Bundessozialgericht Beschluss, 24. Mai 2012 - B 9 V 4/12 B

bei uns veröffentlicht am24.05.2012

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Beschwerdeverfahren.

Gründe

1

I. Die 1957 geborene Klägerin beansprucht von dem beklagten Land Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen der Folgen eines in der Zeit vor 1973 jahrelang erlittenen sexuellen Missbrauchs durch ihren Vater.

2

Den im September 2006 gestellten Versorgungsantrag der Klägerin lehnte das beklagte Land nach Durchführung von Ermittlungen mit Bescheid vom 28.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2007 ab, weil es nicht als erwiesen angesehen werden könne, dass die Klägerin infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung iS des § 1 Abs 1 OEG erlitten habe. Die Klägerin habe ihren Antrag auf Leistungen mehr als 30 Jahre nach dem Tod des Vaters und den erklärten letzten Schädigungshandlungen gestellt. Zeugen für die Vorfälle gebe es nicht. Die Klägerin selbst habe in ihrem Antrag angegeben, sie wisse nicht mehr, was "hinter der verschlossenen Tür geschah". Es lägen also ausschließlich die Angaben der Klägerin gegenüber den behandelnden Ärzten (nach 1990) vor. Die Mutter und die Schwester der Klägerin könnten nur wiedergeben, was diese ihnen selbst berichtet habe.

3

Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht Freiburg (SG) hat die Klägerin persönlich angehört, ihre Schwester R. Q. als Zeugin vernommen sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. S., eingeholt. Durch Urteil vom 10.12.2010 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin das Vorliegen einer seelischen Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer rezidivierenden depressiven Störung als Folge von vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffen ihres Vaters in der Zeit von 1961 bis 1972 anzuerkennen und ihr wegen dieser Folgen ab dem 1.9.2006 Versorgung nach dem OEG nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 80 zu gewähren.

4

Das vom Beklagten angerufene Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat zunächst durch die Senatsvorsitzende einen Erörterungstermin durchgeführt und sodann in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2011 die Klägerin persönlich befragt und deren Schwester R. Q. als Zeugin vernommen. Nach dem Hinweis des Senats, "dass es schwierig sein dürfte, auch einen sexuellen Missbrauch vom 4. bis 8. Lebensjahr nachzuweisen und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eigentlich eine Verurteilung zu Lasten des Beklagten in diesem Verfahrensstadium ausscheide, da die Beklagte selbst noch nicht über die Versorgung entschieden habe", hat die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte erklärt, es werde auf die Rechte aus dem Urteil vom 10.12.2010 insoweit verzichtet, als ein sexueller Missbrauch auch für die Zeit von 1961 bis 1964 geltend gemacht worden sei. Des Weiteren werde auf die Rechte aus dem Urteil verzichtet, soweit der Klägerin Versorgung zugesprochen worden sei.

5

Der Beklagte hat danach beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Dezember 2010 insoweit aufzuheben, als die Klägerin nicht auf die Rechte aus dem Urteil verzichtet hat, und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise von Amts wegen ein Gutachten über die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin R. Q. sowie der Klägerin … einzuholen.

6

Durch Urteil vom selben Tag (15.12.2011) hat das LSG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die Klägerin sei zur Überzeugung des Senats Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 OEG geworden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat, insbesondere der Zeugenvernehmung ihrer Schwester in der mündlichen Verhandlung, sei der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin von 1965 bis 1972 von ihrem Vater in der elterlichen Wohnung sexuell missbraucht worden sei. Als aufgrund der Zeugenaussage nachgewiesene sexuelle Handlungen im Sinne eines Missbrauchs der Klägerin nehme der Senat das Waschen der weiblichen Brust sowie die Vorgänge im elterlichen Schlafzimmer mit der beobachteten oralen Befriedigung an. Dabei müsse nicht im Einzelnen jeder sexuelle Missbrauch in zeitlicher Hinsicht weiter konkretisiert werden, was gerade bei Sexualdelikten deliktstypisch im Nachhinein nicht mehr möglich sei.

8

Der Senat halte die Aussagen der Zeugin Q. für glaubhaft. Die Konstanzanalyse ihrer Aussagen ergebe, dass die dem Vater vorgeworfenen Handlungen im Kern übereinstimmend dargestellt würden. Die Aussage erweise sich somit über die beiden Vernehmungen beim SG und LSG hinweg als konstant. Die kriterienorientierte Analyse der Aussage weise im Ergebnis deutliche Kennzeichen einer erlebnisbezogenen Darstellung auf, so zB die Schilderung des verdunkelten Zimmers und der Schlafgewohnheiten der unter beengten Verhältnissen lebenden Familie. Es fänden sich in ihrer Aussage zudem Einzelheiten, die von ihrer Mutter nicht bestätigt worden seien. Zudem habe sich die Zeugin nicht als suggestibel erwiesen und generell keinen besonderen Belastungseifer gezeigt. Die Zeugin habe glaubhaft bereits in einem sehr frühen Verfahrensstadium, nämlich schriftlich am 16.10.2006, geschildert, dass sie selbst gesehen habe, wie ihr Vater der Klägerin gegen deren Willen die Brüste eingeseift und mit ihr bei dem "mittäglichen Schlafritual" regelrecht verkeilt im Bett gelegen habe. Letztere Haltung lasse bereits ohne die konkrete Schilderung sexueller Handlungen Rückschlüsse auf sexuellen Missbrauch zu. Dass der Beklagte darin keine sexuelle Handlung sehen wolle, weil das Einseifen in der Badewanne geschehen sei und der Vater im Bett angezogen gewesen sei, sei aus Sicht des Senats lebensfremd. Dass die konkrete Begebenheit, dass die Klägerin den Penis ihres Vaters habe in den Mund nehmen müssen, von der Zeugin erst während des gerichtlichen Verfahrens geschildert worden sei, mache ihre Angaben auch aus Sicht des Senats nicht insgesamt unglaubwürdig. Denn die Zeugin habe den Vorgang so detailgetreu geschildert, dass sie ihn selbst erlebt haben müsse. Sie habe auch ein nachvollziehbares Motiv für ihre späte Aussage angegeben, nämlich die anfängliche Scham über die familiären Vorgänge überhaupt und ihre Schuldgefühle, darüber geschwiegen und damit den Missbrauch erst möglich gemacht zu haben. Diese Motivation erkläre auch hinlänglich die angeblichen Diskrepanzen in den Aussagen der Familienangehörigen.

9

Da der Senat seine Überzeugung anhand der Zeugenaussage sowie des Akteninhalts getroffen habe, könne dahingestellt bleiben, ob bei der Glaubhaftigkeitsprüfung der klägerischen Angaben durch einen medizinischen Sachverständigen von der sogenannten Nullhypothese ausgegangen werden müsse. Zudem habe der Senat entscheiden können, ohne die von dem Beklagten beantragten Gutachten über die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin R. Q. sowie der Klägerin einzuholen. Denn die Würdigung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendlicher Zeugen gehöre zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und sei daher grundsätzlich dem Tatrichter anvertraut. Eine aussagepsychologische Begutachtung (Glaubhaftigkeitsgutachten) komme nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn dem Gericht die Sachkunde für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit fehle. Die Einholung eines entsprechenden Gutachtens sei nur geboten, wenn der Sachverhalt oder die Aussageperson solche Besonderheiten aufweise, die eine Sachkunde erforderten, die ein Richter normalerweise nicht habe. Das sei vorliegend nicht der Fall. Weder wiesen die Aussagepersonen solche Besonderheiten auf noch sei der Sachverhalt besonders gelagert, sondern könne im Kern durch die Beobachtungen einer Zeugin gestützt werden.

10

Der fortgesetzte Missbrauch der Klägerin habe iS einer Alleinverursachung wahrscheinlich zu einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung geführt. Der Senat stütze sich insoweit auf das Gutachten des Dr. S., dessen Diagnostik in Übereinstimmung mit den Befunden der behandelnden Ärzte stehe.

11

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Beklagte beim BSG Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG) begründet.

12

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

13

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

14

Soweit der Beklagte als Verfahrensmangel rügt, das LSG habe mit der Entscheidung selbst gegen den "Bestimmtheitsgrundsatz" und das "Gebot der Rechtsklarheit" verstoßen, hat er die für die Annahme eines Verfahrensmangels relevanten Tatsachen dargestellt. Entscheidet ein Gericht, ohne hinreichend deutlich zu machen, worin die Entscheidung liegt, handelt es sich um einen das Urteil selbst betreffenden Verfahrensmangel (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160 RdNr 16a und Keller, aaO, § 136 RdNr 5d). Der behauptete Verfahrensmangel liegt jedoch nicht vor.

15

Dem Beklagten ist hier zwar einzuräumen, dass sich für ihn als dem unterlegenen Prozessbeteiligten der Inhalt der Entscheidung des LSG als unübersichtlich darstellt. Bei Heranziehung der Prozessgeschichte, also des Urteils des SG, des der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des LSG gegebenen verfahrensrechtlichen Hinweises, der daraufhin von der Klägerin abgegebenen Erklärung sowie des Inhalts der Entscheidungsgründe (vgl dazu Keller, aaO, § 136 RdNr 5c) ist indes eindeutig zu erkennen, worüber und mit welchem Ergebnis das LSG entschieden hat.

16

Das LSG selbst hat nicht positiv tenoriert, sondern die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 10.12.2010 zurückgewiesen, nachdem die Klägerin zuvor einen Verzicht auf einen Teil ihrer Rechte aus dem Urteil des SG erklärt hatte. Das SG hatte den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin das Vorliegen einer näher bezeichneten seelischen Störung als Folge von vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffen in der Zeit von 1961 bis 1972 anzuerkennen und ihr wegen dieser Folgen Versorgung nach dem OEG ab dem 1.9.2006 nach einem GdS von 80 zu gewähren. Hinsichtlich des auf Gewährung von "Versorgung" nach einem GdS von 80 gerichteten Teils hat die Klägerin auf ihre Rechte aus dem Urteil verzichtet, sodass dieses insoweit nicht auszuführen ist und auch nicht vollstreckt werden kann.

17

Soweit das SG den Beklagten zur "Anerkennung" bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge von vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffen auf die Klägerin verurteilt hat, hat es sich im Rahmen der als zulässig anzusehenden kombinierten Klage auf Anfechtung des entgegenstehenden Bescheides und Verpflichtung zur Feststellung von Folgen eines versorgungsrechtlich relevanten Tatbestandes (s nur BSG Urteil vom 29.4.2010 - B 9 VS 2/09 R - SozR 4-3200 § 88 Nr 4 RdNr 32; für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung s jüngst BSG Urteil vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 RdNr 12 bis 14, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) - hier: eines tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG - gehalten. Da die Klägerin auf ihre Rechte aus diesem Urteil verzichtet hat, soweit ein sexueller Missbrauch auch für die Zeit von 1961 bis 1964 geltend gemacht worden war, entfaltet der Urteilsausspruch des SG nur insoweit Wirkung als es sich um die Folgen von tätlichen Angriffen in den Jahren 1965 bis 1972 handelt. Soweit der Beklagte diesen Zusammenhang rügt, es sei unbestimmt, was das LSG letztlich als schädigenden Vorgang angesehen habe, bezieht er sich darauf, dass das LSG in den Entscheidungsgründen einmal als Schädigungszeitraum die Jahre 1961 bis 1972 genannt hat. Dabei handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die nicht den Inhalt des Urteils in Frage stellt.

18

Erwächst dieses Urteil in Rechtskraft, verpflichtet es den Beklagten unmittelbar zur Erteilung eines Ausführungsbescheides. Daneben bleibt der Beklagte aufgrund des Leistungsantrages der Klägerin verpflichtet, über die der Klägerin zustehenden konkreten Leistungen der Beschädigtenversorgung - auch soweit es den GdS betrifft und soweit sie von dessen Höhe abhängen - durch anfechtbaren Verwaltungsakt zu entscheiden. Bei dem Verzicht der Klägerin auf die Rechte aus dem Urteil des SG, soweit ihr ein Anspruch auf Versorgung zugesprochen worden war, handelt es sich nicht um eine auf die Anfechtung des ablehnenden Verwaltungakts bezogene Klagerücknahme, sodass dieser dadurch nicht bestandkräftig geworden ist (vgl § 77 SGG). Er ist und bleibt durch das Urteil des SG aufgehoben.

19

Den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht entsprochen hat der Beklagte, soweit er beanstandet, dass ihm nicht klar sei, ob das LSG bei seiner Entscheidung auch auf die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin oder ausschließlich auf die Glaubhaftigkeit der Angaben der als Zeugin vernommenen Schwester und nach Aktenlage auch deren Mutter abgestellt habe. Dabei handelt es sich nicht um einen - rügbaren - Verfahrensfehler, also einen Verstoß gegen das gerichtliche Verfahren regelnde Vorschriften oder einen das Urteil selbst betreffenden Verfahrensmangel, sondern um eine mögliche Unklarheit des Urteils, die nicht zu dessen Fehlerhaftigkeit führt. Soweit in dieser Begründung des Beklagten ein Angriff auf die Beweiswürdigung des LSG zu sehen ist, kann die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG darauf nicht gestützt werden.

20

Soweit der Beklagte als Verfahrensfehler eine Verletzung des § 103 SGG mit der Begründung rügt, das LSG sei seinem bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens über die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin R. Q. sowie der Klägerin ohne hinreichende Begründung nicht nachgekommen, kann offenbleiben, ob der Beklagte insoweit den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG in allen notwendigen Punkten Rechnung getragen hat. Denn jedenfalls ist das LSG diesem Beweisantrag nicht ohne hinreichende Begründung, dh nicht ohne hinreichenden Grund (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5), nicht gefolgt (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, die beantragte Beweiserhebung durchzuführen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 49). Es hat sich seine Überzeugung davon, dass die Klägerin in den Jahren 1965 bis 1972 durch ihren Vater sexuell missbraucht worden ist, im Wesentlichen aufgrund der Zeugenaussagen der Schwester der Klägerin, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung, gebildet und war auch nach Auffassung des erkennenden Beschwerdesenats nicht verpflichtet, Glaubhaftigkeitsgutachten der beantragten Art einzuholen.

