Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 20. Okt. 2011 - 9 B 82/11, 9 B 82/11 (9 B 48/11)
Gericht
Gründe
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Der Senat ist zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufen, § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO. Ein Fall des § 45 Abs. 3 ZPO liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor.
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Der Antrag des Klägers auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit ist bereits unzulässig, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S. ist mit Erreichen der Altersgrenze aus dem Gericht ausgeschieden und wird deshalb an der Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht mehr mitwirken.
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Soweit der Antrag sich gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht D. richtet, ist er unbegründet. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 54 Abs. 1 VwGO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Eine rein subjektive Besorgnis, für die vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>). Hinreichende objektive Gründe, die bei vernünftiger Betrachtungsweise Anlass geben, an der Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu zweifeln, sind hier nicht gegeben.
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Der Kläger sieht einen Ablehnungsgrund vor allem darin, dass Richter am Bundesverwaltungsgericht D. das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes sowohl materiellrechtlich wie auch verfahrensrechtlich anders beurteilt als er selbst. Das gilt insbesondere für den Vorwurf, der im Rahmen der Gehörsrüge nach § 152a VwGO zu behandeln sein wird, der Richter habe die einschlägigen, vom Kläger angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 12. Januar 2005 - Vf. 3-VII-03 - nicht zur Kenntnis genommen oder sich bewusst über sie hinweggesetzt und deshalb nicht darauf abgestellt, dass Bundesverfassungsrecht selbstverständlich revisibles Bundesrecht sei, auch wenn hier eine gemeindliche Satzung in Rede stehe. Der abgelehnte Richter habe fortgesetzt Beweise vereitelt, indem er die Ablehnung aller Beweisanträge trotz Verstoßes gegen Bundesverfassungsrecht für rechtmäßig gehalten habe. Die Frage des Rechts auf Einsicht in Urkunden nach § 99 VwGO sei ebenfalls gesetzeswidrig und verfahrensfehlerhaft beurteilt worden. Die vor Erlass der Ausbaubeitragssatzung durchgeführten Maßnahmen seien "contra legem" der Beitragspflicht unterworfen worden.
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Der Kläger leitet damit seine Besorgnis der Befangenheit aus einer unterschiedlichen - d.h. von der seinigen abweichenden - Beurteilung der Rechtslage durch den abgelehnten Richter her. Dass ein abgelehnter Richter bei der rechtlichen Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, reicht indes regelmäßig nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen; das gilt selbst für irrige Ansichten (Beschluss vom 29. Mai 1991 - BVerwG 4 B 71.91 - NJW 1992, 1186 <1187> stRspr; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 54 Rn. 11b m.w.N.). Danach erweisen sich die vorstehend wiedergegebenen Ablehnungsgründe als nicht tragfähig. Im Beschluss vom 6. September 2011 findet sich - soweit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde veranlasst - eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Rügen der unzutreffenden Beurteilung der materiellen Rechtslage sowie der aufgeworfenen Verfahrensfragen wie der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung der Beweisaufnahme und der Anträge auf Beiziehung von Verwaltungsvorgängen und der Einsicht in diese nach § 99 VwGO. Dass dies Richter am Bundesverwaltungsgericht D. anders beurteilt als der Kläger, begründet keine Befangenheit. Soweit der Kläger rügt, die Anträge auf Beiziehung von Urkunden hätten nicht mit Verweis auf § 86 Abs. 2 VwGO abgelehnt werden dürfen, weil die Vorschrift auf den Urkundenbeweis nicht anwendbar sei, missversteht der Kläger den Inhalt der Entscheidung. Diese befasst sich insoweit mit seiner Rüge, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe verfahrensfehlerhaft die "Beweisanträge" des Klägers nicht gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorab beschieden.
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Soweit der Kläger sein Ablehnungsgesuch außerdem darauf stützt, dass im Beschluss vom 6. September 2011 (Rn. 15) seine Schriftsätze vom 7., 14. und 24. Juni 2011 nicht zur Kenntnis genommen worden seien, mit denen er sehr wohl das Problem "Sonnleitnergasse" vor dem Verwaltungsgerichtshof gerügt habe, kann ihm gleichfalls nicht gefolgt werden. Diese Schriftsätze sind erst nach Erlass des Berufungsurteils beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen und konnten deshalb in dem Urteil nicht berücksichtigt werden. Für die Frage, ob und inwieweit sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem erwähnten Problem befassen musste, sind sie daher ohne Belang und brauchten folglich unter diesem Aspekt auch nicht in dem Senatsbeschluss vom 6. September 2011 gewürdigt zu werden.
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Die Behauptung, es stehe eine Rechtsbeugung im Raum, ist abwegig, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 149 ZPO nicht in Betracht kommt.
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Annotations
(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.
(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.
(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.
(2) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.
(3) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.
(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.
(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.
(2) Das Gericht hat die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen.