Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2004 - XII ZR 149/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Mietvertrages und rückständigen Mietzins. Die Klägerin mietete von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit schriftlichem Vertrag vom 3./10. März 1992 792,56 qm Gewerberaum im Einkaufszentrum "L. " in J. zu einem monatlichen Mietzins von 22 DM/qm (= 17.436,32 DM) auf die Dauer von 13 Jahren. In der Präambel des Vertrages heißt es: "Der Vermieter vermietet in J. ein Einkaufszentrum, bestehend aus einem Baumarkt mit Gartencenter mit einer Verkaufsfläche von mindestens 5.000 qm, ein Lebensmittelmarkt mit einer Fläche von ca. 1.000 qm und einem weiteren Fachmarkt von ebenfalls etwa 1.000 qm.Innerhalb dieses Einkaufszentrums mietet die Firma R. eine Fläche für einen Schuhmarkt zu folgenden Bedingungen: …" Seit 15. Dezember 1994 betrieb die Klägerin im Einkaufszentrum einen Schuhmarkt. Das Einkaufszentrum war voll vermietet und entsprechend der Präambel belegt. Ab 1997 stand das Einkaufszentrum zum Teil leer. Insgesamt waren drei Mieter, darunter die Unternehmen, die den Lebensmittelmarkt und den Baumarkt betrieben hatten, ausgezogen. Mit Vertrag vom 23./27. Juli 1998 trat die Beklagte als Nachfolgerin der Vermieterin in den Mietvertrag ein. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1998 forderte die Klägerin die Beklagte zur Wiederherstellung der vertraglichen Belegungssituation bis 31. Januar 1999 auf und drohte die fristlose Kündigung des Mietvertrages für den Fall an, daß das vereinbarte Belegungskonzept nicht nachgewiesen werde. Am 4. Februar 1999 kündigte die Klägerin den Mietvertrag zum 28. Februar 1999 und zog zu diesem Zeitpunkt aus. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 4. August 2000 wiederholte die Klägerin die fristlose Kündigung. Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, daß das Mietverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 4. Februar 1999 zum 28. Februar 1999, hilfsweise durch die wiederholte Kündigung vom 4. August 2000 zum 31. August 2000 beendet worden sei. Hilfsweise hat sie die Feststellung begehrt , daß die Monatsmiete für das Mietverhältnis ab 1. März 1999, hilfsweise ab 1. September 2000, (im Wege der Vertragsanpassung) 6.768,36 DM (netto) betrage. Die Beklagte hat widerklagend die Zahlung von 328.460,55 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage antragsgemäß stattgegeben. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Anschlußberufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klägerin zur Zahlung von weiteren 212.460,13 € verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Nichtauslastung (fehlende Vollvermietung) eines Einkaufszentrums sei kein Fehler im Sinne von § 537 BGB a.F. (§ 536 BGB n.F.) der an einen einzelnen gewerblichen Mieter vermieteten Gewerbeeinheit. Die ab 1997 nicht der Präambel entsprechende Belegungssituation des "L. " betreffe nicht die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes, sondern das allgemeine Verwendungsrisiko für eine Mietsache, das grundsätzlich beim Mieter liege. Diese Risikoverteilung ändere sich nicht dadurch, daß die angemieteten Räume in einem Einkaufszentrum lägen und beide Vertragsparteien bei Abschluß des Mietvertrages von einer bestimmten Belegungssituation ausgegangen seien. Zu einer Risikoteilhabe des Vermieters komme es nur in Ausnahmefällen. Dies erfordere eine eindeutige vertragliche Regelung, die hier fehle. Die Präambel enthalte eine solche Abänderung der üblichen Risikoverteilung nicht. Die Beschreibung des Einkaufszentrums in der Präambel bedeute lediglich, mit welchen Mietern das Einkaufszentrum zu diesem Zeitpunkt betrieben werden solle. Die Zusicherung einer Vollvermietung mit der Folge, daß sich der Vermieter am unternehmerischen Risiko des Mieters beteiligen wolle, lasse sich bei sachgerechter Auslegung auch unter Einbeziehung der Präambel nicht herleiten. Nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte habe die Klägerin nicht von einer Beteiligung der Vermieterin am unternehmerischen Risiko des Mieters ausgehen dürfen. Die Vollvermietung eines Einkaufszentrums und die Art der Belegung stelle auch keine Eigenschaft im Sinne von § 537 Abs. 2 BGB a.F. dar. Die Art der Belegung des Einkaufszentrums habe weder etwas mit der Beschaffenheit der an die Klägerin vermieteten Fläche zu tun, noch hafte der Mietsache da-durch ein bestimmter Zustand an. Insoweit fehle es bei der in der Präambel liegenden "Beschreibung" an einer zusicherungsfähigen Eigenschaft. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage scheide wegen des hier der Klägerin obliegenden Geschäftsrisikos aus. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Verletzung einer vorvertraglichen oder vertraglichen Nebenpflicht berufen. Eine Aufklärungspflicht über das Sonderkündigungsrecht der anderen Mieter habe bei Abschluß des Vertrages nicht bestanden. Ein Vertragspartner brauche den anderen über den Inhalt der Verträge mit dritten Vertragspartnern nicht aufzuklären. Ein Recht der Klägerin auf Abschluß eines Mietvertrages, der inhaltlich den Verträgen mit anderen Mietern entsprochen hätte, habe nicht bestanden. 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es keinen Mangel der Mietsache darstellt, wenn das Einkaufszentrum nicht während der gesamten Laufzeit des Mietvertrages voll vermietet ist. Auch die Annahme, daß die Vollvermietung des Einkaufszentrums nicht als zusicherungsfähige Eigenschaft i.S. von § 537 Abs. 2 BGB a.F. angesehen werden kann, ist nicht zu beanstanden. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714 ff.). Auch die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage hat das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt, weil der Mieter das Verwendungsrisiko zu tragen hat. Das alles stellt die Revision nicht in Frage.