21

Grundsätzlich steht das Ausmaß von Ermittlungen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl dazu BSGE 30, 192, 205 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO S Aa 25 Rückseite). Einen Sachverständigen bestellt das Gericht, wenn es selbst nicht über ausreichende Sachkunde verfügt (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 118 RdNr 11b). Dies gilt auch für die Einholung eines sogenannten Glaubhaftigkeitsgutachtens. Dabei handelt es sich um eine aussagepsychologische Begutachtung, deren Gegenstand die Beurteilung ist, ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben zutreffen, dh einem tatsächlichen Erleben der untersuchten Person entsprechen (vgl BGHSt 45, 164, 167). Da eine solche Beurteilung an sich zu den Aufgaben eines Tatrichters gehört, kommt die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens nur ausnahmsweise in Betracht (vgl BGH aaO, 182).

22

Ob eine derartige Beweiserhebung erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen kann insbesondere dann geboten sein, wenn die betreffenden Angaben das einzige das fragliche Geschehen belegende Beweismittel sind und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie durch eine psychische Erkrankung der Auskunftsperson (Zeuge, Beteiligter) und deren Behandlung beeinflusst sein können (vgl dazu BSG Beschluss vom 7.4.2011 - B 9 VG 15/10 B - juris). Eine solche Fallgestaltung ist hier nicht ersichtlich.

23

Möglicherweise wäre eine Glaubhaftigkeitsbegutachtung bezüglich der Angaben der psychisch kranken Klägerin erforderlich gewesen, wenn das LSG seine Entscheidung maßgebend darauf hätte stützen wollen. Das ist jedoch nicht der Fall. Das LSG hat vielmehr im Rahmen einer eingehenden Abwägung insbesondere die Aussagen der Zeugin Q. als glaubhaft angesehen und sie bei der Bejahung eines jahrelangen sexuellen Missbrauchs der Klägerin durch ihren Vater entscheidend zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Angaben dieser Zeugin sind keine Umstände zu erkennen, die eine darauf bezogene Glaubhaftigkeitsbegutachtung hätten gebieten können. Die berufungsgerichtliche Beweiswürdigung selbst kann auch insoweit nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).

24

Soweit der Beklagte geltend macht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, kann dahinstehen, ob der Beklagte den Zulassungsgrund in allen notwendigen Punkten dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

25

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65).

26

Die vom Beklagten als klärungsbedürftig, klärungsfähig und über den Einzelfall hinaus bedeutsam angesehene Frage, ob für ein im Verfahren des sozialen Entschädigungsrechtes eingeholtes aussagepsychologisches Gutachten über die Glaubhaftigkeit der Angaben eines Antragstellers/Zeugen die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) für Strafsachen zu berücksichtigenden methodischen Mindeststandards Anwendung finden oder ob andere und ggf welche Anforderungen zu gelten haben, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht erheblich. Zunächst hat das LSG seine Tatsachenfeststellungen dahin, dass der Vater der Klägerin diese in den Jahren 1965 bis 1972 fortgesetzt sexuell missbraucht hat, ohne Verwertung eines Sachverständigengutachtens über die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin oder der Zeugin Q. getroffen. Darüber hinaus ist die Vorinstanz - wie der Senat zu der entsprechenden Verfahrensrüge des Beklagten bereits ausgeführt hat - nicht verpflichtet gewesen, ein Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen.

27

Der Beklagte übersieht in diesem Zusammenhang, dass die Beurteilung, ob eine grundsätzliche Bedeutung vorliegt, auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu erfolgen hat (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160 RdNr 9f). Danach kommt es hier auf die Auswertung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens nicht an. Insofern kann in dem vom Beklagten angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden, nach welchen methodischen Standards Glaubhaftigkeitsgutachten in sozialgerichtlichen Leistungsstreitigkeiten zu fertigen sind.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


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Opferentschädigungsgesetz - OEG | § 1 Anspruch auf Versorgung


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(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.

(2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich

1.
die vorsätzliche Beibringung von Gift,
2.
die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen.

(3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch für einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet.

(4) Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.

(5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt.

(6) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die ein Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 oder 5 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, eine Pflegeperson oder eine Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Geschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes erleidet.

(7) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(8) Wird ein tätlicher Angriff im Sinne des Absatzes 1 durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verübt, werden Leistungen nach diesem Gesetz erbracht.

(9) § 1 Abs. 3, die §§ 64 bis 64d, 64f sowie 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). Dabei sind die für deutsche Staatsangehörige geltenden Vorschriften auch für von diesem Gesetz erfaßte Ausländer anzuwenden.

(10) § 20 des Bundesversorgungsgesetzes ist mit den Maßgaben anzuwenden, daß an die Stelle der in Absatz 1 Satz 3 genannten Zahl die Zahl der rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen nach diesem Gesetz im Vergleich zur Zahl des Vorjahres tritt, daß in Absatz 1 Satz 4 an die Stelle der dort genannten Ausgaben der Krankenkassen je Mitglied und Rentner einschließlich Familienangehörige die bundesweiten Ausgaben je Mitglied treten, daß Absatz 2 Satz 1 für die oberste Landesbehörde, die für die Kriegsopferversorgung zuständig ist, oder die von ihr bestimmte Stelle gilt und daß in Absatz 3 an die Stelle der in Satz 1 genannten Zahl die Zahl 1,3 tritt und die Sätze 2 bis 4 nicht gelten.

(11) Im Rahmen der Heilbehandlung sind auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen zu gewähren, wenn diese bei der Heilbehandlung notwendig sind.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung (WDB) sind.

2

Der 1942 geborene Kläger war vom 1.10.1959 bis 30.9.1963 bei der Bundeswehr Soldat auf Zeit, dabei zuletzt als Radarflugmelder eingesetzt.

3

Im Juli 2001 beantragte der Kläger beim beigeladenen Land die Gewährung von Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er machte geltend, die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen seien Folgen einer WDB, denn er sei an den Radarüberwachungsgeräten mit Leuchtschriften in Kontakt gekommen und einer zu hohen Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen. Das Amt für Versorgung und Soziales Halle übersandte den Antrag samt Akte an die Wehrbereichsverwaltung V (Süd), weil diese nach § 88 Abs 1 und 2 SVG für die Erstentscheidung zuständig sei.

4

Nachdem die vom Bundesministerium der Verteidigung eingesetzte Radarkommission am 2.7.2003 ihren Bericht vorgelegt hatte, lehnte die beklagte Bundesrepublik Deutschland sowohl die Feststellung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen "dilatative Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Pumpstörung, Herzrhythmusstörungen" als Folgen einer WDB iS des § 81 SVG als auch die Gewährung von Ausgleich nach § 85 SVG ab(Bescheid vom 21.11.2003). Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen gehörten nicht zu den qualifizierenden Krankheiten aufgrund ionisierender Strahlung im Sinne des Berichts der Radarkommission. Ein Ursachenzusammenhang zwischen einer etwaigen Strahleneinwirkung während der dienstlichen Tätigkeit und den Erkrankungen sei somit auszuschließen.

5

Das beigeladene Land versagte daraufhin unter Berufung auf die Bindungswirkung der Entscheidung der Beklagten auch die Gewährung von Leistungen der Beschädigtenversorgung (Bescheid vom 30.1.2004).

6

Nachdem der Kläger im Widerspruchsverfahren weitere Gesundheitsstörungen geltend gemacht hatte, die er ursächlich auf die Strahlenbelastung während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr zurückführte, lehnte die beklagte Bundesrepublik Deutschland außerdem die Feststellung der Gesundheitsstörungen "beginnender Altersstar beidseits, multiple Bandscheibenvorfälle in allen Wirbelsäulenabschnitten, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, beginnende Gelenkversteifungen in den oberen und unteren Extremitäten, rezidivierende Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Impotenz, wiederkehrende Sehstörungen, chronische Nasennebenhöhlenentzündungen bei Nasenscheidewandfehlstellung" als Folgen einer WDB sowie auch insoweit die Gewährung eines Ausgleichs ab (Bescheid vom 22.2.2006). Zwar habe die ausgeübte Tätigkeit zu den qualifizierenden Tätigkeiten gehört, bei denen Personen einer gesundheitsschädigenden Strahleneinwirkung ausgesetzt gewesen seien. Ebenso liege mit dem Katarakt (grauer Star) eine qualifizierende Krankheit vor, für die ionisierende Strahlung ursächlich sein könnte. Bei einer Zeitspanne von 40 Jahren zwischen der dienstlichen Verwendung und der erstmaligen Diagnose dieser Erkrankung könne jedoch kein ursächlicher Zusammenhang hergestellt werden.

7

Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 21.11.2003 und 22.2.2006 wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 19.6.2006).

8

Der Kläger hat zur Begründung seiner dagegen erhobenen Klage ua vorgetragen: Er sei während seiner Dienstzeit als Operator und Controller Röntgenstrahlen, radioaktiver Strahlung aus der Leuchtfarbe Ra 226 und gepulster Hochfrequenz (elektromagnetischer Strahlung) ausgesetzt gewesen. Diese Strahlungen hätten ab 1961 Krankheitsbilder verursacht (zunächst Probleme im Magenbereich, Krämpfe, Erbrechen, Durchfall, Blut teilweise im Stuhl). Schon während des Wehrdienstes habe er auch Probleme mit den Augen gehabt (Lichtempfindlichkeit, Tränen, Augenbrennen). Seit 1975 bestünden Sehstörungen. Seit Anfang der achtziger Jahre trage er eine Brille.

9

Das SG Dessau hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2007). Zur Begründung seiner dagegen eingelegten Berufung hat der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Sachsen-Anhalt beantragt, (1) das Urteil des SG sowie die Bescheide der beklagten Bundesrepublik Deutschland aufzuheben, (2) bei ihm festzustellen, dass die von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen Folgen einer WDB sind, und (3) das beigeladene Land zu verurteilen, ihm ab 1.7.2001 Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 30 zu gewähren.

10

Das LSG hat unter Abänderung der Entscheidung des SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die gegen den Beigeladenen gerichteten Klagen abgewiesen (Urteil vom 7.8.2008). Zur Begründung hat es ua ausgeführt:

11

Die gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland gerichtete Anfechtungsklage sei zulässig und begründet. Diese sei zu einer Entscheidung über einen Ausgleich nach § 85 Abs 1 SVG nicht befugt gewesen, denn insoweit fehle es schon an einem rechtlich beachtlichen Antrag. Sie sei auch nicht befugt gewesen, durch Verwaltungsakt festzustellen, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht Folgen einer WDB iS des § 81 SVG seien. Nach dem Urteil des BSG vom 5.7.2007 - B 9/9a VS 3/06 R - sei die Bundeswehrverwaltung für die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung Folge einer WDB sei, nur zuständig, soweit Leistungen nach § 41 Abs 2, §§ 85, 86 SVG in Betracht kämen. Feststellende Verwaltungsakte zu Zusammenhangsfragen dürfe die Beklagte nur erlassen, wenn sie für die betreffende Leistungsbewilligung zuständig sei. Hier begehre der Kläger jedoch die Gewährung von Leistungen der Beschädigtenversorgung nach § 80 BVG; hierfür sei das beigeladene Land zuständig.

12

Der Einwand der Beklagten, das Urteil des BSG vom 5.7.2007 könne für die Beurteilung der Zuständigkeit bei ehemaligen Berufs- und Zeitsoldaten nicht herangezogen werden, weil die Wehrverwaltung bei diesen nach § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a SVG immer die "Erstentscheidungsbefugnis" habe, greife nicht durch. Diese Regelung betreffe nur die zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen. Zudem seien die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen erst nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses eingetreten. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den Rechtsstandpunkt zurückziehen, sie sei zu einer auf das Vorliegen einer WDB beschränkten Feststellung berechtigt, denn sie habe in den angefochtenen Bescheiden über die Folgen einer WDB entschieden.

13

Aus der Rechtsprechung des BSG ergebe sich nichts anderes. Diese habe zwar für das nach § 55 Abs 1 Nr 3 SGG erforderliche Feststellungsinteresse die Besorgnis von Spätschäden ausreichen lassen(BSG, Urteil vom 16.3.1994 - 9 RV 2/93). Soweit ersichtlich, sei jedoch in allen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschiedenen Fällen die Gesundheitsstörung schon während der Dienstzeit eingetreten. Für die Begründung der Zuständigkeit der beklagten Bundesrepublik Deutschland reiche es nicht aus, dass der Kläger Jahrzehnte nach dem Dienstende behaupte, schon während der Dienstzeit seien Beschwerden aufgetreten, die er auf die Einwirkung von Strahlen zurückführe. Denn der Zweck eines von der Bundeswehrverwaltung durchgeführten Feststellungsverfahrens, wegen möglicher Spätschäden rechtzeitig Beweis zu sichern, sei nicht mehr erreichbar.

14

Die Beklagte könne sich schließlich auch nicht auf eine einheitliche Rechtsauffassung aller mit der Versorgung befassten Behörden berufen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit sei in seinem Rundschreiben vom 20.10.2003 von Fällen einer Erstentscheidung durch die Versorgungsverwaltung bei lange zurückliegenden Schädigungen durch den Betrieb von Radargeräten der Bundeswehr ausgegangen; es habe angeordnet, dass in diesen Fällen die Bundeswehrverwaltung um Sachverhaltsaufklärung und Amtshilfe zu bitten sei.

