Bundessozialgericht Urteil, 01. März 2011 - B 7 AL 9/09 R

published on 01/03/2011 00:00
Bundessozialgericht Urteil, 01. März 2011 - B 7 AL 9/09 R
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Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. März 2009 und des Sozialgerichts Münster vom 13. August 2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) ab 1.5.2005.

2

Der 1945 geborene, ledige, kinderlose Kläger war von 1970 bis 30.4.2005 bei der K GmbH & Co KG beschäftigt. Zu Beginn des Jahres 2005 und in der Folgezeit war auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse I eingetragen. Ab 1.5.2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.8.2005 wurde er von der Arbeit freigestellt. Am 1.5.2005 waren die Lohnabrechnungszeiträume bis 30.4.2005 abgerechnet. Das an ihn ausgezahlte und monatlich abgerechnete Bruttoarbeitsentgelt der Entgeltabrechnungszeiträume vom 1.5.2004 bis 30.4.2005 betrug 37 133,59 Euro. Das zuvor abgerechnete und ausgezahlte Arbeitsentgelt der Entgeltabrechnungszeiträume vom 1.5.2003 bis 30.4.2004 betrug 43 458,65 Euro. Die Differenz der Bruttoarbeitsentgelte beruhte auf einem am 16.12.2003 geschlossenen Firmentarifvertrag, wonach zur Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze und des gesamten Unternehmens für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2004 alle Tariflöhne und Gehälter um 10 % reduziert worden waren.

3

Am 2.5.2005 (Montag) beantragte der Kläger die Bewilligung von Alg. Die Beklagte bewilligte ein tägliches Alg in Höhe von 36,02 Euro nach einem Bemessungsentgelt von 101,74 Euro (Bescheid vom 17.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 5.9.2005). Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 17.6.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5.9.2005 abgeändert und "die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von 110,40 Euro täglich zu zahlen" (Urteil vom 13.8.2008). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 4.3.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der für die Höhe des Alg maßgebende Bemessungsrahmen sei auf zwei Jahre zu erweitern, weil es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt in diesem erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen. Betrage der Unterschied zwischen dem Bemessungsentgelt im Regelbemessungszeitraum von einem Jahr und dem Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungszeitraum von zwei Jahren mehr als 10 %, sei die Annahme einer unbilligen Härte regelmäßig gerechtfertigt. Liege die Differenz - wie hier - zwischen 5 und 10 %, sei zu prüfen, ob sich eine unbillige Härte aus den Umständen des Einzelfalles ergebe. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Einkommensminderung aus freiwilligen Gehaltseinbußen resultiere, die zum Erhalt seines Arbeitsplatzes hingenommen worden seien. Es wäre widersprüchlich, dies zu Lasten des Klägers zu bewerten.

4

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 130 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III). Die dort normierte Härteregelung erfasse nur Fälle, in denen das geringere Arbeitsentgelt des Bemessungszeitraums für die Höhe des Alg nicht ausreichend repräsentativ sei. Dabei sei es für das Vorliegen einer unbilligen Härte unerheblich, auf welche Umstände der Minderverdienst zurückzuführen sei. Es sei nicht unbillig, die von ihr gezogene Grenze bei einer Differenz der Bemessungsentgelte von 10 % zu ziehen, zumal sich diese auf die Höhe des Alg effektiv nur in Höhe der Lohnersatzquote (von hier 60 %) auswirke.

5

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Die Bemessung des Alg nach dem Regelbemessungsentgelt ist nicht zu beanstanden. Eine unbillige Härte liegt nicht vor.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 17.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.9.2005 (§ 95 SGG). Ob in der Folgezeit weitere Bescheide ergangen sind, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Dies bedarf aber keiner weiteren Prüfung, weil ein etwaiger Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 96 SGG ohnedies keinen in der Revisionsinstanz fortwirkenden und dort von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel darstellt(BSG SozR 4-4100 § 128 Nr 8 RdNr 10). Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um einen Höhenstreit im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG), bei der Grund und Höhe des Alg-Anspruchs in vollem Umfang zu überprüfen sind (stRspr; vgl: BSGE 95, 8 ff RdNr 6 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1; BSGE 95, 191 ff RdNr 13 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2; BSG SozR 4-4300 § 130 Nr 3 RdNr 9).

