Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 20. Mai 2013 - 1 BvR 1024/12

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2013:rk20130520.1bvr102412
bei uns veröffentlicht am20.05.2013

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Urteil des Kammergerichts, mit dem die vor dem Landgericht erfolgreiche Klage des Beschwerdeführers in zweiter Instanz überwiegend abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere gegen die Nichtzulassung der Revision.

2

1. Im Ausgangsverfahren machte der Beschwerdeführer vereinsrechtliche Auskunftsansprüche außerhalb der Mitgliederversammlung geltend; hilfsweise verlangte er Auskunft auf dem nächsten Verbandstag. Das Landgericht hielt den Hauptantrag für begründet und gab der Klage statt. Im Berufungsverfahren änderte das Kammergericht das landgerichtliche Urteil teilweise ab, fasste es neu und wies die Klage im Übrigen ab; Ausführungen zum Hilfsantrag machte es nicht. Die Revision wurde nicht zugelassen.

3

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 9 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Drei Monate nach Zustellung des angegriffenen Urteils hat er seine Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergänzt und unter Verweis auf den Geschäftsverteilungsplan eine fehlende Zuständigkeit des entscheidenden Senats gerügt.

II.

4

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie teilweise unzulässig und im Übrigen offensichtlich unbegründet ist.

5

1. Soweit die Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darauf gestützt wird, ein nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zuständiger Senat habe über die Berufung entschieden, ist sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG begründet worden. Neuer Sachverhalt kann nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden (vgl. BVerfGE 127, 87 <110> m.w.N.).

6

2. Den Rügen von Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht, soweit die Nichtzulassung der Revision wegen behaupteter Divergenz angegriffen wird, der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

7

a) Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen werden, um die Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 112, 50 <60> m.w.N., stRspr). Es ist daher geboten und auch zumutbar, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe sorgfältig zu prüfen und von ihnen Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind (vgl. BVerfGE 68, 376 <381>).

8

b) Der Beschwerdeführer musste danach einen Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 321 ZPO stellen. Mit diesem Rechtsbehelf hätten die mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen beseitigt werden können (vgl. zur Anhörungsrüge BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris, Rn. 6; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. November 2012 - 1 BvR 1526/12 - juris, Rn. 13). Im vorliegenden Fall war ein Verfahren nach § 321 ZPO auch nicht offensichtlich aussichtslos.

9

§ 321 ZPO dient der Ergänzung eines lückenhaften Urteils. Eine Urteilsergänzung kommt auch dann in Betracht, wenn über einen Anspruch versehentlich nur teilweise entschieden wurde oder ein geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch vom Gericht versehentlich übergangen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2009 - VIII ZR 29/09 -, NJW-RR 2010, S. 19 <20> m.w.N.).

10

Das Kammergericht hat über die Hilfsanträge nicht entschieden. Das ergibt sich bereits daraus, dass das Gericht zunächst noch auf ein auch vom Beschwerdeführer angeführtes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHZ 152, 339) Bezug nimmt und in Einklang damit den vom Beschwerdeführer (hilfsweise) geltend gemachten Anspruch ausdrücklich und ohne Ausnahme anerkennt, den dahingehenden (Hilfs-)Antrag dann jedoch nicht weiter erörtert.

11

Bei Erfolg des Ergänzungsantrags hätten die mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen beseitigt werden können. Erst das versehentliche Übergehen des Hilfsantrags führte zu dem mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung und zur Möglichkeit einer Verletzung von Art. 9 Abs. 1 GG. Wäre der Antrag nach § 321 ZPO gestellt worden, hätte das Kammergericht über den Hilfsantrag entscheiden müssen und es wäre nicht auszuschließen, dass es dem hilfsweise geltend gemachten Auskunftsbegehren stattgegeben hätte, nachdem es einen umfänglichen Auskunftsanspruch insoweit bereits ausdrücklich anerkannt hatte.

12

3. Soweit der Beschwerdeführer unter Berufung auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt, die Revision hätte wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden müssen, um die Voraussetzung für die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen außerhalb der Mitgliederversammlung zu klären, ist die Rüge unbegründet. Die Zulassung der Revision lag nicht nahe, weil mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung gegeben war. In dem vom Kammergericht zitierten Hinweisbeschluss hatte der Bundesgerichtshof unter Verweis auf die nahezu einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung diese Klärungsbedürftigkeit bereits verneint (BGH, Hinweisbeschluss vom 21. Juni 2010 - II ZR 219/09 - NZG 2010, S. 1430 <1431>).