15

Die mit der Anfechtungsklage verbundene, gegen die Beklagte gerichtete Feststellungsklage sei zwar nach § 55 Abs 1 Nr 3 SGG statthaft, es fehle jedoch wegen der mangelnden Entscheidungsbefugnis der Beklagten das erforderliche Feststellungsinteresse.

16

Die gegen das beigeladene Land gerichteten Klagen seien ebenfalls unzulässig. Für die erstmals vor dem LSG erhobene Leistungsklage seien schon die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 75 Abs 5 SGG nicht erfüllt. Im Übrigen fehle es an der Durchführung eines vorherigen Vorverfahrens gemäß § 78 SGG, denn das beigeladene Land habe den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30.1.2004 noch nicht beschieden.

17

Der Senat sei zwar nicht gehindert, über die vom Kläger nachrangig gegen das beigeladene Land gerichtete Feststellungsklage nach § 75 Abs 5 SGG zu entscheiden. Der Gesetzgeber habe jedoch die Verurteilung des beigeladenen Landes in das Ermessen des Gerichts ("kann") gestellt. Der Zweck dieser Vorschrift, aus prozessökonomischen Gründen einen neuen Rechtsstreit zu vermeiden, rechtfertige eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass dem sozialgerichtlichen Verfahren ein förmliches Vorverfahren vorauszugehen habe, dann nicht, wenn das Ziel der Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes und der Durchsetzung des materiellen Rechts ohne ein vorangegangenes Verwaltungsverfahren schwerer erreichbar sei. Eine Prognose der aus rechtlicher Sicht noch erforderlichen Sachaufklärung ergebe hier, dass eine umfassende Sachprüfung durchzuführen sei, für die das Vorverfahren geeigneter sei als das gerichtliche Verfahren. Der Senat habe zwar kaum Zweifel, dass die Beklagte im Ergebnis zutreffend entschieden habe, dass die Katarakt-Erkrankung, die beim Kläger allein als qualifizierende Krankheit im Sinne des Berichts der Radarkommission in Betracht komme, nicht Folge einer WDB durch Strahleneinwirkung sei. Es fehle jedoch bislang an einer Prüfung, ob die vom Kläger neben der Katarakt-Erkrankung als WDB-Folgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit durch Strahleneinwirkungen bei Dienstverrichtungen an Radargeräten verursacht worden seien.

18

Kläger und Beklagte haben jeweils die vom Senat zugelassene Revision eingelegt.

19

Der Kläger rügt mit seiner Revision sinngemäß eine Verletzung des § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a SVG. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für die Feststellung der WDB zuständig gewesen. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung sei die Bundeswehrverwaltung auch nach Beendigung des Wehrdienstes bei Soldaten auf Zeit für die Erstentscheidung zuständig, wenn Ansprüche nach § 41 Abs 2 SVG sowie den §§ 85, 86 SVG infrage kämen. Dieser Wortlaut sei dahingehend auszulegen, dass die Bundeswehrverwaltung für die Feststellung einer WDB zuständig sei, die Versorgungsverwaltung für die Entscheidung über die zu gewährenden Leistungen. Soweit sich das LSG auf die Entscheidung des BSG vom 5.7.2007 - B 9/9a VS 3/06 R - stütze, habe dieser Fall einen Wehrdienstleistenden und nicht - wie bei ihm - einen Soldaten auf Zeit betroffen.

20

Weiter rügt der Kläger eine Verletzung des § 75 Abs 5 SGG. Nach dieser Vorschrift könne ein Land nach notwendiger Beiladung verurteilt werden. Die Verurteilung sei nicht unbedingt auf eine Verurteilung zur Leistung beschränkt. Das LSG habe deshalb auch zutreffend festgestellt, dass es nach § 75 Abs 5 SGG möglich sei, über die von ihm begehrte Feststellung von Folgen einer WDB im Rechtsverhältnis zum Beigeladenen durch ein Sachurteil zu entscheiden. Es habe es jedoch im vorliegenden Fall nicht für zweckmäßig gehalten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Er (der Kläger) habe jedoch mehrfach schriftlich vorgetragen, dass er diesbezüglich auf einen mit einer weiteren Verzögerung verbundenen vollständigen "Instanzenzug" verzichte. Der bisherige Verlauf des Verfahrens habe gezeigt, dass ein Vorverfahren gerade nicht zu einer Sachverhaltsaufklärung führe. Bislang sei kein einziges Gutachten zur Frage der Kausalität zwischen Schädigung und Gesundheitsstörung eingeholt worden. Bei zutreffender Anwendung des § 75 Abs 5 SGG hätte das LSG das beigeladene Land verurteilen müssen.

21

Der Kläger rügt außerdem eine Verletzung der §§ 103, 109, 128 SGG. Es sei ausdrücklich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG beantragt worden. Das LSG hätte zudem (von Amts wegen) ein Sachverständigengutachten einholen und die von ihm benannten Zeugen hören müssen.

22

Schließlich stellt der Kläger klar, dass die Bescheide der Beklagten insoweit von ihm nicht angefochten worden seien, als sie die Ablehnung der Gewährung von Ausgleich nach § 85 SVG betreffen.

23

Der Kläger beantragt,

        

1.   

die Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 7.8.2008 und des SG Dessau vom 24.1.2007 zu ändern, soweit die Berufung zurückgewiesen und seine Klagen abgewiesen worden sind,

        

2.   

die Beklagte zu verpflichten, die Gesundheitsstörungen "dilatative Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Pumpstörung, Herzrhythmusstörungen, multiple Bandscheibenvorfälle in allen Wirbelsäulenabschnitten, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, beginnende Gelenkversteifung in den oberen und unteren Extremitäten, rezidivierende Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Impotenz, wiederkehrende Sehstörungen, grauer Star, chronische Nasennebenhöhlenentzündungen bei Nasenscheidewandfehlstellung und Immunschwäche" im Sinne der Entstehung als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 Abs 1 SVG festzustellen,

        

3.   

den Beigeladenen zu verurteilen, ihm wegen der erlittenen Wehrdienstbeschädigung Versorgung zu gewähren,

        

4.   

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

24

Die Beklagte beantragt,

        

1.   

das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 7.8.2008 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Dessau vom 24.1.2007 in vollem Umfang zurückzuweisen,

        

2.   

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

25

Sie rügt mit ihrer Revision eine Verletzung der § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a, § 87 Abs 1 Satz 1 SVG iVm §§ 85, 86 SVG. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmungen stehe ihr eine "Erstentscheidungsbefugnis" auch in den Fällen von Berufs- und Zeitsoldaten zu, in denen Leistungen für die Zeit des Wehrdienstverhältnisses nicht zu erwarten seien. Auch nach Beendigung des Wehrdienstes sei sie befugt, über die Grundvoraussetzungen der Beschädigtenversorgung auf der Grundlage der § 41 Abs 2, §§ 85, 86 SVG zu entscheiden, unabhängig davon, ob die Folge der WDB vor oder nach Wehrdienstende eingetreten sei. Dies sei seit dem Inkrafttreten des § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a SVG am 1.1.1981 (durch das Siebente Gesetz zur Änderung des SVG vom 7.7.1980, BGBl I 851) einhellige Rechtsauffassung und gefestigte Verwaltungspraxis aller mit der Beschädigtenversorgung befassten Behörden. Die Entscheidung des LSG sei deshalb schon nicht vom Wortlauf des Gesetzes gedeckt. Das LSG habe im Wege der Auslegung aus den Wörtern "entscheiden…nach § 41 Abs 2 sowie den §§ 85 und 86" ein "entscheiden über Ansprüche/Leistungen nach.." gemacht. Die Wehrverwaltung könne jedoch nach dem Ausscheiden auch ablehnend über etwaige Ansprüche entscheiden und vor allem über das Vorliegen einer WDB befinden.

26

Auch die Gesetzesmaterialien bestätigten dieses Rechtsverständnis. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem eingebrachten Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des SVG (BT-Drucks 8/4030, S 26) heiße es ausdrücklich, dass die Bundeswehrverwaltung bei ehemaligen Berufssoldaten und Zeitsoldaten über die Frage der Wehrdienstbeschädigung und deren Folgen jeweils vor der Versorgungsverwaltung zu entscheiden habe. Diese Regelung entspreche der in § 31 Soldatengesetz normierten besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Mit diesem Verfahren würden unterschiedliche Entscheidungen über die Beschädigtenversorgung und die Dienstzeitversorgung, für die die Bundeswehrverwaltung nach § 87 SVG allein zuständig sei, vermieden. Mit der Änderung des § 88 Abs 2 SVG sei der Gesetzgeber einer Anregung des Bundesrates und einem Hinweis des BSG in seinem Urteil vom 17.5.1977 - 10 RV 53/76 - nachgekommen.

27

Das LSG könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf das Urteil des BSG vom 5.7.2007 - 9/9a VS 3/06 R - stützen, weil dieses über die Zuständigkeit bei einem Soldaten, der aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst geleistet habe, zu entscheiden gehabt habe. Bei diesem Personenkreis sei die zwingend vorgesehene "Erstentscheidungsbefugnis" auf Seiten der Bundeswehrverwaltung nicht notwendig, weil eine Dienstzeitversorgung für diesen Personenkreis nicht in Betracht komme. Soweit das LSG die Auffassung vertrete, aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass die Bundeswehrverwaltung ausschließlich in denjenigen Fällen für Entscheidungen zuständig sei, wenn Leistungen überhaupt in Betracht kämen, sei dies nicht nachvollziehbar. Die Bindung der Bundeswehrverwaltung nach einer möglicherweise fehlerhaften Entscheidung der Versorgungsverwaltung sei vor allem dann problematisch, wenn ein Dienstunfall vorliege, der zugleich eine Wehrdienstbeschädigung sei. Ziel der Regelung des § 88 Abs 3 SVG sei es nicht nur, der Gefahr voneinander abweichender Entscheidungen entgegenzuwirken, sondern auch eine Schlechterstellung von Soldaten nach dem Ausscheiden zu verhindern. Durch Bindung - in erster Linie der Versorgungsverwaltung - soll die weitere Versorgung der aus dem Dienst der Bundeswehr ausgeschiedenen Soldaten sichergestellt werden.

28

Das LSG sei ferner unzutreffend davon ausgegangen, dass eine Entscheidungsbefugnis der Bundeswehrverwaltung über einen Anspruch nach § 85 SVG auch deshalb ausscheide, weil die Gesundheitsstörungen erst nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses eingetreten seien. Diese Vorschrift stelle nach ihrem Wortlaut "Folgen einer Wehrdienstbeschädigung" allein darauf ab, dass das schädigende Ereignis vor Ablauf des Wehrdienstverhältnisses eingetreten sei und deshalb ggf auch eine Negativentscheidung hinsichtlich der Leistungen für die Zeit des Wehrdienstes zu treffen sei. Nach der Intention des Gesetzgebers sei demnach für die Zuständigkeit der Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses maßgebend.

29

Die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.3.1994 - 9 RV 2/93) habe die Bundeswehrverwaltung außerdem auch dann zu einer Entscheidung ("isolierte Feststellung") über das Vorliegen einer WDB verpflichtet, wenn die Gewährung eines Ausgleichs wegen eines GdS von unter 25 nicht in Betracht komme. Ein "Bagatellbescheid" sei demnach nur noch dann zulässig, wenn aus medizinischer Sicht zweifelsfrei sichergestellt sei, dass mit keinerlei Schädigungsfolge zu rechnen sei. Um die Möglichkeit einer späteren Erkrankung auszuschließen, müsse nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft gesagt werden können, dass mit Spätschäden nicht zu rechnen sei. Daraus folge, dass es für einen Anspruch auf Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB nicht darauf ankomme, ob eine Gesundheitsstörung aktuell feststellbar sei. Denn nicht diese, sondern der Ursachenzusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einer WDB begründe im Hinblick auf mögliche künftige Ansprüche den Feststellungsanspruch des Klägers. Die Feststellung der Schädigungsfolge sei nach der Rechtsprechung des BSG zu § 55 Abs 1 Nr 3 SGG(Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R) im sozialen Entschädigungsrecht - und damit auch im Recht der Soldatenversorgung - mehr als nur die Feststellung einer Vorfrage für das Leistungsverhältnis; sie sei Gegenstand einer selbstständigen Feststellung.

30

Das beigeladene Land stellt keinen Antrag. Es hält die Auslegung des § 88 Abs 2 Satz 1 SVG durch das LSG für zutreffend. Das LSG habe ermessensfehlerfrei von der Möglichkeit einer Verurteilung nach § 75 Abs 5 SGG keinen Gebrauch gemacht. Inzwischen sei unter dem 11.5.2009 der Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 11.2.2004 als unbegründet zurückgewiesen worden. Die hiergegen vor dem SG Dessau-Roßlau erhobene Klage ruhe wegen des Revisionsverfahrens.

Entscheidungsgründe

31

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), soweit der Kläger eine Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Folgen einer WDB für die Zeit bis zum 30.9.1963 begehrt. Der Urteilsausspruch des LSG ist außerdem insoweit aufzuheben, als dieses die gegen das beigeladene Land gerichteten Klagen abgewiesen und über die Kosten des Verfahrens entschieden hat. Im Übrigen sind die Revisionen des Klägers und der Beklagten unbegründet.

