Bundesgerichtshof Urteil, 08. Feb. 2006 - XII ZR 57/03

bei uns veröffentlicht am08.02.2006
vorgehend
Landgericht Berlin, 32 O 747/01, 05.06.2002
Kammergericht, 8 U 218/02, 10.02.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XII ZR 57/03 Verkündet am:
8. Februar 2006
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung müssen sich aus dem Urteil
oder im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus dem Sitzungsprotokoll so erschließen
, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist (im Anschluss
an BGHZ 158, 60).
BGH, Versäumnisurteil vom 8. Februar 2006 - XII ZR 57/03 - KG Berlin
LG Berlin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Februar 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Fuchs, Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 10. Februar 2003 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte hat gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, das Berufungsurteil verkündet. Das Verhandlungsprotokoll gibt in Form eines Hinweises eine kurze Begründung. Das Berufungsurteil, mit dem das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen hat, enthält nur den Tenor.
2
Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.

3
Gegen die im Verhandlungstermin nicht erschienene Beklagte ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.).

II.

4
Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels tatsächlicher Feststellungen in der Revision nicht überprüfbar ist.
5
1. Auf das Berufungsverfahren ist die Zivilprozessordnung in der am 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht am 15. Mai 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Damit sind an die Stelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen die durch § 540 Abs. 1 ZPO näher geregelten Gründe des Berufungsurteils getreten. Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfordert das Urteil die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen und eine kurze Begründung für die Abänderung , Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Diese Darlegungen können bei Verkündung des Urteils im Verhandlungstermin in das Protokoll aufgenommen werden (§ 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
6
Diese Mindestvoraussetzungen sind, auch wenn das neue Recht die Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung entlasten will, für den Inhalt eines Urteils nicht entbehrlich (BGHZ 158, 60, 61 m.w.N.). Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch und vor allem aus seinem Sinn, trotz der Erleichterungen bei der Abfassung von Berufungsurteilen deren revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Deshalb müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus dem Sitzungsprotokoll so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist (BGHZ aaO, 62).
7
2. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsurteil diesen Anforderungen nicht genügt. Weder das Urteil noch das Verhandlungsprotokoll enthalten eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO). Auch die knappe Begründung im Sitzungsprotokoll lässt die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erkennen.
8
Deshalb ist das Berufungsurteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (st.Rspr. BGHZ aaO, 63 m.w.N.). Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.06.2002 - 32 O 747/01 -
KG Berlin, Entscheidung vom 10.02.2003 - 8 U 218/02 -

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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.