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 90


(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321 Ergänzung des Urteils


(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Sept. 2009 - VIII ZR 29/09

bei uns veröffentlicht am 30.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 29/09 Verkündet am: 30. September 2009 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2010 - II ZR 219/09

bei uns veröffentlicht am 21.06.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 219/09 vom 21. Juni 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 37 a) Dem Mitglied eines Vereins steht ein Anspruch auf Offenbarung der Namen und Anschriften der Mitgliede

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(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der Zustellung des Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(3) Auf einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Hauptanspruch zum Gegenstand hat, ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Dem Gegner des Antragstellers ist mit der Ladung zu diesem Termin der den Antrag enthaltende Schriftsatz zuzustellen. Über einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Nebenanspruch oder den Kostenpunkt zum Gegenstand hat, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Eine mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 29/09 Verkündet am:
30. September 2009
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Übergeht ein Gericht einen von mehreren Klageanträgen, ist neben dem Ergänzungsverfahren
nach § 321 Abs. 1 ZPO auch der Rechtsmittelzug eröffnet
, wenn sich dieses Versäumnis nicht nur in einer bloßen Unvollständigkeit
der getroffenen Entscheidung erschöpft, sondern zu einem sachlich unrichtigen
Urteil (hier: umfassende Klageabweisung bei fehlendem Tatbestand)
führt (Weiterführung von BGH, Urteil vom 25. Juni 1996 - VI ZR 300/95,
NJW-RR 1996, 1238; Urteil vom 5. Februar 2003 - IV ZR 149/02, NJW 2003,
1463).
BGH, Urteil vom 30. September 2009 - VIII ZR 29/09 - LG Itzehoe
AG Pinneberg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im
schriftlichen Verfahren auf die bis zum 7. September 2009 gewechselten
Schriftsätze durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger,
Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 19. Dezember 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin hat vor dem Amtsgericht zunächst Klage auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung und auf Zahlung erhöhter Miete samt Nebenkosten erhoben. Nachdem die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten hatte, hat sich diese darauf berufen, durch den Erwerb des Mietobjekts Vermieterin geworden zu sein, und hat im Wege der Klageerweiterung die Feststellung ihrer Vermieterstellung und der Mietereigenschaft der Beklagten begehrt. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Feststellungsantrag anerkannt. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits haben die Parteien einen Teilvergleich über den Zustimmungsantrag und über die Zahlung einer erhöhten Kaltmiete geschlossen.
2
Mit Urteil vom 26. Juni 2008 hat das Amtsgericht die weitergehende Klage abgewiesen und der Klägerin 57% der Kosten auferlegt. Von der Darstellung des Tatbestands hat es nach § 313a ZPO abgesehen. Die Entscheidungsgründe befassen sich lediglich mit dem im Vergleich nicht geregelten Anspruch auf Zahlung höherer Nebenkosten und der Kostentragungspflicht.
3
Nach der am 3. Juli 2008 erfolgten Zustellung des Urteils hat die Klägerin mit Anwaltsschriftsatz vom gleichen Tag Antrag auf Ergänzung des Urteils um den anerkannten Feststellungsantrag gestellt und zudem eine erneute Kostenentscheidung verlangt. Mit Verfügung vom 30. Juli 2008 hat das Amtsgericht angekündigt, zunächst den Tatbestand nach § 320 ZPO um das Anerkenntnis der Beklagten zu ergänzen und anschließend eine Entscheidung über die beantragte Urteilsergänzung zu treffen.
4
Mit am 4. August 2008 (einem Montag) per Fax beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Berufung mit dem Ziel eingelegt, eine Ergänzung des angefochtenen Urteils um den übergangenen Feststellungsantrag und eine Änderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten zu erreichen. Nachdem das Amtsgericht mit Urteil vom 11. September 2008 dem Ergänzungsantrag der Klägerin entsprochen und ihr eine Kostentragungspflicht von nur noch 12 % auferlegt hatte, hat die Klägerin die Berufung in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Das Landgericht hat dem Erledigungsbegehren mit Urteil vom 19. Dezember 2008 stattgegeben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Verwerfung der Berufung als unzulässig.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Die ursprünglich zulässige und begründete Berufung habe sich durch das nachträglich verkündete Ergänzungsurteil des Amtsgerichts erledigt. Das Rechtsmittel sei nicht von vornherein wegen fehlender Beschwer der Klägerin unzulässig gewesen. Zwar sei eine Partei nicht schon dadurch beschwert, dass das Gericht nur über einen Teil ihres Begehrens entscheide. Die Klägerin sei aber deswegen durch das Urteil des Amtsgerichts vom 26. Juni 2008 beschwert gewesen, weil die Unvollständigkeit der Entscheidung diese auch unrichtig gemacht habe. Denn die vom Amtsgericht ausgesprochene Abweisung der Klage habe auch den von der Beklagten anerkannten Feststellungsantrag erfasst. Der Wortlaut der Entscheidungsformel sei insoweit eindeutig. Auch die Auslegung des Urteils lasse nicht klar erkennen, dass der Feststellungsantrag nur versehentlich übergangen worden sei.
8
Die Beschwer der Klägerin sei nicht durch die Ankündigung des Amtsgerichts vom 30. Juli 2008 entfallen, eine Urteilsergänzung vornehmen zu wollen. Hierbei habe es sich lediglich um eine unverbindliche Absichtserklärung gehandelt.
9
Der Klägerin habe auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung gefehlt. Denn sie habe ihr Ziel allein durch Stellung eines Ergänzungsantrags nicht ebenso sicher erreichen können wie mit einer zusätzlich gegen das ursprüngliche Urteil eingelegten Berufung.