32

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst die Anfechtungsklage gegen die Bescheide der Beklagten vom 21.11.2003 und 22.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.6.2006, soweit darin über die Feststellung von Folgen einer WDB entschieden worden ist. Die damit ebenfalls erfolgte Versagung von Ausgleich nach § 85 SVG ist vom Kläger von vornherein nicht angegriffen worden. Diese Anfechtungsklage ist verbunden mit einer auf Feststellung von Schädigungsfolgen iS des SVG gerichteten Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Dabei ist es unschädlich, dass der Kläger insoweit im Revisionsverfahren von einer Feststellungs- zu einer Verpflichtungsklage übergegangen ist (vgl zB Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 55 RdNr 13c). Eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung liegt darin nicht (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig, aaO, § 168 RdNr 2b).

33

a) Wie das LSG zutreffend entschieden hat, ist die Anfechtungsklage schon deshalb begründet, weil die Beklagte bei Erlass der angefochtenen Verwaltungsakte die ihr gesetzlich eingeräumte Entscheidungsbefugnis überschritten hat, indem sie eine Feststellung der beim Kläger in der Zeit ab Antragstellung (Juli 2001) vorliegenden Gesundheitsstörungen als Folgen einer WDB abgelehnt hat. Die dagegen - insbesondere von der Beklagten - vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

34

Die Durchführung der Beschädigtenversorgung für ehemalige Soldaten auf Zeit wie den Kläger richtet sich nach § 88 SVG in der zur Zeit der Entscheidungen der Beklagten (vom 1.2.2003 bis 20.12.2007) geltenden Fassung vom 21.12.2004 (BGBl I 3592), die in der Folgezeit im Wesentlichen unverändert geblieben ist (vgl Gesetze vom 12.12.2007, BGBl I 2861, vom 13.12.2007, BGBl I 2904, und vom 16.9.2009, BGBl I 3054). Abs 1 dieser Vorschrift regelt die Aufgabenverteilung zwischen den Behörden der beklagten Bundesrepublik Deutschland und denen des beigeladenen Landes, also deren jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Nach Satz 1 dieser gesetzlichen Bestimmung führt das Bundesministerium der Verteidigung die §§ 85 bis 86 SVG (Ausgleich, Wohnungshilfe, Erstattung von Sachschäden und Ersatz besonderer Aufwendungen) bei Behörden der Bundeswehrverwaltung durch. Im Übrigen wird der Dritte Teil des SVG (Beschädigtenversorgung iS der §§ 80 ff SVG) von den zur Durchführung des BVG zuständigen Behörden (hier der Versorgungsverwaltung des beigeladenen Landes) im Auftrag des Bundes durchgeführt(§ 88 Abs 1 Satz 2 SVG).

35

Ausgehend von dieser zwischen Bund und Land aufgespaltenen Zuständigkeit bestimmt § 88 Abs 2 SVG die zeitliche Reihenfolge der zu treffenden Entscheidungen, wenn diese nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses erfolgen. Nach Satz 1 entscheidet in bestimmten Fällen auch nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zunächst die Bundeswehrverwaltung "nach § 41 Abs 2 sowie den §§ 85 und 86" SVG, bevor die nach § 88 Abs 1 Satz 2 SVG zuständigen Behörden (hier die Versorgungsverwaltung des beigeladenen Landes) über die Beschädigtenversorgung für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses entscheiden. Diese zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen gilt nach Buchst a (ohne weitere Einschränkungen) für ehemalige Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie nach Buchst b für ehemalige Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst geleistet haben, wenn das Verfahren bei Beendigung des Wehrdienstverhältnisses eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen worden ist oder das Verfahren aufgrund des Todes einzuleiten ist und ein Antrag nach § 80 und § 82 SVG noch nicht vorliegt. In allen anderen Fällen entscheiden gemäß § 88 Abs 2 Satz 2 SVG nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses die zur Durchführung des BVG zuständigen Behörden (hier die Versorgungsverwaltung des beigeladenen Landes) vor der Bundeswehrverwaltung.

36

Nach dem Wortlaut des hier einschlägigen § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a SVG besteht demnach eine zeitlich vorrangige Zuständigkeit der Beklagten ("Erstentscheidungsbefugnis") bei ehemaligen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit ua dann, wenn nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses "nach § 85" SVG zu entscheiden ist. Eine Entscheidung nach § 85 SVG umfasst grundsätzlich den Erlass zweier Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X: zum einen über die Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folgen einer WDB, zum anderen über die Gewährung einer Leistung (Ausgleich) wegen der Folgen der WDB(vgl zur Feststellung von Schädigungsfolgen als eigenständiger Verwaltungsakt bereits BSGE 9, 80, 83 f = SozR Nr 17 zu § 55 SGG; BSGE 12, 25, 26; BSGE 27, 22, 23 = SozR Nr 59 zu § 77 SGG; zur Feststellung von WDB-Folgen etwa BSGE 57, 171, 172 = SozR 1500 § 55 Nr 24 S 17; BSGE 68, 128, 129 f = SozR 3-3200 § 81 Nr 1 S 3; zum Ausgleich als dienstrechtliche Leistung BSGE 64, 225, 227 f = SozR 7610 § 291 Nr 2 S 3).

37

Beide nach § 85 SVG ergehenden Verwaltungsakte beziehen sich ausschließlich auf die Zeit des Wehrdienstverhältnisses. Für die Gewährung oder Versagung von Ausgleich versteht sich das von selbst. Denn Soldaten erhalten nach § 85 Abs 1 SVG wegen der Folgen einer WDB nur während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs 1 und § 31 BVG. Derselben zeitlichen Beschränkung unterliegt auch die auf § 85 SVG gestützte Entscheidung über die Feststellung von Folgen einer WDB. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, kann nämlich die Feststellungsbefugnis nicht weiter reichen als die Befugnis, über die Leistung zu entscheiden. Feststellungsbefugt ist demnach die Verwaltung, die für die Entscheidung über das stets vorrangige Leistungsbegehren zuständig ist (vgl BSG, Urteil vom 16.3.1994 - 9 RV 2/93 - SozR 3-1500 § 55 Nr 18 S 41; BSG, Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a VS 3/06 R - BSGE 99, 1 = SozR 4-3200 § 81 Nr 3, jeweils RdNr 13). Für die Entscheidungen im Anwendungsbereich des § 85 SVG bedeutet dies, dass auch nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses die beklagte Bundesrepublik Deutschland feststellende Verwaltungsakte zu Zusammenhangsfragen (als etwaige Vorstufe einer Leistungsgewährung) nur für Gesundheitsstörungen treffen darf, die während der Dienstzeit vorgelegen haben. Sie hat hingegen keine Kompetenz, positiv oder negativ über gesundheitliche Folgen einer WDB zu entscheiden, die nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses eingetreten sind.

38

Auch der Entstehungsgeschichte des § 88 Abs 2 SVG lässt sich nicht entnehmen, dass die beklagte Bundesrepublik Deutschland für die Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folgen einer WDB zuständig sein soll, die nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses aufgetreten sind. Die mit Wirkung zum 1.1.1981 durch Art 1 Nr 33 Buchst b Siebentes Gesetz zur Änderung des SVG vom 7.7.1980 (BGBl I 851) eingefügte Neufassung des § 88 Abs 2 SVG, mit der die vorgenannte zeitliche Reihenfolge für Entscheidungen nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses festgelegt worden ist, wurde in den Gesetzesmaterialien(vgl BT-Drucks 8/4030, S 26) damit begründet, dass bei ehemaligen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit grundsätzlich vorgesehen sei, dass die Behörden der Bundeswehrverwaltung über die Frage der WDB und deren Folgen jeweils "vor der Entscheidung der Behörden der Versorgungsverwaltung über die Beschädigtenversorgung nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses" entschieden.

39

Diese Ausführungen können entsprechend dem Wortlaut des § 88 Abs 2 SVG nur so verstanden werden, dass die Bundeswehrverwaltung zunächst zu prüfen und zu entscheiden hat, ob eine WDB iS des § 81 Abs 1 SVG vorliegt, also eine (primäre) gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Außerdem hat sie zu prüfen und zu entscheiden, ob bereits während der Dienstzeit (weitere) Gesundheitsstörungen als Folgen der WDB aufgetreten und ggf deswegen nach § 85 SVG Ausgleich (in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulagen nach § 30 Abs 1 und § 31 BVG) zu gewähren ist. Erst danach dürfen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden (hier die Versorgungsverwaltung) über die Beschädigtenversorgung für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses iS der §§ 80 ff SVG - also über gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen, die nach Beendigung der Dienstzeit eingetreten sind - entscheiden, wobei sie nach Maßgabe des § 88 Abs 3 Satz 1 SVG an die Entscheidung der Bundeswehrverwaltung gebunden sind (vgl dazu allerdings BSG SozR 4-3200 § 88 Nr 1).

40

Abhängig von der Art der während des Wehrdienstes erfolgenden Einwirkungen kann die Feststellung einer bis zum Ende der Dienstzeit eingetretenen WDB Schwierigkeiten bereiten. Bei Unfällen im Sinne von zeitlich begrenzten, auf den Soldaten einwirkenden Ereignissen (s Definition des Unfalls in § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII) wird die erforderliche Primärschädigung einfacher festzustellen sein als bei einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden, generell schädlichen Einwirkung. Dabei können (wie bei bestimmten Berufskrankheiten) erste Krankheitssymptome durchaus erst längere Zeit nach dem Ende solcher Einwirkungen eintreten. Angesichts der strikten Vorgaben des § 88 Abs 2 Satz 1 SVG ist die Bundeswehrverwaltung indes nur zuständig für die Feststellung von Gesundheitsschäden, die sich während der Dienstzeit des Soldaten manifestiert haben. Verneint sie für diesen Zeitraum das Vorliegen von wehrdienstbedingten Gesundheitsstörungen, so ist danach die Versorgungsverwaltung nicht gehindert, darüber zu entscheiden, ob die Wehrdienstverrichtung oder dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse nach Beendigung der Dienstzeit zu einer Erkrankung geführt haben.

41

Bei dieser Vorgehensweise lässt sich zugleich der vom Gesetzgeber mit dieser Verfahrensregelung verfolgte Zweck erreichen, unterschiedliche Entscheidungen über die Beschädigtenversorgung iS der §§ 80 ff SVG und die Dienstzeitversorgung iS der §§ 3 ff SVG, für die nach § 87 SVG die Bundeswehrverwaltung allein zuständig ist, zu vermeiden (vgl BT-Drucks 8/4030, S 26). Dagegen ist der Regelung des § 88 SVG nicht zu entnehmen, dass sich die Entscheidungsbefugnis der Bundeswehrverwaltung zur Feststellung von Schädigungsfolgen auf alle Gesundheitsstörungen erstrecken soll, die im Zeitpunkt der betreffenden Entscheidung vorliegen, auch wenn dieser - wie hier - Jahrzehnte nach dem Ende des Wehrdienstes liegt. Die zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen von Bundeswehrverwaltung und Versorgungsverwaltung (§ 88 Abs 2 SVG) ändert grundsätzlich nicht die in § 88 Abs 1 SVG vorgenommene Zuständigkeitsverteilung. Insbesondere soll der Umfang der Befugnis der Bundeswehrverwaltung über das Vorliegen von Folgen einer WDB zu entscheiden, nicht davon abhängen, wann der (ehemalige) Soldat einen Versorgungsantrag stellt.

42

Da die vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 21.11.2003 und 22.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.6.2006 keine (positiven oder negativen) Feststellungen zu während der Dienstzeit des Klägers vom 1.10.1959 bis 30.9.1963 eingetretenen gesundheitlichen Folgen einer WDB, sondern lediglich negative Feststellungen zu nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses aufgetretenen Gesundheitsstörungen enthalten, hat das LSG diese Verwaltungsakte insoweit im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

43

b) Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die bei ihm in der Zeit ab Juli 2001 vorliegenden Gesundheitsstörungen Folgen einer WDB sind, kann seine gegen die Beklagte gerichtete Verpflichtungsklage - wie das LSG zutreffend erkannt hat - schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Beklagten insoweit eine Entscheidungszuständigkeit fehlt. Denn diese ist gemäß § 88 Abs 1 und 2 iVm § 85 SVG nur befugt, über Schädigungsfolgen zu befinden, die während des Wehrdienstverhältnisses des Klägers vorgelegen haben.

44

Da der Kläger bereits im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren geltend gemacht hat, dass bestimmte Gesundheitsstörungen, für die schädigende Einwirkungen durch dienstliche Strahlenbelastung ursächlich seien, bereits während des Wehrdienstes aufgetreten seien, kann sein mit der (gegen die Beklagte gerichteten) Verpflichtungsklage verfolgtes Begehren (§ 123 SGG)nach seinem objektiven Erklärungswert und der recht verstandenen Interessenlage des Klägers (§ 133 BGB)nur so verstanden werden, dass dieser unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt, was ihm aufgrund des von ihm geschilderten Sachverhalts rechtlich zusteht: Er beansprucht deshalb hilfsweise auch, die Beklagte zu verpflichten, die während der Dienstzeit aufgetretenen, auf eine dienstliche Strahlenbelastung zurückzuführenden Gesundheitsstörungen als Folgen einer WDB festzustellen (zum Anspruch auf Feststellung aller Schädigungsfolgen bereits BSGE 9, 80, 82; BSG, Urteil vom 25.4.1961 - 11 RV 198/61 - juris RdNr 7). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte über diese Gesundheitsstörungen in den angefochtenen Bescheiden bereits ausdrücklich entschieden hat. Vielmehr darf der Kläger auch noch während des gerichtlichen Verfahrens weitere Gesundheitsstörungen "nachschieben", die er ursächlich auf eine WDB zurückführt (hierzu bereits BSG, Urteil vom 18.1.1961 - 11 RV 1020/60 - juris RdNr 9; BSG, Urteil vom 25.4.1961 - 11 RV 198/61 - juris RdNr 7 f).

