Bundessozialgericht Beschluss, 30. Dez. 2015 - B 13 R 349/15 B

Gericht
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18. August 2015 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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Das Sächsische LSG hat im Urteil vom 18.8.2015 einen Anspruch des 1951 geborenen Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung auch für den Zeitraum November 2012 bis April 2014 (nach Auslaufen der ihm ab 1.5.2006 bis 31.10.2012 befristet bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Beginn der Altersrente für langjährig Versicherte am 1.5.2014) verneint. Nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen sei der Kläger in dem genannten Zeitraum in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liege nicht vor. Jedenfalls könne der Kläger zumutbar auf eine Tätigkeit als Mitarbeiter einer Poststelle verwiesen werden.
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Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich einen Verfahrensmangel geltend.
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Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 24.11.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, weil in ihr ein Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.
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Der Kläger rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das LSG habe unmittelbar nach Ablehnung seines am 18.8.2015 noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung per Telefax angebrachten Befangenheitsantrags gegen die Vorsitzende Richterin J und die Richterin Dr. L die mündliche Verhandlung nicht fortführen und sodann in der Sache entscheiden dürfen. Vielmehr hätte es ihm zuvor die Erhebung einer Anhörungsrüge gegen die Entscheidung über die Ablehnungsgesuche ermöglichen müssen. Dass dies nicht geschehen sei, verletze ihn "in seinen Rechten gem. Art. 103 GG auf Einräumung des rechtlichen Gehörs". Eine tatsächliche Überprüfung der Rechtsauffassung des LSG hätte im Rahmen der Anhörungsrüge "zu einem anderen Ergebnis" geführt.
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Mit diesem Vorbringen hat der Kläger eine Gehörsverletzung (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) nicht in schlüssiger Weise bezeichnet. Aus seiner Darstellung ergibt sich nicht, dass er bzw sein Prozessbevollmächtigter nach Verkündung des Beschlusses über die Zurückweisung der Befangenheitsanträge noch in der mündlichen Verhandlung eine Anhörungsrüge gegen diese Zwischenentscheidung angebracht hat. Vielmehr trägt er selbst vor, die entsprechende Anhörungsrüge erst knapp zwei Wochen nach Verkündung des Berufungsurteils mit Schriftsatz vom 1.9.2015 erhoben zu haben. Einen Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG kann aber nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht durch die zumutbare Ausschöpfung der vom Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (stRspr - s BVerfG
Beschluss vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 - Juris RdNr 28) . Dass das LSG seinen Prozessbevollmächtigten daran gehindert hätte, in der mündlichen Verhandlung vor Stellung des Sachantrags eine Anhörungsrüge gegen die Zwischenentscheidung zu Protokoll zu erklären und näher zu begründen, macht der Kläger nicht geltend. Er berichtet sogar selbst, dass ausweislich des Protokolls die Beteiligten nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung in geänderter Gerichtsbesetzung das Wort erhalten hätten und das Sach- und Streitverhältnis mit ihnen erörtert wurde, ehe sein Prozessbevollmächtigter den Sachantrag stellte. Weshalb der Kläger davon Abstand nahm, bei dieser Gelegenheit die Rüge einer Gehörsverletzung gegenüber dem LSG zu erheben, erschließt sich aus seinem Vortrag nicht.
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Aus dem von ihm herangezogenen Beschluss des BVerfG (Kammer) vom 6.5.2010 (1 BvR 96/10 - BVerfGK 17, 298 = SozR 4-1500 § 178a Nr 11) ergibt sich nichts anderes. Das BVerfG hat dort zwar ausgeführt, dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 178a Abs 1 S 2 SGG eine Anhörungsrüge auch gegen die Zwischenentscheidung der Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs an sich statthaft sei. Hieraus folgt jedoch - anders als der Kläger offenbar meint - nicht, dass das Gericht nach einer solchen Zwischenentscheidung den Rechtsstreit zwingend zu vertagen hätte, um den Beteiligten Gelegenheit zur vollen Ausschöpfung der Frist von zwei Wochen für die Erhebung einer möglicherweise erwogenen Anhörungsrüge zu geben. Die abstrakte (ausnahmsweise) Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge auch gegen solche Zwischenentscheidungen ist kein geeignetes Mittel, um die Vertagung eines Rechtsstreits selbst dann zu erzwingen, wenn in der mündlichen Verhandlung überhaupt keine Gehörsverletzung geltend gemacht und näher konkretisiert wird. Vielmehr ist in einer solchen Konstellation nach Abschluss der Instanz durch Verkündung des Berufungsurteils nicht nur ein zuvor angebrachtes Gesuch der Richterablehnung prozessual überholt (BSG Beschluss vom 6.6.2007 - B 8 KN 8/07 B - Juris RdNr 5 mwN), sondern auch eine darauf bezogene Anhörungsrüge nicht mehr statthaft (vgl BSG Beschluss vom 11.9.2015 - B 13 R 20/15 C - RdNr 7 f).
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Im Übrigen hat der Kläger mit seiner pauschalen Behauptung, die Überprüfung der Rechtsauffassung des LSG im Rahmen einer Anhörungsrüge hätte zu einem "andern" Ergebnis geführt, auch nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt, inwiefern das Berufungsurteil auf dem von ihm geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.
(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.
(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.
(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.