Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 20. Mai 2013 - 1 BvR 1024/12

ECLI: ECLI:DE:BVerfG:2013:rk20130520.1bvr102412
published on 20/05/2013 00:00
Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 20. Mai 2013 - 1 BvR 1024/12
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Gericht

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Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Urteil des Kammergerichts, mit dem die vor dem Landgericht erfolgreiche Klage des Beschwerdeführers in zweiter Instanz überwiegend abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere gegen die Nichtzulassung der Revision.

2

1. Im Ausgangsverfahren machte der Beschwerdeführer vereinsrechtliche Auskunftsansprüche außerhalb der Mitgliederversammlung geltend; hilfsweise verlangte er Auskunft auf dem nächsten Verbandstag. Das Landgericht hielt den Hauptantrag für begründet und gab der Klage statt. Im Berufungsverfahren änderte das Kammergericht das landgerichtliche Urteil teilweise ab, fasste es neu und wies die Klage im Übrigen ab; Ausführungen zum Hilfsantrag machte es nicht. Die Revision wurde nicht zugelassen.

3

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 9 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Drei Monate nach Zustellung des angegriffenen Urteils hat er seine Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergänzt und unter Verweis auf den Geschäftsverteilungsplan eine fehlende Zuständigkeit des entscheidenden Senats gerügt.

II.

4

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie teilweise unzulässig und im Übrigen offensichtlich unbegründet ist.

5

1. Soweit die Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darauf gestützt wird, ein nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zuständiger Senat habe über die Berufung entschieden, ist sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG begründet worden. Neuer Sachverhalt kann nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden (vgl. BVerfGE 127, 87 <110> m.w.N.).

6

2. Den Rügen von Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht, soweit die Nichtzulassung der Revision wegen behaupteter Divergenz angegriffen wird, der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

7

a) Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen werden, um die Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 112, 50 <60> m.w.N., stRspr). Es ist daher geboten und auch zumutbar, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe sorgfältig zu prüfen und von ihnen Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind (vgl. BVerfGE 68, 376 <381>).

8

b) Der Beschwerdeführer musste danach einen Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 321 ZPO stellen. Mit diesem Rechtsbehelf hätten die mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen beseitigt werden können (vgl. zur Anhörungsrüge BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris, Rn. 6; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. November 2012 - 1 BvR 1526/12 - juris, Rn. 13). Im vorliegenden Fall war ein Verfahren nach § 321 ZPO auch nicht offensichtlich aussichtslos.

9

§ 321 ZPO dient der Ergänzung eines lückenhaften Urteils. Eine Urteilsergänzung kommt auch dann in Betracht, wenn über einen Anspruch versehentlich nur teilweise entschieden wurde oder ein geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch vom Gericht versehentlich übergangen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2009 - VIII ZR 29/09 -, NJW-RR 2010, S. 19 <20> m.w.N.).

10

Das Kammergericht hat über die Hilfsanträge nicht entschieden. Das ergibt sich bereits daraus, dass das Gericht zunächst noch auf ein auch vom Beschwerdeführer angeführtes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHZ 152, 339) Bezug nimmt und in Einklang damit den vom Beschwerdeführer (hilfsweise) geltend gemachten Anspruch ausdrücklich und ohne Ausnahme anerkennt, den dahingehenden (Hilfs-)Antrag dann jedoch nicht weiter erörtert.

11

Bei Erfolg des Ergänzungsantrags hätten die mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen beseitigt werden können. Erst das versehentliche Übergehen des Hilfsantrags führte zu dem mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung und zur Möglichkeit einer Verletzung von Art. 9 Abs. 1 GG. Wäre der Antrag nach § 321 ZPO gestellt worden, hätte das Kammergericht über den Hilfsantrag entscheiden müssen und es wäre nicht auszuschließen, dass es dem hilfsweise geltend gemachten Auskunftsbegehren stattgegeben hätte, nachdem es einen umfänglichen Auskunftsanspruch insoweit bereits ausdrücklich anerkannt hatte.

12

3. Soweit der Beschwerdeführer unter Berufung auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt, die Revision hätte wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden müssen, um die Voraussetzung für die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen außerhalb der Mitgliederversammlung zu klären, ist die Rüge unbegründet. Die Zulassung der Revision lag nicht nahe, weil mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung gegeben war. In dem vom Kammergericht zitierten Hinweisbeschluss hatte der Bundesgerichtshof unter Verweis auf die nahezu einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung diese Klärungsbedürftigkeit bereits verneint (BGH, Hinweisbeschluss vom 21. Juni 2010 - II ZR 219/09 - NZG 2010, S. 1430 <1431>).

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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published on 30/09/2009 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 29/09 Verkündet am: 30. September 2009 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
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(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der Zustellung des Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(3) Auf einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Hauptanspruch zum Gegenstand hat, ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Dem Gegner des Antragstellers ist mit der Ladung zu diesem Termin der den Antrag enthaltende Schriftsatz zuzustellen. Über einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Nebenanspruch oder den Kostenpunkt zum Gegenstand hat, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Eine mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.