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte hafte wegen Verschuldens bei Vertragsschluß, weil sie in der Präambel die Vollvermietung zugesichert habe.
aa) Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, daß dem Mieter dann, wenn der Anwendungsbereich der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften nicht betroffen ist und auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage aus Rechtsgründen nicht zum Zuge kommen, ein Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß zustehen kann. Dieser kann Grund für eine fristlose Kündigung - unter Heranziehung des § 554 a BGB a.F. - sein. Der Anspruch wäre nicht durch die Sonderregelungen ausgeschlossen, da diese - wie dargelegt - hier nicht eingreifen. Ein solcher Anspruch setzt hier aber voraus , daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin unter Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht schuldhaft unzutreffende Informationen in Bezug auf das Mietobjekt erteilt hat (BGH aaO 1718). bb) Ohne Rechtsverstoß konnte das Berufungsgericht hier jedoch davon ausgehen, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin weder in der Präambel noch sonst im Mietvertrag eine Vollvermietung über die gesamte Laufzeit des Mietvertrages zugesichert, sondern lediglich den Vermietungszustand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beschrieben hat. Die Auslegung von Verträgen ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Dessen Auslegung ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei vorgenommen worden ist und zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis führt, auch wenn ein anderes Auslegungsergebnis möglich erscheint oder sogar näher liegt. Die Auslegung durch die Tatrichter kann deshalb vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf einem im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehler beruht (Musielak/Ball ZPO 3. Aufl. § 546 Rdn. 5 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Fn. 4). Solche revisions-
rechtlich relevanten Auslegungsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen, und sie liegen auch nicht vor. Die Revision macht geltend, wenn mit der Präambel lediglich der Vermietungszustand bei Abschluß des Mietvertrages habe beschrieben werden sollen, dann wäre im Text das Perfekt gewählt worden ("hat vermietet") und nicht - wie geschehen - das Präsens ("vermietet"), das hier auch futurisch verstanden werden könne. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe damit geworben, daß das Objekt mit einem Baumarkt, Lebensmittelmarkt und einem weiteren Fachmarkt betrieben werde, und damit die erwartete Attraktivität des Einkaufszentrums durch konkrete Angaben über Bestandteile des Einkaufszentrums herausgestellt. Daß sie damit für die gesamte Laufzeit des Mietvertrages die Vollvermietung zusichern wollte, mußte das Berufungsgericht der Präambel indes nicht entnehmen. Die Benutzung des Präsens zwingt nicht zu einer solchen Auslegung. Die Annahme des Berufungsgerichts, es handle sich um die bloße Beschreibung der Mietsituation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ohne jegliche Garantie, daß diese Situation auf Dauer bestehen bleibe, ist rechtlich möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht durfte bei seiner Auslegung auch berücksichtigen, daß im Vertrag die Rechtsfolgen für den Fall einer Änderung der Belegungssitua tion nicht ausgesprochen sind. Seine Annahme, damit habe die Klägerin nach Treu und Glauben nicht von einer Änderung der gesetzlichen Risikoverteilung au sgehen dürfen, enthält ebenfalls keinen revisiblen Auslegungsfehler. Letztlich versucht die Revision lediglich, ihre Auslegung an die Stelle der des Berufungsgerichts zu setzen. Das ist ihr aber verwehrt. Aus dem Vortrag der Klägerin lassen sich auch keine mündlichen Zusicherungen für eine Vollvermietung entnehmen (vgl. BGH aaO 1718).
c) Ohne Erfolg macht die Revision schließlich Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung geltend. Soweit sie sich hierbei auf die Behauptung stützt, daß zwischenzeitlich alle einzelhandelsrelevanten Mieter ausgezogen seien und die Beklagte sich nicht um eine Neuvermietung der geräumten Ladenflächen bemühe und bis heute keinerlei Initiative zur Neubelegung der leerstehenden Flächen ergriffen habe, kann sie damit nicht gehört werden. Denn dazu fehlt es an ausreichendem Vortrag der Klägerin in den Vorinstanzen.
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(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.
(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.
(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.
(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.
(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.
(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.
(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.
(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.