II.

10
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend hat das Berufungsgericht die nach § 256 Abs. 1, § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Erklärung über die Erledigung der Berufung für begründet erachtet. Das von der Klägerin eingelegte Rechtsmittel war ursprünglich zulässig und begründet. Erst durch die dem Antrag auf Urteilsergänzung (§ 321 ZPO) stattgebende Entscheidung des Amtsgerichts ist die - die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersteigende - Beschwer der Klägerin entfallen und damit die Berufung nachträglich unzulässig geworden. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
11
1. Wird ein geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch vom Gericht versehentlich übergangen, ist das lückenhafte Urteil regelmäßig nicht bereits wegen seiner Unvollständigkeit inhaltlich fehlerhaft, vielmehr liegt lediglich eine ergänzungsbedürftige Teilentscheidung vor (vgl. RGZ 75, 286, 293; BGH, Urteil vom 15. Dezember 1952 - III ZR 102/52, MDR 1953, 164, 165; BAG, NJW 1994, 1428, unter II 2 f. aa; OLG Zweibrücken, FamRZ 1994, 972; ZMR 1999, 663; Musielak/Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 321 Rdnr. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 321 Rdnr. 2; MünchKommZPO/Musielak, 3. Aufl., § 321 Rdnr. 2; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 321 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 321 Rdnr. 27; Hk-ZPO/Saenger, 2. Aufl., § 321 Rdnr. 15; Rensen : in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 321 Rdnr. 43, jeweils m.w.N.). Eine Partei, deren Anspruch (noch) nicht beschieden worden ist, kann daher grundsätzlich - mangels Beschwer - keine Ergänzung der bislang unterbliebenen Entscheidung durch Einlegung eines Rechtsmittels verlangen, sondern nur eine Schließung der Lücke im Verfahren nach § 321 ZPO erreichen (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1979 - VI ZR 40/78, NJW 1980, 840, unter II 2 b; Urteil vom 5. Februar 2003 - IV ZR 149/02, NJW 2003, 1463, unter 1 a; BAG, aaO; Musielak /Musielak, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO; Reichold, aaO; Stein/Jonas/ Leipold, aaO; Hk-ZPO/Saenger, aaO; Rensen, aaO, jeweils m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. In einigen Fällen kommt es zu Überschneidungen des Ergänzungsverfahrens nach § 321 ZPO mit den der Überprüfung der sachlichen Richtigkeit einer Entscheidung dienenden Rechtsmitteln.
12
a) Der Gesetzgeber hat durch die in § 302 Abs. 2, § 599 Abs. 2, § 716, § 721 Abs. 1 Satz 3 ZPO angeordneten Verweisungen anerkannt, dass ein Urteil durch die Übergehung unselbständiger Teile der Entscheidung sowohl unvollständig im Sinne des § 321 ZPO als auch inhaltlich unrichtig sein kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25. Juni 1996 - VI ZR 300/95, NJW-RR 1996, 1238, unter II 1 a; Urteil vom 05. Februar 2003, aaO, unter 2 b, jeweils m.w.N.). Nach einhelliger Auffassung ist der betroffenen Partei in diesen Fällen sowohl der Rechtsmittelzug als auch eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO eröffnet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1996, aaO; Urteil vom 5. Februar 2003, aaO; Urteil vom 16. Dezember 2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351, Tz. 9; OLG Schleswig , MDR 2005, 350; Musielak/Musielak, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO; Reichold , aaO; Stein/Jonas/Leipold, aaO; Hk-ZPO/Saenger, aaO; Rensen, aaO, jeweils m.w.N.).
13
b) Ein Nebeneinander von Rechtsmittel- und Ergänzungsverfahren wird über die vorgenannten ausdrücklichen Regelungen hinaus auch für andere Fälle versehentlichen Übergehens unselbständiger Entscheidungsteile - insbesondere von Kostenaussprüchen (hierbei ist allerdings § 99 Abs. 1 ZPO zu beachten ) - bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1996, aaO, unter II 1 b, c, m.w.N; Urteil vom 16. Dezember 2005, aaO, Tz. 10 ff.; OLG Schleswig, aaO; OLG Dresden, OLG-NL 2005, 281; Musielak/Musielak, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO; Reichold, aaO, Rdnr. 1, 3; Stein/Jonas/Leipold, aaO, jeweils m.w.N.). Nichts anderes kann dann gelten, wenn einer von mehreren Klaganträgen (also ein Hauptanspruch) übergangen wird, sich dieses Versäumnis aber nicht in der Unvollständigkeit der Entscheidung erschöpft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - VII ZR 176/05, BauR 2007, 431), sondern