45

Über dieses Begehren hat das LSG zu Unrecht keine Sachentscheidung getroffen. Zwar handelt es sich hier nicht um den Fall einer alsbaldigen Feststellung dazu, ob eine Körperverletzung, die noch keine Leistungsansprüche auslöst, eine Wehrdienstbeschädigung ist (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 18). Insofern geht es vorliegend nicht um eine rechtzeitige Beweissicherung wegen möglicher Spätschäden. Vielmehr macht der Kläger - Jahrzehnte nach seiner Dienstzeit - Schädigungsfolgen geltend, die er auf eine dienstliche Strahlenbelastung zurückführt. Auch und gerade in solch einem Fall ist - nicht zuletzt wegen der sich aus § 88 Abs 3 SVG ergebenden Bindungswirkung - die (auf die Verhältnisse während der Dienstzeit beschränkte) Erstentscheidungsbefugnis der Beklagten zu beachten. Daraus ergibt sich wiederum ein Anspruch des Klägers auf eine entsprechende Verwaltungsentscheidung der Beklagten.

46

Das LSG hat - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - weder festgestellt, ob beim Kläger eine WDB iS des § 81 Abs 1 SVG vorliegt, also eine (primäre) gesundheitliche Schädigung, die "durch eine Wehrdienstverrichtung … oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist" (hier durch schädigende Einwirkungen einer Strahlenbelastung während der Dienstzeit des Klägers bei der Bundeswehr), noch hat es darüber befunden, ob bereits während der Dienstzeit (weitere) Gesundheitsstörungen aufgetreten sind, für die eine Strahlenbelastung oder darauf beruhende Schädigungsfolgen mit (hinreichender) Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung gewesen sind. Da es mithin an für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Tatsachenfeststellungen mangelt, ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

47

2. Soweit der Kläger mit der Revision erreichen will, unter Aufhebung des entgegenstehenden Urteils des LSG das beigeladene Land zu verurteilen, ihm wegen der nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses erlittenen Folgen einer WDB Leistungen der Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff SVG in Verbindung mit den Vorschriften des BVG zu gewähren, hat seine Revision im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings hat das LSG zu Unrecht angenommen, dass der Kläger damit eigenständige Klagen erhoben habe, die gesondert abgewiesen werden könnten.

48

Nach § 75 Abs 5 SGG kann ua in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden. Diese Vorschrift gibt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aus prozessökonomischen Gründen nur die Befugnis, in Fällen, in denen der Kläger einen nicht passiv legitimierten Leistungsträger verklagt, den in Wirklichkeit passiv legitimierten, aber nicht verklagten Leistungsträger nach Beiladung zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und damit auch die Möglichkeit sich praktisch widersprechender Urteile verschieden besetzter Spruchkörper zu vermeiden (vgl BSGE 9, 67, 69; BSGE 49, 143, 145 = SozR 5090 § 6 Nr 4; BSGE 57, 1, 2 = SozR 2200 § 1237a Nr 25; BSG, Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 26). Demnach kommt eine Verurteilung des Beigeladenen nur subsidiär in Betracht. Sie darf erst stattfinden, soweit die Klage gegen den ursprünglich Beklagten keinen Erfolg hat. Zudem muss es sich um Ansprüche handeln, die sich gegenseitig ausschließen, also nicht nebeneinander bestehen (vgl BSGE 49, 143, 146 = SozR 5090 § 6 Nr 4).

49

Danach ist der Kläger grundsätzlich nicht gehindert - wie hier sowohl im Berufungs- als auch im Revisionsverfahren - Anträge gegen das beigeladene Land zu stellen. Bei diesen Anträgen handelt es sich jedoch nicht, wie das LSG meint, um neue, erstmals vor dem LSG erhobene Klagen, sondern um die ursprünglich gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland erhobenen Klagen, die sich nach Beiladung - hilfsweise - auch gegen das beigeladene Land richten. Bei einer abschlägigen Entscheidung über diese Anträge ist deshalb eine gesonderte Klageabweisung, wie sie hier im Berufungsurteil erfolgt ist, nicht angebracht. Vielmehr hat sich das Gericht in den Entscheidungsgründen auf Ausführungen dazu zu beschränken, warum es eine Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ablehnt.

50

Hinsichtlich des gegen den Beigeladenen gerichteten Leistungsbegehrens sind - wie das LSG zutreffend erkannt hat - die Voraussetzungen für eine Verurteilung nach § 75 Abs 5 SGG schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei dem dienstrechtlichen Ausgleich nach § 85 SVG und den entschädigungsrechtlichen Leistungen der Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff SVG iVm den Vorschriften des BVG um verschiedene Ansprüche handelt, die unterschiedliche Zeiträume betreffen und nebeneinander bestehen können. Im Übrigen hat der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt auch deshalb keinen spruchreifen Anspruch auf Leistungen der Beschädigtenversorgung gegen das beigeladene Land, weil nach § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a SVG (im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 88 Abs 3 Satz 1 SVG) zunächst die beklagte Bundesrepublik Deutschland über die Ansprüche des Klägers wegen während der Dienstzeit aufgetretener Folgen einer WDB(§ 85 Abs 1 SVG) entscheiden muss, bevor der Beigeladene über die Leistungen der Beschädigtenversorgung für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses (§§ 80 ff SVG)befinden darf.

51

3. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch erneut über die Kosten des Verfahrens, jetzt einschließlich der Revision, zu entscheiden haben, so dass die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil des LSG ebenfalls aufzuheben ist.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung des Zustandes nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge begehrt.

Im Übrigen wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Juni 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, ob weitere Gesundheitsstörungen - ein Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts, sowie ein Zustand nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung dieser Vene und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts - als Unfallfolgen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 festzustellen sind.

2

Der Kläger leitete am 10.9.2003 eine Tauchgruppe auf der Insel G. Er betrat mit voller Tauchausrüstung nebst Kamera mit einem Gesamtgewicht von ca 40 bis 60 kg das Wasser. Als dieses mehr als knie-, aber noch nicht hüfttief war, trat er auf einen Stein und knickte um. Eine Rotations-Streckbewegung des rechten Knies erfolgte dabei nicht.

3

Der Durchgangsarzt Dr. K. führte am 13.9.2003 eine durchgangsärztliche Untersuchung durch und diagnostizierte eine Distorsion des rechten Knies (Durchgangsarztbericht vom 16.9.2003). Nach einer weiteren Untersuchung vom 23.9.2003 äußerte Dr. K. den Verdacht auf Innenmeniskusläsion. Es bestehe die Indikation zur Arthroskopie; Aufnahme und Operation wurden für den folgenden Tag vereinbart. Am 24.9.2003 wurde die Arthroskopie durchgeführt, "unter" der Diagnose einer degenerativen Innenmeniskusläsion. Intraoperativ hatte sich keine frische Läsion gefunden. Es lag ein isolierter Lappenriss des Innenmeniskus vor, also ohne Verletzungen der Kniebänder. Es wurde eine Innenmeniskushinterhornresektion durchgeführt. Im Operationsbericht vom 24.9.2003 heißt es, das Hinterhorn selbst habe aufgefaserte Strukturen gezeigt, sodass die klinische Diagnose bestätigt sei.

4

In der Folgezeit trat beim Kläger im rechten Bein eine Teilthrombosierung der Vena saphena parva bei Stammvarikosis mit Insuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans auf. Am 15.10.2003 erfolgte deshalb eine Operation. Hierbei wurden gleichzeitig radikuläre Varizen am linken Unterschenkel operativ entfernt. Am 10.11.2003 wurde der Kläger wegen akuter linksthorakaler Schmerzen und Dyspnoe stationär behandelt, dabei wurde ua eine Lungenembolie bei Oberschenkelthrombose links diagnostiziert.

5

Die Beklagte stellte im Bescheid vom 1.12.2004 als Folgen des Versicherungsfalls des Klägers vom 10.9.2003 eine "folgenlos ausgeheilte Kniedistorsion rechts mit Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für den Zeitraum 13. bis 27.9.2003" fest. Einen Anspruch auf Rente lehnte sie mangels einer MdE von mindestens 20 vH ebenso ab wie die Anerkennung weiterer Unfallfolgen. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.3.2005 zurück, in dem sie den Gesundheitserstschaden als banale Distorsion des rechten Knies bezeichnete.

6

Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 6.10.2006 abgewiesen, weil keinerlei Unfallfolgen mehr festzustellen seien. Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 15.6.2010 zurückgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003. Hinsichtlich des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion fehle es bereits an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis. Das Unfallereignis ohne entsprechende Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus sei nicht geeignet gewesen, einen isolierten Lappenriss des Innenmeniskus zu verursachen. Dieses Ereignis habe nur zu einer folgenlos ausheilenden Distorsion des Kniegelenks führen können. Auch der Zustand nach Unterschenkelvenen-Thrombose rechts im Bereich der Vena saphena parva mit operativer Entfernung des thrombotischen Gefäßes und einer Perforansvenenklappeninsuffizienz sei keine (mittelbare) Folge des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003. Dabei hat das LSG offen gelassen, ob diese Gesundheitsstörungen Folgen der arthroskopischen Operation des rechten Kniegelenks sind. Es handele sich nicht um "mittelbare Unfallfolgen" iS von § 8 SGB VII bzw § 11 SGB VII, denn sie seien nicht bei Erkennung oder Behandlung von Folgen des Versicherungsfalls eingetreten. Auf die subjektive Sicht des Klägers, die Arthroskopie am rechten Kniegelenk sei wegen dort bestehender Unfallfolgen erforderlich gewesen, komme es entgegen dem BSG-Urteil vom 24.6.1981 (2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 60 = SozR 2200 § 555 Nr 5) nicht an. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe mangels einer unfallbedingten MdE von mindestens 20 vH nicht.

7

Der Kläger rügt - nach Beschränkung seines Antrags - mit seiner Revision nur noch, dass das LSG von dem Urteil des BSG vom 24.6.1981 (2 RU 87/80, aaO) abgewichen sei und deshalb das Vorliegen von Unfallfolgen zu Unrecht verneint habe. Bereits die irrtümliche Annahme, die Arthroskopie sei wegen der Unfallfolgen durchgeführt worden, sei dafür ausreichend, eine mittelbare Unfallfolge zu bejahen.

8

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Hessischen LSG vom 15. Juni 2010 und das Urteil des SG Gießen vom 6. Oktober 2006 und die Ablehnung von Unfallfolgen im Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm einen Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts, einen Zustand nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung der Vena saphena parva rechts und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts als Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 festzustellen.

9

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers, mit der er ein Recht auf Verletztenrente nicht mehr verfolgt hat, ist unbegründet, soweit er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge begehrt. Dieser Zustand ist keine Unfallfolge (im engeren oder im weiteren Sinn) des anerkannten Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 (hierzu unter 2.). Soweit er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Zustands nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung der Vena saphena parva rechts und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts als Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 begehrt, ist seine Revision im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zwar sind diese Gesundheitsbeeinträchtigungen keine (sog unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, da sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls, die Kniegelenksdistorsion rechts, verursacht wurden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es dem Senat jedoch nicht möglich, abschließend darüber zu befinden, ob sie aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII als (sog mittelbare) Unfallfolgen im weiteren Sinn festzustellen sind (im Einzelnen unter 3.).

11

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG war zulässig, ebenso die von ihm erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen.

12

Diese sind gemäß § 54 Abs 1 SGG statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, nicht nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage iS des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG, § 55 Abs 1 Nr 3 SGG geltend machen. Er kann wählen, ob er stattdessen sein Begehren mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (vgl zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 29/07 R - Juris RdNr 14; aA BSG vom 15.2.2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 12 - Juris RdNr 13 zur Auslegung eines Antrags auf Verurteilung zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls als Feststellungsklage; vgl zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage für die Feststellung von Unfallfolgen Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 15c, 51. Lfg, V/2011; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 20b).

13

Die Sachentscheidungsvoraussetzungen dieser Klagearten liegen vor. Insbesondere ist der Kläger auch klagebefugt (formell beschwert) iS des § 54 Abs 2 Satz 1 SGG, weil er möglicherweise in seinem Anspruch auf Erlass von Verwaltungsakten, die Unfallfolgen feststellen sollen, verletzt ist.

14

Die Rechtsordnung sieht die vom Kläger als verletzt geltend gemachten Rechte vor, nämlich Rechtsansprüche gegen den Unfallversicherungsträger auf Feststellungen von Unfallfolgen eines Arbeitsunfalls (und ggf einer Berufskrankheit; vgl Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 15b, 51. Lfg, V/2011). Grundsätzlich kann ein Versicherter vom Träger den Erlass feststellender Verwaltungsakte über das Vorliegen eines Versicherungsfalls und ggf der diesem zuzurechnenden Unfallfolgen beanspruchen. Hierzu ist der Unfallversicherungsträger auch iS von § 31 SGB I hinreichend ermächtigt. Feststellbare Unfallfolgen sind solche Gesundheitsschäden, deren wesentliche (Teil-) Ursache der Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls war oder die einem (uU nur behaupteten) Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind (dazu im Folgenden).

15

Anspruchsgrundlage für einen solchen Feststellungsanspruch eines Versicherten und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsakts für den Unfallversicherungsträger ist § 102 SGB VII. Nach dieser Vorschrift wird in den Fällen des § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV "die Entscheidung über einen Anspruch auf Leistung" schriftlich erlassen. Sie stellt nicht nur das Schriftformerfordernis für die in § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV genannten Arten von Entscheidungen auf. Sie enthält zudem ausdrücklich die Erklärung, dass der Unfallversicherungsträger über einen Anspruch auf Leistung selbst "entscheiden" darf. Die Entscheidung eines Unfallversicherungsträgers über das Bestehen/Nichtbestehen oder über Inhalt und Umfang eines Sozialleistungsanspruchs aus dem SGB VII ist aber stets eine hoheitliche (= öffentlich-rechtliche) Maßnahme zur Regelung (dh gemäß § 31 SGB I: auch zur Feststellung eines Rechts) eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (hier: Leistungsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung) mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (hier: gegenüber einem Versicherten).

