zeugen. Zu Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, die Protokolle der mündlichen Verhandlung und auf die Tonaufzeichnungen der Zeugenaussagen Bezug genommen.
99 
Der Senat hat in der Sache am 20. Juni 2013 mündlich verhandelt. In der damaligen Sitzung übergaben die Klägervertreter einen 28-seitigen Schriftsatz mit Beweisanträgen. Der Senat beschloss am 26. Juni 2013, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und P, sowie die bei der Kl angestellten An, Ri und Schm als Zeugen zu laden. Der Zeuge P erwies sich als unauffindbar. Mit Beweisbeschluss vom 23. August 2013 beschloss der Senat deshalb, den Steuerfahnder St als Zeugen zu vernehmen, der gegen P ermittelt und an dessen Vernehmung am 19. Mai 2011 teilgenommen hatte.
100 
Infolge des zeitlichen Abstandes zur mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2013 musste die mündliche Verhandlung am 18. September 2013 in anderer Senatsbesetzung neu begonnen werden. Am 18. September 2013 wurden Steuerfahnder St sowie die bei der Kl beschäftigten Zeugen An, Ri und Schm vernommen. Aufgrund eines von der Kl gestellten Beweisantrages hat der Senat mit Beschluss vom 27. September 2013 die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und beschlossen, den Umsatzsteuer-Sonderprüfer Fe vom Finanzamt H zum Sachverhalt „U“, den Steuerfahnder Sa vom Finanzamt S zum Sachverhalt P sowie die Goldanlieferer Ya und Ed als Zeugen zu vernehmen. Mit Beweisbeschluss vom 11. Oktober 2013 beschloss der Senat, auch den für P aufgetretenen S als Zeugen zu hören. Nachdem die Anwältin des S glaubhaft dargelegt hatte, dass gegen diesen wegen des Beweisthemas ein Steuerstrafverfahren anhängig sei, wurde S gemäß § 82 Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. mit § 386 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) von seiner Zeugenpflicht befreit. Im Fortsetzungstermin am 24. Oktober 2013 wurden die Zeugen Fe, Sa und Ya vernommen. Weil der gleichfalls geladene Zeuge Ed nicht erschienen war, musste am 15. November 2013 ein weiterer Fortsetzungstermin angesetzt werden. Dort wurde neben ihm auch der Steuerfahnder Sb vom Finanzamt H vernommen. Ferner wurde der Aktenvermerk der Prüferin In vom 15. Dezember 2010 betreffend die Telefon GmbH verlesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
101 
Die Klage ist in vollem Umfang unbegründet. Zwar sind U, P, die Telefon GmbH, Ya, Me, Ed und die Personen, welche sich hinter den Falschnamen „Maker“„ Öz“ und „Ba“ verbergen, der Kl gegenüber als Unternehmer aufgetreten. Soweit es um den Vorsteuerabzug aus den Altgoldlieferungen von „Maker“, „Öz“, „Ba“ , U und der Telefon GmbH geht, fehlt es jedoch an der Voraussetzung von § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG i. V. m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG, wonach die Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten muss. In Bezug auf P mangelt es an einer Rechnung, weil die Kl die Gutschrift ohne dessen Einwilligung ausgestellt hat. Me war Kleinunternehmer und durfte daher keine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausstellen. Dementsprechend war es der Kl nicht erlaubt, eine entsprechende Gutschrift zu fertigen und sie zum Vorsteuerabzug zu benutzen. Der Vorsteuerabzug aus den Altgoldlieferungen des Ya und des Ed ist zu versagen, weil die Geschäftsführung hätte erkennen müssen, dass sich die Kl mit den Erwerben an Umsätzen beteiligte, die in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren.
102 
1. Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 2008 (UStG) die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Wer bei einem Umsatz als „anderer Unternehmer“ anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der aus welchen Gründen auch immer nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622 m.w.N.); dementsprechend sind auch dem sog. Strohmann die Leistungen zuzurechnen, die der sog. Hintermann berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Beschluss in BStBl II 2004, 622 unter Hinweis auf BFH-Beschlüsse vom 18. Juli 2001 V B 198/00, BFH/NV 2002, 78, unter 3. b; vom 25. Juni 1999 V B 107/98, BFH/NV 1999, 1649). Aus welchen Gründen der Hintermann im Verhältnis zum Dritten, dem Vertragspartner des Strohmanns und Leistungsempfängers, als Leistender nicht in Erscheinung treten will, ist für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspartnern regelmäßig ohne Bedeutung. Auch dass der Strohmann, der das Rechtsgeschäft für Rechnung des Hintermannes abschließt, wirtschaftlich am Erfolg des zwischen ihm und dem Dritten wirksamen Rechtsgeschäftes nicht oder ggf. nur in Form einer "Provision" für seine Strohmann-Dienste teilhaben soll, berührt nicht die Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen Strohmann und Drittem, sondern nur die Frage, ob auch zwischen dem Hintermann und dem Strohmann eine entgeltliche Leistung --in der Regel ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (vgl. § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--)-- vorliegt.
103 
Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft --zivilrechtlich und (umsatz-)steuerrechtlich (vgl. auch § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--)-- allerdings dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen worden ist, d.h. wenn die Vertragsparteien --der Strohmann und der Dritte-- einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01 unter Hinweis auf das BGH-Urteil in NJW-RR 1997, 238 und Kramer in MünchKomm, § 117 BGB Rz. 12, 15, m.w.N.). Dementsprechend kommt umsatzsteuerrechtlich eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des leistenden Unternehmers in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden ist und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene --ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende-- Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 353; BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 611).
104 
Bei Anwendung dieser Grundsätze sind --unabhängig davon, welche Namen sie im Geschäftsverkehr verwendet haben-- U, die Telefon GmbH, Ya, Me, Ed und die Personen, welche sich hinter den Falschnamen „Maker“„ Öz“ und „Ba“ verbergen, als die leistenden Unternehmer anzusehen. Denn sie sind gegenüber der Kl im eigenen Namen aufgetreten. Wie von § 2 Abs.1 Satz 1 UStG für die Unternehmereigenschaft verlangt, haben sie eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausgeübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Die Nachhaltigkeit ihrer Altgoldhandelsgeschäfte haben sie in allen streitgegenständlichen Fällen durch die Erklärung der entsprechenden Absicht in ihren Gewerbeanmeldungen und durch ihr wiederholtes Auftreten als Lieferanten zum Ausdruck gebracht.
105 
Entgegen der Ansicht des Bekl ist auch P als an die Kl leistender Unternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG anzusehen. Wenn die Kl dessen Identität nicht mit der erforderlichen Sorgfalt überprüfte, bedeutet dies nicht, dass es ihr gleichgültig war, ob P oder ein Hintermann ihr Vertragspartner war. Dies folgt daraus, dass sie sich die bei ihr bei Goldanlieferungen üblichen Nachweise für die Person P geben ließ und dementsprechend auch eine den Namen „P“ tragende „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“. Angesichts des Umstandes, dass die Gutschriften an die Anschrift P‘s versandt wurden, der für ihn berechtigterweise auftretende S aber nur Mehrfertigungen derselben erhielt, ist der Schluss nicht gerechtfertigt, die Kl sei davon ausgegangen, dass P nur ein Scheinunternehmer und ihr wahrer Vertragspartner ein Hintermann sei.
106 
2. a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs weiter voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG muss die Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Dies entspricht den Vorgaben der Art 178 Bstb. a und 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Da gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG eine Rechnung auch von einem nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zur Ausstellung von Rechnungen berechtigten Leistungsempfänger ausgestellt werden kann, sofern dies vorher vereinbart wurde, muss auch eine auf solche Weise entstandene sog. Gutschrift die Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllen. Dies folgt auch aus Art 220 Abs. 1 Nr. 1, 224 und 226 Nr. 5 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie.
107 
Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. April 2001 V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; vom 1. Februar 2001 V R 6/00, BFH/NV 2001, 941; vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628, m.w.N.). Die Angaben im Abrechnungspapier müssen deshalb eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglichen (BFH-Urteile vom 29. April 1993 V R 118/89, BFH/NV 1994, 584, und vom 17. September 1992 V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205, jeweils m.N.; BFH-Beschluss vom 2. Juli 1999 V B 171/98, BFH/NV 1999, 1652; vgl. BFH-Urteil vom 26. April 2001 V R 50/99, BFHE 194, 536 --zur Bezeichnung des Leistungsempfängers--).
108 
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Vorsteuerabzug aus den Altgoldlieferungen der hinter den Namen „Maker“, „Öz“ und „Ba“ stehenden Personen nicht möglich. Den Altgoldlieferanten „K. Maker“ gibt es nicht, der nach den unter I. 1. dargestellten Gründen als Unternehmer zu betrachtende Herr Ä hat einen Falschnamen benutzt. Dies gilt auch für die bisher noch nicht festgestellte Person, die einen gefälschten ausländischen Pass mit dem Namen „Öz“ gebrauchte und Herr Gü, der sich als „Ba“ ausgab. Die Ansicht der Kl, in Anwendung der Grundsätze der oben dargestellten „Strohmann-Rechtsprechung“ sei es für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers unschädlich, wenn der leistende Unternehmer einen falschen Namen benutze, teilt der Senat nicht. Eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers wäre dadurch nicht gewährleistet.