10

Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit haben nach § 118 Abs 1 SGB III(in der Fassung, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848 - erhalten hat) Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Kläger war angesichts seiner Freistellung ab 1.5.2005 beschäftigungs- und damit arbeitslos. Er hat sich auch arbeitslos gemeldet und einen Antrag auf Alg gestellt und hat angesichts der durchgehenden Beschäftigung seit 1970 bis zu seiner Freistellung auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Alg nach § 118 SGB III zusteht, kann im Übrigen aber dahinstehen; denn selbst wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alg ab 1.5.2005 dem Grunde nach vorliegen, steht dem Kläger kein Anspruch auf höheres Alg zu.

11

Nach § 129 Nr 2 SGB III(in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.2.2001 - BGBl I 266 - erhalten hat) beträgt das Alg für Arbeitslose, die - wie hier - kein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner kein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 EStG hat, 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs 1 SGB III(in der Fassung, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848 - erhalten hat) die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst seinerseits ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses - hier die Beschäftigung bei der K GmbH & Co KG; § 24 Abs 1 SGB III - vor Entstehung des Anspruchs am 1.5.2005. Der kalendermäßig zu berechnende (Coseriu/Jakob in Nomoskommentar SGB III, 3. Aufl 2008, § 130 RdNr 17)Regelbemessungsrahmen beginnt daher am 30.4.2005 und endet (rückwärts gerechnet) am 1.5.2004. In den Lohnabrechnungszeiträumen Mai 2004 bis April 2005 hat der Kläger ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 37 133,59 Euro erzielt. Das Bemessungsentgelt im Regelbemessungszeitraum beträgt danach, wie von der Beklagten angenommen, 101,74 Euro (37 133,59 Euro : 365 Tage; zur Berechnung nach Kalendertagen vgl BSG SozR 4-4300 § 130 Nr 5).

12

Der Bemessungsrahmen ist nicht auf zwei Jahre (1.5.2003 bis 30.4.2005) zu erweitern. Nach § 130 Abs 3 SGB III ist der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (Nr 1) oder - was hier angesichts der durchgehenden Beschäftigung des Klägers im Bemessungsrahmen allein in Frage kommt - es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Regelbemessungszeitraum auszugehen und der Arbeitslose dies verlangt sowie die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen vorlegt (Nr 2). Auch mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen ist es jedoch nicht unbillig hart, von einem Bemessungsentgelt in Höhe von 101,74 Euro auszugehen. Bei einer Erweiterung des Bemessungsrahmens auf die 730 Kalendertage umfassende Zeit vom 1.5.2003 bis 30.4.2005 ergibt sich unter Hinzurechnung des in den Entgeltabrechnungszeiträumen von Mai 2003 bis April 2004 erzielten Arbeitsentgelts in Höhe von 43 458,65 Euro ein Gesamtarbeitsentgelt in Höhe von 80 592,24 Euro. Dividiert durch 730 Tage ergäbe sich im erweiterten Bemessungsrahmen ein um 8,66 Euro höheres Bemessungsentgelt in Höhe von 110,40 Euro (80 592,24 Euro : 730 Tage = 110,40 Euro pro Tag). Dies entspricht einer Differenz von 8,51 % zu dem Bemessungsentgelt im Regelbemessungszeitraum.

13

Eine unbillige Härte iS des § 130 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III liegt aber erst dann vor, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10 % erhöhte Regelbemessungsentgelt übersteigt. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 11. Senats in seinem Urteil vom 24.11.2010 (B 11 AL 30/09 R) an, wonach der von der Beklagten zu Grunde gelegte Maßstab dem durch die Rechtshistorie wie auch die Gesamtsystematik gerechtfertigten Anliegen des Gesetzgebers nach Vereinfachung entspreche. Die für erforderlich gehaltene Differenz der Bemessungsentgelte von mindestens 10 % setze die untere Grenze für die Annahme einer unbilligen Härte, für die nicht schon jede geringe Abweichung vom Normalfall ausreichend sei, nicht unangemessen hoch an. Unerheblich seien dabei auch die Gründe für den Minderverdienst. Dies lege schon der Wortlaut des § 130 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III vor seinem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund nahe, das Bemessungsentgelt nach einfach festzustellenden und objektiv überprüfbaren Maßstäben zu bestimmen und im Interesse einer möglichst verwaltungspraktikablen gleichmäßigen Anwendung ohne Rücksicht auf die Gründe für den Minderverdienst allein auf das Auseinanderklaffen des Regelbemessungsentgelts und des ihm gegenüberzustellenden Vergleichsentgelts abzustellen. Ob besonders gelagerte atypische Einzelfälle denkbar sind, in denen zur Beurteilung einer unbilligen Härte nicht ausschließlich auf das Missverhältnis der miteinander zu vergleichenden Bemessungsentgelte abgestellt werden darf, bedarf hier keiner Entscheidung. Die freiwillige Gehaltseinbuße in einem Umfang von bis zu 10 % des Bruttoeinkommens stellt keinen solchen Sonderfall dar. Dies erschließt sich schon aus den in § 130 Abs 2 SGB III aufgeführten Sonderfällen von Zeiten eines Minderverdienstes, die bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums außer Betracht bleiben.