darüber hinaus - wie im Streitfall - zu der inhaltlich unrichtigen Abweisung eines anerkannten Feststellungsantrags führt. Denn auch in einem solchem Fall hängen die - durch § 321 ZPO zu beseitigende - Unvollständigkeit und die - im Wege der Rechtsmittelanfechtung zu bekämpfende - sachliche Unrichtigkeit der ergangenen Entscheidung untrennbar zusammen. Diese Fallgestaltung entspricht zwar - wie oben unter 1. aufgezeigt - nicht der Regel, sie kann aber - wie der vorliegende Sachverhalt zeigt - durchaus in der Praxis vorkommen. Zur Korrektur inhaltlich fehlerhafter Entscheidungen hat die Zivilprozessordnung ausschließlich die Beschreitung des Rechtsmittelwegs vorgesehen. Dass daneben - wegen der Unvollständigkeit der Entscheidung - auch eine Ergänzung nach § 321 ZPO in Betracht kommt, führt schon angesichts der nur auf Lückenschließung gerichteten Zielsetzung dieser Regelung nicht zur Verdrängung der allgemeinen Rechtsmittelvorschriften. Zudem sind keine stichhaltigen Gründe dafür ersichtlich , einer betroffenen Partei beim Übergehen von Nebenentscheidungen mehr Rechte einzuräumen als bei einer - ebenfalls zur sachlichen Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung führenden - Übergehung eines selbständigen Antrags. Das letztgenannte Versäumnis trifft die Partei häufig härter als die Außerachtlassung von Nebenpunkten.
14
c) Im Streitfall rief das Übergehen eines Klagantrags nicht nur eine Entscheidungslücke hervor, sondern führte - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - zugleich zu einer inhaltlichen Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung. Das Amtsgericht hat nach dem umfassenden Wortlaut seiner Urteilsformel das gesamte Prozessbegehren der Klägerin und damit auch den von der Beklagten anerkannten (§ 307 ZPO) Feststellungsantrag der Klägerin abgewiesen. Dass sich die Abweisung nur auf den weiteren Klagantrag - soweit dieser nicht bereits durch Teilvergleich erledigt war - bezog, ergab sich aus dem Urteil nicht mit hinreichender Deutlichkeit.
15
aa) Zwar können zur Auslegung der Urteilsformel auch Tatbestand, Entscheidungsgründe und in geeigneten Fällen das zugrunde liegende Parteivorbringen herangezogen werden (BGH, Urteil vom 15. Juni 1982 - VI ZR 179/80, NJW 1982, 2257, unter II; Urteil vom 16. März 1999 - XI ZR 209/98, NJW-RR 1999, 1006, unter II 2; Urteil vom 16. April 2002 - KZR 5/01, WRP 2002, 1082, unter II 2 a, jeweils m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Urteilsformel Anlass zu Zweifeln gibt. Zudem ist eine solche Auslegung nur begrenzt möglich; sie hat sich im Interesse der Rechtssicherheit allein an das zu halten, was der Richter erkennbar zum Ausdruck gebracht hat (BGH, Urteil vom 15. Juni 1982, aaO; Urteil vom 16. April 2002, aaO, jeweils m.w.N.).
16
bb) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt sich der Entscheidungsformel nicht im Wege der Auslegung entnehmen, dass der Feststellungsantrag von der Klageabweisung nicht erfasst sein sollte. Das Amtsgericht hat von der Darstellung des Tatbestandes unter Hinweis auf die nicht erfüllten Voraussetzungen des § 313a ZPO abgesehen. Für die Parteien erschloss sich damit aus dem Urteil nicht, mit welchen prozessualen Ansprüchen sich das Gericht befasst hat. Auch die Entscheidungsgründe des Urteils lassen nicht mit der aus Gründen der Rechtssicherheit zu fordernden Gewissheit erkennen , dass sich die Klageabweisung nicht auf den zusätzlich gestellten und anerkannten Feststellungsantrag erstrecken sollte. Darüber, über welches Prozessbegehren entschieden worden ist, können regelmäßig nicht die Entscheidungsgründe allein zuverlässig Aufschluss gegeben. Es ist Aufgabe des Tatbestandes und nicht der Entscheidungsgründe, den Umfang der erhobenen Ansprüche zu bezeugen (§ 313 Abs. 2, 3 ZPO). Die Entscheidungsgründe enthalten nur die für deren Beurteilung erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO). Wenn ein bestimmter Antrag in den Entscheidungsgründen eines - nicht mit einem Tatbestand versehenen - Urteils keine Erwähnung gefunden hat, bedeutet dies also nicht notwendigerweise, dass das Gericht den Antrag versehentlich übergangen und deswegen keine Ausführungen hierzu für erforderlich gehalten hat.
17