109 
c) U ist gegenüber der Kl zwar mit ihrem richtigen Namen aufgetreten, doch fehlt es für den Vorsteuerabzug an ihrer vollständigen Anschrift. Nach der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass sie in der ... Weg x in H weder gewohnt noch das behauptete Gewerbe „U Schmuck“ betrieben hat. Die vom Zeugen Fe berichteten Aussagen der Vermietungsgesellschaft und der „Nachbarin“ M offenbaren den von U beim Gewerbeamt vorgelegten Mietvertrag als Fälschung und die gegenüber der Kl angegebene Anschrift als Lüge. Ist eine Anschrift bewusst falsch erklärt, ist sie nicht „vollständig“ im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG. Der Abzug der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer ist nur möglich, wenn die in der Gutschrift als leistender Unternehmer bezeichnete Person die dort ausgewiesenen Umsätze ausgeführt hat und wenn diese Voraussetzungen anhand der Angaben in der Gutschrift durch die Finanzverwaltung nachgeprüft werden können. Davon ist nach der vom Senat geteilten Auffassung des BFH nicht auszugehen, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des leistenden Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 941; Senatsbeschlüsse vom 14. März 2000 V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252; vom 11. März 1999 V B 135/98, BFH/NV 1999, 1253; Senatsurteil vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620).
110 
d) § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG steht auch dem Vorsteuerabzug aus den für die Telefon GmbH erstellten Gutschriften im Wege. Eine Rechnung enthält nur dann den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers, wenn die richtige Adresse des leistenden Unternehmers angegeben ist. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) bedeutet dies, dass der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden haben muss. Der sog. Sofortabzug der Vorsteuer gebietet es, dass der Finanzverwaltung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglicht wird (BFH-Urteil vom 06. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 29. April 1993 V R 118/89, BFH/NV 1994, 584; vom 17. September 1992 V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, jeweils mit Nachweisen). Eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohfirma" charakteristisch ist, ist nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. von Art. 1 Nr. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 86/560/EWG) anzusehen. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität ist ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007 C-73/06, Planzer Luxembourg Sarl (BFH/NV Beilage 2007, 418, UR 2007, 654).
111 
Aus den Feststellungen der Prüferin In vom Finanzamt für Körperschaften in Z ergibt sich zweifelsfrei, dass die der Kl genannte Anschrift der Telefon GmbH in der ... Allee x in Z einen bloßen Scheinsitz darstellt. Die Inhaberin des dort ansässigen Büroserviceunternehmens Frau B erklärte, dass Telefon GmbH-Geschäftsführer K dort lediglich in regelmäßigen Abständen die Post abgeholt, aber keine wirtschaftlichen Tätigkeiten für die Gesellschaft entfaltet habe. Eine unternehmerische Tätigkeit in Form von Geschäftsleitung, Behördenkontakten oder Zahlungsverkehr fand dort nicht statt. Der Inhalt des im Aktenvermerk der Prüferin In wiedergegebenen Gesprächs mit Telefon GmbH-Geschäftsführer K zwingt zu dem Schluss, dass die Telefon GmbH im Zusammenhang mit den Goldlieferungen an die Kl ohnehin keine nennenswerten eigenen Initiativen entfaltet hat, sondern sich in Geschäfte einspannen ließ, deren Ablauf von anderen organisiert wurde. Der ihr verbleibende Rest an wirtschaftlicher Tätigkeit wurde jedenfalls nicht am angeblichen Sitz in der ... Allee x in Z, sondern am jeweiligen Aufenthaltsort des Geschäftsführers ausgeübt.
112 
3. Für den Vorsteuerabzug aus den Lieferungen des P fehlt es an einer Rechnung des leistenden Unternehmers. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG kann eine Rechnung zwar auch von einem gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zur Ausstellung von Rechnungen berechtigten Leistungsempfänger ausgestellt werden. Allerdings muss dies vorher vereinbart sein. Daran fehlt es. Der Zeuge Steuerfahnder Sa hat bezeugt, dass P im Rahmen der Ermittlungen angegeben habe, nie selbst bei der Kl in X gewesen zu sein und den Geschäftsführer der Kl auch nie selbst getroffen zu haben. An der Glaubwürdigkeit dieser Aussage hat der Senat keine Zweifel. Dafür spricht auch der Umstand, dass auf der „Vollmacht“, welche sich die Kl sonst von allen Goldanlieferern unterzeichnen ließ, ein Datum und die Unterschrift P‘s fehlen. Außerdem hat P bei seiner Vernehmung am 19. Mai 2011 ausgesagt, die Unterschrift auf der von der Kl verlangten „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ vom 11. Mai 2010 stamme nicht von ihm, was bei einem Vergleich der dortigen Unterschrift mit nachweislich von P stammenden Unterschriften offenkundig ist.
113 
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG ist für die Wirkung einer Gutschrift als Rechnung erforderlich, dass vorher vereinbart wurde, dass der Leistungsempfänger die Rechnung über die an ihn erfolgte Lieferung ausstellen darf. Diese Vereinbarung kann sich aus Verträgen oder sonstigen Geschäftsunterlagen ergeben, ist an keine besondere Form gebunden und kann auch mündlich getroffen werden (vgl. A 14.3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Umsatzsteuer-Anwendungserlass --UStAE--). Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG ist für die Wirksamkeit einer Gutschrift ferner Voraussetzung, dass sie dem leistenden Unternehmer übermittelt worden ist und dieser dem ihm zugeleiteten Dokument nicht widerspricht. Die Übermittlung einer Gutschrift setzt voraus, dass sie dem leistenden Unternehmer so zugänglich gemacht worden ist, dass er von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BFH-Urteil vom 15. September 1994 XI R 56, 93, BFHE 176, 285; BStBl II 1995, 275).
114 
Laut der aus den oben dargelegten Gründen glaubhaften Aussage des P hat er die „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ vom 11. Mai 2010 nicht unterschrieben, so dass es an einer ausdrücklichen Zustimmung des P zur Rechnungsausstellung fehlt. Die dort vermutlich von S gemachte Willenserklärung kann ihm auch nicht über die Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zugerechnet werden. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (BFH-Urteil vom 07. April 2011 – V R 44/09 –, BFHE 234, 430, BStBl II 2011, 954 unter Hinweis auf die Urteile des BFH vom 28. Oktober 2009 I R 28/08, BFH/NV 2010, 432, und des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. März 2004 IV ZR 143/03, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2004, 1275). Der Senat sieht P zwar als leistenden Unternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG an, weil durch die von ihm gebilligte Vorlage seiner Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU, seiner Gewerbeummeldung, seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und weiterer Unterlagen bei der Kl der Eindruck erweckt worden ist, er sei ihr Vertragspartner. Dies beinhaltet aber nicht die Schlussfolgerung, er hätte es deshalb wissentlich geschehen lassen, dass S oder eine andere Person mit seinem --P‘s-- Namen die Gutschriftsvereinbarung für ihn verbindlich unterschrieben. Die Kl selbst legte zu Recht Wert darauf, dass die ihren Lieferanten vorgelegten „Bestätigungen und Vereinbarungen betreffend Gutschriftsabrechnung“ deren Namen trugen. Dass sie auf persönlichen Willenserklärungen ihrer Vertragspartner bestand, verdeutlicht der Umstand, dass sie diese Vollmachten unterschreiben ließ, wenn andere Personen in deren Namen bei ihr auftreten wollten. Bei den für P erfolgten Anlieferungen zeigte sie sich insoweit gleichgültig. An einer ausdrücklichen Bevollmächtigung der S durch P fehlt es, die Ankündigung der S, P wolle bei der Kl vorbeikommen, erfüllte sich nicht. Indem die Kl ihren eigenen Sorgfaltsmaßstäben zuwider handelte und nicht auf dem Erscheinen P‘s zur Vervollständigung der Vollmachtsurkunde und der Bestätigung seiner Unterschrift auf der Gutschriftsvereinbarung bestand, durfte sie nach Treu und Glauben nicht davon ausgehen, dass P dulde, dass ein anderer für ihn umsatzsteuerrechtliche Verpflichtungen aus einer Gutschriftsvereinbarung begründet. Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln eines angeblichen Vertreters nicht kennt, aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln seines angeblichen Vertreters (BFH-Urteil vom 07. April 2011 – V R 44/09 –, BFHE 234, 430, BStBl II 2011, 954). Aus dem Umstand, dass bei P geöffnete Umschläge mit Gutschriften gefunden wurden, könnte zwar gefolgert werden, dass er bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, dass die Kl in seinem Namen im Gutschriftsverfahren abrechnet. Auf Seiten der Kl gilt jedoch das zur Duldungsvollmacht Ausgeführte. Ihr Verzicht auf einen persönlichen Kontakt zu P verwehrt ihr nach Treu und Glauben die Befugnis zur Annahme, P dulde und billige das Handeln der für ihn auftretenden Personen auch insoweit.
115 
4. Aus den Goldlieferungen des Me darf die Kl keine Vorsteuer abziehen, da dieser im Streitzeitraum als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG zu behandeln ist.
116 