16

Diese Ermächtigungsnorm ist zugleich Anspruchsgrundlage für den Versicherten. Zwar ist § 38 SGB I nicht anwendbar, der speziell materiell-rechtliche Ansprüche auf Sozialleistungen, nicht Ansprüche auf den Erlass von Verwaltungsakten betrifft. § 102 SGB VII begründet aber einen solchen öffentlich-rechtlichen Anspruch, weil er nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen soll, sondern auch dem Interesse eines aus der Norm abgrenzbaren Kreises Privater; diesen Begünstigten verleiht er zudem die Rechtsmacht, vom Hoheitsträger die Befolgung seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht rechtlich verlangen zu können (zu diesen Voraussetzungen eines subjektiv-öffentlichen Rechts BVerfGE 27, 297, 307 unter Bezugnahme auf Ottmar Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, 42 ff, 224; BSGE 97, 63, 70 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1; BVerwGE 107, 215, 220 mwN). § 102 SGB VII soll als den Verwaltungsträger verpflichtende Befugnis auch den Interessen der durch einen Unfall gesundheitsbeschädigten Versicherten an einer raschen und rechtsverbindlichen Klärung dienen. Der Versicherte kann auch Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist (Aufgabenkreis des Trägers) und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind.

17

Ermächtigung und Anspruchsgrundlage erfassen aber nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelner Anspruchselemente. Nach der Systematik des SGB VII sind in den Vorschriften, welche die Voraussetzungen der verschiedenen sozialen Rechte auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regeln, nur die spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen einzelnen Arten von Leistungsrechten ausgestaltet. Demgegenüber sind die allgemeinen Rechtsvoraussetzungen, die für alle Leistungsrechte des SGB VII gleichermaßen gelten, nämlich die Regelungen über den Versicherungsfall und die ihm zuzurechnenden Unfallfolgen (§§ 7 bis 13 iVm §§ 2 bis 6 SGB VII), vorab und einheitlich ausgestaltet. Ermächtigung und Anspruch betreffen daher auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind.

18

Hierzu gehört zuerst der Versicherungsfall. Durch ihn wird ein Gesundheitserstschaden (eine Gesundheitsbeeinträchtigung) einer bestimmten versicherten Tätigkeit und dadurch zum einen dem Versicherten zugerechnet, der (nur) unfallversichert ist, wenn und solange er eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Zum anderen wird der Gesundheitserstschaden einem bestimmten Unfallversicherungsträger zugerechnet, dessen Verbandszuständigkeit für diesen Versicherungsfall und alle gegenwärtig und zukünftig aus ihm entstehenden Rechte dadurch begründet wird. Es entsteht also mit der Erfüllung des Tatbestandes eines Versicherungsfalls ein als Rechtsverhältnis feststellbares Leistungsrechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Träger als Inbegriff aller aus dem Versicherungsfall entstandenen und möglicherweise noch entstehenden Ansprüche (vgl hierzu auch Spellbrink in Schulin , Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 2, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 24, S 441 ff).

19

Zweitens gehören zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen die (sog unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden. Drittens zählen hierzu auch die (sog mittelbaren) Unfallfolgen im weiteren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die nicht wesentlich durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden, aber diesem oder einem (behaupteten) Unfallereignis aufgrund einer besonderen gesetzlichen Zurechnungsnorm zuzurechnen sind.

20

Der Feststellung, ob und welche Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind, kommt eine über den einzelnen Leistungsanspruch hinausgehende rechtliche Bedeutung für den Träger und den Versicherten zu. Denn trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen setzen, wie bereits ausgeführt, alle Leistungsansprüche nach den §§ 26 ff SGB VII als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall(iS der §§ 7 bis 13 SGB VII) und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden - bis hin zum Tod des Verletzten - voraus und begründen dafür die Verbandszuständigkeit nur eines bestimmten Trägers der Unfallversicherung.

21

Zugleich werden ggf die Grundlagen und Grenzen eines Haftungsausschlusses nach §§ 104 ff SGB VII festgelegt. Ist der Unfallverletzte (wie im Regelfall) in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, bedarf es auch deshalb einer raschen verbindlichen Klärung des Vorliegens eines Versicherungsfalls und seiner Folgen, weil nach § 11 Abs 5 SGB V ein Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen ausgeschlossen ist, wenn der Leistungsbedarf im Wesentlichen durch eine Unfallfolge (oder eine Berufskrankheitsfolge) verursacht wird.

22

Zudem eröffnet § 55 Abs 1 Nr 3 SGG eine Feststellungsklage, wenn die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist. Zwar kann von der prozessrechtlichen Möglichkeit einer solchen Klage auf gerichtliche Feststellung einer Unfallfolge nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass im materiellen Recht eine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Versicherten gegen seinen Unfallversicherungsträger auf behördliche Feststellung einer Unfallfolge existiert. Diese besondere Rechtsschutzform weist aber (wie § 55 Abs 1 Nr 1 SGG für die Feststellung eines Versicherungsfalls) darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber ein schutzwürdiges Interesse der Versicherten an einer solchen Feststellung anerkennt.

23

Der Tatbestand der Ermächtigungs- und Anspruchsgrundlage des § 102 SGB VII, auf die der Kläger sich somit grundsätzlich berufen kann, setzt voraus, dass der Versicherte einen Versicherungsfall und, soweit die Feststellung von Unfallfolgen begehrt wird, weitere Gesundheitsschäden erlitten hat, die im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einem (uU nur behaupteten) Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind.

24

In einem solchen in der Rechtsordnung vorgesehenen und ihm möglicherweise zustehenden Recht ist der Kläger durch die seine Feststellungsansprüche ablehnenden Entscheidungen der Beklagten möglicherweise verletzt, weil es nach seinem Vorbringen nicht ohne Sachprüfung ausgeschlossen ist, dass die bei ihm vorliegenden Gesundheitsschäden Unfallfolgen sind.

25

Das Revisionsgericht hat somit, wie schon die Vorinstanzen, die Befugnis, über die mit der Revision weiter verfolgten Feststellungsansprüche gegen die Beklagte in der Sache zu entscheiden.

26

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge. Denn dieser Zustand ist weder eine (sog unmittelbare) Unfallfolge im engeren Sinne (sogleich unter a), noch eine (sog mittelbare) Unfallfolge im weiteren Sinne, hier aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII (hierzu unter b).

27

a) Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls iS des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des (hier anerkannten) Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", dh aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls (der Berufskrankheit) ist, muss er grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden. Die Beklagte hat den Erstschaden hier jedenfalls im Widerspruchsbescheid noch hinreichend als banale Distorsion des rechten Kniegelenks bestimmt.

28

Ob ein Gesundheitsschaden (hier: der Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts) dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls (hier: der Kniegelenksdistorsion rechts) als Unfallfolge im engeren Sinn zuzurechnen ist (sog haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris RdNr 12; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten.

29

Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden.

30

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des Senats gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 15 ff mwN). Darauf ist hier nicht weiter einzugehen, da die Kniegelenksdistorsion rechts schon keine notwendige Bedingung des Zustandes nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts war.

31

Es fehlt bereits an einem Kausalzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zwischen dem bindend anerkannten Erstschaden des Klägers, der Distorsion des Kniegelenks rechts, und dem Innenmeniskusschaden. Der Innenmeniskusschaden selbst war nicht als Gesundheitserstschaden oder als Unfallfolge im engeren Sinne anerkannt worden. Das Unfallereignis vom 10.9.2003, ein Umknicken ohne Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus, war keine Ursache für den Meniskusschaden im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war das Unfallereignis vom 10.9.2003 keine notwendige Bedingung für den Lappenriss des Innenmeniskushinterhorns des Klägers. Dem zu Grunde lag der vom LSG hinreichend klar festgestellte medizinische Erfahrungssatz, dass ein Umknicken ohne Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus bei einem intakten Meniskus keinen isolierten Lappenriss des Innenmeniskus verursachen kann. Da nicht gerügt und nicht ersichtlich ist, dass das LSG diesen medizinischen Erfahrungssatz nach Verfahren und Inhalt falsch festgestellt hat, besteht kein Rechtsgrund für das Revisionsgericht, das Bestehen und den Inhalt dieses Erfahrungssatzes ohne eine zulässig erhobene Verfahrensrüge selbst von Amts wegen zu prüfen (vgl hierzu auch BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - Juris RdNr 14 f).

32

b) Der Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion ist auch nicht aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII dem anerkannten Arbeitsunfall vom 10.9.2003 als (sog mittelbare) Unfallfolge im weiteren Sinn zuzurechnen.

33

Nach § 11 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalles auch solche Gesundheitsschäden (oder der Tod) eines Versicherten, die ua durch die Durchführung einer Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung wesentlich verursacht wurden, welche zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurde. Durch diese Vorschrift werden Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände wesentlich verursacht wurden, dem Versicherungsfall "auch" dann zugerechnet, wenn sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls wesentlich verursacht wurden (vgl Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr 1, 46. Lfg, III/10; Schwerdtfeger in Lauterbach, UV, § 11 RdNr 3, 33. Lfg, April 2007). Anders als § 555 Abs 1 RVO setzt § 11 Abs 1 SGB VII nicht mehr voraus, dass bei der Heilbehandlungsmaßnahme etc ein "Unfall" vorliegt, sodass auch Gesundheitsstörungen ohne neues Unfallereignis erfasst werden(vgl nur Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII-Kommentar, § 11 RdNr 9; Stand August 2001). § 11 SGB VII stellt eine spezielle Zurechnungsnorm dar, die Gesundheitsschäden auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet, wenn sie etwa durch die Durchführung einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich verursacht wurden. Aber auch diese gesetzliche Zurechnung, die an die Stelle einer fehlenden Zurechnung kraft Wesentlichkeit tritt, setzt voraus, dass die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes des § 11 SGB VII durch das (behauptete oder anerkannte) Unfallereignis notwendig bedingt war.

34

Diese Voraussetzungen sind beim Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion nicht erfüllt. Denn er war - wie ausgeführt - nicht notwendig bedingt durch den Gesundheitserstschaden, der durch das Unfallereignis verursacht worden war. Er ist zudem nicht durch eine Heilbehandlung iS von § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII und nicht durch eine zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnete Untersuchung iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII verursacht worden. Denn dieser Zustand ergab sich nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG aus der Operation eines nicht unfallbedingten, sondern degenerativen Gesundheitsschadens, der schon vor der Operation bestand.

35

3. Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung des Zustands nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit deren operativer Entfernung und die Perforansvenenklappeninsuffizienz rechts als Unfallfolgen begehrt, ist die Revision im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

36

a) Zwar sind die vom Kläger geltend gemachten weiteren Erkrankungen keine Unfallfolgen im engeren Sinne, da sie nicht durch den Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls, die Kniegelenksdistorsion rechts, verursacht wurden. Denn diese war nach den Feststellungen des LSG schon keine notwendige Bedingung der degenerativen Innenmeniskushinterhornschädigung, durch deren Behandlung sie denkbarerweise vielleicht verursacht wurden. Unfallfolge im engeren Sinne kann aber nur ein Gesundheitsschaden sein, für den der Gesundheitserstschaden notwendige (und auf der zweiten Stufe dann auch wesentliche) Bedingung war.

37

Der Senat kann aber mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber befinden, ob diese Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII als (sog mittelbare) Unfallfolgen im weiteren Sinn dem anerkannten Arbeitsunfall vom 10.9.2003 zuzurechnen und festzustellen sind. Wären diese Gesundheitsschäden wesentlich durch die Erfüllung eines der Tatbestände des § 11 SGB VII verursacht und wären diese ihrerseits (nur) notwendig durch das Unfallereignis, das Umknicken am 10.9.2003, bedingt, so würden sie kraft Gesetzes dem anerkannten Versicherungsfall zugerechnet.

38

Nach den bisherigen Feststellungen des LSG kommen nur die Zurechnungstatbestände (aa) der Durchführung einer zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung (§ 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII) oder (bb) die Durchführung einer Heilbehandlung (§ 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII) in Betracht. Bei beiden Zurechnungstatbeständen kommt es nicht zwingend darauf an, ob ein Versicherungsfall "objektiv" vorlag oder ein Heilbehandlungsanspruch "wirklich" nach materiellem Recht bestand (hierzu unter cc).

39

aa) Die Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII umfasst sinngemäß auch die Aufklärung von Unfallfolgen im engeren Sinn. Dieser Zurechnungstatbestand setzt ausdrücklich nicht voraus, dass überhaupt ein Versicherungsfall objektiv vorliegt. Die Zurechnung erfolgt allein aufgrund der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Träger zur Sachverhaltsaufklärung angeordneten (nicht notwendig ärztlichen) Untersuchung. Die durch die Teilnahme wesentlich verursachten Gesundheitsschäden werden letztlich dem Versicherungsträger zugerechnet, der für die Aufklärung des behaupteten Unfallhergangs und zur Entscheidung über das Vorliegen/Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls und von Unfallfolgen verbandszuständig ist (vgl hierzu noch im Einzelnen unter 3. b, bb). Es kommt also grundsätzlich nur darauf an, ob eine solche Untersuchung gegenüber dem Versicherten angeordnet wurde und er an ihr teilgenommen sowie wesentlich dadurch Gesundheitsschäden erlitten hat.