cc) Im Streitfall lässt sich aus den Entscheidungsgründen jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit eine Einschränkung der ausgesprochenen Klageabweisung auf den neben dem Zwischenfeststellungsantrag verfolgten Leistungsantrag entnehmen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, das Schweigen der Entscheidungsgründe könne auch darauf beruhen, dass das Gericht zwar die Abweisung aller Anträge beabsichtigte, jedoch die hierfür erforderliche Begründung unterlassen hat. Letzteres mag zwar wenig wahrscheinlich gewesen sein, auszuschließen war diese Möglichkeit jedoch nicht (etwa Abweisung des anerkannten Antrags wegen Fehlens oder Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses). Eine einschränkende Auslegung der in der Entscheidungsformel zum Ausdruck gekommenen umfassenden Abweisung der von der Klägerin gestellten Anträge scheidet damit aus. Durch die nachteilige Abweichung des rechtskraftfähigen Inhalts der angefochtenen Entscheidung von ihren erstinstanzlichen Anträgen ist die Klägerin formell beschwert.
18
2. Die Beschwer der Klägerin ist nicht vor Einlegung der Berufung durch die Ankündigung des Amtsgerichts weggefallen, eine Tatbestandsergänzung nach § 320 ZPO vorzunehmen und anschließend im schriftlichen Verfahren über den Ergänzungsantrag nach § 321 ZPO zu entscheiden. Denn dem Amtsgericht blieb es trotz dieser Ankündigung unbenommen, seine Rechtsansicht zu ändern und den Ergänzungsantrag abschlägig zu bescheiden. Daher ist die Beschwer der Klägerin erst mit der Verkündung des Ergänzungsurteils am 11. September 2008 entfallen.
19
3. Der Klägerin fehlte für die Berufung auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
20
a) Regelmäßig ergibt sich bereits aus dem Vorliegen der Beschwer das Vorhandensein eines Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BGHZ 57, 224, 225; Zöller /Heßler, aaO, Vor § 511 Rdnr. 11). Ausnahmsweise kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn das verfolgte Begehren auf einem einfacheren Weg zu erlangen ist (vgl. BGHZ 111, 168, 171). Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf die betroffene Partei jedoch nicht verwiesen werden (BGHZ aaO, 171 f.; BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 120/93, NJW 1994, 1351, unter I 2 b).
21
b) So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen , dass der Klägerin im Hinblick auf § 321 ZPO kein einfacherer und ebenso sicherer Weg zur Verfügung stand (so auch Stein/Jonas/Leipold, aaO; aA OLG Zweibrücken, FamRZ 1994, 972, 973). Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage den Ergänzungsantrag unter Hinweis darauf zurückweisen würde, der Feststellungsantrag sei von ihm bewusst abgewiesen worden, so dass für eine Urteilsergänzung kein Raum sei. Auch wenn das die Ergänzung ablehnende Urteil seinerseits wieder mit der Berufung anfechtbar gewesen wäre, hätte das Rechtsmittelgericht angesichts der gegenteiligen Erklärung des erstinstanzlichen Richters nicht von einer unbeabsichtigten Entscheidungslücke ausgehen dürfen. Demgegenüber ist es für die im Streitfall zu beurteilende Berufung ohne Bedeutung, ob der Feststellungsantrag bewusst oder unabsichtlich abgewiesen wurde. Denn vorliegend ist allein die sachliche Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung maßgebend und damit nicht - wie bei einer Berufung gegen ein abweisendes Ergänzungsurteil - zu prüfen, ob der erstinstanzliche Richter unbewusst eine lückenhafte Entscheidung getroffen hat. Diesen Unterschied ver- kennt die Revision, die die Klägerin allein auf § 321 ZPO und ein hiergegen eröffnetes Rechtsmittel verweisen will.
22
Hinzu kommt, dass die Klägerin neben der Ergänzung der Urteilsformel in der Hauptsache auch eine Änderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten verlangt hat. Es war nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht diesem - nach den Grundsätzen des § 319 ZPO zu beurteilenden - Anliegen nicht oder nicht in vollem Umfang Rechnung tragen würde. In Rechtsprechung und im Schrifttum ist umstritten, ob eine Berichtigung der Hauptsacheentscheidung auch eine Abänderung der ursprünglichen Kostenentscheidung zulässt (vgl. zum Meinungsstand Zöller/Vollkommer, aaO, § 319 Rdnr. 18, m.w.N.; vgl. ferner Proske, Die Urteilsberichtigung gem. § 319 ZPO, 2002, S. 107 ff., m.w.N.). Dem Berufungsgericht wäre dagegen eine uneingeschränkte Überprüfung der Kostenentscheidung möglich gewesen. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Pinneberg, Entscheidung vom 26.06.2008 - 68 C 54/07 -
LG Itzehoe, Entscheidung vom 19.12.2008 - 9 S 87/08 -