14

Zu Recht hat der 11. Senat in seiner Entscheidung vom 24.11.2010 (aaO) auch ausgeführt, der gegen einen generellen unteren Schwellenwert von mindestens 10 % erhobene Einwand, dass die Härtefallregelung auf der Rechtsfolgenseite im Gegensatz zum früheren Rechtszustand nicht mehr zu einer fiktiven Bemessung führe, sondern zu einer Bemessung, in die auch die vergleichsweise niedrigen Bemessungsentgelte des Regelbemessungsrahmens einflössen, sei nicht überzeugend. Es sei schon systematisch fragwürdig, die Voraussetzungen für die Anwendung einer Norm von der Rechtsfolgenseite her zu definieren. Zum anderen laufe diese Auffassung auf eine Missachtung des erkennbaren Willens des Gesetzgebers hinaus, dass sich eine unbillige Härte gerade oder allein aus dem Missverhältnis der miteinander zu vergleichenden Bemessungsentgelte ergeben müsse.

15

Ausgehend von einem so ermittelten Bemessungsentgelt ergibt sich ein tägliches Leistungsentgelt von 60,03 Euro. Das Leistungsentgelt ist nach § 133 Abs 1 SGB III das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge sind nach § 133 Abs 1 SGB III eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 % des Bemessungsentgelts(§ 133 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III: 21,37 Euro), die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle (§ 133 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III: 19,28 Euro; vgl zur Begrenzung der Prüfungspflicht der Höhe der Lohnsteuer beim Grundurteil im Höhenstreit in Bagatellfällen BSG SozR 4-4300 § 132 Nr 3) und der Solidaritätszuschlag (§ 133 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III: 5,5 % der nach § 133 Abs 1 Nr 2 SGB III errechneten Lohnsteuer: 1,06 Euro). 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des Leistungsentgelts betragen danach 36,02 Euro.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig
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published on 24/11/2010 00:00

Tenor Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 25. August 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. Mai 2006 aufgehoben und die Klag
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Tenor Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 25. August 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. Mai 2006 aufgehoben und die Klag
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Annotations

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Die Bundesagentur wird ermächtigt, durch Anordnung das Nähere über Voraussetzungen, Art, Umfang und Ausführung der Leistungen in Übereinstimmung mit den für die anderen Träger der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltenden Regelungen zu bestimmen.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind.

(2) Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis oder mit dem Tag nach dem Erlöschen der Versicherungsfreiheit, für die sonstigen Versicherungspflichtigen mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllt sind.

(3) Das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte besteht während eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld fort.

(4) Das Versicherungspflichtverhältnis endet für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis oder mit dem Tag vor Eintritt der Versicherungsfreiheit, für die sonstigen Versicherungspflichtigen mit dem Tag, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht letztmals erfüllt waren.

(1) In Betrieben des Gerüstbauerhandwerks (§ 1 Absatz 3 Nummer 1 der Baubetriebe-Verordnung) werden bis zum 31. März 2021 Leistungen nach den §§ 101 und 102 nach Maßgabe der folgenden Regelungen erbracht.

(2) Die Schlechtwetterzeit beginnt am 1. November und endet am 31. März.

(3) Ergänzende Leistungen nach § 102 Absatz 2 und 4 werden ausschließlich zur Vermeidung oder Überbrückung witterungsbedingter Arbeitsausfälle erbracht. Zuschuss-Wintergeld wird in Höhe von 1,03 Euro je Ausfallstunde gezahlt.

(4) Anspruch auf Zuschuss-Wintergeld nach § 102 Absatz 2 haben auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zur Vermeidung witterungsbedingter Arbeitsausfälle eine Vorausleistung erbringen, die das Arbeitsentgelt bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit für mindestens 120 Stunden ersetzt, in angemessener Höhe im Verhältnis zum Saison-Kurzarbeitergeld steht und durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag geregelt ist. Der Anspruch auf Zuschuss-Wintergeld besteht für Zeiten des Bezugs der Vorausleistung, wenn diese niedriger ist als das ohne den witterungsbedingten Arbeitsausfall erzielte Arbeitsentgelt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.