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. In diesem Sinne nicht „gesetzlich geschuldet“ sind Umsatzsteuerbeträge, die ein Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG gesondert in Rechnung gestellt hat. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird von Unternehmern, die im Inland ansässig sind, die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn ihr Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird. Um einen Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger zu verhindern, finden auf solche Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG die Vorschriften über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 UStG) keine Anwendung. Weist ein Kleinunternehmer in einer Rechnung dennoch gesondert Umsatzsteuer aus, schuldet er den ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG (BFH-Urteil vom 25. September 2013 XI R 41/12, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2013, 2565). Das Recht zum Vorsteuerabzug für den Leistungsempfänger wird dadurch aber nicht begründet (ebenso Finanzgericht --FG--Nürnberg, Urteil vom 18. Oktober 2005 II 364/2004, DStR-Entscheidungsdienst --DStRE-- 2006, 682).
117 
Me hatte seinen Handwerksbetrieb am 10. März 2009 begonnen. Ob er im dem Streitzeitraum 2010 vorangegangenen Kalenderjahr 2009 den auf das Kalenderjahr hochgerechneten Gesamtumsatz in Höhe von 17.500 EUR überschritten hat, lässt sich nicht feststellen, da er für das Jahr 2009 weder eine Gewinnermittlung noch eine Umsatzsteuererklärung abgegeben hat. Da Me zu diesem Zeitraum noch nicht mit Edelmetallen handelte, sieht der Senat aber keinen Anlass, von einem höheren Umsatz auszugehen, zumal er im Fragebogen zu seiner steuerlichen Erfassung angegeben hatte, als Kleinunternehmer handeln zu wollen. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Me schon zu Beginn des Kalenderjahres 2010 erwartete, die Umsatzschwelle von 50.000 EUR zu überschreiten. Erst am 22. Juli 2010 erweiterte er seinen Tischlerbetrieb um den Handel mit Edelmetall und schuf damit die Voraussetzung für höhere Umsätze. Me war damit im Kalenderjahr 2010 noch Kleinunternehmer, auch wenn im Laufe des Jahres sein Gesamtumsatz durch die Goldgeschäfte mit der Kl die 50.000 EUR-Grenze überschritt. Einen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG möglichen Verzicht auf die Kleinunternehmer-Regelung hat Me nicht erklärt.
118 
5. a) Bei den Altgoldlieferungen des Ya und des Ed liegen auf den ersten Blick sämtliche Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor. Obwohl sie von Hintermännern gesteuert wurden, sind Ya und Ed gemäß den oben stehenden Ausführungen als leistende Unternehmer anzusehen, weil sie gegenüber der Kl mit ihren eigenen Namen und auf eigene Rechnung aufgetreten sind. Sie haben für das Unternehmen der Kl Altgold geliefert und die Kl auf ihre, Yas und Ed‘s richtige Namen Gutschriften mit ihren zutreffenden Anschriften ausstellen lassen. Die Gutschriften erfüllen die Anforderungen des § 14 UStG und weisen die Umsatzsteuer gesondert aus. Trotzdem ist der Vorsteuerabzug zu versagen, weil der Geschäftsführer der Kl hätte erkennen müssen, dass sie sich mit den Erwerben von Ya und Ed an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Seinen Sinn verliert das von der EuGH-Rechtsprechung in besonderem Maße geschützte Vorsteuerabzugsrecht durch die vom Senat angestellte Beweiswürdigung nicht (s. dazu das EuGH-Urteil vom 31. Januar 2013 Rs. C-643/11, LVK - 56 EOOD (UR 2013, 346). Der Senat bewegt sich im Rahmen der Rechtsprechung des EuGH, der in Fällen des Missbrauchs ebenfalls von einem Vorsteuerabzugsverbot ausgeht.
119 
b) Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen vom 12.Januar 2006 Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u.a. (Slg. 2006, I-483; BFH/NV Beilage 2006, 144)und vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und 440/04, Axel Kittel u.a. (Slg. 2006, I-6161; BFH/NV Beilage 2006, 454, Umsatzsteuer- Rundschau --UR-- 2006, 594) ist nach dem BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04 (BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315) der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Nach dem BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 XI R 78/07 (BFH/NV 2010, 2132), dem der Senat folgt, ist der Kl dabei nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), sondern auch das ihrer für die betreffenden Geschäfte zuständigen sonstigen Angestellten in analoger Anwendung von § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zuzurechnen. Ob ein Steuerpflichtiger wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, ist im Wesentlichen tatsächliche Würdigung, die dem Finanzgericht obliegt. Nach Auffassung des BFH trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen auch insoweit, als es um das Wissen oder Wissenkönnen vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten geht (BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04).
120 
Wie schon früher hat der EuGH auch in seinem Urteil vom 6. Dezember 2012 Rs. C-285/11 (Amtsblatt --ABl EU 2013, Nr C 26, UR 2013, 195) auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach es ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt, dass die Steuerpflichtigen von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abziehen dürfen, die für die von ihnen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet wird oder entrichtet wurde. Der Gerichtshof habe wiederholt entschieden, dass das in den Art. 167 ff. der Richtlinie 2006/112 geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer sei und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden könne. Insbesondere könne dieses Recht für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden. Durch die Abzugsregelung solle der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleiste völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterlägen. Ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet wurde, tatsächlich an den Fiskus entrichtet worden sei, sei für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung.
121 
Der EuGH stellt allerdings auch klar, dass sich die Rechtsbürger nicht auf die Bestimmungen des Unionsrechts berufen können, wenn sie dies in betrügerischer oder missbräuchlicher Absicht tun. Denn die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen sei ein Ziel, das von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert werde (Urteil vom 6. Dezember 2012 Rs. C-285/11 mit weiteren Nachweisen). Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Nach Ansicht des EuGH ist ein Steuerpflichtiger, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, für die Zwecke der Richtlinie 2006/112 als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt (EuGH-Urteil vom 6. Dezember 2012 Rs. C-285/11 mit weiteren Nachweisen). Steht aufgrund objektiver Umstände fest, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb dieser Gegenstände oder der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer bzw. vom Leistenden oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, ist ihm der Vorsteuerabzug zu verweigern. Da die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts eine Ausnahme vom Grundprinzip ist, das dieses Recht darstellt, obliegt es nach Ansicht des EuGH den zuständigen Steuerbehörden, die objektiven Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, rechtlich hinreichend nachzuweisen. Der erkennende Senat teilt die dargelegte Rechtsansicht des EuGH. Wer den Urhebern einer Steuerhinterziehung zur Hand geht und sich ihrer mitschuldig macht, verwirkt sein Recht auf den Vorsteuerabzug. Eine solche Auslegung wirkt auch betrügerischen Umsätzen entgegen, indem sie ihre Durchführung erschwert (vgl. dazu das EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und 440/04, Axel Kittel u.a., Slg. 2006, I-6161; BFH/NV Beilage 2006, 454, UR 2006, 594).
122 
c) Nach Ansicht des Senats ist hinreichend nachgewiesen, dass die Kl hätte wissen müssen, dass die zur Begründung ihres Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachten Umsätze mit Ya und Ed in eine von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen waren. Die Lieferungen von Ya und Ed fanden im Zeitraum zwischen dem 26. Juli 2010 und 17. Dezember 2010 statt. Schon seit 2008 hatte die Steuerfahndung im Hause der Kl gegen mehrerer ihrer Lieferanten wegen Umsatzsteuerhinterziehung ermittelt und dies dem Geschäftsführer der Kl mitgeteilt. Am 14. November 2008 hatte die Steuerfahndung den Geschäftsführer der Kl darüber informiert, in welcher Weise der Handel mit Altgold zum Umsatzsteuerbetrug genutzt werde. Der Geschäftsführer der Kl hat beim Senat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck eines geschäftserfahrenen Mannes hinterlassen. Es konnte ihm schon damals nicht verborgen geblieben sein, dass er als letztes Glied in der Handelskette eine wichtige Rolle für den Erfolg des Geschäftsmodells „Umsatzsteuerbetrug durch Altgoldhandel“ spielen könnte. Denn er war es, der über den Ankaufspreis für das Altgold die finanziellen Mittel zur Verfügung stellte, welche in der Lieferantenkette sich verbergende kriminelle Hintermänner abschöpften, indem sie ihre Umsätze nicht erklärten. Schon im November 2008 hatte die Steuerfahndung darauf hingewiesen, dass es als Warnsignal für einen mit Umsatzsteuerhinterziehungen behafteten Goldhandel verstanden werden müsse, wenn Anbieter mit ausländischen Wurzeln in großen Mengen Altgold lieferten, obwohl sie erst wenige Wochen zuvor in den Goldhandel eingestiegen waren. Auf den Hinweis, dass für solche Geschäfte eine schnelle Zahlungsabwicklung charakteristisch und von besonderer Bedeutung sei, reagierte der Geschäftsführer der Kl nicht etwa mit gesteigerter Sorgfalt und Misstrauen gegenüber seiner neuen Klientel von Lieferanten. Das Gegenteil war der Fall. Als die Hausbank der Kl Anfang 2009 darauf drängte, die Zahlung mit Barschecks auf Überweisungen umzustellen, um sich der Anwesenheit der ihr unseriös vorkommenden Lieferanten der Kl zu entledigen, reagierte die Kl damit, dass sie zu Gunsten ihrer Lieferanten ihre Annahmezeiten vorverlegte. Sie zeigte damit, dass es ihr gleichgültig war, wo das Altgold herkam, mit dem sie ihre Umsätze steigern konnte, und ob dies auch mit der Unterstützung von Umsatzsteuerhinterziehern verbunden war oder nicht. Bei der am 9. Juli 2010 stattgefundenen Besprechung mit den Vertretern der Finanzverwaltung wurde der Geschäftsführer der Kl darauf hingewiesen, dass die Personen, die bei den Goldankäufern als Lieferanten auftauchten, gemessen an dem avisierten Geschäftsumfang, weder über ausreichende Branchen- oder Materialkenntnisse noch über kaufmännische Kenntnisse verfügten. Branchenbezogene Testfragen, Fragen zu bisherigen Tätigkeiten und nach den Gründen für den Einstieg in den Edelmetallhandel seien deshalb ein gutes Mittel, um herauszufinden, ob es sich um seriöse Goldhändler oder um Personen handelte, welche von Hintermännern mit unlauteren Absichten vorgeschickt wurden. Mit dieser Empfehlung wurde von der Kl nichts verlangt, was unverhältnismäßig gewesen wäre oder gegen das Übermaßverbot verstieße. In seiner Entscheidung vom 21. Juni 2012 Rs. C-80/11 und C-142/11 - Mahagében und Dávid (UR 2012, 591) hat der EuGH unter der Rz. 59 ausgeführt, dass es wesentlich von den jeweiligen Umständen abhängt, welche Maßnahmen im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass dessen Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind. Zu diesen Umständen gehört auch, ob der Steuerpflichtige bereits über Strukturen informiert ist, die typischerweise zu kriminellen Handlungen genutzt werden. Wer wie beim Handel mit Gold mit wenigen, kurzfristig abzuwickelnden Umsätzen hohe Umsatzsteuerbeträge schafft, hat ebenfalls eine größere Sorgfaltspflicht als derjenige, dessen Erwerbe sich im Umsatzbereich drei- oder vierstelliger Eurobeträge bewegen. Zu einer gesteigerten Sorgfaltspflicht muss auch der persönliche Eindruck führen, den die Geschäftspartner beim Steuerpflichtigen und seiner Umgebung hinterlassen. Die Kl hatte sich ab 2008 auf Altgoldlieferanten eingelassen, deren Erscheinungsbild und Auftreten nicht nur in Bankenkreisen, sondern auch bei ihren Arbeitnehmern höchstes Misstrauen erregte. Der Senat hat Letzteres aus der Vernehmung der Zeugen An, Ri und Schm erfahren. Selbst der im Zeitpunkt seiner Vernehmung als einziger der drei genannten Zeugen noch bei der Kl beschäftigte und sich daher merklich zurückhaltende Zeuge Ri räumte ein, dass wegen der neuen Lieferanten im Hause der Kl Unbehagen geherrscht habe. Deutlicher wurden die nicht mehr für die Kl tätigen Zeuginnen An und Schm, die darüber berichteten, dass das Problem auch mit dem Chef, dem Geschäftsführer der Kl erörtert worden sei, der aber lautstark klargestellt habe, dass er der Chef sei und selbst bestimme, mit wem er Geschäfte mache. Selbst der Zeuge Ed, obwohl selbst Lieferant, erklärte, er habe auf dem Parkplatz der Kl andere Goldlieferanten getroffen, denen er selbst niemals Gold anvertraut hätte. Im Falle Ya‘s und Ed‘s wäre es für den branchenerfahrenen Geschäftsführer der Kl ein Leichtes gewesen, in einem ernsthaft geführten Gespräch mit beiden zu erkennen, dass diese niemals in der Lage waren, den von ihnen angemeldeten Goldhandel selbst zu organisieren. Der Senat hat Ya und Ed in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommen und sie über ihre Fachkenntnisse und die Art und Weise befragt, mit der sie ihren Goldhandel betrieben. Zum Inhalt ihrer Aussagen im Einzelnen wird auf die Tonaufzeichnungen Bezug genommen. Die Aussagen lassen sich dahin zusammenfassen, dass sie beide Zeugen als einfach strukturierte Persönlichkeiten offenbaren, bei denen Fachkenntnisse praktisch nicht vorhanden waren, beide von Hintermännern losgeschickt wurden und beide niemals in der Lage gewesen wären, einem Dritten vernünftig zu erklären, welchen wirtschaftlichen Zweck ihre Einschaltung haben sollte. Bei Ya kam noch hinzu, dass er die deutsche Sprache nur unzureichend beherrscht.
123 
Die Kl kopierte zwar den Pass Yas, dessen am 2. Juni 2010 bei der Stadt D erfolgte Gewerbeanmeldung, eine Bestätigung des Finanzamts W vom 23. Juni 2010, dass Ya unter der Steuernummer .../... für die Einkommensteuer geführt werde und dessen VR-BankCard. Von Ed fertigte sie Kopien der Gewerbeanmeldung und seines Ausweises und überprüfte die Bankkarte. Sie ließ sich ferner eine vom Finanzamt K gefertigte Mitteilung geben, wonach Ed die Steuernummer .../... erhalte und eine Bescheinigung des Finanzamtes K vom 22. Oktober 2010, dass er unter der genannten Steuernummer auch für Umsatzsteuerzwecke geführt werde. Auch den Verantwortlichen der Kl musste aber klar sein, dass angesichts der erst wenige Wochen zuvor erfolgten Gewerbeanmeldungen Ya‘s und Ed‘s den Bescheinigungen der Finanzämter nur wenig Aussagekraft über die Seriosität der beiden Goldhändler beizumessen war; darauf war der Geschäftsführer der Kl bei dem Gespräch am 9. Juli 2010 auch hingewiesen worden. Hätte der Geschäftsführer der Kl die ihm von Seiten der Finanzbehörde empfohlenen Aufnahmegespräche geführt, so hätte eine kritische Bewertung des Ergebnisses vor dem Hintergrund seiner Berufserfahrungen und der ihm bekannt gemachten typischen Vorgehensweise bei Umsatzsteuerbetrügereien im Altgoldbereich ihn abhalten müssen, von Ya und Ed Altgold anzunehmen.
124 
d) Die Kl hat für den Fall der Klagabweisung beantragt, dem EuGH die Fragen zur Entscheidung vorzulegen, ob erstens der Vorsteuerabzug auch dann zu versagen ist, wenn neben dem Käufer auch das Finanzamt von einem Betrug auf der Vorebene hätte wissen müssen, da dem Finanzamt die Lieferanten bekannt waren und das Finanzamt von der Betrugsanfälligkeit von Liefervorgängen im Goldbereich wusste, und zweitens, ob bei der Frage des Gutglaubensschutzes eine Bescheinigung des Finanzamts, in der dem Lieferanten dessen Steuernummer und/oder die Erfüllung steuerlicher Pflichten und/oder die steuerliche Unbedenklichkeit bescheinigt wird, in besonderer Weise bei der Frage des Gutglaubensschutzes im Bereich des Vorsteuerabzuges zu berücksichtigen ist.
125 
Der Senat hält die Vorlage an den EuGH nicht für erforderlich. Zu Frage 1 ist schon nicht ersichtlich, welche Lieferanten gemeint sind, die dem Finanzamt auf der „Vorebene“ bekannt gewesen sein sollen und zu welchem Zeitpunkt. Selbst wenn ein solcher Fall vorläge, könnte dies aber einen Steuerpflichtigen nicht entlasten, der hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachte Umsatz in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Wer rechtsmissbräuchlich handelt, kann sich nicht darauf berufen, er dürfe dies solange tun, bis er in seinem Handeln aufgehalten werde. Eine Bescheinigung des Finanzamts, in der dem Lieferanten dessen Steuernummer und/oder die Erfüllung steuerlicher Pflichten und/oder die steuerliche Unbedenklichkeit bescheinigt wird, ist selbstverständlich „in besonderer Weise“ bei der Frage des Gutglaubensschutzes im Bereich des Vorsteuerabzuges zu berücksichtigen. Allerdings bewirkt sie keine Bindungswirkung in der Weise, dass ohne Berücksichtigung der weiteren Umstände der Vorsteuerabzug bedingungslos zu gewähren wäre. Bei der Bewertung der Bescheinigung ist nicht nur der zeitliche Abstand zwischen ihrer Erteilung und der Gewerbeanmeldung zu berücksichtigen, sondern auch der Umstand, dass eine Steuernummer praktisch nicht verweigert werden kann (zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer siehe das EuGH-Urteil vom 14. März 2013 C-527/11, UR 2013, 392). Eine ebenso gewichtige Rolle für die an den Steuerpflichtigen zu stellenden Sorgfaltsanforderungen spielen Art und Höhe der Umsätze sowie das Auftreten und die persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften der Vertragspartner.
126 
6. Soweit in den Erwerben von „Maker“, „Öz“ und „Ba“ sowie von U, der Telefon GmbH, P und Me die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug fehlen, kann dieser Mangel nicht durch ein Schutz des guten Glaubens an deren Erfüllung korrigiert werden. Macht der Steuerpflichtige geltend, ihm sei der Vorsteuerabzug trotz Nichtvorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu gewähren, handelt es sich um einen Antrag auf eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO. Ein solcher ist im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes nicht vorgesehen (BFH, Beschluss vom 12. Dezember 2012 V B 70/12,BFH/NV 2013, 515 unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2010 V B 134/09, BFH/NV 2011, 326). Die Billigkeitsentscheidung ist zwar nach § 163 Satz 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden, gleichwohl sind Steuerfestsetzung und Billigkeitsentscheidung zwei Verwaltungsakte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 326). Im Streitfall war Gegenstand des Klageverfahrens nur die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides. In diesem Verfahren kann eine Billigkeitsmaßnahme nicht erreicht werden.
II.
127 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).
III.
128 
Die Revision wird nicht zugelassen. Ein Revisionsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO liegt nicht vor. Das Urteil des Senats bewegt sich innerhalb der einschlägigen Rechtsprechung des BFH und des EuGH.