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 219/09
vom
21. Juni 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Dem Mitglied eines Vereins steht ein Anspruch auf Offenbarung der Namen und
Anschriften der Mitglieder des Vereins zu, wenn es ein berechtigtes Interesse
darlegen kann, dem kein überwiegendes Interesse des Vereins oder berechtigte
Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen.

b) Ein berechtigtes Interesse eines Vereinsmitglieds, Kenntnis von Namen und Anschriften
der übrigen Mitglieder zu erhalten, kann auch außerhalb des unmittelbaren
Anwendungsbereichs des § 37 BGB bestehen, wenn das Mitglied nach dem
Umständen des konkreten Falles die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen
ausnahmsweise benötigt, um das sich aus seiner Mitgliedschaft ergebende
Recht auf Mitwirkung an der Willensbildung im Verein wirkungsvoll ausüben zu
können.
BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 - II ZR 219/09 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Juni 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Strohn, Caliebe,
Dr. Reichart und Dr. Drescher
einstimmig beschlossen:
1. Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt , die Revision gemäß § 552 a ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. 2. Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

1
Das Berufungsgericht hat die Revision zu Unrecht zugelassen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
2
1. Klärungsbedürftige Grundsatzfragen stellen sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht.
3
Anders als das Berufungsgericht meint, kommt der Rechtssache nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Bundesgerichtshof bisher noch nicht entschieden hat, ob einzelne Mitglieder eines Vereins die Offenbarung von Daten der übrigen Mitglieder nur im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 37 BGB verlangen können oder bei einem berechtigten Interesse auch unabhängig von einem konkreten Minderheitsbegehren. Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (st.Rspr. vgl. nur BGHZ 151, 221, 223 f.; 154, 288, 291 ff.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden ist und in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie in der Literatur in gewissem Umfang umstritten ist (BGH, Beschl. v. 21. September 2009 - II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Tz. 3; v. 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 Tz. 3). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (BGH, Beschl. v. 8. Februar 2010 aaO).
4
Dies ist hier nicht der Fall. Nach nahezu einhelliger Meinung in der Literatur steht einem Vereinsmitglied kraft seines Mitgliedschaftsrechts ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zu, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen (Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl. § 38 Rdn. 17; Sauter/Schweyer/ Waldner, Der eingetragene Verein 18. Aufl. Rdn. 336; Burhoff, Vereinsrecht 7. Aufl. Rdn. 143 a; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 10. Aufl. Rdn. 1380; ders. Vereins- und Verbandsrecht 12. Aufl. Rdn. 1478; Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl. § 38 Rdn. 1 a; kritisch Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht 9. Aufl. Rdn. 306; a.A. wohl Haas-Scholl, Festschrift Hadding 2004, S. 365, 379 f., nach deren Meinung die Ausübung der Mitwirkungsrechte auf die Mitgliederversammlung beschränkt ist). Zu den Büchern und Urkunden des Vereins zählt auch die Mitgliederliste (so ausdrücklich Burhoff aaO; Sauter/ Schweyer/Waldner aaO; BGH, Beschl. v. 21. September 2009 aaO Tz. 8). Sind die Informationen, die sich das Mitglied durch Einsicht in die Unterlagen des Vereins beschaffen kann, in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann es zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck der geforderten Informationen oder auch deren Übermittlung in elektronischer Form verlangen (BGH, Beschl. v. 21. September 2009 aaO Tz. 9; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer 5. Aufl. § 716 Rdn. 8, jeweils zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Schaffland, NJW 1994, 503, 504 zur Genossenschaft).
5
