Bundessozialgericht Beschluss, 21. Juni 2011 - B 1 KR 144/10 B

bei uns veröffentlicht am21.06.2011

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger leidet insbesondere unter einer pulmonalen Hypertonie mit fortgeschrittenem Cor pulmonale. Er ist mit seinem Begehren, ihm Krankengeld (Krg) für die Zeiträume vom 16.3. bis 31.12.2002, vom 1.5. bis 21.5.2003 und vom 31.5. bis 31.12.2003 zu gewähren, bislang ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat seine Berufung gegen das in erster Instanz ergangene klageabweisende Urteil wegen Versäumung der Berufungsfrist unter Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen. Außerdem bestehe auch kein Anspruch auf Krg (Urteil vom 26.10.2010).

2

Nunmehr wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

3

II. Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

4

1. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), den der Kläger entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gerügt hat. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Satz 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention, § 62 SGG)verletzt, weil das Gericht am 26.10.2010 in der Sache entschieden hat, obwohl der Kläger annehmen durfte, eine instanzbeendende Entscheidung werde jedenfalls an diesem Tag nicht ergehen.

5

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es allerdings keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). Wird einem Beteiligten zB ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt oder nach Beweisaufnahme trotz nicht mehr wirksamer Verzichtserklärung ohne mündliche Verhandlung entschieden, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (BSGE 44, 292, 295 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG Beschluss vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - mwN). Gleichermaßen wird einem Verfahrensbeteiligten das Recht auf mündliche Verhandlung versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache abschließend entscheidet, obwohl der Beteiligte zuvor gemäß § 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG einen Terminverlegungsantrag gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das Gericht ist in einem derartigen Fall bei ordnungsgemäßem Vorgehen verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen oder zu vertagen (BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 303/07 B; BSG Beschluss vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - RdNr 5). Auch dann reicht es aus, dass bei Anwesenheit des Verfahrensbeteiligen eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). So liegt es hier.

6

Der unvertretene Kläger hatte erhebliche Gründe für seinen am Sitzungstag gestellten Terminverlegungsantrag geltend gemacht: eine akute Verschlechterung seiner Sauerstoffsättigung im Blut trotz hoher Sauerstoffgabe und Dauerbeamtung. Das LSG konnte seine Verhandlungs- und Reiseunfähigkeit nicht ausschließen. Der Kläger legte damit zugleich dar, warum er sich nicht früher auf diesen Grund hatte berufen können. In einem solchen Fall ist das Gericht verpflichtet, den Termin zu verlegen oder zu vertagen. Dem steht nicht entgegen, dass das LSG die Berufung als unzulässig verworfen hat und diese Entscheidung auch im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung hätte ergehen können (§ 158 Satz 2 SGG). Denn hier ist der Kläger vor der mündlichen Verhandlung nicht dazu angehört worden, dass und warum eine Verwerfung der Berufung in Betracht kommt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu einer anderen rechtlichen Bewertung des Sachverhalts durch das LSG geführt hätte.

7

Es bedarf keiner Vertiefung, ob das LSG grundsätzlich befugt gewesen wäre, den Kläger aufzufordern, seine krankheitsbedingte Verhinderung glaubhaft zu machen. Wenn dem Gericht ein vorgetragener Verhinderungsgrund für einen Antrag auf Terminsverlegung nicht hinreichend substantiiert erscheint, erfordern es die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens, dem Beteiligten stets die Möglichkeit zu geben, die entsprechenden Angaben nachzuholen und die erforderlichen Unterlagen einzureichen (BSG Beschluss vom 1.7.2010 - B 13 R 561/09 B - RdNr 12). Davon hat das LSG abgesehen. Selbst wenn dem Kläger eine ausreichende Glaubhaftmachung am Sitzungstag nicht mehr möglich gewesen wäre, wäre entgegen der Auffassung des LSG eine Vertagung unumgänglich gewesen (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59; s ferner BFH Beschluss vom 19.08.2003 - IX B 36/03 - DStRE 2004, 540). Denn im Zweifel hat der Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs Vorrang vor dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung.

8

2. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

9

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 21. Juni 2011 - B 1 KR 144/10 B

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Beschluss, 21. Juni 2011 - B 1 KR 144/10 B

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Beschluss, 21. Juni 2011 - B 1 KR 144/10 B zitiert 7 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 227 Terminsänderung


(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht1.das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 158


Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entsc

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Beschluss, 21. Juni 2011 - B 1 KR 144/10 B zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundessozialgericht Beschluss, 21. Juni 2011 - B 1 KR 144/10 B zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Beschluss, 01. Juli 2010 - B 13 R 561/09 B

bei uns veröffentlicht am 01.07.2010

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. März 2009 wird das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit z

Bundessozialgericht Beschluss, 17. Feb. 2010 - B 1 KR 112/09 B

bei uns veröffentlicht am 17.02.2010

Tatbestand 1 Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger, der - wie aus den Akten eines Vorprozesses hervorgeht - an den Folgen von HIV leidet, ist mit seinem (
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Beschluss, 21. Juni 2011 - B 1 KR 144/10 B.

Bundessozialgericht Beschluss, 13. Dez. 2018 - B 5 RE 1/18 B

bei uns veröffentlicht am 13.12.2018

Tenor Die Beschwerden der Klägerin und der Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Januar 2018 werden als unzulässig

Bundessozialgericht Beschluss, 18. Dez. 2012 - B 1 KR 90/12 B

bei uns veröffentlicht am 18.12.2012

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. März 2012 aufgehoben.

Referenzen

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tatbestand

1

Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger, der - wie aus den Akten eines Vorprozesses hervorgeht - an den Folgen von HIV leidet, ist mit seinem (von den Vorinstanzen so ausgelegten) Begehren, die Beklagte zu verpflichten, über Leistungs- und Akteneinsichtsanträge sowie Auskunftsersuchen der Jahre 1994 bis 2002 zu entscheiden und ihm Ablichtungen der Verwaltungsakten herauszugeben, bislang ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Berufung gegen den in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Gerichtsbescheid zurückgewiesen, weil die Klage unzulässig sei: Der Kläger habe nicht schlüssig vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 88 Abs 1 Satz 1 SGG gegeben seien; es werde nicht deutlich, welche Anträge er gestellt haben wolle (Urteil vom 13.2.2009).

2

Nach Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wendet sich der Kläger nunmehr gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Er rügt ua die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Entscheidungsgründe

3

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

4

1. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), der den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügend gerügt worden ist. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention, § 62 SGG) verletzt, weil das Gericht am 13.2.2009 in der Sache entschieden hat, obwohl der Kläger annehmen durfte, eine instanzbeendende Entscheidung werde jedenfalls an diesem Tag nicht ergehen.

5

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es allerdings keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl Bundessozialgericht SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). Wird einem Beteiligten zB ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (BSGE 44, 292, 295 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; Beschluss des Senats vom 14.12.2006 - B 1 KR 113/06 B). Gleichermaßen wird einem Verfahrensbeteiligten das Recht auf mündliche Verhandlung versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache abschließend entscheidet, obwohl der Beteiligte zuvor gemäß § 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG einen Terminverlegungsantrag gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das Gericht ist in einem derartigen Fall bei ordnungsgemäßem Vorgehen verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen oder zu vertagen (BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG, Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 303/07 B). Nichts anderes kann gelten, wenn der Beteiligte vor der Verhandlung einen Terminverlegungsantrag gestellt hat und davon ausgehen durfte, dass auf die anberaumte mündliche Verhandlung hin wegen seiner Eingabe jedenfalls keine ihm nachteilige instanzabschließende Entscheidung ergehen würde. So verhält es sich hier.

6

Das LSG war zwar nach § 227 Abs 2 ZPO iVm § 202 SGG berechtigt, den (unvertretenen) Kläger auf die von ihm wegen seines "sehr schlechten Gesundheitszustandes" geltend gemachte Hinderung der Teilnahme am Verhandlungstermin vom 13.2.2009 und auf seinen Terminverlegungsantrag hin (Schreiben vom 9.2.2009) aufzufordern, seine krankheitsbedingte Verhinderung glaubhaft zu machen sowie zum Termin ein qualifiziertes ärztliches Attest einzureichen. Das ist auf eine richterliche Eilt-Verfügung vom 11.2.2009 hin geschehen, die einen Absendevermerk der Geschäftsstelle vom selben Tag trägt. In der Verhandlung am 13.2.2009 durfte allerdings - selbst bei unterstellten "normalen" postalischen Verhältnissen - nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dem Kläger diese Mitteilung rechtzeitig vor dem Termin zugegangen war. Der Kläger macht geltend, er habe das Schreiben des LSG mit seiner werktäglichen Post erst am 13.2.2009 um 14.00 Uhr erhalten, also zu einem Zeitpunkt, als der für 11.30 Uhr angesetzte Termin bereits beendet gewesen sei. Diese Behauptung ist nicht zu widerlegen, insbesondere wird sie durch andere Indizien nicht erschüttert. Vielmehr ist nach den Umständen anzunehmen, dass er aus ihm nicht vorwerfbar zuzurechnenden Gründen gehindert war, zur mündlichen Verhandlung am 13.2.2009 zu erscheinen.

7

Wollte das LSG bei der gegebenen Sachlage am 13.2.2009 über die Berufung entscheiden, hätte es jedenfalls sicherstellen müssen, dass der Kläger die Auflage überhaupt rechtzeitig zur Kenntnis nehmen und sich entsprechend verhalten konnte. Da dies hier nicht der Fall war, hatte der Kläger berechtigten Grund zu der Annahme, dass er jedenfalls keine Rechtsnachteile aus seinem - noch nicht beschiedenen - Terminverlegungsantrag erleiden würde. Ein Gericht muss einen solchen Antrag förmlich (kurz) bescheiden, sofern dies noch technisch durchführbar und zeitlich zumutbar ist (zB OLG Karlsruhe MDR 1991, 1195; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl 2008, § 227 RdNr 56 mwN). Es muss zudem Sorge dafür tragen, dass dem Betroffenen die Entscheidung zumindest formlos mitgeteilt wird (vgl § 329 Abs 2 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG). Kann dagegen nicht gewährleistet werden, dass der Betroffene Kenntnis von den Voraussetzungen erlangt hatte, unter denen das Gericht von einer Verhinderung ausgehen würde, ist es gehalten, den Rechtsstreit zur Vermeidung eines Verfahrensfehlers zu vertagen. Das war hier der Fall.

8

Es fehlen Hinweise darauf, dass dem Kläger eine Mitteilung über die beabsichtigte Durchführung des Termins vom 13.2.2009 und die Voraussetzungen der Anerkennung seiner Verhinderung tatsächlich rechtzeitig zugänglich gemacht wurden, insbesondere befindet sich kein Zustellungs- oder Zugangsnachweis darüber in den Akten. Am 13.2.2009 hat das Gericht ausweislich der Sitzungsniederschrift eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der vorangegangenen Verfügung nicht positiv feststellen können. In der Niederschrift heißt es lediglich, "dass dem Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 2009 mitgeteilt worden ist, dass die durch Krankheit bedingte Verhinderung glaubhaft zu machen ist und zwar durch Vorlage eines Attestes". Sodann wird nur noch festgestellt, dass ein Attest bislang nicht bei Gericht eingegangen sei; anschließend ist die mündliche Verhandlung eröffnet, durchgeführt und auf sie hin über die Berufung durch das angegriffene Urteil entschieden worden.

9

Unter den dargestellten Gegebenheiten durfte das LSG indessen nicht über die Berufung entscheiden, sondern hätte eine Vertagung beschließen müssen. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass wegen des ergangenen Gerichtsbescheides schon in erster Instanz keine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte und der Kläger in der Vorkorrespondenz mit dem LSG ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hatte. Zudem sah das LSG nach den Entscheidungsgründen des Urteils selbst Klärungsbedarf dafür, welche Anträge der Kläger eigentlich stellen wollte. Obwohl die Mitteilung des LSG über die Voraussetzungen einer Terminverlegung nicht formgebunden war und keiner förmlichen Zustellung bedurfte, entband dies nicht von dem Erfordernis, entweder zu gewährleisten, dass der Kläger tatsächlich rechtzeitig vor der Verhandlung von der richterlichen Verfügung Kenntnis erlangte oder aber im Termin eine Vertagung des Rechtsstreits zu beschließen. Da beides nicht erfolgte, liegt die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.

10

2. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

11

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. März 2009 wird das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der 1939 geborene Kläger erhält seit 2004 Regelaltersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von anfangs 201,89 Euro. Widerspruch und Klage, mit denen er weitere rentenrechtliche Zeiten geltend machte, blieben erfolglos (Rentenbescheid vom 13.4.2004, Widerspruchsbescheid vom 24.3.2005, Urteil des SG Gelsenkirchen vom 21.6.2006).

2

In einem Erörterungstermin vor dem SG im Dezember 2005 hatte sich der Kläger nicht in der Lage gesehen anzugeben, welche Zeiten bei seiner Altersrente fehlten. Eine Erinnerung des SG vom Februar 2006 blieb erfolglos. Am Terminstag (21.6.2006) bat der Kläger per Fax um Terminsverlegung aus gesundheitlichen Gründen. Im Verfahren über die Berufung gegen das gleichwohl am 21.6.2009 ergangene SG-Urteil machte der Kläger mit Schriftsatz vom 15.10.2006 unter teilweiser Angabe von Arbeitgebern (Reedereien) Beschäftigungszeiten im Zeitraum seit 1958 sowie zeitlich nicht näher eingeordnete Arbeitsunfähigkeits- und Arbeitslosigkeits-, Kindererziehungs- und Pflegezeiten für seinen Sohn geltend. In einem Erörterungstermin mit dem Berichterstatter im November 2007 erklärte der Kläger, er werde bis spätestens Mitte Dezember eine genaue Aufstellung mit zeitlicher Einordnung der geltend gemachten Zeiten sowie eventueller Zeugenbenennung einreichen. Dies führte ua zu einer Benennung von acht ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers zur See und an Land ohne Nennung von Anschriften; von drei Zeugen wurde nur der Nachname und nur von zweien der ungefähre Aufenthaltsort ("Raum Stuttgart"/"Norderney oder Wangerooge") angegeben. Ferner machte der Kläger geltend, sein am 18.9.1984 geborener Sohn sei zu 100 % schwerstbehindert, wofür er sich im weiteren Verlauf auf von ihm eingereichte Unterlagen über die Gewährung von Pflegegeld des Sozialhilfeträgers an den durch ihn vertretenen Sohn bezog. Nach einem - erfolglosen - Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Berichterstatter lud ihn das LSG am 3.3.2009 zur mündlichen Verhandlung vom 26.3.2009. Gegen die Terminierung legte der Kläger unter dem 17.3.2009 "sofortige Beschwerde" unter Stellung weiterer Befangenheitsanträge ein; ferner beantragte er, den Termin auch aus gesundheitlichen Gründen zu verlegen. Zurzeit sei er gesundheitlich nicht in der Lage, den Gerichtstermin wahrzunehmen, es stehe eine Krankenhauseinweisung bevor. Das am Abend des 17.3.2009 eingegangene Fax wurde dem Berichterstatter am 18.3.2009 vorgelegt, der (intern) insoweit vermerkte: "Von einer Vertagung sollte abgesehen werden. Weder ist das p.E. angeordnet noch hat der Kl. gesundheitl. Gründe subst. benannt oder gar nachgewiesen." Mit Fax vom 25.3.2009 legte der Kläger schließlich die Kopie einer Krankenhauseinweisung wegen "Lumboischialgie" vom selben Tage vor und beantragte, den Termin zu verlegen; er wolle persönlich anwesend sein. Er bestehe ferner darauf, juristisch vertreten zu sein, und stelle dies gleichzeitig als Antrag. In Abwesenheit des Klägers hat das LSG seine Berufung auf die mündliche Verhandlung vom 26.3.2009 zurückgewiesen.

3

Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, es habe trotz des Schreibens des Klägers vom 25.3.2009 in dessen Abwesenheit entscheiden können. Die Gesamtwürdigung des bisherigen Verfahrensablaufs lege es nahe, dass dieses Schreiben lediglich der beabsichtigten weiteren Verfahrensverschleppung durch den Kläger diene. Dieser habe keine seine persönliche Anwesenheit unmöglich machende Erkrankung durch Vorlage eines ärztlichen Attests nachgewiesen. Lediglich das Begehren, juristisch vertreten zu sein, reiche für eine Terminsverlegung nicht aus. Einen Antrag auf Prozesskostenhilfe habe der Kläger nicht gestellt. Die Ablehnungsgesuche seien offenkundig nur in Verfahrensverschleppungsabsicht gestellt worden. Im Übrigen sei die zulässige Berufung nicht begründet. Nachweise über eine versicherungspflichtige Pflege iS des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI habe der Kläger nicht vorgelegt; ebenso fehle es am Nachweis, dass der Kläger ein Kind in dessen ersten drei Lebensjahren erzogen habe (§ 3 Satz 1 Nr 1 iVm § 56 SGB VI). Zu den weiteren rentenrechtlichen Zeiten hätten keinerlei Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung gestanden, aus denen - im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) - tatsächliche Feststellungen hinsichtlich etwaiger rentenrechtlicher Zeiten getroffen hätten werden können. Hinsichtlich der vom Kläger benannten Zeugen liege kein ordnungsgemäßer Beweisantritt vor. Weder seien ladungsfähige Personalien noch Anschriften benannt oder hinreichende Beweisthemen; der pauschale Hinweis des Kläger, der Senat könne die erforderlichen Tatsachen durch die Befragung der von ihm benannten ehemaligen Arbeitskollegen ermitteln, diene letztlich der Ausforschung möglicherweise vorhandener weiterer Versicherungszeiten. Ein Ausforschungsbeweis sei jedoch unzulässig.

4

Mit seiner Beschwerde rügt der Kläger Verfahrensfehler in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs wegen der unterbliebenen Terminsverlegung sowie die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Nichtberücksichtigung vom Kläger gestellter Beweisanträge.

5

II. Auf die Beschwerde des Klägers war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

6

Der gerügte Verfahrensfehler der Verletzung rechtlichen Gehörs liegt vor.

7

Der Kläger hat die Verletzung des § 62 SGG hinreichend bezeichnet; die Rüge trifft auch zu. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte bzw sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird.

8

Grundsätzlich stellt zwar allein der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, und dies vorher mitteilt, noch keinen zwingenden Grund für eine Terminsverlegung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass bei Fernbleiben eines Beteiligten nach Lage der Akten entschieden werden kann (vgl dazu § 110 Abs 1 Satz 2 SGG).

9

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kann - und muss ggf - jedoch gemäß § 202 SGG iVm dem entsprechend anwendbaren § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO nach Glaubhaftmachung(§ 227 Abs 2 ZPO) erheblicher Gründe aufgehoben werden, auch wenn - wie vorliegend - das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden ist. Ein iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggf glaubhaft gemachten Terminsverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung. Die Behandlung von Anträgen auf Terminsverlegung hat dabei der zentralen Gewährleistungsfunktion der mündlichen Verhandlung für den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen (zum Ganzen mwN Senatsbeschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - RdNr 13 bis 15).

10

Das LSG hätte den Terminsverlegungsantrag des Klägers vom 17.3.2009 nicht ablehnen dürfen, ohne ihn zuvor über die beabsichtigte Durchführung des Termins zu informieren und darüber, unter welchen Voraussetzungen es seinem Antrag stattgeben würde.

11

Zwar enthält der dem LSG noch am Abend desselben Tages per Fax übermittelte Schriftsatz vom 17.3.2009 keine Angaben, die einen erheblichen Grund iS des § 227 Abs 1 ZPO glaubhaft gemacht hätten. Denn eine Terminsverlegung ist nur dann geboten, wenn eine Erkrankung so schwer ist, dass von dem Beteiligten die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann. Weder aus dem pauschalen Vortrag von "gesundheitlichen Gründen" noch aus einem Hinweis auf eine bevorstehende Krankenhauseinweisung folgt mit der erforderlichen Sicherheit eine Verhandlungsunfähigkeit.

12

Die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens erfordern jedoch, dem Beteiligten jedenfalls die Möglichkeit zu geben, die entsprechenden Angaben zu machen und die erforderlichen Unterlagen einzureichen, wenn dem Gericht ein Verhinderungsgrund nicht hinreichend substantiiert erscheint (hierzu neuestens BSG vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - BeckRS 2010, 70756 RdNr 7 mwN). Hiervon mag zwar dann eine Ausnahme zu machen sein, wenn der Beteiligte bereits - ggf im Rahmen früherer Verfahren - zur Genüge über die Voraussetzungen einer Terminsverlegung informiert ist und diese nicht erfüllen kann oder will, sondern lediglich eine Prozessverschleppung beabsichtigt (in diesem Sinne bereits der Senatsbeschluss aaO RdNr 17; ferner BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - Juris RdNr 17 f; BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B - RdNr 5; BFH vom 12.1.2004, BFH/NV 2004, 654, 655).

13

Ein derartiger Grund, von einer Kontaktnahme mit dem Kläger abzusehen, lag jedoch im vorliegenden Fall nicht vor.

14

Es bestand kein Hinderungsgrund, die vom Berichterstatter in seinem Vermerk vom 18.3.2009 festgehaltenen Erwägungen nicht auch gleichzeitig dem Kläger mitzuteilen und um Substantiierung oder Nachweis zu bitten; ein entsprechendes Schreiben hätte er bereits am 19.3.2009, also eine Woche vor dem anberaumten Termin, erhalten können. Dann aber hätte ihm genügend Zeit zur Verfügung gestanden, dem LSG entsprechende Angaben und Unterlagen noch rechtzeitig zu übermitteln. Hieran ändert nichts, dass das LSG dem Kläger im Berufungsurteil eine Verschleppungsabsicht unterstellt. Denn auch jemand, der - aus welchen Gründen auch immer - den Abschluss seines Gerichtsverfahrens verzögern will, kann verhandlungsunfähig erkranken. Dann aber muss ihm Gelegenheit gegeben werden, dies glaubhaft zu machen. Das LSG hat jedenfalls nicht festgestellt, dass der Kläger anderweitig bereits hinreichend über die Substantiierungsanforderungen informiert war.

15

Die angefochtene Entscheidung kann auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger damals in der Tat verhandlungsunfähig war. Im Übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert hat, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Entscheidung beeinflusst hat; einer Angabe, welches Vorbringen durch das beanstandete Verfahren verhindert worden ist, bedarf es nicht (Senatsbeschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - RdNr 18 mwN).

16

Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung hat der Senat die Sache im Beschlusswege nach § 160a Abs 5 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

17

Er kann offen lassen, ob der gerügte weitere Verfahrensfehler (Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Nichtbefolgen eines Beweisantrags) vorliegt. Er weist jedoch darauf hin, dass jedenfalls hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Kindererziehungs- und Pflegezeiten die vom LSG angeführten Ermittlungsschwierigkeiten in weit geringerem Maße bestehen dürften als hinsichtlich der von ihm behaupteten weiter zurückliegenden Beschäftigungs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten. Zu den Pflegezeiten weist er auf die Urteile des BSG vom 5.5.2010 (B 12 R 6/09 R und B 12 R 9/09 R; s Terminbericht Nr 23/10, Nr 4 bis 5) hin.

18

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.