Bundesverwaltungsgericht Urteil, 02. März 2015 - 9 C 7/14

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2015:020315U9C7.14.0
bei uns veröffentlicht am02.03.2015

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Erschließungsanlage B.straße im Gemeindegebiet der Beklagten.

2

Mit Bescheid vom 26. September 2011 zog die Beklagte den Kläger als Eigentümer des Grundstücks B.straße ... für die endgültig hergestellte Erschließungsanlage zu einem Beitrag von 25 404,93 € heran. Der Klage, mit der gerügt wurde, die Beklagte habe zu Unrecht bei der Ermittlung des Erschließungsaufwandes Kosten für die Bescheidberechnung und Bescheiderstellung durch ein Rechtsanwaltsbüro in Höhe von 1 785 € berücksichtigt, haben das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen stattgegeben. Die Kosten für die Einschaltung des Rechtsanwaltsbüros gehörten nicht zum umlagefähigen Erschließungsaufwand. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten.

3

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2013 und des Verwaltungsgerichts Gießen vom 23. April 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

4

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO), ist zulässig, aber nicht begründet. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

6

Das Berufungsgericht hat zu Recht die Kosten, die nach seiner Feststellung durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltsbüros mit der Berechnung der Erschließungsbeiträge und der Erstellung der Beitragsbescheide entstanden sind, nicht als "Kosten" im Sinne des § 128 Abs. 1 BauGB angesehen.

7

Nach §§ 127 ff. BauGB darf nur derjenige Aufwand auf die Beitragspflichtigen umgelegt werden, der zum "Erschließungsaufwand" im Sinne des § 128 Abs. 1 BauGB gehört. Dabei handelt es sich in erster Linie um Erwerbs- und Herstellungskosten der Gemeinde, Kosten für die (vertragliche) Übernahme von Anlagen als gemeindliche Anlagen und um den Wertersatz für von der Gemeinde bereitgestellte Flächen (BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1979 - 4 C 16.76 - Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 24 S. 18). Erfasst werden durch die Aufzählung in § 128 Abs. 1 BauGB nicht nur die Kosten, die im Bereich der Fläche der betreffenden Anlage selbst angefallen sind, sondern darüber hinaus auch sonstige von der erstmaligen Herstellung der betroffenen Anlage erforderte und in diesem Sinne "notwendige" Kosten (BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1989 - 8 C 86.87 - BVerwGE 82, 215 <219 f.> und vom 23. Februar 1990 - 8 C 75.88 - BVerwGE 85, 1 <3 f.>). § 128 Abs. 1 BauGB führt abschließend die Kosten auf, die in den beitragsfähigen Erschließungsaufwand eingehen (BVerwG, Urteile vom 22. Februar 1974 - 4 C 18.73 - Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 14 S. 26 und vom 4. Mai 1979 - 4 C 16.76 - Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 24 S. 18). Die Aufzählung der Vorgänge in § 128 Abs. 1 BauGB, die allein den Erschließungsaufwand kostenmäßig belasten dürfen, sagt allerdings noch nichts darüber aus, was im Einzelnen unter den Kosten dieser Vorgänge zu verstehen ist. Der Begriff der Kosten selbst wird im Gesetz nicht definiert, sondern ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung auszulegen (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1974 - 4 C 41.72 - BVerwGE 45, 215 <216>).

8

Gemessen hieran zählen die Rechtsanwaltskosten, die für die Berechnung von Erschließungsbeiträgen und die Erstellung der Heranziehungsbescheide entstanden sind, nicht zu den Kosten im Sinne des § 128 Abs. 1 BauGB. Diese Aufwendungen können zwar im vorliegenden Fall eindeutig und ausschließlich der Erschließungsanlage B.straße zugeordnet werden, weshalb sie nicht von vornherein aus dem Begriff der berücksichtigungsfähigen Verwaltungskosten ausscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1974 - 4 C 41.72 - BVerwGE 45, 215 <216 f.>). Es fehlt aber an dem für die Einbeziehung in den Kostenbegriff erforderlichen inneren Zusammenhang gerade mit der Herstellung der Erschließungsanlage. Die Aufwendungen für die Beitragsberechnung und Bescheiderstellung sind nicht durch die Herstellung der Erschließungsanlage als solche begründet. Sie sind weder Kosten "der" erstmaligen Herstellung noch Kosten "für" die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage. Es handelt sich bei ihnen vielmehr um Kosten, die der Gemeinde als Folge der erstmaligen Herstellung und des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht für die Umlegung des Erschließungsaufwandes entstehen. Sie unterfallen daher nicht dem Kostenbegriff des § 128 Abs. 1 BauGB (ebenso VGH München, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 6 ZB 03.385 - BayVBl. 2006, 471; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 13 Rn. 4; Becker, Erschließungsbeitragsrecht in der kommunalen Praxis, 2004, Rn. 247; Ruff, KStZ 2012, 226 <227, 231>; Eiding, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. 2014, § 128 Rn. 6.2; Kröninger/Kniest, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 3. Aufl. 2013, § 128 Rn. 4).

9

Die Kosten für die Beauftragung eines externen Dritten können auch nicht mit den von der Beklagten genannten Kosten für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 13 Rn. 57) oder die Herstellung von Abbiegespuren an einer Verbindungsstraße (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1990 - 8 C 75.88 - BVerwGE 85, 1 <3 f.>) verglichen werden. In beiden von der Beklagten herangezogenen Fällen handelt sich um Kosten "für" die Herstellung der Anlage, bei denen der innere Zusammenhang mit dem Herstellungsaufwand besteht, auch wenn dieser nicht auf der Fläche der betreffenden Erschließungsanlage selbst angefallen ist. Auch die von der Beklagten behaupteten Schwierigkeiten kleinerer Gemeinden bei der Berechnung des Erschließungsaufwandes und der Erstellung der Erschließungsbeitragsbescheide durch eigenes Personal können - die Richtigkeit der Behauptung unterstellt - nichts daran ändern, dass Aufwendungen für die Beauftragung eines externen Dritten mit diesen Tätigkeiten nicht zu den "durch die Erschließung erforderten Kosten" zählen, die die Gemeinde auf die Beitragspflichtigen umzulegen berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1990 - 8 C 75.88 - BVerwGE 85, 1 <4>; Reif/Rieche/Gloser, BWGZ 2005, 595 <604> und Ruff, ZKF 2013, 252 <252 f.>). Eine Berücksichtigung der Kosten für die Bescheiderstellung durch ein Rechtsanwaltsbüro oder einen anderen externen Dritten kommt im Übrigen auch deshalb nicht in Betracht, weil der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit die Gemeinde verpflichtet, ihre Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433, 2434/04 - BVerfGE 119, 331 <367, 372 f.>). Dies schließt es aus, ohne besondere gesetzliche Ermächtigung einen privaten Geschäftsbesorger mit der eigenständigen Erstellung von Beitragsbescheiden zu beauftragen (BVerwG, Urteil vom 23. August 2011 - 9 C 2.11 - BVerwGE 140, 245 Rn. 14). Soweit die Beklagte geltend macht, ihr Auftrag an das Rechtsanwaltsbüro habe sich nur auf die Überprüfung der Kosten und die Verteilung auf die erschlossenen Flächen erstreckt, während sie die Bescheide auf der Grundlage dieser Vorarbeiten selbst erstellt habe, steht dem die mit Verfahrensrügen nicht angegriffene und daher im Revisionsverfahren bindende (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellung des Berufungsgerichts entgegen, der angefochtene Bescheid enthalte Rechtsanwaltskosten für die Berechnung der Beiträge und die Bescheiderstellung. Abgesehen davon würde sich auch dann, wenn die umstrittenen Aufwendungen der Beklagten allein für die externe Ermittlung der Erschließungsbeiträge angefallen sein sollten, nichts an dem Ergebnis ändern, dass es sich aus den genannten Gründen um keine Kosten für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage handelt.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesverwaltungsgericht Urteil, 02. März 2015 - 9 C 7/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesverwaltungsgericht Urteil, 02. März 2015 - 9 C 7/14

Referenzen - Gesetze

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 02. März 2015 - 9 C 7/14 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 137


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung1.von Bundesrecht oder2.einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 125


(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung. (2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 141


Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. Die §§ 87a, 130a und 130b finden keine Anwendung.

Baugesetzbuch - BBauG | § 128 Umfang des Erschließungsaufwands


(1) Der Erschließungsaufwand nach § 127 umfasst die Kosten für 1. den Erwerb und die Freilegung der Flächen für die Erschließungsanlagen;2. ihre erstmalige Herstellung einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und ihre Beleuchtung;3. die

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. Die §§ 87a, 130a und 130b finden keine Anwendung.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Der Erschließungsaufwand nach § 127 umfasst die Kosten für

1.
den Erwerb und die Freilegung der Flächen für die Erschließungsanlagen;
2.
ihre erstmalige Herstellung einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und ihre Beleuchtung;
3.
die Übernahme von Anlagen als gemeindliche Erschließungsanlagen.
Der Erschließungsaufwand umfasst auch den Wert der von der Gemeinde aus ihrem Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung. Zu den Kosten für den Erwerb der Flächen für Erschließungsanlagen gehört im Falle einer erschließungsbeitragspflichtigen Zuteilung im Sinne des § 57 Satz 4 und des § 58 Absatz 1 Satz 1 auch der Wert nach § 68 Absatz 1 Nummer 4.

(2) Soweit die Gemeinden nach Landesrecht berechtigt sind, Beiträge zu den Kosten für Erweiterungen oder Verbesserungen von Erschließungsanlagen zu erheben, bleibt dieses Recht unberührt. Die Länder können bestimmen, dass die Kosten für die Beleuchtung der Erschließungsanlagen in den Erschließungsaufwand nicht einzubeziehen sind.

(3) Der Erschließungsaufwand umfasst nicht die Kosten für

1.
Brücken, Tunnels und Unterführungen mit den dazugehörigen Rampen;
2.
die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen sowie von Landstraßen I. und II. Ordnung, soweit die Fahrbahnen dieser Straßen keine größere Breite als ihre anschließenden freien Strecken erfordern.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.