Gründe

 
I.
101 
Die Klage ist in vollem Umfang unbegründet. Zwar sind U, P, die Telefon GmbH, Ya, Me, Ed und die Personen, welche sich hinter den Falschnamen „Maker“„ Öz“ und „Ba“ verbergen, der Kl gegenüber als Unternehmer aufgetreten. Soweit es um den Vorsteuerabzug aus den Altgoldlieferungen von „Maker“, „Öz“, „Ba“ , U und der Telefon GmbH geht, fehlt es jedoch an der Voraussetzung von § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG i. V. m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG, wonach die Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten muss. In Bezug auf P mangelt es an einer Rechnung, weil die Kl die Gutschrift ohne dessen Einwilligung ausgestellt hat. Me war Kleinunternehmer und durfte daher keine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausstellen. Dementsprechend war es der Kl nicht erlaubt, eine entsprechende Gutschrift zu fertigen und sie zum Vorsteuerabzug zu benutzen. Der Vorsteuerabzug aus den Altgoldlieferungen des Ya und des Ed ist zu versagen, weil die Geschäftsführung hätte erkennen müssen, dass sich die Kl mit den Erwerben an Umsätzen beteiligte, die in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren.
102 
1. Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 2008 (UStG) die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Wer bei einem Umsatz als „anderer Unternehmer“ anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der aus welchen Gründen auch immer nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622 m.w.N.); dementsprechend sind auch dem sog. Strohmann die Leistungen zuzurechnen, die der sog. Hintermann berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Beschluss in BStBl II 2004, 622 unter Hinweis auf BFH-Beschlüsse vom 18. Juli 2001 V B 198/00, BFH/NV 2002, 78, unter 3. b; vom 25. Juni 1999 V B 107/98, BFH/NV 1999, 1649). Aus welchen Gründen der Hintermann im Verhältnis zum Dritten, dem Vertragspartner des Strohmanns und Leistungsempfängers, als Leistender nicht in Erscheinung treten will, ist für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspartnern regelmäßig ohne Bedeutung. Auch dass der Strohmann, der das Rechtsgeschäft für Rechnung des Hintermannes abschließt, wirtschaftlich am Erfolg des zwischen ihm und dem Dritten wirksamen Rechtsgeschäftes nicht oder ggf. nur in Form einer "Provision" für seine Strohmann-Dienste teilhaben soll, berührt nicht die Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen Strohmann und Drittem, sondern nur die Frage, ob auch zwischen dem Hintermann und dem Strohmann eine entgeltliche Leistung --in der Regel ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (vgl. § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--)-- vorliegt.
103 
Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft --zivilrechtlich und (umsatz-)steuerrechtlich (vgl. auch § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--)-- allerdings dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen worden ist, d.h. wenn die Vertragsparteien --der Strohmann und der Dritte-- einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01 unter Hinweis auf das BGH-Urteil in NJW-RR 1997, 238 und Kramer in MünchKomm, § 117 BGB Rz. 12, 15, m.w.N.). Dementsprechend kommt umsatzsteuerrechtlich eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des leistenden Unternehmers in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden ist und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene --ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende-- Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 353; BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 611).
104 
Bei Anwendung dieser Grundsätze sind --unabhängig davon, welche Namen sie im Geschäftsverkehr verwendet haben-- U, die Telefon GmbH, Ya, Me, Ed und die Personen, welche sich hinter den Falschnamen „Maker“„ Öz“ und „Ba“ verbergen, als die leistenden Unternehmer anzusehen. Denn sie sind gegenüber der Kl im eigenen Namen aufgetreten. Wie von § 2 Abs.1 Satz 1 UStG für die Unternehmereigenschaft verlangt, haben sie eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausgeübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Die Nachhaltigkeit ihrer Altgoldhandelsgeschäfte haben sie in allen streitgegenständlichen Fällen durch die Erklärung der entsprechenden Absicht in ihren Gewerbeanmeldungen und durch ihr wiederholtes Auftreten als Lieferanten zum Ausdruck gebracht.
105 
Entgegen der Ansicht des Bekl ist auch P als an die Kl leistender Unternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG anzusehen. Wenn die Kl dessen Identität nicht mit der erforderlichen Sorgfalt überprüfte, bedeutet dies nicht, dass es ihr gleichgültig war, ob P oder ein Hintermann ihr Vertragspartner war. Dies folgt daraus, dass sie sich die bei ihr bei Goldanlieferungen üblichen Nachweise für die Person P geben ließ und dementsprechend auch eine den Namen „P“ tragende „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“. Angesichts des Umstandes, dass die Gutschriften an die Anschrift P‘s versandt wurden, der für ihn berechtigterweise auftretende S aber nur Mehrfertigungen derselben erhielt, ist der Schluss nicht gerechtfertigt, die Kl sei davon ausgegangen, dass P nur ein Scheinunternehmer und ihr wahrer Vertragspartner ein Hintermann sei.
106 
2. a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs weiter voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG muss die Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Dies entspricht den Vorgaben der Art 178 Bstb. a und 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Da gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG eine Rechnung auch von einem nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zur Ausstellung von Rechnungen berechtigten Leistungsempfänger ausgestellt werden kann, sofern dies vorher vereinbart wurde, muss auch eine auf solche Weise entstandene sog. Gutschrift die Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllen. Dies folgt auch aus Art 220 Abs. 1 Nr. 1, 224 und 226 Nr. 5 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie.
107 
Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. April 2001 V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; vom 1. Februar 2001 V R 6/00, BFH/NV 2001, 941; vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628, m.w.N.). Die Angaben im Abrechnungspapier müssen deshalb eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglichen (BFH-Urteile vom 29. April 1993 V R 118/89, BFH/NV 1994, 584, und vom 17. September 1992 V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205, jeweils m.N.; BFH-Beschluss vom 2. Juli 1999 V B 171/98, BFH/NV 1999, 1652; vgl. BFH-Urteil vom 26. April 2001 V R 50/99, BFHE 194, 536 --zur Bezeichnung des Leistungsempfängers--).
108 
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Vorsteuerabzug aus den Altgoldlieferungen der hinter den Namen „Maker“, „Öz“ und „Ba“ stehenden Personen nicht möglich. Den Altgoldlieferanten „K. Maker“ gibt es nicht, der nach den unter I. 1. dargestellten Gründen als Unternehmer zu betrachtende Herr Ä hat einen Falschnamen benutzt. Dies gilt auch für die bisher noch nicht festgestellte Person, die einen gefälschten ausländischen Pass mit dem Namen „Öz“ gebrauchte und Herr Gü, der sich als „Ba“ ausgab. Die Ansicht der Kl, in Anwendung der Grundsätze der oben dargestellten „Strohmann-Rechtsprechung“ sei es für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers unschädlich, wenn der leistende Unternehmer einen falschen Namen benutze, teilt der Senat nicht. Eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers wäre dadurch nicht gewährleistet.
109 
c) U ist gegenüber der Kl zwar mit ihrem richtigen Namen aufgetreten, doch fehlt es für den Vorsteuerabzug an ihrer vollständigen Anschrift. Nach der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass sie in der ... Weg x in H weder gewohnt noch das behauptete Gewerbe „U Schmuck“ betrieben hat. Die vom Zeugen Fe berichteten Aussagen der Vermietungsgesellschaft und der „Nachbarin“ M offenbaren den von U beim Gewerbeamt vorgelegten Mietvertrag als Fälschung und die gegenüber der Kl angegebene Anschrift als Lüge. Ist eine Anschrift bewusst falsch erklärt, ist sie nicht „vollständig“ im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG. Der Abzug der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer ist nur möglich, wenn die in der Gutschrift als leistender Unternehmer bezeichnete Person die dort ausgewiesenen Umsätze ausgeführt hat und wenn diese Voraussetzungen anhand der Angaben in der Gutschrift durch die Finanzverwaltung nachgeprüft werden können. Davon ist nach der vom Senat geteilten Auffassung des BFH nicht auszugehen, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des leistenden Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 941; Senatsbeschlüsse vom 14. März 2000 V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252; vom 11. März 1999 V B 135/98, BFH/NV 1999, 1253; Senatsurteil vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620).
110 
d) § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG steht auch dem Vorsteuerabzug aus den für die Telefon GmbH erstellten Gutschriften im Wege. Eine Rechnung enthält nur dann den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers, wenn die richtige Adresse des leistenden Unternehmers angegeben ist. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) bedeutet dies, dass der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden haben muss. Der sog. Sofortabzug der Vorsteuer gebietet es, dass der Finanzverwaltung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglicht wird (BFH-Urteil vom 06. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 29. April 1993 V R 118/89, BFH/NV 1994, 584; vom 17. September 1992 V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, jeweils mit Nachweisen). Eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohfirma" charakteristisch ist, ist nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. von Art. 1 Nr. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 86/560/EWG) anzusehen. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität ist ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007 C-73/06, Planzer Luxembourg Sarl (BFH/NV Beilage 2007, 418, UR 2007, 654).
111 
Aus den Feststellungen der Prüferin In vom Finanzamt für Körperschaften in Z ergibt sich zweifelsfrei, dass die der Kl genannte Anschrift der Telefon GmbH in der ... Allee x in Z einen bloßen Scheinsitz darstellt. Die Inhaberin des dort ansässigen Büroserviceunternehmens Frau B erklärte, dass Telefon GmbH-Geschäftsführer K dort lediglich in regelmäßigen Abständen die Post abgeholt, aber keine wirtschaftlichen Tätigkeiten für die Gesellschaft entfaltet habe. Eine unternehmerische Tätigkeit in Form von Geschäftsleitung, Behördenkontakten oder Zahlungsverkehr fand dort nicht statt. Der Inhalt des im Aktenvermerk der Prüferin In wiedergegebenen Gesprächs mit Telefon GmbH-Geschäftsführer K zwingt zu dem Schluss, dass die Telefon GmbH im Zusammenhang mit den Goldlieferungen an die Kl ohnehin keine nennenswerten eigenen Initiativen entfaltet hat, sondern sich in Geschäfte einspannen ließ, deren Ablauf von anderen organisiert wurde. Der ihr verbleibende Rest an wirtschaftlicher Tätigkeit wurde jedenfalls nicht am angeblichen Sitz in der ... Allee x in Z, sondern am jeweiligen Aufenthaltsort des Geschäftsführers ausgeübt.
112 
3. Für den Vorsteuerabzug aus den Lieferungen des P fehlt es an einer Rechnung des leistenden Unternehmers. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG kann eine Rechnung zwar auch von einem gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zur Ausstellung von Rechnungen berechtigten Leistungsempfänger ausgestellt werden. Allerdings muss dies vorher vereinbart sein. Daran fehlt es. Der Zeuge Steuerfahnder Sa hat bezeugt, dass P im Rahmen der Ermittlungen angegeben habe, nie selbst bei der Kl in X gewesen zu sein und den Geschäftsführer der Kl auch nie selbst getroffen zu haben. An der Glaubwürdigkeit dieser Aussage hat der Senat keine Zweifel. Dafür spricht auch der Umstand, dass auf der „Vollmacht“, welche sich die Kl sonst von allen Goldanlieferern unterzeichnen ließ, ein Datum und die Unterschrift P‘s fehlen. Außerdem hat P bei seiner Vernehmung am 19. Mai 2011 ausgesagt, die Unterschrift auf der von der Kl verlangten „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ vom 11. Mai 2010 stamme nicht von ihm, was bei einem Vergleich der dortigen Unterschrift mit nachweislich von P stammenden Unterschriften offenkundig ist.