In Übereinstimmung mit der Literatur billigt auch die Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, nahezu einstimmig dem einzelnen Vereinsmitglied einen Anspruch auf Einsicht bzw. Herausgabe der Mitgliederliste jedenfalls dann zu, wenn es ein berechtigtes Interesse geltend machen kann (OLG Saarbrücken, NZG 2008, 677 f.; OLG München, Urt. v. 15. November 1990 - 19 U 3483/90 juris Tz. 6 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 18. Februar 1991 - 1 BvR 185/91 juris Tz. 3; a.A. AG Bremen, Urt. v. 28. November 2005 - 1 C 61/05 juris Tz. 12 f., 16). Aus der von der Revision angeführten Entscheidung des LG Frankfurt (NZG 2009, 986 Tz. 53 ff.) ergibt sich ebenso wenig Gegenteiliges wie aus dem vom Berufungsgericht erwähnten Urteil des Kammergerichts (NZG 2005, 83). Abgesehen davon, dass beide Entscheidungen keinen Verein, sondern eine Publikums-KG betreffen, hat das Kammergericht in der letztgenannten Entscheidung einen - im Verfahren der einstweiligen Verfügung - geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe der Gesellschafterliste lediglich deshalb verneint, weil kein Verfügungsgrund gegeben sei. Schließlich lässt sich auch der von der Revision angeführten Entschei- dung des Senats (BGHZ 152, 339) nichts Abweichendes entnehmen. Der Senat hat dort ausgesprochen, dass den Vereinsmitgliedern in der Mitgliederversammlung ein Auskunftsrecht über alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Vereins zusteht. Damit ist über ein Einsichtsrecht der Vereinsmitglieder in die Unterlagen des Vereins außerhalb der Mitgliederversammlung nichts gesagt.
6
Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse des einzelnen Vereinsmitglieds anzunehmen ist, Kenntnis von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt generellen Klärung zugänglich, sondern aufgrund der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu beurteilen. Ein solches Interesse ist jedenfalls gegeben, wenn es darum geht, das nach der Satzung oder nach § 37 BGB erforderliche Stimmenquorum zu erreichen, um von dem in dieser Vorschrift geregelten Minderheitenrecht, die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu verlangen, Gebrauch zu machen. Es kann jedoch selbstverständlich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 37 BGB zu bejahen sein, wenn aufgrund der Umstände des konkreten Falles die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen ausnahmsweise erforderlich sind, um das sich aus der Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der vereinsrechtlichen Willensbildung wirkungsvoll ausüben zu können (OLG Saarbrücken aaO; OLG München, Urt. v. 15. November 1990 - 19 U 3483/90 juris Tz. 7).
7
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
8
Das Berufungsgericht hat den Klägern ohne Rechtsfehler einen Anspruch auf Herausgabe der Mitgliederliste in Form einer elektronischen Datei an einen Treuhänder zuerkannt.
9
a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass den Klägern als Mitgliedern des Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der Mitgliederliste zusteht, wenn sie ein berechtigtes Interesse daran haben. Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre gegenteilige Ansicht auf den angeblichen Willen des Gesetzgebers bei der Reform des § 31 GenG durch das Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren (Registerverfahrensbeschleunigungs -Gesetz v. 24. Dezember 1993, BGBl. I S. 2182), wonach ein Genosse zwar Einsicht in das Genossenschaftsregister, eine Abschrift jedoch nur für die seine Person betreffenden Daten verlangen kann. Aus der Gesetzesbegründung zu § 31 GenG (BT-Drucks. 360/93 S. 336) ergibt sich das Gegenteil. Denn dort wird gerade klargestellt, dass das Recht der Genossenschaftsmitglieder unberührt bleibt, jedenfalls dann eine Abschrift der gesamten Adressen zu erhalten, wenn ein rechtfertigender Anlass dazu besteht (vgl. Schaffland, NJW 1994, 503 f.).
10
Ebenso wenig verhilft der Revision der Hinweis auf § 67 Abs. 6 AktG zum Erfolg, der das Auskunftsrecht des Namensaktionärs über die im Aktienregister eingetragenen Daten - in Abänderung von § 67 Abs. 5 AktG a.F., der ein allgemeines Einsichtsrecht des Aktionärs in das Aktienbuch statuierte - auf seine eigenen Daten beschränkt. Hierbei handelt es sich um eine Besonderheit des Aktienrechts, die auf das Vereinsrecht nicht übertragbar ist.
11
