Bundessozialgericht Beschluss, 26. Jan. 2018 - B 13 R 309/14 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:260118BB13R30914B0
bei uns veröffentlicht am26.01.2018

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 24. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde an das BSG gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG für das Saarland vom 24.7.2014, mit dem ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint worden ist. Sie beruft sich für ihr Zulassungsbegehren ausschließlich auf einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), weil das LSG Beweisanträgen ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil ist unzulässig. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt.

3

1. Die Beschwerdebegründung vom 25.9.2014 genügt schon deshalb nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG, weil die Klägerin bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt hat. Ihren Schilderungen sind - abgesehen von den Ergebnissen der im Verlauf des Verfahrens erster Instanz vom SG eingeholten Gutachten - allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen zu entnehmen. So bleibt bereits die von der Klägerin beanspruchte Rentenart unklar, wenn sie auf Seite 2 der Beschwerdebegründung davon spricht, das SG habe "ihre Klage auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente" abgewiesen, andererseits aber auf Seite 10 vorträgt, dass "bei Einholung der verfahrensfehlerhaft begangenen Beweise" auf die Berufung der "Klage auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitsrente stattzugeben gewesen wäre". Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. "Bezeichnet" ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn vereinzelt Sachverhaltselemente herausgegriffen werden und anhand dieser der behauptete Verfahrensmangel diskutiert wird, sondern nur dann, wenn er in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass das Urteil darauf beruhe (BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 - Juris RdNr 3; s auch BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - Juris RdNr 5).

4

Ein substantiierter Vortrag zum dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden entscheidungserheblichen Sachverhalt kann auch nicht durch die pauschale Bezugnahme auf den Inhalt einer der Beschwerdebegründung beigefügten Urteilskopie ersetzt werden (vgl Seite 2 der Beschwerdebegründung). Das Begründungserfordernis dient dem Ziel, die Revisionsgerichte zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten (BSG Beschluss vom 24.2.1992 - 7 BAr 86/91 - SozR 3-1500 § 166 Nr 4 - Juris RdNr 3 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 9; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Diesem Ziel wird mit der bloßen Wiederholung des Vortrags vor den Instanzgerichten ebenso wenig genügt, wie mit einer - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen - Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind (stRspr zB BSG Beschluss vom 15.2.2011 - B 12 KR 53/10 B - Juris RdNr 5 mwN; Leitherer, aaO, § 160a RdNr 13a; Kummer, aaO, RdNr 292). Nichts anderes gilt für die Bezugnahme auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung, wenn dieser an die Stelle einer eigenen Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts tritt. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen.

5

2. Abgesehen davon genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin aber auch im Übrigen nicht den Darlegungsanforderungen im Hinblick auf den von ihr gerügten Verfahrensmangel.

6

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug(vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

7

Als Verfahrensmangel rügt die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen die Sachaufklärungspflicht aus § 103 SGG: Das Gericht sei ihren in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Anträgen, von Amts wegen, hilfsweise gemäß § 109 SGG "einen Befundbericht und ein zugehöriges Gutachten beim Orthopäden Dr. W. …" sowie Sachverständigengutachten eines Facharztes für Ohrenmedizin, für Augenmedizin und ein weiteres internistisches Gutachten einzuholen, ohne hinreichende Begründung nicht nachgekommen.

8

Damit genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung einer unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 mwN).

9

Diese Anforderungen werden bereits deshalb verfehlt, weil die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht die Rechtsauffassung des LSG darstellt und das BSG dadurch nicht in die Lage versetzt, allein nach dem Inhalt ihrer Begründung beurteilen zu können, ob auf Grundlage dieser Rechtsauffassung die von ihr mit den in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Anträgen auf Einholung weiterer Sachverständigengutachten unter Beweis gestellten Tatsachen klärungsbedürftig gewesen sind. Diesem Erfordernis wird weder durch das wörtliche Zitat der vom LSG für das Unterbleiben weiterer Sachaufklärung im Urteil angeführten Gründe noch durch die Bezugnahme auf den Inhalt des Urteils im Übrigen genügt (vgl oben unter 1.). Besonderer Anlass zu einer solchen Darstellung hätte vorliegend zB schon deshalb bestanden, weil die Klägerin die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung unter anderem mit der Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wegen der Vielzahl der festgestellten bzw von ihr geltend gemachten Leistungseinschränkungen begründet (vgl Seite 10 der Beschwerdebegründung). Ob sich das LSG - ausgehend von seiner zur Beurteilung des behaupteten Verfahrensmangels allein maßgeblichen Rechtsauffassung - zu weiterer Sachaufklärung und der Einholung der beantragten Gutachten hätte gedrängt fühlen müssen, hängt insoweit entscheidend davon ab, welche rechtlichen Anforderungen es an die Bejahung einer Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes stellt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob es eine solche Gefahr nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der unbestimmten Rechtsbegriffe "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder "schwere spezifische Leistungsbehinderung" annimmt (vgl zB BSG Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 1/94 - BSGE 81, 15 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 - Juris RdNr 23 ff) und wie es diese Rechtsbegriffe auslegt. Hierauf geht die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung jedoch ebenso wenig ein, wie auf die Rechtsauffassung des LSG zu den Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Rentenanspruchs im Übrigen.

10

Schon aufgrund der fehlenden Darstellung der Rechtsauffassung des LSG - zB zu den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin entgegen den oben genannten Anforderungen auch keine ausreichende Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann. Denn Prüfungsmaßstab für die Frage des "Beruhens" ist - wie oben dargestellt - die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG. Die insoweit zur zulässigen Beschwerdebegründung notwendige substantiierte Darlegung des "Beruhens" kann daher auch nicht durch die bloße Behauptung ersetzt werden, dass "bei Einholung der verfahrensfehlerhaft begangenen Beweise sich eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin ergeben und … der Klage … stattzugeben gewesen wäre" (Seite 10 der Beschwerdebegründung).

11

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

12

4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160 Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

13

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

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Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Juli 2012 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 15. Feb. 2011 - B 12 KR 53/10 B

bei uns veröffentlicht am 15.02.2011

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. Juni 2010 wird als unzulässig verworfen.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. Juni 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von der beklagten Krankenkasse.

2

Die Klägerin ist Spätaussiedlerin iS des § 4 Bundesvertriebenengesetz und seit dem 15.2.1993 in der Bundesrepublik Deutschland ansässig. Auf ihren Antrag vom 31.7.2008 bezieht sie seit dem 1.10.2008 Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte lehnte die Feststellung der Versicherungspflicht ab, da es insbesondere an der notwendigen sog 9/10-Belegung fehle. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (zuletzt LSG-Urteil vom 2.6.2010).

3

II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung ist demgegenüber kein Zulassungsgrund.

5

Die zunächst mit der Beschwerdeschrift vom 12.7.2010 eingereichte Begründung genügt schon deshalb nicht den an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu stellenden Anforderungen, weil sie sich - abgesehen von der pauschalen Behauptung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - auf eine weitgehend wörtliche Wiederholung der Klagebegründung ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Urteils des LSG oder des hierin zu Bezug genommenen Gerichtsbescheids des SG beschränkt. Das Begründungserfordernis dient dem Ziel, die Revisionsgerichte zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten (BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 9; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Diesem Ziel wird mit der bloßen Wiederholung des Vortrags vor den Instanzgerichten ebenso wenig genügt, wie mit einer - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen - Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind (hierzu zB BSG Beschluss vom 21.8.2009 - B 11 AL 21/09 B - RdNr 8; BSG Beschluss vom 15.3.1991 - 2 BU 20/91; Leitherer, aaO, § 160a RdNr 13a; Kummer, aaO, RdNr 292).

6

Auch mit der unter dem 10.9.2010 eingereichten weitergehenden Beschwerdebegründung hat die Klägerin keinen Zulassungsgrund in der gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet. Die Klägerin beruft sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer verfassungsrechtlichen Frage gilt nichts anderes. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

7

           

Die Klägerin hält die Frage für klärungsbedürftig:

        

"Ist der Belegungszeitraum von 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens als Zugangsvoraussetzung für eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V für anerkannte Spätaussiedler, die ihren Wohnsitz vor mehr als 10 Jahren in das Inland verlegt haben, bei verfassungskonformer Auslegung dahingehend zu beschränken, dass entweder auf das Erfordernis des Belegungszeitraums gänzlich zu verzichten ist oder als Zeitraum des Erwerbslebens nur auf den tatsächlichen Aufenthalt im Inland abzustellen ist."

8

Mit dem dazu erfolgten Vorbringen wird jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht ordnungsgemäß dargelegt. Soweit die Klägerin eine Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V für geboten hält, die von der des LSG abweicht, hätte sie darlegen müssen, dass der Wortlaut überhaupt für eine Auslegung im Sinne der von ihr favorisierten Rechtsauffassung offen ist. Die Klägerin hätte also darstellen müssen, dass der Regelungsgehalt des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V nach Wortbedeutung und Satzzusammenhang im hier relevanten Bedeutungszusammenhang mehrdeutig ist. Dazu genügen jedoch weder der in der Beschwerdebegründung vorgenommene Verweis auf den Ausschluss des gewünschten Ergebnisses durch die vom LSG vertretene Auslegung dieser Norm noch die nach Auffassung der Klägerin ein solches Ergebnis gebietenden wesentlichen Aspekte außer Acht lassenden verfassungsrechtlichen Erwägungen. Zudem fehlen auch Ausführungen zur Deutung der genannten Norm unter Anwendung der weiteren Auslegungsmethoden.

9

Auch soweit die Klägerin den in ihrer Beschwerdebegründung verwendeten Argumenten nach mit der aufgeworfenen Rechtsfrage im Kern eine Rechtsfortbildung zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Rechtslage anstrebt, enthält die Beschwerdebegründung nicht die in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Klärungsbedürftigkeit gebotenen Darlegungen. Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschlüsse vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B und vom 27.10.2006 - B 1 KR B 1 KR 92/06 B, RdNr 5). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Diesen Anforderungen genügt die Begründung nicht.

10

Die Klägerin benennt zwar die ihrer Auffassung nach verletzten Grundgesetznormen (Art 3 Abs 1 und Abs 3 Satz 1 GG), jedoch findet die gebotene Auseinandersetzung mit den vom BVerfG entwickelten Maßstäben für die Prüfung eines behaupteten gleichheitswidrigen Privilegierungsausschlusses sowie deren Konsequenzen für das Anliegen der Klägerin nur im Ansatz statt. Insbesondere versäumt es die Klägerin auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG und des BSG einzugehen, wonach es im Spannungsverhältnis zwischen der (Vorsorge-)Freiheit des Einzelnen (Art 2 Abs 1 GG) und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung weitgehend in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegt, ob er eine Pflichtversicherung begründen will und wen diese erfassen soll. Nach dieser Rechtsprechung darf die Einbeziehung in die Versicherung nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse erfolgen. Weshalb durchgreifende Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit Art 3 GG bestehen könnten, obwohl der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums nicht gehalten ist, jede denkbare Form von Beschäftigung in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen und er erst recht grundsätzlich nicht zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Versichertengruppen gezwungen ist(stRspr des Senats, zB BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 19 f mwN), ist nicht hinreichend erörtert.

11

Für die von der Klägerin benannten verfassungsrechtlichen Probleme hätte es darüber hinaus der Erörterung bedurft, ob und inwieweit diese ggf durch in anderem Zusammenhang vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt sind. So hat der Senat die Zugangsvoraussetzungen nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V bereits in unterschiedlichen Zusammenhängen am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes geprüft und für verfassungsgemäß befunden(vgl BSGE 103, 235 = SozR 4-2500 § 5 Nr 8, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 18 f, mwN). Danach ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, für Personen, die bisher nicht oder nur in geringem zeitlichem Umfang in der GKV versichert waren, mit Beginn des Rentenbezugs die Möglichkeit der Absicherung in der GKV zu schaffen. Ferner darf der Gesetzgeber auch bei der dem zugrunde liegenden, verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässigen Systemabgrenzung der GKV nach der Zugehörigkeit während des Berufslebens (vgl BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 19) generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen Art 3 Abs 1 GG zu verstoßen.Mit dieser naheliegend übertragbaren Rechtsprechung, die in der Beschwerdebegründung keine Erwähnung findet, hätte sich die Klägerin auseinandersetzen und darlegen müssen, weshalb ihr nicht zu folgen bzw inwieweit für Spätaussiedler eine andere rechtliche Bewertung vorzunehmen sein soll.

12

Soweit die Klägerin aus den Regelungen des Fremdrentengesetzes (FRG) einen Anspruch auf die Privilegierung von Spätaussiedlern gegenüber anderen Zuwanderern herzuleiten sucht, hätte sie - was unter diesen Umständen nahe liegt - ebenfalls darlegen müssen, welche Folgerungen aus der Rechtsprechung des BVerfG zu § 22 Abs 4 FRG für die von ihr aufgeworfene Fragestellung zu ziehen sind und weshalb dieser Rechtsprechung vorliegend nicht zu folgen ist. Denn das BVerfG hat bereits entschieden, dass die durch das FRG gewährte Begünstigung nicht Grundlage für einen Anspruch sein kann, die volle Gleichstellung mit denjenigen zu erhalten, die ein Versicherungsverhältnis zu einem deutschen Versicherungsträger begründet hatten und haben (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5).

13

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

14

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Juli 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 12.7.2012 hat das Thüringer LSG auf die Berufung der Beklagten deren Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vom 1.11.2003 bis 31.8.2011 aufgehoben.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung vom 10.10.2012 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus dargestellt werden, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 und Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).

5

a) Die Klägerin hat den gerügten Verfahrensmangel einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht hinreichend bezeichnet.

6

Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5).

7

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin trägt vor, dass sie mit Schriftsatz vom 7.7.2009 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage beantragt habe, inwieweit sich die Einnahme des Medikaments Tramadol auf ihre Leistungsfähigkeit auswirke, und dies auch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG thematisiert habe. Sie behauptet zwar, dass dieser Beweisantrag von ihr in der mündlichen Verhandlung vom 12.7.2012 "aufrechterhalten" worden sei. Aus der von ihr in Bezug genommenen Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung ergibt sich dies aber nicht. Die Klägerin macht nicht geltend, dass das LSG in der mündlichen Verhandlung trotz eines entsprechendes Hinweises eine Protokollierung des Beweisantrags abgelehnt habe.

8

Entsprechendes gilt sowohl für ihr Vorbringen, das LSG habe auf ihren Schriftsatz vom 9.2.2012, in dem sie auf die "Schwachstellen und noch klärungsbedürftigen Punkte insbesondere im Gutachten des Sachverständigen F. hingewiesen" habe, kein "Nachtragsgutachten" eingeholt, und für ihren Vortrag, das Berufungsgericht sei zu Unrecht ihren schriftsätzlich gestellten Anträgen auf Einholung eines weiteren augenärztlichen Gutachtens, eines aktuellen Befundberichts der Augenärztin Dr. S. und eines psychologischen Gutachtens nicht gefolgt. Allein die Behauptung, dass entsprechende Anträge in der mündlichen Verhandlung "thematisiert" worden seien, reicht nicht aus.

9

b) Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) rügt, genügt auch dieser Vortrag nicht den oben aufgezeigten Darlegungsanforderungen von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

10

Die Klägerin stützt die Gehörsrüge darauf, dass das LSG auf ihren - auch in der mündlichen Verhandlung vom 12.7.2012 nochmals bekräftigten - Vortrag, dass sich die Einnahme des Schmerzmittels Tramadol zusätzlich leistungsmindernd auswirke, nicht eingegangen sei. Weder nach der Beratung am Ende der mündlichen Verhandlung noch in den Urteilsgründen habe das Berufungsgericht zu der aufgeworfenen Problematik der ständigen Einnahme des Präparats Tramadol Stellung genommen. Dies gelte auch für die eingeholten Gutachten. Vielmehr habe das LSG die Gutachten der Sachverständigen F. und T."unkritisch übernommen" und kein "Nachtragsgutachten" eingeholt.

11

Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargetan. Denn sie hat es versäumt, darzulegen, inwieweit die angefochtenen Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensmangel einer Gehörsverletzung beruhen kann. Die Klägerin behauptet nicht, das LSG hätte unter Berücksichtigung der Medikamenteneinnahme aufgrund eigener medizinischer Kenntnisse anders entscheiden können.

12

Soweit die Klägerin eine Verletzung rechtlichen Gehörs darin sieht, das LSG habe trotz ihrer Ausführungen zu den Schwachstellen und klärungsbedürftigen Punkte insbesondere im Gutachten des Sachverständigen Dr. F. kein "Nachtragsgutachten" eingeholt, liegt hierin keine Gehörsrüge, sondern eine Sachaufklärungsrüge. Deren Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung - wie oben ausgeführt - nicht. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (BSG vom 28.9.2010 - B 5 R 202/10 B - BeckRS 2010, 74248 RdNr 11 mwN).

13

Soweit die Klägerin die Verletzung rechtlichen Gehörs mit der unkritischen Übernahme der Gutachten der Sachverständigen Dres. F. und T. rügt und die Gutachten inhaltlich bemängelt, liegt auch hierin keine Gehörsrüge, sondern die Rüge mangelhafter Beweiswürdigung. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden und daher der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht zum Erfolg verhelfen.

14

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

15

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.