113 
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG ist für die Wirkung einer Gutschrift als Rechnung erforderlich, dass vorher vereinbart wurde, dass der Leistungsempfänger die Rechnung über die an ihn erfolgte Lieferung ausstellen darf. Diese Vereinbarung kann sich aus Verträgen oder sonstigen Geschäftsunterlagen ergeben, ist an keine besondere Form gebunden und kann auch mündlich getroffen werden (vgl. A 14.3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Umsatzsteuer-Anwendungserlass --UStAE--). Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG ist für die Wirksamkeit einer Gutschrift ferner Voraussetzung, dass sie dem leistenden Unternehmer übermittelt worden ist und dieser dem ihm zugeleiteten Dokument nicht widerspricht. Die Übermittlung einer Gutschrift setzt voraus, dass sie dem leistenden Unternehmer so zugänglich gemacht worden ist, dass er von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BFH-Urteil vom 15. September 1994 XI R 56, 93, BFHE 176, 285; BStBl II 1995, 275).
114 
Laut der aus den oben dargelegten Gründen glaubhaften Aussage des P hat er die „Bestätigung und Vereinbarung betreffend Gutschriftsabrechnung“ vom 11. Mai 2010 nicht unterschrieben, so dass es an einer ausdrücklichen Zustimmung des P zur Rechnungsausstellung fehlt. Die dort vermutlich von S gemachte Willenserklärung kann ihm auch nicht über die Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zugerechnet werden. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (BFH-Urteil vom 07. April 2011 – V R 44/09 –, BFHE 234, 430, BStBl II 2011, 954 unter Hinweis auf die Urteile des BFH vom 28. Oktober 2009 I R 28/08, BFH/NV 2010, 432, und des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. März 2004 IV ZR 143/03, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2004, 1275). Der Senat sieht P zwar als leistenden Unternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG an, weil durch die von ihm gebilligte Vorlage seiner Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU, seiner Gewerbeummeldung, seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und weiterer Unterlagen bei der Kl der Eindruck erweckt worden ist, er sei ihr Vertragspartner. Dies beinhaltet aber nicht die Schlussfolgerung, er hätte es deshalb wissentlich geschehen lassen, dass S oder eine andere Person mit seinem --P‘s-- Namen die Gutschriftsvereinbarung für ihn verbindlich unterschrieben. Die Kl selbst legte zu Recht Wert darauf, dass die ihren Lieferanten vorgelegten „Bestätigungen und Vereinbarungen betreffend Gutschriftsabrechnung“ deren Namen trugen. Dass sie auf persönlichen Willenserklärungen ihrer Vertragspartner bestand, verdeutlicht der Umstand, dass sie diese Vollmachten unterschreiben ließ, wenn andere Personen in deren Namen bei ihr auftreten wollten. Bei den für P erfolgten Anlieferungen zeigte sie sich insoweit gleichgültig. An einer ausdrücklichen Bevollmächtigung der S durch P fehlt es, die Ankündigung der S, P wolle bei der Kl vorbeikommen, erfüllte sich nicht. Indem die Kl ihren eigenen Sorgfaltsmaßstäben zuwider handelte und nicht auf dem Erscheinen P‘s zur Vervollständigung der Vollmachtsurkunde und der Bestätigung seiner Unterschrift auf der Gutschriftsvereinbarung bestand, durfte sie nach Treu und Glauben nicht davon ausgehen, dass P dulde, dass ein anderer für ihn umsatzsteuerrechtliche Verpflichtungen aus einer Gutschriftsvereinbarung begründet. Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln eines angeblichen Vertreters nicht kennt, aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln seines angeblichen Vertreters (BFH-Urteil vom 07. April 2011 – V R 44/09 –, BFHE 234, 430, BStBl II 2011, 954). Aus dem Umstand, dass bei P geöffnete Umschläge mit Gutschriften gefunden wurden, könnte zwar gefolgert werden, dass er bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, dass die Kl in seinem Namen im Gutschriftsverfahren abrechnet. Auf Seiten der Kl gilt jedoch das zur Duldungsvollmacht Ausgeführte. Ihr Verzicht auf einen persönlichen Kontakt zu P verwehrt ihr nach Treu und Glauben die Befugnis zur Annahme, P dulde und billige das Handeln der für ihn auftretenden Personen auch insoweit.
115 
4. Aus den Goldlieferungen des Me darf die Kl keine Vorsteuer abziehen, da dieser im Streitzeitraum als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG zu behandeln ist.
116 
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. In diesem Sinne nicht „gesetzlich geschuldet“ sind Umsatzsteuerbeträge, die ein Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG gesondert in Rechnung gestellt hat. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird von Unternehmern, die im Inland ansässig sind, die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn ihr Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird. Um einen Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger zu verhindern, finden auf solche Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG die Vorschriften über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 UStG) keine Anwendung. Weist ein Kleinunternehmer in einer Rechnung dennoch gesondert Umsatzsteuer aus, schuldet er den ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG (BFH-Urteil vom 25. September 2013 XI R 41/12, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2013, 2565). Das Recht zum Vorsteuerabzug für den Leistungsempfänger wird dadurch aber nicht begründet (ebenso Finanzgericht --FG--Nürnberg, Urteil vom 18. Oktober 2005 II 364/2004, DStR-Entscheidungsdienst --DStRE-- 2006, 682).
117 
Me hatte seinen Handwerksbetrieb am 10. März 2009 begonnen. Ob er im dem Streitzeitraum 2010 vorangegangenen Kalenderjahr 2009 den auf das Kalenderjahr hochgerechneten Gesamtumsatz in Höhe von 17.500 EUR überschritten hat, lässt sich nicht feststellen, da er für das Jahr 2009 weder eine Gewinnermittlung noch eine Umsatzsteuererklärung abgegeben hat. Da Me zu diesem Zeitraum noch nicht mit Edelmetallen handelte, sieht der Senat aber keinen Anlass, von einem höheren Umsatz auszugehen, zumal er im Fragebogen zu seiner steuerlichen Erfassung angegeben hatte, als Kleinunternehmer handeln zu wollen. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Me schon zu Beginn des Kalenderjahres 2010 erwartete, die Umsatzschwelle von 50.000 EUR zu überschreiten. Erst am 22. Juli 2010 erweiterte er seinen Tischlerbetrieb um den Handel mit Edelmetall und schuf damit die Voraussetzung für höhere Umsätze. Me war damit im Kalenderjahr 2010 noch Kleinunternehmer, auch wenn im Laufe des Jahres sein Gesamtumsatz durch die Goldgeschäfte mit der Kl die 50.000 EUR-Grenze überschritt. Einen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG möglichen Verzicht auf die Kleinunternehmer-Regelung hat Me nicht erklärt.
118 
5. a) Bei den Altgoldlieferungen des Ya und des Ed liegen auf den ersten Blick sämtliche Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor. Obwohl sie von Hintermännern gesteuert wurden, sind Ya und Ed gemäß den oben stehenden Ausführungen als leistende Unternehmer anzusehen, weil sie gegenüber der Kl mit ihren eigenen Namen und auf eigene Rechnung aufgetreten sind. Sie haben für das Unternehmen der Kl Altgold geliefert und die Kl auf ihre, Yas und Ed‘s richtige Namen Gutschriften mit ihren zutreffenden Anschriften ausstellen lassen. Die Gutschriften erfüllen die Anforderungen des § 14 UStG und weisen die Umsatzsteuer gesondert aus. Trotzdem ist der Vorsteuerabzug zu versagen, weil der Geschäftsführer der Kl hätte erkennen müssen, dass sie sich mit den Erwerben von Ya und Ed an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Seinen Sinn verliert das von der EuGH-Rechtsprechung in besonderem Maße geschützte Vorsteuerabzugsrecht durch die vom Senat angestellte Beweiswürdigung nicht (s. dazu das EuGH-Urteil vom 31. Januar 2013 Rs. C-643/11, LVK - 56 EOOD (UR 2013, 346). Der Senat bewegt sich im Rahmen der Rechtsprechung des EuGH, der in Fällen des Missbrauchs ebenfalls von einem Vorsteuerabzugsverbot ausgeht.
119 
b) Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen vom 12.Januar 2006 Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u.a. (Slg. 2006, I-483; BFH/NV Beilage 2006, 144)und vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und 440/04, Axel Kittel u.a. (Slg. 2006, I-6161; BFH/NV Beilage 2006, 454, Umsatzsteuer- Rundschau --UR-- 2006, 594) ist nach dem BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04 (BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315) der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Nach dem BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 XI R 78/07 (BFH/NV 2010, 2132), dem der Senat folgt, ist der Kl dabei nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), sondern auch das ihrer für die betreffenden Geschäfte zuständigen sonstigen Angestellten in analoger Anwendung von § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zuzurechnen. Ob ein Steuerpflichtiger wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, ist im Wesentlichen tatsächliche Würdigung, die dem Finanzgericht obliegt. Nach Auffassung des BFH trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen auch insoweit, als es um das Wissen oder Wissenkönnen vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten geht (BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04).
120 
Wie schon früher hat der EuGH auch in seinem Urteil vom 6. Dezember 2012 Rs. C-285/11 (Amtsblatt --ABl EU 2013, Nr C 26, UR 2013, 195) auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach es ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt, dass die Steuerpflichtigen von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abziehen dürfen, die für die von ihnen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet wird oder entrichtet wurde. Der Gerichtshof habe wiederholt entschieden, dass das in den Art. 167 ff. der Richtlinie 2006/112 geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer sei und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden könne. Insbesondere könne dieses Recht für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden. Durch die Abzugsregelung solle der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleiste völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterlägen. Ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet wurde, tatsächlich an den Fiskus entrichtet worden sei, sei für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung.
121 
Der EuGH stellt allerdings auch klar, dass sich die Rechtsbürger nicht auf die Bestimmungen des Unionsrechts berufen können, wenn sie dies in betrügerischer oder missbräuchlicher Absicht tun. Denn die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen sei ein Ziel, das von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert werde (Urteil vom 6. Dezember 2012 Rs. C-285/11 mit weiteren Nachweisen). Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Nach Ansicht des EuGH ist ein Steuerpflichtiger, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, für die Zwecke der Richtlinie 2006/112 als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt (EuGH-Urteil vom 6. Dezember 2012 Rs. C-285/11 mit weiteren Nachweisen). Steht aufgrund objektiver Umstände fest, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb dieser Gegenstände oder der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer bzw. vom Leistenden oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, ist ihm der Vorsteuerabzug zu verweigern. Da die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts eine Ausnahme vom Grundprinzip ist, das dieses Recht darstellt, obliegt es nach Ansicht des EuGH den zuständigen Steuerbehörden, die objektiven Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, rechtlich hinreichend nachzuweisen. Der erkennende Senat teilt die dargelegte Rechtsansicht des EuGH. Wer den Urhebern einer Steuerhinterziehung zur Hand geht und sich ihrer mitschuldig macht, verwirkt sein Recht auf den Vorsteuerabzug. Eine solche Auslegung wirkt auch betrügerischen Umsätzen entgegen, indem sie ihre Durchführung erschwert (vgl. dazu das EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und 440/04, Axel Kittel u.a., Slg. 2006, I-6161; BFH/NV Beilage 2006, 454, UR 2006, 594).
122 
c) Nach Ansicht des Senats ist hinreichend nachgewiesen, dass die Kl hätte wissen müssen, dass die zur Begründung ihres Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachten Umsätze mit Ya und Ed in eine von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen waren. Die Lieferungen von Ya und Ed fanden im Zeitraum zwischen dem 26. Juli 2010 und 17. Dezember 2010 statt. Schon seit 2008 hatte die Steuerfahndung im Hause der Kl gegen mehrerer ihrer Lieferanten wegen Umsatzsteuerhinterziehung ermittelt und dies dem Geschäftsführer der Kl mitgeteilt. Am 14. November 2008 hatte die Steuerfahndung den Geschäftsführer der Kl darüber informiert, in welcher Weise der Handel mit Altgold zum Umsatzsteuerbetrug genutzt werde. Der Geschäftsführer der Kl hat beim Senat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck eines geschäftserfahrenen Mannes hinterlassen. Es konnte ihm schon damals nicht verborgen geblieben sein, dass er als letztes Glied in der Handelskette eine wichtige Rolle für den Erfolg des Geschäftsmodells „Umsatzsteuerbetrug durch Altgoldhandel“ spielen könnte. Denn er war es, der über den Ankaufspreis für das Altgold die finanziellen Mittel zur Verfügung stellte, welche in der Lieferantenkette sich verbergende kriminelle Hintermänner abschöpften, indem sie ihre Umsätze nicht erklärten. Schon im November 2008 hatte die Steuerfahndung darauf hingewiesen, dass es als Warnsignal für einen mit Umsatzsteuerhinterziehungen behafteten Goldhandel verstanden werden müsse, wenn Anbieter mit ausländischen Wurzeln in großen Mengen Altgold lieferten, obwohl sie erst wenige Wochen zuvor in den Goldhandel eingestiegen waren. Auf den Hinweis, dass für solche Geschäfte eine schnelle Zahlungsabwicklung charakteristisch und von besonderer Bedeutung sei, reagierte der Geschäftsführer der Kl nicht etwa mit gesteigerter Sorgfalt und Misstrauen gegenüber seiner neuen Klientel von Lieferanten. Das Gegenteil war der Fall. Als die Hausbank der Kl Anfang 2009 darauf drängte, die Zahlung mit Barschecks auf Überweisungen umzustellen, um sich der Anwesenheit der ihr unseriös vorkommenden Lieferanten der Kl zu entledigen, reagierte die Kl damit, dass sie zu Gunsten ihrer Lieferanten ihre Annahmezeiten vorverlegte. Sie zeigte damit, dass es ihr gleichgültig war, wo das Altgold herkam, mit dem sie ihre Umsätze steigern konnte, und ob dies auch mit der Unterstützung von Umsatzsteuerhinterziehern verbunden war oder nicht. Bei der am 9. Juli 2010 stattgefundenen Besprechung mit den Vertretern der Finanzverwaltung wurde der Geschäftsführer der Kl darauf hingewiesen, dass die Personen, die bei den Goldankäufern als Lieferanten auftauchten, gemessen an dem avisierten Geschäftsumfang, weder über ausreichende Branchen- oder Materialkenntnisse noch über kaufmännische Kenntnisse verfügten. Branchenbezogene Testfragen, Fragen zu bisherigen Tätigkeiten und nach den Gründen für den Einstieg in den Edelmetallhandel seien deshalb ein gutes Mittel, um herauszufinden, ob es sich um seriöse Goldhändler oder um Personen handelte, welche von Hintermännern mit unlauteren Absichten vorgeschickt wurden. Mit dieser Empfehlung wurde von der Kl nichts verlangt, was unverhältnismäßig gewesen wäre oder gegen das Übermaßverbot verstieße. In seiner Entscheidung vom 21. Juni 2012 Rs. C-80/11 und C-142/11 - Mahagében und Dávid (UR 2012, 591) hat der EuGH unter der Rz. 59 ausgeführt, dass es wesentlich von den jeweiligen Umständen abhängt, welche Maßnahmen im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass dessen Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind. Zu diesen Umständen gehört auch, ob der Steuerpflichtige bereits über Strukturen informiert ist, die typischerweise zu kriminellen Handlungen genutzt werden. Wer wie beim Handel mit Gold mit wenigen, kurzfristig abzuwickelnden Umsätzen hohe Umsatzsteuerbeträge schafft, hat ebenfalls eine größere Sorgfaltspflicht als derjenige, dessen Erwerbe sich im Umsatzbereich drei- oder vierstelliger Eurobeträge bewegen. Zu einer gesteigerten Sorgfaltspflicht muss auch der persönliche Eindruck führen, den die Geschäftspartner beim Steuerpflichtigen und seiner Umgebung hinterlassen. Die Kl hatte sich ab 2008 auf Altgoldlieferanten eingelassen, deren Erscheinungsbild und Auftreten nicht nur in Bankenkreisen, sondern auch bei ihren Arbeitnehmern höchstes Misstrauen erregte. Der Senat hat Letzteres aus der Vernehmung der Zeugen An, Ri und Schm erfahren. Selbst der im Zeitpunkt seiner Vernehmung als einziger der drei genannten Zeugen noch bei der Kl beschäftigte und sich daher merklich zurückhaltende Zeuge Ri räumte ein, dass wegen der neuen Lieferanten im Hause der Kl Unbehagen geherrscht habe. Deutlicher wurden die nicht mehr für die Kl tätigen Zeuginnen An und Schm, die darüber berichteten, dass das Problem auch mit dem Chef, dem Geschäftsführer der Kl erörtert worden sei, der aber lautstark klargestellt habe, dass er der Chef sei und selbst bestimme, mit wem er Geschäfte mache. Selbst der Zeuge Ed, obwohl selbst Lieferant, erklärte, er habe auf dem Parkplatz der Kl andere Goldlieferanten getroffen, denen er selbst niemals Gold anvertraut hätte. Im Falle Ya‘s und Ed‘s wäre es für den branchenerfahrenen Geschäftsführer der Kl ein Leichtes gewesen, in einem ernsthaft geführten Gespräch mit beiden zu erkennen, dass diese niemals in der Lage waren, den von ihnen angemeldeten Goldhandel selbst zu organisieren. Der Senat hat Ya und Ed in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommen und sie über ihre Fachkenntnisse und die Art und Weise befragt, mit der sie ihren Goldhandel betrieben. Zum Inhalt ihrer Aussagen im Einzelnen wird auf die Tonaufzeichnungen Bezug genommen. Die Aussagen lassen sich dahin zusammenfassen, dass sie beide Zeugen als einfach strukturierte Persönlichkeiten offenbaren, bei denen Fachkenntnisse praktisch nicht vorhanden waren, beide von Hintermännern losgeschickt wurden und beide niemals in der Lage gewesen wären, einem Dritten vernünftig zu erklären, welchen wirtschaftlichen Zweck ihre Einschaltung haben sollte. Bei Ya kam noch hinzu, dass er die deutsche Sprache nur unzureichend beherrscht.
123 
Die Kl kopierte zwar den Pass Yas, dessen am 2. Juni 2010 bei der Stadt D erfolgte Gewerbeanmeldung, eine Bestätigung des Finanzamts W vom 23. Juni 2010, dass Ya unter der Steuernummer .../... für die Einkommensteuer geführt werde und dessen VR-BankCard. Von Ed fertigte sie Kopien der Gewerbeanmeldung und seines Ausweises und überprüfte die Bankkarte. Sie ließ sich ferner eine vom Finanzamt K gefertigte Mitteilung geben, wonach Ed die Steuernummer .../... erhalte und eine Bescheinigung des Finanzamtes K vom 22. Oktober 2010, dass er unter der genannten Steuernummer auch für Umsatzsteuerzwecke geführt werde. Auch den Verantwortlichen der Kl musste aber klar sein, dass angesichts der erst wenige Wochen zuvor erfolgten Gewerbeanmeldungen Ya‘s und Ed‘s den Bescheinigungen der Finanzämter nur wenig Aussagekraft über die Seriosität der beiden Goldhändler beizumessen war; darauf war der Geschäftsführer der Kl bei dem Gespräch am 9. Juli 2010 auch hingewiesen worden. Hätte der Geschäftsführer der Kl die ihm von Seiten der Finanzbehörde empfohlenen Aufnahmegespräche geführt, so hätte eine kritische Bewertung des Ergebnisses vor dem Hintergrund seiner Berufserfahrungen und der ihm bekannt gemachten typischen Vorgehensweise bei Umsatzsteuerbetrügereien im Altgoldbereich ihn abhalten müssen, von Ya und Ed Altgold anzunehmen.
124 
d) Die Kl hat für den Fall der Klagabweisung beantragt, dem EuGH die Fragen zur Entscheidung vorzulegen, ob erstens der Vorsteuerabzug auch dann zu versagen ist, wenn neben dem Käufer auch das Finanzamt von einem Betrug auf der Vorebene hätte wissen müssen, da dem Finanzamt die Lieferanten bekannt waren und das Finanzamt von der Betrugsanfälligkeit von Liefervorgängen im Goldbereich wusste, und zweitens, ob bei der Frage des Gutglaubensschutzes eine Bescheinigung des Finanzamts, in der dem Lieferanten dessen Steuernummer und/oder die Erfüllung steuerlicher Pflichten und/oder die steuerliche Unbedenklichkeit bescheinigt wird, in besonderer Weise bei der Frage des Gutglaubensschutzes im Bereich des Vorsteuerabzuges zu berücksichtigen ist.
125 
Der Senat hält die Vorlage an den EuGH nicht für erforderlich. Zu Frage 1 ist schon nicht ersichtlich, welche Lieferanten gemeint sind, die dem Finanzamt auf der „Vorebene“ bekannt gewesen sein sollen und zu welchem Zeitpunkt. Selbst wenn ein solcher Fall vorläge, könnte dies aber einen Steuerpflichtigen nicht entlasten, der hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachte Umsatz in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Wer rechtsmissbräuchlich handelt, kann sich nicht darauf berufen, er dürfe dies solange tun, bis er in seinem Handeln aufgehalten werde. Eine Bescheinigung des Finanzamts, in der dem Lieferanten dessen Steuernummer und/oder die Erfüllung steuerlicher Pflichten und/oder die steuerliche Unbedenklichkeit bescheinigt wird, ist selbstverständlich „in besonderer Weise“ bei der Frage des Gutglaubensschutzes im Bereich des Vorsteuerabzuges zu berücksichtigen. Allerdings bewirkt sie keine Bindungswirkung in der Weise, dass ohne Berücksichtigung der weiteren Umstände der Vorsteuerabzug bedingungslos zu gewähren wäre. Bei der Bewertung der Bescheinigung ist nicht nur der zeitliche Abstand zwischen ihrer Erteilung und der Gewerbeanmeldung zu berücksichtigen, sondern auch der Umstand, dass eine Steuernummer praktisch nicht verweigert werden kann (zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer siehe das EuGH-Urteil vom 14. März 2013 C-527/11, UR 2013, 392). Eine ebenso gewichtige Rolle für die an den Steuerpflichtigen zu stellenden Sorgfaltsanforderungen spielen Art und Höhe der Umsätze sowie das Auftreten und die persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften der Vertragspartner.
126 
6. Soweit in den Erwerben von „Maker“, „Öz“ und „Ba“ sowie von U, der Telefon GmbH, P und Me die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug fehlen, kann dieser Mangel nicht durch ein Schutz des guten Glaubens an deren Erfüllung korrigiert werden. Macht der Steuerpflichtige geltend, ihm sei der Vorsteuerabzug trotz Nichtvorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu gewähren, handelt es sich um einen Antrag auf eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO. Ein solcher ist im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes nicht vorgesehen (BFH, Beschluss vom 12. Dezember 2012 V B 70/12,BFH/NV 2013, 515 unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2010 V B 134/09, BFH/NV 2011, 326). Die Billigkeitsentscheidung ist zwar nach § 163 Satz 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden, gleichwohl sind Steuerfestsetzung und Billigkeitsentscheidung zwei Verwaltungsakte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 326). Im Streitfall war Gegenstand des Klageverfahrens nur die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides. In diesem Verfahren kann eine Billigkeitsmaßnahme nicht erreicht werden.
II.
127 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).
III.
128 
Die Revision wird nicht zugelassen. Ein Revisionsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO liegt nicht vor. Das Urteil des Senats bewegt sich innerhalb der einschlägigen Rechtsprechung des BFH und des EuGH.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist im Rahmen eines Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) die Rechtmäßigkeit von Steuerfestsetzungen des Streitjahres 2006, in denen ein Gewinn aus der Veräußerung von Aktien als steuerpflichtig erfasst ist.