Ferner lässt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 31 GenG und § 67 Abs. 5 AktG a.F., ebenso auch in § 51 a GmbHG, das Einsichtsrecht - anders als beim Verein - positiv geregelt hat(te), nichts herleiten. Hierbei handelt es sich um historisch bedingte Zufälligkeiten, die nicht die Annahme rechtfertigen können, das Fehlen entsprechender Regelungen sei Ausdruck eines anders lautenden gesetzgeberischen Willens.
12
b) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler ein - in ihrem Mitgliedschaftsrecht begründetes - rechtliches Interesse der Kläger an der Überlassung der Mitgliederliste an einen Treuhänder bejaht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bietet die Mitgliederversammlung des Beklagten, an der nur ein verschwindend kleiner Teil der mehr als 50.000 Mitglieder teilnimmt, den Klägern kein ausreichendes Forum, um aus Anlass einer - aus ihrer Sicht vom neuen Vorstand vollzogenen - Richtungsänderung des Beklagten einen maßgeblichen Teil der anderen Vereinsmitglieder zu dem Zweck zu erreichen, diesen ihre hiergegen gerichteten Bedenken zur Kenntnis bringen und gegebenenfalls eine Opposition gegen die eingeschlagene Richtung organisieren zu können.
13
Entgegen der Auffassung der Revision müssen sich die Kläger nicht darauf verweisen lassen, mit anderen Mitgliedern über das vom Beklagten eingerichtete Internetforum oder die Mitgliederzeitung in Kontakt zu treten oder ihr Anliegen durch Beteiligung an dem Mitgliederbeirat zu verfolgen. Vielmehr hat das Berufungsgericht fehlerfrei entschieden, dass es unter den hier gegebenen Umständen den Klägern überlassen bleiben muss, auf welchem Weg und an welche Mitglieder sie herantreten wollen, um - aus ihrer Sicht - Erfolg versprechend auf die vereinsrechtliche Willensbildung Einfluss nehmen zu können (vgl. OLG München, Urt. v. 15. November 1990 - 19 U 3483/90 juris Tz. 7).
14
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten und seinen Mitgliedern berechtigte, dem Anspruch der Kläger auf Herausgabe der Mitgliederliste an einen Treuhänder entgegenstehende Interessen abgesprochen, auf die der Beklagte - auch als angeblicher Sachwalter der Interessen seiner Mitglieder - seine Weigerung gestützt hatte, dem Verlangen der Kläger nachzukommen. Solche schützenswerte Belange sind hier schon deshalb nicht ersichtlich, weil das Berufungsgericht antragsgemäß den Beklagten lediglich zur Herausgabe der Mitgliederliste an einen Treuhänder verurteilt hat, die Kläger selbst somit keinen Einblick in die Liste erhalten und zudem der Treuhänder einen etwaigen Widerspruch einzelner Mitglieder gegen die Weiterleitung der von den Klägern verfassten Schreiben zu beachten hat. Ein weitergehendes schützenswertes Geheimhaltungsinteresse des Beklagten oder seiner Mitglieder ist weder allgemein noch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 18. Februar 1991 - 1 BvR 185/91 juris Tz. 3; Gola/ Schomerus, BDSG 9. Aufl. § 28 Rdn. 27 a). Die Vereinsmitglieder sind mit ihrem Beitritt zum Beklagten, der einen bestimmten Zweck verfolgt - insoweit vergleichbar mit dem Beitritt zu einer Publikumspersonengesellschaft (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 21. September 2009 aaO) - in eine gewollte Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend unbekannten Mitgliedern des Beklagten getreten, zu denen auch die Kläger zählen (Reichert, Handbuch des Vereins - und Verbandsrechts aaO Rdn. 657; OLG Saarbrücken aaO; vgl. auch BayVGH, Urt. v. 5. Oktober 1998 - 21 ZE 98.2707 juris Tz. 13). Sie haben es deshalb jedenfalls hinzunehmen, dass die Kläger in berechtigter Verfolgung vereinspolitischer Ziele mittelbar über einen Treuhänder an sie herantreten, wenn sie nicht von dem ihnen eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch machen (vgl. OLG München, Urt. v. 15. November 1990 aaO Tz. 6; BVerfG, Beschl. v. 18. Februar 1991 - 1 BvR 185/91 aaO Tz. 3). Dies ist ihnen, anders als die Revision meint, ohne weiteres zuzumuten, wenn sie ungeachtet der zu den Klägern bestehenden Rechtsgemeinschaft eine solche Kontaktaufnahme ablehnen.
Goette Strohn Caliebe Reichart Drescher
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 25. Oktober 2010 erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 03.01.2008 - 319 O 135/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.08.2009 - 6 U 38/08 -