Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 08. Nov. 2018 - 1 BvR 437/13

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20181108.1bvr043713
bei uns veröffentlicht am08.11.2018

Tenor

1. Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Oktober 2011 - L 8 LW 14/11 -, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 14. April 2011 - S 22 LW 3/09 -, der Widerspruchsbescheid der Landwirtschaftlichen Alterskasse Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2009 - 3 004 872 5 - und der Bescheid der Landwirtschaftlichen Alterskasse Nordrhein-Westfalen vom 9. September 2009 - 30048725 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz. Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Oktober 2011 - L 8 LW 14/11 - wird aufgehoben und das Verfahren an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen. Damit werden die Beschlüsse des Bundessozialgerichts vom 29. August 2012 - B 10 LW 7/12 B - und vom 3. Januar 2013 - B 10 LW 3/12 C - gegenstandslos.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 50.000 € (in Worten: fünfzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens (sog. Hofabgabeklausel) als Voraussetzung eines Rentenanspruchs nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

2

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat durch Beschluss vom 23. Mai 2018 - 1 BvR 97/14, 1 BvR 2392/14 -, www.bverfg.de, entschieden, dass § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG in der Fassung des Art. 17 Nr. 6 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554 <569>) mit Art. 14 Abs. 1 GG und in Verbindung mit § 21 Abs. 9 Satz 4 ALG in der Fassung des Art. 7 Nr. 1a des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl I S. 1127 <1132>) und in der Fassung des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz - LSV-NOG) vom 12. April 2012 (BGBl I S. 579 <589 f.>) mit Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar ist.

3

Die Begründung der vorliegenden Verfassungsbeschwerde entspricht dem bereits entschiedenen Verfahren 1 BvR 2392/14. Demnach war ebenso zu entscheiden.

4

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

5

Unter Berücksichtigung der subjektiven und objektiven Bedeutung des Verfahrens und seiner Förderung durch die anwaltliche Tätigkeit (vgl. BVerfGE 79, 365 <369 f.>) war der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 50.000 € festzusetzen.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Referenzen - Gesetze

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte - ALG | § 11 Regelaltersrente


(1) Landwirte haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn 1. sie die Regelaltersgrenze erreicht haben und2. sie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben. (2) Mitarbeitende Familienangehörige haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie 1. die Reg

Referenzen

(1) Landwirte haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn

1.
sie die Regelaltersgrenze erreicht haben und
2.
sie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.

(2) Mitarbeitende Familienangehörige haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie

1.
die Regelaltersgrenze erreicht haben und
2.
die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.

(3) Die Regelaltersgrenze wird mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.