2

Die von der Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) gegen entsprechende Festsetzungen des Beklagten, Revisionsbeklagten und Antragsgegners (Finanzamt --FA--) gerichtete Klage war erfolglos (Finanzgericht --FG-- Hamburg, Urteil vom 31. Januar 2011  2 K 6/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1091). Die vom FG zugelassene Revision ist beim erkennenden Senat anhängig (Az. I R 17/11).

3

Eine AdV ohne Anordnung einer Sicherheitsleistung in Höhe der in den Steuerbescheiden ausgewiesenen Steuerbeträge hat das FA abgelehnt. Dabei hat es auf einen Gewinnverteilungsbeschluss der Antragstellerin vom 13. November 2008 (Gewinnausschüttung in Höhe von 560.000 € an ihre Gesellschafterin) verwiesen, der nach dem Bekanntwerden eines Außenprüfervermerks (vom 11. Oktober 2008) zur Möglichkeit der einkommenserhöhenden Anwendung des § 8b Abs. 7 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) bei der Besteuerung der Antragstellerin gefasst worden sei. Unter dem 14. April 2011 hat das FA eine Vollstreckungsankündigung erlassen.

4

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2006 und des Bescheides über den Solidaritätszuschlag für Körperschaftsteuer 2006 sowie der korrespondierenden Zinsbescheide über den Gesamtbetrag von 326.976,16 € sowie die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides 2006 in Höhe eines Messbetrages von 49.525 € (Bescheide jeweils vom 22. April 2009 für das Jahr 2006) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Revision ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

5

Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.

Entscheidungsgründe

6

II. Der Antrag ist abzulehnen. Die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen des Streitjahres, die auf einer Anwendung des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG 2002 beruhen, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Die Vollziehung der Steuerbescheide ist für die Antragstellerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen Härte der Vollstreckung auszusetzen.

7

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind u.a. dann zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Eine AdV kommt im Übrigen auch in Betracht, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 FGO). Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Steuerpflichtigen führen würde.

8

2. Der Antrag ist zulässig. Der BFH ist mit Blick auf die beim erkennenden Senat anhängige Revision das Gericht der Hauptsache. Außerdem ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO erfüllt. Das FA hat die Gewährung einer AdV ohne Sicherheitsleistung abgelehnt und im Übrigen angedroht, die Steuerschuld zu vollstrecken (§ 69 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 FGO).

9

3. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 FGO, soweit das FA eine Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns unter Hinweis auf einen Erwerb der Anteile mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges aus § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG 2002 abgeleitet hat. Dazu verweist der Senat auf die Gründe des Senatsurteils im Revisionsverfahren I R 17/11 vom 26. Oktober 2011. Auch für die Zeit bis zum Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung bestanden auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine weiter gehenden Erfolgsaussichten für das Begehren der Antragstellerin, die es rechtfertigen könnten, die AdV für einen zeitlich begrenzten Zeitraum zu gewähren (s. dazu z.B. Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 200, Rz 190.1, m.w.N.).

10

4. Eine AdV der Steuerbescheide kommt im Streitfall schließlich nicht auf der Grundlage des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 FGO in Betracht.

11

a) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist auch bei Vorliegen einer unbilligen Härte der Vollstreckung eine AdV nur möglich, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides nicht ausgeschlossen werden können (BFH-Beschlüsse vom 2. November 2004 XI S 15/04, BFH/NV 2005, 490; vom 2. Juni 2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1834; vom 2. April 2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146). Dieser Grundsatz wird durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Oktober 2010  2 BvR 1710/10 (Deutsches Steuerrecht 2010, 2296) nicht berührt. Auch wenn das BVerfG in diesem Beschluss unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes eine AdV wegen einer unbilligen Härte der Vollstreckung angesichts einer drohenden Insolvenz des Steuerschuldners für erforderlich gehalten hat, hat es doch im Wesentlichen darauf abgestellt, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen der konkreten Besteuerung --und damit an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Festsetzung-- mit Blick auf entsprechende Stellungnahmen in der Fachliteratur und der Einwendungen des dortigen Antragstellers nicht von der Hand zu weisen seien.

12

b) Ob die Voraussetzungen einer unbilligen Härte der Vollstreckung im vorliegenden Fall erfüllt sind, kann offenbleiben. Jedenfalls scheidet eine AdV auf einer solchen Grundlage aus, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide nicht bestehen. Gegenstand der Einwendungen der Antragstellerin gegen das revisionsbefangene FG-Urteil ist auch nicht die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung im Streitfall; die Antragstellerin beruft sich vielmehr auf eine abweichende Würdigung des Sachverhalts bzw. eine Verletzung des Grundsatzes der Feststellungslast für steuerbelastende Tatbestände zu Lasten des FA.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.