40

bb) Die Durchführung einer Heilbehandlung iS des § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII liegt vor, wenn der Träger dem Versicherten einen Anspruch auf eine bestimmte Heilbehandlungsmaßnahme nach den §§ 26 ff SGB VII (nicht notwendig durch Verwaltungsakt in Schriftform) bewilligt oder ihn durch seine Organe oder Leistungserbringer zur Teilnahme an einer solchen (diagnostischen oder therapeutischen) Maßnahme aufgefordert hat und der Versicherte an der Maßnahme des Trägers gemäß den Anordnungen der Ärzte und ihres Hilfspersonals teilnimmt. Auch hier beruht die gesetzliche Zurechnung auf der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger (oder diesem zurechenbar) bewilligten oder angesetzten Maßnahme. Insbesondere kommt es rechtlich nicht darauf an, ob die Bewilligung oder Ansetzung der Heilbehandlungsmaßnahme durch den Träger objektiv rechtmäßig war oder ob objektiv ein Anspruch auf (ermessensfehlerfreie Entscheidung <§ 26 Abs 5 Satz 1 SGB VII> über die Bewilligung eines Anspruchs auf diese) Heilbehandlung bestand.

41

Auch insoweit dient die Vorschrift gerade dazu, im Ergebnis die Gleichbehandlung zwischen den Kranken- und Rentenversicherten, die durch ihre Teilnahme an Behandlungen und medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 15a SGB VII sogar eine unfallversicherte Tätigkeit verrichten, und den Unfallversicherten herzustellen, die auf Veranlassung des Unfallversicherungsträgers an unfallversicherungsrechtlichen Sachverhaltsaufklärungs- oder Heilbehandlungsmaßnahmen teilnehmen. Allerdings bestimmt die Zurechnungsvorschrift nicht, dass die Teilnahme an solchen und anderen in § 11 SGB VII genannten Maßnahmen gleichfalls eine versicherte Tätigkeit ist oder ihr gleichsteht. Schon deshalb handelt es sich bei den Fällen des § 11 SGB VII nicht um sog kleine Versicherungsfälle, obwohl die Struktur dieser Zurechnung ihnen ähnlich ist, da sie nicht notwendig einen "ersten" Versicherungsfall voraussetzt.

42

cc) Bei den besonderen Zurechnungstatbeständen kommt es also, entgegen dem LSG, nicht notwendig darauf an, dass objektiv, dh aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne wirklich vorlagen. Erforderlich ist nur, dass der Träger die Maßnahmen gegenüber dem Versicherten in der Annahme des Vorliegens oder der Aufklärungsbedürftigkeit des Sachverhalts eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne veranlasst hat. In diesem Sinne muss nur das angenommene, behauptete oder gegebene Unfallereignis (bei einer Berufskrankheit: die Einwirkung) notwendige Bedingung der Durchführung der Untersuchungs- oder der Heilbehandlungsmaßnahme gewesen sein.

43

Für die Frage, ob eine derartige Durchführung einer gegenüber dem Versicherten angeordneten Maßnahme vorliegt, an der er grundsätzlich pflichtig teilnehmen muss, kommt es entscheidend darauf an, ob der Träger (durch seine Organe) oder seine Leistungserbringer dem Versicherten den Eindruck vermittelt haben, es solle eine solche Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden, an der er teilnehmen solle. Zwar reicht die bloß irrige Vorstellung des Versicherten, er nehme an einer solchen Maßnahme teil, nicht aus, einen Zurechnungstatbestand zu erfüllen. Das hat im Übrigen der Senat in seiner vom LSG genannten und von der Revision im Wesentlichen angeführten Entscheidung vom 24.6.1981 (2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 60 = SozR 2200 § 555 Nr 5) auch nicht gesagt. Dort ging es ausdrücklich um eine vom Unfallversicherungsträger angeordnete Heilmaßnahme. Anders liegt es jedoch, wenn der Träger oder seine Leistungserbringer für den Versicherten den Anschein (beim Erlass von Verwaltungsakten oder bei der Abgabe von Willenserklärungen auch den Rechtsschein) gesetzt haben, es solle eine solche unfallversicherungsrechtliche Maßnahme durchgeführt werden. Das ist der Fall, wenn ein an Treu und Glauben orientierter Versicherter an der Stelle des konkret Betroffenen die Erklärungen und Verhaltensweisen der auf Seiten des Trägers tätig gewordenen Personen als Aufforderung zur Teilnahme an einer vom Unfallversicherungsträger gewollten Maßnahme verstehen durfte. Es kommt also nicht nur auf die "Innenseite" des Trägers und seiner Hilfskräfte an, sondern maßgeblich auch darauf, was wie gegenüber dem Versicherten verlautbart wurde. Denn dieser ist kein bloßes Objekt hoheitlicher Maßnahmen des Trägers; vielmehr setzt jede "Durchführung" einer Untersuchungs- oder Heilmaßnahme seine mitwirkende Teilnahme voraus.

44

b) Das LSG wird folglich zu ermitteln haben, ob die von Dr. K. am 23.9.2003 veranlasste und am 24.9.2003 durchgeführte Arthroskopie und/oder die anschließende Resektion des Innenmeniskushinterhorns rechts Maßnahmen iS des § 11 Abs 1 Nr 1 oder Nr 3 SGB VII waren. Dabei hat es zwischen der Arthroskopie (aa) und der anschließenden Resektion (bb) zu unterscheiden. Lag objektiv bei beiden ärztlichen Maßnahmen keine Durchführung einer Heilbehandlung und keine Durchführung einer zur Aufklärung des Sachverhalts (oder des Vorliegens einer Unfallfolge) angeordneten Untersuchung vor, so ist zu prüfen, ob der Kläger - nach den soeben unter 3. a) cc) aufgezeigten Kriterien - aufgrund des Verhaltens des Durchgangsarztes nach Treu und Glauben berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass die Behandlung/Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Durchführung einer Heilbehandlung iS des § 11 SGB VII durchgeführt wurde und er zur Mitwirkung daran aufgefordert war (hierzu unter c). Läge einer dieser Zurechnungstatbestände vor, so wäre schließlich ggf noch zu entscheiden, ob die Arthroskopie oder die Resektion die weiteren geltend gemachten Gesundheitsschäden (rechtsseitige Thrombosen etc) rechtlich wesentlich (mit-)verursacht haben (unter d).

45

aa) Die Tatsachenfeststellungen des LSG reichen nicht aus, abschließend zu entscheiden, ob die am 24.9.2003 durchgeführte Arthroskopie (zur Resektion sogleich unter bb) eine zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnete Untersuchung iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII war. Sie sind insoweit nicht eindeutig und in sich widersprüchlich. Zudem unterscheidet das LSG nicht zwischen der Arthroskopie und der anschließend durchgeführten Resektion.

46

Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils des LSG hatte Dr. K. wegen Verdachts auf Innenmeniskusläsion die Indikation zur Arthroskopie gestellt und Aufnahme und "Operation" des Klägers für den folgenden Tag vereinbart. Mit der diagnostischen Arthroskopie könnte der Durchgangsarzt gemäß § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII (der sinngemäß auch die Aufklärung von Unfallfolgen umfasst) eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet haben. Denn Untersuchungen zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls sind nicht nur, aber insbesondere ärztliche Untersuchungen darüber, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen eines Versicherungsfalls vorliegen oder welche gesundheitlichen Folgen dieser hat (vgl BSGE 52, 16, 17), also insbesondere Untersuchungen zur Feststellung, ob ein Gesundheitserstschaden bzw welche Unfallfolgen vorliegen.

47

Die Anordnung muss nicht durch den Unfallversicherungsträger selbst, sondern kann auch durch einen Durchgangsarzt erfolgen (offengelassen in BSGE 52, 16, 17; so Keller in Hauck/ Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr 15, 46. Lfg, III/10; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2011, § 11 Anm 10 iVm 12.1; Rapp in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 11 RdNr 9; Wagner in JurisPK-SGB VII, Stand 01/2009, § 11 RdNr 28).

48

Nach § 27 Abs 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger(Vertrag gemäß § 34 Abs 3 SGB VII zwischen dem Hauptverband der gewerblichen BGen, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen BGen, dem Bundesverband der Unfallkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen in der ab 1.5.2001 geltenden Fassung, HVBG-Info 2001, 755) beurteilt und entscheidet der Durchgangsarzt, ob eine allgemeine Heilbehandlung nach § 10 dieses Vertrags oder eine besondere Heilbehandlung nach § 11 SGB VII erforderlich ist. Er erstattet dem Unfallversicherungsträger unverzüglich den Durchgangsarztbericht gemäß § 27 Abs 2 des Vertrags.

49

Soweit ein Durchgangsarzt in dieser Funktion zur Feststellung von Art und Ausmaß der Gesundheitsstörungen eines Unfallereignisses eine weitere Untersuchung anordnet, ist dies jedenfalls eine Anordnung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII. Soweit er selbst zur Behandlung einer von ihm als unfallbedingt eingeschätzten Gesundheitsbeeinträchtigung ohne weiteren Kontakt mit dem Unfallversicherungsträger tätig wird, kann es sich um die Durchführung einer Heilbehandlung handeln (dazu unten).

50

Insofern kann der Senat jedenfalls zum Zwecke der Prüfung der Zurechnungstatbestände des § 11 SGB VII auch offenlassen, wie die Rechtsbeziehung zwischen dem Durchgangsarzt und dem Unfallversicherungsträger im Einzelnen öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist(vgl nur Pross, Zum Rechtsverhältnis zwischen Durchgangsarzt und Berufsgenossenschaft, 1972; hierzu hat insbesondere die zivilrechtliche Rechtsprechung zum Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB iVm Art 34 GG geklärt, wann der Durchgangsarzt in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt; vgl BGH, Urteil vom 28.6.1994, VI ZR 153/93 = VersR 1994, 1195; Urteil vom 9.12.2008, VI ZR 277/07 - BGHZ 179, 115 = VersR 2009, 401; BGH, Urteil vom 9.3.2010, VI ZR 131/09 = VersR 2010, 768). Denn das Handeln des Durchgangsarztes im Rahmen der Voraussetzungen der Zurechnungstatbestände des § 11 SGB VII muss sich der Unfallversicherungsträger grundsätzlich zurechnen lassen.

51

Die hierzu fehlenden Feststellungen sind nicht deshalb unerheblich, weil das LSG in seinem Urteil auch ausgeführt hat, dass die Arthroskopie "unter der Diagnose" einer degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion durchgeführt worden sei. Weiterhin ging das LSG davon aus, dass die operativen Eingriffe ausschließlich der operativen Heilbehandlung der degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion nach bereits vorbestehender klinischer Diagnostik gedient hätten. Offen blieb hierbei aber, wer zu welchem Zeitpunkt die Diagnose einer degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion gestellt hat. Unklar bleibt nach den Feststellungen des LSG auch, ob diese Diagnose bereits vor Beginn der Arthroskopie oder der Resektion erfolgt ist.

52

Ferner ist nicht festgestellt oder ersichtlich, dass eine ggf erfolgte Anordnung einer diagnostischen Arthroskopie dem Kläger gegenüber widerrufen worden wäre. Das LSG wird deshalb Dr. K. zu den Umständen und seinen Anordnungen im Rahmen der am 23.9.2003 erfolgten Untersuchung des Klägers zu befragen haben. Maßgebend für das Vorliegen des besonderen Zurechnungstatbestands des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII sind dabei die Anordnungen und sonstigen dem Versicherten gegenüber vorgenommenen Verhaltensweisen des konkret die Operation ankündigenden und durchführenden Dr. K., der durch sein dem Unfallversicherungsträger zurechenbares Handeln den Tatbestand des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII eröffnen kann. Entscheidend ist insoweit die dem Versicherten verdeutlichte ärztliche Handlungstendenz des Durchgangsarztes vor Durchführung der Maßnahme. Die Handlungstendenz muss darauf gerichtet gewesen sein, Unfallfolgen zu erkennen bzw zu behandeln (vgl Schwerdtfeger in Lauterbach, UV, § 11 RdNr 12, 33. Lfg, April 2007). Die "objektive", nachträgliche Einschätzung eines diagnostischen und therapeutischen Zusammenhangs der Operation mit einem bereits bestehenden degenerativen Schaden durch einen unbeteiligten Arzt (wie sie das LSG durch Dr. A. eingeholt hat), ist in diesem rechtlichen Zusammenhang unbeachtlich.

53

Maßgeblich ist mithin auch, ob und ggf welche Erklärungen Dr. K. über seine Handlungstendenz gegenüber dem Kläger abgegeben hat. Dies wird das LSG noch im Einzelnen durch Befragung des Dr. K. und des Klägers zu ermitteln haben. Hierbei wird das LSG auch zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG erklärt hat, dass die Arthroskopie vom Durchgangsarzt als BG-Heilbehandlung angeordnet worden ist.

54

bb) Der Senat kann ebenso nicht abschließend darüber entscheiden, ob es sich bei der im Zusammenhang mit der Arthroskopie durchgeführten Hinterhornresektion um eine Heilbehandlung iS des § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII gehandelt hat. Auch hierzu wird das LSG Dr. K. zu befragen haben. Als Durchgangsarzt könnte Dr. K. als Leistungserbringer für den Unfallversicherungsträger gemäß § 26 Abs 5 Satz 1 SGB VII im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung bestimmt und mit der Festlegung der Behandlung den Naturalleistungsanspruch des Klägers konkretisiert haben.

55

Der Durchgangsarzt ist nach § 27 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger(aaO) ermächtigt, mit Wirkung für den Unfallversicherungsträger über die erforderliche Behandlungsmaßnahme zu entscheiden (vgl Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 34 RdNr 7; vgl Benz in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 26 RdNr 50; vgl auch Stähler in JurisPK-SGB VII, § 28 RdNr 14 ff). Dies gilt insbesondere auch für die Einleitung eines sog besonderen Heilverfahrens gemäß §§ 34 Abs 1 Satz 3, 28 Abs 4 SGB VII für Versicherungsfälle, für die wegen ihrer Art oder Schwere besondere unfallmedizinische Behandlung angezeigt ist. Insofern ist hier auch aufzuklären, ob Dr. K. die Resektion dem Kläger (und ggf auch der Beklagten) gegenüber als von der Arthroskopie im Wesentlichen untrennbare Maßnahme der (allgemeinen oder besonderen) berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung dargestellt bzw "bewilligt" hat, ohne den Kläger insofern auf die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Dabei ist auch zu prüfen, ob Dr. K. gegenüber dem Kläger bereits vor der Operation klargestellt hat, dass diese ausschließlich nicht unfallbedingt durchgeführt werde, da die Diagnose eines unfallunabhängigen degenerativen Meniskusschadens gestellt worden sei.

56

Denkbar ist nach den Mitteilungen des LSG schließlich auch, dass Dr. K. dem Kläger gegenüber (vor oder während der Operation) eine unfallbedingte Arthroskopie klar von der anschließenden nicht unfallbedingten Resektion getrennt hat. Eine derartige Trennung könnte ggf die diagnostische Heilbehandlung auf die Arthroskopie beschränkt haben, sodass die Resektion keine Heilmaßnahme gewesen wäre und ggf ausschließlich aus der Resektion folgende Gesundheitsschäden (zu der ggf notwendigen Differenzierung der durch die Arthroskopie und die Resektion wesentlich verursachten Gesundheitsschäden siehe unter d) nicht zugerechnet würden. Wird vom Durchgangsarzt für den Versicherten klar und eindeutig abgrenzbar ein zusätzlicher Eingriff zur Behebung eines - von vornherein als solches bezeichneten - unfallunabhängigen Leidens vorgenommen, so können die aus diesem Eingriff resultierenden Folgen nicht mehr dem ersten Unfallereignis zugeordnet werden (vgl BSG vom 30.10.1991 - 2 RU 41/90 und BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 34/92).

57

c) Das LSG wird auch deshalb eine genaue Ermittlung der Umstände und Anordnungen anlässlich der Untersuchung des Klägers am 23.9.2003 vorzunehmen haben, weil der Kläger - wie bereits ausgeführt - seine Revision im Wesentlichen unter (unzutreffender) Berufung auf ein Urteil des Senats zu § 555 RVO(BSGE 52, 57 = SozR 2200 § 555 Nr 5) darauf stützt, er sei jedenfalls subjektiv der Überzeugung gewesen, die Operation finde im Rahmen einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung statt.

58

§ 11 SGB VII setzt zwar - wie aufgezeigt - nicht notwendig voraus, dass ein Versicherungsfall oder auch nur ein Unfallereignis oder ein unfallbedingter Gesundheitsschaden objektiv vorliegen. Andererseits kann aber die bloß subjektive, irrige Vorstellung, eine Untersuchung oder Behandlung werde im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung angeordnet oder durchgeführt, den spezifischen Zurechnungszusammenhang der Tatbestände des § 11 SGB VII nicht auslösen.

59

Ein Zurechnungstatbestand nach § 11 Abs 1 oder Abs 2 SGB VII kann aber auch dann erfüllt sein, wenn der Leistungsträger oder der insofern ihm rechtlich zuzuordnende Durchgangsarzt (hierzu bereits soeben unter 3. b) bei seinem Handeln den objektivierbaren Anschein oder auch den Rechtsschein gesetzt hat, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls (einschließlich einer Unfallfolge) angeordnet werde. Das ist stets der Fall, wenn ein vernünftiger, "billig und gerecht" denkender Versicherter aufgrund des Verhaltens des Unfallversicherungsträgers (bzw seiner Organe) und der Durchgangsärzte davon ausgehen durfte, er sei aufgefordert oder ihn treffe die Obliegenheit gemäß §§ 62, 63 SGB I, an der Maßnahme mitzuwirken (zum Prüfmaßstab bereits oben 3. a, cc).

60

d) Die Voraussetzungen der Zurechnungstatbestände des § 11 Abs 1 Nr 1 und/oder Nr 3 SGB VII können also gegeben sein, wenn das LSG zu der Feststellung gelangt, dass die Arthroskopie als Untersuchungsmaßnahme gemäß § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII bzw die Resektion als Heilbehandlung gemäß § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII vom Durchgangsarzt der Beklagten zurechenbar angeordnet worden ist. Schließlich können diese Zurechnungstatbestände auch dann vorliegen, wenn die Beklagte (oder der für sie handelnde Durchgangsarzt) dem Kläger als rechtstreuen Versicherten gegenüber den objektivierbaren Anschein oder Rechtsschein gesetzt hat, dass die Untersuchung bzw Operation im Rahmen der unfallversicherungsrechtlichen Zuständigkeit durchgeführt werde.

61

Gelangt das LSG in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren zu der Überzeugung, dass einer dieser Tatbestände des § 11 SGB VII vorliegt, so wird es abschließend festzustellen haben, ob die Durchführung der Heilmaßnahme/Untersuchung die wesentliche Ursache der als Unfallfolgen im weiteren Sinne geltend gemachten Gesundheitsschäden ist. Bislang hat es das LSG - von seiner Rechtsansicht her folgerichtig - unterlassen, festzustellen, ob die geltend gemachten Gesundheitsschäden rechtlich wesentlich (überhaupt und ggf auf welche dieser beiden Maßnahmen) auf die Arthroskopie oder die Resektion zurückzuführen sind. Dabei wird zum einen - je nachdem, welcher Zurechnungstatbestand ggf vorliegt - zu ermitteln sein, ob die Gesundheitsschäden, insbesondere die Thrombose der Vena saphena parva rechts, durch die Arthroskopie oder die Innenmeniskushinterhornresektion (oder durch beide) notwendig verursacht wurden. In diesem Zusammenhang sind ggf auch (im Blick zB auf die Stammvarikosis etc) Feststellungen erforderlich, ob und welche weiteren Gesundheitsstörungen beim Kläger vorliegen, die uU ebenfalls notwendige Ursachen waren. Ggf ist die rechtliche Wesentlichkeit der notwendigen Ursachen zu beurteilen (siehe oben).

62

Das LSG wird in der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.

(2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich

1.
die vorsätzliche Beibringung von Gift,
2.
die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen.

(3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch für einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet.

(4) Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.

(5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt.

(6) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die ein Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 oder 5 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, eine Pflegeperson oder eine Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Geschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes erleidet.

(7) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(8) Wird ein tätlicher Angriff im Sinne des Absatzes 1 durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verübt, werden Leistungen nach diesem Gesetz erbracht.

(9) § 1 Abs. 3, die §§ 64 bis 64d, 64f sowie 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). Dabei sind die für deutsche Staatsangehörige geltenden Vorschriften auch für von diesem Gesetz erfaßte Ausländer anzuwenden.

(10) § 20 des Bundesversorgungsgesetzes ist mit den Maßgaben anzuwenden, daß an die Stelle der in Absatz 1 Satz 3 genannten Zahl die Zahl der rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen nach diesem Gesetz im Vergleich zur Zahl des Vorjahres tritt, daß in Absatz 1 Satz 4 an die Stelle der dort genannten Ausgaben der Krankenkassen je Mitglied und Rentner einschließlich Familienangehörige die bundesweiten Ausgaben je Mitglied treten, daß Absatz 2 Satz 1 für die oberste Landesbehörde, die für die Kriegsopferversorgung zuständig ist, oder die von ihr bestimmte Stelle gilt und daß in Absatz 3 an die Stelle der in Satz 1 genannten Zahl die Zahl 1,3 tritt und die Sätze 2 bis 4 nicht gelten.

(11) Im Rahmen der Heilbehandlung sind auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen zu gewähren, wenn diese bei der Heilbehandlung notwendig sind.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die 1969 geborene Klägerin begehrt die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das beklagte Land lehnte ihren diesbezüglichen Antrag ab, weil sich der geltend gemachte sexuelle Missbrauch, der während der Kindheit der Klägerin durch den eigenen Vater erfolgt sein soll, nicht habe feststellen lassen (Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.1.2005). Das Sozialgericht (SG) Schleswig hat nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidung verurteilt, der Klägerin "Versorgung nach dem OEG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 80 vH zu gewähren" (Urteil des SG vom 5.3.2008). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des beklagten Landes nach Vernehmung mehrerer Zeugen (Eltern und Bruder der Klägerin; frühere Lehrerinnen der Klägerin; frühere Freundinnen und früheren Freund der Klägerin) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG nicht habe festgestellt werden können(Urteil des LSG vom 24.2.2010).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil hat die Klägerin bei dem Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde erhoben, mit der sie ua als Verfahrensmängel geltend macht, das LSG sei ohne hinreichende Begründung den von ihr gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt. Es hätte insbesondere die sie behandelnde Diplom-Psychologin G. zu dem Beweisthema vernehmen müssen, dass die bei ihr (der Klägerin) festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit zurückzuführen seien. Frau G. habe in ihren Stellungnahmen vom 5.2.2010 die Frage einer möglichen Fremdinduzierung der Erinnerungen an einen sexuellen Missbrauch durch suggestive Befragungen früherer Therapeuten (sog "False-Memory-Syndrom") verneint.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG vom 24.2.2010 ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) ergangen. Dieser von der Klägerin schlüssig gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Er führt gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

4

Das LSG hat seine in § 103 SGG normierte Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag, Frau G. dazu zu vernehmen, "dass die bei der Klägerin festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit/Jugend zurückzuführen sind", ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung (Zeugenvernehmung) vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr; vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen, insbesondere bevor es eine Beweislastentscheidung trifft. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10). Keiner dieser Ablehnungsgründe liegt hier vor, jedenfalls soweit es um die Vernehmung der Diplom-Psychologin G. zu der Frage geht, ob die Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch fremdinduziert sind (sog "False-Memory-Syndrom").

5

Ausgehend von der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG, dass nach § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) eine Glaubhaftmachung sexuellen Missbrauchs zur Feststellung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG ausreichen könne, hätte sich das LSG vor Erlass einer Beweislastentscheidung zu Lasten der Klägerin gedrängt fühlen müssen, die Diplom-Psychologin G. als sachverständige Zeugin dazu zu vernehmen, auf welche Weise die Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch aufgetaucht sind und welche Erkenntnisse sie (Frau G.) veranlasst haben, in ihrer dem Schriftsatz der Klägerin vom 24.2.2010 beigefügten Stellungnahme vom 5.2.2010 eine Fremdinduzierung der Erinnerungen (sog "False-Memory-Syndrom") zu verneinen.

6

Legt man - wie das LSG - nach § 15 KOVVfG den Beweismaßstab der Glaubhaftmachung zugrunde, so reicht für die Feststellung des von der Klägerin behaupteten sexuellen Missbrauchs das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dh die gute Möglichkeit, aus, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4 S 15). Wenn nun - wie die behandelnde Diplom-Psychologin G. meint - eine Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch ausgeschlossen werden kann, wäre nicht ohne Weiteres ersichtlich, warum die Darstellung der vom LSG als glaubwürdig angesehenen Klägerin, sie sei im Kindesalter von ihrem Vater sexuell missbraucht worden, nicht der Wahrheit entsprechen soll. Soweit das LSG festgestellt hat, bestimmte Schilderungen der Klägerin ließen sich nicht mit der Wahrnehmung mehrerer Zeugen in Einklang bringen, bezieht sich dies nicht auf den streitigen sexuellen Missbrauch selbst, sondern auf andere Umstände. Abgesehen davon, dass diese Unstimmigkeiten vom LSG nicht abschließend geklärt worden sind, könnten die betreffenden Angaben der Klägerin möglicherweise auch durch ihre psychische Erkrankung beeinflusst worden sein. Es kommt deshalb unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des LSG entscheidend darauf an, ob und inwieweit eine Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin ausgeschlossen werden kann.

7

Eine Vernehmung der Diplom-Psychologin G. als sachverständige Zeugin war auch deshalb erforderlich, weil sich das LSG in seinem Urteil ansonsten mit der Frage einer Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin nicht ausdrücklich befasst hat. Dagegen greifen die vom LSG pauschal zur Ablehnung einer Vernehmung von behandelnden Ärzten und Psychotherapeuten vorgebrachten Gründe hier schon deshalb nicht durch, weil sie sich nicht darauf beziehen, ob eine Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin mit sachkundiger Hilfe - etwa auch aufgrund der Stellungnahme der Diplom-Psychologin G. vom 5.2.2010 - ausgeschlossen werden kann.

8

Auf dem insoweit verfahrensfehlerhaften Unterlassen weiterer Beweiserhebung kann die angefochtene Entscheidung beruhen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Durchführung der beantragten Zeugenvernehmung (insbesondere zum Ausschluss einer Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin) neue Gesichtspunkte ergeben hätte, die möglicherweise dazu geführt hätten, dass das LSG im Rahmen seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG)zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Jedenfalls wäre bei Ausschluss einer Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch eine neue berufungsgerichtliche Beweiswürdigung erforderlich gewesen, die ggf auch zu Gunsten der Klägerin hätte ausfallen können.

9

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles von dieser Möglichkeit Gebrauch.

10

Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG in rechtlicher Hinsicht allerdings davon auszugehen haben, dass die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG iVm § 6 Abs 3 OEG nur dann zum Tragen kommt, wenn weder Unterlagen noch sonstige Beweismittel zu beschaffen sind(vgl BSGE 65, 123, 125 = SozR 1500 § 128 Nr 39 S 46).

11

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.